Skip to main content

Full text of "Blätter für literarische Unterhaltung"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover. 


Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 


public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 





‘We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual 
personal, non-commercial purposes. 





and we request that you use these files for 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 






About Google Book Search 


Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 
alkttp: /7sooks. google. com/] 














Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 





+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 





Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen. 














099 


In 2 es KL. 24 


sy, CD 


Blätter für literarische Unterhaltung. 


— — — — — — ——— — — — — — — — — 


VBahrgang 1846. 


Zweiter Band. 


Blätter 


für 
literarische Unterhaltung, 
Sahrgang 1846. 


Zweiter Band. 
Juli vis December. 


(Sntpaltend: Nr. 182 — 365, Literarifche Anzeiger Nr. XII — XXVI.) 











Beipzig: 
3% A. Brodhaus. 





71846 


Blätter 


für 
literarische Unterhaltung. 
Zahrgang 1846, 


Zweiter Band. 
Juli bis December, 


(Enthaltend: Nr. 182 — 365, Literarifche Anzeiger Nr. XII — XXVI.) 





Beipzig: 
3%. Brodhaus. 





71846 








Blatter 


für . 


literarifhe Unterhaltung. 


Mittwod, 


ö Nr. 182. ö—— — 


1. Juli 1846. 





3ur Rodridt. 


Bon diefer Zeitſchrift erſcheint täglih eine Nummer und der Preis beträgt für den Jahrgang 12 Thlr. Alle 

Buchhandlungen in und außer Deutſchland nehmen Beſtellungen darauf an; ebenfo alle Yoftämter, die fih an bie 

Königt. ſächſiſche Zeitungsegpebitisn im —— Berſendung findet in Wochenliefſerungen und 
in Monats . 





Geſchichte des Urfprungs und der Entwidelung des 
franzöftfchen Volkes oder Darftellung der vornehm- 
flen Ideen und Facten, von denen die franzöfifche 
Rationalität vorbereitet und unter Deren Einfluffe 
fie fih ausgebildet hat. Yon Eduard Arnd. 
Drei Bände. Leipzig, Brodhaus. 1844 — 46. 
&r. 8 11 Zhlr. 

Erfter Artikel. 


Man kann der Meinung fein, daß die Geſchichte 
des franzöfifchen Volkes, des Landes überhaupt, was heute 
Frankreich genannt wird, ungemein viel Unerquidliches 
und nur felten einen reinen, wohltbätigen Eindrud dar- 
biete, und daß dieſes Volt, felbft bei fehr glänzenden Ga⸗ 
ben und einigen wohlthuenden Gemüthszügen, gleichwol 
überwiegende geiftige Mängel und fittliche Schatten zeige, 
und Ref. ift im Ganzen bdiefer Meinung. Kin Land 
und ein Volk, welches duch faft zwei Jahrtaufende 
fo widtig in Gefchichte und Leben gemwefen ; morin 
Eäfar feine Siege erfochten; Karl der Große fein 
herrliches Frankenreich gethürmt, das Ritterthum und 
die Romantik ihre höchfte Blüte erreicht; die Jung⸗ 
frau von Orleans bie legte wunberthätige Fahne ge- 
ſchwungen; Ludwig XI. und Richelieu die Staatskunſt 
der Machhiavelliftifchen Periode begründet und damit ei- 
nen notbwendigen Übergang vom Mittelalter zur Neu- 
zeit angebahnt; Franz I. als legter Ritter auf dem 
Throne gefeffen und gegen den Traum der Univerfal- 
monardhie feines Faiferlichen Gegners einen beharrlichen 
Kampf gekämpft; die Hugenotten ſich erhoben und un- 
terlegen; Heinrich IV. fein offenes Herz, feinen ritterli- 
hen Leichtſinn unb feine Heldenkraft bethätigte; Lud⸗ 
wig XIV. in langjähriger Regierung die Groberung 
buch Waffengewalt, lange erfolgreich, zulegt aber 
gleichwol fcheiternd verfuchte, "dafiir aber Europa dem 
Geſchmack und Esprit feiner Parifer unterwarf ; von wo 


ben größern Theil des 18. Jahrhunderts hindurch die 
Derderbnig und feit defien Schluffe der politifche Sturm 
über Europa ausging; von mo in ber Kaiferzeit das 
alte Staatenfoftem umgewälst wurde und mo wieder in 
der Reſtaurationszeit der conflitutionnelle Staat feine 
fefiländifche Schule macht: — ein ſolches Land und Volt 
muß immer in feiner Geſchichte und Entwidelung lehr⸗ 
reihe und intereffante Scenen in Fülle bieten, wie viel 
Unheimliched und Verworrenes auch fich beimifchen und 
wie viel Verfühnendes und Erhebendes auch der Deut- 
fhe namentlich vermiffen mag. Sei es nun aber ber 
große Reichthum der Thatſachen, oder der vielfach un- 
erfreuliche Geiſt dieſes gefchichtlihen Lebens, ober bie 
Unfähigkeit der Franzoſen felbft zu der echten Hiſtorie: 
wie viel aud über franzöfifche Gefchichte gejchrieben 
worden — wenn wir die Gefammtgefchichte ins Auge 
faffen und von bloßen Gompendien abfehen, ift es, im 
Vergleich zu manchem andern Staate, eigentlich nicht 
viel —, ein auch nur annäherungsweife genügendes, bie 
Aufgabe in einiger Vielſeitigkeit erfaffendes, fi ber 
claffifchen Gefchichtfchreibung anreihendes Wert über die 
franzöfifche Gefammtgefchichte befigen wir nicht. Unge- 
mein eifrig iſt die Chronique 'standaleuse ber fran- 
zöftfehen Gefchichte ausgebeutet worden; unzählbar find 
die fogenannten Memoiren in Frankreich, von ben vor- 
trefflichen der ausgehenden Ritterzeit an bis zu ben 
läfterlichen der Voltaire'ſchen Periode und den feichten 
und unzuverläffigen Compilationen der neueften Zeit. 
Einzelne vorftechende Punkte: die Hugenottenkriege, bie 
Zeiten Ludwig's XIV., die franzöfifche Revolution und 
was Dem folgte, find in vielen und zum Theil fehr be- 
deutenden Werten behandelt worden. In neuerer Zeit 
fängt auch ernſtere wiffenfchaftliche Forſchung an, fi 
einzelnen zeither vernacdhläfftgten Seiten .betrachtend zu- 
zuwenden, wie namentlich der Rechtsgeſchichte. Aber 
die Gefammtgefchichte iſt zeither zumeiſt mit bloßer Rück⸗ 


726 


ficht auf die äußern Thatfachen behandelt worden. Da- 
bei hat überdem der Parteigeift feine Rolle ganz beſon⸗ 
derd gefpielt und namentlih der kirchliche Parteigeiſt 
ſich färbend und entfiellend bethätigt ; 
den-Frangafen-fo gewaltige Rationaleitelkeit, weiche, eben 


weil fie Gitelfeit und nicht Stoß ift, «8 mit der Wahr: 


heit nicht genau nimmt. Die Ungründlichfeit und ber 
Leichtfinn der Franzofen laffen ihre gefchichtlichen Arbei- 
ten ‚nicht oder nur unter großer Vorſicht und unter ei- 
nem Mistrauen brauchen, wovon man wieder nicht weiß, 
ob 28 nicht zu weit geht; dem Ausländer mangeln aber 
wieder die franzöfifhen Quellen, die erft jest, durch 
Guizot's und Mignet's Fürforge, und auch nur in Be⸗ 
zug auf beflimmte Epochen, zugänglicher geworden find. 
Am Ende find auch die äußern Thaten und Ereigniffe 
Frankreichs zu blendend und imponirend, ald dag man 
nicht darüber den flilen, verborgenen, allmäligen Gang 
der innern Entwidelung mehr ale zu fehr wberjehen 
follte. Und doch ift er fo lehrreich, fo wichtig! und 
doch enthält er die wahre Erffärung des Außerlich-Ge— 
fhehenen! 

Mer Werf. des vorliegenden Werkes hat darin eine 
zur Zeit in dieſer umfaffenden Ausführung noch gänz- 
Sich mangelnde Darlegung diefer innern Entwidelung 
beabſichtigt. Er lebt feit Fahren in Frankreich, kennt 
ed durch unb durch und Hat aus den einheimifchen Quel⸗ 
ien in vollem Zügen fchöpfen können. Dabei ift er aber 
Dentfcher geblieben, und den Deutfchen ift es vor an- 
: dern Völkern gegeben, fih in fremdes Weſen zu ver- 
fegen, ohne aufzugeben in dieſes, es zu verſtehen und 
zugleich richten zu- fonnen. In der That verbindet das 
Werk in eigenthümlicher Weiſe deutfches und franzöfi- 
fches Weſen. Deutſch ift bie Gründlichkeit, das auf 
wüchterne, nadte Wahrheit gerichtete Streben, der fitt- 
liche Ernſt, die tiefen, eingreifenden Contouren ber Dar- 
ſtellung. Franzoͤſiſch ift der Wegfall alles Deflen, mas 
wenigfiene der Schein pedantifcher Syſtematik fein kann; 
ferner die Sparſamkeit des gelchrten Apparats; bann 
Die ‚lebendige, zugleich ein Unterhaltungsintereffe befriedi- 
gende Darftelung und das nähere Eingehen auf manche 
‘ Dinge, die, wie wichtig fie auch fein mögen, doch dem 
deutſchen Gelehrten felten ernſthaft oder wiſſenſchaftlich 


genug find. Ob es aber nit manchem Deutfchen zu 


franzöfifh und manchem Franzoſen zu deutſch erfcheinen 
wird? Ob es nicht entweder kürzer ober noch außgebehn- 
tee hätte fein follen? Db die Entfernung des Verf. ihn 
nicht einige beutfche Leiftungen bat überjehen laffen, die 
ibm, wie z. DB. Loebell's ‚Gregor von Tours”, ſehr gute 
Dienfte geleitet haben würden? Wie Dem auch fei, e6 
iſt ein Buch von fehr reichem Inhalte und anſprechen⸗ 
der Darſtellung und Behandlung, ein tüchtiger Kern in 
gefälliger Schale. 

- Auf die Eigenthümlichkelt der Form wird ber Lefer 
gleih ‚auf den erfien Seiten vorbereitet. Wir reiſen 
mit dem Verf. von Deutfchland mach Frankreich, flellen 
mit ihm Betrachtungen über den Iinterfehieb:gwifchen Nord» 
und Subddeutſchland, Vergleichnugen zwiſchen der deut⸗ 


dann die bei 


ſchen und franzöſiſchen Grenze an, und begleiten ihn auf 
feinem Weg nad Paris über das Schlachtfeld des Hun- 
nenkampfs bei Chälons -fur-Marne. In Paris ange- 
langt, wird ein allgemeiner Blick auf diefen Brenn- 
punkt des frangöfifchen Lebens geworfen; und Wanderun- 
gen in den verfihiedenen Theilen der Stabt Jollen zur 
erften Drientirung führen, wobei der Verf. nicht ver- 
faumt auf den verfchiedenen Urfprung und die verfdie- . 
dene Bedeutung der Städte in der antiken und moder- 
nen Welt aufmerffam zu machen und den Charakter 
der aus biefen hervorgehenden Gefittung zu bezeidimen. 
Schon vorher, bei der Baftille, kommt eine mit jenem 
Unterfchiebe zufammenhängende Betrachtung, die wir mit- 
tdeilen, weil fie nicht oft genug zu wiederholende Wahr- 
beiten enthält und zugleich darthut, daß der politifche 
Standpunmkt des Verf. derjenige ift, weltcher fich von einem 
wahren Geſchichtekundigen erwarten läßt. Es heißt 
(l, 15): 

Der Name der Republik in Athen und Rom erwedt 
noch heute die größten Borftellungen, und ift fo zu fagen ein 
Gemeingut der Menſchheit geworden. Nenedig, die Republik 
des Mittelalters, ift einer der bedeutendfien Punkte jener gro- 
Ben Epoche, Nordamerika, die Republil der Gegenwart, wird 
felbft von den entichiedenften Gegnern polififcher Freiheit, wenn 
auch nicht geliebt, doch geehrt. Man vergißt bei dem Geban- 
fen an dad Parthenon und das Capitol den graufamen und 
auöfchließenden Geift der alten Welt, über Dandolo und Mo⸗ 
rofini die tiefe Unfittlichkeit und die Abweſenheit jeder wahren 
Freiheit bei den Söhnen der Lagunen, über dem edein groß 
artigen Sinne Waſhington's den Mangel alles idealen Lebens, 
oder, um richtiger zu fagen, den groben Materialißmus der 
amerifanifchen Drganifation —, der Name der Republik ift 
durch alle dieſe Erfcheinungen verberrlicht worden, wie der der 
Monarchie durch Marc Aurel, Karl den Großen und Frieb- 
rich —, aber die frangöfifhe Republik hat eine von Schredien 
und LächerlichPeit gemilchte Erinnerung zurüdigelaffen und, fon» 
derbarerweife, nicht etwa blos im Auslande und bei ihren 
Feinden, nein — fie bat bier, in ihrer Heimat, einen üblern 
Ruf als irgendwo anders. Waren Nobespierre und Danton 
ſchlimmer ald Marius und Sulla? Kein, aber fie waren 
viel, viel Meiner. Die roͤmiſche Republik hatte ein fo langes 
Bräftiges Dafein geführt, daß ihre Entartung ald eine dem 
Schickſale alles Endlichen bedingte Rothwendigkeit ericheint. 
Benedig bat als Staat über ein Jahrtaufend beitanden, auch 
muß man, wenn man an feinen fchmachuöllen Fall denkt, nicht 
vergeflen, daß es Nationen nicht ebenfo wie Individuen ver: 
gönnt iſt, Heroifch zu endigen. Die Sonne Amerikas flcht 
neh im erften Beiden ihres Zodiacus, und dieſes Volk bat 
eine lange hoffnungsvelle Bahn zu burdywandern, aber die 
franzoͤſiſche Republik kam wie eine Midgeburt mit dem Keime 
des Todes im Herzen auf die Welt, ihre Entitehung wie ihr 
Untergang hat Beine jener allgemeinen Sympathien erregt, die 
Aller, mas ein großes, wenn auch mangelhaftes Leben in fidh 
getragen, von der unparteiifgen Nachwelt gezollt wird. 

Der Berf. führt uns auf den Montmartre, deffen 
Geſchichte er uns erzählt, und zeigt. uns von da Paris 
und feine Umgebungen. Bann beginnt er feine ge- 
ſchichtliche Darlegung mit den Parisis, ihrer Ankunft 
in Gallien, ihrer Verbindung mit Bäfar, dem fie fi 
erſt anfchliefen, dann, gemisgandedt, von ihm abfallen 
und nach ber Befiegung Galliens verſchwinden, um erft 
zu :Enbe des 4. Jahrhunderts ‚wieder aufgntreten. Kon 
ihnen geht ber Verf. zu ben ‚Selten überhaupt über, 





Tr 


mit Hecht erkennend, daß in Ihnen der Grundfackor des 
franzöftfhen Weſens zu fuchen if. In der That, man 
follte nicht von romaniſchen, fondern von tomanifirten 
celtiſchen Velten fprehen. Romanen find vielleicht nur 
in Italien und den ſüdlichen Donauländern zu fuchen. 
In Gallien imd Hifpanien haben die Römer, wie fpd- 
ter die Germanen geherrfcht und dem dienenden Volke 
die officielle Korm gegeben und was fid lernen und 
aneignen läßt; aber das Naturel blieb celtifch und das 
Naturel iſt zulegt immer die Hauptſache. In Spa⸗ 
nien ift der urfprüngliche Stamm weit mehr ausgerot- 
tet worden als in Frankreich und der Grundton der 
Bevolterung mag maurifch-germanifch fein. In Frank⸗ 


reich blieb er celtifh, und die Kranzofen von heute find 


immer noch die Gallier des Cäfar. Der franzöfifche 
Staat bat einige Gedanfen und Strebungen von dem 
tömifchen erborgt und die frangöfifchen Proconfuln ha⸗ 
ben viel Ahnlichkeit mit den römifchen in der Zeit des 
Berderbniffes. Der Franzoſe ale Menfch hat mit dem 
Griechen mehr. Verwandtſchaft als mit dem Römer, mie 
denn die Gelten und Slawen den riechen, die Germanen ben 
Römern näher fliehen. Auch unfer Verf. ertennt (1, 53): 
daß daß celtiſche Element, ungeachtet die Römer den Gal: 
liern ihre Sprache, die Kranken ihre Geſetze aufgedrungen, un: 
geachtet des Einfluffes, den das Chriſtenthum auf fie wie auf 
alle moderne Nationen ausgrübt, das Fundament und ben Fonds 


der franzöfifhen Rationalität ausmacde. Die Franzofen haben 


von den Römern den Formaliämus ihrer Sprache und ihrer 
Serftelungen und die endliche profaifche Richtung ihres Ge: 
nius, von den Franken Bieles in Einrichtungen und Gebräu: 
Gen überfommen, obgleich der germanifche Einfluß nur auf 
der Dberfläche des Lebens in dieſem Volke geblieben, wie denn 
auch die feudalen Einrichtungen auf die Länge keiner Nation 
fo läftig geworden ımd von Peiner andern mit fo Teidenfchaft- 
licher Ungeduld gebrochen worden. Bon den Galliern aber 
baben die Frangofen ihre gefellige und heitere Natur empfan: 
— die unerſchoͤpfliche in ihren Gegenſtaͤnden immer wech⸗ 
einde Thaͤtigkeit, den Mangel an Tiefe, die ohne Ruhe nicht 
moͤglich iſt, und eine gewiſſe moraliſche Unordnung im beſon⸗ 
dern, und politifche Planlofigkeit im öffentlichen Leben, welche 


die Individuen immer in einer Art von Spannung und Fehde | 


untereinander haͤlt und die Ration oft zu den Yverwegenften 
Unternehmungen fortreißt, aus denen felten Das hervorgeht, 
was fie ſelbſt gewollt Hat. 


Aber wohin ift die Gemüthstiefe, die Innigkeit des | 


Gefühls, das Idylliſche, Poetiſche, Patriarchalifche des 


celtiſchen Urcharakters und feiner Sitten gelommen? In | 


den Hütten der Bretagne mag mean feine Reſte fuchen: 
in dem officiellen, vom Zeitungslichte befchienenen Frank⸗ 
ti und bei der großen Mehrzahl feiner Bevölkerung 
findet man nichts mehr davon. Es ift abgefireift unter 
dem Einfluffe der Kriegs⸗ und Herrfcdyerkünfte, die man 
gelernt hat, und deu Schöpfungen des framzͤſiſchen Esprit. 

warum Bat ſich in England, neben all den ſtaats⸗ 
mönnifchen Kienften der Normannen umb foldhem Auf: 
ſchwunge der Wiffenfchaften und Künfte fo viel mehr da- 
von erhalten? Das mag darin mit liegen, daß in Frank⸗ 
wih das Röomerthum doch mehr gewirkt hat ale das 
germanifche Weſen, welches in England, die Celten theils 
mirottenb,, theils in beflimmee Bezirke bannend, ben 





eigentlihen Grundſtamm bes Volkochums bildete." Ginn- 
lichkeit und leichte Außerliche Erregbarkeit find das Vor⸗ 
herrſchende der Franzoſen, wozu dann noch ihre eigen« 
thümlicher Esprit kommt, ber ſich eben wegen des Zu- 
rücktretens des Gemüthslebens in einfeitiger Entwicke⸗ 
fung ausgebildet bat. Dieſer und der germaniſche Un- 
ternehmungs - und Xhätigfeitstrieb, wie der tömifche 
Herifchergeift, haben fie vor dem bleibenden Eintauchen 
in den oft gutmütbigen und idyllifchen Indifferentismus 
bed Celten- und Slawenthums bewahrt. Aber wohl 
ergibt fi aus dieſen Umfländen, daß die Franzoſen 
die germanifchen Inftitutionen behalten und felbft in ih- 


rer Art fortentwideln, aber burch den Geift, in welchem 


fie folche auffaffen, gänzlich umfchaffen und verderben; bag 
fie öftere Perioden des Glanzes haben mögen, wie 
überhaupt dort Alles, in ceftifcher Weife, in Maffe und 
auf die Maffe wirft und die innere Gliederung und 
Organifation der Maſſe nicht fo oder doch in viel man« | 
gelhafterer Weife fich bildet ale e6 im wahren „ureigenen‘ 
Geiſte des deutſchen Volkes liegt; daß es nicht ar ein- 
zelnen Zügen bochherzigen Sinnes, nit an manchen 
Tugenden bes Privatlebens gebricht; daß in ben Perioden 
der Ruhe das Ganze einen ſcheinbar gemüthlichen, idylli⸗ 
chen Charakter annehmen kann; daß, wenn jenes Sinnen- 
leben von unſchädlichen oder von nüglichen Impulſen 
beichäftigt wird, auch fein Wirken ein unfchäbliches oder 
ein nügliches ift; daß aber in bem Allen kein Verlaß, kein 
fittlicher Halt ift; daß der franzöſiſchen Bildung die Grenze 
viel früher geſteckt ift al& der germanifchen (woher übri⸗ 
gens ihre große Werbreitungsfähigkeit); dag auf Perio⸗ 
den bes Blanzes oder der Ruhe gar leicht wieder Perioden 
großer fittlicher Erfchlaffung und Verderbniß folgen, ja 
auch, bei dem Ganzen und bei Einzelnen, Tage einbre- 
chen, wo bie Gefahr der gräßlichiten Ausrottung droht 
und das Thierifche der Menfchennatur in feiner ganzen 
Nacktheit, in feiner entfegenden SHerzlofigkeit und ver- 
nunftlofen Gemeinheit hervortritt. Dieſe Gefahr wird 
fih bei der franzöſiſchen Nation nur allmälig, theils 
Durch immer reichere Bildung befchäftigenber Intereſ⸗ 
fen, theils durch Berichtigung und Bergrümdlichung 
des Geiſtes verlieren. Bis fegt aber bietet bie Ber 
fehichte weniger europäifcher Völker in den innern Be⸗ 
jiehungen ihres Lebens, bei allem Glanz und Schein⸗ 
glüd, ein fo troftlofe® Gemälde dar wie bie bes franzöfifhen 
Bolkes. Unruhen und Aufſtände, Intriguen, Verrath, 
Gewaltthat und Bebrüdung find überall vorgefommen: 
aber nirgend fo arg, fo herzlos und gemein, fo tüdifch 
und niedrig, To raftlos in Perioden wieberfehrend, fo plan- 
los und erfolglos, fo wenig durch mildernde, exfveuliche 
Züge ded allgemeinen Charabters in ſolchen Beiten ver- 
ſöhnt, eine fo fehlimme Entfittlichung durch alle Claffen 
des Volkes befundend, das Laſter, das Berbrechen mit fo 
viel Leichtfinn, Falſchheit, Schwäche und Feigheit gepaart. 
Und doch kann biefelbe Nation zu andern Zeiten über⸗ 


aus liebenswürdig und hochherzig fein. 


(Die Fortſetung folgt.) 


N 
328 


Bürger. Gin deutfches Dichterleben. Roman von Otto 
Müller. Frankfurt a.M., Dehler. 1845. 8. 
1 Thlr. 15 Nor. 


Gewiß gibt ed nur wenige Dichter, deren Leben Stoff 
für einen Roman böte. Ihr Leben fpinnt ſich meiftend 
fliflee oder doch unbekannter ab als jedes andere; felbft die 
Sonflicte zwifchen ihrer poetifhen Ratur und ber Wirklich⸗ 
keit unterfcheiden ſich in ihrer Form nicht auffällig von denen 
weiche auch andern Menſchen das Leben verbittern. Denno 
ift ihr Leben ein durchaus anderes, weil fie einen Maßftab 
daran legen müflen, welchen die übrige Welt für ungebräud:- 
ich erklärt, und den gebräuchlichen koͤnnen oder mögen jie nicht 

ebrauchen, oder die Möglichkeit ihres Dafeins waͤre auf die 
Spike geftellt. Das ausgleichende Maß findet nicht Jeder und 
dann entwideln ſich jene Eonflicte wol zu einer Geftalt, Die 
uns mit Sorgen und Schreden erfüllen kann. Unter den Dich: 
tern des vorigen Jahrhunderts, Die noch nicht vergeffen find, 
war Bürger von den Mufen reich ausgeſtattet; allein fie konn⸗ 
ten feine Jugend nicht gegen die Angriffe der Verführung 
ſchuͤtzen, deren Gift ir Halle fchon ein befannter Gelchrter ihm 
einflößte. Selbftändigkeit des Charakters wurde mit jedenf Tage 
mehr eine Unmögtunt it, und hätten nicht Freunde, Die feine 
änzliche Verſunkenheit ihm nicht abwendig gemacht, die äußere 

rifteng zu fichern ſich bemüht, fo wäre er gewiß ſchon früh 
untergegangen. Ob Bürger'8 Leben Gegenftand eines Romans 
fein Fönne, ift eine Frage, die nicht fo Leicht Entfcheidung fin- 
den, jedenfalls aber bei nicht wenigen Schriftftellern an Be: 
denklichkeiten fcheitern dürfte, welchen Achtung nicht zu verſa⸗ 
en ift. &elbft der vorliegende Roman fpricht für Bedenklich⸗ 
eiten feines Verf. Das Buch beginnt mit Bürger’s erfter 
Hochzeit, mit jenem Momente, wo am Altare eine Doppelche 
gefnupft wird, die wir auch im nichtfanonifhen Sinne als 
eine beillofe bezeichnen müffen. 

Sie darzuftellen, wie der Leſer, Dem fonft feine Quellen 
zu Gebote ftehen, fie aus Prug' ‚Göttinger Dichterbund‘ ger 
nügend kennen lernen kann, bat der Berf. nicht gewagt; was 
er aufbictet, fie zu bemänteln, ift, genau erwogen, nur Ausdrud 
feiner Berlegenbeit, feiner Bedenflichkeiten. Eine Rechtferti- 
gung ſolchen Zuftandes ift bis jegt auch einer Dudevant nicht 
gelungen: jenes Bemänteln aber macht eigentlich die Sache nur 
noch Ichlimmer als fie an firh ſchon ift, denn es beftätigt die 
Unrechtfertigfeit des heillofen Verbhältniffes, und wie überhaupt 
jedee Schmud des Häßlihen Verſchwendung ift, fo tritt daß 
Häßliche darin nur noch greller hervor. Bürger’6 ganzes Le: 
-ben war eine einzige fehr traurige Selbfttäufhung ; in feinem 
Innern gähnte eine tiefe weite Kluft zwifchen dem wahrbaften, 
nur im Sittengeſetz freien Menfchen und jenem, welchem die 
Luft Gewohnheit geworden war. Jene Selbfttäufchung, ein 
Kind der Schwäche, mochte ſich nicht verfagen, was die Sitte 
verlegte, ihr ewiges Geſetz verhöhnte, verwünfdhte; und diefe 
Kluft aufzuheben bedurfte es der Stärke eines Charakters, die 
dem Unglüdlichen fo fern lag, daß er in den ernfteften Heilig» 
ften Stunden Briefe zu fchreiben vermochte, welche Pietat bis 
jebt gegen Veröffentlichung gefhüpt hat. 

Nef. ift mit den Schwächen der menfchlichen Natur durch 
feine eigenen vertraut genug, um die Berfiherung bier auß: 
ſprechen zu konnen, daß es ihm durchaus nicht einfällt, auf 
Bürger den Stein eines Berdammungsurtheils werfen zu wol 
len. Rur gegen IUufionen müffen wir und zu ſchuͤtzen fuchen, 
wenn es darauf ankommt, mit einiger Entihiedenbeit zu be: 
flimmen: ob ein gegebened Leben Gegenftand eines Kunſtwerkes 
fein könne oder dürfe? und, ift ein ſolches Werk Hingeftellt: ob 
es jenes Leben wahrhaft erfchöpfet Aus dem ſchon Gefagten 
may fich ergeben, daß Ref. die erfte Frage, auf Bürger bezo- 


gen, im Ganzen nicht mit Ja zu beantworten geneigt tft, und 
rüdfichtlih der zweiten Frage nur ein entfchiedenes Rein hat. 
In formelleer Beziehung vermiffen wir vor allen Dingen Dar: 
ftelung überhaupt. Der Roman hat wie jedes Kunſtwerk die 
Aufgabe, im @inzelmefen die Sefammtheit, im Befondern dab 
Aügemeine abzufpiegeins er muß alfo jede Perfon, jede Hand: 
tung, den Grund und Boden, auf welchem beide ji bewegen, 
in beftimmter Zeichnung, Marer Farbe und angemeffener Grup: 
pirung dem Auge vorführen. Wenn wir nun auch bei dem 
vorliegenden Werke, eben weil es nicht etwa als „hiſtoriſcher“, 
ſondern fchlichtweg nur als „Roman“ bezeichnet ift, Bein Wort 
darüber verlieren wollen, daß es, mit der Wirklichkeit vergli⸗ 
Ken, diefe in vielen Punkten umgeht oder doch modificirt: fo 
müffen wir Doch nicht verfucht werden, die Nothwendigkeit des Ge: 
gebenen zu bezweifeln. Eine folhe Verſuchung aber tritt und fat 
überall entgegen. Es ift nicht nothiwendig, daß Stolberg und 
Boje zu Buͤrger's Hochzeit kommen, denn die Beziehungen 
Bürger'8 zu den Genoflen des Hainbundes find im ganzen 
Buche noch viel lockerer ald in der Wirklichkeit. Dennody war 
der Hainbund eine bedeutende Erfcheinung und Bürger's Ber: 
höltniß zu demfelben fo einflußreih, daB der Hainbund noth: 
wendig den Plaren, beftimmt gezeichneten Grund bilden mußte, 
auf welchem Bürger’8 Leben fich bewegte. Hier finden wir 
nur einzelne Glieder deffelben von der Willkür berbeigezogen, 
und der außerfte Grad folcher Willkür zeigt fich bei Brig Dahn. 
Der Verf. läßt ihn relegiren, bei Bürger ein Aſyl finden, bier 
ein Liebesverhältniß zu einer wahnfinnizen Förſterstochter an⸗ 
fnüpfen und fterben. Fragen wir: Wozu da6? Traͤgt die 
Epifode irgend wefentlih, etwa in der Eigenfchaft eined Ges 
genfaged dazu bei, uns für Buͤrger's Dafein ein näheres inni⸗ 
geres Merftandniß zu eröffnen? Und wäre Das nicht, entichär 
Digt fie nur als Epifode, als -audgerundetes, vollendetes Lebens» 
bilſlde Wir begegnen überall nur einen Nein. So geht «6 
aber mit allen Perfonen des Buchs: fie werden herbeigezogen, 
wann eben etwas gethan oder gefagt werden muß, was auch 
in anderer Weife gefchehen Ponntes — mit einem Worte: es 
mangelt die Nothwendigkeit, die innere Wahrheit ihrer Er: 
fheinung fo fehr, daB wir oft Mühe haben, und felbft den 
äußern Grund für ihr Dafein Har zu machen. ‚Das Alles wäre 
vermieden, wenn die Erfcheinungen, anftatt mit rhapfodifcher 
Billlür, mit epiſchem Beifte aufgefaßt und verbunden worden 
wären. 

Ref. hat vorfäglihd nur die Form des Buchs berührt. 
Was den Geift, dus Wefen deſſelben betrifft, . fo hat der 
Verf. gethan was er thun Eonnte, um aus dem fchmugigen 
Staube noch hier und da eine Blume bervorzuloden. Daß es 


ihm nicht gelang, liegt bauptfächlih in der Wahl eines Stoffes, 


welcher Emancipationsphantafien willtommen fein kann, überall 
aber auf Schwierigkeiten von folder Schwere trifft, dag auch 
Goethe's „Wahlverwandtſchaften“ fie nicht zu bejeitigen im 
Stande gewefen find. 18. 


ülberfegungsangzeige. 


Bon dem 1845 in London in der vierten Auflage unter dem 
Zitel „ Bothen‘ herausgelommenen Werke erfcheint eine 
deutfche Überfegung unter dem Titel: 


Aus dem Often 


in meinem Berlage. 
Keipgig, im Zuni 1846. 


8. A. Brockhaus. 


Verantwortliber Derauögeber: Geinrich Brockzans. — Drud und Verlag von F. M. Wrodpans in Reipyig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 


. 





Donnerdtag, 


— Nr. 183. — 


2. Juli 1846. 





Geſchichte des Urfprungs und der Entwidelung bes 
franzöfifchen Volks ꝛc. Von Eduard Arnd. 
Drei Bände. 

Erfier Artikel. 
(Sortfegung aus Nr. 182.) 


Doc, kehren wir zu unferm Verf. zurüd, der uns 
nun über die Galen unterrichtet, ihre früheften Wande⸗ 
zungen und Eroberungen, ihren Charakter und ihre Ver⸗ 
faffung, ihren” Eultus und ihre Religion darftellt, die 
Beherrfihung ber letztern durch den Druidismus hervor- 
hebend und den Untergang beffelben, die Verſchmelzung 
der galifchen Naturreligion mit dem römifchen Polgtheis- 
mus fhildernd. Nun zeigt er Galliens Zuftand unter 
ben Römern, und führt uns raſch bis dahin, wo wieder 
die Lutetia Parisiorum bedeutungsvol und Julianus 
Apoſtata zum Auguftus ausgerufen wird. Cine Be- 
trachtung über den Untergang des römischen Reiche 
und Galliens Zuftand zu biefer Zeit macht den Schluß 
des erſten Buche. Mit Necht erkennt er, außer ben 
allgemeinen Gründen jenes Verfalls, in der innern 
Organifation des römifchen Neiche, in ber Verwaltung 
eines aus den verfchicdenften Nationen beftchenden, nicht 
durch frieblihe Einigung ober allmäliges Nähertreten, 
fondern einig durch Gewalt und Zerftörung gebildeten 
Reihe, den Keim eines unausbleiblichen Untergangs. 
Mit Recht fagt er (I, 122): 

Der Berftand begreift diefes große Ereigniß bis auf einen 
gewiffen Grad, was aber auf das tieffte befremdet und darum, 
weniaftens in feinen Grundzügen, erflärt werden muß, ift die 
Entfagung und Selbſtaufgebung, mit der eine, wenn auch ge: 
lähmte und erfhhütterte, ihrer Form nach aber noch immer be: 
fehende Ordnung der Dinge die Angriffe von Feinden erwar- 
tete, die fie nicht mit vorübergehenden Ubeln, fondern mit 
gänzlihem Untergange bedrohten. Die Einwohner der römi- 
Shen Provinzen begriffen, wie man nad allen vorhandenen 
Iengniffen fchließen muß, daß es fich bei den Invafionen, von 
denen fie feit dem 4. Jahrhunderte regelmäßig heimgefucht 
wurden, nicht um einen Wechfel der Herrichaft, eine Veraͤnde⸗ 
tung der Regierung handle, fondern daß aus ihnen eine voll- 
kommene Berftörung ihres bisherigen Dafeins, eine individuelle 
und perfönliche Unteriohung hervorgehen müfle. Dennoch 
ſpricht Die Befchichte von keinem irgend bedeutenden und ge- 
oreneten Widerſtande, den“ fie diefem äußerſten Elende, das fie 
bedrohte, entgegengefegt hätten. Wenn man die Nachrichten 
über die Occupation Galliens durch Burgunder, Gothen und 
Franken lieft, fo Eönnte man zuweilen auf den Gedanken kom⸗ 


men, daß die beutfchen Groberer ein faft menſchenleeres Land 
eingenommen bätten, fowie fpäter Europäer fi nah der Ent 
be£ung Amerikas zuweilen auf unbewehnten Infeln nieberlie- 
Sen, fo vollkommen unthätig erfcheint die Bevdlkerung bei bie: 
fen jedes Einzelnen perſonliches Geſchick bedrohenden Einfäl⸗ 
len. Selbſt das oſtrömiſche Reich iſt nicht fo unrühmlich, fo 
ohne allen Widerftand gefallen. Sn Gallien, das durch feine 
Lage ben Angriffen der Germanen am meiften blosgeftellt war, 
tritt bie gänzlihe Erfchlaffung aller militairifchen und politi- 
(om Drganifation faft noch mehr ald anderswo, wenigftens 

über hervor. Die Urfache diefer tiefen Entartung liegt theils 
in dem allgemeinen Einfluffe Roms auf feine Unterthanen, in 
der Stellung der Provinzen zur Hauptftabt, theils in der in: 
nern Verwaltung und den ich aus ihr entwidelnden Zuflän- 
den, wie fie von dem römifchen Despotismus gefchaffen waren. 


Diefer Despotismus war aber in dem Berhältniffe 
zu den Provinzen ber Mepublit fo gut eigen wie dem 
Kaiſerthum. Das ganze Verhältnis Noms zu feinen 
Provinzen war ein ganz eigentlich despotifches: es per⸗ 
waltete fie zu feinem, des Herrſchers Nugen, und bas 
allein begründet den Begriff der Despotie. Früher han- 
delte es fih dabei um den Nugen Roms, der Stadt, 
ihrer Macht und ihrer Mächtigen, fpäter um den der 
Katfer und ihrer Herrfchaft, und es mag, ale nicht Al⸗ 
le mehr nach der Stadt flo und um fie fich drehte, 
eher einige Milderung zu Gunften der Provinzen ein- 
getreten fein, wie denn bie Habſucht und der Übermuth 
eines Ginzigen eher zu befriebigen find als bie eines 
herrſchenden Volks, und bie Diener des Erſtern leichter 
belangt werden konnen als die Großen einer Republik 
wie die vömilche war. Verresé gehört noch der Republik 
an, und aus Dem, was wir felbft von einem Bruce, 
einem Cato wiffen, erhellt, wie groß bie Verderbniß 
war und wie es die Anden frieben. Der oft der 
Schwäche und Unzuverläffigkeit bezüchtigte. Cicero ſcheint 
doch ber redlichſte und wohlwollendſte Proconful gemefen 
zu fein, den wir kennen. Aber wo ‚gab ed mehr der⸗ 
gleihen? Der Verf. fhildert nun die Gebrechen ber 
bürgerlihen Drbnung in den Provinzen näher und 
drängt fie zulegt in dem Sage zufammen (I, 127): 

Es war Feine Hoffnung auf eine mögliche Erneuerung unb 
Wiederbelebung bed gefellichaftlichen Körpers vorhanden, deſſen 
Elemente aus einer vermweichlichten tele klüctigen Ariftofratie 
ohne politifche Kraft, einem unterdrüdten MWittelftande, ber 
ſeibſt Die Auszeichnungen bie ihm wurben als eine Laft be 
traihten mußte, ‚und einem zablreishen, müßigen, von öffent: 


230 


i enden' lebenden ſtaͤdtiſchen Poͤbel beſtanden. Unter 
— lag ein bis pe Nein der Srerhei herabge⸗ 
wuͤrdigter Sklavenſtand. 

So ſagt er noch in Bezug auf die materielle Lage: 
daß ſie mehr den Schein als das Weſen des Lebens 
hatte. Für Glanz, für Beſtechung der Sinne, für die 
Ueppigkeit der Großen, für die Bequemlichkeit der Herr⸗ 
ſchaft war geforgt, aber daneben lag das Land unbebaut, 
von den elendeften Proletariern bewohnt. Große Heer- 
firaßen führten von einer bedeutenden Stadt zur andern, 
aber es gab feine andern Wege als diefe. Es gab eine 
Staatspoft, aber fie diente nur der Herrfchaft, nicht dem 
Publicum. Die befiegten Voͤlker umkleidete römischer 
Schein ohne das Wefen des altrömifchen Lebens. Durd) 
das Aufgeben ihrer Sprache und Sitte verloren fie das 
- Mark ihres Weſens, über der Übung, fremde Formen 
fih anzueignen,, die zeugende männliche Kraft ihres 
Geiſtes. Der Verf. fpricht auch darin das echte Wort 
aus, baf er (I, 130) fagt: 

Mom hätte nur groß bleiben können, wenn es ftatt die 
befiegten Boͤlker zu benationalifiren aus ihnen eine Confoͤdera⸗ 
tion gebildet und, ihre Eigenthümlichkeit anerkennend, ihr Da: 
fein geleitet hätte ohne es zu vernichten. 

Als der formelle römifche Geift, der fein Dafein an tobte 
Zeichen gebunden hatte, mit der regellofen, aber frifchen und 
überftrömenden Kraft des Nordens zufammenftieß, wurden dieſe 
Zeiden gebrochen. Er felbit verſchwand mit ihnen und ber 
zerhand der Iateinifchen erlag dem Gemüthe der germanifchen 

elt. 


Sehr richtig macht übrigens der Verf. auf die be— 
zeichnende Thatfache aufmerffam, daß der Untergang des 
weſtroͤmiſchen Reichs felbft heute noch von den franzöft- 
fhen Geſchichtſchreibern als das größte Unglüd, ale das 
Berfhwinden einer herrlichen Bildung und Die germa- 
nifche Invaſion als das fchredlichite Werhängniß, das 
je über die Welt gefommen, dargeftellt wird. Theils 
nehmen fie, meint er, ihrem in Formen befangenen 
Geifte gemäß, das Außere, die Hülle der ivilifation, 
für diefe ſelbſt. Theils ärgert es fie, daß es Germanen, 
die Stammmwerwandten der heutigen Deutfchen, waren; 
dag Die aus Deutfchland kamen, welche diefe Weltverän- 
derung vollbrachten. Dabei ftellen fie bie deutichen Er- 
oberer des 5. Jahrhundert als an den Grenzen ber 
Thierwelt fiehende, ben Indianern und Neubholländern 
ähnlihe Wilde dar. (Montesquieu ſteht auch darin 
höher ale fein ganzes Voll) Dabei fommen ein paar 
Bemerkungen, welche mitzutheilen wir uns nicht enthal- 
ten Pönnen (I, 131): 

Es ift ein befonderes Schidjal des Franzöfifchen Genius, 
daB er mehr durch feine Irrthuͤmer, feine Schwächen und 
Mängel ald duch das ihm zugetheilte Maß von Wahrheit 
auf andere Rationen gewirkt bat. Die oberflädhliche, popu- 
laire, rhetoriſche Form der franzöfifhen Bildung hat ihrer 
Darſtellungs⸗ und Betrachtungsweife überall einen fo leichten 
und oft fo verderblichen Eingang verſchafft. 

Es ift eine Eigenheit der Franzoſen, daß fie in u 
auf —e ol und den aftlicher —E das 
veränderungsluftigfte und neuerun nk Bolk find, Das es 
je gegeben, in Bezug auf literarifchen Geſchmack, in einer ge 
wiſſen, gerabe bie tiefften intelectuellen Interefien umfaffenden 


. Sphäre faft ebenfo flationnair bleiben wie die halb erftorbenen 


Völker Spaniens und Italiens. 
In der Regel find alle philofophifchen, hiftorifchen, litera⸗ 
rifhen Unfihten in Frankreich traditionnel.' 


Übrigens drehen fich, die Veränderungen im Politi« 
fchen au um bie Formen, und in die neuen Formen 
Brängt fich immer das alte Weſen wieder cin. 


(Die Zortfegung folgt.)- 


Voyages pittoresques dans "’ancienne France. Par 


le baron Taylor. 


Waͤhrend ſich allenthalben Altertbumsvereine bilden und 
fi bald befcheiden locale oder vaterländifhe, bald mit oft 
gerechtem Selbftgefühl allgemeine nennen, verfallen die uns 
von der Vergangenheit hinterlafienen Kunft » oder Geſchichts⸗ 
dentmale immer mehr und mehr. Wo vor zehn Sahren noch 
eine intereflante Ruine den Reiſenden anzog, findet der neuere 
Beſucher oft faum einen bedeutungslofen Steinhaufen, und manche 
heute beivunderte Refte des Mittelalters werden in einem hal: 
ben Menfchenalter vielleicht gänzlich verſchwunden fein. Urfas 
hen verjchiedener Art wirken auf daffelbe Ziel hin. Bald ift 
ed die Unwiſſenheit oder die Gleichgültigkeit, bald der Eigen: 
nug oder die Armuth der Privatbefiger, zumeilen ift es auch 
die natürliche Folge des gebrechlihen Zuftandes der durch das 
hohe Alter morjc gewordenen Monumente, welche diefe bedauc: 
rungswürdigen Wirkungen bervorbringen. Die Vereine kön: 
nen bierbei nur für dic öffentlihen, dem Staate angehörigen 
Gegenftände etwas thun, für die ſich imPrivatbefig befindlichen 
leider fo viel wie nichts. Wort und Beifpiel find faft die ein: 
zigen ihnen zu Gebote ftehbenden Mittel — denn fo viel Geld 
als noͤthig wäre ift felten zu erfhwingen — ihren ſchoͤnen 
Zweck zu erreichen, und diefe Mittel find gewöhnlich zu ſchwach, 
jene Hinderniffe binwegzuräumen. Doch der verhältnigmäßig 
geringe Erfolg fchwächt keineswegs die Güte der Abficht. 

Indefien bliebe den Freunden der vaterländiichen Kunſt 
und Gefchichte in diefer Berlegenheit zwifchen Wollen und Kön⸗ 
nen no ein Ausweg übrig und wir wundern ung, daB man 
nicht ſchon längft darauf gefommen. Der Vergänglichfeit Des 
menfchlichen Körpers eingeden? laſſen wir unfere Lieben oder 
Die, fo wir bewundert und verehrt, durch den Pinfel oder 
Meifel auf Leinwand oder in Stein barftellen und manches 
Bild überlebt fo das Andenken feines Originals. Und wir foll- 
ten nicht den Reſten des Alterthums einen aͤhnlichen Zribut 
bringen? Hätte man doch dabei noch den Bortheil, die Zeich- 
nung durch den Kupferfti oder den Steindrud zu vervielfäl- 
tigen und Vielen zum Genuß darbieten zu Pönnen, denen fie 
fonft unbekannt geblieben. 

Dur die Sorgfalt mandyer Einzelnen und mancher Ber: 
eine find ſchon oft, wir willen es, örtliche Merkwürdigkeiten 
gezeichnet und verbreitet worden; allein alles biöher in diefem 
Sinne Gethane bleibt an Umfang und VBollftändigkeit weit un⸗ 
ter Dem, was wir vorſchlagen möchten. Wir meinen nidhts 
Geringeres ald ein ganz Deutfhland umfaffendes Werk, 
worin Alles, was in Pünftlerifcher oder diteriſher Hinſicht 
von Werth iſt, Platz fände. Das Rieſenhafte dieſes Unterneh: 
mens ſchreckt uns keineswegs, denn wir haben das Beiſpiel 
feiner Ausfuͤhrbarkeit vor Augen, und dieſes Deifpiel ift es ges 
rade, welches uns den eben mitgetheilten Gedanken eingegeben 
bat. Wir reden von den „Voyages pittoresques dans l’an- 
cienne France”. 

Während Deutfchland, einer emfigen Biene glei, rechts 
und finds in den Nachbarländern den literariſchen Blumen- 
ftaub fammelt und nach einer fchnellen Umwandlung unter 
der Feder eines flinken Überfepers als Honig und Wachs auf 
ben leipziger Büchermarkt bringt, laßt es ein Werk außer Acht, 
das, feit einigen Jahren geräufchlos Lieferung an Lieferung rei» 


731 


hend, noch mehre Sahre-zu feiner Beendigung bedarf. Schon 
in feiner jehigen Geftalt zeigt es fih für den Hiftoriker wich⸗ 
tig und bietet dem Poeten eine reiche Sundgrube, befonders 
aber dem Künftler cinen unüberjehbaren Schag in baumeifter: 
licher, bildhauerlicher und malerifcher Hinfiht dar; es verfpricht 
aber ein Ganzes zu werden, daß ſeines Gleichen fucht. 

Frankreich verdankt dieſes prachtvolle Gefchen? einem Manne, 
der mit den nöthigen Kenntniffen, mit der Kunftbildung, dem 
Geſchmack die ebenjo unentbehrlichen Eigenfchaften der Ausdauer, 
ded Fleißed und der Energie verbindet, dem Baron Taplor. 
Eine Maſſe hiſtoriſcher Materialien, wie fie felten ein Privat» 
mann bejeflen, befonders aber viele auögegeichnete Künftter, 
und nicht bloß franzöfifhe, um jih fammelnd — es gibt wol 
keinen franzöfifchen Zeichner oder Maler von Namen, der nicht 
für die „Voyages pittoresques” gearbeitet hätte —, hat er 
Muße genug zu finden gewußt, um das Ganze zu leiten, den 
ausgeſandten Künftlern Inftructionen zu ſchicken und einen un⸗ 
geheuern Text zu fchreiben. Provinzen wie die Normandie, die 
Picardie, Bretagne, Languedoc find ſchon vollftändig; Auvergne, 
Dauphin?, Champagne und andere nähern ſich ihren Ende. 

Man wird die Größe diefes Unternehmens noch mehr wür: 
digen, wenn man bedenkt, daß wenige Länder fo reich wie Frank 
reich an Kunftaltertyümern find; was aber die Sammlung der 
legten noch inteweflanter macht, ift deren große Mannichfaltig⸗ 
fait. Zaft alle Perioden, beinahe alle im Laufe der Zeiten und 
bei den verjchiedenen Nationen aufgetauchten Stile jind mehr 
oder minder vollftändig repräfentirt. Bald ftehen griedhifche, 
roͤmiſche, romaniſche, byzantinifche neben gothiſchen Antiquitäs 
ten, neben den neuern Denfmälern der Renaiffance; bald ift 
die eine oder andere Kunft in bdiefer Provinz vertreten und 
fehlt in jener ganz. Welche Menge Zempel, Wafferleitungen, 
Theater, Eaftelle, Kirchen, Klöfter, Burgen, Schlöffer, Pri⸗ 
vatwehnungen, Bildfäulen, Haut» und Basreliefs u. f. w. ge: 
ben nit vor den Augen des Leſers vorüber! Die verfchiede- 
nen Bölfer, die den herrlichen Boden des alten Galliens zum 
Schauplag ihres Wirkens gemacht, leben vor ihm auf in den 
Ronumenten, die fie gelaſſen, und die, obgleich dauernder als 
ihre Grbauer, dem Sahne der Beit nun endlich zu unterliegen 
beginnen; vom Bandalismus der Revolution verfchont, fallen 
ihrer viele jege unter dem Hammer der engherzigen Vortheils: 
fucht der Bande noire. 

Sole Klagen hat der Verf. der „Voyages pittoresques 
dans Yancienne France” oft geäußert und dabei Gelegenheit 
genommen, für deren Erhaltung Alles vorzubringen, was nur 
Kunftz und VBaterlandsliebe Feuriges eingeben Eonnten. 

Bir ſprachen oben von dem zufammengefegten Snfereit 
des Werkes in Hinficht auf Kunft, Poeſie, Geſchichte und Ar: 
häclogie; wir werden jede diefer Richtungen etwas mehr im 
Einzelnen verfolgen, erlauben und jedoch zuerft eine Bemer⸗ 
fung, die wir im voraus durch ein Citat rechtfertigen wollen. 

„3m alleinigen Intereffe der poetifchen und Bünftlerifchen 
Srinnerungen begonnen”, fagt Hr. Baron Zaylor in dem Yon 
der Abtei St.» Amand handelnden Gapitel ded eriten Bandes 
(Rermandie), „ſind die « Voyages pittoresques dans l’ancienne 
France» nach und nach ein Bild des Mittelalters geworben.” 

„Die Verbindung der Geſchichte der Monumente mit der 
der Menſchen ift zu eng, ald daß wir hätten unfer Ohr ver: 
liefen fönnen vor der feierlichen Stimme der Vergangenheit, 
Me aus Ruinen ertönend denkwuͤrdige Begebenheiten erzählt...” 

Bir glauben daher mit Recht behaupten zu konnen, daß 
der Berf., von der Waffe des Stoffs ſowol ald von deflen Ei: 
genthümlichfeit gezwungen, unwillfürlih die Grenzen feiner 
urfprünglichen Aufgabe erweitert und erft gleichfam unter der 
Feder das im reichen Maße fich vorfindende Hiftorifche Element 
dineingezogen hat. Ein genaueres Studium bed Werkes hat 
diefe Anficht noch bei und beftärkt. Kehren wir jedoch nad 
dieſer Abſchweifung zu den @inzelheiten zurüd und beginnen 
er mit der Kunfl. 

‚ Unter diefem Gefichtöpunfte ift die Aufgabe des Werkes, 
me wir ſchon angedeutet, fämmtliche in Fünkterifcher Hinſicht 


merkwuͤrdige, mehr oder minder gut erhaltene Denkmaͤler Frank. 
reichs aufzune men. Die Anzahl der dazu nöthigen Lithogra⸗ 
pbien wird V überfteigen und die I,00— 280 fchon er: 
fienenen geftatten gewiß ein ziemlich gültiges Urtheil über 
dad Ganze zu füllen. 

Died Urtheil kann nur ein günftiges fein. Die Zeichnun- 
gen find meift von zu berühmten Namen unterfchrieben als 
daß man nicht mit einem gewiffen für die Sache eingenomme: 
nen Borurtheil an die Betrachtung derfelben gehen follte; wir 
müffen aber geftehen, daß unſere Erwartungen in der ‘Regel 
erreicht, oft übertreffen wurden ; Feinheit des Stiche, rich⸗ 
tige Schattengebung, zwedinäßiges Hervorheben Deffen, was 
dieſes Vorzugs würdig ift, zuweilen ein glüdliches Gruppiren 
der das Tableau beiebenden Figuren, durchgängig forgfältiges 
Lithographiren, muͤſſen wir rühmend anerkennen; überhaupt ift 
ſelten etwas von Dem, was einer folchen Arbeit Fünftierifchen 
Werth verleiht, von und vermißt worden. 

Eine befondere Müdficht ift auf den Künftler genommen 
worden, der die vorliegenden Modelle benugen will, wie aus 
den Bolgenden von felbft hervorgeht. 

Bei den weniger wichtigen Reften der Vergangenheit bat 
man fi beynügt, ‚eine allgemeine Anſicht der Steine zu lies 
fern. War es ein in geſchichtlicher Hinſicht nothwendiges Über: 
bleidfel, fo baute wol der Künftler in Gedanfen das Verfallene 
wieder auf, half ſich dabei mit den durch die Zrümmer ange: 
deuteten Umriſſen und mit den in Chroniken und Documenten 
enthaltenen Angaben und machte daraus den Gegenſtand eines 
weiten Bildes. Andere Antiquitäten, 3. B. griechifchen, rd: 
mifchen, altgallifchen oder druidijchen Urfprunge, wurden zuer 
in ihrem jegigen Zuftande, in der Mitte ihrer Umgebung, ur 
genommen, einzelne intereffante Iheile, etwa guterhaltene Bas⸗ 
oder Hautrelief6 oder Infchriften, in groͤßerm ſehr deutlichen 
Maßftabe auf ein befonderes Blatt gezeichnet. Befonderer Fleiß 
wurde jedoch auf die Reproducirung merfmwürdiger Kirdyen oder 
anderer unverlegt duch die Jahrhunderte gefommener Baus: 
werke verwendet. Das fogenannte Bieredige Haus (Mai- 
son carree) in Rismes, das Mufeum in Montpellier, viele 
Kathedralen wurden von ber Fronte, ven der Seite, im Ins 
neen ze. gezeigt; die wichtigen Theile, Statuen, Verzierungen 
aber befonders abgebildet und ein Plan des Gebäudes Frönte 
und vervollftändigte die Neihe. 

Ein Beifpiel unter hunderten; wir nehmen es aus der 
Provinz Franche⸗Comté, ed ift die Kirche zu Brou. Das Bild 
Rr. 25 (von Vonington) ftellt die Façade nebft deren nächfter 
Umgebung vor ; dad Bild Nr. 26 (von Eourtin und Daguerre) 
gibt eine allgemeine Anſicht des Innern diefer Kirche; Kr. 37 
(von Courtin und Bauzelle) zeigt den Ehor derfelben ; Nr. 38 
(von Arnout) die Seitenkapelle; Nr. 29 (von Bonington und 
Bauzelle) das prachtvolle Denkmal der Margarethe von Bour⸗ 
bon; Nr. 30 (von Richebois und Vauzelle) den Betftuhl der 
Prinzefiin Margarethe; Nr. 31 (von Fragonald) das Grabmal 
des Philibert des Schönen ; Nr. 32 (von Iheophile und Vau⸗ 
elle) 15 einzelne Iheile diefer Kirche: Bet⸗ und Beichtftühle, 
—* Verzierungen u. f. w.; Nr. 33 (von Theophile) weis 
tere Einzelheiten: fechd die Gräber ſchmückende Bildfäulen ; 
Nr. 33 bis (von Alph. de Eailleur und Müller) gibt endlich 
den vollftändigen Plan der Kirche. 

Den Bildern kommt da, wo es nüglich, Die Befchreibung - 
zu Hülfe, und oft weiß der Verf. intereffante und zuweilen 
wichtige Bemerkungen über Gefchichte und Theorie der Kunft 
einzuflechten, wie dies unter andern die folgenden aus ber Ein» 
leitung des zweiten Bandes citirten Stellen andeuten : 

„. .... Wir haben bei der Befchreibung der Ruinen der 
Kormandie gefehen, daß die Monumente, denen wir mit fo 
viel Seringfhäsung den Namen gothiih geben und deren 
Bau wir in die Jahrhunderte der Barbarei verfegen, weder 
roh noch barbarifh find. Unter einem andern Himmel und 
unter einer andern Eingebung- ald die Monumente der Grie 
chen errichtet, haben fie vieleicht weber deren Reinheit noch 
deren Eleganz, aber fie übertreffen diefe an religioͤſer Feierlich⸗ 


732 


get und geheimnißooller Harmonie, wie der erhadene uud wohl: 
wollende Glaube des Chriſtenthums bie pottiſche Goͤtterlehre 
der Seiden..... Die Branche » Eomtd Hat Feine Denkmäler 
aus der fangen Epoche, welche zwifchen bie Beit des Urchri⸗ 
ſtenthume und der Nenaiffance fält. Die Römer haben darin 
viele &puren zurüduelaffen, aber das Mittelalter ift für fie 
vergangen als wäre ed nie dageweſen. .... “ 

Gin anderes Beifpiel diefer Art wird weiter unten ange: 
führt werden. 

Wir hatten übrigens Gelegenheit und zu überzeugen, daß die 
Zeichnungen nicht blos mit größter Treue gefertigt find, fondern 
auch alle ohne Ausnahme an Drt und Stelle aufgenommen, 
alfo Beine etwa von ſchon vorhandenen Abbildungen copizt. 

Bon der Kunft geben wir zur Peefie über. Der Verf. 
gibt unter diefer Rubrif die poetischen Sagen, welche ſich der 
Landmann in den langen Winterabenden, am flammenden Herd 
figend, erzählt. Diefe im Munde des Volkes lebenden Überlie: 
ferungen, oft die. Geſchichte begleitend, zuweilen fie erfegend, 
haben nach den Provinzen, wo fie gäng und gäbe, eine andere 
Phyfiognomie, die keines Lavater bedarf, wenn fie eine Gegend 
vorftellt, deren Bewohner ihre Race von fremder Beimiſchung 
rein erhalten haben. Auch das Klima, die Bodengeftaltung, 
Meeresnaͤhe u.f.w. üben ihren Einfluß auf die Phantafie und 
drüden deren Kindern einen eigenen Stempel auf. Die Sa— 
gen der nörblihen Picarden oder. Normannen, der füdlichen 
Provengalen, der auf den fchneebededten Yyrenden baufenden 
Basken und Bearner, der Anwohner der Blippenreihen Kuften 
der Bretagne oder der friedlihen Aderer des vom Rhein be 
fpülten Elfaß unterfcheiden fich beim erſten Anblid. Das in: 
terefiante Studium, deſſen Stoff diefe Überlieferungen bilden, 
führt auf manche durch Stammesverwandtfchaft motivirte Ahn- 
lichkeiten, die dennoch wieder durch Lecales modificirt find. 
So werden Diejenigen, welche die Rheinfagen kennen, mit Ber: 
gnügen die des Lurleifelfen mit der folgenden aus der Jura: 
gegend vergleichen: oo 

„Auf dem Kamm einer langen Bergkette, welche den Hori⸗ 
zont gen Abend fchließt, geiwahrten wir bald die berüchtigte 
Dliferne, deren Andenfen die Menſchen weniger wegen der 
von ihr im 16. Jahrhundert ausgehaltenen Belagerungen be 
wahrt als wegen der Fabeln, die der Anblick ihrer alterthüm⸗ 
lihen Gemäuer erweckt.“ 

„Die Annäherung ift mit großen Schwierigkeiten verbun- 
den; ber Felfen, der fie trägt, beberrfcht eine tiefe Schlucht, 
und von der Höhe ihrer Zinnen erfcheinen gen Morgen die 
Waffer des Ain wie ein in das Thal gefallener glänzend blauer 
Gürtel. Während ber Eroberungsfriege (im 16. Sahrhundert) 
ließen die duch Dlifernes langen Widerftand aufgebrachten 
Franzoſen alle ihre Bewohner über bie Klinge fpringen und 
zerftörten ihre alten Wäle, um den lehten Zeugen des Ruhme 
ihrer Vertheidiger zu vernichten.‘ 


„Unter den außerorbentlihen Begebenheiten ber fabelhaf: 
ten Chronik gibt es eine, welche würdig ift die Muße des 
Romantiferd oder Poeten zu befchäftigen. Eine Tages — 
und wer möchte die Xeidenfchaften ſchildern, deren Reſul⸗ 
tat dieſes Verbrechen war?! — wurden drei junge Damen, 
einander an Schönheit und Anmuth gleih, von dem Xp: 
rannen von Dliferne zum Martertode des Regulus verdammt. 
In ein inwendig mit Nägeln geſpicktes Faß gezwängt, ließ er 
fie von der Höhe des Felfen in bie fo reinen, hellen Gewäfler 
des Ain rollen. Lange ſchwamm die ſchreckliche Mafchine auf 
dem Fluſſe, Seufzer, wie fie noch nie am Ufer wiedergehallt, 
ertönten aus ihr und verdoppelten fig, wann fie der Strom zufaͤl⸗ 
fig gegen Felſen warf. Endlih ſank das Faß, aber erft viel 
foäter öffnete es fi, von den wüthenden Wellen zertrümmert, 
und befreite drei blutige Gefpenfter, welche fi an einem dem 
Schloſſe gegenüberftehenden Kelten feftfeßten und dafelbft ihre 
ewige Wohnung aufihlugen. Es find die Klippenfpigen ber 


drei Damen, die der Reifende noch jegt in der fhauerliden | 


= 


Zandfchaft unterfgeiden Tann. Jede Nacht verlaffen fie ihren 
Zagesaufenthalt, um ihre einftige Burg zu befuchen.” 

„Getragen von ber Luft fteigen fie dann an das Ufer Des 
Fluffes hinab, überfchreiten ihn, den Saum ihrer fangen wei: 
Ben Gewänder eintauchend, ſchweben zu ihrem alterthümlichen 
Palaft hinauf und haufen da, bis fie gegen Sonnenaufgang, 
auf dem Morgenniebel Hüpfend, ihrem fihweigfamen Felſen zu: 
eilen.“ 

„Der grauſame Baron blieb aber nicht ungeftraft; ſeit 
feinem Tode irrt er, in den benachbarten Bergen jagend, ruhe⸗ 
los umber. Kaum vergoldet die Sonne die Sinfrt der Berge, 
kaum haben die drei Damen ſich auf ihrem Kelfen zur Rube 
begeben, fo tritt der Burgherr von Dliferne, begleitet von fei= 
nen Hofleuten, aus der Hauptpforte des Schloſſes; ihm folgen 
Leib» und Saumroffe, Spür» und Iagdhunde, Pagen und Zä- 
ger. Hartnädig verfolgt der raftlofe Jäger den Bären und 
den Eber und weithin wiederhallen die Echos von den Jagd: 
börnern der fehredlichen Rotte. Keinen Bauer gibt ed auf die: 
ten Bergen, ber nicht behauptet dieſes Wunder gefeben zu 
haben, und der fi) nit aus dem Staube macht, warın er das 


Geſchrei und Gebell der Meute des gefpenftigen Burgherrn von 


Dliferne zu hören glaubt. Es ift der Freifhüg des Jura. 
Wahrſcheinlich find es diefe Überlieferungen, die den Bären 
diefer Zelfen einige Ruhe verfchafft und tr Geſchlecht bis auf 
unſere Tage erhalten haben; denn der Berg von Sliferne iſt 
der einis⸗ im Jura, wo deren zuweilen noch geſehen werden.“ 

„Der letzte Baron von Dliferne hinterließ einen großen 
Ruf als tapferer und geſchickter Krieger; er ift beſonders durch 
feine Kriegdliften und durch feine hartnädige Vertheibigung 
gegen die Sranzofen berühmt. Seine meiften Verbrechen mö« 
gen wol blos politifche Verleumdungen fein, welche zur Schande 
des Menfchengefchlechts faft immer biftorifche werden.” 

(Der Beſchluß folgt. ) 





Bibliographie. 

Buttel, v., Uber die Geltung des römifhen Rechts und 
dad Berlangen nach freierer Gerichtsverfafſung. Eine Bor- 
lefung. Didenburg, Schulze. Gr. 8. 71, Nur. 

hoke, 3., Warbed oder: die Prätendenten. Hiftorifch: 

deamatifched Gedicht in 4 Aufzügen. Nah Fr. dv. Schiller’s 

hinter taflenen Seizze. Sudenburg: Magdeburg, Paetz u. Comp. 
r. 8. r. 


Der Erzähler aus der Heimath und Fremde. Driginal⸗ 
erzaͤhlungen und Überſetzungen. ‚Deraußgegeben von C. Spind⸗ 
eẽhe Jahrgang 1846. After Band. Stuttgart, Franckh. 8. 

r. 


Der Feldzug der Züricher nach der Graffchaft Baden, Be: 
lagerung der Stadt Baden und deren Übergabe im 3. 1712. 
Baden, Zehnder. Gr. 16. 4 Ror. 

Hopf, A., Lumpazi's Earneval. Iſtes Heft: Die fchöne 
Hulda. Charlottenburg, Bauer. 8. 21, Nor. 

Kies, 2, Martin Luther's Leben und Tod. Für Jugend 
und Alter erzählt: Heilbronn. Kt. 8. 6 Rgr. 
Mibchar ha-Peninim (das Buch), aus dem rabifchen 
überfegt. In einem correkten hebräifchen Texte und mit dem 
gpläuternden bebräifchen Kommentar von A. Adam. Hamburg. 

. r. 


Ritter, C., Die Erdkunde im Verhaͤltniß zur Natur und 
zur Geſchichte des Menſchen, oder allgemeine vergleichende Seo⸗ 
prapbie, als ſichere Grundlage ded Studiums und Unterrichts 
n phyficalifhen und hiftorifchen Wiffenfchaften. I2ter CTheil. 
(3ted Buch. Weftafien.) 2te ftark vermehrte und umgearbeitete 
Auflage. — A. u. d. T.: Die Erdkunde von Afien. Ster Band. 
te Abteilung: Die Halbinfel Arabien. Berlin, Reimer. Sr. 8. 
4 Ihe. 15 Ror. 


WBelfenberg, 3. H. v., Nikodemus. ine Erzählung. 
2te verbefierte Auflage. St.Gallen, Sceitlin und Sollikofer. 
Gr. 16. 10 Rgr. 


Verantwortlicher Heraußgeber: BSeiurich Wrodpans. — Druck unb Verlag von F. . Wrodpans in Beipsig. 


Blätter —— 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 





Geſchichte des Urfprungs und der Entwidelung bed 
franzöfifchen Volkes ıc. Bon Eduard Arnd. 
Drei Bände. 

Erfter Urtibel. 
(Bortfegung aus Nr. 188.) 

Dis zweite Buch befchäftige fih nun mit den Ger- 
mann und Galliern, bis ungefähr zu der Zeit, wo aus 
tanken, oder vielmehr aus von Franken beberrfchten Gal⸗ 
liern Franzoſen werben. Rad einer geiftvollen und tief- 
finnigen Betrachtung ber älteften Formen menſchlicher 
Geſellſchaft, „nachdem die Menfchheit dem tiefen und 
unfhuldigen Daſein entfagt batte, in welchem fie fich, 
im Anfang der Beiten, mit bem Leben des Aus in un- 
bewußter Mbereinflimmung und untereinander in Tiebe- 
voller Gemeinſchaft gefühlt hatte, einem Dafein, an bef- 
fen Wahrheit die Sagen aller Völker übereinflinnnend 
erianern, über das aber die Gefchichte ſchweigt, ba es 
außerhalb berfelben liegt” — ftellt er in kurzen, treffenben 
Zügen das Weſen der Urgermanen bar. Dann führt 
er und mit einem Schlage zu ber Zeit, wo gun; Gal⸗ 
lien von ben germanifchen @roberern in Beſitz genom- 
men worden. Er charakterifirt bie Gothen, bas mäd)- 
igfte, edelfte und bildfamfte Bolt, das aber fehr balb 
ausartete, die milden, aber andy bald erfchlaffenden Bur⸗ 
gundier, „dann bie Franken. Urſprünglich eimer ber 
ſchwaͤhhern Stämme, zeigen fie ſich doch, ſobald fie 
felbftändig auftreten, als ein von Kampfmuth und Thaten⸗ 
muth glühendes, kühnes, raftlofes Geſchlecht. Ihr fikt- 
licher Chatakter wird von den Geſchichtſchreibern weni- 
ger ale die Kraft und Kühnheit ihres Weſens gelobt. 
Sie erſchienen gewaltthätiger und babgieriger (auch per- 
der) als andere deutfche Völker; aber fie zeichnen fich 
duch eine beſondere gefchichtliche Beweglichkeit und po- 
itifhe Fähigkeit aus und bleiben weder in ber fireng 
am Alten Hängenden Befangenheit der Sachſen ftehen, 
noch unterliegen fie fo früh wie bie Gothen den Ein- 
flüffen des römiſchen Lebens. Gelernt haben fie von 
dieſem jeboch frühzeitig, und wie weit fie verberbt wa⸗ 
ven, find fie es hauptfählie durch biefes und durch bie 
bernommenen Aufgaben bes Herrſchens und Eroberns 
worden. 


Der Verf. ſchildert nun recht einſichtsvoll die Ver⸗ 
Khiedenheit des Verfahrens, was Römer und Franken 


3. Suli 1846. 


— — — — — — — — —— — — . 





den Bewohnern ber eroberten Ränder gegenüber beobach⸗ 
teten und warum fih Römer mit Stolz „cives roman!” 
und Deutfche mit nicht minderer Freudigkeit „edil fran- 
kono liudi“ nannten. Bann fommt er auf die Spal- 
tung in Wefl- und Oftfranfen und auf die größte Be- 
ftalt unter den Erftern, auf Clodwig, an dem er das 
damalige fräntifche Königthum darſtellt. Der verbreite- 
ten Meinung, daß die Hörigkeit der ländlichen Bevölte- 


‚rung lediglich von ber Eroberung bes römifchen Reichs 


durch die Germanen und dem aus bdiefer entflandenen 
Feudalweſen hergelommen, tritt er in befonderer Unter- 
fuhung mit Recht entgegen umb verbreitet fi über bie 
celtifche Clansverfaſſung und das römifche Sklaventhum. 
Dann ftellt er das Verhältniß ber Freien untereinander 
und die Gründe des Lehnsſyſtems bar, in deffen Betreff 
auch wir meinen, baß feine Entftehung allerdings aus 
bee Eroberung Galliens abzuleiten fei. Endlich zeigt er 
auch noch das Eindringen und den Einfluß bes Chriften- 
thums jener Zeit unter biefen Elementen und Umgebun- 
gen. Er zeigt uns Elobwig und Ehildebert und andere 
Derovinger als Kirchengründer und was fie in Ber- 
fhönerung und Vergrößerung der alten Lutetia gethan. 
Den merovingifchen Hof ſchildert er uns in einem er- 
teifenden Gemälde, das fih um die Geftalten des 
hilperih, der Fredegunde und Laudaſtes gruppirt und 
in dem fich die ganze noch ungemilderte gemwaltthätige 
Kraft der Urzeit offenbart. Wir fehen weiterhin in dem 
Gebränge der vermideltern und bewegtern Berhäftnifle 
bie monarchiſchen und ariftofratifchen Elemente immer 
höher fleigen, aber auch, was nicht nothwendig mit Tol- 
hem Steigen verbunden fein muß, die alte Volksfreiheit 
immer tiefer fintn. Wir fehen aber auch die Merovin- 
ger verfallen, die Dausmeier fi erheben und mit Pipin 
auf den Thron fteigen. Daß Das zugleih ein Sieg 
Auftrafiens über Neuftrien war, weiß der Verf. fehr 
wohl. Er hätte aber auch fagen follen, worin er be⸗ 
gründet war. Er lag in bemfelden Umflande, der ben 
Sieg der Franken über die Gothen in Gallien mehr 
noch als die oben erwähnten perfünlidhen Eigenfchaften 
biefeer Stämme entſchieden Hatte. Die Franken fieg- 
ten, weil fie das nördliche Gallien inne und in bie 
ſem Beige den ganzen Norden zum flügenden Rüdhalt 
hatten, aus dem fie ſtets erneuerte Kräfte ziehen konn⸗ 


734 - Ber 


1 . ” 


ten. Nicht die Franken, Deutfchland eroberte Gallien: 
durch das natürliche Übergewicht, welches aufftcebende und. 
überftrömende Kraft über Auflöfung und Berfall bat. 
An Auſtraſien aber war bie wahre Grundkraft des frän- 
kiſchen Volksthums, weil dort bie lebendigſte Verbindung 
mit der alten Stammmutter und Völkeramme wer. 

Bei Karl dem Großen zeigt uns der Berf. zunächſt 
feine Verdienfte um die Erwedung des geiftigen Lebens, 
auf das er bei diefer Gelegenheit einen Blick wirft, geht 
übrigens nur kurz über die Zeit der Karolinger hinweg, 
am längften bei ihrem Einfluß auf Paris verweilend. 
In der That, ihre Bedeutung, namentlich die des großen 
Karl, war wichtiger für Europa als für Frankreich. 
Was waren feine großen politifchen Keiftungen? Er hat 
die römifche Kaiferwürde auf das Reich der Franken 
gebracht; aber nicht bei deſſen franzöfifchen, fondern bei 
deutfchen Beftandtheilen iſt es noch ein Jahrtauſend ver- 
blieben. Er hat die Idee bes Staats in die germani- 
fe Welt gebracht, aber fie kam ihnen allen zu ftatten. 
Er brach das Reich der Longobarden, aber nicht um es 
an Frankreich zu binden. Er hat die aus der Verbin: 
dung bes Germanismus mit dem Romanismus und aus 
dem fich bildenden Lehnweſen hervorgegangenen ftaatli- 
hen Grundfage und Richtungen zur weitern eigenthüm- 
lihen Verarbeitung nach Deutſchland verpflanzen helfen 
und dieſes für bie Zeit ber Aufnahme diefer 
Keime mit dem Frankenreiche vermählt; aber eben 
dadurch hat er es zum felbfländigen Beftehen und zur 
MWiedererlangung feiner alten, von Dänen, Slawen und 
Hunnen verlegten Grenzen befähigt. Er hat das Ehri- 
ſtenthum nad Deutfchland bringen helfen, aber nit 
auf Frankreich, fondern auf Deutſchland felbft und zu- 
legt auf Rom blieb es geftellt. Seine ganze Aufgabe. 
war in der Form eine nur vorübergehende, nicht aber, 
wie ber Verf. (1, 288) zu meinen fcheint, war fie es 
überhaupt. Die Vereinigung der wichtigften Grundlagen 
bed Fünftigen Staatenſyſtems war nothwendig, bamit 
deſſen Theile von gewiffen Ideen durchdrungen würden, 
bie von da an fortwährend auf den Höhen des Staats⸗ 
lebens herrſchten und, wenn fie auch zuweilen ganz aus 
dem Leben verdrängt fchienen, dennoch raſtlos an ber 
Entwilelung der Staatenwelt arbeiteten. Aber diefe 
Dereinigung mußte wieder gelöft werben, weil fie viele 
Theile verband, die eines felbftändigen Lebens fähig waren, 
die als Theile mehr wirken fonnten als auf bie Länge 
das Ganze, die eben in ber Trennung an ber Aneig- 
nung und Erweckung der noch dem rohen Naturproceffe 
überlaffenen Nachbarländer arbeiten ſollten. Karl der 
Große aber war kein frangöfifcher, fondern ein deut⸗ 
ſcher Held. 

Durch eine Erörterung ber weitern Entwidelung 
bes Lehnsweſens gewinnt ber Derf. den Übergang zu 
Frankreich und dem beginnenden Mittelalter. Mit Recht 
fagt er in zufammendrängendem liberblid über das vor- 
her und nachher näher Entwidelte (1, 329): 


Unter den erften Merovingern war daB lateinifche, unter 
den erften Karolingern das germanifche Princip im Leben der 


Franken im Zunehmen geweſen, zwiſchen beiden ſtand aber die 
Kirche, die, dem Urſprunge ihrer Mitglieder nach, zu den Be⸗ 
fiegten gehörend, fi gletgwot von ihnen getrennt hatte, den 
Siegern näher trat und fie zu ihren Lehren bekehrte. Sie ge: 
hörte auf diefe Art weder den Einen noch den Undern an. 
Sie erhielt die. Sprache, die Sitten und Vorftelungen Roms 
in ihrem Kreife, konnte aber einmal die innere Auflöfung der⸗ 
felben nicht verhindern umd beherrſihte Übrigens nur einen 
Zheil des Lebens der Eroberer. Sie hatte, ungeachtet fie die: 
fen ihre veligiöfen Grundfäge auflegte, den ihnen eigenthümli» 
her Sinn und Charakter nicht bezwingen und verändern kön⸗ 
nen. Aus einer foldhen Trennung aber, nur für einen Augen⸗ 
blick und auch nur äußerlih und zu äußern Zwecken, von Karl 
dem Großen aufgehoben, Eonnte kein neues Leben erwachen, 
und das bisher beftandene, römifches und germaniſches, ging 
tfolirt feinem Untergange entgegen. Da trat unter den legten 
Karolingern jene neue Geftalt öffentlichen Lebens, das Lehns⸗ 
weien, aus den Geifte der Sieger und ihrem Walten unter 
den Befiegten, keineswegs aber, wie man dies jo oft darge: 
ftellt Hat, als ein Ausdrud rein deutfchen Lebens hervor; denn 
e8 war erft nach der Eroberung und durch die Berührung 
mit der römifchen Welt entftanden. Der ihm eimvohnente 
Geift wär allerdings in der alten Heimat und dem Gemüthe 
der Germanen geboren worden, feine befondere Geftalt aber, 
das Unvolllommene, Endlidhe und Schlechte an ihm, entitand 
durch feine Vermiſchung mit den noch vorhandenen Reften des 
römifchen Lebens. 

(Dier eine Randgloffe: Iſt nur das Unvollkommene 
und Schlechte an dem Lehnsweſen „enblich” geweſen? 
Haben fih nicht auch urgermanifche Züge, die ihm bie 
Seele gaben, „endlich“ gezeigt? Wie fleht es mit ber 
alten hingebenden Zreue, biefer fo herrlichen Zugend, 
weil fie der Selbftfucht bar iſt? Iſt fie noch in alter 
Stärke und Innigkeit des Gefühle fo Eräftig, fo beftim- 
mend und das Leben durchdringend wie ehedem?) Der 
Verf. hebt fihließlich hervor, wie mit dem Feudalweſen 
eine neue Nation und, als Ergebniß diefer Verſchmel⸗ 
zung fonft fo tief getrennter Stämme, eine neue Sprache 
entftand. Aus dem Frankenreich ward Frankreich und 
fchied fih von Deutfchland. Frankreich, mit galliſchem 
Brundcharakter, romanifch durchhaucht und mit germani- 
fhen Formen im ftaatlichen Leben. J 

Durch das Lehnsweſen findet er den Ubergang zum 
Nitterthum. Hier ſagt er (I, 369): 

Bas die Meinung Derer betrifft, welche das Rittertyum 
für ein phantaftifches Gebilde ohne Wahrheit und Kraft gehalten 

aben, fo ift von ihnen bie ideale und reale Natur des Menfchen zu 
—8* getrennt und ihr gegenſeitiger Einfluß zu ſehr verkannt wor⸗ 
den. Wie kam es, hat man gefragt, daß, wenn das Ritter⸗ 
thum etwas wahrhaft Beſtehendes und Lebendiges geweſen, feine 
edeln und fittlichen Vorſchriften von der Geſchichte jener Seit 
als unaufhoͤrlich verlegt gezeigt werden? Uber das Mittelalter 
erfcheint uns nur darum oft als eine fo unfittliche Epoche, 
weil cd mehr als irgend eine andere Zeit einem fittlichen 
Ideal nachjagte, von deffen Werth fein Inneres tief erfultt 
war, das ed aber nicht erreichen und unter fi einheimiſch 
machen Eonnte. Diefes Ideal war dem germaniſchen Charak: 
ter, der unter allen nationalen Individualitäten am meiften zur 
Realifirung des Guten und Wahren geneigt ift, durch das Chri⸗ 
ftentbum offenbart worden. Eins der vornehmiten Mittel, 
demfelben nahe zu kommen, war jene Inftitution des Ritter: 
tbums, durch welches der aus der größten aller Revolutionen, 
der Zerftörung des römifchen Reichs, entflandere wilde und 
ſchrankenloſe Geiſt durch moralifche, und religiöfe Borfchriften, 
auf die Welt felbft und nicht auf einen außer ihr ‚waltenden 


Buftand berechnet, gebäwdigt werden ſollte. Das Mittelalter 
erfonnte feine Werpflichtungen und empfand feine Mängel tier 
fer ald andere Epochen vor und nad ihm gethan, aber die 
eringe Entwidelung ber Intelligenz in ibm, die nicht feine 

uld war, da ed am Eingange einer neuen Welt ftand und 
Alles von vorn anfangen mußte, machte ed ihm unmöglich, in 
fein gebrochened und zerriffened Dafein eine Einheit zu briw 
gen, die die in ihm mwaltenden Widerſprüche verfühnt und feis 
ner edein und firebenden Natur eine angemeffene Befriedigung 
gewährt hätte: Im Bergleich zu der arren Selbftänbigkeit 
der alten Welt und des Drients erſcheint das Mittelalter wie 
eine immerwährende Klage, wie eine Erneuerung des Leidens 
jener göttlichen Natur, von deren Bilde diefe Epoche fo tief 
nfült wor, im Bergleiche zu diefer tief am Boden Mebenden 
fitlihen Bewußtlofigkeit, wie ein unaufhörliched Ningen, die 
Luft des Himmels zu athmen. In diefem tiefen Gefühl der 
eigenen Schuld, in diefen zerreißenden Selbftanflagen lag notb: 
wendig ein Mittel innerer Geneſung. Darum gingen aber 
auch, mitten auß einer rauhen und wilden Welt, fo viele reli- 
giös begeifterte und moralifh erhabene Raturen hervor, 
darum war bad Mittelalter eine Seit der Heiligen und Hel⸗ 
den wie Feine andere geweſen. Es lebte in ihm, ungeachtet 
des Chaos, auf das es gegründet war, ber Schatten, die es 
umgaben, nicht blos in feinen Meinungen, fondern im Tiefſten 
und Perfönlichften des, Dafcins, in feinen Sitten, etwas Hohes 
und Großherziges, das fich in zahllofen Zügen Bund that, und 
es war, ohne Zweifel, in ihm ebenfo viel Entfagung wie 
Selbſtſucht, ebenfo viel Reue wie Unrecht, ebenfo viel Rechts- 
gefühl als Neigung zu Gewaltthätigkeit vorhanden. Der Ein» 
fluß des Ritterthums ift ſehr groß und tief eingehend gewefen. 
Roc heute Tann man in dem im Ganzen herrſchenden Ehr⸗ 
und Zartgefühl der erleuchteten Claſſen des Ubendlandes, hierin 
dem Atertyum und dem Drient fo überlegen, den Einfluß der 
Meinungen und Sitten jener längft verichwundenen Inſtitu⸗ 
tion erfennen. 


Gewiß ift in dem Allen fehr viel Wahres und hat 
Das namentlicy in dem Sagenkreife der Tafelrunde und 
ganz befonders in der Krone bdeffelben, bem „Parzival”, 
auch feinen poetifchen Ausdrud gefunden. Rußland, 
dad Slawenthum überhaupt, büßt es noch heute, daß es 
fein rechtes Mittelalter, kein durchgebildetes Lehnsweſen 
und vor Allem Fein echtes Ritterthum gekannt hat. 
Ubrigens war doch im Mittelalter auch viel Selbftbe- 
bagen, weiß viel Gefundheit und Natürlichkeit, und bei 
aller Gewaltthat doch zuletzt viel weniger Selbſtſucht 


als foäterbin. 
ſpãterh (Der Beſchluß folgt.) 








Voyages pittoresques dans l’ancienne France. Par 
le baron Taylor. 
(Beſchluß aus Nr. 183.) 


Ungerrs enthalten wir uns, von den Grenzen diefed Auf 
füges eingeengt, mehres in diefe Kategorie Gehoͤriges anzufuͤh⸗ 
zen, und gehen zu der von unß gemachten dritten Abtheilung 
über. Das was wir ben gefchichtlichen Zheil des Werkes nen» 
nen wird von einer Menge Specialgefhichten gebildet, bie 
N gegenfeitig ergänzen. Jede Provinz beginnt mit einer mehr 
oder minder vollftändigen hiftorifchen Einleitung, denen die 
nöthigen geographifhen und phyfiichen Bemerkungen und Er: 
läuterungen hinzugefügt find. Dann folgen nach und nad) die 
Kupftmerfwürdigkeiten befigenden Orte und von jedem werden 
die dafelbft vorgefallenen Begebenheiten in einer mit deren 
Bihtigkeit im Berhaͤltniß ftehenden Ausdehnung mitgetheilt, 
wobei die Monumente natürlich befonders berüdfichtigt find. 
Auszüge aus Chroniken, Biographien, Hinweiſungen auf Dri- 
ginaldocumente, Specialfchriften und andere Onellen vervoll⸗ 


ter den erften Städten des Rieſenreichs. Au 


Kändigen das Bang. Die glänzende Feder des Berk. 
aud) 84 Vartie das Leben zu verleihen, ohne welches fee 
fhichte dem Lefer oft nur magere Daten zu geben fiheint. Ein 
Beiſpiel ift wol am beften gesignet, bie Art und Weiſe der 
Behandlung des Stoffs zu verdeutlichen, und wir wählen bazu 
Rarbonne, blos weil es die erfte Stadt if, auf die wir im 
Aufihlagen eines andern Bandes (Languedoc) trafen: 


„Da find wir nun an einer ber Mutterflädte des alten 
Salliens angelangt, von wo bie Eivilifation ausgegangen ift, 
um fi) nad) Norden zu verbreiten: rechts, gen Dften, bis an 
den Rhein und bie Maas; line, gen Weiten, bis an die 
Meerenge, die Frankrei von England trennt.” 

„Rarbonne verdankt wahrſcheinlich fein Entitehen demfel- 
ben Volke wie Marfeille, aber Neptun, den es vielleicht beiei⸗ 
Be bat ihm feinen Schug entzogen; einft ein berühmter See 
bafen, hat fih das Meer nad) und nady von feinen Mauern 
zurüdgezogen und verfagt ihm gegenwärtig ein günftiges Ufer, 
Hafen, Handel und Neihthum.” 

„Das poetifche Gefüͤhl darf uns indeflen nicht die ernſtern 
Studien bed Reifenden vergeffen machen, fehen wir daher, ob 
nicht der Fluß mehr als Neptun unfere Borwürfe verdient. 
Macht man den reizenden Spaziergang von Rarbonne bid ans 
Meer, fei e6 längs dem Aude, fei e8 auf den Lagunen, fo bat 
man Gelegenheit, eine merkwürdige Arbeit des Alterthums zu 
bewundern, bie uns an bie von Dikia, einft ein Hafen Roms, 
erinnert. Man fieht bier nämlich einen von zwei parallelen 
aus gehauenen Steinen aufgeführten Dämmen gebildeten Kanal 
von 250 Fuß Breite und SU Fuß Tiefe, deffen Boden gepfla- 
ftert ift und ber beftimmt war, den Aude, einft Atar genannt, 
mitten durch einen Moraft ins Meer zu geleiten.“ 

„Das hohe Alter, worin fich die Gründung Narbonnes 
verliert, das feinen Urfprung bebediende Geheimniß bilden daß 
erfte Kleinod feiner edeln Krone. Die Adler ber Eroberer ber 
alten Welt hatten noch nicht die Gipfel der Alpen ſich unter 
dem Fußtritt ihrer unüberwindlichen Xegionen beugen fehen, 
als ſchon Narbonne berühmt unter den Völkern war und mit 
Stolz in feinem Hafen die Schiffe der erften Handelsvoͤlker 
Afrikas und Afiens bargs es hatte, um eine Macht zu wer- 
den, nicht auf Roms Schutz zu warten gebraucht.” 

„Pytheas Felt ein glänzendes Bild des Reichthums auf, 
den es fchon vor feiner Eroberung von dem Voll der Koͤ⸗ 
nige befaß. Später wurde Narbonne bie erfte römifche, fo 
weit von den Ulpen entfernte Golonie, ja nad Eicero’6 Zeug: 
niß bie fehügende Burg der andern under, und zählte bald un» 
nach &trabo 
genoß Liefer Hafen der arecomifchen Volcier einer großen Be: 
rühmtbeit... . .” 

„Rarbonne ift voller Erinnerungen an das alte Rom, das 
ihm feine Sefege und feine Künfte, feine Götter und feine Her 
ren, kurz aled Das mitgetheilt bat, was feine Größe aus⸗ 
machte; wir tönnen flolz fein, eine Stadt unfer zu nennen, 
die fo lunge den Stempel Romas an der Stirn getragen und 
von deren Bürgern bevölfert wurde. Unter dem impofanten 
Scepter der Faiferlihden Proconfuln, umgeben von aller Pracht 
der Herrſcher, entſtand Monument auf Monument. Hier er⸗ 
richtete der Enthuſiasmus der Beſiegten dem Andenken des Ne-⸗ 
benbuhlers von Untonius einen Altar von weißem Marmor. 
Hier ſchuf die Macht des Sieger mit Bauberfchnelle eine vier 


Meilen (Stadien) lange Brüde über den Aude und den wun⸗ 


derbaren Kanal, den wir ſchon erwähnt. Sein friedlicher Ha⸗ 
fen ward der Haupthafen Galliens und fein ftet6 zunehmender 
Dandel vermehrte feine Induftrie und feinen Glanz. Vergeb⸗ 
lich verzehrte unter Antonius dem Frommen eine fchrediiche 
Feuersbrunft feine Gebäude und feine NReichthümer: Roms 
Schatzkammern öffneten fi für fie und das von Antonius mit 
vollen Händen ausgeftreute Gold richtete die Tempel der Goͤt⸗ 
ter, die Theater, die Palaͤſte wieder auf....” 

„Diefe Stadt gab Rom brei Kaifer: Carus, Numerarius 
und Carinus.“ 


"gt gerechter Borliebe verweilt der Werf. ne länger bei 
der in Momb Kaiferzeit fallenden Epoche Marbonnes, aus ber 
viele von deffen Älterthümern datieren, und führt dann in ef» 
was gebrängterer Weile die an Begebenheiten reiche Geſchichte 
biefer Stadt bis auf unſere Tage fort. Die politiſche und bie 
Nunftgefhichte geſchickt ineinander verwebend theilt er umb 
vieles Bemerkenswerthe über die Überbleibfel aus der Beit bes 
Becgriftenthums mit. Wir können feiner wol 50 Zoliofeiten 
langen Schilderung — aus der wir befonbers bedauern das ben 
Sardinal Rihelieu Betreffende übergehen zu müflen — nicht 
Schritt für Schritt folgen, wollen uns jedoch nicht verfagen, 
noch folgende Purze Stelle zu überfegen: n 

„Sm narbonner Bopele, dem alten gräflicden Palafte, 
befindet fich ein Basrelief in weißem Marmor von etwa fech6 
Fuß Länge und anderthalb Fuß Höhe. Man hat oft geglaubt, 
«6 ftelle die Hochzeit des Atolph und der Placidia vor; allein 
es ‚bat Beine Beziehung auf die Heirath dieſes Königs; es iſt 
vielmehr eine der Seiten eines byzantinifch» hriftlihen Grab⸗ 
mals und alle Figuren find nad der @itte der damaligen Zeit 
Bekleivet. Das darauf Vorgeftellte ift meift dem Alten oder 
Neuen Teſtamente entlehnt: die wunderbare Vermehrung ber 
Brote und Fifche, die Quelle, die Moſes Stab aus dem Fel⸗ 
fen lockt, und noch andere Symbole der Barmherzigkeit und 
Liebe. In der Mitte ſteht eine weibliche, die Hände wie zum 
Gebet erhebende Geftalt, welche vielleicht die heilige Jungfrau, 
wahrfcheinlicher aber die Seele des in dem Grabe ruhenden 
Körpers vorftellt. Endlich ficht man darauf einen bartlofen 
Chriſtus, wie er oft auf den altchriftlichen Denkmälern fculp: 
tirt ift. Diefelben Sinnbilder, derfelbe Stil finden ſich befon- 
ders auf den Brabfleinen des unterirdifchen Roms und auf den 
Sarkophagen der erften Iateinifchen Ehriften. Ein ſolcher bart⸗ 
Lofer Epriftus wird haufig auf Mojaiten des 4., 5., 6. und 7. 
Jahrhunderts und auf Bildern des Erlöfers aus dem Al. und 
13. Zahrhundert geſehen; "in fpäterer Zeit aber wurde Jeſus 
nur mit dem Barte vorgeftellt.‘ 

„In der Urzeit der Kirche war noch Fein gleichmäßiger 
Typus für das Antlig des Heilandes angenommen; heftige De: 
batten erhoben fich mehrmals über diefen Gegenftand, aber die 
Kirche milchte ſich nie auf officielle Weiſe in diefen Streit.“ 

„Der a das Haupt des Ehriftus mit dem Barte 
zu zieren, ift ebenfalls fehr alt und feit dem 4. Jahrhundert 
fchon verbreitet. Diefes Vorbild nähert fich alsdann fehr der 
Beſchreibung der Geftalt Eprifti, welche Lentulus in feinem 
apokryphiſchen Briefe an den römifhen Senat gegeben; er 
fegeint nach dem 12. Jahrhundert von der Kirche allgemein an- 
genommen worden zu fein.‘ 


Wenn wir den Inhalt der „Voyages pittoresques dans 


Pancienne France‘ in die drei voneinander unterfchiedenen 
Theile der Kunft, Poefie und Gefchichte zerlegt haben, fo will 
Das keineswegs fagen, daß der Xert in dietefben Kategorien 
act ift. Im Gegentbeil, gleichwie ein aus drei verſchie⸗ 
denfarbigen Faden gedrehtes Seil bald die eine, bald die an⸗ 
dere Farbe zeigt oder verbirgt und fo ein in feiner Mannich⸗ 
faltigkeit harmoniſches Ganzes bildet, fo find auch in diefer 
Schrift Kunft, Poefie und Gefchichte zur gegenfeitigen finnigen 
Hervorhebung zufammengeflochten. Bald fcheint Die eine, bald 
die andere vorzuherrſchen; im Grunde aber. ift Alles darauf 
berechnet, die Kunftalterthümer hervorzuheben und felbft den 
todten Trümmern Leben einzuhauchen. Dieſe Tendenz gibt fich 
auch auf den Bildern zu erfennen. So enthält 3. B. die an- 
geführte äußere Anſicht der Kirche zu -Brou außer diefem Ge: 
ude noch mehre Gruppen: Mönche wallen in Proceffion zur 
offenen Kirchthuür hinein; Landleute beiderlei Geſchlechts in den 
dort üblichen Trachten find verfchiedenartig auf dem Borplage 
befchäftigt u. f mw. 

Wir dürfen nicht vergeften, auch der oft fo prachtvollen 
Randverzierungen, die den Zert mehrer Provinzen ſchmücken, 
zu erwähnen. Diefe Verzierungen, benen man auf den großen 
Foliofeiten vielen Plag einräumen Bonnte, geben Unfichten und 


Trachten deb Landes, Soenen und Grup Be 
te ehe d —X in ver ale ftabe mit⸗ 
ge e e der ertbümer, gewöhnlich ſinnreich d 

die ſchoͤnſten Arabesten und Gymbolenreihen zu einer —— 
ſchen Einheit verbunden. 

Wir glauben die Bufammenfegung des Werkes unfern Le⸗ 
fern Mar genug gemacht zu haben, um ihnen das Urtheil über 
das Ganze überlaffen zu können; wir zweifeln nit, daB es 
mit dem unferigen übereinftimmen wird. Auch der Preis (12/, Ber. 
oder 34, Ahle. die Lieferung) iſt verhaͤltnißmaͤßig Billig geftelt, 
und wir haben gehört, daß die Berlagshandlung den- io⸗ 
theken und Kunſtanſtalten den Ankauf dur günftige Bedin⸗ 

ungen erleichtert, was gewiß zu deſſen ſehr wänfhenswerther 
erbreitung beitragen mag. 

Möchten wir bald die Freude haben, das Beginnen eine 
ähnlichen, Das bentfche Vaterland umfaflenden Unternehmens 
zu ſehen; Deutfchland hat ja der aufgezeichneten Künftler, der 
gediegenen Schriftfteller genug, um eb zu einem fhönen Ende 
zu führen. Es wäre die eind der herrlichſten Monumente, 
das fih das 19. Jahrhundert da felbft fegen könnte. 


6. M. Bist. 


Literariſche Euriofitäten. 


Pietro Bembo verfuhr mit feinen literariſchen Arbeiten 
noch wäblerifcher al es mit Canning der Pal war. Er 
hielt 40 numerirte Portefeuillee. Sobald er einen Bogen 
gefchrieben, legte er ihn in Nr. 1 und jedesmal durchgefefen 
und corrigirt ging Der Bogen die Reihe durch bis in Kr. 40. 
— In einem feiner vortrefflihen Beiträge zum „Edinburgh 
review erwähnt Maraulay, daß er das Driginal einer fyonen 
Stange von Uriofto befige, welche der Dichter 100mal abgeän- 
dert. — Bekanntlich hat Petrarca einen Vers 24mal geändert. 
— Nachdem Gibbon fein „Memoir” ſechſsmal umgefchrieben, blieb 
ed Sragment. Er bemerkt barin, wie viele Verſuche er vor 
Abfaſſung feiner Geſchichte angeftellt, che es ihm gelungen, 
einen Mittelton zu treffen zwiſchen dem langweiligen Ehroni» 
kenſtile und rhetorifcher Declamation. Das erſte Eapitel ar: 
beitete er dreimal, das zweite und dritte zweimal um, ohne daß 
es ihn ganz befriedigte. — Buffon fchrieb feine „Epoques de 
la nature‘ 18mal ab, bevor er fie dem Drud übergab. — Sis⸗ 
mondi copirte feine „Histoire des r&öpubliques italiennes” drei: 
mal, feine fpätere „Histoire des Frangais’ zweimal, Tas fich 
ebenfo oft jede Periode laut vor und fah die Correcturbogen 
fünf» oder ſechſsmal durch. 


Varro berechnet, daß es bei den alten Philofophen in Be⸗ 
treff des höchften Gutes, Des Summum bonum, 800 verfchiedene 
Meinungen gebe. Das zeugt für eine Erfindungskraft, welche 
den neuern Pbilofophen nicht abgeht. Monſieur Reynitre ver: 
fihert in feinem „Cours gastronomique”, daß man in Frank: 
reich 685 verfchiedene Arten kenne, Eier für die Waffel zuzu⸗ 
richten und‘, fegt er hinzu, „nos savants entdedien deren tag» 
lich mehr”. 


Das erfte Buch mit Kupferftihen iſt ein 1381 in Florenz 
gebrudter Dante. Bon Montag, den 3. Januar 1665, datirt 
die erfte Nummer der erften kritiſchen Zeitfchrift, „Journal des 
acavans’‘, und das erfte darin recenfirte Buch ift eine Aus: 
gie weier afrikanifcher Bifchöfe des 5. Zahrhunderts, Victor 

itenſes und Vigelius Tapſenfis, von Pater Ehiflet, einem 
Sefuiten. Die Zeitfchrift war Kleinoetav und erfchien woͤchent 
li; jede Nummer hatte 12 — 16 Seiten. 


Das früheſte auf aus Leinwanblumpen gefertigtes Papier 
ziebene Werd iſt ei bifche üb d ri 
ne Se 


Berantwortliger Herausgeber: Heinrich Wrodpauns. — Drud und Berlag von F. X. WBrodpans in Leipzig. 


Blätter 


‚für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


m Nr, 185, 7 


4. Juli 1846, 





Geſchichte des Urſprungs und der Entwickelung des 
franzöftfchen Volkes ıc. Bon Eduard Arnd. 


Drei Bände. 
Erfier Artikel. 
( Beſchluß aus Nr. 184.) 


Im dritten Buche nimmt nun ber Verf. zum An- 
fangstnoten feiner Gefhichtsersählung dem ducatus Fran- 
ciae, welchen die Capetinger, die dritte franzöfifche, bie 
afte wahrhaft nationale Dynaftie, zur Wiege des mo» 
dernen Frankreichs machten. Er verbreitet ſich aus⸗ 
führlih über Hugo Sapet. Er zeigt ferner die Veraͤn⸗ 
derungen, die in ber Epoche vom Sinfen ber SKaro- 
Iinger bis zum erften Kreuzzuge in dem politifchen Cha⸗ 
rakter der Geſellſchaft nicht nur, ſondern zugleich in de⸗ 
ren äußern Sitten, ja in dem Anfehen des Landes ſelbſt 
vorgegangen : die feften Schlöſſer, das Vorherrſchen 
ber Seiterei, die neue Bewaffnung, den Einfluß, den 
das Alles auf die Herrfchaft der Wenigen über die PVie- 
len und auf den Krieg geäußert, wobei die Triegerifche 
Organifation mehr auf die Vertheidigung als auf den 
Angriff gerichtet war. Dann wird die Kirche jener 
Zage geſchildert. Die Megierungen ber erften Nachfol⸗ 
ger Hugo Capet's find ſich durchaus ähnlich. Man fin- 
det diefelben im Ganzen glüdlichen, obgleich nie zu großen 
Refultaten führenden Kämpfe gegen ihre Vaſallen, den- 
felben Bund mit der Geiftlichleit, als deren Schüglinge 
fie fih betrachten. Ein Glück dabei, bemerkt der Verf., 
daß dieſe drei erften Megierungen fehr lang waren. 
„Die Untertanen gewöhnten fi) auf dieſe Art, das 
Bid des Königthums lange in den Zügen berfelben 
Perfon anzufchauen, wodurch es in dem Haufe, in das 
es gekommen, befeftigt wurde” Die königliche Ge- 
malt vermehrte fi durch das "bloße Factum ihres Da- 
feins, ihrer Erhaltung. „Die Bönigliche Gewalt ſchwebte 
wie eine ältere, fernere und erhabenere Inftitution Aber 
den Herzogen.” Der Verf. fcheint die Hauptbedeutung 
des Königstitels nicht gekannt zu haben. Er bezeichnete 
die Unabhängigkeit der Gewalt und des Staats; er ent- 
hielt den Proteſt gegen den Kaifertitel, der die Ober⸗ 
herrlichkeit über Alles beanfpruchte. Deshalb Tonnte zur 
Zeit des Deutfchen Reichs kein deutfcher Meichsfürft den 
Königstitel tragen außer auf Grund eines nicht deut⸗ 
fhen Landes. Der Beiltand, den die Kirche den Cape⸗ 


x 


fingern leiſtete, führt übrigens den Verf. auf das Papft- 
thum, das er uns in feiner ganzen Entwidelung durch 
die Reformen Gregor’s VII, vorführt. | 

Auch Philipp I. regierte 48 Jahre und war Zeuge 
breier großen Begebenheiten: der Eroberung Englands 
durch die Normänner, des Kampfes der geiftlichen und 
weltlihen Macht in den Perfonen Papft Gregor's VII. 
und Kaifer Heinrich’s IV., und des erften Kreuzzuges, 
ohne an denfelben den entfernteften Anfheil zu nehmen. 
Der Verf. fchildert fein Leben und feine Reue, babei 
bhervorhebend, wie es dem Mittelalter, im Gegenfage zu 
Ron und zu dem Drient, eigen gewefen, „daß der Menſch, 
ber ſonſt keine irdifche Macht gefürchtet, von den Schat- 
ten einer andern Welt mit das Innerſte burchzitternden 
Schauern ergriffen wurde”. Schon in den Tegten Jah⸗ 
ren Philipp’s hatte fein Sohn Ludwig, dem Weſen nad) 
König, angefangen, den Trog feiner Vaſallen zu brechen 
und den erften Grund zu einer regelmäßigen Entfaltung 
ber Eöniglichen Macht zu legen. Als er die Krone ge- 
erbt, fteigerte fich feine politifche und kriegeriſche Thätig⸗ 
feit noch. Er mar einer ber thätigften und wohlgefinn- 
teften Könige feiner Zeit, und feine Regierung verdient 
die Aufmerkfamkeit in jeder Beziehung, mit welcher ber 
Verf. bei ihr verweilt. Auch beginnt zur felben Zeit 
das Streben eines Theil der nordfranzöfiihen Städte, 
fih dem Joche ihrer geiftlichen und meltlihen Herren 
zu entziehen und unter den Schug der Krone zu ftellen. 
Sowol auf diefe Erfcheinung als auf die Verftärfung 
bes Königthums übte der erfte Kreuzzug einen bedeuten- 
den günftigen Einfluß aus, den der Verf. in feinen we⸗ 
fentlichften Zügen nachmeifl. Bon da an beginnt das 
Sinken des Lehnmefens, mit deſſen Trümmern nur -es 
die Revolution zu thun gehabt hat. 

Der Verf. hebt dann die Eigenthümlichfeiten her⸗ 
vor, die fih in Sübdgallien duch den Einfluß der 
Burgundionen und Weſtgothen, durch die bort in- 
nigere Verſchmelzung bes - lateinifchen und germani- 
chen Elemente, das Vorherrſchen des erftern, die Be⸗ 
deutung der römifhen Municipien und andere Um⸗ 
ftände erhalten. In Nordgallien hatten weit menigere 
ber größern römifchen Städte eine innere Unabhängig- 
feit bewahrt. Der Berf. unterſcheidet drei Hauptclaſ⸗ 
fen der franzöfifhen Städte des Mittelaltere. Die crfte 


338 
mächtige Regung flädtifchen Lebens, die ſich in Cambray | fehen, bemerklich machen. In Beziehung auf die Städte 


erhob, führt ihn auf das „Balderini Chronicon“, daß fie 
ſchildert, und auf deffen Verfaſſer, den Bifhof Baudri, 
der die erfte Stadtordnung für Noyon gegeben. Diefer 
folgten die reibriefe von St.-Quentin, Beauvais, Laon, 
Rheims u. a., und fo die ganze Bewegung, an die fi 
die Bildung des tiers-etat knuͤpft oder doch darin ſich 
kundthut. Denn daß er nicht allein aus den Commu⸗ 
nen hervorgegangen, erkennt der Verf. fehr wohl, aber 
fie machten immerhin feine Grundlage aus. Er wirft 
einen geiftvollen Blick auf das ftäbtifche Keben im Mit- 
'telälter, die Wiege der neuen Zeit, in manchem Punkte 
tüchtiger als was aus ihr hervorgegangen. 

Zeigte fich in dem Vorhergehenden eine langfame 
aber ineinandergreifende Entwidelung, fo ergibt ſich nun 
auch auf. mehrfachen Punkten theild ein Verfallen der 
vorhergegangenen Negungen, theild mindeftens ein Ver⸗ 
ſuch der Reaction gegen das Neuerhobene. Mir dem 


Tode Ludwig's VI. greifen die meiften Barone der Um⸗ 


gegend von Paris zu den Waffen, und dieſe Empörung 
erſtreckt fic bis nach Burgund und in die Champagne hin: 
ein. Man fieht, die Rechte des Eöniglichen Haufes und der 
Srftgeburt waren in der Meinung der einzelnen Bafal- 
len noch nicht fo feſt gewurzelt, daß eine Oppofition un- 
möglich oder durchaus verbrecherifch und als Angriff auf 
. die Eriftenz des Staats felbft erfhienen wäre. Die 
Kirche aber bewährte von neuem den Bund, den fie mit 
den Capetingern geſchloſſen. Das Blutbad von Vitry 
befiegelte ben Sieg des Königs, erzeugte aber zugleich 
eine Stimmung in ihm, die er nur auf einem Kreuz 
zuge zu befchmichtigen hoffte. Im Orient ift aber aud) 
fhon eine Nichtbefriedigung, ein beginnender Verfall der 
Ideen und Kräfte, die dem erflen Kreuzzug Erfolg ver- 
fhafft, bemerkbar. Während der Abweſenheit des Kö- 
nigs treten zwei große Kirchenlichter, Suger und ber 
heilige Bernhard, treulic für König und Reich wachend, 
hervor. Welcher Eontraft zwifchen ihnen und den fpä- 
teen NRichelieu und Mazarin und felbft Fleury! Wenn 
Das Vorſchritt ift, fo ift es wenigftens fein fittlicher. 
Der Kreuzzug gibt noch ben Anſtoß zur Trennung des 
Könige von feiner erften Gemahlin, und ihre Wieder: 
vermählung mit Heinrih Plantagenet wird ein erfter 
äußerer Anlaß zu den englifchfranzöfifchen Kriegen, der 
ren wichtigfter Grund allerdings in dem Verhältnig ber 
Normandie zu beiden Reichen lag. Die Regierung Lud- 
wig's VII, in Bezug auf äußere Verhältniffe meiftens 
unglüdlicy, war doch im Innern für das Schidfal Frank⸗ 
reichs und bie Entwidelung feiner Nationalität nicht ohne 
Vortheil. Die königliche Mache fchritt fort, und die 
kraͤftige Verwaltung Suger's hatte den Abel in eine feftere 
und anerfanntere Abhängigkeit von der Krone gebracht. 

Der eigentlihe Gründer der frangöfifhen Mon- 
archie im modernen Sinne wurde fein Sohn, Philipp 
Auguft, in dem fich übrigens, bei großen ſtaatsmänni⸗ 
fhen Gaben, auch die Härte, Hinterlift und, Selbfl- 
fucht, die wir noch bei mandem fpätern großen fran- 
zoͤſiſchen Könige in entfheidenden Momenten vazrtreten 


trat er in die Zußftapfen feines Vaters und Großvaters. 
Der. Geiftlichkeit feines Landes zeigte er fi günftig, 
was aber bei ihm nicht wie bei feinem Water Bigote- 
rie, jondern Klugheit war, während er fonft aud dem 
Intereffe der Kirche das feine vorzog und wiederholt 
mit dem Papfte in Streit trat. Überhaupt, wie der 
Perf. auch namentlich in feinem Verhalten bei und nach 
dem dritten Kreuzzuge erweift, war das perfönlihe In⸗ 
terefie, wenn auch meift ein wohl verflandenes und mit 
bem feines Landes verbundene, die einzige Richtſchnur 
feiner Handlungen. (Nur die Scheidung von Ingeburg 
macht eine Ausnahme, und diefe Conceffion an bie Menfdy- 
lichkeit hat ihm die größten Unannehmlichkeiten feines 
Lebens bereitet.) Wenn aber der Berf. den Gegenfag 
zwifchen den Charakteren des Philipp und feines großen 


Gegners Rihard und an dem Kegtern „die Mifchung 


von Noheit und Zartgefühl, von Treuloſigkeit und Edel» 
muth, den Hang, fein Ziel durch alle möglihen Mittel 
zu verfolgen, und die dabei Doch nie gang verfchwindende 
Herrſchaft gewiffer Grundfäge der Ehre und des Rechts, 
diefe fonderbare Mifhung, die an den meiften hervor- 
ragenden Charakteren des Mittelalters ſichtbar“, hervor: 
hebt und dann weiter mit Recht bemerkt: „Philipp's 
Regierung aber ift von unendlich größerm Einfluß ge 
weien; Philipp Auguft ift einer von den Fürften, welche 
tiefe Spuren in dem Boden, auf dem fie gewandelt, 
zurücdgelaffen, während Richard Löwenherz auf das 
Schickſal feines Landes einen geringen oder eigentlich 
gar feinen beflimmten Einflug ausgeübt”: fo können 
wir doch die Frage nicht unterdrüden, ob Richard mehr 
gewirkt haben würde, wenn ber Mifchung feines Cha- 
rakters jene Züge von Zartgefühl, Edelmuth, jener Sinn 
für Ehre und Recht gemangelt, Philipp weniger, wenn 
er, wie Ludwig der Heilige, fein richtig erfanntes In. 
serefle auch immer auf edle Weiſe gefucht hätte, fowie 
die Bemerkung, dag Richard's Edelmuth wenigftens in 
der Stimme der Nachwelt feine Anerkennung gefunden 
hat, welche Philipp’s Verdienfte zwar anerkennt, aber 
nicht mit Liebe bei feinem Bilde verweilt. Noch hebt 
der Derf. hervor, daß in jener Zeit im Volke noch fein 
Haß zwifhen Frankreich und England beftanden, menn- 
gleich er bereitd in den damaligen Monarchen beider 
Reiche vorfpielte.e Ein Hauptgrund der fpätern Zwifte 
war fhon damals in der Einverleibung der Normandie 
gelegt, auf deren Zuftand der Verf., den ſchon vorher 
einige Ereigniſſe veranlagt hatten, eine Eleine Epifode 
über das Söldnerwefen der damaligen Zeit einzufchal- 
ten, nun einen Blick wirft. Philipp’s Megierung zeigt 
aber auch ein Streben nach einer regelmäßigern Ver⸗ 
waltung, einer umfaffendern Einwirkung auf das ganze 
Reich. Er erläßt zwar noch keineswegs, nach eigenem 
Ermeffen, allgemeine Verordnungen, die alle politifchen 
Verhältniffe Frankreichs umfaßt hätten, aber er bewegt 
boch die größten Bafallen, gewiffen allgemeinen Grund- 
fägen und Anordnungen beizutreten, wodurch fie im gan- 
zen Reiche Bültigkeit erlangen, Dabei begünftigt ihn 





739 


die Aufmerkſamkeit, welche das wieberaufgefunbene vö- 
mifhe Necht auf ſich zu ziehen anfing, und der Einfluß 
der Legiſten. So lange dem Lehnsweien frifhes Leben 
innewohnte, hatte Das nicht dDurdydringen können, ward 
aber bedeutender, wie die Mängel des Lehnsweſens vor- 
traten. Dann zeigte ſich der Einfluß des Berhältniffes 
des Lüdigmannes, unfern Minifterialen entfprechend. Auch 
auf den Süden feines Reiche, wo feine Oberhoheit nur 
ganz nominel war, dehnte er indirect den Einfluß der 
Krone aus, und dazu diente der wenn auch nicht unmit- 
telbar von ihm geleitete Kreuzzug gegen die Albigenfer, 
über welche der Verf. ſich nun weiter verbreitet. 

Indem er weiterhin den in diefer Zeit ‚hervortreten- 
den, befonders durch die Kreuzzüge und durch die fefte, 
geordnete Megierung Philipp's bemirften Glanz des 
franzöfifchen Namens hervorhebt, zeige fih doch auch, 
daß „diefer glänzenden Lage ungeachtet das franzöfifche 
Königthum jenen Prüfungen nicht entging, denen jede 
wachiende, zu einer großen Zukunft beftimmte Macht 
ausgefept ift und die, bald im Misbrauche ihrer eigenen 
Kraft, bald im Neide ihrer Nebenbuhler ihren Grund 
haben“. Die fihtbare Tendenz der Krone, fomwie jene 
übertreibenden Gerüchte, melde aller Oppojition zum 
Stachel und zur Waffe dienen, dann beftimmte Hand» 
kungen, durch die er ſich mächtige Feinde gemacht, riefen 
einen großen Bund gegen ihn hervor, in welchen einige 
feiner nächften Verwandten und Vafallen eintraten. Man 
wollte das Lehnsweſen in feiner Reinheit, wie es im 
Anfange des Gapetingifchen Haufes befanden, wieder: 
herſtellen. Der Bund war von einem rein feudalen 
Geifte befeelt,, doch ohne die reinen und edeln Gefühle, 
welche eigentlich die Reinheit bed Feudalweſens in ei» 
nem höhern Sinne begründeten, ihm die fittliche Weihe 
gaben. So viel als möglich bezweckte man Wahl des 
Dberhern wie in Deutfchland. Man hatte den Plan 
einer Theilung der Monarchie entworfen. Man mollte 
die Güter der mit Philipp verbündeten Bisthümer und 
Stifter unter die weltlichen Herren vertheilen und die 
Kirhe in das abhängige Verhältniß, in dem fie unter 
den römifhen Kaifern und vor ihrer Aufnahme in den 
£ehnsnerus geftanden, zurüudführen. Man bezmedte alfo 
‚ damals in förmlichem berechnetem Plane, was drei bis 
fer Jahrhunderte fpäter in Deutfchland die Gewalt der 
Verhaͤltnifſe ſelbſt bewirkte. Philipp Hatte auch unter 
dem Adel viele Anhänger. Die Städte, mit Ausnahme 
der fandrifchen, waren ihm unbedingt ergeben, und die 
Schlacht bei Bovines entfchied für ihn und das franzöft- 
[de Königtyum: ein Sieg, an dem zwei Bifchöfe vornehm⸗ 
lihen Antheil gehabt; von deren Einer, der Beichtvater 
Philipp's, fiar — den geſchickteſten Feldherrn galt, der 
Andere, mit einer Streitart bewaffnet, überall wo ber 
Kımpf am Heißeften mwüthete zu finden war. Bon da 
an machte der Adel nur noch unter einigen ſchwachen 
Regierungen erxfolglofe Verfuche, feine frühere Stellung 
wiederzugewinnen. 

Von neuem kehrt der Verf. zu Paris zurück, an 
dem er am meiſten den Einfluß der Zeitentwickelung in 


den hier einſchlagenden Momenten zu zeigen liebt. Seit 
Hugo Capet war es der dauernde, ber gewiſſermaßen 
natürlie Sig der Könige geworden, deren Vorfahren 
fhon ein Sahrhundert vorher als Grafen daſelbſt ge- 
waltet. Auch für Paris that Philipp Auguft Vieles, 
fodaß der Verf, nur Ludwig XIV. in dieſer Beziehung 
mit ihm vergleichen kann. Durch ihn gefchah der erfte 
Schritt, „Paris von dem Sige eines oberften Lehns- 
heren, eines Bifchofs, geiftliher und weltlicher Vaſallen 
und einer ohnmächtigen, herabgedrüdten Bürgerfchaft zu 
einer Hauptftadt im modernen Sinne, mit Anftalten der 


. öffentlichen Sicherheit, des Unterrichts und einem größern 


Umſchwunge des Handels und der Gewerbe zn machen”. 
Er umgab Paris mit Mauern und Thürmen, er be 
dachte ed mit bedeutenden Stiftungen, feine Unterrichte- 
anftalten mit großen Privilegien, ließ zuerft die Straßen 
pflaftern, errichtete Brunnen und Martthallen, baute 
den Lonvre u. ſ. w. Dabei ftellt der Verf. das perfön- 
liche Walten Philipp Auguſt's dar, von dem er fchlief- 
lih urtheilt (I, 555): 

In der langen Reihe der Capetingiſchen Finfterniß ift Phi⸗ 
lipp Auguft, wenn man Jeit und Umftände in Erwägung zieht, 
von keinem andern, felbft nicht von den glängendften dieſes 
Stammes an natürlichen Herrſchergaben übertroffen worden. 

Noch kommt eine intereffante Schilderung des da- 
maligen moralifchen Zuftandes von Paris: der Edlen 
und der Geiftlichfeit im Berhältnig zu den Bürgern, 
der Studirenden, ihrer Sitten und Beziehungen, bei 
welcher Gelegenheit auch von Abailarb gehandelt wird; 
es wird der Charakter der Gebäude und Umgebungen 
von Paris bezeichnet, die allmäligen Veränderungen des 
Bodens und des äußern Anfehens bes Landes hervorge- 
hoben und als beftimmte „Xiupen des Mittelalters wer⸗ 
den der Edle, der Mönch, der Bürger, der Hörige” In 
geiftreiher Charakterifirung vorgeführt. 

Dann kommt die kurze und thatenlofe Regierung. 
des frommen und tapfern Ludwig's VIII, der weit mehr 
als fein Vater ein Charakter des Mittelalters war. 
Die Negentfhaft der thätigen und fühnen Blanca von 
Gaftilien, welche die innern Veränderungen und Unruhen 
zur Vermehrung der Macht und echte der Krone 
benugte.e Dann Ludwig IX., von dem- der Verf. 
fagt, er habe, „in mancher Beziehung eine einzige Er- 
fheinung in der Geſchichte, alle menfchlichen Vorzüge, 
faft ohne einen perfönlihen Fehler, befeffen, denn feine 
etwanigen Gebrechen gehörten nicht ihm, fondern feiner 
Zeit an, und felbft dann erfcheinen fie, mit feiner edeln 
und reinen Perfönlichkeit verbunden, in fehr gemilder- 
tem Lichte”. 

In diefer Zeit traten die Megungen einer freiern In- 
telligenz in ſichtbaren Conflict mit den Grundfägen, der 
Hierarchie. Ludwig IX. war zwar den religiöfen Über⸗ 
zeugungen feiner Zeit wie ein Anderer zugethan, kei⸗ 
neswegs aber ein blindes Werkzeug päpftlicher Macht 
volllommenheit. Doc machte ihm diefer Gegenfag tie- 
fen Kummer, und wenig Freude brachten ihm auch feine 
Krenzzüge, wenig die weltlichen Händel, bie er mit je 


200 


nee in ber Gefchichte wirklich einzigen Gewiſſenhaf⸗ 
tigkeit auffaßte, daß er den Engländern freiwillig einen 
Theil der ihnen entzogenen Befigungen, allerdings gegen 
Berziht auf das Übrige, zurückgab. Mit Necht erklärt 
ihn der Verf. für die edelfte und tiefſte Perfonification 
des Mittelalters, und fagt von ihm (I, 595): 

Die Einheit, zu der fih in feinem Wefen fonft fo ge: 
trennte Eigenfchaften, wie ein unbezwingbarer Muth und eine 
- ungebeuchelte Demuth, große politifhe Thätigkeit und "ein un» 
beſtechliches Gefuͤhl für Recht, eine bis in fein innerfle We: 
fen gedrungene Neligiofität mit einer richtigen Auffaffung fli« 
ner Pflichten als Regent verbanden, macht ihn zu einer in 
der Geſchichte einzigen Erſcheinung. Die Feudalwelt hat’ feine 
chriſtlich heiligere und ſittlich gerechtere Individualität als die 
feinige hervorgebracht. Wie alle außerordentlichen Perfönlich- 
keiten ift er fein ganzes Leben lang von einer großen Idee 
ausfchließend beherrſcht gewefen und zulegt für fie geftorben. 

Man fühlt, daß er ganz wie aus einem Stüde gegoffen 
war und daß nichtd Fremdes, Hinzugefügtes, Erfünfteltes feine 
Meinheit geftört bat. Die Perfönlichkeit diefes Fürſten er: 
fhemt, wie die des Epaminondad und Marc Aurel, an und 
für fi, faft untadelhaft und der Vollkommenheit nahe. 

In Ludwig's ganzem Walten als Menfh und als Fürft 
wird vor Allem der Charakter des Chriſten fichtbar. 

Übrigens fchritt auch unter ihm das Koͤnigthum fort, 
nur daß die Mittel, durch welche fich daffelbe befeftigte 
und erhöhte, mit der Wahrheit und Gerechtigkeit über- 
einftimmten. Auch im Innern des Reihe war Ludwig 
ber einfichtsvollfte und wohlthätigfte Neformator und 
wirkte fräftig zum nöthigen Untergang derfelben Zeit, 
beren edelfter Ausdrud er war. 

Die unbedeutende Regierung Philipp's III. begün- 
ftigte doch die niedern Claſſen. Unter Philipp dem 
Schönen tritt die Übermacht der Schrankenlofigkeit der 
Krone, weniger eine foftematifch beabfichtigte, aber eine 
thatſächlich vorhandene, fichtbar hervor. Die geiftliche 
und weltlihe Ariftotratie beginnt offenbar und unauf- 
baltfam zu finten. Das römifche Recht und die Kegiften 
‚ treten in den Vorgrund des ftaatlichen Lebens und bie 
Parlamente werben bedeutfam. Die Städte werden zu 
den Reichöverfammlungen berufen. Mit dem Papft- 
thum wird offen und fiegreich geftritten. Der Templer- 
orden wird fehmählich geftürzt. Zreffend bemerkt der 
Verf. (1, 627): 

Nur vierzig Jahre lagen zwifchen Ludwig dem Heiligen, 
der für das Kreuz geftorben, und feinem Enkelfohn, der es mit 
dem Blute feiner ftandhafteften Bertheidiger befleckte. Selten 
bat fi, in fo geringer Entfernung, ein fo großer Unterfchied 
der Beiten aus ſich felbft, ohne außerordentlichen äußern Un» 
ſtoß entwidelt. 

Philipp war cin felbfländiger und harter Fürft, ließ 
fi) aber die Befreiung der Hörigen angelegen fein, an 
welcher das 14. Zahrhundert arbeitete wie das 12. an 
ber der Städte. Die drei folgenden kurzen und unbe- 
deutenden Regierungen fehen den Widerftand der Refte 
des Feudalgeiſtes gegen die königliche UÜbermacht erfolg- 
108 fortgehen. Dem Geifte Frankreichs war eö nur vor⸗ 
theilhaft, daß bei dem Tode Ludwig's X. das Salifche 
Gefes als Srundfag erfannt wurde. (Dem Glüde Frank⸗ 
reih8 wäre ed vielleicht erfprießlicher gewefen, hätte es 


eine Verfaſſung gehabt oder erhalten, wo Das, wie in 
England, nicht nöthig war. Doc find wir an fih für 
den Grundſatz des Salifchen Wefeges.) Unter Philipp V. 
und Karl IV., mit dem der directe Mannsſtamm Hugo 
Capets erlofh, treten manche finftere und harte Züge ber 
unter die Legiften gelommenen Staatsgewalt hervor, von 
denen eigentlich auch die Kirche erft ihre fpätere Härte 
gelernt hat. Das Elend des niedern Volkes, dem man 
nicht durchgreifend genug zu Hülfe gekommen, bricht in 
mehrfachen, feine Lage nicht beffernden Aufftänden aus. 
So bleibt am Schluſſe diefer erſten Hauptperiobe, welche 
uns immer noch als die anfprechendfte der franzöftfchen 
Gefchichteerfihienen ift und deren fhlimmfte Züge der Verf. 
ung in dem Verfall der Merovinger und der Karolinger 
vorführt, doc) diefer düftere und unheimliche Geiſt nicht 
gänzlich aus. Der Verf. ſchließt mit einem abermali- 
gen Blid auf Paris, wie es fi bis zu diefem Punkte 
geftaltet. *) 97. 





Literarifhe Notizen aus England. 


Ehrenrettung Maria Magdalena’. 

Ein frommer Mann in England hat ji die Mühe gegeben, 
unfer dem Zitel „Gospel scenes; illustrative of the inctdents 
in the history of our Saviour“ Gedichte von verſchiedenen 
Verfaſſern, weiche Gegenftände der heiligen Gefchichte behan⸗ 
dein, zu fammeln und diefelben mit kritiſchen und erläuternden 
Roten zu verfehben. Er bedauert in dem Vorwort hoͤchlich, daß 
nur fehr wenige von den hoͤhern Dichterfräften Englands ihre 
Gaben zur Verherrlihung der’ Zhatfachen angewandt Haben, 
weldye den Gegenftand des Glaubens und ber Anbetung in ber 
Nation bilden, während die andern KRünfte, Malerei und Muſik, 
es ſich vorzugsweiſe haben angelegen fein laſſen, dieſe Dinge 
zu feiern. Wie es mit dem kritiſchen Genie des glaͤubigen 
Sammlers beſchaffen ift, mag aus folgender Stelle hervorgehen, 
worin er „die Ehrbarkeit“ des frühern Lebensmwandels der Ma: 
ria Mahdalena nachzuweiſen fucht. „Es ift gar nicht erfoder⸗ 
lich““, bemerkt er, „um ihr Beifpiel ftrahlender zu machen, an⸗ 
zunehmen, daB fie früher eine große Sünderin gewefen-. Im 
Gegenteil ift aller Grund vorhanden anzunehmen, daß fie eine 
Frau von guter Aufführung und tugendſamem Ruf gewefen ift. 
Hätte Died nicht ftattgefunden, fo würde ihre Rachfolge Jeſu 
unvereinbar mit Dem geblieben fein, was fie denjenigen treff- 
lihen Zrauen fhuldig war, die gemeinſchaftlich mit ihr ihn 
(Sefum) bedienten, und würde ein Argerniß für ihn felbft mit 
ſich gebracht Haben.’ 


Mackntoſh's vermifhte Schriften. 
Es find Bürzfich unter dem Titel „The miscellaneous works 


. of SirJames Mackintosh‘’ die bißher nicht veröffentlichten literari⸗ 


fhen Werke Sir James Mackintoſh's erihienen, deſſen befannte 
„History of England” trog der geijtreihen Auffaffung ded Verf. 
doch allenthalben Gründlihkeit und wiffenfhaftlihe Ferſchung 
vermiffen läßt. Der größere Theil der jept in drei Bänden 
erfchienenen Titerarifchen Dinterlafienfhaft ift von nur geringem 
Werth, und nur drei größere Abhandlungen, von denen Die 
erfte dem Fortſchritt der ethiſchen Philofophie, die zweite das 
Leben Sir Thomas More's, die dritte endlih cine Überjicht 
der Urfachen der englifhen Revolution von 1638 zum Örgen- 
ftand hat, verdienen Erwähnung. 12. 


*) Den zweiten un) legten Artikel Ieffen wir ins naͤchſten Monat 
folgen. D. Red. 


Berantwortlicher Herausgeber Heinrich Brockzans. — Druck und Verlag von F. SE, Srockhbans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Handbuch der allgemeinen Literaturgeſchichte aller be: 
fannten Voͤlker der Welt, von der älteften bis auf 
die neuefte Zeit, zum Selbſtſtudium und für Worte: 
fungen, von Johann Georg Theodor Gräfe. 
Ein Auszug aus des Verfalfers größerm Lehrbuche 
der allgemeinen Literaturgeſchichte. Erſter Band. 
Insrafurgefehichte der alten Welt. Dresden, Arnold. 
1845. .8. 2 Ihr. 

Jede zufammenhängende wiffenfhaftlihe Darſtel⸗ 
fung menſchlicher Erfenntniffe muß entweder den philo- 
fopbifchen oder den gefchichtlichen Weg einfchlagen. Werm 
Ref. nicht irrt, fo ſteht in unferer Zeit ber letztere in 
allgemeinerer Gunſt als ber erftere; fe reichere und 
ſchönere Früchte durch eine ſolche Bevorzugung feitens 
der Lefer bereit gezeitigt find, defto mehr hat fich Die 
Geſchichtſchreibung zu hüten vor jeder Einfeitigfeit, die 
nur zu leicht zu einer Dürre und Geiftlofigkeit führen 
koͤnnte, mit welcher jene Gunft nicht lange Hand in 
Hand gehen würde. In boppeltem Mafe hat fich vor 
diefem Fehler zu bewahren ein Theil der Gefchichtfchrei- 
bung, der gerabe jetzt mit befonderm Eifer angebaut 
wird, ich meine die Literaturgefhichte; denn fie ift Ge— 
fhihte des menſchlichen Geiftes, wie er ſich auf dem 
Gebiete der rebenden Künfte und der Wiffenfchaften zu 
erkennen gibt; wenn aber eine Gefrhichte des Geiſtes 
ohne Geift geſchrieben mwirb, fo ift Das auch eine Erfül- 
fung des Bibelworts von bem dumpfgewordenen Salze. 
Sowie aber das dem eigentlichen &efchichtsforfcher 
unentbehrfiche Durchſtoöͤbern „würbdiger Pergamene” an 
fich freilich Beine geiftreiche und geiſtig erquickende Ar- 
beit zu nennen tft, fo gibt es auch auf dem Boden ber 
Riteraturgefchfchte manche dürte Partie; denn der literar⸗ 
hiſtoriſche Stoff Liegt in den Schriftwerfen der verfchie- 
denen Jahrhunderte aufgehäufl. Man muß alfo vor Al⸗ 
iem über das Vorhandenſein der verfchiedenen Bücher, 
ihre Verfaffer u. f. w. unterrichtet fein; muß aber auch 
ferner von Dem, was in allen diefen Büchern enthalten 
ft, eine nach Maßgabe ber beabfichtigten Studien um. 
faffende Kenntniß haben: eine nicht fehr lohnende Ar⸗ 
beit, wenn man annehmen muß, daß von jcher wenig- 
ſtens ebenfo viel ſchlechte als gute Bücher gefchrieben 
werben find, welches Verhaͤltniß fich Heutzutage noch viel 
sänftiger für die-erftern ſtellen dürfte. Erſt wenn biefe 


Vorarbeiten überfianden find, kommt ber Riterarhifteriker 
an den Theil feiner Arbeit, der ihm felbfi geiflig wohl- 
thuend fein und der allein bei Befern von geiſtigem In⸗ 
tereffe auf Empfänglichkeit rechnen kann: an bie Dar- 
fielung des Groͤßten, was feir auf ber Erbe finden, 
bes menſchlichen GBeiftes in feiner fortfchreitenben Ent ⸗ 
widelung. Nur diefer Theil ber Literaturgefchichte, ber 
fh natürlich fortwaährend auf die vorher gewonnene 
Srundlage fügen und beziehen muß, verdiewt in Wahr- 
heit den Namen einer Wiffenfchaft; bie vorbergeheuben 
bibliographifchen Forfeyungen find Gegenſtand ber Ge⸗ 


‚Iehrfamteit und tönnen nur bei dem Manne von 


ober dem befonbern Liebhaber große Theiinahme finden; 
wol aber verbient der Gelehrte, der fich ihnen in der 
rechten Weiſe unterzieht, den vollen und ungetheilten 
Dank aller Freunde wahrer Wiffenichaftlichkeit. 
Ziterarhiftorifche „uffie, theils felbftändige, theils 
Fritifche, find, wie fih Dies In Blättern für literart- 
ſche Unterhaltung auch nicht anders ziemt, fortwährend 
viele in d. DI. niedergelegt; vorherrſchend wurde jedoch 
bei denfelben, wie es ihr Leferkreis erheifcht, der letzt⸗ 
erwähnte, im höhern Sinne wiffenfhaftlihe Standpunkt 
feftgehalten. Ich werde mir erlauben diesmal eine Aus⸗ 
nahme biervon zu machen und einigermaßen auf ben 
dDürren Boden ber rein gelehrten Literaturgeſchichte zu⸗ 
rückgehen müffen, denn Hrn. Graͤße's Wert, an welches 
ich anknüpfe, iſt nun einmal fein Bud für literariſche 
Unterhaltung, und ich gweifle, daß irgend ein Le 
fer daſſelbe zu feiner Unterhaltung, diefe im höhern und 


‚beffern Sinne verftanden, in die Hanb nehmen wird; 


jedenfalls aber iſt es eine fo bedeutende Erfcheinung, 
daß aud eine ausführliche Beſprechung beffelben bier 
vollkommen gerechtfertigt erfcheint. 

Borläufig muß ich noch bemerfen, daß ich folgenden 
Worten des Verf. (S. 9): „daß das ganze Leben ei- 
nes Menfchen nicht hinreicht, um nur einigermaßen bem 
Ideale einer Literaturgefchichte möglihft nahe zu kom⸗ 
men, begreift Jeder, der fih mit dieſer Wiſſenſchaft 
befchäftigt Hat”, ganz vollkommen beiſtimme; baf 
alfo Ausstellungen, die im Berlaufe biefes Auffagee 
an Hrn. rate Arbeit gemacht werben, krineswegs 
immer einen Vorwurf gegen den Verf. enthalten und 
begründen koͤnnen, fondern daß Dies nur dann ber Fall 


f «4* 


fein wird, wenn derfelbe entweder ausdrüdlic mehr ver» 


fprochen als gehalten Hat, oder wenn eine Abftellung der. 


nachgewiefenen Mängel augenfällig in feiner Macht ge 
legen hätte. " 

Jedes Buch läßt eine doppelte Beurtheilungsmeife 
zu: .eine relative, d. h. im Vergleich mit dem bisher 
‘auf bemfelben Gebiete Geläfteten, und eine abfolute, d. h. 
eine folche, welche die ideale Foderung ber Wiſſenſchaft zum 
Mafftabe nimmt, wobei dann der menſchlichen Schwach⸗ 
heit immer billige Rechnung zu tragen iſt. 

Bei der erfiern Betrachtungsweife find es eigentlich 
nur Ludwig Wachler's Werke, mit denen wir Hrn. 
Geaͤße's Arbeit zu vergleichen haben, da fie die erſte 
und bisher einzige wiffenfchaftliche Darftellung der all- 
gemeinen Literaturgefchichte enthalten; Hr. Gräße legt 
deswegen auch mit Recht feinen geringen Werth dar- 
auf, „daß Wachler fein größeres Wert noch in feinen 
legten Vorlefungen angelegentlich empfohlen habe’ (&. vı). 
&o wenig ich nun die Richtigkeit diefer Angabe irgend 
bezweifle, fo wenig ich der Arbeit des Hrn. Gräfe ihre 
große Brauchbarkeit abzufprechen gebenfe, fo Tann 
ich doch nicht umhin, hier einige Worte Wachler's an- 
zuführen, die er wenige Monate vor feinem Tode brief- 
lich mittheilte: 

Das Graͤße'ſche Handbuch betreffend habe ich bis jetzt fo 
viel wahrgenommen, daß unfere Vorftelungen von Zweck und 
. @inrihtung eines ſolchen Werkes und von den fich hiernach 
beftimmenden Boberungen an Bollftändigkeit deſſelben durchaus 
verfchieden find; auch über den Plan und Organismus ſcheint 
weſentliche BVerfchiedenheit vorzuwalten. 

Ganz Daffelbe läßt ſich über das Verhältniß zwifchen 
den Bleinern Werken beider Verfaffer fagen. Zuerft näm⸗ 
lich. liegt auf flaher Hand, daß Hr. Gräfe einen ganz 
ohne Vergleich größern Vorrat an pofitiven Notizen 
bietet; es ift Dies die ganz natürliche Kolge von dem 
faft zwölf Jahre fpätern Erfcheinen feiner Arbeit, in 
welcher Zeit gerade für dieſe Wiffenfchaft unendlich viel 
geſchehen iſt. Ob aber der ganze ftoffliche Reichthum, 
dem der Lefer hier begegnet, al& reiner Gewinn zu erach⸗ 
ten fei, Das ift noch fehr die Frage. Am kürzeften wird 
fi) der Unterfchied wol fo bezeichnen laffen: Hr. Gräfe 
hat vorzugsmeife eine Geſchichte der Bücher gefchrieben, 
Wachler eine Geſchichte des Hg A Geiſtes, wie er 
fi in ber Literatur offenbart; aus Hrn. Graͤße's Bud) 
fann man mehr pofitive Notizen erlernen als aus Wach⸗ 
ler's Werken, diefe aber enthalten außer einer ganz hüb- 
fhen Summe von Gelehrfamkeit noch unendlich reiche 
geiftige Anregung; Wachler hat die Wiffenfhaft der 
Riteraturgefchichte begründet und felbft ſchon auf eine 
bedeutende Stufe der Ausbildung erhoben, Hr. Gräfe 
hat die Kenntniß der verfchiedenen Literaturen mefent- 
lich erleichtert und gefördert. Um fich diefe fehr verjchie- 
benen Richtungen klar zu machen, braucht man nur die 
Vorreden zu Wachler's „Lehrbuch“ und zu Hrn. Gräße’s 
„Handbuch” zu lefen. So fteht alfo Legterer auf einem 
wefentlih andern Boden als fein bebeutendfter Vor⸗ 
gänger. 


742 - 


Zu einer andern Bergleichung aber fobert Hr. Graͤße 
felbft auf durch folgende Worte (©. ıx): 

Zum Mufter habe ich mir dad Beine „Lehrbuch der deut: 
ſchen Literaturgeſchichte“ des berühmten Gervinus genommen, 
welches in jeder Beziehung die Anfoderungen, die man an ein 
derartiges Werk machen Tann, nicht blos befriedigt, ſondern 
auch übertrifft. 

Hiergegen muß ich nun einwenden, daß fid) Hr. Gräße 
nach meiner Anficht durchaus nicht das rechte Mufter 
genommen hat, theil® weil eine allgemeine Literatur- 
gefchichte durchaus auf anderer Srundlage beruhen muß 
ale bie eines einzelnen Volks, theild aber auch weil ich 
das Heinere Buch von Gervinus bei allen feinen Vor⸗ 
zügen keineswegs für ein Ideal Halte, worüber ich 
mich früher in d. BI. ausgefprodhen habe. Nun aber 
macht es einen fchier Fomifchen Eindrud, daß Hr. Gräfe 
jenem feinen angeblichen Mufter fo durchaus nicht treu 
geblieben: Gervinus gibt eine fortlaufende Schilderung 
des innern Entwidelungsganges der beutjchen Literatur 
und fehr wenige literarifhe, gar Feine bibliographifchen 
Nachweiſe; Hr. Gräfe dagegen gibt flatt jener Entwide- 
(ung faft nur eine ununterbrochene Aufzählung von Na- 
men und Zahlen und fehr reichliche bibliographifche Nach⸗ 
weifungen,, ſodaß ich wenigftens nicht entdeden kann, 
worin die Ahnlichkeit beider Bücher beftehen ſolle. Doch 
halte ich es für nöthig, bier ausdrüdlich zu bemerken, 
dag ich weder in den Abweichungen von Wachler's 
Principien no in dem mislungenen Wetteifer mit 
Gervinus an fi einen Grund fehe, Hrn. Graͤßes Werk 
zu vermerfen. 

Wenn ich nun dazu übergehe, den abfoluten Werth 
der vorliegenden Arbeit auszumitteln, fo ift es nicht mehr 
als billig fi) nad den Anfoderungen umzufehen, die 
der Verfaſſer felbft an fein Werk ftellt: er unterfcheidet 
nah 8. U. Wolf's Vorgange eine äußere Literaturge⸗ 
fhichte oder Literärgefchichte *) unb eine innere oder im 
engern Sinne fogenannte Literaturgefhichte. Nun hätte ſich 
Hr. Sräße vor allen Dingen erflären follen, welchen von die- 
fen beiden Zheilen er eigentlich bearbeiten wolle; dies hat 
er aber fo wenig gefhan, daß auf dem Titel feines Werkes 
„Handbuch der allgemeinen Kiteraturgefchichte”, auf dem 
Umfchlage ber einzelnen Hefte aber „Handbuch ber all- 
gemeinen Kiterärgefchichte” zu Iefen ift, jene im Buche 
ausdrücklich gebilligte Eintheilung hier alfo ebenfo aus- 
drücklich befeitige if. Die richtigfte Annahme ift wol 
ohne Zweifel, daß Hr. Gräße in feinem Werke Beides 
bat vereinigen wollen. Und eine dem Literarhiftoriker 
unentbehrlihe Eigenſchaft zeigt fih in diefem Werke 
allerdings in feltenem Maße: Dies ift eine wahrhaft 
ſtaunenswerthe Bücherkenntniß, die Hr. Gräfe nicht blos 
in feinem „Handbuche” und feinem „Lehrbuche“, fondeen 
durch eine ganze Reihe bibliographifcher Monographien 
auf das glänzendfte beiwiefen hat. Leider ift aber da⸗ 


*, Hr. Größe hätte bei feiner bibliographifhen Genauigkeit 
wol bemerken follen, daß Wolf nicht das misgeſtaltete Wort „‚Literärs 
nefhichte braucht, fondern Literargeſchichte ober ⸗Hiſtorie ſagt; auch 
gebraucht er den Namen „‚Riteraturgefchichte im engern Sinne” nicht, 
fondern fagt „Geſchichte der redenden Künfte und Wiſſenſchaften“. 


nit nur die Un an ben Literichifioriker, um 
jene Eintheilung beizubehalten, micht bie an ben Kitera- 


turhiſtoriker zu fellende befriedigt; Sener freilich kͤmmert 


fh, um F. A. Wolf's Worte zu gebrauden, um die 
Bücher nur als continentia, Diefer aber muß hauptfäd- 
ih auf die contenta, auf den Inhalt der Werke fehen, 
und hierfür dürfte doch Hrn. Graäße's Belefenheit kaum 
ausreichen, die auf einzelnen Gebieten und zwar auf 
fonft wenig gefannten Gebieten gewiß fehr groß ifl, 
ebenfo mangelhaft aber in andern für die Gefchichte des 
ten Beiftes weit wichtigen Zweigen zu fein 
ſcheint. 

Und dieſe meine Anſicht wird Hr. Graͤße hoffentlich 
nicht übel nehmen, denn wer ſollte auch während des 
längften Lebens im Stande fein, nur ein Hauptwerk 


von jedem Schriftfteller, den derfelbe nambhaft macht, fo 


durchzuleſen, daß er darauf ein felbftändiges Urtheil über 


den fchriftfiellerifchen Charakter defjelben begründen und |! 


fi, diefes immer gegenwärtig halten könnte! Die Zeiten 
folher Polyhiſtorie, wie fie bis gegen Mitte des vorigen 
Jahrhunderts angeftaunt wurde, find vorüber; Leſſing 
war der Lepte, der fie beſaß, aber auch der Erfte, ber es 
wagte den. Stab über fie zu brechen, und der Himmel 
bemahre uns vor ihrer Wiederkehr! An ihrer Stelle ift 
jegt die Kenntniß der Bücher als ſolcher zu einer eige- 
ven Wiſſenſchaft Namens Bibliographie erhoben wor- 
den, und wenn eine foldye umfaffende Bibliographie 
foftematifch nacy Völkern und Zeiten geordniet wird, fo 
mag man fie immerhin eine äußere Gefchichte der Lite: 
ratur nennen; von einer Literaturgefchichte hat man heut- 
zutage andere Begriffe. Diefe fol nicht mehr die Ge- 
ſchichte einzelner Bücher und Gelehrten, fondern bas 
geiftige Beben, Wachfen und Abſterben einzelner Völker 
oder der ganzen Menfchheit gerade fo fhildern, wie es 
die politiſche Geſchichte mit den Staatsverhältniffen 
thut; je größer alfo das Gebiet ift, beffen Bearbeitung 
fich der Literaturhiſtoriker vorgefept hat, deſto mehr 
muß er mweife Mäfigung in Auswahl des Stoffs an- 
wenden. Der Darftellee der allgemeinen Literatur muß 
eben nur Das aufnehnten, was für die gefammte Dienfch- 
heit von wefentlicher und bauernder Bebeutung ift; allen 
todten Notizenkram muß er lediglich dem Bibliographen 
überlaffen, bafür aber feinen ausgewählten Stoff fo klar 
durchſchaut haben, daß er ein lebendiges, zufammenhän- 
gendes Gemälde von ben geiftigen Zuftänden, deren Re⸗ 
fultat die genannten Schriften find, entwirft und fei« 
nen Leſer in der bargeftellten Zeit volltommen heimifch 
macht. 
u (Der Beſchluß folgt.) 





Militeirifche Erinnerungen aus dem Tagebuche des Ge- 
nerallieutenants von Minutoli. Berlin, Reichardt 
md Comp. 1846. 8. I Thle. 7% Near. 

&s find jezt 13 Sabre, feitbem wir in biefen Blättern 
vom Jahre 1833 die „Erinnerungen eines alten preußifchen 
Dffiziers aus den Rheinfeldzügen in den Jahren 1792 — 94" 
befprochen haben, als beren Verfaſſer wir fpäterhin den Gene» 


sal von Walentini, einen ber kenntnißreichſten Höheren icke 
bes aͤltern preußiſchen Heers, Bennen lernten. nm 
ruhmvollere Ereigniffe haben feitdem jene frühern Waffentha⸗ 
ten eines Heers, das unter tüchtigen Unführern fig immer 
wader zu fchlagen pflegte, zn den Hintergrund gedrängt; auch 
leben nur noch Wenige von Denen, die fih mit Friſche und 
Zreuc des Gedaͤchtniſſes an jene Kriegsthätigkeit erinnern koͤn⸗ 
nen. Um fo willEommener abes müflen Schilderungen aus det 
Geſchichte jener Zeit von ber Hand der rechten Leute fein, und 
wir haben alle Urſache uns folder Darbietungen zu freuen, 
wie fie 3. DB. in Bouque’s LXebenebefchreibung enthalten find, 
ober in Blügper'd Tagebuche aus dem Feldzuge von 1703, weis 
ches in Schöning 6 „Geſchichte bes fünften preußiichen Huſaren⸗ 
segiments” benugt iſt. In die Reihe diefer Schriften gehört 
nun andy das vorliegende Tagebuch des Hrn. von Minutolt, 
eined vielſeitig gebildeten und wohlunterrichteten preußifchen 
Offiziers, der in demfelben die Erlebniſſe feiner erften Dienft» 
jahre zunächft für feine eigene Familie niedergefchrieben hatte, 
fie dann aber auch der Dffentlichkeit nicht vorzumthalten bes 
ſchloß. Wir empfangen nun bier eine ſchlichte, natürliche Er» 
zählung, wie fie fih dem Erzähler auß feiner Kunde ber Dinge 
und aus feiner unmittelbaren Anfchauung derfelben von felbft 
ergibt, mit aller Eigenheit des Redenden ald eines eifrigen 
Kriegsmannes und treuen Unterthans unbefangen ausgeflattet, 
der ſich nicht anders zeigen will ald er wirklich ift, feine Meb 
nung überall offen befennt, felbft wo fie nicht zum Bortheife 
ber ergriffenen Kriegsmaßregeln lautet, und überhaupt in ein 
recht aufrichtiged und perfönliches Berhältniß zu feinen Lefern tritt. 

Ohne weitere Einleitung führt uns der Verf., damals 
Lieutenant im Wufelierbataillon von Legat, gleich zu dem Zuge 
der preußifhen Zruppen nad) Franfreih im Sommer 1702. 
Dem jungen Offizier, der als Quartiermeifter und abwechfelnd 
als Bataillonsadjutant nicht blos mit dem Gewöhnlichen des 
Marſches zu thun hatte, waren manche Einblide in. die Be 
wegungen bes Heers vergönnt, und fo bedauert er denn an 
mebren Stellen die Langſamkeit des Heranzugd, den unnoͤthi⸗ 
gen Aufenthalt im Lager an der Konzerbrude vom 6. bis 12. 
Auguft und die darüber verloren gegangene Gelegenheit, be 
deutende Vortheile über die noch ungeordneten franzöfifchen 
Heere zu erhalten. Lagerfcenen, Quartiernoth, Streit mit der 
Bevölkerung geben ein recht anfchaulihes Bild, nicht minder 
das mit der Treue eines Augenzeugen befchriebene Gefecht bei 
Fontoy am 19. Auguft und die Befehung von Verdun am 2. 
September. Nach berfelben begleiten wir unfern Verf. auf 
der von dem Major Belten geleiteten Unternehmung nad 
&t.: Mihiel, um dort den befannten Drouet gefangen zu neh» 
men. Dies mislang zwar; aber die Gewandtheit, mit der fich 
die Führer des Beinen preußifchen Heerhaufens auf dieſem 
Streifzuge benahmen, und Die Anftelligfeit der Soldaten ma⸗ 
chen died Stuͤck aus dem Kriegsleben. des Berf. zu einen der 
anziehendften in feinem Bude, ſowie die glei darauf folgende 
von ihm perfönlich ausgeführte Beftrafung ciner franzöfifchen 
Gemeinde weit außerhalb der preußifchen Worpoftenkette. Bon 
da ab beginnt nun das planlofe Hin» und Herziehen ber Zrup: 
pen; einzelne Scharmügel werden geliefert, e8 folgt die Kano⸗ 
nade von Balmy, dann beginnen die Unterhandlungen mit Dur 
monriez, und am 29. und 30. September tritt der Herzog von 
Braunfchweig feinen Rüdzug an. „Man konnte ed fich nicht 
verhehlen”, fagt der Berf., „daB Die Lage der Verbündeten, 
einem unternehmenden, thätigen Feinde gegenüber,. cine fehr 
misliche war, denn fie waren von feindlichen Eorps und von 
Feftungen umgeben, hatten zu ihrer Linken den Argonner Wald, 
der ihrem Auge jede- feindliche Bewegung entzog; Dagegen war 
das preußifche Heer mit einer zahlreichen Artillerie und mit einer 
Menge von Wagen verfehen, indem man es den Offizieren 
aus zu großer Rachſicht verftattet hatte, fich derfelben ftatt der 
Hadpferde zum Zransport ihres Gepaͤcks zu bedienen. Mit 
diefem unzäpligen Troß mußte nunmehr bad Herr auf grund⸗ 
Iofen Wegen. durch viele Engpäfle zichen und große und Fleine 


744 


Gewäffer überfchreiten; überbieb gebrach es der Infanterie an 
Schhuhen und den Pferden an Bi , fodaß eine große An⸗ 
zahl berfelben fiel und eine gr 

eine erſchreckende Weile verringerte.” Alles war muthlos, al 
es Mitgefühl ben, Selbſterhaltung war der eikzi 


ab r 


gweck, der Unmuth fo groß, daß Mehre ihrem Leben ſelbſt ein 


Ende machten; die Nahrung war” ſpaͤrlich, Brot fehlte ganz, 


die Reſte von Weizenkörnern und ven Schlehen, das Regen | 


wafler, konnten weder Stärkung noch Erauidung gewähren. 
Hr. von. Minutoli war fehr glüdlih, als er fi aus einigen 


Kaffeebohnen einen dünnen Kaffee kochen laffen Fonnte, womit | 
er feinen Regimentscommandeur erfreute; kurz man hatte es 


allem den Unterhandiungen bed Herzogs von Braunſchweig zu 


danken, daß daB Heer nicht fortwährend von den Franzoſen 
Goethes - 


beunruhigt und nicht gänzlich aufgerieben wurde. 
befannte Erzählung wird bier in vielen Einzelheiten bejtätigt, 


und diefe Berichte eines Augenzeugen (S. 133159) verdimen 


ebenfowol die Aufmerkſamkeit Pünftiger Gefchichtfchreiber des 
Feldzugs als die in der Vorrede enthaltenen militairifchen Be 
trachtungen über jenen unfeligen Einfall. 
Der zweite Theil diefer Erinnerungen umfaßt die preußi- 
fchen @inlagerungen auf tem rechten Rheinufer während des 
Binters von 1792—93, die einzelnen Gefechte mit Euftine's 
Truppen und endlich die Wiedereroberung von Frankfurt am 
3. December. Ruͤchel's großer Antheil an dem Gelingen diefer 
Waffenthat wird in das befte Licht gefept, aber auch fein hoch⸗ 
fahrendes, eigenmächtiges Wefen tritt bei mehren Gelegenhei- 
ten lebhaft hervor. Ein Bug auf S. 184 verdient mitgetheilt 
u werden. Als die Eolonnen auf Frankfurt anrüdten, be 
emdete Rüchel ein plöglicher Wufenthalt, fodaß cr wuthent: 
brannt fragte: wer das Kalten befohlen hätte. Als man. ihm 
antwortete: „Der Herzog von Braunſchweig!“, vergaß er. alle 
Nuͤckſichten der Subordination und fchrie:- Beilige Schod Don- 
nerwetter! mo ift denn ber große Herzog?” Da antwortete 
eine Stimme neben ihm: „Hier, Herr Oberjtiicutenant!’’ Und 
er bemerkte erſt jegt in feinem blinden Eifer, daß er an dem 
Könige von Preußen und an dem Herzoge vorbeigeritten war 
und daß der Legtere jelbft ihm geantwortet hatte. Der milde 
König bewies auch bier feine großmüthige Nachficht und ſprach 
einige verföhnende Worte, worauf die Eolonnen vorwärt® gingen. 
Im dritten Theile ift die Einfchließung von Mainz und 
der Kampf bei Belagerung diefer Stadt der Hauptgegenitand. 
Der Verf. war auch bier unter den Thaͤtigſten: er zeigte fi 
gewandt, tapfer und unternehmend, und auch ein Herz für 
die Roth der armen Soldaten, die einen ſchweren Dienft 
hatten, babei im ſtrengen Winter ohne Mäntel und ohne 
fhügende Bekleidung in ıhren bünnen Montirungen waren und 
ih an dem naflen Holze, dab ihnen geliefert wurde, nie 
mals erwärmen Eonnten, fondern vor Rauch faft erblindeten. 
Bei den immerwährenden Nedereien, Vorpoſtengefechten und 
heftigen Kanonaden ftand Hr. von Minutoli in den auf der 
Rheinfpige Mainz gegenüber angelegten Schanzen, wo er am 
21. Mai einen heftigen Angriff mit großer Zapferkeit beftand 
und ſich mitten unter feinen Leuten dem beftigften euer aus: 
fepte, bis ihm eine frangöfifche Kugel den Linken Oberarm zer: 
fchmetterte, fodaß der Vorderarm berunterfant. Nur erft als 
Biutverluft und Mattigkeit ihm zu fehr gufegten, verließ er 
den Kampfplatz und ward erft nach Sinsheim, dann nach Frank: 
furt gebradt. Man wollte ihm den Arm abnehmen, aber er 
weigerte ſich beharrlih, um nicht in feinem einundzwanzigften 
Zahre ſchon dienftunfähig zu werden, und erbuldete lieber fechs 
Monate lang alle Schmerzen eines ſchweren Krankenlagers. 
Aber felbft nach feiner Herfielung konnte er Feine Dienfte mehr 
thun und ward deshalb als Stabtcapitain in das berliner Ea: 
dettencorps verfegt. 
Hiermit endigen diefe Erinnerungen ; wir wünfden und 
hoffen jedoch, daß es noch nicht die leuten fein werben, mit 
Denen Hr. von Minutoli die jungen Offiziere des preußifchen 


Ruhr unfere Iruppen auf | ı 
1 über Behandlung ber gemeinen Soldaten u. dgl. m.; vor Allem 





-humaine.“ Es 


JSeers veſchenkt Hat. Denk für biefe finden ſich Gier wide au 


liche Lehren, 3. B. über Die Anlage von Gchanzen, über den & 
nen Dienft und ben — ———— 


aber mögen fie fi) den durch das ganze Buch verbreiteten leb⸗ 
haften Sinn für militairiſche Ehre und treue Dienfterfüllung 
zum Mufter nehmen. Gndlich verdient auch die erfte Beilage 
über Bollebewaffnung und über das nothwendige Bufammen- 
wirken der L£inientruppen mit ben Landwehren befonders aus: 
geaciänet zu werden. Das föne Denkmal, welches Hr. von 
inatolt der Irene feines vor Mainz gebliebenen Dieners May 
auf ©. 250 gefept hat, tft ein fprecgender Beipeis feiner Er⸗ 
Senntlichfeit und Herzendguͤte. m. 


Riterarifhe Notizen aus Frankreich. 


Sur Dante⸗kiteratur. 

Wir haben ſelbſt fruͤherhin in d. Bl. auf den ſtrebſamen, 
talentvollen Gelehrten Dzanam aufmerkſam gemacht. Seine 
Vortraͤge über die deutſche und italieniſche Literatur zeichnen 
ſich in jeder Beziehung vor den hohlen Paradereden, welche an 
den parifer höhern Unterrichtsanftalten eine jo bedeutende Rolle 
fpielen, vortheilhaft aus, und fein „Dante et la philosophie 
catholique au I3ieme siecle‘ hat ihm bei der gelehrten Welt 
felbft im Auslande einen geachteten Ramen gemacht. 
Schrift, welche einen wichtigen Beitrag zur Gufturgefchichte 
des Mittelalters liefert, it auch in Deutichland durch eine 
Bearbeitung eingeführt, während fie in Italien bereits vier 
Überfegungen erlebt bat. Sie erſcheint gegenwärtig in einer 
neuen Ausgabe, welche der Verf. mit wefentlichen Verbeſſerun⸗ 
gen und Zufägen verfehen bat. So ift unter Anberm eine 
Zufammenftellung wichtiger Fragmente aus Thomas von Aquino, 
Albert dem Großen, Roger Bacon u. f. w. hinzugefügt, melde 
ur Beleuchtung und Charakteriftif der Dante'fhen Weltan: 
—** von durchgreifender Bedeutung find. Als beſonders 
werthvoll find ſodann noch einige neue Unterſuchungen zu be⸗ 
zeichnen, welche Ozanam über die Quellen, aus denen Dante 
gefchöpft haben mag, mittheilt. Außerdem bat er feiner Dar: 
ftelung fo viele neue Geſichtspunkte ſowie manche inter: 
eſſante Documente, welche er früher noch nicht benutzt hatte, 
eingeflochten, daß dieſe neue Ausgabe faſt die Bedeutung eines 
ganz neuen Werks beſitzt. 


Phantaſtereien. 

Zu den phantaſtiſchen Ideologen, welche, ohne ſich auf eine 
wohlbegruͤndete philoſophiſche Durchbildung zu ſtuͤzen, die Welt 
nah ihren ſchwaͤrmeriſchen Ideen erfaffen und neugeftalten 
möchten, gehört auch Ed. Allen. Diefer Schriftfteller, den wir 
wegen feiner Speculationen über Beziehungen des gefellfchaft: 
lichen Lebens einen foctaliftifchen Philofophen nennen können, 
tritt jegt wiederm mit einem neuen Producte hervor. Das 
Erſcheinen beffelben wird durch lobpreifende Anzeigen, denen 
der Verf. vielleicht nicht ganz fremd iſt, begrüßt. Wie es 
darin heißt, werden die in diefer Schrift enthaltenen Refultate 
ber erftaunten Welt zugleich in franzöfifher, beutfcher und ita⸗ 
lienifcher Sprache mitgetheilt, damit der Strom der neuen 
Weisheit fih bier in einem möglichft breiten Bette ergiche. 
Wie man den Bogel an den Federn erkennt, ſo verräth der 
nad) dem &Sonderbaren ftrebende Schriftfteller meift ſchon 
durch die Zitel, in deren Wahl die Sucht nah dem Piquans 
ten und Auffallenden vorherrſcht, weß Geiſtes Kind er iſt. 
Das neue Erzeugniß der Allen ſchen Speculation erſcheint un⸗ 
ter folgendem Wushängefchild: „Harmonles de lintelligunce 
handelt fi alfo bier wieder darum, mit 
einem ftolzen Wort eines der wichtigſten Räthfel der Welt 
zu löfen. 17. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdans. — Druck und Berlag von F. E. —— in Leiszig. 


Bläafter 


für 


literariide Unterhaltung. 





die (Entwicklung ber Geſammibildung durchaus keinen: 
Einfluß geübt Hat. Die Rückſicht auf die Geſammt⸗ 
bildung der Menfchen muß durchaus bei ber Aus 
mahl bes Stoffes leiten; in diefer Beziehung aber bat 
fih Hr. Grüße große Ungleichheiten zu Schulden kom⸗ 
men laffen: er widmet 5. B. der theologifchen Literatur 
in den erften chriftlichen Jahrhunderten ungefähr 75 
Seiten, während ber griechifchen Dichtkunft vor Alexan- 
der dem Großen nur etwa 31 zu Theil werden, und ein 
ähnliches Misverhättniß ließe ſich an ſehr vielen Stellen 
nachmweifen, welches denn zulegt eine ganz falſche An⸗ 
fdauung bei dem unkundigen Lefer veranlaffen muß. 
Ebenſo läßt fi an der Unordnung bes Stoffes Dian- 
ches ausfegen. In der Darftellung der Dichtkunſt vor 
Alerander dem Großen folgen die verfchiedenen Volker fo 
aufeinander: Griechen, Hebräer, Inder, Ehinefen; in 
der Zeit nach Alerander dem Großen: Inder, Hebräer, 
Griechen; 8. 74 fg. find die Hülfswiffenfihaften der Ge⸗ 
ſchichte vor, 6. 111 fg. und 207 fg. nach der Geſchichte 
Rehnung bringe, wol zwei Drittheile des Buchs füllen | felbft aufgeführt. Ich weiß fehr wohl, daß diefe Ungleich- 
mögen, . heiten nur von geringer Bedeutung find, aber in einem 
Ich faſſe zunächſt den literarhiftorifchen Theil oder | fuftematifch geordneten Buche muß die einmal angenom- 
den eigentlichen Text bed Buchs ins Auge, wo fi | mene Drdnung auch bis in die Meinften Ginzelheite 
denn fofort Die Fragen nach Auswahl und Anordnung. | beibehalten werden. j 
bed Stoffes und nach Yrt und Weile der Darftellung Was endlich die Art und Weiſe der Darftellung . 
aufdrängen. Was den erfieen Punkt betrifft, fo ſcheint | betriffe, fo tritt e6 hier ganz beſonders hervor, daß Hr. 
DR. Gräfe in dem Irrthum befangen zu fein: daß eine | Gräfe weit mehr für den literarifchen Stoff als für das 
allgemeine Literaturgefchichte die Namen aller Schrift: Leben in der Literatur Sinn bat. Höchft dürftig oder 
fteller und ihrer Hauptwerke, wenigſtens ſoweit uns die⸗ gar nicht ift nachgemiefen, auf welchen Urfachen die ver- 
ſelben erhalten find, umfaffen müffe; ja er legt auf diefe | fAhiedenen Wendungen und Wandelungen im Gange der 
Velftändigkeit offenbar ein ganz befonderes Gewicht. | menfchlichen Bildung beruhen. Überall ift nur aufgezählt, 
Ich habe ſchon oben ausgefprochen, baf ich ganz im Ge-⸗ was geleiftet wurde, nirgend find diefe Leiſtungen er- 
gentheil mögficde Mifigung in Anführung von Namen | Härt und begründet; daher find namentlich bie einleiten- 
für ein wefentliches Erfoderniß eines ſolchen Grundriffes | den Paragraphen zu den verſchiedenen Perieden faft 
halte; denn das Studium eines fo umfaffenden Werket durchweg dürr und ungenügend und ftehen ben betref⸗ 
kann doch immer nur zu emer allgemeinen Überficht | fenden Stellen in Wachier's „Lehrbucy’ unendlich nach; 
verhelfen, die durch ein Ubermaß erſchwert, ja geraderu | faft nur der fehon erwähnte Abſchnitt über die urchriſt⸗ 
bereitelt wird. Für Jeden, ber fich über Einzelheiten nd« liche Theologie macht hiervon eine Ausnahme und enthält 
ber untersichten will, wird bie Ginficht im Schtiften | eine mehr genetiſche Entwickelung, wodurch er freilich 
Iperichieen Inhalts doch immer unentbehrlich bleiben. &e | gegen die übrigen Partien des Buchs um fo umbilliger 
ſcheint mir 3. B. Das, mas $. 208 über die armeni- | bevorzugt erfeheint. 
ſche Geſchichtſchreibung, wenn auch nur auf Einer Seite, Wenn ſo Auswahl, Anordnung und Darſtellung des 
gefagt iſt, ſchon beiweitem zu viel, weil dieſe Literatur auf | literarhiſtorifchen Stoffs vielfache Ausſtellungen noͤthig 





Georg Theodor Gräße. 
(Beſchluß aus Nr. 186.) 

Schen wir nun zu, wie Hrn. Graͤße's Arbeit folchen 
Begriffen von Literaturgefchichte entfpricht. Meiner Mei- 
nung nach hat er ſchon dadurch einen großen Fehlor 
begangen, daß er bie beiden fo verfehtebenen Theile ber 
innern und äußern Literaturgefchichte hat vereinigen wol⸗ 
lea; er bat dadurch bie an Unmöglichkeit grenzende 
Schwierigkeit, feiner Aufgabe gründlich zu genügen, um 
en ſehr Bedeutendes geſteigert, und fo flatt eines be- 
Ihränftern, aber in feinem Umfange werthvollern Buche 
ein in feinem heile ausreichenbes geliefert. Der eigent⸗ 
lich literarhiſtoriſche und ber bibliographifche Theil des 
Buchs laffen fi übrigens im Ganzen leicht trennen, 
denn der kegtere bat mit wenigen Ausnahmen feinen 
Pag in den Anmerkungen gefunden, die auf jeden Pa⸗ 
Tographen folgen und, wenn man den Heinern Drud in 


. 


—— — — — — — — er — — — — — 


rn Mb: 


machen, fo Tann es nicht: fehlen, daß auch mancherlei 
Einzelheiten ale verfehlt und mangelhaft bezeichnet wer- 
den müffen, von welchen ich hier nur Das aufzählen 


will, was mir fofort bei erftem Durchlefen in die Au- 


- gen gefallen if. . ’ 
Surchaus ungenligend ift das 6. 19 über die Ge— 
fchichte der Homer’fhen Gedichte Gefagte, wo die ver 
fchiedenen ſich widerſprechenden Anſichten wenigftens an- 
gebeutet werben mußten. Geradezu unrichtig ift $. 27, 
dag „die Sillen am meiften von den alten Philoſophen 


gegen die Homer'ſchen Gedichte gefchleudert wurden”, ba. 


die Sillen vielmehr in parodifher Anwendung Homer’ 
fer Verſe gegen gleichzeitige Philoſophen beftanben. 
Die 6. 37 ausgefprochene Hoffnung auf Erhaltung der 
Anthologie des Drion dürfte jegt mol aufgegeben wer⸗ 
den, wenigftens haben ſich Die vor etwa 15 Jahren ver- 
mutheten Spuren als durchaus trügerifch erwiefen. $. 43 
heißt es: „die rein poetifchen Bücher der Hebräer find 
ale aus der Zeit der höchſten Blüte des jüdifchen 
Keiches unter David und Salomo“, und nody auf der: 
felben Seite wird Mofes ohne Bedenken unter ben 
PN almiften aufgeführt. &. 96 ift die Zeit, wo Deme⸗ 
trios von Phaleros über Athen Herrfchte, falfch angegeben. 
S. 103 ift die noch fehr fragfiche, gerade von Neuern 
anders beftimmte Zeit 
Sonnenfinfternig mit unzuläffiger Sicherheit angegeben. 
6. 75 ift Herodot's Vorlefung in Olympia, von Dahl: 
mann mit bedeutenden Gründen befämpft, als ein un- 
zweifelhaftes Factum bingeftellt. Mit nicht geringerer 
Snefchiedenheit ift $. 99 die fireitige Frage nad ben 
verfchiedenen Geliebten Tibull's beantwortet. Bei Dio- 
dor von Sicilien $. III hätte neben feiner Unglaub- 
würbigfeit namentlich auch feiner chronologifchen Unge- 
nauigkeit gedacht werden follen. §. 137 werden uns 
fogar wieder die fonft überall glücklich abgeſchafften 
deutfchen Barden aufgetifcht, wobei. fih Hr. Gräße in 
feinem größern Werke fogar auf Koberftein, der aus⸗ 
drücklich das Gegentheil fagt, beruft. Nicht genau ift 
6, 171 die Entdedung von Waig über Ulfilas benugt, 
obgleich deffen Schrift genannt if. Die Überfegung des 
zupaxıntog durch „velllommener Lehrer” 6. 178 dürfte 
man wol nicht zugeben können. Sehr ungenügend han⸗ 
belt 6. 192 von den römifchen Agrimenforen. 

Doc genug folcher Einzelheiten, wie fie ja auch dem 
ZTüchtigften begegnen können, wenn auch babei Manches 
kaum zu entichuldigen ift; ſchlimmer noch erfcheint die 
ganz ſchiefe Beurtheilung, die manchem fehr bedeutenden 
Schriftfteller widerfahren if. Daß Virgil's „Aneis“ 
&. 153 cin „Nationalepos” genannt wird, ift ſchon ein 
ziemlich, ſtarker Misgriff; was foll man aber zu folgen: 
der Charakteriſtik des Ariftophanes ſagen ? (&.50): „Seine 
Stüde, obwol an loderm Zuſammenhange ber einzelnen 
Theile, Planlofigkeit und allzu großem Haſchen nad) 
Dbfcönität feidend, entfprechen body ihrem Zwede, unter 
dem Scheine, Gelächter erregen zu wollen, bie Gebrechen 
der Staatsverwaltung und ihrer Führer durchzuziehen, 
- ausgezeichnet und fichen an Wig unübertroffen ba.’ 


der von Thales berechneten, 


Fr 
‘ 


Um namentlid den Vorwurf ber Planlofigkeit ausfpre- 
hen zu können, muß Hr. Grüße weder jemals ein 
Stud des Ariftophanes felbft noch die von ihm ange- 
führte Schrift Rötſcher's gelefen haben. Nicht viel 
beſſer if -&,_96 dis ganz uneingeſchraͤnkte Behaup⸗ 


tung, dag Afchines „ein bloßes charakterlofes Werk: 


zeug des Philippos“ gewefen fi. Endlih führe 
ih noh aus $. 98 folgende Worte an: „ Horaz, 
wenn er aud in feinen Epoden und Oben zuweilen 
nad griechifchen Worbildern arbeitete, wird doch im- 
mer, ebenfo wie Homer der größte Epiker, ber größte 
Lyriker aller Zeiten bleiben.” Das heißt doch wahrlich 
einen alten Aberglauben, an dem die Wiſſenſchaft noch 
viel reicher ift ald man gewöhnlich denkt, gedankenlos 
nachſprechen. Und Urtheile wie die vier angeführten ge- 
ben ſchon einen hinreichenden Beweis, daß im höhern 
Sinne literarhiftorifhe Urtheile bei Hrn. Gräße nicht 
gefucht werden dürfen. 

Nah ermähne ih an diefer Stelle einen mehr äufer- 
lichen UÜbelftand: es macht nämlich, einen unangenehmen, 
durchaus unwiſſenſchaftlichen Eindrud, daß alle griechi- 
[hen Wörter ohne Accente gedrudt find; einen Grund ba- 
für kann ich nicht: abfehen. Ebenſo halte idy es auch 
fur einen Ubelftand, daß alle griechifchen Namen in ber 
latinifirten Form angeführt find. | 

ch füge nocd einige Zeilen über ben bibliographi- 
[hen Theil des Werkes Hinzu. Bibliographifche Arbeiten 
haben nur dann wahren Werth, wenn man ſich entwe- 
der auf ihre Vollftändigkeit einigermaßen verlaffen kann 
oder wenn die Auswahl bei denfelben nad, ganı feiten 
und Plaren Prineipien gefchieht. Erſteres natürlich fin- 
det in dem vorliegenden Werke nicht ſtatt; um fo no- 
thiger wäre Legteres, woran es aber durchaus fehle. 
Hr. Gräße bat offenbar abdruden laffen, was er in 
reichhaltigen Sammlungen aufgefpeichert hatte: während 
er bei dem einen Schriftfteller Recenfionen und einzelne 
oft für das Ganze fehr unbedeutende kritiſche Auffäge 
anführt, ift bei andern ungleich wichtigern Schriftftellern 
die Literatur fehr unvollftändig. Ja, gerade Arbeiten von 
literarbiftorifcher Bedeutung fehlen. &o, um nur ein Beifpiel 
anzuführen, find bei dem in der Riteraturgejchichte wahrlich 
nicht hochſtehenden Quintus von Smyrna (S. 238) mehre 
in Zeitfchriften enthaltene kritiſche Auffäge aufgeführt; 
bei Xriftophanes aber (&. 51) fehlen bie Abhandlungen 
von Süvern, mit denen die ganze neuere Auffaffung- der 
attifhen Komödie beginnt, dagegen ift bier die fehr un⸗ 
bedeutende Schrift des Holländer Brill namhaft gemacht. 
Auf fonftige Nachträge einzelner fehlender Schriften 
kann ich nicht eingehen, weil ich eben bie ganze Ver⸗ 
fahrungsweife des Verf. nicht billige; nur baf zu 6. 128 
weder Burmann's noch Meyer’s Yusgabe der Iateini- 
fhen Anthologie erwähnt ift, ſcheint ein wefentlicher 
Mangel. Höoͤchſt unkritifch iſt auch nad) Wachler's Auf- 
fag über 9. 2. Courier der (S. 243, Anm. 8) erneuerte 
Vorwurf über den bekannten Tintenfleck in ber florenti- 
ner Handfchrift des Longos. 

Mag nun aber Hr. Gräfe feine biblingraphifchen 


Ä 


Sammlungen hier auf richtige oder unrichtige wei ans 
gebracht haben, jedenfalls ift bei allen derartigen Anga⸗ 
ben ſtrengſte Genauigkeit die erfte Pflicht. Ich habe nun 
zwar die Anmerkungen keineswegs Wort für Wort ducch- 
gelefen, glaube aber doch im Ganzen bemerkt zu haben, 
daf die nöthige Genauigkeit nicht fehlt; ich würde alfo 
einige fehlerhafte Einzelheiten gar micht erwähren, wenn 
uiht Hr. Gräfe fagte (&. ıx): „reg ber größten Vor⸗ 
ſicht haben fich auch in diefem Bande einige Drudfehler 
eingefhlichen, von denen ich bier bemerke” u. f. w.; es 
folgen num fünf Drudfehler, von denen aber leider der 
vorlegte felbft wieder doppelt druckfehlerhaft (S. 140 
fett 141 und 6. 186 flatt 86) angegeben if. Natür- 
lih wird man durch vorftehende Worte zu dem Glau- 
ben gebracht, daß man nun gar feinen Drudfehler 
mehr in dem Buche finden werde, oder wenigftens kei⸗ 
nen, den man ſich nicht fogleich felbft verbeffern Tonne. 
Hier find einige derfelben, wie fie mir ganz unwillkürlich 
aufgefallen: &. x ift angegeben, daß bie Zahlen ber An- 
mertungen zu 6. 95 unridhtig fliehen, ganz baffelbe fin- 
det unangegeben ftatt bei 6. 20, 159 und in geringerm 
Grade bei 6. 105 und 133. Anderweitige Drudfehler 
find: S. xiii, 3. 11: 20 ftatt 29; S. 51, 3. 1 v. u: 
Y. Schn. flatt D. Shan; &. 125, Anm. 8: Geier's 
Cominent. ift 1844 erfhienen; ©. 211, Anm. 5: der 
Livius von Alſchefski iſt 1841 begonnen; ©. 239, 
Anm. 3: der Nonnos von Paſſow ift in Leipzig erichie- 
nen; ©. 338, 3. 3: Emiſa ſtatt Emefa; ©. 305, Anm. 1: 
der Lucian von Zacobig hat vier Bände. Da es nun 
dech ohne ganz abfonderlichen Zufall nicht wohl denkbar 
ft, dag mir alle derartigen Zehler fo ohne Weiteres in 
die Augen gefallen fein follten, fo müffen allerdings ge- 
gen die volle und unbedingte Genauigkeit des Hrn. Gräfe 
einige Zweifel entſtehen 

Soll ih alles bisher Geſagte kurz zufammenfaflen, 
fo würde fih etwa folgendes Refultat ergeben: Hrn. 
Graͤßes Arbeit ift ein fehr floffreiches, größtentheils mit 
der erfoderlihen Genauigkeit gearbeitetes Buch, dem aber 
freilih @leichartigkeit in der Behandlung fehr fehlt; 
im hohen Grade und mehr als die bisherigen Hülfs⸗ 
mittel wird daffelbe brauchbar fein für Alle, die, ohne 
ein wiffenfchaftliches Studium aus der Literaturgefchichte 
zu machen, über biefen oder jenen Punkt pofitive Noti- 
en fuchen, fobaß es in diefer Beziehung etwa ein fofte- 
matifches Gonverfations - Leriton der Literatur darſtellt; 
nit minder brauchbar und willkommen wirb es aud 
dem Gelehrten, der nichts ohne eigene Prüfung an⸗ 
nimmt, als handliches Repertorium fein, da das größere, 
fonft in demrfelben Geiſte gearbeitere Handbuch beffelben 
Derfaffers durch Preis und Umfang weniger zugänglich 
ft. In diefem inne alfo Laßt fih dem Werke eine 
teht große Berbreitung umb eine baldige Berbefferung 
in neuen Auflagen wünfchen. 

Dagegen muß durchaus Proteſt eingelegt wer⸗ 
den, dag die Wiffenfhaft durch dieſes Werk irgend 
gefördert worden ſei; als bibliographifches Werk kann 
und fol es ja nichts Vollſtändiges fein; eine Literatur 


‚den, und felbft bei diefen wie bei den 


geſchichte aber iſt es in keiner weile: duate iſt weder Die 
Anlage noch das felbftändige freie Urtheil des Verfaſſers 


‚über geiflige Erfcheinungen vorhanden. Dies aber bier 


mit aller Schärfe auszuſprechen, befiimmt mich bie 
ſichtliche und zu große Borliebe, die Hr. Gräfe mehr- 
fach für feine literarifchen Leiftungen an den Tag legt. 
Er konnte ein ausgezeichneter Bibliograph fein und ift 
es auch wirklih in feinen Monographien und in einzel- 
nen Theilen feines Handbuchs; er iſt ein fehr aner⸗ 
fennenswerther Hülfsarbeiter für vie Literaturgefchichte, 
die folches Fleißes und folcher Bücherkenntnig Höchlichft - 
bedarf: aber den Literarhiftoritern unfers Volkes, einem 
F. Schlegel, Wachler, Gervinus bat er fi durch 
feine bisherigen Arbeiten nicht beigefellt. 


W. Aß. Pallow. 


Auguſt Pfitzmayer über das Japaneſiſche. 


Unter den neuern Linguiſten Deutſchlands iſt in den leg» 
ten Jahren der Name Auguſt Pfigmayer’s in Wien vielfach 
genannt worden. Der Umfang feiner Sprachkenntniffe ift wahr: 
baft ftaunenswertd, da mit Ausnahme des Magyarifchen wol 
Peine neuere europäifche Sprache, Feine der widhtigern Spra⸗ 
chen des Altertbums und der Sprachen des Morgenlandes fidh 
findet, deren Pfigmayer nicht mächtig wäre. Er ift der deutfche 
Mezzofanti oder wird ed werden. Das englifche „‚Athenaeum”, 
weldhes einen kurzen Lebendabriß diefes Mannes mittHeilt, fucht 
wie es fcheint die Aufmterffamkeit der Engländer und der eng: - 
liſchen oder oftindifchen Regierung Auf denfelben zu lenken; und 
es koͤnnte leicht gefchehen, daß, wie ber fprachfertige Sügtefi, 
wie andere unferer begabten Landsleute dem Dienfte der Eng: 
länder in Dftafien gewonnen worden find, dies fpäter auch mit 
Hfigmayer der Kal fein wird. Der Bericht im „Athenaeum‘ 
enthält ein in englifcher Sprache abgefaßtes Schreiben Pfitz⸗ 
mayer's, worin derfelbe fi gegen den Berichterftatter über 
feine chinefifchen und japanefifhen Studien ansfpridt. Gr fagt 
darin: „Ich Habe von Yaris ein fehr feltenes chinefifches Werk, 
bekannt unter dem Ramen «Tso Chuen», erhalten, welches 
die Memoiren der vorzüglichften Lehnftaaten Chinas enthält 
mb als ein fehr intereffanter Anhang zu der Gefchichte jenes 
Reihe von 1722 v. Ehr. bis zur Zeit des Kon⸗fu⸗tſe dienen 
kann. Da die öflreichifche Regierung nun Sorge getragen hat, 
einen vollkommenen Sag chinefifcher Typen anzufchaffen, fo laßt 
fich hoffen, daß dies Werk mit einer europäifchen Überfegung 

edrudt wird, was die erfte Veröffentlichung deflelben außer: 
alb China fein würde. &ie find etwas im Irrthum, wenn 
&ie von dem Iapanefifhen und Chineſiſchen als miteinander 
verwandt fpredden. Zwar find viele chinefiſche Wörter in die 
frühere (japanefifde) Sprache aufgenommen worden, aber die 
weit größere Zahl der Worte ift in dem reinen, einheimifchen 
Spiom gefchrieben, das nicht die mindefte Uhnlichkeit mit dem 
Shinefifien hat und auch fein eigenes Alphabet befigt, welches 
aus einer fehr großen beinahe unbefchränkten Anzahl von Zei: 
chen befteht. Bisher konnten blos die in chinefifcher Schrift 
abgefaßten Werke von europaͤiſchen Gelehrten verftanden wer: 
erfegungen der Hollän: 
der Eonnte dies blos durch Bermittelung ber Dolmetſcher zu 
Rangafaki geſchehen. Die gange leichtere Lecture, wie Rovel⸗ 
len, Schaufpiele, Gedichte u. f. w., find den Forſchungen bes 
Gelehrten völlig unzugaͤnglich, und einer der außgezeichnetften, - 
Abel Remufat, gab ſich vergeblihe Mühe, Kenntniß davon zu 
erlangen, indem er e8 für faft unmöglich erklärte, auch nur 
das Alphabet zu bewältigen. Da Japan eine fo hohe Stufe 
der Sivilifation erlangt hat und die Literatur diefes Landes mit 
jeder andern in Fruchtbarkeit und wie ich vermuthete in Ur: 





TR 


foränglichkeit wetteifern Tönnte, fe bebauerte ich fehr, keinen 
nahbaren Bugang irgend einer Art zu ihren S n zu be 
figen ; bei genauem Forſchen fand ich aber bald, daß dies an 
dem gaͤnzlichen Mangel eines Werkeb lag, weiches den Ramen 
eines Boͤrterbuchs diejer Sorache verdient hätte. Ich begann 
deshalb für meinen eigenen Gebrauch ale mir zu Gebote ſee⸗ 
benden urfchriftlichen lexikographiſchen Werke der Japaneſen zu 
ercerpiren, und duch alphabetifche Einreihung der Wörter, die 
fie nah ben Gegenftänden vertbeilt enthielten, gelang es 
mir, ein beinahe vollſtaͤndiges Wörterbuch abzufaffen, mit def 
fen Hülfe ich nun im Stande bin, japanefiiche Buͤcher zu ler 
fen. Obwol bied nody mit einiger Mühe gefchieht, fo hoffe ich 
dach. daß Übung mir bald meine Aufgabe leichter m wird. 
Bad die Schriftzeichen betrifft, fo kann ich fie nicht nur mit 
großer Leichtigkeit lefen, fondern ich babe auch die Druderei 
der Megierung veranlaßt, die Buchflaben des Tirokana⸗Alpha⸗ 
bets, die im allgemeinen Gebraud find, anzufe ,ſodaß 
japaneſiſche Werke jetzt in Wien mit beweglichen Typen ge: 
druckt werden koͤnnen. Eine Probe, aus dem Bruchſtück eines 
japaneſiſchen Romans beſtehend, wird in einigen Wochen die 
Preſſe verlaſſen (das Schreiben datirt noch vom vorigen Jahre), 
und ich koͤnnte num die Veröffentlichung des ganzen Textes 
unternehmen, wenn die Negierung nicht die Koften ſcheute. 
Was mein Worterbuch anlangt, jo brauche ich blos die Er: 
klaͤrungen in irgend eine europaͤiſche Sprache zu a 
(die japanefifchen Autoren geben fie im Ehinefifchen), um ed für 
die Veroͤffentlichung fertig zu halten. Ich bin nod mit Zu: 
fägen — beſonders von Worten, die ih in Schriftſtel⸗ 
lern, welde i 

erfcheinen koͤnne. Bereits enthält ed gegen 40,000 Wörter, eine 
wirklich außerordentliche Zahl, da das japanefifchsenglifche Wör⸗ 
terverzeihniß von Medhurſt zu Batavia 1830 herausgegeben 
nur MN, das von Siebold 1810 in Leyben veröffentlichte, wel» 
ches die Anordnung nad Gegenftänden und die Erklärungen 
zumeift im Chineſiſchen ziemlih nuglos machen, wenig mehr 
als 20,000 Wörter enthalt. Ich beabfihtige das meinige ber: 
auszugeben, fobuld ivgend eine Regierung mir günftige Bebin: 
gungen gewährt.” Der Berichterflatter —* bezeichnend hinzu, 
daß dieſe Einzelheiten ſicherlich die Glieder einer Nation in⸗ 
'tereffiren müffen, deren Banner nun in den chincfiihen Häfen 
flattert, und deren. verkehrliche, wenn nicht erobernde Kußftapfen 
den bisher verfemten Boden des himnilifchen Reichs befährei> 
ten. „Die Nothwendigkeit“, äußert er in diefer Hinficht, „ung 
ſelbſt möglichft unverweilt mit dem Volke, dad zu unterwerfen 
uns beidieden ward, mittels feiner Sprache zu identificiren 
und dieſe Ration der alten Zeit verftehen zu lernen — dieſe 
Rothwendigkeit ift fo oft und gewandt dargethan worden — 
verbum haud amıplius addam. Ich wollte durch die Hervor: 
hebung der außerordentlichen VBerdienfte eines fo wahren Auto: 
didakten wie Dr. Pfigmayer in des morgenländiiden Literatur 
die öffentliche Aufmerkfamkeit nur auf die Nothwendigkeit hin- 
Ienten, in der Zukunft irgendwo einen Lehrftuhl des Ehincii- 
[ben zu errichten, und warum follte in diefen Lagen des Wie: 
derauflebens oder des Zuruͤckblickes auf die «alten Pfade» nicht 
irgend eine Univerfität von der düftern Keopoldftadt in Wien 
eine ſolche Fähigkeit wie Dr. Pfigmayer benfelben auszufüllen her⸗ 
beirufen, wenn geeignete Lehrer im Inlande fehlen?’ 26, 





Bibliugraphie. 
Bade, &., Napoleon im Jahre 1813. Bier Theile. 2te 
Auflage. Altona, Blatt. 1845. Gr. 12, 4 chir. 


Burlersroda, v., Die Sachſen in Rußland. Ein Bei 
trag zur Geſchichte des zuffilhen Feldzugs im Jahre 1812. 
Raumburg, Weber. &r.8. 123 Nur. 

Greuzer, %., Luther (1483—1540) und Grotius (1583 
u. ober Glaube und Wiffenfhaft. Heidelberg, Winter. 
. gr. 


Verantwortlier Herausgeber: Seiurich Wroddans. 


lefe, finde, Damit es fo vollitandig als möglich | 


Gr muß aufs Land. Luflfpiel in 3 Alten. Ireie Bean 
beitung nah Bayard und de Bailly von I. Menbdeläfohn. 
2te Auflage. Hamburg, Berenbfohn. 12. 7%, War. 

Die Generale der Republik und des Kaiſerreichs. Ifte Lie 
ferung. einzig, Lord. Gr. Ber. IB Ber. 

rifer Haamlichkeite, eder: Der Sachichäufer in Paris. 
Bun Ya'm der fchun lang ſchwarz id. Ifte Auswahl Hanau, 
Edler. 8. 5 Kat. 

Hans Sachs, Vie wittendergifh Nachtigall, die man 

jegt höret vberall, fanıt der Klagre a de Ir Dr. Matt. 
geſtellt durch Dtm. F. H. 
Schonhuth. Stuttgart. Gr. 16.4 Nor. 

Nitter Iaroslam und der ſchwarze Räuber. Nitter: und 
Räubergefihichte vom Berfafler des Raͤchers der heit. Vehme. 
Leipzig, Literariſches Mufeum. 12. 15 Kor. 

Klunzinger, K., Geſchichte der Dtadt Laufen am Redar 
mit ihren ehemaligen Amtsorten Genwigheim und Ilsfeld. 
Stuttgart, Sof. 8. 12 RNgr. 

öfter, H., Die poetilche Literatur der Deutfchen, von 
ihrem Beginn bis auf die Gegenwart, in ausgewählten Bei: 
fpielen chronologifeh geordnet für höhere Schulen und zum 
Selbſtgebrauch. Gießen, Geyer. 4. 1 Uhle. 25 Rer. 

Krakau, die Stadt, ihre nächste und entferntere Um- 
gegend. Ein Geleitbuch für Einheimische und Freaide. 

racau, Wildt. 16. 1U Neger. 

Lappenberg, J. M., Die Miniaturen zu dem Ham- 
burgischen Stadtrechte vom J. 1497. Hamburg, Meisener. 
18345. 4. 2 Thlr. 15 Neger. 

Lübben, A., Das Plattdeutsche in seiner jetzigen Stel- 
lung zum Hochdeutschen. Oldenburg, Schulze. Gr 8, 
71, Ngr. 

Steffens’, H., nachgelaſſene Schriften. Mit einem Bor: 
worte von Schelling. Berlin, Schroeder. 9. 1 hir. 

Wehl, F., Das Buch Berlin. . Ifte und ?te Lieferung. 
Berlin, Wolff. 15. 5 Nor. 


"Zagedliteratur. 


Arnold Struttban von Winkelried und Bruder Klaus von 
Flüe vor der Tagſatzung in Züri im Zahr 1845. Eine eib: 
genöffifche Bettagspredigt von einem Fatholifchen Geiſtlichen des 
Kanton St. : Gallen. &t.: Gallen, Scheitlin und Zollikofer. 
Sr. 8. 3 Rgr. . 

Hagen, ©. 2, Einige Beine Gaben in dieſer Zeit der 
religiöfen und Pirchlichen Wirrniffe auf dem Altare Der prote: 
ftantifchen Kirche niedergelegt und dem deutfchen Volke zur Be: 
herzigung dargeboten. Eifenberg, Schöne. N. 6 Rar. 

— — Zwei Borträge, den Landfländifchen Blättern Ute: 
piend entnommen und bei ben jegigen religiöfen Bewegungen 
dem gefunden Geifte Ded beutfchen Volkes zur Beachtung und 
zum Berftändniß übergeben. Eifenberg, Schöne. 3. 6 Nor. 

Erfted und zweites &Sendfchreiben der großen Mehrzahl 
der Mitglieder der Breslauer Ifraelitengemeinde an Hrn. Rab: 
ner Dr. Geiger. 2er Abdrud. Breslau, Aderholz. Gr. 8. 

dr. 

Sendfipreiben der großen Mehrzahl der Mitglieder der 
Breslauer Ifraelitengemeinde an fi ſelbſt. Bredlau, Aber: 
holz. Gr. 8. 1 Nor. 

Drei Gendfihreiben des heil. apoſtoliſchen Seuhles an den 
verftorbenen Biſchof von Mottenburg, Ich. Bapt. v. Keller. 
(Driginal fammt deutfcher Überfegung.) . Als Ginleitung "ein 
* an bie Katholiken in Württemberg. St.-Gallen. Gr. 8. 

2 or. 

Stupp, H. J., Sendfchreiben an den Pfarrer Hrn. Nel⸗ 
leſſen in Aachen; und Kloth contra Kleth in Baden des Her: 
meflaniömus. Köln. Zenafell. Gr. 8. 3 Rear. 

Über Bildung von Vereinen, jut Abhülfe des Mangels an 
Saat: und Brotgetreide. Nebft einem Vorworte von @. Pelz. 
Breslau, Berlagd:Comptoir. KR. 8. 5 Nor. 


— Drud und Verlag von F. EC. Brockhaus in Relpzig. 


Blätter 


für 


literarifbhe Unterhaltung. 





7. Zuli 1846. 





Über das Komiſche. 


Über das Komifche und die Komödie. Ein Beitrag zur Philofo: 
phie des Schönen von Auguft Wilhelm Bohg. Göttingen, 


Vandenhoeck und Ruprecht. 1844. Gr. 8. 1 Ahle. 5 Nur. 
Jean Paul fagt, das Komifche oder Lächerliche habe 
von jeher nicht in die Definitionen der Philofophen hin- 
eingehen wollen, ausgenommen unwillfürlich, und in ber 
That ift es eine Materie wie Quedfilber, ſodaß man es 
keinen Augenbli auf einen Haufen fammeln und noch 
weniger in beftimmte Grenzen bringen kann; denn es 
findet auch die feinften offenen Stellen und entwifcht Ei- 
nem nie nur unter den Händen, fondern fogar in den 
Händen, und fhrumpft, je nachdem es fi in kälterer 
oder wärmerer Atmofphäre befindet, wie ein Fuß im 
Binter ebenfo Teiche zufammen als es wie ein Fuß im 
Sommer ſich ausdehnt und anſchwillt, ſodaß ihm der 
Definitionsfhub bald zu weit figt und bald zu enge. 
Irogdem haben die Definitionsfchufter ſich alle mögliche 
Mühe gegeben, den rechten Leiften zu finden, bis jept 
aber kaum mehr damit geleiftet ald wieder etwas Lächer- 
liches — für jeden neuen Schufter nämlid. Es mwürbe 
und daher faft wundern, daß immer wieder neue Ver⸗ 
ſuche gemacht werden, das nedifche, poflirliche Spigmäus: 
hen in bie Kalle zu loden, wenn nicht überall gerade 
in der Schwierigkeit der größte Neiz läge und Jeder zu 
ſich das — Andern freilich wiederum . leicht komiſch er- 
fheinende — Vertrauen hegte: er wiffe die Sache fchlauer 
anıufangen als alle Morgänger und werde fich endlich 
als privilegieter KRammerjäger und echter Rattenfänger 
von Hameln den ridiculus mus, an dem ſchon manche 
Berge in Geburtswehen gelegen, auf ewig aum Gefan- 
genen und Leibeigenen machen. Ref. weiß dies kitzelnde 
Schhfivertrauen um fo mehr zu würdigen, als er es ſelbſt 
längere Zeit hindurch zu ſich gehege hat und noch jept 
ätel genug ift, fich auf feine Mauſefalle mehr zugute 
zu tun als auf die irgend eines Andern. Er tadelt 
daher Keinen, welcher ebenfo denkt wie er; ja er be- 
grüßt eine Schrift wie die vorliegende jedesmal mit 
ebenfo viel Freude als Neugier, weil es ihn reizt zu 
fehen, mit welchen Kunftgriffen und Wendungen fich auch 
Andere auf der fehlüpferigen Bahn fortgehelfen haben. 
Nebenbuhler üben in der Regel eine feharfe Kritik 
gegeneinander, und auch Ref. wird größtentheils polemi- 


firend gegen ben Verf. auftreten; dennoch fühlt er fi 
verpflichtet, von vornherein auszufprechen: bag er, ob⸗ 
fhon er nicht nur in vielem Einzelnen, fondern auch in 
der Gonftruction des Ganzen mefentlih vom Verf. ab⸗ 
weicht, das Werk nichtödeftoweniger mit Genuß und An- 
ertennung gelefen hat, und daß er es ſowol von Seiten 
ber gewonnenen Refultate als von Seiten feiner popu⸗ 
lair-wiffenfchaftliden Darftellung, die von einer Über 
windung ber eigentlihen Schulphilofophie Zeugniß gibt, 
Angelegentlih empfehlen fann. 

Das Werk zerfällt der Sache gemäß in drei Haupte 
theile, von denen der erfte die Idee des Schönen, der 
zweite das Komifche, der dritte die Komödie behan⸗ 
belt. Der erfte Theil, obwol der kürzeſte und eigent- 
ih nur Einleitung zu den beiden folgenden, ift doch in⸗ 
fofern der wichtigfie, als wir darin mit der äfthetifchen 
Grundidee, von welcher der Verf. ausgeht, und mit dem ' 
dialektifhen Gefege, nach welchem er jene Grundidee zu 
verſchiedenen Momenten und Gegenfägen auseinander 
gehen läßt, befannt gemacht werden. In beiden Be 
ziehbungen fällt der Entmwidelungsgang des Verf. der 
Hauptfache nach mit den Refultaten der neueften Philo- 
fophie und zwar am meiften mit der Darftellung 8. Th. 
Viſcher's zufammen, wie fie derfelbe in feiner Abhand⸗ 
lung „Uber das, Erhabene und Komiſche“ niedergelegt 
hat. Er beftimmt nämlich das Schöne als „die erſchei⸗ 
nende Idee“ oder als die unmittelbar wie mit einem. 
Schlage dem Anblidenden entgegentretende Einheit des 
Begriffs und der Erfcheinung, des Inhalte und ber 
Form, des Innern und des Außern; die befondern Mo 
mente bed Schönen aber leitet er ähnlich wie Viſcher 
aus dem Einfluß negativer Momente her, welche die 
dem Schönen zum Grunde liegende Darmonie zu ver⸗ 
nichten drohen und erſt durch die geiftige Macht der 
Idee überwunden werden müffen, wenn jene Einheit von 
Begriff und Erfcheinung, Inhalt und Form u. f. w. zur 
Eriftenz gelangen fol. Demgemäß unterfcheidet er brei 
befondere Phafen des Schönen: I) das Schöne im 
engern Sinne, d. i. Dasjenige, in weldhem von ei⸗ 
ner Einwirkung negativer Momente gar feine Spur vor- 
handen ift, in welchem fein Kampf bee Zorm mit dem 
Stoffe, der Idee mit dem Ausdrude ſtattfindet und wel⸗ 
ches alfo.die Grundbedingung des Schoͤnen am einfach⸗ 


WM. 


fien und unmittelbarften erfüllt; 2) das Erhabene, 
d. 1. dasjenige Schöne, in welchem die Idee als ſolche 
mit überwiegender Gewalt zur Eriftenz gelangen will, 


dadurch über die Erfcheinung hinausgeht und die Har⸗ 


monie zwiſchen dem idealen und finnlichen Princip des 
Schönen dergeftalt aufhebt, daß fie erfi nad einem 
Kampfe, in welhem bie Idee als Siegerin jenes Mis- 
verhältnig überwindet, wieberhergeftellt erfcheint; 3) das 
Komifche, d. i. dasjenige Schöne, in welchem umge. 
kehrt die Erſcheinung als ſolche, d. h. als gemeine Wirk. 
lichkeit ſich geltend zu machen ſucht, dadurch mit ber 
ee in Widerfprud geräth und gleichfalle die dem 
Schönen nothwendige Harmonie vernichtet, aber durch 
die Kraft der Idee ebenfalls überwunden und zum Aus- 
drud des Idealen zurüdgeführt wird. | 
Ich kann mich mit diefer Deduction aus verſchiede⸗ 
nen Gründen nit ganz befreunden. Zunaͤchſt fcheint 
mir die Begriffsbeflimmung des Schönen felbft einer- 
feitö zu weit, andererfeit® zu eng zu fein. Zu weit 
fcheint fie mir, weil die unmittelbar in die Augen fal- 
Iende Einheit von Begriff und Erfheinung auch an 
offenbar nicht- fchönen und haͤßlichen Gegenſtänden ftatt- 
finden kann, was auch immer der Verf. unter „Begriff“ 
verfiehen möge. Faßt er nämlich Begriff als das notre 
male Urbilb, das jedem einzelnen Objecte zum Grunde 
liegt, fo leuchtet ein, daß 3. B. eine Spinne fchön fein 
muß, wenn fie nur dem Bilde, das wir von einer Spinne 
in uns tragen, entfpricht. Das haben nun freilih man⸗ 
che Afthetiker ihrer Definition zu Gunſten wirklich be⸗ 
auptet; aber trogdem wird felbft die begriffmäßigfi ge- 
ute Spinne noch immer auf Neumundneunzig unter Hun- 
bert nur Ekel und Abſcheu erweden. Wenn aber etwa der 
Derf. unter Begriff nicht das Urbild irgend einer befondern 
Erſcheinung, fondern das ganz allgemeine Sein, die Ab⸗ 
ftraction jeder Befonberheit verftehen follte: dann müßte 
fogar eine Erſcheinung fehon dann fchon genannt wer- 
ben, fobald fie nur den unmittelbaren Eindrud machte 
daß fie überhaupt fei; das thun aber fo. ziemlich alle, 
Erſcheinungen, gleichviel ob ſchoͤn oder nicht- fhon, — 
woraus folgt, daß die Definition auf jeden Fall zu weit 
gefaßt if. Zu eng aber fcheint fie mir andererfeite, weil 
ich nicht einfehe wie das Schöne nady diefer Beftimmung 
auch das Erhabene und Komifche umfaffen fann. Denn, 
wenn einmal für das Schöne die „unmittelbar” und 
„wie mit einem Schlage” dem Anblidenden entgegen- 
tretende Einheit von Begriff und Erfcheinung nothwen⸗ 
dig ift, dann kann diejenige Sinheit, die erft als Er⸗ 
gebniß, als vermitteltes Reſultat eined Kampfes bezeich- 
net wird, unmöglich auch als zureichende Bedingung für 
das Schöne gefaßt werden; und das Ethabene und Ko⸗ 
mifche, infofern es nicht unmittelbar jene Einheit zur 
Evidenz bringt, liegt alfo nicht innerhalb, fondern au- 
ßerhalb der Sphäre des Schönen. Zwar wird der Verf. 
feine Debuction als ein fogenanntes dialedtifches Um⸗ 
ſchlagen zum GBegenfage bezeichnen; allein, darin täufcht 
er fih. Der dialektiſche Fortſchritt fchreitet allerdings 
vom Gag zum Gegenfag fort, aber fo, daß ber Begen- 


fag aus dem Gage felbft entwidelt wird und ohne baf 
babei der Gag in feinem Umfange vorerft oder irgend- 
wie verändert werben darf. 

Serner habe ich an der Deduction des Verf. auszu- 
fegen, daß der Begriffskreis des Schönen dadurch eine 
unverhältnigmäßige Gliederung erhält. Der Verf. felbft 
wird zugeben, dag das „Erhabene“ dem „Schönen im 
engern Sinne” weit näher verwandt ift als das „Komi- 
fhe”. Während im Erhabenen das Gleihgewicht zwi- 
ſchen Begriff und Erfcheinung zu Gunften des Begriffs 
oft kaum geftört erfcheint — infofern nämlich die Erſchei⸗ 
nung felbft, über welche die Idee hinausgeht, niemals 
eine geringfügige fein darf, fonbern durch ihre eigene 
Größe zur transfcendenten Idee übertreten muß —, ftellt 
fi) dagegen im Komiſchen das Gleichgewicht vollig ver- 
nichtet dar, infofern bier der Begriff neben der Erſchei⸗ 
nung gänzlich zu verfchwinden fcheint und mit ihr in ei— 
nen Gontraft tritt, der fich gleich ſtark nur in einer 
Modification des Erhabenen findet, nämlihd im Tragi- 
hen. Wie es uns fcheint, hat ſich hier der Verf. wie 
ſchon Viſcher duch den Umftand verführen laffen, daß 
das Komifche und Erhabene im Kreife des Schönen al- 
lerdinge die diametralen Gegenfäge find, d. h. am wei- 
teften voneinander abliegen, fich gegenfeitig ausſchließen 
und eben deshalb in jenem complementairen Werhältniffe 
der gegenfeitigen Foderungen zueinander flehen, welches 
in den beiden Redensarten „Les extremes se touchent“ 
und „Du sublime au ridicule il n’y a qu’un pas” treffend 
angedeutet iſt. Aber gerade als diametrale Gegenfäpe 
waren fie bei einer Zrichotomie, bie der Verf. angewen« 
det hat, nicht zu gebrauchen. Der Diameter theilt den 
Kreis nothwendig in zwei Hälften: was bleibt alfo für 
den dritten Xheil, bier namentlich für das „Schöne im 
engern Sinne”, übrig? Bei der Trichotomie ift die erfte 
und wefentlichfte Bedingung, daß die brei Seiten, die 
zufammen ein Ganzes bilden follen, eine völlig gleiche 
Neigung zueinander haben und daß fich beliebig je zwei von 
derfelben zufammenfaflen und gemeinfcyaftlich der dritten 
gegenüber al6 Gegenfag faffen laffen, ganz wie in einem 
gleichfeitigen Dreied. Wie in der Regel bat auch Hier 
der vulgait gewordene Sprachgebraud das Richtige ge- 
troffen und dem Komifchen nicht das Erhabene, fondern 
das Tragifche zur Seite und Beides, das Komiſche und 
Tragifche, zufammengenommen dem Rein-Schönen ge- 
genübergeftellt. 

Um mic) wegen diefer meiner Ausftellungen mit dem 
Verf. fo klar als möglich zu verftändigen, will ich ver- 
ſuchen, in aller Kürze bier einen Grundriß meines eige- 
nen Sdeengange zu geben. Auch ich bin von ber Idee 
ausgegangen, Habe fie aber nicht blos von ihrer forma- 
len Seite als Einheit von Begriff und Erſcheinung ge- 
faßt, fondern ale Allheit oder Vollkommenheit, d. h. als 
die abfolute Indifferenz von Einheit und Unendlichkeit. 
Die Allheit oder Vollkommenheit fommt als folde zwar 
nur dem MU oder dem Abfoluten zu; bie Idee der Alt. 
heit aber koͤnnen auch die einzelnen Emanationen des 
AUS erweden, und zwar möglicherweife nur in folgenden 


751 


drei Relationen: 1) in Beziehung auf fi ſelbſt, d. h. 
. von Beite ihres Seins oder Begriffe; 2) in Beziehung 
auf dad Andere als das mit ihnen in Correlation Ste⸗ 
bende, d. h. von Seite ihres Daſeins oder ihrer Er- 
ſcheinung; 3) in Beziehung auf das Abfolute als das 
fie Mitumfaffende, d. b. von Seiten ihres Werdens nnd 
Wollens. Je nachdem nun ein einzelnes Object, ent- 
weder nach der erfien Beziehung rein objectiv FC 
d. b. erfannt, oder nach ber zweiten fubjectio aufgefaßt, 
d. h. empfunden, oder nad ber dritten abfolut aufge- 
faßt, d. h. begehrt, die Idee der Vollkommenheit erweckt, 
nennen wir es wahr, ſchoͤn oder gut. Schön iſt dem⸗ 
nad) dasjenige Object, welches als Erfcheinung, d. h. in 
Correlativn mit einem die Erſcheinung empfindenden An- 
dern (Subjecte) die Idee der Vollkommenheit ober Alheit, 
d. i. der Indifferenz - Einheit und Unendlichkeit erwedt. 
Da bier der Naum nicht ift, diefe Beſtimmung nad 
allen Seiten hin zu beleuchten, fo gehe id unmittelbar 
zur Deduction ber befondern Modificationen über. Diefe 
ergeben fih ganz nach benfelben Melationen wie das 
Bahre, Schöne und Gute. Eine Erfcheinung kann näm- 
lich die Idee der Allheit oder Vollkommenheit ermeden 
I) im Beziehung auf fich felbft gedacht, d. h. durch Das, 
was fie ale Erfcheinung ift; 2) in Beziehung auf das 
empfindende Subject betrachtet, d. b. durch Das, was 
fie als Erſcheinung erſcheint; 3) in Beziehung auf das 
Abfolute gefaßt, d. b. duch Das, was fie ald Erſchei⸗ 
nung wird. Im erftien Kalle kommt die Idee der Boll» 
fommenbeit am erfcheinenden Objecte felbft zur Mani- 
feftation; im zweiten Falle dagegen geht fie vom Objecte 
ganz und gar in das empfindende Subject über; und 
im dritten Galle endlich erhebt fie fi vom Objecte und 
Subjecte zum Abfoluten. So erhalten wir als die drei 
Modifcationen des Schönen: 1) das Rein-Schöng, d. i. 
dasjenige Schöne, welches die Idee der objectiven Doll. 
fommenheit erwedt ; 2) das Komiſche, d. i. dasjenige 
Schöne, welches die Idee der fubjectiven Vollkommenheit 
erweckt, und 3) das Tragiſche, d. i. dasjenige Schoͤne, 
welches bie Idee der abfoluten Vollkommenheit erwedt. 
Fragt der Verf., welche Stellung nad) diefer Glie⸗ 
derung das Erhabene erhält, jo muß ich ihm antworten, 
daß ich es nur als Zwifchenmodification des Rein« Scho- 
sen und Tragifchen betrachten kann, wie es gleiche Nu: 
ancen zwifchen dem Rein - Schönen und dem Komiſchen, 
fowie zwifchen dem Komifhen und dem Tragiſchen gibt. 
Jede der drei Hauptmodificationen nämlich, indem fie ſich 
abermals nach den oben genannten drei Relationen glie- 
dert, breitet fih nach beiden Seiten bin fo weit ale 
möglich aus: nämlich das Nein «Schöne einerfeitd nach 
dem Komifchen, anbererfeitd nad bem Tragiſchen; das 
Kewmiſche nach dem Rein-Schönen und bem Tragiſchen; und 
das Tragifche nach dem Rein-Schönen und dem Komtfchen 
bin, — bis fie in einem Punkte zufammentreffen, wo fie 
fih gegenfeitig vereinigen und indifferenziren. So ent 
fiehen drei Zwoifchenmobificationen: 1) das Erhabene, 
zwiſchen dem Rein-Schönen und dem Tragiſchen; 2) das 
Reizende, zwiſchen dem Rein Schönen und dem Komiſchen; 


und 3) das Humorififche, zwiſchen dem Komiſchen und 
dem Tragifchen, — durch welche ber Kreis bes Schönen. 
folgende ſymmetriſche Gliederung erhäft: 

| Rein⸗Schön 
Reizend 


In dieſem Kreiſe treten zugleich die diametralen Ge⸗ 
genfäge Par hervor. Das Erhabene bildet als ſolches 
den Gegenfag zum Komifchen: denn es verfchwindet hei 
ihm die Idee her fubjectiven Vollkommenheit gänzlich in 
den Ideen der obfectiven und der abfoluten Vollkommenheit; 
während umgefehet beim Komifchen die Ideen der objec« - 
tiven und der abfoluten Vollkommenheit ganz und gar in 
ber Idee der fubjectiven Vollkommenheit aufgehen. Das 
Reizende bildet als ſolches den Gegenfag zum Tragi⸗ 
hen: denn bei ihm geht die dee der abfoluten Voll⸗ 
fommenbeit ganz und gar in den Ideen der objectiven und 
der fubjectiven Vollkommenheit unter; während umgekehrt 
beim Zragifchen die Ideen ber objectiven und der fubjectiven 
Bolltommenheit gänzli in der Idee der abfoluten Voll⸗ 
tommenheit verfhwinden. Das Humoriftifche endlich bil- 
det als folches den Gegenfag zum Rein» Schönen: denn 
bei ihm verliert fich die Idee der objectiven Vollkommen⸗ 
heit ganz und gar in den Ideen der fubjectiven und der ab- 
joluten Vollkommenheit; während umgefehrt beim Rein- 
Schönen die Ideen ber fubjectiven und der abfoluten Voll⸗ 
fommenheit völlig in der bee der. objectiven Vollkom⸗ 
menheit aufgehen. Die nähere Erörterung muß ich na- 
türlih hier ſchuldig bleiben ; indeß hoffe ich, daß dem 
Verf. wenigftens die Grundzüge meines Syſtems Bar 
geworden find; und es würde mir lieb fein, wenn er 
mir ale Ermiderung feine Bedenken dagegen mittheilen 
wollte, da man felten ein unbefangener Opponent feiner 
ſelbſt if. 

Im zweiten Theile behandelt der Verf. das Komi⸗ 
he insbefondere, und zwar zunächſt den Begriff des 
Komifchen. Er unterfcheidet in demfelben wiederum drei 
Mobificationen: 1) das Häflihe, d. i. die gemeine 


| Wirklichkeit, infofern fich diefelbe gegen die Idee auf: 


lehnt; 2) das Kächerliche, d. i. dasjenige Häßliche, wel⸗ 
ches durch feine Unfhäbdlichkeit dem Subjecte zu einem 
beitern Spiel mit den fihtbar gewordenen Gontraften 
Anlaß gibt; 3) das Komifche, d. i. dasjenige Kächerliche, 
welches ſich trog feiner Widerſinnigkeit als in der innig- 
ften Berührung mit der Idee barftellt. 

Die Befprehung und Entwidelung biefer Begriffe 
ift fehr ausführlich und alffeitig, ſodaß nicht Leicht irgend 
ein hierher fallender Punkt unbefprochen bleibt. Trotz⸗ 
dem kann ich mich auch hier mit dem Sdeengange und 
den Beilimmungen des Verf. nicht einverftanden erklaͤ⸗ 
ren. Zunähft muß ich zwar anerkennen, daß das Häß- 
liche bei einer Darftellung des Komifchen ale Ausgangs- 
punkt benugt werben kann; aber es bei einer philofophi- 
(hen Entwidelung gerabezu als erfte Phafe und Mo- 
dification berzuftellen, fiheint mir nicht räthlih. Denn 
einerfeits kann es mit demielben Rechte auch als erfie 


752. 


Stufe des Tragiſchen betrachtet werben, ja bie Darſtel⸗ 


lung des Verf. felbft behandelt gerade vorzugsmeife bie 


düftern Seiten deſſelben, nämlich das Häfliche und das Rä- 
cherliche, als Dämonifches und Gefpenfterhaftes, und erkennt 
neben denfelben nur die dritte, nämlich die Caricatur, als 
dem komiſchen Gebiete zugehörig an. Andererſeits wurzelt 
nicht alles Komifche im Häßlichen oder in ber gemeinen 
Wirklichkeit, was der Verf. infofern felbft zugibt, als er 
erflärt: keineswegs jedoch fei das unfchädlich gewordene 
Häfliche als ſolches nothwendig aud das Laͤcherliche, 
fondern zur Grzeugung des Lächerlihen fei die innere 
ideale Thätigkeit des Subjects ein weſentliches Erfoder⸗ 
niß. Was heißt das, bei Licht befehen, anders ale: Das 


Häßliche kann zwar das Lächerliche werden, aber wirt. 


ih und nothwendig entſteht das Laͤcherliche nur durch 
die Correlation eines angefchauten Gontraftes mit dem 
empfindenden Subjecte. So kommt alfo der Verf. ge 
legentlich auch auf diefelde Beftimmung, welche dev Ref. 
an die Spise der Unterfuchung geftellt und als den ei- 
gentlichen Kern und Keim des Komifchen betrachtet wif- 


fen will. 
(Der Beſchluß folgt.) 


— — 





Werdomar und Wladislav aus der Wüfte Romantik. 
Bon Ferdinand Gregoronius Zwei heile. 
Königsberg, Univerfitäts Buchhandlung. 1845. 8. 
3 Thlr. 15 Near. 


Der Berf., von dem Mef. zum erften Wale etwas Lieft, 
ift offenbar nicht ohne Talent. Seine Schilderungen ‚von Er: 
eigniffen, von Debatten find lebhaft, feine Darftelung von 
Gemüthäzuftänden ift lichtvoll; er fehreibt einen wigigen Dia: 
log, der mit Hindeutungen auf moderne Buftäande und Ereig: 
nie geſchickt durchwebt iſt. Der Berf. gehört der Gegenwart, 
ihren Tendenzen, ihren Hoffnungen und Schmerzen wie ein 
Lebendiger an; er felbft gibt darüber folgende Andeutungen, 
wenn er fagt: „Laßt euch erfaffen, ihr Helden, ihr Niefen: 
geftalten der modernen Zeit, die ihr mit ſtolzem Löwengange 
den Erdkreis umfchreitet, gewaltig an meine ſehnende Bruft 
will ich euch ziehen und dann mich trunken hinſetzen und ru- 
fen: «D ihr Götter, ich habe den Herzſchlag eines Helden 
gefühlt.» Und der Romanſchreiber breitet die Arme weit in 
die Welt aus und tappt nah Helden. Gelige Zeiten, da noch 
die Romantik ihr goldgeſticktes Panier über den Voͤlkern ſchwang, 
die im Zauberwald einer poetifchen Gefchichte fpielten und —8 
ten, fangen und buhlten, beteten und fluchten, da der Dichter 
feinen Schritt weit that, ohne auf einen Heften und Lindwurm 

u floßen. Verwittert und verbleicyt ift das Panier, in den 

iden Kammern der Schlegel und Tieck haufen die Sagen, ab: 
ftract find die Hercen geworden und der Lindwurm wuͤhlt als 
Skepfiß im Schiamme der Zeit. Durch die Wüfte des Jahr: 
hunderts zieht Die Menfchheit mit mattem Herzen und dumpfem 
Sinne und öden Seelen, und vor ihr ber die Feucrfäule der 
Idee, eingehüllt in dicke Rauchwolken. Unter dem Treß des 
ziebenden Schwarmes find wunderbare Geſtalten; Menfchen 
mit bleichen Gefichtern, mit fill glübenden Augen ſchleichen 
vorüber, lärmende Narren an ihrer Seite, Dumme Teufel, — 
doch wir fuchen Helden in diefem Gewühl; — vielleicht ſchwankt 
"Einer tragifh Hin mit Zügen, die einem Helden äbneln, nur 
ähneln, die vieleicht wertb wären, in Epos eines andern Jahr: 
hunderts zu leuchten; vielleicht ſchwankt Der hin und ſucht ober: 
wärts ein unbelanntes Plägchen für den Tod. Das Epos ohne 


Verantwortlicher Heraubgeber: Geinrich Brokpans. — Drud und Berlag von Y, WE. Drockhans in Leipzig. 


That ift unfere Beil. In ihrem GBemüthe wallt ed und wogt 
e6, da raufcht das Panier der Romantik, da klingt die Lyriß, 
die will fih zum Drama fügen und kann es nit. Im Ge: 


"müthe der Bett liegt die Romantik, die Bein Ende findet, die 


auch chne Ritterthum und Jungfrau Maria beficht. Wann 
wird die Epoche kommen, da der Weltgeift zu den drei Idea⸗ 
len das vierte findet? Noch liegt ed auf den Knien der @öt- 
ter, vielleicht wird es mit Feuer oder mit Blut gefäugt. Wir 
lachen und weinen; bald kommt Lie Komik und fchläfert uns 
ein mit Getändel, bald fommt das Trauerſpiel und weckt uns 
mit der gewichtigen Sprache des Pathos; doch unfere Stim⸗ 
mung ift nicht Einheit und unfere Melodie eine vieltönige, ver: 
— Concertmuſik, und was Freiheit heißt iſt bei uns nur 
oeſie. 

Ref. muß noch hinzufügen: daß er an dem Verf. das Ta⸗ 
lent, verſchiedene Stilarten zu copiren, glaubt wahrgenommen 
zu haben; das laͤßt ſich namentlich für komiſche und ſatiriſche 
Romane mit Vortheil ausbeuten. 25. 


Literariſche Notizen aus England. 


Die Zuaven in Algerien. 

Der engliihe Capitain I. Clark Kennedy ſchildert in fei- 
nem jüngft erfchienenen Reifewerf „Algeria and Tunis’ (1545, 
2 Bbe.) die unter dem Namen Zuaven, wohlbefannte leichte 
Reitertruppe folgendermaßen: „Die Zuaven follten der Abficht 
des Marſchalls Slaufel gemäß, welcher dieſes Corps 1830 bil: 
dete, dieſelben Dienfte den Franzoſen in Afrika thun, welchen 
den Engländern die Sepoys in Dftindien leiften; in Folge 
deſſen beftanden fie zuerft beinahe ganz aus Cingeborenen, und 
felbft ihr Rame war einem Priegerifchen Stamme in der Nähe 
von Konftantine entlehnt. Bald darauf jedoch ermimterte man 
das Eintreten von Franzofen in dieſe Zruppe, und gegenwärtig 
befinden fi) nur noch fehr wenig Eingeborene in-ihren Reihen ; 
auch vermindert fi der Letztern Anzahl von Jahr zu Jahr. 
Die Uniform des Corps ift außerft maleriſch: fehr weite Ho— 
fen aus rothem Tuch, die unterm Knie zufammengebunden 
find; ſtarke lederne den Fuß bis zum Knie dediende Beinkama⸗ 
ſchen, Die auf der ganzen Länge an der äußern Seite mit ge: 
ſticktem Saum verfehen find; Schuhe und weiße Kamaſchen bar» 
über; die ade ift von blauem Tuch, roth vorgeftoßen, und 
auf beiden Seiten der Bruft eine Arabesfe gleichfalls von ro: 
them Tuch geſtickt; das Bruftfieid ift von gleichem Stoffe und hat 
vorn Feine Offnung, fondern ed wird entweder über den Kopf an: 
gezogen oder an der Seite zugelndpft; Jade und Wefte find tief 
ausgefchnitten, ohne Koller, fodaß der Hals völlig bloß bleibt; 
eine blaue Schärpe wird mehrmald um den Leib geſchlungen; 
die Kepfbedeckung beſteht in einer karmoiſinen Kappe mit gol⸗ 
bene Quafte; ein barumgefchlungenes Seidentuch macht fie zum 

urban.’ 


Schlimme WReinung der Engländer von deutſchen 
Geſchichtſchreibern. 

Das „Athenaeum’ äußert bei Beurtheilung einer eng⸗ 
liſchen Uberſetzung von Schloſſer's „Geſchichte Ne 18. Sabe- 
hunderts“ unter Anderm: Scloffers Sympathien feien mit 
dem Volle, nicht mit den Herrſchern; Die Unerſchrocken⸗ 
heit, womit cr feine Gedanken über die Niederträchtigkeit 
und Verworfenheit an hohen Plägen ausfpreche, erſcheine be 
fonder6 merkwürdig an einem Deutfchen, „Deflen Lands» 
leute im Allgemeinen ſchreiben als wäre die Welt für den 
Kaifer geſchaffen“. Glüdlicherweife werden die Ausnahmen von 
diefer Regel von Jahr zu Jahr häufiger, und fo koͤnnen wir 
vielleicht auch noch die Zeit erleben, wo der chineſengleichen 
Hofhiſtoriographie ſich jeder Mann von Geiſt und Wiſſen ſchä⸗ 
men wird. 12 


—4 








Blätter 
für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch, — Nr. 189, —. 8. Juli 1846. 








Über das Komifde. 
(Belhlus aud Nr. 188.) 


Zerner kann ich mich nicht mit der Art und Weiſe 
befreunden, wie die Begriffe des Lächerlihen und Komi- 
fhen voneinander gefchieden werden. Es ift zwar rich— 
tig, da wir unter dem Komifchen etwas Hoͤheres ver- 
fiehen, aber ed geradezu ale eine höhere Mobdification des 
Begriffs ſelbſt auffaffen dürfen wir darum noch nicht. 
Das höhere Element, welches das Komifche vor dem 
Lächerlichen voraus hat, liegt nur in der Genefis deſſel⸗ 
ben, und der ganze Unterfchied befteht darin, dag das 
Laͤcherliche nur Product des Zufalls, das Komifche da- 
gegen das durch die Kunft erzeugte Lächerliche ift, fo- 
daß fie alfo im Befondern ganz daffelbe Verhältniß zu- 
einander haben wie das Naturfchöne und das Kunftfchöne 
im Allgemeinen. So wenig nun dad Naturfchöne und das 
Aunftfhöne als eigentliche Mobdificationen des äfthetifchen 
Begriffs gefaßt werden fönnen, ebenfo wenig ift dies in 
Betreff des Kächerlichen und Komifchen erlaubt. Die Be: 
dingungen, unter denen das Lächerliche wie das Komifche 
zu Stande fommt, und der Effect, den das Eine wie 
das Andere ausübt, find an und für fih ganz gleich, 
nur daß im Komifchert die Pünftlerifche Abrundung und 
Klärung hinzutritt. 

Abgefehen aber von diefer Diflinction fagt mir aud) 
die Beitimmung des‘ Komiſchen ale foldhe nicht zu, und 
namentlich feuchtet mir nicht ein, inwiefern gerade da⸗ 
dur, dag fi der dem Lächerlihen zum Grunde lie 
gende Widerfinn nicht mehr getrennt von dem echten po⸗ 
ſitiven Momente, fondern mit dem gemüthlichen und 
vernünftigen Leben in uns verbunden zeige, jene zum 
Schönen durchaus nothwendige Harmohie des Begriffs 
und der Erfiheinung zu Stande fommen fol. Erſtens 
wäre hiernach von vornherein jeder Widerſinn echt Fo» 
mid, da er im Leben nie ganz ifolixt dafteht und über- 
al mit der tieffinnigften Vernunft Hand in Hand geht. 
Iweitens aber gibt ein bloßes Neben-, In- und Durd;- 
einander durchaus noch nicht die Idee einer wirklichen 
Einheit und Harmonie; im Gegentheil, der Dualismus, 
der Widerſpruch tritt oft dann um fo disharmonifcher 
hervor, je enger bie Gegenfäge ineinander zu fließen fchei- 
nen und je weniger Hoffnung vorhanden ift, bie diffo- 


nirenden Elemente Far wieder voneinander zu fcheiden. 
Nur wenn fi) der Contraft ale ein bloßer Schein er- 
wiefe, wenn fich zulegt zeigte, daß Dasfenige, was im 


Contrafte ald das Unvereinbare ſich darftellt, eigentlich 


und urfprünglich eins und ibentifch fei: nur dann dürfte 
von einer wirklichen Harmonie die Rede fein; — aber ift 
das jemals von ben contrabictorifchen Gegenfägen des 
Widerfinns und der Vernunft zu hoffen? Was aber ber 
Berf. Harmonie nennt, feheint mir wenig geeignet, jene 
reine, göttliche Heiterkeit, die wir beim Genuß des Ko- 
mifchen flet8 empfinden, in uns bervorzurufen; hoͤchſtens 


‚erzeugt fie in uns jened Lachen ber Verzweiflung ober 


des Indifferentismus, der, weil einmal Weisheit und 
Thorheit, Widerfinn und Vernunft, das Höchfte und 
das Niedrigfte bunt burcheinander laufen, Alles in einen 
Sad ſchiebt und die ganze Welt für ein Narrenhaus 
hält. Ein folches Lachen geht aber ſchon über die Sphäre 
des Rein» Komifchen hinaus, denn es kann ſich unmög- 
lich neben feiner Tomifchen Luft des tragifhen Schmer- 
zes erwehren, und ed gehört infofern derjenigen Zwiſchen⸗ 
modification an, die wir als das Humoriflifche bezeich- 
net haben. " 


Der zweite Abfchnitt des zweiten Theild behandelt 
„die Erzeugung des Komifchen durch bie fünftlerifche 
Thätigkeit”, innerhalb welcher der Verf. abermals brei 
Phaſen unterfcheidet, nämlich den Wig, die Sronie und 
den Humor. Abgefehen von denjenigen Differentialpunf: 
ten, ‚die ſich aus dem bereits Entwidelten confequenter- 
weife ergeben — wohin 3. B. die (&. 124) ausgefpro- 
chene Anficht über den Humor gehört —, ift mir diefe 
ganze Abtheilung wie aus der Seele gefchrieben. Der 
Verf. entfaltet hier, wo er aus der abftracten Sphäre 
ſchon vielfach in das concrete Gebiet übergeht, durchweg 
die gefündeften, jedes Vorurtheils ledigen Anfichten, von 
denen wir nur wünfchen können, daß fie gegen manche 
irrthümliche Anfihten der Zeit durchdringen und zur. 
Herftellung eines unbefangenen äfthetifhen Urtheild bei- 
tragen mögen. So ift namentlih Das, mas er über 
die Stonie fagt, ganz meine eigene Anſicht, wie ich fie 
bereits in Nr. 148 6. Bl. f. 1844 bei Befprechung bes 
„Literarhiftorifchen Taſchenbuch“ von Prug angedeutet 
babe. Es heißt (S. 108): 

In der gewöhnlihen, profaiichen Anfiht der Dinge mal: 





754 


tet der Ernft, d. h. diejenige Zhätigkeit des Geiſtes, Die auf 
befondere Zwecke gerichtet iſt. Died particulaire beſchraͤnkte 
Interefle verſchwindet in der poetifhen Weltanfiht. Es wird. 
hier — und daher jene feheinbare Kälte in den bedeutendſten 
Dichtungen — daß Einzelne auf den univerfellen Standpunkt 
erhoben. Diefer fodert, daß das Ideale nicht in jener Geftalt 
firirt werde, in welcher es dem gewöhnlichen Dichter ſich zeigt, 
der den Gegenftand, der ihn begeiftert, nicht frei, nicht viel 
feitig darzuftellen vermag. Der Poet muß allerdings ganz der 
Beaeifterung fich hingeben; er darf nicht über fie grübeln, und 
fie fol ihm ein von dem Innern abgelöftes, aͤußeres Object 
werden. Aber ebenfo wenig darf der Dichter, im ftupiden En- 
thufiasmus befangen, die Idee nur in Einer Form erbliden. 
In ſolchem Kalle wird mit dem eigenen Ideale eine Art Ab: 
götterei getrieben, und alle diejenigen Erfcheinungen der Wirk: 
lichkeit, die dem Subjertiven, Innern, nicht entiprechen, werden 
gemisdeutet. Daher regt fi dann aber auch ein fonderbarch, 
bisweilen fogar unheimliches Gefühl beim Anblid! der Geftal- 
ten Diefes beſchränkten Enthufiasmus. Der feinere Leſer oder 
Zuhoͤrer wird fi) des Kächelns über Heroen und Heldinnen, 
die, inden der Dichter fie dem äußerften Höhepunkte der Idea» 
lität nabezurüden glaubt, aufhören Menſchen zu fein, nicht er 
webren Fönnen. Es ift allein die poetifche Ironie, weldye den 
Künftleer vor folden Berirrungen ſchuͤtzt. Vermoͤge derfelben 
erkennt der Poet, wie auch das ideale Leben, infofern es er: 
Scheint, in Gegenfägen und Widerfprüden, Die ſich einander 
befämpfen, ſich äußert; ja wie gerade folche Eollifionen in der 
fittlichen Welt es find, die dem Leben das räthfelhaft: wunder: 
bare Unfehen ertheilen. Die Macht jener poetifchen Dialektik, 
welche die Ironie ausübt, mußte daher bereits fih uns da zei: 
gen, wo wir in das dialeftifch :fpeculative Moment des Komi: 
ſchen eingehend nachwieſen, wie durch daſſelbe Allcs, was nach 
der gewöhnlichen, profaifchen Anſicht der Dinge als wahr gilt, 
in das beitere Spiel fich auflöft. 

Nicht minder ftimme ich und Andere mit Dem über- 
ein, was der Verf. über dic Anwendung des Obfconen 
in der Kunft ſagt. Es heißt (S. 120): 

Iener Eräftige, markige Geift des Humors, der über die 
Borurtheile und alle willfurlihen Beſchraͤnkungen fi erhebt, 
zeigt fih auch darin, daß er die Sinnlichkeit oder das Natur: 
element in dem reichten, bunteften Farbenfpiele bervortreten 
läßt. Diefe Richtung des Komifhen wird häufig misverftanden 
und die humoriftifche Sinnlichkeit mit dem Gemeinen, ja felbft 
Dbfcönen für einerlei genommen. Es ift gegen ſolchen Tadel 
im Allgemeinen Dies zu erwidern: daß, im Spiegel der abfo: 
Iuten Wahrheit gefehen, Das Leben ganz offenbar werden, nad 
allen Richtungen ſich entfalten muß. Indem es der Geiſt wah: 
rer Sittlichkeit ift, der in dem Ganzen uns entgegentritt, fo 
Tann unmöglich das edlere Gefühl durch folche Stellen verlept 
werden, an denen wir auch das phyſiſche Xeben, Lie Natur 
des Menſchen ſich außern fehen. Solchen Inhalt der Kunft, 
der nicht den Menſchen in abstracto, fondern den wirklichen, 
der an Raturverhältniffe gebunden ift, darftellt, nehmen zu 
- wollen, verräthb nur Mangel an Einfiht. Insbefondere der 
Komik, die ja Dasjenige, was bisher gemein, roh, finnlich war, 
dem Meiche des Schönen aneignet, muß geftattet fein, den 
Phantafieregen in feinem bunten Farbenſpiele au in Diele 
niedern Regionen fallen zu laſſen. Daher fcheuten. denn die 
echten Komiker aller Zeiten, wie Ariftophanes, Plautus, Ra: 
belais, Moliere, ShaPfpeare, Cervantes, Holberg, Tieck, Jean 
Paul u. A., ſich nicht, auch das Thier im Menfchen zu zeigen. 
Möge immer von neuen eine Halbmoral, die zwar einzelne 
Berhältniffe auffaßt, jedoch nicht das Ganze überfchaut, an je: 
dem Auftreten gefunder, derber Sinnlichkeit Anſtoß nehmen: 
das wahrhaft fittliche und äfthetifche Urtheil wird dadurch nicht 
irre gemacht werden. 


Der dritte Theil behandelt die „Romödie”, und zwar 
zunächſt das Drama im Allgemeinen, fodann die drei 


Hanptepochen des Luftfpiels: die Ariftophanifche Komödie, 
die neuere Komödie der Griechen und das romantifche 
Zufifpiel. Im letztern unterfcheidet er -wieber bas humo⸗ 
riftifche Luftfpiel (Shakfpeare, Ziel), das Intriguenluft« 
fpiel (Moreto, Calberon) und das Charakterluftfpiel nebft 
der Poſſe (Moliere, Holberg). Auch Hier entwickelt der 
Verf. faft durchgängig Anſichten, die mit den meinigen 
übereinftimmen, und ich halte es daher für das Zweck⸗ 
mäßigfte, diefen ganzen Theil der Kritit des Leſers zu 
überlaffen. Richard Morning. 


Zu des Grafen Reinhard deutfchen Schriften. 


Nachtrag zu der im „Hiſtoriſchen Taſchenbuch“ für 1845 enthaltenen 
Charakteriſtik des Grafen Reinhard.) 


Seit dem Erſcheinen meines Auffages über Graf Rein- 
hard, den würdigen Mann, defien Andenken durch die engften 
und zarteften Bande mit ſemem deutfchen Geburtölande lange 
noch verknüpft fein wird, bin ich zur Kenntniß einiger feiner 
theil& vermißten, theils mir früher noch unbelannten deutfchen 
Jugendfihriften in Profa und in Verſen gelangt, welche mir 


einer weitern Mittheilung in diejen Blättern nicht unwertb, - ' 


zum Theil fogar vecht intereflant zu fein fcheinen. Sie befin« 
den fi) in der von Johann Michael Armbrufter herausgegebe⸗ 
nen Zeitihrift „„ Schwäbifhes Muſeum“ (erfter Band, Kemp: 
ten 1785). Gin jüngerer Landsmann Reinhard’s Hat die Güte 
gehabt, meine Aufmerkſamkeit auf diefe Quelle mit befonderer 
Bezichung auf den Aufſatz zu lenken, deſſen ich in der Lebens: 
ſktizze über Reinhard gedacht habe. Reinhard, bemerkte ich 
dort (S. 208), brachte nach dem Abgange aus dem theologi« 
fchen Stifte in Tübingen zwei und ein halbes Jahr als Vicar 
feines Vaters, Dechanten in Balingen, zu. Seinem Zriebe 
auszumandern widerſetzten jich die Altern langes; da geſchah es, 
daß Neinhard als der Verfaſſer einer im Jahre I (nit 
1786) erſchienenen ſcharfen Pritifchen Beleuchtung des theologi⸗ 
ſchen Stifts in Tuͤbingen und des ganzen daſelbſt befolgten 
Studienſyſtems entdeckt wurde. Dieſer Aufſatz machte großes 
Aufſehen und jetzt wurde Reinhard von ſeinem Vorhaben nicht 
länger zuruͤckgehalten, da ihm ‚die geiſtliche Laufbahn, wozu er 
ohnehin Beinen lebendigen Beruf in fih verfpürte, im Würtem⸗ 
bergifchen auf lange, wo nicht auf immer verfchloffen fchien. 
Reinhard's anonymer Aufſatz am bezeichneten Orte führt 
die Überſchrift: „Einige Berichtigungen und Zuſätze, den Auf: 
ſatz im «Grauen Ungeheuer», Rr. 9: Über das theolo: 
gifhe Stift in Zubingen betreffent.” (&. 245 — 290.) 
Daß wir daran Reinhard's für ihn und fein ganzes Leben fo 
verhängnißuoll geweſenen Auffag haben, dies anzunehmen be» 
vechtigt uns nicht blos das Zufammentreffen der Zeitumftände 
(weil Reinhard wirklich noch vor Verlauf eines Jahres, als 
diefe Abhandlung erſchienen, fein Vaterland verlieh), fondern 
noch viel mehr die unverkennbare VBerwandtfchaft in Schreibart . 
und Ideen, wie wir fie in andern Schriften des Verf. aus je- 
ner Zeit antreffen; endlich der Umftand, daB bei zwei andern 
in demjelben Bande befindlichen Beiträgen, von denen nachher 
die Nede fein wird, Reinhard fich unterzeichnet hat. Wie der 
Auffag vorliegt, Hat er außer dem an Reinhard's Perfon und 
Schickſale ſich Fnüpfenden Interefie aud) heute noch ein viel 
allgemeinered. Das theologifche Stift in Zübingen und die 
Karls: Akademie, erft auf Solitude, dann in Stuttgart — Diefe 
beiden berühmten, in gewiſſer Beziehung wol auch berüdhtig» 
ten Bildungsanftalten Würtembergs, werden für Gefchichte deut⸗ 
her Poefie, Literatur, Philoſophie und Befchichte noch heute 
vielfach genannt. Wie Reinhard, fo find auch Schelling und 
ER „Stiftler“ geweien; auch Schiller wäre es ohne einen 


Zufall, der nicht von ihm abhing, geworden, wie Der Berfaf: 





Ä 256 


jet von „Schiller 6 Heimatjabren“, Hermann Kurt (elbſt ein 
„Stiftler““), bemerkt hats es reicht wol hin, diefen mit aller 
Mirme eigenfter Iheilnahme und Erlebniſſe een bis 
terifhen Roman zu nennen, um bei den Leſern ein frifches 
Intereffe an der Gefchichte des tübinger Stiſts vorauszufegen. 
Die feit Reinhard's Kritik, alfo feit 1) Jahren, mit der Ber: 
fffung des Stifts vorgenommenen Veränderungen, die Gin: 
Aüffe der äußern Welt haben die Grundzüge in dem Gepraͤge 
jenes merkwürdigen Inftituts nicht verwiſchen Fünnen. ”) Je— 
denfalls bleibt Reinhard’ Aufiag eine nicht zu überfehende 
Quelle für den Geſchichtſchreiber des Stifte. Reinhard gebt 
bis auf die vier niedern Seminare oder Vorbereitungsfchulen 
in ®ürtemberg zurüd, die ebenfaüs nicht im rofigen Lichte 
erſcheinen. Veranlaffung zu der Enthüllung ber im Stifte da: 
mals verjähreten Mängel und Mitbraude gab ihm ein kurz 
scrher in W. 2. Wedhrlin’d „Grauem Ungeheuer” (Bd. 5, 
1724) erfhienener Artikel: „Uber Das Reich der Magifter 
Schreiber.“ Es würde und zu weit führen, auf das Kür und 
Bider bei dieſem Thema einzugeben. Das Einzelne hat auch 
größtentheils ein localed Interefie. Der Vortrag ift durchgehend 
Eräftig, oft ironifh, die Gefinnung athmet den Drang nad 
Befreiung verjährter geiftiger Bande und zugleich den edeliten 
Patrietismus. Meinhard geht den ganzen eigenthümlichen Bil: 
dungsyang eines würtembergifchen Magifterd durch, vom ſechs⸗ 
ten Lebensjahre an, wo der Eünftige Mann der Kirche „ver 
dammt ift, von einem lateinischen Präceptor (einem der joge: 
nannten Famula) durch die doppelte Portion von Schimpfna» 
men, Maulſchellen, Stodftreihen und Ruthenhieben fi das 
Latein nebft einem Bischen Hebraͤiſch, Griechiſch und den be 
bräifhen Alphabet, und urabifche Definitionen aus der Logik 
und Rhetorik nicht zu vergeſſen, einprägen zu lafien..-“ bie 
u finer Promotion. Ind welche Schilderung madt er von 
dieſen „Doctoren der Philoſophie“? Diefe feien, fagt er (3.271), 
wenigſtens zur Hälfte geftempelte Ignoranten, in deren Gehirn: 
taften niemals auch nicht der Schatten vom Licht eined ber 
ſtimmten Begriffs gefallen if. Daß die Ratur gütiger ift als 
die Verfaſſung, Daß trog der unzählbaren Schwierigfeiten von 
Schlendrian, Pedanterei und Dedpotismus dennody einige gute 
Köpfe ſich zuweilen durcharbeiten, wollen wir der Vorſehung 
danken. Aber dann find es eben nicht gerade dieſe, welche bei 
und immer ihr Glück machen, doch dies ift hier wol fo wie 
uͤberall.“ Hier ſprach Reinhard ahnungevoll feine eigene Be: 
fimmung aus. 

Zum Scluſſe faßt der Verf. die mitgetheilten Züge in die 
Klage zufammen: daß eine Anftalt, „Die alle Anlage Babe, die 
einzige in ihrer Urt und die vortrefflichfte zu werden”, doc 
auch alle andern im proteftantifchen Deutſchland durch ihre 
„ganz möndpifch = despotifche Außere und innere VBerfaffung über: 
treffe”. „Ich bin nicht der Meinung des großen Bilfinger“, 
fügt Reinhard dennoch hinzu, „daß man dieje ganze Berfaf: 
fung aufheben und zertrennen fole. Der Plan, einen gerwiffen 
esprit de corps zu gründen, ift zu ſchoͤn und zu tief angelegt, 
und feine recht geleiteten Folgen find zu wohlthätig als daß 
man ihn ohne irgend einen Verſuch ciner radicalen Berbeffe: 
tung fo ganz aufgeben und nicht trachten follte, fie dem Geifte 
ter Zeit gemäß umgubilden.” .. 

Wie ganz anders ſtellte ſich in unſerer Zeit das tübinger 
Stift als in Reinhard's Jugend! Zwar haben ſich Die Ände⸗ 
tungen der Berfaflung faft nur auf Außerlichkeiten befchränkt, 
i0 3. 8. ift die früher gefegliche jchrwarze Tracht feit 12 Jah⸗ 


ven abgefhafft und nur im Allgemeinen anftändige Kleidung 


sergefhrieben, wie Prof. Dehler bemerkt. Dagegen hat gerade 
das Überwiegen Der Philofophie in den erften Jahren der Se⸗ 





*) Eine gebrängte aber zuverläffige Schilderung des tübinger 
Stiſts gab kuͤrzlich Profeffor Oehler zu Breslau, ſelbſt Bögling und 
ttemaliger Repetent im Stifte, in dem „Evangeliſchen Kirchen: und 
Ebulblatt- (Breslau 1846), Nr. 1—2: „Die theologifchen Seminare 
and die Werhältniffe der Ganbidaten der Theologie in Würtemberg.” 


⸗⸗ 


minariſtenbildung, wie fie auf der alten Verfaſſung beruht, ei⸗ 
nen wahren Umfchwung des Geiftes in jener Anftalt hervorge: 
rufen. Eben durch das Vorherrſchen ber philofophifchen Rich: 
tung hat das tübinger Stift Ausgezeichnetes geleiftet. „In 
biefer philoſophiſchen Richtung ift es auch begründet, DaB we⸗ 
der der vulgaire noch der äfthetifche Nationalismus in Zübin- 
gen viel Zerrain gewinnen Ponnte, daß aber freilih auch dort 
ber Unglaube mit Waffen von ganz anderer Spige und Schärfe 
kaͤmpft als die find, welche jene aus ihren Rüftlanımern her: 
vorzuholen pflegen: was Icder weiß, der die neuere tübingifche 
theologiſche Literatur von dem innerhalb der Mauern 
bes Stifts gefhriebenen Strauß'fchen Buche an Eennt“... 
Auch dies hat noch jegt wie in Reinhard's Jugend Geltung, 
daB „Diejenigen, welche in dem Seminar gebildet worden find, 
bei ihrem Eintritt in dieſe Anſtalt cinen Revers ausftellen 
müflen, durch welchen jie fi verpflidten, ohne Griaubniß der 
Dberbehörde aus dem geiftlichen Stande nidyt auszutreten und 
nicht ohne koͤnigliche Bewilligung in ausländifhe Dienfte zu 
gehen, und im Falle der jchuldhaften Nichterfüllung diefer Ver: 
bindligfeiten die auf fie verwandten Bildungskoſten dem Staate 
zu crjegen, — ein Gefeg, fügt Dehler hinzu, dad übrigens 
fehr mild gehandhabt wird”. So hat denn auch Reinhard erft 
dann in Frankreich Dienfte während der Revolution angenom⸗ 
men, als er die nachgeſuchte Erlaubniß dazu vom Herzog von 
Würtemberg erhalten hatte. 

Auffallend ift es, wie Reinhard als der Berfaffer des Aufe 
jages im „Schwäbilhen Muſeum“ hat entdedt werden fönnen, 
da er, wie aus einem dem Aufjage angehängten Schreiben Arm⸗ 
bruſter's „An den ungenannten Ginfender dieſes Aufſatzes“ 
hervorgeht, ſogar ihm ſelbſt ſich nicht genannt und um das 
Verbrennen der Driginalhandſchrift gebeten hatte; daß dies ge⸗ 
ſchehen, wird ihm bier zugeſichert. Die Anonymität hatte dem 
Herausgeber, geftcht diefer, anfangs Bedenken erregt: ob er 
ihn auch aufnehmen follter „Nur Das hat mich beftimmt, ihn 
aufzunchnien”, bemerkt er, „daß er nad) allen Anzeigen das 
Gepräge der Wahrheit und den Beifall eine Mannes hat, der 
die Anftalt, über die Sie fchreiben, durchaus kennt u. j. w.“ 


So viel von diefem Auffage Reinhard’s in Profa. Außer 


| diefem enthält derſelbe Band des „Schwaͤbiſchen Mufeum ‘, 


wie ſchon bemerkt, zwei Beiträge von Neinhard in Werfen. 
Erftlih ein aus 87 achtzeiligen kurzen trochaͤiſchen und gereim- 
ten Strophen beftehendes Gedicht: „Zobeide, ein Feenmaͤrchen.“ 
(8. 119 — 143.) Stoff und Behandlung erinnern an den 
Drient und die „Zaufendundeine Nacht”, die Anregung fcheint 
von Wieland's Schriften ausgegangen au fein. Doch dann 
hätte Reinhard fein Vorbild beiweiten nicht erreicht; die Sprache 
ift Hart, die Erfindung erhebt ſich nicht über das Gewoͤhnliche. 
Beiweitem gelungener find Die unmittelbar darauf folgenden 
Überfegungen aus den „Deliciae CC. Italorum poetarum, col- 
lectore Ranutio Ghero (Jano Grutero)‘‘, 1608. „Dan kann 
freilich‘, fagt Reinhard in dem Vorworte dazu, „lange im 
Spreu wühlen, bis man ein Körnchen findet. Indeß fehe ich 
nicht ein, warum wir das Körnchen liegen laſſen follten, da 
wir die Spreu fo erſt forgfältig fammeln, wann fie 1000 
Sabre älter ift. Übrigens betrachte ich dieſe Deliciae CC. poe- 
tarum zu meiner nicht geringen Erbauung wie eine Todten⸗ 
ruft und erinnere mich der eigenen Sterblichkeit.” Es find 
im Ganzen nur acht Gedichte elegiſcher Gattung, welche neben 
der überſetzung der Elegien des Properz, von dem entſchiede⸗ 
nen Talente Reinhard's für dieſe Nachbildung Seugniß ablegen. 
Der Herausgeber des, Schwäbiſchen Muſeum“ begleitet dieſe 
Überfegungen mit einer bittern Bemerdung gegen die Kritiker, 
welche Reinhard's Elegien bis dahin unbeacdhtet gelaffen hatten. 
„Wie viele Almanachsdichter wiegt der einzige Reinhard auf? 
Und Baterland Schwaben! Er ift dein Sohn! Kenne Ihn!”... 
Ob nicht vieleicht auch der zweite Band des „Schwaͤbi⸗ 
fen Muſeum“ Beiträge aus Reinhard's Feder enthält, Bann 
ih nicht fagen, da ich feiner nicht Habhaft wurde. Diefer 
erfte Band bat jedenfalls für den Literator unter Anderm auch 


6 


das Intereſſe, daß er mit den „Scenen aus Iphigenia im 
Jauris, a ungedrudten Zrauerfpiel von Goethe”, eröffnet 
wurde. Es find Scenen aus ter erften profaifchen Bearbei⸗ 
tung, weldye erſt in neuefter Zeit von Adolf Stahr (1330) 
vollftändig herausgegeben wurde. Diefem waren die Scenen 
im „Schwäbifhen Mufeum’ damals noch unbefannt geblieben. 
Bemerkenswerth ift, daß bier die rhythmiſche Proſa diefer äl- 
tern Bearbeitung, ich weiß nicht cb von dem Abfchreiber oder 
von Goethe felbii, in Verfe abgefegt if. Den übrigen Inhalt 
des Buchs übergehe ih, um von Dem eigentlichen Gegenitande 
nicht zu weit abzufchweifen. G. @. Qubrauer. 


Bibliographie. 


Bo; (Didens), Das Heimen. Ein Märchen. Neu aub 
dem Englijhen von’E. Kolb. Stuttgart, Krabbe. 16. 5 Ngr. 

Der Shozef und der Row. Züdifhe Parodie des Gedich: 
te8 „Der Kater und der Abt” von G. A. Bürger. Trave⸗ 
flirt für ünfere Leute von Reb Schamfihe Zoreles. Leipzig, 
Literarifches Mufeum. 8. 2 Nor. 

. of, 3. M., Geſchichte der Iſraeliten feit der Zeit der 
Maccabäer bis auf unfere Zage. Iter Band. Ifte Abthei⸗ 
lung. — 9. u. d. 2.: Reuere Geſchichte der Ifraeliten von 
1815 bis 1845, mit Nachträgen und Berichtigungen zur älte: 
ren Gefchichte. Ifte Abtheilung: Deutſche Staaten. Berlin, 
Schlefinger. &r. 8. 1 Thlr. 25 Naur. 

Keil, 3. G., Die Glaubenslehren und Sacramente der 
proteftantifchen Kirche vor dem Nichterftuhle der Vernunft. 
Leipzig, Melzer. Gr. 8. 6 Nor. . 

Maimonides, Mofes, Sad hachaſakah oder Miſchna 
Thorah in 14 Büchern, das gefammte juͤdiſch⸗ theologiſche, — 
philoſophiſche, ethiſche und rituelle — Geſetzesgebiet umfaſſend, 
in rein deutſcher Ueberſetzung. Zum erſtenmal herausgegeben 
von E. Soloweiczyk. Iftes Buch: Maddah, oder von der 
Erkenntnig. Königsberg. 8. 15 Near. 

Schiff, 9, Das Dargaretbenfeft und des Zeufeld Schwa⸗ 
benftzeich. Katholifhe Novellen. Leipzig, Kiterarifches Mufeum. 

Nor. 





Sentenzen aus feinen Werken in alphabetifcher Reihenfolge. 
Leipzig, Melzer. Gr. 16. 15 Rgr. 

Schneidawind, 3.5.4, Gefhichte der Belagerungen 
Wiens durch die Zürken. Hamburg, Berendfohn. 16. 10 Nor. 

Sonntayd:Bibliothel. Lebensbefchreibungen chriſtlich from⸗ 
mer Maͤnner zur Erweckung und Erbauung der Gemeine. Ein: 

eleitet von U. Tholuck. Ifter Band. Gtes Heft: Das Leben 
ohann Weſſel's von B. Bahring. Bielefeld, Velhagen und 
Slafing. 8. 3%, Ngr. 

Wolff, D. 2%. B., Die deutſchen Dichter, von Sottſched 
bis zu Gocthe's Tode. Geſchichte, Schilderung und Kritik ih: 
ver Werke und ihrer Zeit, begleitet von Auszügen aus ihren 
borzüglichften Schriften. Iftes Heft. Weimar, Voigt. Gr. 8. 

Nor. 


Worfaae, 3. 3. A., Die nationale AltertbumsPunde in 
Deutjchland. Neifebemerkungen. Aus dem Dänifchen. Kopen⸗ 


bagen. 8. 8 Rgr. 


Tagesliteratur. 


Die Oberſchlefiſche Ariſtokratie, der Clerus, die Beamten, 
Bürger, Bauern, der WMaͤßigkeitsverein und Herr Wit genannt 
v. Dörring. Leipzig, Drobiſch. 1845. KL. 8. 5 Nor. . 

Die proteftantifche Conferenz und die vier freien Städte. 
Bon einem Hanfeaten. Bremen, Kaifer. Gr. 8. 5 Nor. 

Detroit, 8, Der Kampf und das Belenntnif derer, 
welche im neuen Wefen des Geiftes dienen, und nicht im alten 
Weſen bes Buchſtabens. Predigt. Königsberg, Tag u. Koch. 
Gr. 8. 3 Ngr. 


hofen. 


Schiller's Teſtament. Perlen fuͤr das deutſche Volk. 


Diefenbach, v., Öffentlige Erftärung der Freunde pro- 
teſtantiſcher Kirchenerneuerung zu Offenbach a. M., nebft eini⸗ 
gen derjelben vorausgegangenen Vorträgen. Offenbach, Heine: 
mann. Gr. 8. 4 Rgr. 

— — Kirchengeſchichtliche Überfichten zu Anfange des 
J. 1846. I. Zur Geſchichte und Charatteriſtik der gegenwar⸗ 
tigen religiöfen Bewegungen, zunaͤchſt in der katholiſchen Kirche. 
Il. Ueberſicht der Fatholiichen Gemeinden beutfchen Belenntnif: 
je6 bis zum Anfange des 3. 1846. ODffenbach, Heinemann. 
&t. 8. 4 Nor. 


Geiſſe t, J. v. Erzbiſchof von Köln, Oberhirtlicher Gruß 
an die hochwürdige Geiſtlichkeit und an die Gläubigen der Koͤl⸗ 
ner Erzdiögefe, am Tage der feierlichen Intbronifation am 11. 
Ian. 1846. Köln, Bachem. &r.8. 2 gr. 

In Sachen der „Deutfch« Katholiken”. Urtheif legter In: 
ftanz vom großen &. Mit Erläuterungen vom Beinen David. 
Ein ungetalteter Ve hnachtsſchwant. Magdeburg, Heinrichs⸗ 

vr. r. 
Kirmsse, K. F. Ein offener Brief an Hrn. Dr. Karl 
Bock, Professor der pathologischen Anatemie zu Leipzig, 
sein Votum in Angelegenheiten der Medicinalreform in Sach- 
sen betreffend. Altenburg, Helbig. 8. 4 Ngr. 

Lebderpofe, K. F., Lutherbüchlein, d. i. wahre Geſchichte 
des Lebens und Todes Dr. Mart. Luther's. Heidelberg, Win- 
ter. 8. 8. 1%, Nor. ' 

Ludewig, H., Die Organe der erscheinenden Litera- 
tur und der Buchhandel in den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika, nebst Beantwortung der Frage: Was hat 
eine gute deutsche Buchhandlung in jenen Staaten zu hof- 
fon? Leipzig, T. O. Weigel. Gr. 3. 3 Ngr. 

Luther's Ted. Eine Denkſchrift zu des großen Reforma: 
tors BVbjaͤhrigem Todestage. Danzig, Homann. Gr. 8. 3 Nor. 

Das entlarvte Märterthum der fogenannten Yebtiffin Mie: 
czislawska und ihrer vorgeblichen Leidensgenofien: München, 
Franz. Gr. 8. 2 Royr. 1 

Nessler, F., Dem Gedächtnisse des Reformators Dr. 
Mart. Luther, an seinem Todestage nach 3 Jahrhunderten 
am 13. Febr. 1846. (Gedicht.) Lausanne. 4. 5 Negr. 

Dettingen-Wallerftein, Fürft 2. v., Rede gelegent: 
lich der Berathungen über die Anträge des Hrn. Pürften ven 
Wrede in Betreff der Quarten und Klöſter. Rebft Beilagen. 
Münden. 8. 10 Ner. 

— — Erfte Aeußerung über die Frage der Adreſſen. 
Münden. 8. 1 Ror. . 

— .— Drei Anträge in der Kammer der Reichsräthe 1846. 
Detreffend die Revifion der Diſtrikts und Local » Umlagen: 
Geſetze, die Berhältniffe der Stautsdiener und den Nothſtand 
der minderbemittelten Klaſſen, insbeſondere die Theuerung ter 
erſten Lebensbedürfriffe. Münden. 8. 2 RNgr. 

Perlen, im Strom der Beit mit Fleiß gefifcht, zu Rutz und 
Frommen aufgetifht. Iftes Heft. Berlin, Walter. 8. 5 Rar. 

Peſtalozzi⸗Feſt. Gefeiert am 12. Zan. 1846 von Dem ?eh- 
rervereine im untern pergeatpum Anhalt » Bernburg. Bern: 

I Kor 


burg, Sröning. 8. 3 . 

Schneider, B., Dffenes Gendfchreiben an ‘rn. Dr. 
Eduin Bauer zu Dresden, fein „Uechriftenthum” betreffen. 
Dippolbiswalde. Gr. 8. 5 Ner. 

Boigt, I., Sendfhreiben an Auguſtin Theiner in Be: 
treff des von ihm behaupteten Übertritts des Herzogs Albrechts 
von Preußen zur katholiſchen Kirche. Königäberg, Sag md 
Koh. Br. 8. 8 Ror. 

Wie Dr. M. Luther den rechten Grund des Glaubens ge: 
funden, und ˖ im Frieden diefes Glaubens felig entfchlafen ift. 
Heidelberg, Winter. RI. 8. 1Y, Nor. 

Ein evangelifches Wort an die neueften Gegner von Io: 
bannes Ronye, oder Prüfung der Predigt von 3. Garl und 
des Zeitbildes von G. Reid. Won einem proteftantifihen Geiſt⸗ 
lichen. Hanau, Edler. 8. 4 Rar. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Breodpais. — Drud und Berlag von F. ©. Brockhans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerstag, 


9. Suli 1846. 


a — — 
| nn - u um - — 





Die preußiſche Verfaſſungsfrage und das nordiſche 


Princip. Von einem Öftreicher. 
Bierter und legter Artikel.*) 


So ift denn abermals ein polnifher Auffland qus⸗ 
gebrochen, und abermals wiederholt ſich das fehmerzliche 
Schauſpiel vor unfern Augen, wie ein Volt für die ge- 
rechteſte Sache die es je gegeben hat mit bewunderungs⸗ 
würdigem Heldenmuthe fein Blut in dem Kampfe gegen 
überlegene Gewalt verfprigt und wahrfcheinlich abermals 
vergeblich verfprigt. Vergeblih? Das eben iſt die Frage, 
die wir hier erörtern wollen, und die es mol verdient, 
dag Jedermann, vom Könige herab bis zum Bettler, fie 


fharf ins Auge faffe. Denn es ift eine Gewiffensfrage 


für die ganze Menfchheit, eine Gewiſſensfrage insbe- 
fondere für die europälfche cultivirte Menfchheit, und vor 
allem Andern eine Gewiſſensfrage für uns Deutfche, die 
wir niht blos die naͤchſten Zuſchauer diefes fih ewig 
wiederholenden Trauerſpiels gewefen find und noch find, 
fondern die wir auch — feider und zu unferer ewigen 
Ehande — eine nur zu thätige Nolle in dem Drama 
diefes Völtermordes gefpielt Haben. Wenn je die Preffe 
bie Pflicht gehabt hat, offen und rückſichtslos einen Ge⸗ 
genfland zu beiprechen, fo {ft es der polnifche Aufftand, 
der in dieſem Augenblicke, wo ich fihreibe, das Tünftige 
Schickſal Deutfchlandse und Europas entfcheidet. Diefer 
Aufftand, er ift die legte Mahnung, die an das Ohr 
der Fürften und der Völker fchlägt; hört man fie aber- 
mals nicht, fo wird die Gefchichte der Fommenden Jahre 
diefes Jahrhunderts einen Charakter annehmen, fid) aus- 
bilden zu einem Chaos, fo gräßlich und bluttriefend, wie 
keine frihere Periode etwas Ahnliches uns aufzeigt; und 
der Spruch des Alten Teftament, bie Sünden ber Vaͤ⸗ 
ter follen gerächt werden bis in® dritte und vierte Glied, 
wird in furchebare Erfüllung übergehen. Darum: mer 
Ohren bat zu hören, der höre! 
Bann diefe Zeilen, die ich eben fehreibe, bem Publi— 


cum gedruckt vor Augen liegen, dann ift der Kampf 


vielleicht fchon wieder auf die gewöhnliche Weiſe entfchie- 


*) Bergl. den erfim, zweiten und britien Artitel in Rx. 99 — 108, 
B und Usd — 1623 d. BI. Daß diefer vierte Artibel ſchon 
vor einigen Monaten abgrfaßt wurde, geht aus Ton und Haltung 
deſſelben berasz. D. Ned. 


— 





ben: die. Blüte der polnifchen Jugend mobdert vielleicht 
fhon mieber auf ben Feldern, die ihren freien Vätern 
gehörten; zahlreiche Unterfuchungscommiffionen überziehen 
vielleicht fchon wieder das Land und üben im Namen 
ber Gerechtigkeit — o ber Entweihung dieſes Heiligen Na- 
mens! — ihre officiöfe Thätigkeit an ben Zaufenden, die 
im Kerker ſchmachten; die Knute tanzt vielleicht bereits 
wieder auf dem Rüden heiliger Märtyrer, die für Re- 
ligion und Vaterland den ungleihen Kampf zu beftehen 
für Pflicht hielten; Weiber und Kinder ziehen vielleicht 
fhon wieder in langen Reihen den Eisfeldern Sibiriens 
zu, und der Schmerzensfeufzer: „Finis Poloniae!“ ringt 
fich vielleicht abermals aus der Bruft Heraus. Vielleicht 
aber befteht der Kampf noch fort in voller Kraft, viel- 
Teiche find die Würfel noch nicht gefallen und in athem- 
Iofer Angft harrt bie fühlende Menfchheit feiner Ent⸗ 
[heidung. Vielleicht macht der unerreichte Heldenmuth 
der Polen das Unmögliche möglich und zeigt ber 
Melt aufs neue, wie innerfte Vegeifterung alle Berech⸗ 
nungen nad) Zahlen zu Schanden macht, wie eine hei⸗ 
lige gerechte Sache die mit Kanonen überladene Wag- 
fhale der äußern Gewalt feberleicht in die Luft ſchnellt. 
Vieleicht hat fi) fhon herausgeftellt, daß diefer Brand 
mit der ultima ratio der Könige nicht mehr zu Löfchen iſt; 
vielleicht find Zwischenfälle eingetreten, welche das ganze 
tünftliche Gebäude der Diplomatie über den Haufen de 
worfen haben. Vielleicht — doch dem fei nun mie ihm 


„wolle, mag Polen abermals in dieſen wenigen Wochen 


unterlegen haben, oder mag der weiße Adler noch frei 
und Tampfesfröhlih feine Schwingen in ber Luft aus- 
breiten: für bie Zukunft ift die Frage bereits entfchieden. 
Siegen oder befiegt, immer fteht fo viel feft: Polen ift 
noch nicht verloren. Diefer Proceß, den die Polen um 
ihr Recht umd die Freiheit feit faft einem Jahrhundert 
mit drei großen Reichen führen, und ben man ſchon für 
verloren hielt, er iſt noch nicht zu Ende. Eine neue 
Proteftation haben die Polen bei dem Regierer der Wel- 
ten eingereicht, eine Proteftation, fo eindringlich gefchrie- 
ben und mit ihrem Herzblute befiegelt, daß Jeder fi 
überzeugen muß, wie die Kräfte zur Fortſetzung diefes 
großen Rechtksſtreits noch keineswegs erfchöpft find, ſon⸗ 
dern wie vielmehr alle Ausficht vorhanden iſt, daß fie bis 
zur legten Inſtanz ausdauern merden, wo dann frei- 


758 


lich über das Nefultat des letzten Urtheils kein Zweifel 
obwalten kann. Doch greifen wir unferer Betrachtung 
nicht vor. 0 

Es gibt Gegenftände, über die. man weder ruhig den⸗ 


ten noch ruhig fchreiben kann, Gegenftände, bei deren, 


bloßer Erwähnung ſchon das Blut aufmallt, die Pulfe 
jagen und das Herz an bie Lippen pocht, daß Einem 
der Athen vergeht. Das Schidfal Polens ift ein fol- 
cher Gegenſtand, bei dem fi das Herz jedes guten 
Menfhen im tiefften Buſen ummendet, bei dem bie 
Nöthe der Scham und des Zorned Jedem auf bie 


Wange treten muß, ber nur noch einen Funken von. 


Menfchlichkeit und Rechtsgefühl im Innern beherbergt. 
Ich wenigftens kenne feine ſchmachvollere und unglüd- 
feligere Erinnerung, feine die mein ganzes Wefen derge⸗ 
ftalt in Aufruhr verfegte ald die polnifche. Und das 
will etwas fagen, denn bie Reihe ſolcher Gegenftände 
ift lang genug. 


Kaum find einige Zage verfloffen, feitbem ich obige 
Zeilen gefchrieben, und der polnifche Aufſtand fcheint 
bereit vorläufig wieder unterdrüdt zu fein. In Pofen 
kam er gar nicht zum Ausbruche; was in Rußland ge- 
fihehen, davon erfahren wir nicht; die Erfolge in Ga- 
lizien waren zu unbedeutend und zu wenig zufammen«- 
hängend, als daß ſich die Bewegung hätte confolidiren 
tönnen; und Krakau, ber. vorläufige Mittelpuntt der Er- 
hebung, ift von ben Truppen ber brei Mächte befegt. 
Die Flamme ift gelöfcht, und nur bier und ba züngelt 
noch ein Überreft aus ber Afche Hervor. Die Rebellen 
find befiege und ſehen ihrer Strafe entgegen; die Regie- 
rungsblätter laffen ihr Triumphgefchrei und ihre mora- 
lifche Verdammungsurtheile vernehmen. Wollte man ih- 
nen glauben, ſo wäre die Sache vollftändig beendigt. 
Vielleicht glauben fie es felbft, oder überreden ſich we⸗ 
nigftens es zu glauben. O, täufhet euh nicht! Und 
wenn in biefem Augenblide auch nicht ein einziger Mann 
in Polen mehr ift, der gegen eu die Waffen führt, 
fo hat die polnifche Angelegenheit doch damit noch nicht 
ihre Endſchaft erreicht. Im Begentheile, nie mar fie 
weiter davon entfernt als eben jegt, wo fie wieder voll« 
ftändig befiegt zu fein fcheint. Die eigentlichen ſchlimm⸗ 
fien Verwidelungen fangen jept erft an; benn nicht in 
den Waffen allein befteht die Stärke der polnifchen Sache: 
fie hat andere, mächtigere Verbündete, die mit jedem 
Zage ihre Gewalt Fräftiger entwideln, Verbündete, bie 
Gott Lob im 19. Jahrhundert unwiberftehlich find. Diefe 
Bundesgenoffen der polnifhen Sache, wie heißen fie ? 
Sie heigen Gerechtigkeit, fie heißen Chriſtenthum, fie hei 
en ferner Nationalität, Sympathie aller gebildeten Voͤl⸗ 
fer und aller beffern Menſchen. Diefe Bundesgenoffen, 
fie find in Krakau nicht arretirt; die Verfchwörung derfel- 
ben, fo offen fie am Tage liegt, ift für die gerichtliche Verfol⸗ 
gung unzugänglid; und es verlohnt ſich ſchon der Mühe, 
"zu unterfuchen : ob die vereinigten Großmädhte mit allen 
ihren Heeren und Kanonen jenen moralifhen Sroßmädhten 
auf die Länge Widerftand leiften konnen? Es iſt die Pflicht 


jedes fühlenden Menfchen, feine Stimme in biefer An⸗ 
gelegenheit zu erheben, um wenigften® einen Fleinen Theil 
ber ungeheuern Eündenfhuld, die rückſichtlich Polens 
auch auf ihm ruht, von fih abzumälzen. Es ift nament- 
lich die Pflicht jedes Deutfchen; denn welcher Deutfche, 
der überhaupt noch einen Reft von Gewiffen aus dem 
Schiffbruche politifcher Verderbniß gerettet hat, geftände 
fih nicht mit Schamröthe auf ber Wange: daß fein Volt 
ber Helfershelfer jenes Verbrechens gewefen, durch wel- 
ches Polen gefallen ift, und daß er als Theil diefes Volkes 
auch feinen Antheil an der Schulb zu fragen babe. 
Darum greife auch ich zur Feder und reife die alte 
Herzenswunde vom Falle Warſchaus her, die nicht ge- 
heilt, fondern nur oberflädhli vernarbt war, mit freu- 
digem Schmerze wieder auf. Wie wenig fie geheilt war, 
wie fehr fie im Innern noch forteiterte und zerftörend 
fortfraß, Das ift mir und mit mir gewiß allen deutfchen 
Baterlandsgenoffen bei der erfien Kunde von dem neuen 
Aufftande Polens fo recht im innerften Bewußtfein auf 
gegangen. Es find 15 Jahre her feit dem legten Polen: 
fampfe; 15 Sabre find verfloffen feit Warfchau gefallen; 
15 Jahre feit jene Scharen von Polen durch Deutfd- 
land zogen, feit wir befhämt und trauernd uns ihnen 
nabeten und faum wußten, ob wir nicht zu ſchlecht feien, 
um ihnen die Hand drüden zu dürfen. Funfzehn Jahre 
find es, feit wir weinend in ihren Armen lagen, und fie, 
die Flüchtigen, Beimatlofen, Verbannten e8 waren welde 
und tröften mußten. Denn wir beburften mehr als 
fie des Troſtes. Sie waren unglüdlih: fie hatten Alles 
verloren, was das Leben ſchon und werthvoll madıt; 
aber eins, ohne welches der Menſch überhaupt nicht le⸗ 
ben follte, hatten fie mwenigftens gerettet: die Ehre, die 
Achtung vor fi ſelbſt. Wir aber, wir Reichen, die wir 
alles Das befaßen, dem jene Armen wahrſcheinlich für 
immer foeben Lebewohl gefagt hatten — Altern, Gatten 
und Kinder, Beſitzthum, Heimat und Vaterland: wie 
elend fühlten wir uns ihnen gegenüber, wie ungeredt, 
feige und erbärmlih! Uns armen Sündern gegenüber 
waren fie die Glücklichen, denn. uns fehlte das Eine, 
ohne welches alle Güter diefer Erde keinen Werth ha⸗ 
ben: das gute Gewiſſen, das Bewußtſein perfönlichen 
Wertes und erfüllter Pflicht. Wir, die wir feit 50 
Jahren fortwährend den fchreiendften Ungerechtigkeiten ru- 
big zugefehen, die wir fogar dabei geholfen, die wir noch 
zulegt Henkersdienſte bei dem unglüdlichen Opfer gelei- 
ftet und ihm die Hände gefnebelt, auf daß es fich gegen 
den Yeind nicht wehren konnte: wir ftanden mit zur 
Erde gedrudtem Blick und fühlten das unfelige Elend 
ber eigenen Verächtlichfeit. Diefes Bewußtſein der Ver: 
ächtlichkeit der eigenen Perfon und bes eigenen Volkes 
bat mic) feit der Zeit nie wieder verlaffen. Und es ift 
vielen Andern ebenfo gegangen, ich hoffe es, ich weiß es. 
Gleichwie der Feigling, der vor feinen Augen einen Un- 
ſchuldigen mishandeln, verfolgen und ermorden fieht, ohne 
den Muth zu haben zur Hülfe zu eilen; gleichwie der 
Unglückliche, der vor feinem Blicke den Freund ertrinfen 
fieht, ohne zu wagen ihm bie Band zu reihen: wie er 





” 739 


nie wieder au einem frohen Bewuftſein konnnen kann, 
Indem ihm feine feigen Unterlaffungsfünden ruhelos ver- 
folgen und in craffen Bildern vor die Seele treten, ihn 
an feine Jämmerlichkeit mahnen, — fo ift es auch uns 
ergangen. 

Seit dem Falle Warſchaus war die Freubigkeit, die 

Hoffnung, die Unfhuld aus unfern Seelen für immer 
verſchwunden. Wie lange hat es nicht gedauert, ehe wir 
nur die Worte: Freiheit, Recht und Vaterland wieder 
aussufpeechen wagten! Wir fühlten, daß wir nicht be- 
tehtigt dazu waren. Wer das Hecht feines Nebenmen- 
fhen mit Füßen tritt, ober es feige verräth, darf Der 
Anſpruch machen auf bie Rechte eines freien Mannes, 
die ja nur auf das Bewußtſein eigener Gerechtigkeit und 
eigener männlicher Würde gegründet fein können? Wol 
hat das Leben eine ausgleichende Gewalt: auch die Ge⸗ 
wiffensbiffe, auch die eigene Verachtung weiß es allmä- 
fig zum Schweigen zu bringen ; allmälig betheiligt man 
fih wieder bei alle den Fragen, bie es mit zwingenber 
Nothwendigkeit uns aufbrängt ; und fo iſt es uns Al⸗ 
len gegangen : aber das rechte Leben mar es nicht mehr, 
die echte wahre Theilnahme, die den ganzen Menfchen in 
Anfpruh nahm in Schmerz und Jubel, war unmög- 
ih geworben. Denn unfer befjerer Theil, unfere Ju⸗ 
gend, unfere Unſchuld, unfer Selbfigefühl, es lag unter 
den Trümmern von Warfchau begraben, begraben fi 
ewige Zeiten. Was uns auch das Leben noch bringen 
mag, und feien es alle Güter eines in berrrlichfter Frei⸗ 
heit und Fuͤlle aufblühenden Vaterlandes, wie die ruhigſte 
Phantaſie unferer Jugend es fi) nur ausfchmüden konnte: 
für uns haben fie feinen Werth mehr, denn wir find 
ihrer nicht mehr werth. Unfer Dafein iſt einmal ange 
freffen und im innerften Lebensfeime zerflört von bem 
Wurme der Selbſtverachtung. Der Kal Warſchaus if 
der bedeutendfte Lebensabfchnitt für viele Menfchen ge- 
wein: von dem Falle Warſchaus an batirt fich die 
moralifche Zerſtäͤrung Unzählige. Das find in den Au⸗ 
gen unferer bureaukratiſchen Schreiberfeelen vielleicht Uber⸗ 
treibungen, überfpannte Gefühle, fie find aber nichtsdeſto⸗ 
weniger wahr. Ich habe fie an mir fowol wie an gar 
vielen Freunden erlebt. Wir haben die erſte Heftigkeit 
diefes Schmerzes überwunden. „Denn was verfchmerzte 
wol nicht ber Menſch!“ 

Die Eisdecde der Gewohnheit hat ſich über dieſe ewig 
frifhe Quelle des Grames und ber Selbſtverachtung ge- 
lagert, aber unter berfelben fprudelt fie, wenn auch ge: 
raͤuſchlos, doch unverfiegbar fort. Den gefpenftigen Schat⸗ 
ten des hingesnorbeten Polens haben wir abfihtlih in 
den Hintergrumd unferer Seele zurüdgebrängt, damit er 
uns nicht mehr flöre in der trivialen Gewohnheit des 
Lebens, im Effen, Trinken und Schlafen, im Converfi- 
ten, Kritificen und Politifiven. Man fucht die Stimme 
des Gewiffene fo gerne zu übertäuben und mag bie ei- 
gene Selbſtverachtung nicht gern fich eingefiehen. Aber 
die höhere Lebenskraft ift darum nicht meniger gelähmt, 
wenn auch das bleierne Gewicht der Schuld nur im 
tiefften Innern der Seele ruht. 


. Seit jenem Unglädstage bin id nie mit einem alten 
Freunde und Genoffen wieder zufammengefommen, mit 
dem ich den alten fröhlichen Austauſch von Ideen. und 
Empfindungen hätte erneuern können. Kein begeiftertes 
Wort wagte fi) mehr über unfere Rippen und wir hat⸗ 
ten ben Glauben an unfere eigenen Begeiſterer verloren. 
Es war vor einigen Jahren, als einer meiner liebften 
Sreunde nach zehnjähriger Trennung mit mir Abends 
wieber zufammenfaß. Es war ihm gut gegangen, 
fo mad die Welt gut geben zu nennen pflegt: er 
war in geachteten, bürgerlichen Verhaͤltniſſen, galt für 
einen eifernen, principiellen Charakter, hatte eine liebe 
Frau und gefunde, fröhliche Kinder, und Jedermann pro⸗ 
phezeite ihm eine bedeutende Zukunft und einen immer 
weitern Wirkungskreis. Und auch ich hatte vergleichungs- 
weife mit vielen Andern mich nicht zu befchweren. So 
faßen wir denn zufammen, über Allerlei verftändig fpre- 
hend, uns unfer. Glück gegenfeitig rühmend, unfere Hei- 
nen Lebenserfolge erzäblend. Und je lebhafter wir äu« 


ßerlich wurden, befto oͤder, verzweiflungsvoller wurde es 


in unferm Innern; defto mehr fühlten wir Beide, ohne 
e6 zu fagen, den Unterfchied zwifchen Sonft und Sept. 
Fe mehr wir prahlten, defto bewußter wurden wir uns 
unferer eigenen Sämmerlichleit, bis denn endlich einer 
bie Hand des Andern ergriff, und mit düſterm Schmerze 
die Worte ſprach: Es märe doch beffer geweien, wenn 
wir damals, kurz vor dem Kalle Warfchaus, nach Polen 
gegangen, wie wir es beabfichtigten, und im Gewühle 
der Schlacht gefallen wären. Brei und ſtolz wären wir 
aus ber Welt gefchieden, sans peur et sans reproche. 
Der Glaube an uns felbft, an unfer Vaterland, an un- 
fere Mitmenfchen wäre unfer Iegter Athemzug gewefen. 
Und alle biefe alten verharrfchten Wunden find nun 
bei der Kunde von: dem neuen Aufftande Polens wieder 
aufgebrochen: alle die alten Schmerzen find wieder da 
und nur ber alte Zubel fehlt. Die einmal verlorene 


Unſchuld laͤßt fich nicht wieder gewinnen, aber zur Neue 


und zur Sühne tft noch immer Zeit; und kann ich nicht 
ſelbſt Hinziehen nach Polen, um meinem Gewiffen Ge- 
nüge zu thun: fo will ich wenigftens mit matter gebro- 
hener Zunge — benn wie anders und feuriger hätte ich 
damals für Polen fchreiben fönnen! — ein Zeugniß ab- 
legen für Polen. Kein Hahn foll wieder kraͤhen, der 
midy auf ber alten Verleugnung ertappte. Ja, wer 
fönnte die Stirn heben, noch ferner öffentlich mitzufpre- 
chen, noch ferner von Recht und Freiheit zu reden und 
über Polen, über die erfte tieffte Gewiffensfrage der Zeit, 
der gegenüber alle andern als Fein und nichtig erfchei- 
nen, au ſchweigen! 

Ih kann nichts Neues über die polnifche Angelegen- 
heit fagen, nichts, mas die ganze übrige Welt nicht eben- 
fo gut wüßte als ich felbft, und dennod muß ich für 
Polen fprehen. Das ift ja eben der Fluch des gegen- 
wärtigen Deutſchlands, das ift ja die namenlofe moralifche 


. Berächtlichkeit, in der wir alle bahinvegetiren: daß eben das 


Einfachfte, Wahrfte, Nothwendigfte, deffen Jedermann 
im innerften Bufen ſich bewußt ift, nicht über bie Lippe 





au treten ; entionnelle Ruckſichten er⸗nahbene einer zubbfligen - dieſes wiberſinnigen Luf⸗ 
Sebrachte —S e an die Ehe det reifen * wanhes, um und di uigc ce nes 2 —ã 
Fre Yes getzeteufind; baß wir und ordentlich von .un- Nugen au * n, welches beinahe fo viel koſtet als die Sachen 
fern eigenen Zuſtaͤnden, ſo offen fie auch auf der Band j 
Wiegen, fürchten und fie nicht auszuſprechen und zu nen⸗ Ein englifher Pedant. 

nen wagen. Die Sache Polens lebt in ‚jedem Herzen, Die Pebanterie ift Beine ausſchlichliche Domeine ber deut: 
in der Hütte des Tagelbhners wie im Palaſte, und boch | fihen Gelehrſamteit, obwol fie bei und in Zolge von Umftänden 


d 
, . . die biß zur legten Zeit alles frifhe naturgemäße Weben und 
wagt Niemand anders als flüſternd, andeutend barüber Leben nerdechieiten, befonder8 angebaut worden iſt. Jedes Bolt 


‚zu reden, gleich als ob biefe hunbertjährige Keibenöge- | Eur mehr oder weniger ſoiche Räuze, denen taub -und Sim: 
fhichte ein tiefes verſtecktes Geheimniß wäre. Eben weil | mei lieber iſt als das Beim am gelonen Saum bed Lebens. 
ich ‚nichts Neues fagen kann, will ich über Polen fores | Mom weiß, daß derglejchen Leuten die licantian poetarum Jänzft 
enn, wenn es mit ben Menfchen 0 weit | sin Gräuel gewefen find. Gewoͤhnlich haben die zahlreichen Ber: 
hen. Dem, ſch exit 1 öß Zeitrechnung, Geſchichte, Erd: und lskund 
getommen it, Daß fie das Dffenfunbige, Langübedanmte | Ders "Le Biker faben zu Ehulden tommen Tafen, Gegen 
. ‚ Segen: 
Gewiffe nit mehr auszufprahen wagen: was fremme | and der Anklagen und Angriffe von Seite biefer Beute gebil: 
ihnen dann noch das Neue? Wahrlich! wir bedürfen Beine | det. Aber damit ſcheint "die Sache noch wicht gethan zu fein. 
neuen, moralifhen und politifchen Entdeckungen: wir | Denn vor kurzem iſt ein engliſcher Schulfuchs, Here R. Rewell, 
. aufgeftanden und bat ein eigenes Werl: „The zoology of the 
Haben vollauf zu thun, um erft mit den alten einfachen 6 Fi „fi —— 
iten i ine zu fommen, um alte Sünden ‚note, | nglieh poets, corrected by the writings of modern na- 
ander“ alte Pflichten zu erfüllen, alte Wahr — — en Per ur — Stellen Ei 
erg ' - | englifhen Dichter auffucht, in denen ümer s 
beiten zu bethätigen. Nichts zeigt fo fehr die moralifche | ziehung ber pierweit finden. Schade -um die unverdroffene 
Kraftkofigkeit unferer Zeit, als diefe Sucht, dieſe tindi- | Mühe, die ed fih ber arme Mann hat Eoften laffen ; ſchwerlich 
ſche triviale Lüſternheit nach neuen ober new fein follen- —A fein Vaterland oder die Welt großen Dank bafüt 
den Gedanken, als diefe Luft an Syftemen und theere- | " 
fen Streitigkeiten, womit die fittliche Ohnmacht fich 
figelt und ſich vorfpiegelt, auf ſolche Weife die Welt er- 
Töfen und ihre Pflicht erfüllen zu können. 
(Die Fortſetzung folgt.) 
















Drei Buchfehler. 

Die „Biographie universelle” nennt den Herzog Franz 
n Bridgewater ſo reich, daB er jährlich 116,000 HF. St., 
alfo etwa 770,000 Zhlr., Eintommenfteuer bezahlt habe. Das 
Wahre daran ft, daß der Herzog diefe Summe als Betrag 
feines jährlichen Einkommens angab, was einen gewaltigen 
Unterfihied macht. — Ebenfo nennt der franzoͤſiſche Aſtronom 
Lalande den berühmten Fergufon „berger du roi d’Angleterre 
en Ecosse”, aljo des Königs von England Schafhirt in Schott: 
land. Das mag daher rühren, weil Ferguſon in feiner Jugend 
einem Pachter unweit Keith in Banffihire einige Jahre bie 
Schafe hütete. — Smollett fagt in feiner „History of Eng- 
land”: „Die alten Briten hatten keinen Getreidebau und wohn 


Notizen aus England. 


Der Katalog der Be lemmtung des Britifchen 
ufeum. 

Die Vorftände des Britifchen Mufeum haben auf den Be: 
ſchluß des Unterhaufes, Daß mit Beröffentlihung ded Bücher: 
—5 der Bibliothek dieſer wiſer ſheftichen an „Heu: 
ni gonnen werden möge, erwidert: daß Fein heil einer | gm ; tan.” | . 
fotzden alphabetifch geordneten Arbeit eher gedruckt werden koͤnne, sen in fixe beeten Hütten.” Rein Getreidebau und St: 

. Dächer: woher das Stroh? Denn mit dem Feftlande ftan 
bis das ganze Manufeript vom erften bi6 zum legten Artikel | yon die alten Briten in Feiner Verbindung. 16 
zum Drud Fertig und jeder in die gehörige Reihenfolge ein- 
grande a Dick —A— A a wolle man ein Bit 7 x 
völlig richtiges und vollftändiges Regiſter haben, indem die un: oo i ariſche e 
ter den letzten Buchſtaben des Alphabets eingereihten Bücher die , er ſch nzeige 
Hinweiſung auf Buͤcher unter den vordern Buchſtaben, ſowie Die Unterzeichneten haben ſich zur Herausgabe folgender 
8 rear nothmwenbig — ne nicht möglich ki , gan Schrift veranlaft gefehen: 

er Druck ber letztern bereit gefunden. Aus diefen Grün: | 4; : eur: 
den haben die genannten Borflände von dem unvermweilten Be: Über bie Verhältniffe ber Buchhandlung F. U. 
ginn | be —— zu müflen geglaubt. er bie Prefe Brockhaus in Leip tg zu Herrn Hofrath Dr. J. 
in and ift über die neue Verzögerung ded Dringend » Ge: ; : im . 
wünfhten nicht wenig umgehalten. Das „Athenaeum“ meint: P. E ermann in eimar ın Beziehung auf das 
es gebe aut Diefer Srktärung beuttüc hervor, Daß die ‚gegen Bert „Befpräce mit Goethe in. den leßten 
wärtige Generation nicht nur Beinen ganzen Kata ondern Ä u | j 
nicht Einmal einen Theil davon erhalten folle, daß man alfo Jahren ſeines Lebens + (Aus ben Acten zu⸗ 
bind oe Deud ju Sunften einer entfernten —A ſammengeſtellt und als Manuſcript gedruckt.) 

eſchloſſen. Merkwuͤrdig iſt, was über die Koſten der Abfaſſung . , 
diefes nimmer erfcheinenden — geſagt wird. Sollte es fu Jemand von beſonderm Intereſſe ſein, dieſe 
‚Ran nimmt allgemein an”, heißt es, „daß die Summe, weiche Schrift zu beſitzen, fo wird ihm dieſelbe, fo weit der Vor⸗ 
allein für den Buchſtaben A aufgewendet worden ift, ſich auf | rath an Exemplaren reicht, gern überlaffen werben, wenn 


20,000 Hf. &t. cder noch höher beläuft, und dies ift Lange er ih im Wege bes Buchhandels an die Bu 

nicht der umfangreichfte noch der Foftfpieligfte Buchftabe des Alpha: ſich * A. Brodbans wendet. handlung 
bets. Aber felbft Diefen Betrag als Durchſchnittsſumme angenom- R 14 fi 1846 

men, werden wir eine Yuslage von mehr als einer halben Million eipzig, im Zuli . : 
Pf. St. bis zu der Zeit zu machen haben, wo unfere Enkel fih im Friedrich Brockhaus. 
Befip dieſes Berzeichnifies befinden. Es erfodert nur die An⸗ Heinrich Brockhaus. 


Berantwortlicher Geraudgeber: Geiurich Brockkans. — Drud und Verlag von F. E. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Freitag, 


10. Inli 1846. 





Verfoffungefrage „und das norbi 
96 —** iſche 


Die preufßiſche 
Yrincip. Von einem , 
Bierter und legter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 198.) 


Uber das Berhaͤltniß Rußlands zu Polen will ich 
wicht reden. Ich fehreibe für keine ruffifhen Lefer. Auch 
das Verhältniß. Oſtreichs zu Polen will ich nicht erör⸗ 
ten. Es Handelt fih um Preußen bei biefem Auffage. 

Zuerft eine Vorbemerkung. Ich glaube an Preußen 
und faffe mir biefen Glauben nicht nehmen. Ich glaube 
an Preußens höhere Beſtimmung: ich glaube an feinen 
Beruf, in der gegenwärtigen Zeit eine Führerrolle auf ber 
Bahn der Humanität zu übernehmen und einen Fort⸗ 
fegritt dee Menfchheit zu vermitteln. Ich glaube an ei- 
nen großen, heiligen gefchichtlichen Beruf Preußens in 
dee Gegenwart; und melde einzelne Umſtaͤnde auch 
fortwährend daran arbeiten und es verfuchen, mir diefen 
Stauden zu nehmen, mich Irre an demfelben zu machen: 

fo iſt er do fo tief mit meinem innerften Leben ver- 
wahien, dag er immer wieder von neuem ausfihlägt und 
Blüten treibt, fo oft et auch gefnidt und feiner Triebe 
berandt wird. Der Glaube an Preußen tft bei mir or- 
ganifch geworden, er tft ein conflitutionnelles Grundele⸗ 
ment meines Lebens. Preußen tft entweder Nichte oder 
es iſt das edelfte Glied im Organismus der gegenwaͤr⸗ 
tigen Menſchheit. Ohne bie hoͤchſten ſittlichen und idea⸗ 
In Zwecke kann ich mir Preußen nicht denken. Dar⸗ 
um ift es auch ganz natürlich, wenn man hohe ſittliche 
Anfoderungen an daffelbe macht, und wenn man das 


öffentliche Leben deffelben einer fchärfern, bitterern Kritik 


untensirft als es bei manchen andern Staaten und DVöl- 
fern zu gefchehen pflegt. Die preufifchen Staatsmänner 
beklagen ſich über diefe bittern Urtheile, mit welcher vor⸗ 
zugsweife die preußiſche Regierung heimgefucht wird. 
Aber fie follten nicht verkennen, daß eben darin ein Be- 
weis liegt, wie hoch der Beruf Preußens in der Achtung 
der Deutfchen fleht und welchen großartigen Anfoderun- 
gen man Preußen für gewachfen hält. Preußen ift das 
Shmerzenstind unferer Hoffnung, unferer Liebe, unferer 
Begeifterung. Wir erwarten von Preußen die Erfüllung 
Deſſen, was die Gefchichte als mahr und gut und fchön 
beransgeftchit hat. Mögen fo hohe Anfoderungen Denen, 


Die vorzugsweife bei Leitung ber Staatögefchäfte bethei⸗ 
ligt find, auch Häufig laͤſtig und empfindlich werben, moͤ⸗ 
gen fie für ihre Perſon ſich dadurch verlegt fühlen; aber 
nie follten fie Doch im ihrer perfönlichen Gereiztheit ver- 
geffen, daß der edelfte Patriotismus diefen unzufriebenen 
Kritteleien häufig zu Grunde liegt und daß man der 
alertreuefte Sohn Preußens fein kann, wenn man fi 
auch an einzelne Perfonen und einzelne Maßnahmen der 
Regierung fortwährend reibt. Gin Angriff auf einzelne 
Zuftände, einzelne Gefetze oder einzelne Beamte Pren- 
ßens iſt noch kein Angriff auf den Staat Preußen felbfl, 
wie man ‚nur zu häufig annimmt; vielmehr möchte oft 
umgefehrt gerabe in ſolchem Gebahren ber Beweis für 
das höchfte Intereſſe und für die lädenſchaftlichſte Liebe 
gegen Preußen liegen. - | 
Wir glauben aber, daß nicht nur die Weltregierung 
einen fo Hohen ethifchen Beruf für Preußen im Al⸗ 
gemeinen beftimmt hat, fondern wir find auch feſt 
überzeugt, baß ber jegt regierende König einen ſolchen 
Beruf feines Volkes erkannt und acceptirt hat. Sein 
Bewußtſein einer idealen Aufgabe, bie er zu löfen, iſt 
zw unverfennbar, als daß nicht Jeder, der ſehen kann 
und will, ſich davon überzeugen müßte. Und darin 
liegt eben der zweite unwiderſtehliche Antrieb, fort und 
fort mit fittlichen Anfoderungen für die preußiſche Ne 
gierung hervorzutreten. Nicht nur die Überzeugung vom 
Berufe Preußens tritt dazu, fonbern auch imsbefondere 
die Überzeugung vom bem Berufe bes jegigen Könige. 
Mit diefen hohen fittlichen Anfoberungen der Zeit 
treten wir alfo an das Verhältni Preußens zu feinen 
polnifhen Provinzen und zu Polen überhaupt hinan, 
und mit dem Mafftabe einer geläuterten chriffichen Por 
litik wollen wir fein Verfahren meffen und abmägen. 
Man werfe und nicht ein: daß wir übertriebene ibea- 
tiftifche Anfoderungen machen; daß wir Preußen eine Po- 
litik unterzufchteben ſuchen, für die es nicht reif fei, bie 


ins Bereih der Unmöglichkeit gehöre. Wenn wir Die 


‚Ausübung hoͤherer fittlicher und wahrhaft chriftficher 


Grundfäge in Bezug auf Polen von unfern preußiſchen 
Staatsmännern fodbern, fo wollen wir uns doch hüten, 
ihnen Principien unterzufähteben, weldye ihnen fremd find 
mb welche fie felbft niche heilen; wir wollen uns blos 
an ihre eigenen Worte, an ihre eigenen Brundfäge Halten, 


762 


verlangen weiter nichts als baf ihre Worte auch im Be⸗ 
zug auf Polen eine Wahrheit werben. 

Ein hoher Sinn für Gerechtigkeit fpricht fich feit der 
Thronbefleigung Friedrih Wilhelm's IV. in allen Erlaf- 
fen der preufifchen Regierung aus. Die preugifche Re⸗ 
gierung fpricht es öffentlich aus, daß ihr die Gerechtig⸗ 
Leit heilig fe. Wir brauden Das nicht weiter zu be⸗ 
weifen und mit Documenten zu belegen. 

Nun denn: Gerechtigkeit auch für Polen! Wer Ge- 
rechtigkeit von Andern verlangt, von feinen Beamten, 
von ‚feinen Unterhanen, von andern Staaten und Böl- 
fern; wer einen heiligern Sinn für ‚Gerechtigkeit wieber 
einführen will in die Gemüther der Menfchen ; wer bei 
jeder Gelegenheit auf die Gerechtigkeit provocirt: Der muf 
ſelbſt gerecht fein in allen feinen Handlungen und alle 
feine Berhältniffe der Idee der Gerechtigkeit gemäß ein- 
richten. 

Iſt das Berhältnig Preußens zu feinen polnifchen 
Provinzen ein gerechtes? Mag man die ewigen Grund» 
fäge der Gerechtigkeit noch fo Lünftlich drehen und deu- 
ten: nie wirb man dahin gelangen, biefe Frage mit 
einem ebrlihen Ja beantworten zu Fönnen. 

War die zweimalige Theilung Polens, in deren Folge 
Polen um feine Exiſtenz, um feine Freiheit und feine 
Nationalität betrogen wurde, und ohne welche die jepi- 
gen polnifhen Provinzen nimmermehr an Preußen ge- 
langt wären, etwa eine gerechte Handlung ? Und war 
die Molle, die Preußen bei diefem Acte fpielte, etwa eine 
eble und gerechte * Der trete auf, der Diefes zu behaup- 
ten wagt! Ich Eenne die Scheingründe, die man zur 
Rechtfertigung biefer ſchweren Sünde anzuführen pflegt; 
ih kenne fie zur Genüge, biefe Rückſichten der fogenann- 
ten Nüglichkeit, der fogenannten Nothwehr, der foge- 
nannten hoͤhern Politik. Aber ich weiß auch, daß jeder 
einzelne Menfch ſowol als jeder Staat feierlich dagegen 
proteftiven würde, wenn man nach folchen Gründen mit 
ihm felbft, verfahren wollte. Ich weiß, daß die allge 
meine Anerkennung und Rechtfertigung biefer Gründe 
das Grab aller Rechtlichkeit und das moralifhe Verder⸗ 
ben der Menfchheit fein würde. Nimmermehr wirb da- 
ber das gerechte Preußen ſolche Grundfäge im Allgemei- 
nen als feine eigenen prockamiren, nimmermehr wird es 
fein damaliges Verfahren gegen Polen ald Norm feiner 
jegigen Politik Hinzuftellen wagen. Im Gegentheil, «6 
wird dieſe Grundfäge der Kift, der Habfucht und der 
roben Gewalt im Allgemeinen mit Abſcheu von fich wei- 
fen; es wird feierlichft dagegen protefliren, wenn man 
ihm eine ähnliche Handlungsmweife in biefem Augenblid, 
fowol nach innen gegen feine eigenen Uinterthanen ale 
nach) außen gegen fremde Staaten, zutrauen will, Aber 
was im Allgemeinen unrecht, ift Das etwa für Polen 
recht? Gibt es eine beſondere, ausnahmsweiſe Berechtig- 
keit für Polen, welche gerade das Gegentheil von Dem 
lehrt, was ſonſt gerecht iſt? Ich denke: es gibt nur 
eine Gerechtigkeit! Oder wenn man einmal Polen von 
diefer einen, allgemeinen Gerechtigkeit ausnimmt, fo fehe 
ih wahrlich nicht ein, warum man nicht bei jeder be- 


liebigen Gelegenheit auch jebe andere beliebige Aus- 
nahme machen Lönnte, auf welche WBeife denn zulegt das 
Zundament bes Zufammenlebens der Menfchen, die Ge⸗ 
rechtigkeit, völlig iluforifh und zur lügnerifhen Phraſe 
würde. Nein! Das geht wahrlich nicht an! Das darf 
Niemand ſich zu fagen erlauben: „Im Allgemeinen will 
ich gerecht fein, aber in diefer befondern Angelegenheit 
will ih eine Ausnahme machen und will ungeredht fein.” 
Wenigftens wird Jedermann gegen folhe Phariſäer auf 
feiner Huth, fein, und in deffen gerechte Gefinnung über⸗ 
haupt die allerentfchiedenften Zmeifel fegen. Und fo barf 
denn auch Preußen, welches ja die Gerechtigkeit im Zu- 
fanımenleben feiner Unterthanen fowol wie im Zufammen- 
leben mit andern Staaten realifiren will, nie und nimmer 
fprehen: „Sch bin begeiftert für einen gerechtern Geiſt in 
der Politit; aber auf mein Verfahren gegen Polen Tann 
und foll diefer Geift keine Anmendung finden.‘ 

Nun denn: war jenes Verfahren ein ungercchtes, iſt 
dann das Beharren: auf diefem Verfahren, ift bie Be— 
bauptung jener unglüdlichen Zuftände, welche duch Ber- 
rath und Gewalt herbeigeführt worden find, nicht im- 
mer noch diefelbe fortlaufende Ungerechtigkeit? Es ift 
wahr: gar viele Staaten, wie fie jegt beftehen, find 
auf eine Weiſe entitanden, die auf der Wagfchale der 
Gerechtigkeit zu leicht befunden werben möchte; aber 
die Zeit hat diefe moralifhen Ubelflände bereits ausge- 
glichen, fte find verjährt und haben aufgehört in der Ge- 
genwart eine Ungerechtigkeit zu fein. Selbft bie ur« 
fprunglich Verlegten verlangen keine Wieberherftellung in 
den Zuftand, denn fie find mit dem gegenwärtigen Staate 
unwiederbringlich verwachfen. Aber nimmermehr ift Das 
mit Polen der Fall. Die Nationalität Polens ift noch 
vorhanden, bie Polen verlangen fie zurud und nur bie 
Gewalt fegt fi ihrer Foderung entgegen. Ich verftche 
diefes Raifonnement vieler fonft gerechten Männer nit. 
Sie geben zu, daß die gewaltfame Unterbrüdung Polens 
eine Ungerechtigkeit gewefen fei; aber fie halten es für 
gerecht und billig, dieſe einmal vorhandene Ungerechtig⸗ 
keit aufrecht zu erhalten. Mit Abſcheu fprechen fie von 
ber Theilung Polens. Ste malen ihre Hände in Un- 
fhuld und glauben ſich völlig gerechtfertigt, weil fie e6 
nicht felbft gewefen find, welche bie erften. Schritte gethan 
und die erfien Plane gefaßt haben. Das nenne ih mir 
eine bequeme Moral! Aber täufcht euch nicht! Glaubt 
mir: die Sünde der Theilung Polens, fie ift noch nicht 
beendigt, fie wird täglih und flundlih von neuem be- 
gangen und euere eigenen Hände find es, die fortwäh- 
rend dabei thätig find. 

Die Polen find von neuem aufgeflanden ; fie find 
Rebellen, Hochverräther gegen ben preufifchen Staat 
nach den beftehenden GBefegen. Großer Gott! ich danke 
bir, daß ich niche Nichter bin in dieſer Unterfuchungs- 
ſache. Der Buchftabe des Gefeges ift gegen fie; aber 
der Geift ber Gerechtigkeit, das ewige unveräußerliche 
Recht ift auf ihrer Seite. O ber ungerechten Willkür 
ber Menſchen! SHochverrath tauft man Das, was bie 
beiligfte Pflicht ift gegen Volk und Staatt- Wie fol 


768 


unter den eigenen Unterthanen wirkliche wahrhafte Chr. 
furcht vor dem Beſtehen bed Staats erzeugt werden, 
wie fol wahrhafter Abſcheu gegen den Hochverrath die 
Herzen burchbringen, wenn der Hochverrath von dem 


Staate felbft auf folhe Weife geheiligt wird? 


Es genügte nicht nur, daß das äußere Geſetz eine 


Zhat zum Verbrechen ftempelt, auch das moralifche Be⸗ 
wußtſein muß bemfelben entfprechen. Weh dem Staate, 
deffen Gefeg mit dem moralifchen Bemußtfein, mit 
den Gewiffen feiner Unterthanen in fchroffem Wider 
ſpruche ſteht! Und fo fteht es in Bezug auf bie Po- 
len. Das Geſetz verdammt fie, aber das Gerechtigkeite- 
gefühl fpricht fie frei. Ja! es ift eine moralifche Un- 
möglichkeit, die Strafe des Hochverraths über fie zu ver- 
hängen, die fie doch nach dem Buchſtaben bes Gefeges 
verwirkt haben. Der König ift gezwungen durch fein 
eigenes Gerechtigkeitsgefühl, die Strafe der Verſchwoͤrer 
und Hochverräther zu mildern, wo nicht ganz zu erlaf- 
fen. Und wenn morgen ein neuer Aufftand ausbricht, 
fo wird man bie fogenannten polnifchen Rebellen von 
neuem begnadigen müſſen. Die preußiſchen Gefege bes 
Hochverraths haben ihre moralifche Geltung für Polen 
verloren, fie find unausführbar geworden. Kann ber 
Staat foldye bleibende Diisverhältniffe, die mit feinem ei» 
gentlihen Weſen im fchroffften Widerfpruche fichen und 
Geige und Recht völlig auf den Kopf ftelen, auf bie 
Länge ertragen? Und wenn man fortwährend genöthige 
Mt, die Angriffe der polnifchen Unterthanen auf den Staat 


ſtraflos durchfchlüpfen zu Taffen, mie fol man dann ge 


gen bie andern Unterthanen verfahren? 
Ehrfucht vor dem Staate, heilige Scheu vor dem 
Gefepe, Übereinftimmung der. äußern Gerechtigkeit mit 


der innern Gerechtigkeit: das Alles wird nie und nim- | 


mer erzielt werben, fo lange das Verhältnig mit Polen 
nicht velſtandig gelöft iſt. 
(Die Fortſetung folgt.) 


— — — — —— — — 
Romanliteratur. 


J. Rordiſche Landreiſe. Skizzen aͤhlungen und Gedichte 
12 Rpn o Quehl. ————— ——— 1846. 8. 
r. 


Us eine Babe für liebenswürdige Frauen und Jungfrauen, 
zur Erinnerung an die fminemünder Badereifen 1845, bezeich⸗ 
net das zweite Titelblait dieſes Werk; außerdem ift e8 noch 
einem Freunde gewidmet, und Die Badegäfte haben darauf ſub⸗ 
feribirt. Den Inhalt zu charakterifiren ift ſchwierig; die ſoge⸗ 
nannten unfterblihen Gapitel eines gewifien Theodulf's find 
von einigen jterblidgen des fwinemünder Badegaftes unterbro: 
Gen. Das Sanze ift in humoriſtiſchem Ton gehalten; der welt- 
beivegte Autor befpricht Zeit: und Bebensfragen, und geißelt die 
Borurtgeite der Menſchen und des Jahrhunderts; befonders ben 
bern Ständen zeigt er fi) nicht gewogen, namentlich Füuͤr⸗ 
Ren, Grafen und Freiherren. Diejenigen, die er aufführt, tau⸗ 
gen nicht viel, und der Freiherr von Schuft der als ein wirk⸗ 

Schuft, als ein entſprungener Unteroffi ier, welcher bes 
trogen und geftohlen hat, erkannt wird, nöthigt ihm die Be- 

g ab, wie leicht es fein müfle, unter Envalieren den 
Cavaliet zu fpielen. Über das Interefie an ber Beitbewegung 





konnte das poetiſche Element — wenn ja der Autor über eitt 
—* — au gebieten hatte — nicht aufkommen. Die Gedichte 
elbſt, meift Selegenheitsgedichte, find unbedeutend; einige flige 
zenhafte Erzählungen welche auf der Eiſenbahnfahrt mitges 
theilt werben, nugen auf diefer Fahrt recht willlonnmen gewe⸗ 
ſen ſein; dem Ref. ſchienen fie nicht bedeutend genug für den 
Drud. Um meilten erfreute er fih an einer Urt von Bilder» 
galerie der Babegäfte, welche, mit Humor carikirt, zuweilen das 

ſtimmende Lächeln des Leſers erregen muß; aud fühlt der⸗ 
elbe fi bewogen, in feiner Seele ein Bild des Autors au 
entwerfen, worin dieſer als ein gefcheiter unterbaltender Ge⸗ 
ſellſchafter, als ein Doctor ber etwas Tüchtiges gelernt bat 
erfcheint —, doch nicht als ein bochbefähigter Autor, wenngleich 
er gegen Cenſur, Froͤmmelei und Mangel an Offentlichkeit mit 


| großem Eifer zu Felde zieht. 


2. Bilder aus den Kriegszeiten Zirols. Geſchichtliche und poe⸗ 
tilde Erzäplungen von Alois Flic. Innsbrud, Wagner. 
1846. 8. 18 Rer. a 


„Die Erzählungen find mit Lebendigkeit und Geſchichtstreue 
mitgetheilt, ein ſchoͤnes Geſchenk fowol für den feurigen Pa» 
trioten wie für Alle, die ſich für Die tiroler Freiheitsfämpfe 
intereffiren. Die erfte Erzählung bezieht ſich auf den Kampf 
felbft, die zweite auf Stimmungen nach demfelben, die dritte 
auf Zuftände vorher. Die dritte Erzählung ift der Novelle am 
derwandteften. Der Verf. will durch fein Beifpiel aufmuntern 
zum Sammeln intereffanter Ginzelheiten und charakteriſtiſcher 
Handlungen, damit in der natureinfachen Darſtellung derſelben 
ein Gemälde des vaterlaͤndiſchen Weſens und Lebens zu jener: 
Zeit vollendet gegeben werde; auch verfpricht er felbft noch 
dazu Beiträge zu liefern, welches Berfprechen die Zefewelt gewiß 
mit Dank aufnehmen wird. Die Gedichte haben mebr hiftori« 
fen Werth als peetifchen: der Inhalt war mehr die Haupt⸗ 
ſache als die Form; doch ſind ſie ganz geeignet, im Volke und 
in der Jugend die Erinnerung an große und unglüdliche Beis 
ten zu bewahren. 


3. Sympathien. Ein Bild aus dem Seelenleben von Frie⸗ 
zriqh Dornau. Wien, Stöckholzer von Hirfchfeld. 1846, 
8. Thlr. 

Gräber und Kreuze, trauernde, ſchwebende Geſtalten, un⸗ 
erhörte Gefühle, unergründliche Empfindungen bilden in dem 
vorliegenden Büchlein ein fo undurcddringliches Gewebe ‚ daß 
man kaum einen Gefchichtsfaben daraus bervorziehen kann. 
Der Held Eduard ijt der Mann der Sympathien, der dret 
Grauen liebt, von breien geliebt wird, und flirbt weil die eine 
aus Liebe zu ihm geftorben ifl. Die verfrhiebenen GSeftalten 
gehören nidt Diefer Welt an, und die einfachften Lebensereig⸗ 
niffe werden fo wunderbar und phantaſtiſch aufgefaßt, daß de 
fid unter der Reflerion verlieren und den Gang der Erzaͤh⸗ 
lung nicht fördern. Daher kommt kB, daß der Lefer ermübet 
und nur mit Mühe feine Aufmerkfamkeit zu feſſein vermag, 
obgleich recht tiefe poetifche Auffaffungen, anmuthige Schilder 
rungen und ernfle wahre Reflerionen ihn dazu vermögen folls 
ten. Die Moral, welche Ref. aus dem Ganzen zog — er ſteht 
indeß nicht dafür, daß der Autor fie mit Willen Bineingebettet 
bat — ift: daß die geiftigen Don Iuan, deren Phantafie ſich 
immer mit Liebe und —* befchäftigen muß, ebenſo ungluͤck⸗ 
lich find als die wirklichen ausſchweifenden Don Juan ges 
wöhnlicher «Art. . 


4. Die Unbekannte. Aus den Papieren einer Zürftin, von ei» 
nem Unbelannten. Zwei Bände. Meißen, Goedfche. 1846. 
8. 2 Ahlr. 15 Ror. 

Ein Roman ſehr gewöhnlicher Urt, voller Licbedereigniffe 
und Hergensangelegenheiten verſchiedener Paare, welche ineinan« 
dergreifen, ſich begegnen und fid trennen, ſich verlieren und 
fi wiederfinden. Um ber Beitfrage einigermaßen zu buldigen, 





⁊64 


t der Leſer Jeſuiteuraͤnke; dieſelben ſind aber nicht allzu ge⸗ 
eingeflochten und gar wi meotioire. Der vorliegende 
komm iſt —— Bein Kunftwerk: der Werf. hat verſchie⸗ 
Gedanken, die er duch kecture zahlreicher Ro» 
mare “in er aufgefpeichert,, — Er bat einge 
Art Üprenlefe auf dem Felde der Romantik gehalten. Die Che: 
—* der —**— Perſonen find nur roh rritt und kei⸗ 
ner tritt und als originel entgegen. Möchte der unbekannte 
Berk. fo vieler Beheimniffe dem Yublicum nur immer Kb em 
Geheimniß bleiben 





Bibliographie. 


Anderfen, 9. C., Bilderbuch ohne Bilder. Überfeht 
qus dem Dänifchen von @, von keinburg. Frankfurt a. M., 
Brönner. 16. 10 Nor. 

Eatlin, G., Die Indianer Nord⸗Amerika's und die wäh- 
zend eines Sjährigen Aufenthalts unter denfelben erlebten Aben⸗ 
teuer. Rad der 9. englifhen Driginalausgabe deutſch heraus: 
gegeben von 9. er. Ifte Lieferung. Bruflel, Mu» 
quarbt. Gr. Ler.:8 
Dinter's, © F., otliche Scriften, durchgeſehen 

eordnet von 3. C. B. Wilhelm. Ifte Abtheilung ˖ (exe 
Werke). Ifter Band: Scullehrer:Bibel. Altes — 
Bücher Mofſis. Reuftadt a. d. D., Wagner. 8 


Die Frauen der BibeL In Bildern mit erläuterndem 
Zerte. Ifte Abtheilung. (frauen bes alten Zeftaments.) Ifte 
und 2te Lieferung. Leipzig, Brodhaus und Avenarius. 4. 


Nor. 
Heffe,. W., Gewalt der Liebe. Erzaͤhlungen nad) ge: 
Foichtugen u ea rungen, Zwei Theile. Leipzig, Kollmenn- 


Kann s va Abhandlungen aus dem deutſchen und preu⸗ 
Bifhen Staatsrecht. Ifter Band: Landſtaͤnde, allgemeine &tände, 
oe Sonftitution. Berlin, Reime. Gr. 8. 23 Ahlr. 


nz, K., Correspondenz des Kaisers Karl V. Aus 
dem Königl. Archive und der Bibliotheque de Bourgogne 
zu Brüssel mitgetheilt. 3ter Band. (1550—1556.) Leipzig, 
Brockhaus. Gr. 8. 4 Thlr. 

Montbolon, Seſchichte der Gefangenschaft Napoleon’ $ 
auf Sanct: Helena. 2ter Band. Leipzig, Brockhaus und Ave⸗ 
narius. 8. 25 Nor. 

Defterreichd Heerweſen in neuefter Seit. 
reichiſchen Dfficiere. Leipzig, Thomas. 3. 1 Ihlr. 


Bon ginem öfter: 
15 Rear. 


Reinbold, X, eyrifße und dramatifche Dichtungen. 
Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 1 TIhlr. 

Sand, G., Ausgewählte Romane, deutih von F. W. 
Brudbräu. te — dt Lieferung. Augsburg, v. Jeniſch u. 
Stage. Gr. 12. à 4 Ngr 

Schirmer, X , Gedichte. Frankfurt a. M., Keßler. 8. 
3 Ihlr. 

—2 — * Eine dunkle That. Roman. Leipzig, 
Brotkhaus. Gr. 2 Thlr. 
—ãA 8. F., Mein Glauben und mein Hoffen. 


(Gedichte.) Baden, Behnber. Gr. 16. 16 Rgr. 

&ue, E., Martin der Findling, oder Memoiren eines 
Kammerdienerd. Deutſche Originalausgabe unter Mitwirkung 
von. W. 2. Weihe. Iften Bandes Ifte Hälfte. Leipzig, Koll 
man. Kt. 8. 74 Ror. 

— — Martin, das Findelkind, oder Erlebniſſe eines Kam- 
merdieners. Ind Deutſche übertsagen von T. Heil. Iften 
ange Ifte Abtheilung · Grimma, Verlagscomptoir. Kl. 8. 

gr 


Sydow, F. v., Der Mann von Welt und feinen Sit 
ten. te Auflage. Leipzig, Kßling. 8. 15 Star. 

Baulabelle, U v. Geſchichte der beiden asien 
bie zum —— Karl's X. Aus dem Kranz 

&. Fin. Ifter Band. Baben, —8 ng ae! Vera. 

——8 W., Das Zeitalter ber —* 
ſchichte der Fuͤrſten —* Wiker Europas A dem Ausgange 
der Zeit Friedrich's des Großen. Ifer Bond Ifte Bieferung. 
keipag. Di enger. &. 8. 1 

um nliche Freiheit des roͤmi⸗ 


K. G., Über bie per 
ſchen Bürgers und. . gefeglichen Garantien derfelben. ine 
Ge Abhandlung. Darmfindt, Lange. Gr. 8. 


Be idrontiquer 


Sagestiteratur 


Ymmon, ©. %. v., Prebigt vor bem des Lanb- 
tages im Knigreig © Sachen am 17. Zuni 1846. Dresden, 
Balther. 


Nr. 
Gin Beitrag zur Eharakteriſtik der et in 
Böhmen. Leipzig, Keil und Comp. KL 8. 5 Nor. 
Denfey, S., Einiges über die Bedeutung des bie er 
liche Familie Bentind betreffenden —— — vom 1 
Juni 1845. „Göttingen ‚Dieterid. 8 TUR 

Betrachtungen über das Andringen auf echößten Schut 
der Gewerbſamkeit im — Sofbereine gegen fremde Mit 
bewerbung. Berlin. Gr Rgr. 

Bürger, E. M., Serbferiben an die gvangeifd-Tutbe, 
riſche Kirche zunaͤchſt in Siconſ in, 2 ars Preußen und 
Sachſen. Leipzig, Rößting. Br 

Cieszkowski, A. Graf "ur Berbefferung der Lage 
der Arbeiter auf dem Lande. Ein Bortrag. Berlin, Schröder. 
®r. 8. 4 Rear. 

Erelinger, Bertheidigung und Erkenntnifie in Sachen 
des Buchhändler Zheile zu Königsberg. Ein Beitrag zur 
Lehre der Beleidigungen und zur Beurtheilung des Berhältnife 
ſes eines Verlegers bei beleibigenden cenfirten Druckſchriften. 
Koͤnigsberg, Theile. Gr. 8. 15 Nur. 

Die Differenzen zwiſchen dem Officiers⸗Corps des Koͤnigl. 
Sächſ. J. leichten Reiter⸗Regiments Prinz Ernſt und einigen 
Bergakademiſten au Breiberg geargeeit v von dem Dfficierß- Corps. 
Dresden, eotthald Nor. 

Falkenberg, 8. F Stephanus oder die Beiriprer - Krom. 
ie Pnachtägebe, Barmen, Falkenberg. 1845. Gr. 9 

2 r 
Briebensworte an bie badifchen evangelifchen Geifktichen 
De von einem Landpfarrer. Karlsruhe, Madlot. 


amann, A., Über die Bedeutung der Peftalozsä'jchen 
Eiementarbildung in der Sefammtausbildung des Menſchen. 
Potsdam, Janke. 8. TY, Nor. 

Julius, ©., Die Bankbewegungen in Deutfchland. Iftes 
Heft: Die Entwidiung und eöfung der preußiſchen Bankfrage. 
Berlin, 2. Fernbach jun. Gr. 8. 12 Rear. 

Klufemann, F. A., Bas wir an unferer Kirche e haben? 
Predigt über Joh. 3, 1621. Magdeburg, Baenich. 3 Nur. 

Köliner, W. 9. D.E., Die wahre Bedeutung des Stu⸗ 
diumd der hriftlichen Theologie, mit Rüdfiht auf die theolos 
gifchen Berirrungen unferer Zeit. Einw akademiſche Rede. 
Göttingen, — —8 ar 8. * Nor: 

ie edangelifhe Land:ökirche Preußens. Zur Begrüßung 
—F Zeicht puode am Pfingſtfeſt 1846. Berlin, Schroeder. 
Nor. 


Redepenning, €. R., Was ift Wahrheit? Gedaͤchtniß⸗ 
buenigt au auf gen Juſtizrath Bergmann. Göttingen, Dieteric. 


es ig RD euth di Wiesba 
u rei Luther⸗Pre en. esbad 
Friedrich⸗ är. F 3%, Ror. 9 gt ı en, 


Verantwortlicher Herausgeber: Heiurich BSrockhaus. — Drud und Verlag von F. ME, Drockhaus in Kelpsig. 





Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


Sonnabend, 





affungöfrage und 
Von einem fire 
Bierter und legter Artikel. 
( Soxtfetung aus Nr. 191.) 

Kommen wir zu einem zweiten ethiſchen Gefichte- 
puntte, zus der Vaterlandeliebe. Auch Hier brauche ich 
nicht zu beweifen, wie fehr bie preußifche Megierung in 
ihren Reden und Grlaffen diefe Liebe zu fürbern und 
tief einzupflangen ſucht in die Herzen: ihrer Unterhanen. 
Den Stolz auf feine Geſchichte, die Liebe zu feinen gro⸗ 
fen Männern, die Begeifterung für feine Unabhängigkeit 
und Freiheit: — das Alles predigt fie bei jeber Gelegen- 
beit und mit Recht. . Ya, bie Vaterlandsliebe, das Be⸗ 
waßtfein der Nasionalirät und ber freien Entwidelung 


—* nordiſche 


berfeiben, fie IE etwas Heiliges und Schöneo ohne fie 


gibt es keinen Staat. Für fein Vaterland Isben, ale 
auf den von Gott uns angewiefenen Kreis, und wenn 
es fein muß fröhlich dafür zu ſterben, das iſt unfer al- 
ler . Dürfen wir aber Das, was uns felbft heilig 
if, bei unfern Mitmenſchen mit Füßen treten? Kann 
die Vaterlandeliebe bei uns zur Wahrheit werden, ift 
fie nicht eitel Phraſe und Wffectation, wenn wir fie bei 
andern Völkern verfolgen und verbammen? Oder iſt nur 
bie preufifche Baterlandsliebe etwas Gutes, und eine fran- 
zoͤftſche, eine englifche, eine polnifche Vaterlandsliebe ſchlecht 
und ſündlich? Gott Lob! aus jenen rohen Zeitaltern 
find wir heraus, mo mit fo parteiifhem Maßſtabe ge 
meflen werben burfte. Wer Die fremde Zugend nicht 
‘et, mit deſſen eigener Tugend ift «6 ſchlecht beſtellt. 
Die Unterdruckung der Ratimafität Polens ift wenig 
geeignet, das preußiſche Nationalgefühl zu Heben und 
zu Bären. Die preufifche Armee, welche heute bie Hel⸗ 
ben des Freiheit und bes Vaterlands gleichgültig nieder- 
ſchießt, fie wird ſchwerlich ſehr empfänglie fein für die 
Gefühle der Freiheit und der Vaterlandsliebe, wann es 
gilt für den eigenen Herb zu fechten. Das menfchliche 
Herz ift kein todtes Inſtrument auf welchem man nad 
Belieben Zöne auſchlagen ober fchmeigen laſſen kann. 
Ih will bier ein aufrichtiges Bekenneniß ablegen. 
Ih habe zwei Söhne und glaube fie nicht weniger zu 
lieben als jeder andere Vater. Glüdlicherweife waren 
fe noch nicht in dem Alter, um Militairdienſte leiften 
zu müſſen, ale bie Rachricht von dem polnifchen Auf⸗ 





11. Juli 1846. 





ſtande zu uns gelangte. Aber als ich hörte, wie bie 
pseufifchen Armeen nach Polen rüdten, und als id mir 
die Möglichkeit dachte, daß fpäter vielleicht bei einem 
ähnlichen Anlaffe meine Söhne gezwungen fein wurden, 
die Maͤrtyrer der polnifchen Vaterlandsliebe niederzuſchie⸗ 
fen: da fchauberte ich, und bee entfhiebene Entſchluß 
fand vor meiner Seele, in ſolchem alle fie lieber ſelbſt 
zur Defertion aufzufebern, felbft wenn: id) fie nie wieder 
fehen ſollte. Io, der Sohn, bes gegen die polnifche Frei⸗ 
heit ficht, er dürfte men Haus nicht wieder betreten. 
Aber damit hat es gute Wege, Ich Hoffe fie zu lehren, 
daß der Kampf für Freiheit und DBaterland etwas Gro⸗ 
ßes und Deiliges iſt. Die Namen Blücher und Scharn- 
horſt, Körner und Gneifenau, fie follen nicht an ihr Ohr 
ſchlagen, ohne daß ein Schauer der Verehrung dur 
ihre jungen Bergen bebt. Aber ic) müßte ein folche® 
Reſuitat fehwerlich zu erreichen, ohne die Namen eine® 
Koeciuszko, eines Konarski, und wie bie zahllofen pol 


niſchen Helden fonft heißen, in gleiche Linie mit Jenen 


zu ftellen. Es ift unmöglich, fie für den Kampf für das 
Vaterland zu begeiftern, ohne auf. bie glängendften Bei⸗ 
friele der neueren Geſchichte, auf bie Polen dabei hinzu 
weifen. Die Polen find in dem Curſus über Patriotis⸗ 
mus einmal nicht zu umgehen; fie find in biefer Bezie⸗ 
bung das. erfie Volk der Gegenwart. Mögen ihre fonfti- 
gen Fehler fo groß fein wie fie wollen, ihre zähe An⸗ 
haͤnglichkeit an: das Vaterland ift die bemunderungsmür- 
bigſie Erſcheinung der Neuzeit, und mir Alle find nicht 
werth, ihmen die Schuhriemen in dieſer Hinſicht aufzu- 
föfen. . 3a, ih bewundere fie, ih fühle mich Hein und 
niebrig im Vergleich ‚mit ihnen, und nie. foll ber Hahn 
kraͤhen, der mic; auf einer nieberträchtigen Verleugnung 
ihrer Größe ertappte, Armes Preußen! weldes gezwun⸗ 
gen ift, zu einer folgen Verleugnung der heiligſten Zu- 
genden, ber aufopfermdften Vaterlandsliebe ſich herzu⸗ 
geben! Auf welcher moraliſchen Bafıs ruht dann noch 
die eigene? Ehe Preußen aus diefem Zuſtande fih nicht 
befseit, vermöge deſſen es die Baterfandslicbe Achten. und 
ſchmaͤhen muß, eher iſt auch an feine preußiſche Tugend, 
on: keinen wahren, edein preußiſchen Patriotiemus zu 


Di weiß, was officielle Zeitungeſchreiber wir ont- 
gegnen werben. Sie werden, wie gewoͤhnlich, won hoh⸗ 


von flachen Declamationen, die vor ber Praxis ver- 
fhwinden. Aber diefen Vorwurf fchleudere ich auf fie 
zurück, fchleubere ich auf fie zurüd mit dem vollften ge⸗ 
zechteften Ingrimme. Es gibt ein Wort, was. uns Al⸗ 
Ien heilig ift ober wenigften® heilig fein ſollte. Mir ift 
ed daffelbe in der That und in der Wahrheit. Diefes 
Wort heißt Chriſtenthum. Ich kann ehrlich die Hand aufs 
Herz legen und fagen: Das Chriſtenthum ift mir etwas 
Unergründlich-Heiliges, und ich beftrebe mich, es innerlich 
und. äußerlich zu verwirklichen, Ihr aber, die ihr keine 
Zeile ſchreiben könnt, ohne dieſes Wort zu gebrauchen, 
deren britte® Wort immer der chriflliche Staat iſt: ihr 
feid die hohlen Theoretiker, die flachen unmwahren Decla- 
matoren! Warum erflärt ihr das Chriſtenthum nicht 
überhaupt für eine hohle Theorie, für ein phantaſtiſches 
Zuftgebilbe, welches keine reale Geltung im Reben haben 
koͤnne? Dann wäret ihr wenigftend ehrlich. 

Man gibt fih viele Mühe zur Wiederbelebung des 
Chriftenthums in Preußen, und wenigftens von Seiten 
des Königs liegt diefen Bemühungen gewiß der tieffte 
wahrfte Ermft zu Grunde. Auch iſt es gewiß, daß das 
Chriſtenthum gller Staatsweisheit Anfang und Ende ifl, 
und daß ohne lebendiges Chriſtenthum im Herzen ber 
Staatsangehörigen nach Feiner Seite bin ein wahrhaft 
fittliche® und glückliches Staatsleben gedacht werben kann. 
Aber mas die Mittel betrifft, die man zu diefem erha- 
benen und nicht genug zu preifenden Zwecke anmendet, 
fo fcheinen ſie doch oft gar zu äußerlich, kleinlich und 
zu wenig auf den tiefflen Kern der Sache eingehend. 
Liebe und Entäußerung feiner felbft find die praßtifchen 
Grundlehren bes Chriſtenthums, und Ghriftus ift das 
heilige, anbetungswürdige Beifpiel und Borbilb diefer 
Tugenden. Auch ber Glaube an Ehriftus, wenn er 
feine bios todte, dogmatiſche Annahme fein fol, ruht 
auf einer lebendigen Liebe und auf ber Sehnfucht nad) 
Selbftentäußerung. Se mehr biefe Liebe praktifch geübt 
wird und im Leben ſich ausbreitet, je wahrer und tiefer 
wird auch der Glaube an Ghriftus werben. Die mei- 
ſten Menfchen verflchen Ghriftus gar nicht mehr. Ja 
fo weit ift es gekommen, fo weit bat bie Liebe einer 
rohen thierifchen Gelbflfucht weichen müffen, daß bie 
meiften Menfchen nicht mehr fähig find, die Perſonlich⸗ 
Zeit Chriſti zu bewundern und fich vor ihr in den Staub 
zu werfen. Sie wiffen gar nicht mehr, was fie an ihm 
baben und was fie mit feinen Namen eigentlich anfan- 
gen follen; er iſt ihnen nur noch ein tobter Schall, den 
fie aus bloßer Gewohnheit noch dann und wann über 
ihre Lippen gehen laſſen, ohne daß ihr Herz von feinem 
unergründlicden Inhalte eine Ahnung bat. Alles Pre- 
digen von Chriflus wird ihn auch nie wieder lebendig 
machen in den Gemüthern. Durch Predigen wird der 


Glaube nicht wieder erzeugt, gepredigt iſt vom jeher ge⸗ 


nug und übergenug, zumal bei den Proteflanten, und trog 
dieſes Prebigens ift der Blaube fort und fort mehr ent- 
fhwunbden. Es gibt nur ein Mittel zur Wichererzeu- 
gung des chrifllihen Glaubens und biefes Mittel heißt: 


len Theorien fprechen, die fich im Leben nicht bewähren, 


Kriftliches Handeln. Das Bild, welches man von Chri⸗ 
ſtus im Herzen trägt, foll man durch feine eigenen Werke 
den Zeitgenoffen lebendig veranfchaulichen und vor Au⸗ 
en führen. In ben Werken muß die Serfönlichkeit 
hriſti lebendig wiebergeboren und ber ungläubigen, 
verirrten Welt von neuem vorgefährt werben: das ein- 
zige Mittel, um ihr die Fähigkeit wiederzugeben, ſich al 
mälig mehr und mehr in feine Perfönlichkeit wieder zu 
verfegen. Und nicht blos einzelne Stille .im Lande müf- 
fen dieſe Liebe und dieſe Selbftentäußerung in ihren - 
Handlungsweifen darlegen — Das ift von jeher gefche- 
ben und es ift gut, daß es gefchehen ift; denn wer weiß 
was ohne fie aus dem Chriſtenthume geworden und ob 
es nicht ganz abgeſtorben wäre; aber ein vereinzeltes 
Privathriftenthum im praktiſchen Leben genügt nicht mehr; 
es handelt fih darum, daß das allgemeine öffentliche 
Leben, daß die Dandlungen im Großen und Ganzen, 
wie fie vom Staate ausgehen, vom Geiſt der Liebe und 
Selbftentäußerung entfchieden durchdrungen werben. Die- 
fer fluhmürdige Dualismus, vermöge deffen die Großen 
der Erde ihren Unterthanen das GChriftenthum als eine 
Privattugend anempfahlen, vermöge deſſen fie Glauben 
und Liebe, Demuth, Gehorfam und Verachtung alles 
Irdiſchen predigen liefen, während fie füt ihre eigene 
Lebensweife und für die Handlungsweiſe des Staats 
eine ganz entgegengefegte Maxime befolgten und fogar 
offen erklärten, daß in Sachen der weltlichen Politik eine 
andere Moral zu befolgen fei als die chriſtliche: er muß 
vollftändig aufhören, wenn an eine chriftliche Wieder- 
geburt der Zeit gedacht werden fol. Dadurch, daß ber 
Staat und Die welche an feiner Spige flanden fort 
und fort lange Jahrhunderte hindurch undhriftlich gehan- 
beit haben, dadurch ift auch das Chriſtenthum zulegt in 
den einzelnen Bliedern des Staats ertödtet worben. 
(Die Sortfehung folgt.) 





Reiſewerk über Indien. 


Travels ia Kashmir, Ladak, Iskardo, and the countries ad- 
joioing the mountain course of the Indus. By 6. T. Vigne. 
Sei Bände. London 1845 


gen anzuftellen, aud aus Biqne's Werke fi) erweifen laſſen. 


als er Eng» 
Eſichtigt. Rur 


der. 
lands indifche Politik und indiſche Intereffen berü 
i er die Sache, nicht die Männer, deren Bänden 


berädfichtigt 


(ie vertraut ifis und was er für gut und nothwendig erkennt, 
" gut und nethiwendig, ob der Premier Perl oder Mel 
bourne, der Staatsſecretair des Auswärtigen Uberdeen oder 


—— * ber Generalgouverneur von Indien Hardinge oder 
rougb heiße. So kommt er wiederholt auf die Behaup⸗ 
tung —* daß Kaſchmir der Punkt ſei, wo bie engliſche Racht 
am obern Indus fich laͤngſt habe contenttiren ſollen und frühet 
oder ſpaͤter ſich contentriren werde. Man braucht aber weder 
großer Geograph zu ſein, um zu wiſſen, daß Kaſchmir am 
weſtlichen Ufer de Indus liegt, noch großer Polititer, um 
ſchon aus der Beitungslecture dad Refultat gewonnen zu haben, 
daß ſelbſt jene nach ben glorreichen, entſcheidenden Siegen 
über die auf britifches Gebiet eingefallenen Sikho ſehr gewich⸗ 
tige Stimmen in fand von einem Vorwaͤrts auf dem oͤſt⸗ 
lichen Ufer Dringend abmahnen. 

Kaſchmir feheint ſich überhaupt in die Gunft des Verf. ein 
gefihmeichelt zu haben. Er widmet ihm einen großen Theil fei- 
ms Buches, und die Rocalität ift vielleicht eine der Urſachen ſei⸗ 
ner Borliebe. Er befihreibt Kaſchmir (oder Cashmere) als ein 
Apenthal des Dimalayagebirgs zwifchen dem 33, und 35. Grade 
nördlicher Breite und dem 74. und 77. Grade öftliher Länge. 
& fol ungefähr 90 engtifche Meilen lang und von 160 — 
breit fein. Bon hoben irgen umfchlofien, trägt e8 zahlreiche 
Mertmole, daß es früher See, jedenfalls eine Gruppe Bleiner 
Seen gewefen if. Die Seitenabhänge des Thals find nirgend 
Reit, von der Natur und mittel Kanälen trefflich gewaͤſſert 
md fo fruchtbar, daß der ganze Diftrict ungeachtet feiner be: 
traͤchtlich hohen Lage einer der veigendften heile Afiens iſt. 
Daß er Shawls und andere wollene Waaren liefert, weiß in 
unferer Iururiöfen Zeit mancher Bräutigam und Ehemann aus 
Khmerzlicder Erfahrung. Wie in den meiften Ländern Hindo⸗ 
Mans ift auch bier die Bevölkerung ein Gemisch von Mufel: 
männen und Hindus; doc bilden Erftere die Mehrzahl und 
var in einem Verhaͤltniß von 3 zu 1 in den Städten, von 9 
za | in den Dörfern. Grauſamkeiten aller Urt haben die einft 
ſeht arte Volkszahl auf 200,000 vermindert und Bedrüdungen 
aller Urt den (dmwungpaften Handel gelähmt. 

Die bald Girinagur, bald Kaſchmir genannte Hauptſtadt 
liegt am Flufle Iylum oder Veyut in ber Rähe eines wunder: 
ſchonen Sees, der eine deutſche Meile lang und eine balbe breit 
in. „Die Stadt”, fagt der Verf., „bietet einen feltiamen, 
wicht beſonders gefäligen Anblick. Man fieht ein unzähliges 
Dureinander von Biebelhäufern, dazwiſchen die blanten Me 
talifpigen der Reſcheen, Melonenfelder, ſchilfige Buchten und 
J mit Weiden und Pappeln eingefaßte Kanäle. Der See 

vollfommen ruhig; nur das Geplaͤtſcher des wilden Gefluͤ⸗ 

16 oder das einer Barke nachziehende Gebräufel ftört feine 

en Spiegelbider. Gin Blick vergegenwärtigt die Beſchrei⸗ 
bungen in „Lallah Rookh”. ine Menge Dörfer inmitten von 
Ballnußbäumen und Chunars reiben ſich längs dem See, und 
querducch ſtreckt fich eine grüne ‚Heerfiraße. Uber die berühm: 
ten fhwimmenden Gärten von Kaſchmir fucht man lange ver» 
gehend. Sie verſchwimmen mit dem friſchen Grün bes üppi 
bebauten Bodens am Mande des die Stadt begrenzenden Bat 
ſers.“ Im Innern der Stadt fehlt es nicht an Überreften ches 
maliger Größe aus den Tagen des Rur Ichan Muhul, „des 
Lichts der Welt”, und aus nody älterer Beit. Sieben Brüden 
fpannen fih über den Fluß, der nahe bei der Stadt zur Strö- 
mung eingedämmt ift, 80 englifche Ellen breit und 12 tief, 
und die erwähnte Heerſtraße Freugt den 7— 10 Yuß tie 
fen See in feiner ganzen Breite. Bas ſchoͤne gefunde Klima, 
der reiche ergiebige Boden und bie vortreffliche Lage ber Stabt 
find die Localgründe für des Werf. obengedachte Behauptung, 
daß früher oder fpäter die englifge Macht am obern Indus 
ſich bier centralificen werde. Öbgleich die Einwohnerzahl fi 
auf 8,000 beläuft und Shamwimweberei immer noch verbältniß: 

äfig das einträglichfte Gewerbe ift, beftehen doch Baum SUO oder 

Stühle, die überdies fo ungeſchickt gebaut find, daß es zu 


Fertigung von zwei großen Shawls zweier Stühle und an jedem 


ſechs Monate lang der Arbeit von zwei Bännern bedarf. Der 
VPoſhm oder die Biegenwolle, aus weicher Die Shawis gefertigt 
werden, kommt meift auß Thibet und wird vorher gefponnen 
und gefärbt. Man bereitet gegen 40 verfchiedene een 
„Das Gelpinnft für zwei fehr große Shawle wiegt nicht über 
15 oder 20 Pfund und Eoflet 120 — 150 Eleine Rupien, 
die ungefähr 70 Thaler betragen. Nachdem das Gefpinnft ge» 
färbt ift, wird e6 durch ae gegogen, was ihm Peftig- 
Beit gibt. Die gleichzeitige Steife nimmt fpäter das Wafchen 
weg. Das Mufter wird ebenfo oft eingenäht als eingewebt.” 
in Shawl der erftern Art iſt von geringerer Qualität, fein 
Preis vieleicht 180 Feine Rupien, während einer der letztern 
Urt T— 8 koſtet. Aus derfelben Wolle werben auch die be» 
rühmten Handſchuhe und Strümpfe gefertigt. Übrigens befpricht 
der Verf. diefe Details mit der Rebenabfiht, den ungebeuern 
Gewinn onzudeuten, welchen dad Gewebe in den Händen eng: 


liſcher Arbeiter abwerfen müßte. 


Die Ihwimmenden Gärten in Kafchmir verdienen ſchon 
wegen ihres poetifhen Ruf Erwähnung. Der Berf. bat fie 
jedoch ſehr „un-lallah-rookish” gefunden, indem es ſchwer 
fein fol, fie von einem Beet Schilf oder Binſen zu unterſchei⸗ 
den; — ganz glaublih, denn auf eine Binfenmatte, wird eine 
Schicht Erde und Dünger gelegt, rings ein Zaun bon Schilf 

epflanzt, in der Mitte das Erdreich zu zwei Fuß hoben Hau- 
en zufammengeworfen , jeder mit Seeſchlamm getränft, darein 
die Melonen » oder Gurkenpflanze geſteckt und das Weitere der 
Ratur überlafien. Ein ſolcher unpoetifher Garten ift gewöhn- 
lich 10 Ellen lang und drei Ellen breit— um fo viel länger als 
breit, damit er bequem von einer Stelle zur andern gezogen 
werden Pönne —, und für einen oder zwei Thaler zu taufen 
Wenn der Verf. diefe Feine Enttäuſchung durdy feine blühende 
Schilderung der eigentlihen Garten, der ſchaͤumenden Casca⸗ 
den, ber großartigen Haine und des ätherreinen Waffers in 
jenem irdifhen Paradiefe vollauf vergütet, fo kann man wie: 
der nicht umhin zu bedauern, daß feine Bewohner foldher Ge⸗ 
nüffe unwerth find, — freilich eine Wiederholung der alten 
Wahrheit: „All but the epirit of man is divine.” Das Volt 
ift unwiflend und feine Herrſcher üben die fürchterlichften Un: 
bilden. Während der Verf. fi) in Kabul aufhielt, wurde die 
Gemahlin des Gouverneurs einer politifden Intrigue beſchul⸗ 
bigt und auf NRunjeet Singh's Befehl ihrem Gemahl zurückge: 
geben. r Sohn, ihr einziges Kind, der Liebling feines Bas 
ters, warf fih ibm — im Drient das ausdrucksvollſte Zeichen 
demüthigen Flehens — unbedediten Hauptes zu Füßen und bat 
um das Leben feiner Mutter. Mihan Sing verſprach ihr zu 
verzeihen, wußte aber bald den Sohn zu entfernen, und ließ 

die Ungtüdtie während des Badens in Dampf erftiden. 

er den Charakter der Kafıymirianer find bei ihren Nach⸗ 

barn drei Sprühmörter in Umlauf: 1) „Biele Hühner in ei⸗ 
nem Haufe befudeln es, und viele Kaſchmirianer in einem Lande 
verderben es“; 2) „Triffſt du auf eine Schlange, fo töbte fie 
nit, aber einen Kajchmirianer ſchone nicht”; 3)_,,Rimm einen 
Kafchmirianer nie zum Preunde, oder du haͤngſt ein Beil über 
deine Thuͤr.“ Der Bert. räumt ein, daß die fo Gefcholtenen 
ein lügnerifhes und betrügerifches Geſchlecht find, findet aber 
den Grund jener Rachreden in ihrer unglüdlichen Feigheit, in: 
bem er vermutbet, DaB deshalb die Rachbarn fich derlei Aus: 
laſſungen gegen fie erlauben; „denn im Punkte der Morali- 
tät”, fegt er hinzu, „bin ich geneigt anzunehmen, baß ber 
Kaſchmirianer beffer ift ald der Sikh und der Patan. Und die 
Frauen‘ fährt er fort, „find meift fo fchön, daß man mit den 
Mb Soldaten, als fie die ſchoͤne Judith erbliditen, aus: 
rufen möchte: « Wer koͤnnte ein Bolk verachten, das ſolche 
Weiber hatt» Ihre Kleidung beſteht in einem rothen Über» 
wurfe mit großen weiten Urmeln und einer rothen Binde um 
die Stirn, von welder eine weiße Mantilla niederfält. Das 
ar wird in Flechten gelegt und unten mit einer Quaſte von 

Pi Baumwolle behangen, die faft an die Knoͤchel reicht. 
Die Hindu⸗Frauen tragen außerdem um die Hüften weißes 


eichte Yalten 5 gebrochenes Tuch. Ein fogenanntes Purdak 
En Berhälen des Gefichts findet nur unter den höhern Staͤn⸗ 
den flott. - Wie fehr man aber au die Schönheit ber denſel⸗ 
ben angehörenden Frauen gerühmt bat, ich zweifle, daß es 
überteieben worden. Oft fehlt ihnen zwar jener ſchlanke, ge 
fälige Wuchs, ber in —** Gemeingut iſt; doch würde 
ihre Figur fie in eusopäifcher Geſellſchaft su hervorragen⸗ 
ben Erſcheinungen machen. Sie haben ben Zeint unferer tür 
netten mit etwas mehr Roth auf den Wangen, die Hindu⸗Frauen 
hingegen das Roth und Weiß bisweilen etwas zuviel umd glei» 
chen in diefem Betracht den Armenierinnen und Zürlinnen von 
Yarkund. Ihre Yugen find meifl groß, nußbraun und wie 
Mandeln gefcpnitten, ihre Bühne weiß und zegel te 
ermangeln natürlich des Zaubers und der Grazie, we he Ti⸗ 
viliſation und Talente verleihen; aber für Männes, deren 
Erziehung hierauf Feine Anſpruͤche macht, weiß ich Feine Frauen, 
die vor denen von Kafchmir der Borzug verdienen. Den na 
türlichen weichen Glanz ihrer Augen erhöht Die ſchwarze lange 
Wimper, und ein wenig Surmee oder Antimonium ift eine 
wi Ei Bugabe.” 

f. bat alles in die Politik Einfchlagende übergehen zu 
* und auch ſonſt fe nad Verdienſt von einem 


mäftn 
tehen koͤnnen, beflen Hauptwertb in einer Mafle 


uche 
—* Bemerkungen liegt, die ſich weder ausheben noch an⸗ 
a anerveihen laſſen, aber die Mühe des Leſens ee be: 





+ Geyffartd. 
Biblisgraphie. 
Albert, P., Das zerfallene Chriſtenthum, oder Sonn⸗ 


und Befttogspredigten wider die herrfchenden Mobelafter, fal- 
ſchen Grundfäge und, Scheintugenden unferer Beiten. In zeit: 
gemäßer Bearbeitung neu beraußgegeben von 8. 3. U. Koͤh⸗ 
A i alter Band. Iſte Abtheilung. Lindau, Stetmer. &r. 8. 
, 98 
Bethbmann-Hollweg, M. U. v. Ulfprung der Lom« 
bardiſchen Seäbtefreipeit, ok eis Unterfudgung. 
onn, Marcus. — 

Böttger, A — een. Srauerfpiel in fünf Auf⸗ 
zügen. zeipäig, Klemm. 8. Nor 
Bray, Mrs. Elisa, Heinrich von VPomeroy oder der &t. 
. ZIobannisabend. Aus dem Gnglifchen übertragen von B. F. 2. 
. Pin Drei Wweib. Grimma, Verlagscomptoir. Ki. 8. 

r. gr. 
—* gs 8 des Bmeiten. Ite Auflage. Zeitgemäß 
eingeleitet und erFlärt von F. Schufella. Leipzig, Brock⸗ 
haus. 8. 1 Zhir. 15 Nor. 

Das Buch der NRitterorden und Ehrenzeichen. Geichichte, 
Beichreibung und Abbildungen ber Infignien aller Ritterorden, 
Militair- und Eivil: Ehrenzeichen, Mebaillen ıc. nebft einer Aus⸗ 
wahl der vorzüglichiten Goftüme. Ifte Lieferung. Brüffel, 
Muquardt. Gr. Ler.:8. 20 Nor. 

Casper, J. L., Denkwürdigkeiten zur medicinischen 


Statistik und Staatsarzeikunde. ür Criminalisten und 
Nerzte. Berlin, Duncker und Humblot. Gr. 8 23 Thlr. 


gr. 
Disraeli, B., Eonterini Fleming. Ind Deutfche über: 
tragen von X. Seralgmar. ftev Band. Grimma, Ber: 
Iag8comptoir. 


Büger- Regtborn, Anna. v., Gedichte. 
bad, | 


ner Gratz, Dir 
r. 

Geibel, E., König Sigurd's Brautfahrt. Eine nordifche 
Sage. 2te Auflage. Berlin, Beſſer. 8. 10 Nar r 

Geſchichte der europäifhen. Staaten. Hezaußgegeben bon 
% 9. 2 Heeren u F. 1% Bien o. Re kieferung, Ham 
burg, Dertpes. gar. 9 4 Ahlr. 24 

Gies, D. R bann Huß; ein 1 Keauerfiel Dresden, 
Uno. 85 MM 


a Te — Seraubgeber : 


Beinrich Brockhanus. — a = Belag von F. X. Drockhaus in Reipsig. 


4‘ 


t Gtndentenjohre. Sailderva 
aus —— Dichteri Biel —— PT 
der Seminolen. Scenen 


8. 3 
— A. v., Dee Letzte 

aus den Kämpfen der Indianer Florida's gegen bie Weißen, 

nebſt Rüdblid auf die Buftände ber „‚Bereinigten Staaten. 
Drehen, Arnolb. 1 She. 15 Sg 

Se) 3. "8 a , Kr gegen „ie (7 der Seit (Be 

Sri rg mb die —8 Leipzig, Kine 

Ku Franz de KL: Deſterreich und feine Zeit. 


gier. 
Kin ſton's, W., iefiſche Land⸗ und Sittenbilder 
Rad de Werf. ——— von M. B. Lindaun. 
Bwei Theile. Dresden, Arneld. 8. 3 Ihlr. 

Krufe, 8, Urgefchichte bes Eſthniſchen Volts ſtammes und 
des Kaiſerl. Rufl. Oſtſeeprovinzen Liv», s und Cutland 
überhaupt, bis zur Einführung | der &eiftlichen Religion. Mose 
au, —— Ss. 

Leng, 6. ©. H., Geſchichte der evangelifchen Kirche feit 
der Reformation. "Ein damilienbuch zur Belebung des evange 
liſchen Seifen 4ted Heft. Leipz ag, Brodhaus. Br. 8. 9 Me 

Ling, H., Entwurf einer ehe der Rechtsphiloſop 
mit befonderer Rüdket auf Socialidmus und Eommunismus. 
it Gerhard. Gr. 8. 20 Mor 

eier, M.H.E., Die Privatschiedsrichter und die 
öffentlichen 'Diäteten Athens ‚ sowie die Austrägalgerichte 
in den griechischen Staaten des Alterthums. Mit einem 
ep Ne Anhang. Halle, Schwetschke und Sohn. 
mp.- r. 
Der Menie mb fein Gott in und auber dem Chriſten 
thum. Won einem Weltlihen. Offenbach, André. 8. 8 Rer. 
Moore, I, Lola Rukh. Ein Gedicht. Deutſch von T 
ke 1 ic. te dhoeſebene Ausgabe. Leipzig, B. Tauchnitz 
— je Ueber das Leben des Joeeph Blaneo 
waie Berlin, Besser. .Gr. 8. 8 Negr. 
Proftitution in Berlin und ihre Opfer. In hier 
her R fittliger, mediziniſcher und poligeiliher Beziehung bes 
leuchtet. 2te gunderänderte Auflage. Berlin, Hofmann und 
Comp. Br. 8. 1 

Der Räder der heilt en Vehme. Ein ©ittengemälde aus 
den finftern Zeiten des Mittelalters. Dom Berfafer des Ge⸗ 
vater Tod u. ſ. w. Leipzig, Literariſches Mufeum. 12. 15 Mar. 
Roß, 2, Hellenika. Arhiv archaͤologiſcher, philologifcher, 
hiſtoriſcher und epigrapbifcher Abhandlungen und Auffäge. In 
aan Selten. —8 Bandes Iftes Bet. Halle, Schwetſchke 

Sohn 

Schletter, H. T., Handbuch ber deutſchen Preßgeſ 
gebung · Gammlung der beelen Beſtimmungen an 8 
—— — Eigenthum und Die Preſſe in allen deutſchen Bun⸗ 
detzaten ne iger Ginleitung. Leipzig, Steinacker. 


© bel, ©. Statiſtik d d ⸗ 
ir anche, Prag, a &. —X dirt hafnichen Sn 
—— Gedichte. —8 off. 8. 1 She. 
Die Gräfin von Monrion. Ins Deutfche 


Soulié, F., 
ibertragen von $. Dfabor. Ifter Theil. Grimma, Verlage 
compteir. Kl. 8. 
Ullrich, F. W. eiträge zur Erklärang den Thuky- 
3 Nr. Hamburg, Pertiies-Besser und Mauke. I Thlr. 
Baldow, H., Bilder aus Karlobad. Stolp, Fritſch 


12. 15 Rgr 

Weffenberg, 39 v., Magdalma. te verbefierte 
e. St.⸗Gallen, Een und Boliähfer. &.8. 10 Ryr. 
burg Breibee) gr —— ꝓxäins Ham⸗ 


mob. 8. A Rgc — — buco/ pecthes· Beſfer und Menke. 1 ær··. 


ner. 











Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


12. Iuli 1848. 





Von einem 
Vierter und letzter Artikel. 
(Yortfegung uud Nr. 192.) 


Es ift eine gute Sache um bie Reform vom unten 
herauf. Aber man glaube um Gottes willen nicht, daß 
man bamit ausreichen wird, wenn nicht auch von oben 
herunter mit allgemeinen großartigen Beiſpielen voran- 
gegangen wird. Die Beftrebungen einzelner Privatleute 
in einzelnen Gemeinden find nicht im Stande, die gro⸗ 
fen gewaltigen Maſſen elekerifch zu durchdringen. Der 
Staat ſelbſt muß feine Handlungsweife im chriftlichen 
Sinne reformiren, wenn er alle einzelnen Glieder un- 
widerfteblich berühren und anregen will. Jede feiner 
Handlungen muß von riftlicher Geſinnung durchdrun⸗ 
gen fein; in jedem Athemzuge muß der Geift Chriſti 
wehen; jedes allgemeine und öffentliche Berhältnig muß 
zuerft im Geiſte Chriſti veformirt werden. O! wie 
iſt es möglich, von chriftlicher Milde und Gerechtigkeit 
zu ſytechen, während das Blut in Polen firommeife 

fücht und Hunderte unferer Mitmenfchen einem barbari- 
fhen Henkertode ausgeliefert werden?! . 

Mon nenne wich einen hohlen Theoretiker fo viel 
wie man wi: ich bin mir des Gegentheils bewußt. Ich 
will, daß dieſe hohle Theorie des Chriftenthums zur praf- 
then Wahrheit werde, daß dieſes Preifen des Chriften- 
thums von Seiten des Staats fih auch in feiner 
Sandlungsweife überall zeige. Fühlt er fich wirk- 
lich berufen zu einer tiefen, fittlichern, wahrhaft chrift- 
lichen Reform — und ich glaube, daß die Zeit da 
ift zu diefem Berufe —, fo zeige er es uns in feinen 
Werken, fo gehe er mit großartigen, aufopfernden Bei- 
fpielen voran, und er fei verfichert, daß folche Opfer dem 
lebendigen Glauben an Ehriftum fördern werben. 

Bas will diefer Menſch? höre ich fragen; was ver- 
langt er? Doch wol nicht gar die Herausgabe unferer 
polnifhen Provinzen? Iſt er wahnfinnigt Wie! diefes 
fait accomph, diefen legitimen Beſitzſtand, ohne welchen 
Preugen aufhört eine Macht erflen Ranges zu fein: 
den ſollen wir fo ohne weiteres Hingeben ? 

Und warum nicht? meine Herren! In welchem drift- 
lihen Katechismus ſteht denn gejchrieben, daß ber chrifl- 


Die preußiſche Verfaffungsfrage und das nordiſche 
Drincip. inem Oftreicher. 





‚anderer Pflichten. 


bag ihr es felbft nicht mehr merk. Euer ‚praftifer 
r 
Macht und Rang, und nachher, wenn es angeht, us 


männer des chriſtlichen Staats! W 

„Aber die Regierung hat Pflichten gegen ihre Unter- 
thanen: fie kann Polen nicht herausgeben, ohne ſich an 
dem übrigen Staate, deſſen ſämmtliche Berhältniffe einmal 
mit dem Befige der polnifchen Provinzen hiſtoriſch ver- 
wachfen find, ſchwer zu verfündigen.” 

Allerdings ift es ber Fluch der Sünde, daß fie ſich 
bäufig niche wieder gutmachen laäͤßt ohne Verletzung 
In diefem Falle aber wäre es doch 
noch fehr die Frage: ob die übrigen preußifchen Unter⸗ 
thanen durch bie Herausgabe der polnifchen Provinzen 
fo ſehr ſchwer verlegt würden und ob biefe großartige 
Handlung der Gerechtigkeit in ihren Kolgen den etwani⸗ 
gen Verluſt, der dadurch entflände, nicht taufendfältig 
aufwiegen würde? | 

Es iſt zuerſt fehr die Frage: ob bie polnifchen 
Provinzen. zu Preußens Macht wefentlich etwas bei- 
tragen? Wer blos nach Köpfen und Thalern red» 
net, ber mag Das glauben; wer aber die Macht 
Preußens in etwas Anderes fegt — in feine gei⸗ 
ſtige, fittliche, chriftliche Kraft, in feine Führerrolle auf 
der Bahn des Beffern für Deutſchland, in die Allge- 
walt der Sympathien, bie es nothwendig an ſich veißen 
muß, fobalb es diefe Bahn mit chriftlichem Heldenmuthe 
fihern Schrittes betritt: ber möchte doch wol anberer 
Meinung fein; der möchte der Überzeugung leben, baß 
ber Erwerb für die Zukunft diefen etwanigen Verluſt ber 
Gegenwart reichlich aufwiegen werde. Die Maͤchte, welche 
jegt die Welt regieren, find moraliſcher, find chriſtlicher 
Natur. Gott Lob! dag es fo if. Wer fi mit ihnen 
verbindet, dem wird es auch an äußerer Macht nicht 
fehlen. Das Preußen, welches aus chriftlichen Gerech⸗ 
tigkeitögefühle und im Bewußtfein feines chriſtlichen Be⸗ 
rufs feine polnifchen Provinzen herausgibt und Gut und 
Blut an die Wiederherftellung der polnifchen Nationali« 
tät und an die Wiedergutmachung bes frühern Ungechte 





oh 3 No 


fegt, — das erwirbt ſich Bundesgenoſſen in den Herzen 
feiner eigenen Unterthanen und aller übrigen Völker von 
fo gewaltiger Natur, daß fie ſich auf der kleinlichen 
Wagſchale des Statiftifers gar nicht abwaͤgen laffen. 
Das weiß ich wohl, daß Preußen nicht morgenden 
Tages ohne weiteres feine polnifchen Provinzen für frei 
erflären Tann; aber es kann den Plan der Wiederher- 
ftelung Polens faffen, mit Ernft und Hingebung nad) 
diefem Ziele binarbeiten, feine Politit auf dieſes Ziel 
richten. Freilich würbe es bann feine Gemeinfhaft mit 
Nußland aufgeben und eine feindlihe Stellung gegen 
diefe Macht annehmen müffen. Aber ein chriftlicher 
©taat, ber mit Rußland gemeinfame Zwecke verfolgt, 


ift überhaupt ein Widerfpruh. Der erfte Schritt zum 


wahren praktifchen Chriftenthume ift eine vollftändige 
Trennung von der ruffifhen Politik. 

In Bezug auf die polnifchen Provinzen gibt e8 nur 
eine Alternative: fie werden entweder ruſſiſch werden, 
oder wieder polnifch; preußifch bleiben fie auf keinen 
Fall. Die Polen wollen ihre Nationalität und haben 
das heiligfte Recht darauf. Sie find ein Glied der gro- 
Sen flawifchen Nationalität und zwar bei allen ihren 
Mängeln das ebelfte, hochherzigfte und gebilderfte Glied 
derfelben. Im Slawenthume ringen jegt zwei Mächte 
miteinander um die Herrfchaft: das ruflifche und das pol⸗ 
nifhe Slawenthum. Wird das polnifhe Slawenthum 
befiegt — wird fein hochherziger Mepräfentant, ber pol« 
nifche Abel, der allein im Stande ift, eine nationale Eul- 
fur über die untern Schichten des Slawenthums auszu⸗ 
breiten, befiegt und ausgerottet — fo fällt die ganze Maffe 
dem Ruſſenthum in die Hände. Das ift die Wahl, die 
Preußen und bie auch Oftreich zu treffen bat: ein ver- 
bündetes Polen, dem man ehrlich mit Rath und That 
an die Hand geht zur Ordnung eines beffern Staats- 
lebens, eine Vormauer gegen ruffifche Barbarei, eine 
Berbindung, welche nicht im Widerfpruche ſteht mit je- 
der rechtlichen und chriftlichen Gefinnung und nicht alle 
beffeen Gefühle ber eigenen Unterthanen verlegt unb zer» 
reißt; oder: die nächfte Nähe eines auf der tiefften Stufe 
moralifcher Verderbniß ftehenden Nachbars, bem man auf 
Koften feines eigenen beffern Selbftes fortwährend Con⸗ 
eeffionen zu machen gezwungen ift, um ihn bei augen- 
blicklicher guter Laune zu erhalten, bis man zulegt den- 
noch, an Leib und Seele beſchädigt, ihm als Gegner ent⸗ 
gegentreten und zu jenen beffern Grundfägen feine Zuflucht 
nehmen muß, bie man feinetwegen fortwährend verleug- 
net und verrathen bat, und zu deren Durchführung als- 
dann vielleicht Fein hinreichender moralifcher Fonds mehr 
im Volke vorhanden ift. 


(Der Beſchluß folgt. ) 





Die Verbreitung des beutfchen Volkes über die Erbe. 
Ein Befuh von Wilhelm Gtrider. Leipzig, 
Mayer. 1845. Gr. 8. 25 Nor. 


Der vorliegende „Verſuch“ ift aus Vorleſungen entftanden, 
welche der Ser im Winter 1344 — 45 im Beograpbifcden Ber: 


Fr) er 

ein zu Frankfurt gehalten hat und welchen wieder der Aufſat 
in Biedermann's „Deutfhe Monatsſchrift“: „Die beutfche 
Auswanderung und die Colonifation” (Juni und Quli 1843; 
Rachtrag dazu, December 1844), zu Grunde liegt. Über den 
Zweck deflelben fagt der Berf. in feiner Borrede felbft: „Ich 
wollte kein gelehrtes Werk geben, ſondern die Kenatmiß über 
die eigene Zahl, den eigenen Werth unter meinen Lands- 
leuten zur Stärkung’ des Rationalgefühle verbreiten, zugleich 
dem Auswanderer eine Beurtheilung aller vorgefchlagenen 
Bielpunfte der Auswanderung vorlegen.” Die leptere Ab⸗ 


ſicht konnte in dem befchränkten Raum dieſes Büchleins, 


welhed nur allgemeine, leicht bingeworfene Umriffe zuließ, 
natürlich nicht vollftändig erreicht werden; was dagegen den 
erften Punkt, die Stärkung bed deutſchen Rationalgefühls, 
betrifft, fo dürfte die Derbreitung des vorliegenden Werkchens 
in diefer Beziehung allerdings viel einfluß: und wirkungßrei» 
cher fein als Die der zweckverwandten Arbeit des Slawomanen 
Kolar, weldher, vol von Gelbfttäufckungen über die Größe 
und Bildung feines Volkes, die Scharen feiner Stammgenofien 
auf eine Weife gemuftert hat, welche halb einen komiſchen, halb 
einen wehmüthigen Eindrud macht. Leider fcheint, gegen die 
Behauptung des Berf., in unferm Volle felbft das Bewußt: 
fein von einer einigen deutfchen Ration immer mehr und mehr 
bon dem engeren Rationalintereffe verdrängt gu werden, und 
es ift daher ein verdienftliches Werk, dem Wolke fein eigent 


liches Selbft in feiner Ganzheit ind Gedaͤchtniß zurüdkzurufen 
und deutlich vor das Auge zu ftellen, nämlich fo, wie ed durch 


die feftere, ja die einzigft wahre Grundlage der Rationalität, 
dur die gemeinfchaftlihe Sprache, beftimmt wird. „Mit 
Stolz und Wehmuth“, fagt der Berf., „habe ich die Arbeit 
ausgeführt; Stolz: daß überall, wohin auch die Deutichen ge 
wandert fein mögen, dad Urtheil der Ummohner über ihre Net: 
lichkeit, ihren Zleiß, ihre DOrbnungs: und Gefegmäßigkeit ſich 
gleich bleibt, daß fie überall ald die wahren Träger der Ge: 
fittung daftehen; Wehmuth: daß ſolche Kräfte zerfplittert wor: 


den und für die Ration untergegangen find, daß die deutſche 
Bevölkerung auswärtiger Staaten jtetd nur ald Dünger dient, 


durch den fremde, oft feindliche Saaten deſto üppiger wachlen; 
da endlih die fluhmwürdige Ausländerei der Deutjchen dem 
eigenen Geift, der eigenen Sprache und Literatur im Lande 
felbft die Anerkennung verweigert, welche die Fremde fo wilig 
zugeſteht; daß derı Deutfche, in allen Zweigen ded Willens der 
halben Welt Schulmeifter, dem Baterlande nicht genügt, daß 
Franzoſen und Schweizerinnen jegt wieder den deutſchen Baͤ⸗ 
ren lecken und Yon Kindheit auf an eine fremde Sprache ge: 
wöhnen müffen.” Solche gefunde, tüchtige Gefinnung, dieſes 
natürliche, unzerfloffene Rationalgefühl fpricht fi ungeſchminkt 
und Präftig in dem ganzen Büchlein aus. Es macht daher 
einerfeit dem indifferenten Kosmopolitismus, andererfeitd der 
heute modernen Anklägerei und Herabfegung Deutfchlands ges 
genüber einen erfrifchenden, beinahe troſtreichen Eindrud auf 
den beutfchen Lefer. Einige befonders intereflante Stellen aus 
dem durchweg anfprechenden, von vielen treffenden Bemerkun⸗ 
gen durchflochtenen Inhalte mögen bier wörtli Plag finden 
und die bier und da nothwendigen Berichtigungen fi von 
felbft daran anknüpfen. 


Der Berf. beginnt mit der Beſtimmung des deutfchen 
Sprachgebiets durdy genaue Angabe der deutſchen Sprad- 
grenzen. Im Weften verfolgt er fie vom Deutſchen Meere an, 
wo fie zwiſchen Calais und Gravelingen herunter, bei Brüffel 
und Waterloo vorbei, fi) zwifchen Löwen und Luttich bis zur 
Maas binzieht, führt fie dann ik Belgien und Frankreich 
biß an die Vogefen hinab und endlih in die Schweiz. Dann 
bezeichnet er nah Süden hin ihre äußerften Punkte in ber 
Schweiz, in Piemont und Zirol, in Illyrien und Steiermark, 
eigt wie fie fi dann nad Ungarn wendet, wo bei Presburg 
rei Sprachgebiete, das deutſche, ſlawiſche und magpyarifche, 
—— er folgt ihr dann im Oſten durch Mähren, 
Böhmen, Schleſien, Poſen und Preußen, bis fie am Kuriſchen 


zu 


haff Dad. Meer erreicht, bezeichnet bann- als. nordliche Grenze 
x Oſtſeekuͤte und. leitet fic endlich ‚buch Pommern und 
Schleswig, an der Küfte des Deutſchen Meers, an Holland 
und Belgien bin, wieder nach Calais zurüd. Bon den Ab⸗ 
tenzungen der deutſchen Mundarten unter fih, erwähnt der 
Ent nur die wichtigſte, die zwiſchen ber aber = oder hochdeut⸗ 
ſchen oder fränkifchen, und der nieder = ober plattdeutfihen oder 
ſachſiſchen. „Die flämiſche und die bei und Hollandiſch, im 
Lande jelbft Niederdeutich genannte Mundart iſt frit 30) Jah: 
sen vom Mutterlande getrennt und felbftändig entwidelt. . . . 
Den Oberdeutfchen mögen bie beigifchen und batgvifhen Mund: 
orten fremd fcheinen, den Niederbeutfchen Liegen fie fo nahe, 
daß fait Beine Sprachgrenze fchwieriger zu beſtimmen ift als 
die zwifhen Plattdeutſch und Hollaͤndiſch, welche durch das alte, 
unvermijchte,, in fich einige und nur steif zwifhen Holland 
und Hanover getheilte Friesland läuft. a ın der lettifchen 
Sprache zugehörigen deutfdy :ruffiichen Oftfecprovingen die See 
Rödte im Beſitz der Deutfchen find, fo ift Niederdeutich eine 
Sprache, Lie von Calais bis Petersburg verftändlih ift, die 
lingua franca der nordiſchen Meere.” 

Mit diefer Bemerkung fließt die eigentliche Beftimmung 
der Sprachgrenzen, und es folgt nun ein kurzer Bli auf die 
Geſchichte derſelben, aus welcher bier einige ftatiftifch interef- 
fante Angaben berausgehoben fein mögen. „Im franzöfifchen 
Korddepartement beträgt Die Bahl der Riederdeutſch redenden 
Bevölferung 100,00 == Y, der Gejammtbevöllerung beffelben, 
im Departement Pas⸗-de⸗Calais 1300. Bon den ſechs Millio⸗ 
nen Bewohnern von Böhmen und Mühren gehört das Deut: 
Ihe ala häusliche Sprache höchftens dem vierten heile an, ob: 
gleich außerdem noch ein Viertel der Bevoͤlkerung auch Deutfch 
ſpricht. Der hohe Adel des Landes, die höhere Geiſtlichkeit 
and die Bürgerfchaft der größern Städte find ganz germani- 
firt. In dem größten Theile der Grund. und Urbevölkerung 
dei Landes blieb aber Alles ſlawiſch, die niedere Geiſtlichkeit 
und ie Bürgerfchaft der Beinen Städte ebenfalls. Der hohe 
ſlawiſche Adel ift aber weder ganz audgerottet werden, wie in 
Oftreih, Brandenburg u. ſ. w., noch fo vollflommen germanifist, 
daß alles Andenken an den flawifchen Urfprung verloren wäre, 
wie in Sachſen, Mectenburg u. f. w., fondern der werdeutfchte 
behmiſche Adel behielt feine alten flawilchen Erinnerungen lieb, 
und unter ihm finden wir Bortämpfer des Panſlawismus, 

3. B. Graf Thum. Auch in der Werfaflung und den Gefegen 
deb Landes, in der Betreibung der Gewerbe und bes Acker⸗ 
baus, ‚in der Kleidung des Bolkes blieb fehr viel Slawiſches 
zurud- As ein Zeil dieſes flawifchen Reiche, die Laufig, im 
+. Jahrhundert an Sachſen Fam, war es nicht mehr an ber 
Beit, diefe Batholifche Provinz, welche ſchon ihre Religion von 
den lutheriſchen Exrblanden, noch mehr ihre eigene Verwaltung 
und ihre Borrechte von bem übrigen Staate entfernt hielt, zu 
germaniſiren. &o erhielten fich zwei jlawifhe Spracheilande 
m deutſchen Gebiet, die fächfifch- preußifcye Oberlaufig mit boͤh⸗ 
müder, die preußifche Niederlaufig mit yolnifcher Sprache... . 
Dir Umkreis diefes Gebietd fol fih in je 50 Jahren nur eine 
Stunde Weges verengen. Es ift eigenthümlich, daß die weſt⸗ 
liche Sprache ſtets nach Often überzugreifen ſcheint, ohne Rück⸗ 
Acht auf politiſche Verhältniffe, was am ſchlagendſten an ben 
Pyrenäen vortritt, wo die fpanifche Sprache, trog ber politi: 
ſchen Überlegenheit Frankreichs, in dieſes Land übergreift.” 

Hierauf geht der Verf. zur Beftimmung der deutſchreden⸗ 
den Bevölkerung duch Zahlen über: „Verſuchen wir nun bie 
Deutihen auf der Erde zufammenzuzählen und die Sprach⸗ 
grenzen mit den politifchen in Übereinftimmung zu bringen, fo 
bat diefe Aufgabe ihre großen Schwierigkeiten, da fich dieſe 
beiden Linien auf bie feltfamfte Weiſe durchkreuzen. Es ver: 
ſteht ſich, daß dabei nur von der feßhaften und auf größern 
Strecken ohne fremde Beimiſchung zufanımenwohnenden Bevöl- 
kerung, nicht von einzeln lebenden Deutfhen die Rebe if. 
Bir Beben nach der Sprache und politifchen Stellung: 1) Rein» 
deutfche Staaten, bie in ihrer ganzen Ausdehnung dem Deut 


hen Bunde angehören, wohin alle bedftaaten . außer 
reich, Preußen, dem Königreiht Sachſen, Dänemark und Dip 
land, zu rechnen find. 2) Im Königreich Sachfen einen Staat, 
der in. einer ganzen Ausdehnung, mit Einfchluß feiner ſlawi⸗ 
hen Bevölkerung von 33,000 Menfden in der Dberlaufig, 
dem Deutfchen Bunde angehört. 3) Preußens Slawen in Ober: 
fchlefien, der Laufig und in Pommern, feine Wallonen bei Mal: 
medy werden zum Deutſchen Bunde gerechnet, während Die offs 
Rreubiihen Kerndeutihen außer demfefben liegen. Ebenfo zieht 
sftreih Slawen und Italiener zum Bundeögebiet,. Dagegen 
fönnen ihrer geographiſchen und politifchen Lage nd ie 
Deutfchen in Ungarn und Siebenbürgen nicht dazu gehöre. 
(Die vier. Millionen Ifchehen in Böhmen und Mähren und 
die Italiener in Iftrien wiffen wahrfcheinlih ebenfo wenig, 
daß fie dem Deutfchen Bunde angehören, als die Proteftanten 
in Linz, Prag, Paſſau und Ingelftadt e8 merken, daß die 
Deutihe Bundesacte freie Religionsausübung ihnen zufichert.) 
4) Niederland ift ein keindeutfcher Staat, der nur zum Bein» 
ie helle dem Bunde angehört. 5) Dänemark einer von 
remdem, wenngleih verwandtem Stamme, der einen Theil 
feiner deutfhen Bevölkerung, die Holfteiner und Lauenburger, 
dem Bunde angefchloffen hat, während die Schleswiger außer, 
halb deffelben liegen. 6) Es gibt dem deutſchen Staatenver: 
bande ganz fremde Länder, mit theild überwiegend deutſcher 
Bevölkerung, wie Belgien und bie Schweiz, theils mit unter⸗ 
geordneter, wie Frankreich, Rußland, Sardinien und England.“ 
In ber nun folgenden weitern Ausführung dieſer einzel. 
nen Ungaben tritt uns eine traurige Zolge der Eroberungs- 
kriege recht deutlich vor das Auge, daß nämlich Genoffen des 
beutichen Stammes von dem natürlichen politifcgen Bande, das 
fie gemeinſchaftlich umfaflen folte, von dem Deutfchen Bunde, 
trotz ihrer Rachbarichaft, ausgefchloffen, fremde, ftörende Eile: 
mente dagegen gewaltfam in Ddenfelben hineingezwängt find. 
„Die politifche Grenze Des Deutfhen Bundes’, fährt der Verf. 
fort, „greift nad Oſten weit über die Sprachgrenze hinaus, 
während fie nach Weſten bedeutend zurüdgebrängt ift: nicht 
gerade ein Gewinn für Deutfchland, denn für die verlorenen 
allemanniſchen Elfaffer, die Deutfcheiten der Deutfchen, mit ih⸗ 
rer Schirmburg des deutſchen Reichs und Rheins, hat es 
feindfelige Polen und unzuverläffige Italiener eingetaufcht.” 
Diefe Behauptung bedarf einer Berichtigung. Sie follte ge 
nauer lauten: Die politifhe Grenze des Deutfchen Bundes 
greift nach Süden und Südoften weit über die Sprachgrenze 
hinaus, während fie nach Welten und Nordoften bedeutend zu« 
ruͤckgedrängt iſt. Denn get nicht der Verf. oben felbft er: 
wähnt, daß die deutfche Bevölkerung in Oftweftpreußen, Po» 
fen und den ruffifhen Oſtſeeprovinzen ebenfo wenig zum Deut 
Ihen Bunde gie ald die in Ungarn, Siebenbürgen und 
Galizien? „Suchen wir nun dieſe Berhältniffe in (runde) 
Zablen zu faſſen, fo erhalten wir von deutfchredenden Bewoh⸗ 
nern in den reindeutichen Staaten des Bundes: 15,930,000, 
hierzu für Sachſen 1,670,000, zufammen 17,600,000. Bu bes 
merken ift dabei, daß größtentheilß ältere Zahlungen vorlagen, 
baß daher (2) der jetzige Stand etwas unficher ifl. Die vor⸗ 
genommenen Erhöhungen der Zahlen find aber fo gering, daß 
der Anfchlag eber unter als über der Wahrheit bleibt. ... . 
Die Bahl der Deutfchen im ganzen preußifchen Staate beträgt 
etwa 33,000,000, oder, mit Abrechnung von Pofen und Preu« 
en, im Deutfchen Bunde faft 11 Millionen. Oſtreich hat 
Millionen deutfhe Bewohner; . . . im Deutfhen Bunde 
über 6 Millionen; faſt 2 Millionen gehen ab für Ungarn, 
Siebenbürgen und Galizien... . Man irrt alfo wol nicht 
allzu fehr, wenn man unter den Al Billionen Bevölkerung des 
deutfchen Dunbeögebjets 34 — 35 Millionen deutſcher Zunge 
rechnet. Hierzu kommen noch die der außerbundlichen Länder 
Hſtreichs und Preußens mit 3,700,000,, gegen 3 Millionen 
Belgier u. f. w. . . ., fobaß eine Geſammtſumme von gegen 
53 Millionen anfäfjiger und beifammenwohnender deutſcher Be 
völferung in mehr als 70 unabhängigen Staaten fich ergibt.” 


FrR 


Der Berf. bettachtet mm ho dus dertſche Clement in 
den vefih md Iſtlich an Deutſchland angeengerden Ranfvern 
und beflagt unter den Werluften, weile wir auf bem Inf 
"Rheinufer erlitten, zumeift den des Elſaß, fagt aber body ganz 
aufrichtig: „Es ift feit 1840 viel über die Rationalität des 
Etſaſſes gefprieben worden und man hat verfucht fih darüber 
zu taͤuſchen; es ift aber gar nicht zu derkennen, daß von poli- 
fifher Sympathie zu Deutfähland Peine Spur wahrnehmbar 

und die Suneigung zu Frankreich nur wachſen wird, je 
länger bie politiſchen Zuſtaͤnde Deutſchlands und Frankreichs 
in jetziger Welſe fortdauern. Ja, wenn die Elſaſſer Peine Deut⸗ 

Ge wären!” u. ſ. w. Als ausführlihe Ergänzung der bier 

3 gegebenen hiſtoriſchen Andeutungen über diefen Punkt ift 
au empfehlen „La reunion de l’Alsace A la France” van 
Hallez : Elapartde (Paris 1844). Mach der kurzen Bemerkung, 
dag in Lothringen und Deutichflandern die deutſche Sprache 
nur noch als häusliche, ohne Geltung in Geſellſchaft oder Schrift 
auftrete, gebt der Verf. zu Belgien über, wo die dreifache Mi: 
ſchung der Sprachen (die niederdeutfche, wallonifche und hoch⸗ 
deutfche) die koͤnigliche Verordnung hervorgerufen babe: daß 
alle Geſetze in franzoͤſiſcher, flamifcher und deutſcher Sprache 
bekannt gemacht werden müßten und alle öffentlihen Acte in 
jeder diefer drei Sprachen abgefaßt werden Fönnten, wo für 
Die Hebung des germanifhen Weſens neuerdings Der genter 
£iteratenverein und der antwerpener „Dlzweig” (de Olystak) 
befonders thätig feien. „Die antwerpener deutſchen Kaufleute”, 
fährt er fort, „merden angeflagt, diefer Bewegung anılih 
fremd zu bleiben. Es ift erftaunlich, wie viel bier Deutſch 
geiprodgen wird und welche Anzahl von größtentheild fehr ver: 
mögenden Deutſchen in vollfommener Abgefchloffenheit von der 
Literatur ihres Baterlands lebt. Kaum dab man auf den 
Elubs einige deutſche Tageblätter haͤlt; von Pritifchen Blättern, 
Monatfchriften Liegt gar nichts auf. Keine andere bedeutende 
Sandelsftadt Europas, Amfterdam vielleicht ausgenommen, kann 
fih einer ſolchen GBleichgültigkeit gegen die literariſchen Er: 
zeugniſſe Deutſchlands ruhmen. Das deutſche Leben ift ver: 
runden, und von Dem, was jegt in Deutfchland Kopf und 
Herz bewegt, weiß man nichts als vielleicht den Bedarf von 
Koblen und Eifen und den Preis der Baumwolle; und doch 
find die reichften Familien bier Deutfche, weldhe des Jahres 
oft unglaublihe Summen auf ihren Haushalt verwenden, aber 
ihre Bildung ift entweder engliſch oder franzoͤſiſch.“ Der 
Schluß diefes Abſchnitts Handelt von den Deutfchen in Un: 
garn, Siebenbürgen und Galizien. 

(Die Zortfegung folgt.) ' 


giterarifhe Notizen. 


Miftreß Trollope und „Die Bamilic Noberts auf 
Reifen‘. 

„The Robertses on their travels’ (3 Bde., London 1846) 
ift der Zitel des neueften Remans der viel und immer gut 
[reibenden Miftreß Trollope. Obwol ihr neueftes Werk, ent: 
Halt es doch eigentlich nihtE Neues. Nur fagt man fih Das 
erft, nachdem man es gelefen, und vermuthlich rührt diefes 
fpäte Geftändnig daher, daß die Verf. männlicdye Kraft mit 
weiblihem Zartfinn vereinigt, DaB fie ebenfo gut verfteht, mit 
einem Segenftande zu fpielen als ihn bis ins Innerfte zu durch⸗ 
dringen, und daß vor ihren Falkenaugen das menfchliche Leben 
fih aller geiner Hüllen entfchleiert. Keine Schriftftellerin — 
nicht in England allein — beweift befferes Geſchick ober ger 
neigtern Willen, die Schwachheiten des eigenen Geſchlechts zu 
verrathen, der Frauen Peine Eitelkeiten, ihre unfchuldigen In: 
triguen, ihre heimlichen Klatfchereien und ihre Neigung zu 
figuriren. Keine fchildert treffender die Boranftalten der Toi⸗ 
lette zu einem Balle, zu einem Concert; den Empfang einer 
hoben Pugmader- Rechnung; gegenfeitige Eiferfüchteleien ; bie 


taufendfättigen Klrifte, zu verbdunkeln; Die une € 

der Berheitatbeten s den, fichm Mann an der achen 

zu faſſen; oder die ſchlauen Liebetuffairen der Ledigen, von der 
echten Romantik der funfzehnjährigen WB Bis gu den tiefge⸗ 


fegten Plänen der reifen vierzigiährigen Imgfrau. Bon al 
lem tiefer „Die Bamilie Roberts’ Proben, mare Skiz⸗ 


im und Portraits voll Licht und chatten. Die Fabel des 
omans bilden die Ereigniſſe, welche der Familie Roberts auf 
ihren —8 zugeſtoßen: Herrn Roberts, einem reichgewordenen 
aber befcheiden gebliebenen londoner K nn; feiner rau, 
einer aus ihrer Sphäre nach einer höhern firebenden Dame, den 
beiden Töchtern, Hübfthen Mädchen, zwifchen Vater und Matter 
die Bage Haltend; und dem Sohn, einem aufgefchoffenen, unge 


. Ienten Iohn Bull. Zuerſt geht's nad Paris, von da nad 


Baden » Baden, zufegt nad Rom. Hier muß Miſtreß Roberts: 
Pater, peccavi! fügen. Herr Roberts bezahlt ihre Schulden 
und bie Schulden ded Sohns, nur defien Spielfhulden nicht; 
kehrt nach London zuräd, betreibt wieder fein Geſchäft und 
ſtirbt. Niſtreß Roberts fieht ihren Irrthum ein, und da beite 
Miffes Roberts fingirte Mädchen find, ift es der Werf. zu ver: 
seiben, daß fie Beide unverheirather läßt — in eingle_ bies- 
sedness. . 


Zur neuern Geſchichte. 

Die Geſchichte des Kaiferreichs, dDiefeß bunte Gemälde mar: 
nichfaltiger Erfcheinungen, erfreut ſich jcht einer befondern Pflege. 
Erft noch ganz kürzlich find einige nicht unintereffante Darftel: 
lungen jener beziehungsreichen und wichtigen Beit erfdhienen, 
weiche zum Theil felbft im Auslande bereits die gebührende Beach⸗ 
tung gefunden haben. Wenn auch keins der begüglichen Werke, 
deren Grfcheinen in die lette Beit fallt, Anſpruch auf eine er: 
föpfende, wahrhaft Eritiihe ımd abgerundete Behandlung 
machen Tann, fo bringt doch faft jedes derfelben des Intereis 
fanten und Brauchbaren fo viel, daB fie der Fotſcher der Zeit: 
geſchichte nicht unberürkficgtigt Laffen darf. In dieſer Beziehung 
wollen wir es auch nicht unterlaflen, auf die Schrift „ Chute 
de l’empire: histoire des deux restaurations jusqu’a ia chute 
de Charles X en 183‘, von A. de Baulabelle, wiederholt auf: 
merkſam zu machen. Bon diefem inhaltreichen. Seſchichtswerke 
tft und vor einiger Zeit der dritte Band zu Geficht gefommen. 
Derſelbe umfaßt Die Gefchiehte der zweiten Dccupation, bes Mi: 
nifteriums von Foucht‘ und Talleyrand, die Proceſſe von Rey 
md Labedoyere fowie die Erzählung ber Unruhen, welche im 
ſuͤdlichen Frankreich blutige ren zurüdgelaften haben. Wie 
e6 heißt, haben wir noch zwei fernere Bände zu erwarten. 


Hiftorifhe Kiteratur. 

Der Herausgeber der für die Kenntniß der englifchen Li⸗ 
teratur nicht unmichtigen „Revue britannique”, Amedie Pi: 
‘Kot, bat Fürzlich eine neue, die vierte, Auftage feiner „‚His- 
tojire de Charles Edoyard’’ veranftaltet. Diefe neue Ans: 

abe tft bedeutend, etwa um: 100 Seiten, vermebrt; und unter 

em, was der Verf. bei diefer Gelegenheit hinzugefügt hat, 
befindet fich manches Intereffante und felbft für allgemeinere 
Beziehungen Wichtige. Befondere Beachtung verdient ber 
Driefwechfel des jungen Fürften mit Montesquteu, in dem en 
Austaufh der gegenfeitigen Anfichten in Betreff des Aachener 
Friedens ftattfindet. Wie es heißt, wird der Graf Artaud de 
Montor, der fi) befonders durch feine auf die päapflliche Ge 
ſchichte bezüglichen Schriften als fleifiger und geiftuoller Hi- 
ftorifer bekannt gemacht hat, feinen „Machiavel, son genie et 
ses erreurs‘ noch durch einen dritten Band, den er heraus: 
zugeben im Begriff fteht, vermehren. Derfelbe wird eine 
Reihe neuer Documente, welche zur Kenntniß Macchiavelli's und 
feines Charakters von Wichtigkeit find, und unter Anderm 
auch den „Anti- Machiavel‘ Friedrichs des Großen, in ſeiner 
urſpruͤnglichen, von Voltaire vielfach willkürlich veränderten Ge: 
ftalt enthalten. 17. 


Berantwortliher Heraudgeber : Seinrich Brodpans. — Drud und Verlag von F. E. Brockhaus in Reipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Montag, 


Die preußische Verfaſſungsfrage und das nordifche 
Princip. Won einem Oftreicher. 
Bierter und Segter Artikel. 
( Belhlup aus Nr. 193.) 

Wir haben uns von unferm eigentlichen Gegenftande 
etwas weit entfernt: wir wollten von den Verhaͤltniſſen 
der polnifchen Provinzen zu der preußifchen Verfaſſungs⸗ 
frage reden ; aber indem wir uns damit befchäftigten, 
eriholl die Kunde von jenem neuen Auflehnungstampfe 
der polnifhen Nationalität, und dieſe Kunde wirkte der- 
geftalt auf unfere Stimmung, daß wir zu einer ruhigen 
Belprehung, auf ein fogenanntes wiffenfchaftliches Rai⸗ 
fonnement, uns unfähig fühlten. Doch mag auch aus 
obigen Zeilen unfere Anfıht hinlaͤnglich hervorgehen. 
Unfer Verf. betrachtet eine reichsftändifche Verfaſſung für 
Preußen ale das einzige, aber auch völlig durchgreifende 
Mittel, um diefem lofe zufammenhängenden Staate eine 
fefte organiſche Einheit zu gewähren. Durch foldhe Ver⸗ 
faffung würden namentlich jene neuermorbenen Provin- 
zen, die den hiſtoriſchen Entwidelungsgang Preußens 

mist mitgemacht, aufs ſchnellſte mit den alten Kern- 

landen zu einem Ganzen verwachfen. Er begreift unter 
jenen: Sachſen, Weftfalen, die Rheinprovinzen und bie 
polnifhen Provinzen. Was biefe drei, erftern betrifft, 
fo haben wis ſchon im dritten Artikel unfere Anficht 
dahin ausgefprochen: daß fie und vielleicht noch manche 
andere norddeutfche Länder eine natürliche Verwandt⸗ 
haft mit Preußen haben, ein in ber Zeit begründetes 
Streben, ſich von dieſer flärkern Monas anziehen und 
amalgamiren zu laffen, und daß nur jenes widernatürliche 
bureaufratifhe Syſtem im Vereine mit der provinzial» 
fändifden Verfaffung diefem wahrhaft Hiftorifchen und 
duch innere Mothwendigkeit gebotenen Proceffe im Wege 
geftanden habe. Was aber die polnifchen Provinzen be- 
trifft, fo fonmen wir mit dem Verf. nicht übereinftim- 
men. Wenn überhaupt zwei ganz verfchiedene Nationa- 
täten in heutiger Zeit zu einer wahrhaften Staatsein- 
beit verſchmolzen werden koͤnnen, fo kann es freilich al 
lin auf dem Wege einer freien gemeinfhaftlichen Volks⸗ 
verfaffung gefchehen. Aber Damit ift nicht gefagt, daß 
eine ſolche Volksverfaſſung das Unmöglihe moͤglich ma- 
hen könne, daß fie ein Univerfalmittel zur Aufhebung 
jeglicher Verſchiedenheit ber Nationalitäten fe. Cine 


— Nr. 194, — 


13. Juli 1846. 


Srenze hat bier bie Natur auch gefegt: Verwandtes 
laͤßt fih aufeinander pfropfen, aber das Heterogene kann 
nie auf organifche Weife fih miteinander verbinden. 
Wir halten die polnifchen Provinzen, fo weit fie noch 
nicht germanifirt find, überhaupt nicht dafür beftinmt, 
ein Theil bes preufifchen Staats zu werden. Es ift im- 
mer ſchwer oder vielmehr unmöglih, mit Beftimmtheit 
anzugeben, wie fi die Gefchichte gemacht haben würde, 
wenn von den Vorfahren anders gehandelt wäre und 
wenn andere Ereigniffe ſich zugetragen hätten. 

So laffen wir e6 denn auch babingeftellt fein, ob eine 
preufifche Volksverfaſſung im J. 1815 die Nationalität 
ber Polen nicht befiegt haben würde. Es wäre möglich, 
doch. glauben wir es nicht, fhon aus dem Grunde nicht, 
weil die preußifchen Polen zu edelherzig und zu national 
dachten, um felbftfüchtig ihr Schidfal auf eigene Hand fi) 
zu machen und bie engen Bande, mit welchen fie an ihren 
der ruffifchen und öftreihifchen Herrfchaft unterworfenen 
Brüdern gefeffelt waren, egoiftifch zu löfen. Aber hätte 
ein in großartigem Geifte entworfenes und durchgeführ⸗ 
tes Berfaffungsleben auch damals eine ſolche Wunder- 
wirtung bervorbringen koͤnnen, fo ift fie jegt doch auf 
keinen Zal mehr möglid. Dreißig verfäumte Jahre 
wiegen ſchwer in heutiger Zeitz fie laffen fich nicht wie 
der nachholen. Der Wille der Polen ift feit diefer Zeit 
entfchiebener geworben ; das Bemußtfein ihrer Verbrüde⸗ 
rung, ihres heiligen Anrechts auf einen felbftändigen 
nationalen Staat hat in fhmwerer Schickſalsſchule mit 
ſolch' allmaͤchtiger Klarheit fi ihrer bemächtigt, daß eine 
Incorporation ber Gefinnung auf geiftig - friedlichem, ge- 
feglihem Wege zur moralifchen Unmöglichkeit geworben 
if. Man muß ihnen diefe nationale Selbftändigfeit ent⸗ 
weder gewähren, oder man muß fie fämmtlich auf ge- 
waltfam - graufame Weife mit Stumpf und Stiel aus- 
totten. Was mit der Muttermilch ſchon eingefogen wird, 
heiß, glühend, unzerftörbar; was die Baſis des ganzen 
Wollens und Charakters von frühefter Jugend auf bil⸗ 
bet; was. mit allen Hochgefühlen der menfchlichen Bruft 


‚aufs engfte verfchmolzen ift, mit ben Zügen ber Mutter, 


mit dem Enthufiasmus der Rnabenjahre, mit der Reli 
gion u. f. w.: Das läßt ſich durch eine blos negative Frei⸗ 
beit (für bie Polen wenigftens blos negativ und deshalb 
keine wahre Freiheit) nimmermehr paralyfiren. 





‚, 104 


Aber eben um befto mehr ift eine Verfaffung für bie 
übrigen preußifchen Provinzen das bringendfte Bebürfnif. 
Der Berluft der polnifhen Provinzen ift in gemwiffer Be⸗ 
ziehung wirklich ein Verluft für Preußen, nämlich ein 
äußerer, materieller. Diefer Verluſt ſteht bevor; er wird 
duch motalifche Pflichten, durch eine edlere Politik ge⸗ 
boten. Preußen muß ſich auf dieſen Verluſt vorbereiten; 
es muß auf einen Erfag für denfelben bedacht fein. Und 
dieſer Erfag für den äußern Verluſt fann vorläufig nur 
in einem Zuwachſe von innerer Kraft und Einheit be- 
fiehen, und dieſer Zuwachs Tann wiederum einzig und 
allein durch eine allgemeine Volksverfaſſung bewerkftelligt 
werben. 
ſtiſche Preußen ohne die polnifchen Provinzen beftehen 
könne? das ift eine Trage, die wir nicht erörtern wollen, 
weil fie und nicht im mindeften intereffirt. Aber Das wiffen 
wir, daß es jenen Verluft leicht verfchmerzen kann, wenn ſich 
wirklich ein freies Staatsleben, getragen von den lau- 
tern Grundfägen chriftlicher Gerechtigkeit und Liebe, in 
feinem Innern entwidell. Die polnifchen Provinzen 
würden in diefer Beziehung mehr ein Hinderniß als 
eine Unterflügung fein, während fie, von Preußen ge- 
trennt und mit dem übrigen Polen zu einem freien 
Staate vereinigt, den Beruf Preußens auf das Präftigfte 
unterflügen würden. 

Es war unfer Plan, die Anfihten unfers Derf. 
über die Verfaffungsfrage in Beziehung auf Oftreich in 
einem fünften Artikel zu befprehen; aber fon haben 
wir den Raum Üüberfchritten, den diefe Zeitfchrift einem 
einzelnen Werke widmen kann. Wir brechen daher hier 
ab und wollen nur noch in wenigen Worten bie Anficht 
des Verf. dem Lefer vorführen. Wenn derfelbe die ei- 
nigende Kraft einer freien Volksverfaſſung ſchon in Be 
ziehung auf Preußen etwas zu üherjhägen fiheint, fo 
ihut er dieſes in Beziehung auf Öſtreich in noch weit 
höherm Grade. Er iſt der Überzeugung, dag ſtreich 
nur eine gemeinfchaftliche freie Verfaffung für feine ver- 
fhiedenen Provinzen zu derretiren brauche, um in weni⸗ 
gen Jahren zu einem völlig einigen Staate und zu ei- 
nem einzigen Volke verfehmolzen zu fein. An folche 
zauberhafte und zu gleicher Zeit unfittlihe Wirkungen 
glauben wir ‘Gott Xob nicht. Wir glauben nicht, daß die 
Staliener, Magyaren, Slawen und Deutſche fo ober- 
flaͤchliche, harakterlofe Weſen find, daß fie ihre innerſte 
Eigenthümlichkeit und Verſchiedenartigkeit fo wohlfeiten 
Kaufes aufgeben würden. In der That begreifen wir 
nicht, warum ber Verf. nicht lieber gleich einen euro- 
päifchen Univerfalftaat mit gemeinfchaftlicher DVerfaffung 
vorfchlägt, da ihm bie Nationalitäten fo leicht wiegen 
und als unwefentliche Übelftände erfheinen. Denn ein 
folder Verſchmelzungsproceß mörhte für ganz Europa und 
ſelbſt für alle fünf Erdtheile eben nicht mehr und ‚nicht 
weniger fehwierig fein als für die oͤſtreichiſchen Provinzen. 
Was aus Öftreich in Zukunft werben fol, das ift feei- 
lich ſchwer zu fagen, und wir glauben, daß der Fürft 
Metternich diefe Frage nicht wohl "beantworten Tann ; 
aber fo viel wiffen wir doch gewiß, daß ein weit 'ver- 


Ob das gegenwärtige bureaukratifch - abfolutie 


‚gegen befteht in hunde 


widelterer hiſtoriſcher Entwickelungsproceß biefen feltfa- 
men Staat (wenn man e& fo nennen will) in ber Zu- 
funft erwartet, als der Verf. auf dem Papiere nad) fei- 
nen vernunftrechtlihen Principten a la Rotteck mit ihm 
vorzunehmen für gut findet. 
rt F. von Florencourt. 





Die Verbreitung des deutſchen Volkes über die Erde. 
Ein Verſuch von Wilhelm Strider. 


(Bortfegung aus Nr. 198.) 


Im zweiten Buche betrachtet der Verf. Die Deutfchen im 
ruffifchen Reiche, in Spanien und in Großbritannien. In Be: 
zug auf das erfigenannte Land beginnt der Verf. folgender: 
maßen: „Richt minder wichtig als für Ungarn und Sieben- 
bürgen iſt, was auch Hr. v. Guftine und die Schmaͤhſchrift 
«La Russie envahie par les Allemands» dagegen vorbringen 
möge, die beutfche Nation für Rußland gewefen. Seit Peter 
dem Großen find faſt ausfchließlich Männer aus Deutfchland, 
aus den Dftfeeprovinzen und Söhne von in Rußland einge- 
wanderten Deutfchen die Berbreiter der Bildung in diefem 
Neiche und die gemwaltigfien Vertreter der ruffifchen Intereſſen 
gewefen. Wir brauchen nur an die aus beutichem, nämlich 
botfteinifchem und anhaltifhem Blut entfproffene Kaiferfamilie 
und an die drei einflußreichfien Staatsmaͤnner Rußlands, 
Münnih, DOftermann und Reflelrode, zu erinnern. Es wäre 
zu lang, die Ramen der ruſſiſchen Feldherren von deutſchem 
Blut Hier zu nennen: genug, daB bis jegt nur fieben Rational: 
ruffen im Kriege fi) ausgezeichnet haben. Wir erinnern in an- 
derer Hinfiht an die deutſchen Gelehrten der Hochſchule Dor⸗ 
pat und bie Zierden von Peteröburg, Moskau und Kafan. . . . 
Das gebildete Europa verdbanft die Kenntniß NRußlands faft 


ausſchließlich deutfchen Quellen, von Herberſtein's Reife bis zu 


Kohl's Schriften... . Krufenfteen und Kogebue find die be: 
rühmteften Erdumfegler der ruffiihen Marine... . Deutſche 
Bergleute beuten die Schäge Polens, wie des Urals und Si⸗ 
biriens aus; Ddeutfche Lehrer find die Bierden ſaͤnmtlicher ruf: 
fiſchen Hochſchulen; das ganze Medicinalweſen des Reichs ruht 
in ben Händen deutſcher Ärzte und Apotheker, und dad Wohl 
der Paiferlichen Familie war noch ſtets deutfchen Leibärzten an: 
vertraut. Beiweitem die meiften dieſer Kräfte Famen aus ben 
deutfchen Oſtſeeprovinzen Livland, Kurland, Efthland. Bis vor 
wenigen Jahren hielt daß große Publikum in Deutſihland die 
Kur⸗ und Livländer für Ruffen, ebenfo wie die Holfkeiner und 
Schleswiger für Dänen, wie die Belgier und Elſaſſer für 
Sranzofen. .. - Roc jegt tritt in den Oſtſeeprovinzen alle 
drei Jahre der Landtag zufammen, wo unter dem Vorfike des 


LEandtagsmarſchalls die Landboten ſich vereinigen. Natürlich un- 


terliegen alle Beſchluͤſſe des Landtags der Beftätigung der Re⸗ 
gierung, auch firht an der Spige:der Verwaltung ein mächti- 
ger Statthalter, ‚der von der Regierung eingefegt ifl. Der 
erfte Dann nach biefem ift der Landesbeuollmächtigte, der die 
Provinzen in Petersburg vertritt.“ 
über das —ã der Oſtſeeprovinjen gu Rußland ſagt 
Kohl: „Die Unzufriedenheit der Provinzen entfpringt keines: 
wegs aus beutfcher Geſinnung oder Hinneigung zu einem deut⸗ 
ſchen Staat, etwa Preußen. Hier find die Stande gleich ge 
macht, der Adel beſchraͤnkt (erimirter Gerichtsftand ? rheinifche 
Autonomie?), die mittelalterlichen Privilegien der Städte auf⸗ 
ehoben, die Iuden in ihre menſchlichen Rechte -eingefegt, die 
Bünfte eingerichtet, Vie Leibeigenfchaft mit ber Wurgel auge: 
rottet und alle Staatsbürger auf gleiche Weiſe zur Steuer», 
Dienft- und Wehrpflicht „gerogen. In den Dftfeeprovinzen das 
acher Hinfiht noch mittelalterficher 
Buftand. Die erimirten Stände find frei von Abgaben und 
Wehrpflicht, die alte Lehnsherrſchaſt ſteht bier noch in ziemlich 


Tr 


unnerfebster Peacht. Die Riteraten ftehen dem del gegen: 
über, wie zu Luther's Seiten; und es gibt Fein Stüd Landes 
mehr in der Melt, defien Zuſtand in dem Grade dem Mittel: 
alter gleicht wie die drei baltiſchen Herzogthümer. Daher lie⸗ 
ber Rußland mit feinen ſchlechten Berichten, mit feiner Be⸗ 
ſtechlichkeit, aber auch mit feinen geringen Steuern und feiner 
flarken, Vertrauen erweckenden Macht, ald Preußen mit feiner 
Ordnung, feiner gleihwaltenden Gerechtigkeit, feiner Schul 
meifterei und Bevormundung. Preußens confequente Vernunft 
litte Beine Einwendung, mit Rußlands Wbfolutismus findet 
man fi) doch zuweilen ab... . Wie die ganze deutfche Be- 
völlerung der Ruſſen, fo ſtehen im Lande felbft Adel und 
Bürger fich feharf getrennt gegenüber... Früher gab ed in 
Rivfand wenige Steuern und feine Kriegspflicht; mit der ruſſi⸗ 
hen Eroberung wurde dies anders: die Bewohner wurden in 
zwar Claſſen getheilt, in Solche, welche der Kopffteuer und an: 
dern Abgaben, auch ber Rekrutenſtellung unterworfen find, die 
DHälediften, und in Solche, die Davon frei find, die Erempten. 
Die Bauern, die verdeutfchten Eingeborenen, ferner die Hand: 
werker, KRünftler und Krämer gehören, fobald fie ruffifche Un⸗ 
terthanen geworden find, zu den Okladiſten, welche noch unter 
dem Stocke ftchen; Daher fuchen alle Wohlhabenden fich diefer 
Glaffe au entziehen, indem fie fi fo lange wie möglich die Ei⸗ 
genföoht als Ausländer zu erhalten oder durch Erlangung 
von Amtern oder Wdelsdiplomen zu den Exempten aufzu- 
ſchwingen wiflen. Die höhern Stände der Herzogthümer, Die 
Erempten, beftehen neben Großhändiern und Adel auch aus 
den Biteraten (Geiftliche, Advocaten, Profefforen und ürzte). 


Sammtliche livlaͤndiſche Literaten find Deutfche, und was fich‘ 


von fremden Rationalitäten unter ihnen eingefchlichen haben 
ſollte, konnte es nut durch feine Verdeutfchung. Die periodi- 
fe fiteratur der Oſtſeeprovinzen ift durchaus deutfch; in Riga 
erfiheinen ſechs deutſche Blätter, in Dorpat fünf, in Mitau 
goei, in Pernau, Libau und Neval beutfihe Wochenblaͤtter. 
Dazu fommen noch neun Blätter in Petersburg und eine 
Baarın: nd Exhiffslifte in Kronſtadt. Es erfcheinen dem» 
nah in Rußland in Allem 24 deutfche Zeitfchriften, wovon 13 
den Dkfeeprovingen angehören, und Diefe machen über ein Sie⸗ 
bentel fänmtlicher rufftfcher Beitfchriften aus, deren Zahl 142 
beträgt. In Deutfchland find deren gegen MU. Bon diefen 
12 find nur 99 in zuffifher Sprache geſchrieben, acht fran- 
son, vier englich, drei polnifch, Drei lettifch und eine italie⸗ 
ni in Doeſa. Huch in Beziehung auf die nicht periodifche 
Literatur neigen die Oſtſeeprovinzen durchaus nach Deutſchland 
hin. Man verfolgt dort den Gang unferer Literatur mit Auf: 
merkſamkeit, während die ruſſiſche fremd bleibt und die Kennt: 
niß dieſer Sprache ſich nicht über dad Bebürfniß hinaus er: 
firedt. Der Haupthebel der Ruffificirung ber Oſtſeeprovinzen 
if die griechiſche Religion, weiche mit dem Ruſſenthum unauf- 
loͤslich feſt verbunden ift. Die griechifche Kirche ſtand von je- 
ber der kutherifchen im Ganzen weniger feindlich gegenüber 
as der römifchen, ift auch weniger proſelytenmachend, ats fie 
dielnehr das Entweichen ihrer Angehörigen verhindert; aber 


ihte Bertbeidigumg ift fo ausgedehnt, daß fie nicht felten in’ 


Angrif übergeht. Die GSeſetze, daß alle unehelich oder in ges 

Ehe erzeugte Kinder in griechifcher Religion erzogen 

werben müflen, daß ein Religionswechfel nur zu derfelben flatt: 
finden darf, daß, wer einmal das Abendmahl nach griechifcher 
Beife genoſſen hat, ſchon dadurch der griechiſchen Kirche ange 
bert: — alle jene Beſtimmungen führen der griechifchen Kirche 
ih eine Menge mehr oder weniger unfreiwilliger Beken⸗ 

ner zu. Das letztgenannte Geſetz ift befonders wichtig bei dem 
Heere, wo einzelne Iutherifye Soldaten unter Sauter griechi⸗ 
ſchea dienen und die übrigen Geremonien diefer Kirche unter 
den Waffen mitmachen müffen. Dazu kommen noch mande 
deſtinmungen der Regierung für einzelne Bälle, 3. B. daß 

die Söhne der mit conſiscirten polnifchen Gütern belichenen 
Offiziere griechifeh werden müflen, um diefe Beſthungen erben 


zu fonnen”’ u. f. w. 


halten fuchen. 


Bon diefen Ruffificisungsverfuchen urtheilt Kohl fehr rich: 
tig folgendermaßen: „Ihrer felbft und um des allgemeinen 
Wohles willen müßte die ruſſiſche Regierung, wenn je ſich 
von einer richtigen Politik leiten Laflen wollte, diefe Ausrot- 
tung deutſcher Sitte und Sprache, die offenbar zugleich eine 
völlige Ausrottung deutſchen Geiſtes und deutſcher Tüchtigkeit 
fein würde, zu verhüten fuchen. Da Rußland bisher den Deut: 
fhen noch beinahe Alles verdankt, fo folte ed das Gluͤck zu 
ſchaͤzen wiflen, daß es ein Stüd von Deutfchland zu feiner 
Berfügung hat, aus dem es, wie aus einer Pflangfchule, viele 
ſehr nüglihe Männer und treue Untertbanen ziehen Bann, und 
as folte daher den guten deutfchen Geift auf alle Weife zu er: 
Wenn es aber fortfährt, die Deutfchen mit 
Zataren und Zungufen auf Einem Fuße au behandeln, fo wer: 
den bie Quellen tüchtiger Feldherren, Staatsmänner, Lehrer 
und Bürger gar bald verfiegen.!’ 

Nachdem nun der Bert noch einen Blid auf die Deut: 
ſchen in Finnland geworfen, gebt er zu denen in Südrußland, 
über mit den Worten: „Richt wie die Deutfchen an der Oft: 
fee, mit Bildung, Reichthum und Macht ausgerüftet; nicht herr: 
fchend über ein überwundenes Geſchlecht und den heutigen 
Herrfchern gefchloffen gegenüberftehend; aber ehrenwerth durch 
den Fleiß und die Züchtigkeit, mit der fie alle Schwierigkeiten 
überwunden und eine geachtete Stellung fih errungen, find 
die Deutfchen in Südrußland, Männer des Pflugs, wie jene 
Männer der Weder und des Schwert. Die deutſchen Ader: 
baucolonien in Süudrußland zerfallen in zwei Abtheilungen, die 
an der Wolga und die am Schwarzen Meere.” Die erflern 
bereifte und befchrieb Yrof. Erdmann im Auguſt 1815: er be- 
zeichnet ihren materiellen Zuftand als nicht gerade günftig, ih⸗ 
ren geiftigen als äußerft vernachlaͤſſigt. Als fpäter Alexander 
v. Humboldt, Ehrenberg und Roſe bdiefelben im 3. 1829 bes 
fuchten, fanden fie folche blüyend und die deutichredenden Ein⸗ 
wohner durch Wohlftand und Reinlichkeit aufgezeichnet. 

Bon den in der Gegend von DObeffa gelegenen deutfchen 
Annedelungen fpätern Urfprungs bat in der neucften Zeit Kohl 
in feiner gemäth» und geiſtvollen Weiſe höchft anziehende Schil⸗ 
derungen gegeben, aud denen wir bier nur Einiges hervor: 
heben. Die Eoloniften find auch bier größtentheild Schwaben 
und wurden um das Zahr 1810 von der ruffiihen Regierung 
zur Einwanderung veranlaßt. Die Beſchwerden der erften An⸗ 
Hedelung waren fo groß, daB viele Deutiche ftarben, noch che 
fie das Land in Beig genommen, und nur ehr wenige den 
befiern Zuftand der Dinge erlebten. Unglaublihe Hinderniſſe 
und Übelftände überwanden jedod endlich deutfcher Fleiß und 
deutfche Ausdauer, fodaß gegenwärtig Die dort wohnenden 
Schwaben nicht nur vollfommen bequem eingebürgert, fondern 
fogar in jeder Hinſicht ihren ruffifchen Nachbarn überlegen find. 
‚Die fammtlichen deutfchen Eolonien Neurußlands haben 25,100 
Einwohner und ſtehen unter dem « Comité der Golonien» in 
Def. dem ein ruſſiſcher General vorſitzt und bei dem, ob: 

leich alle Angeſtellte au Deutſch verftehen müflen, alle Ver⸗ 
Dandlungen Rufffch find. Diefer Ausſchuß fteht wieder, wie 
der der Wolgacolonien, unter dem Goloniedepartement ded Mi⸗ 
nifteriums des Innern in Peteröburg. In der Krim liegen 
16, 1804 und 1805 gegründete, aufammen 4000 Einwohner, 
meift Würtemberger, Elſaſſer und Schweizer, zählende deutſche 
Ortſchaften. Im 3. 1816 gründeten ausgewanderte Wuͤrtem⸗ 
berger in Georgien, jenfeit des Kaukaſus, ſechs deutiche Ge⸗ 
meinden. Die Berfaflung der einzelnen Eolonien ift demokra⸗ 
tiſch. Die Schulzen, fowie die Oberfhulzen und die Schreiber 
bei den Amtern werden von ben Bauern durch Kugelung ge⸗ 
wählt. Ackerbauende deutfche Eoloniften zählt Rußland in Al⸗ 
lem 235,000. Dazu kommen noch deutſche Bergwerkscolonien 
in Weftfibirien. . . . Verſuchen wir eine ſtatiſtiſche überſicht 
dev Deutfchen in Rußland, außer den in den Hauptſtaͤdten 
wohnenden, gu geben, fo finden wir in den Oftfeeprovingen in 
runder Summe .etwa 100,000, wovon 38,000 auf Kurland bei 
einer Gefammtbevölterung von 307,000 kommen. Bon 1000 


776 


Einwohnern ber Dftfeepesbingen find 900 Eſthen oder Letten, 
50 Deutfche und Ruffen, die übrigen in Eſthland und 
Livland find Schweden, in Kurland Juden. Unter 100 Deut: 
fhen find etwa 10 Adelige, 80 Bürgerliche von urfprünglich 
deutfcher Herkunft und 10 verdeutſchte Urbewohner. Die Dich 
‚tigkeit der Bevölkerung beträgt in Kurland 1000, in Lioland 
80, in Efthland 300 Menfchen auf die Quadratmeile. in: 
fhließlich der aderbauenden Eolonien und der zuſammenwoh⸗ 
nenden Deutſchen in den Städten koͤnnen wir eine Geſammt⸗ 
zahl von einer halben Million Deutſchen in Rußland 
annehmen.” . 
Bom fernften DOften gebt der Berf. nad) dem weiteſten 
Welten, zu den deutfchen Anfiedelungen in Spanien über, und 
ſchildert en nad den Angaben von Zſchokke, Schloffer, 
Bılding, Höffen und Barrow. „Ein Baier, Joſeph Kaspar 
Thürriegel aus Groſſersdorf (geb. 1733) war es, der im Auf: 
trage des Dlavided die unmwirthbaren Thaͤler und Höhen ber 
fpanifgen Sierra : Morena zuerft fruchtreih und bevölkert 
machte, indem er 1769 7326 deutfche Haushaltungen nad) 
Spanien führte. Im 3. 1777 befaß die Colonie bereits drei 
Städte: 2a Carolina, den Hauptort und Sig des Statthal: 
ters, mit 6— 7000 Einwohnern, dann Carlota und Luifiana. 
Später: haben fie ihren Wohlftand und ihr Anfehen noch 
vermehrt.‘ 
Schr wenig befunnt find die deutſchen Anſiedelungen in 
Seland, über welche fih einige Angaben in Bran's „Miscellen 
der ausländifchen Literatur” (1842, Heft 5) finden. „In ber 
'nädhften Umgebung von Adare bei Limerid hat ungefähr vor 
140 Jahren fi ein eigenthümlicher Stamm von Fremden nie: 
dergelaffen, welche ſich noch jegt fehr von andern Leuten abge: 
fondert halten. Sie werben Palatines oder Pfälzer genannt. 
Im Anfange des vorigen Jahrhunderts führte nämlich Lord 
Loathwell eine Schar deutfcher Proteftanten nad Irland ein 
und wies ihnen Court » Matred zum Wohnfig an’ u. f. m. 
Drdnung und Reinlichkeit, Fleiß und Medlichkeit werden bei 
diefer Eolonie, ebenfo wie bei denen in Spanien und Rußland, 
als die hervorftehendften Eigenfchaften der deutſchen Anſiedler 
enannt. Ebenſo heißt.e8 von der flämifchen Bevölkerung in 
üdwales, einer flandrifchen Colonie zwifchen Eaermarthen: 
Bai und David's Head: „Sie find reinliher als ihre Nach: 
barn und fprechen Fein Waͤlſch, fondern eine englifhe Mund: 
art, die der der ſchottiſchen Hochlande nahe kommt, mit vielen 
niederdeutfchen Worten.” \ 
, (Der Beſchluß folgt.) 





Bibliographie. 

Becker, W. A., Handbuch der römischen Alterthümer. 
Nach den Quellen bearbeitet. 2ter Theil. 2te Abtheilung. 
Leipzig, Weidmann. Gr. 8. 2 Thlr. 15 Ngr. 

Blum, G., Meerblumen. Liederkranz für Seeleute. ?te 
Auflage. St. Pauli. 1845. Gr. 12. 5 Nor. 

Bürk, A., Uri von Hutten, der Ritter, der Gelehrte, 
der Dichter, der Kämpfer für die deutjche Kreiheit. Dresden, 
Arnold. 8 1 Thlr. 

Eoquerel, C., Die PVerfolgungen der proteftantifchen 
Kirche in Frankreich feit dem Ende der Regierung Lubwig’6 XIV. 
bis auf die neuere Zeit. Für das deutiche Volk bearbeitet von 
G. Schilling. Stuttgart, Verlagsbüreau. 8. 1 Zhlr. 
22%, Nor. . 

Cussy, F.de, Consul-general à Palerme, Dictionnaire 
on manuel-lexique du diplomate et du consul. Leipzig, 
Brockhaus. 8. 3 Thir. 

Dahlmann, F. E., Geſchichte der engliſchen Revolution. 
4te verbefferte Auflage. Leipzig, Weidmann. 8. 2 Thlr. 

Encke, J. F., Ueber das Verhältniss der Astronomie 
zu den andern Wissenschaften. Eine Vorlesung in dem 
wissenschaftlichen Vereine zu Berlin. Berlin, Besser. Gr. 8. 
7% Neger. . 
— Verantwortlicher Herausgeber: 


Erdt, F., Der Jeſuit. Dramati Charaktergemaͤlde 
in 5 Acten. Danzig, Gerhard. 12. 33 i 

Frankl, 2. A., Don Juan d’Auftria. Heldenlied. Leip⸗ 
sig, Weber. Gr. 8. 2 Thlr. 

Gräfe, 3.8. T., Handbuch der allgemeinen Literatur: 

eſchichte aller bekannten Voͤller der Welt, von der älteften 
is auf die neuefte Zeit. Ein Auszug aus des Verfaſſers grö: 
ßerem Lehrbuche der allgemeinen Literärgefchichte. ter Band: 
Literaturgefchichte des Mittelalters. Dresden, Arnold. Gr.8. 
3 Ihlr. 223%, Nor. 

Kohl, I. &., Die Marſchen und Infeln der Herzogthü⸗ 
mer Schleswig und Holftein. Rebft vergleichenden Bemerkun- 
gen über die Küftenländer, Die zwiſchen Belgien und Zütland 
liegen. Drei Bände. Dresden, Arnold. ®r.13. 5 Ihlr. 20 Ror. 

Mundt, X., Die Götterwelt der alten Bölker. Berlin, 
Morin. 8. 1 Thlr. 221, Nor. 

Ricol, G., Gedichte. Hannover, Kius. Gr. 12. 1 ZHlr. 

Delders, %., Tolle Welt Ein Roman. Zwei Theile. 
Reipzig, Kößling. 8. 2 Zhlr. 15 Nor. 

Schefer, 2, Laienbrevier. - Ste unveränderte wohlfeile 
Auflage. Berlin, Veit u. Comp. Gr. 16. 1 Thlr. 15 Rar. 

Schneegloͤckchen. Gedichte von K. Froͤhlich, G. Tholde 
und F. Bethke. Berlin, Springer. 12. 6%, Rgr. 

Wohlgeboren⸗Wohlbrück, Minna, ReifeErinnerm: 


gen. Berlin, Duncker und Humblot. 8. 1Thlr. 


Tagesliteratur. 


Bergius, C. J. Das Geld: und Bankweſen in Preußen. 
Bredlau, Aderholz. Gr. 8. IV Nor. 

Die Ergebniffe unferer Tage als Vorläufer einer beffern 
Beit, nebft Andeutungen, wie und durch wen Letzteres zu be: 
gründen fei. Drconomifch-ftatiftifhe Betrachtungen eines practi⸗ 
then Landmannes. Hamburg, Perthes » Befier und Mauke. 
&r.8. 1 Chir. - 

Fran 1 , $ J., Mein Glaubensbekenntniß. Landau, Kau: 
Ber. &r. 8. 2 Ngr. 

Kröger, 3. C., Mittheilungen über Peſtalozzi und feine 
Se eenebobe. Hamburg, Perthed : Beffer und Mauke. 

. 12 Rar. | 

Riebuhr, M., Bankvevolution und Bankreform. Wort 
eined Laien für Laien. Berlin, Beſſer. Gr. 8. 16 Nor. 

Peel, .R., Rede gegen die Saul, gehalten in der 
Yarlamentöfigung vom 22. Januar 1346. Ins Deutfche über: 
tragen von U. Kretzſchmar. Grimma, Berlagscomptoir. 
8.8. 6 Ror. 

Die Peftalozzi : Beier zu Hamburg. Hamburg, Perthes- 
Befler und Mauke. Gr. 8. 12%, Nor. 

Prochel, 3. 6., Jubel Predigt über 1. Cor. 2, 1. 2. 
Stolp, Fritſch. 8. 3 Nor. 

Röhr, J. F., Die gute Sache des Deutfch-KRatholizismus. 
Ein Zeugniß für diefelbe. Weimar, Hoffmann. 8. 10 Rer. 

Schell, F. 3., Dad alte und neue Hoheprieftertfum und 
ber Deutfch- Katholizismus. Leipzig, Einhorn. 4 Rgr. 

Die Sprecher ir die Deutſch⸗Katholiken in der gegenwär: 
Aigen ſaͤchſiſchen Ständeverfummlung. 2tes Heft: Die Öpredyer 
ber II. Kammer. Rebſt dem Deputationsberichte, den Kam: 
merbefchlüffen und einer vergleichenden Überfiht beider mit 
der Regierungsvorlage, dem Deputationsberichte und ben Be: 
fhlüffen der Il. Kammer. Leipzig, Melzer. &r.8. 7Y, Nor. 

Uhlich, Chriftenthum und Kirche. te Auflage. Leipzig, 
Klemm. 12. 5 Ror. 

Die polnifche Verſchwörung zu Anfang des Jahres 1846. 
2te durchaus umgearbeitete und berichtigte Auflage. Grimma, 
Berlagscomptoir. RI. 8. 10 Rgr. 

Zolivereinsfragen Anfang 1846. Die Böle auf Garne. 
Die Belange der preußifchen Oftfeeprovinzen. Das Schifffahrts⸗ 
gefeg. Die Note ded Grafen Überdeen. Die Barifvorfchläge. 
von Sir Rob. Peel. Berlin, Befler. Gr. 8. 12 Rar. 


Heinrich Brockkans. — Drud und Verlag von F. E. Wrodbans in Leipzig. 








Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Schelting's Vorwort zu H. 
Nachgelaſſenen Schriften. 


Bir beeilen uns, den weiten Kreis der Leſer d. Bi. 
mit dem ,‚, Borwort ” bekannt zu maden, weldes in 
einem befondern Abdrud vor uns liegt, wie es denn, 
abgeiehen von feinem nächften einleitenden Zweck, eine 
umfaffendere Beftimmung und eine größere Bedeutung 
hat und, obwol in fragmentarifcher Form, ein felbftändi- 
ges Ganzes ift. 

Während wir fihon lange warten und hoffen, daß 
der alte Meifter die reihen Ergebniffe vieljähriger, un- 
ermüdliher Forſchungen nicht blos feinen Zuhörern, den 
nähften Augen» und Ohrenzeugen feiner auch im bö- 
bern Alter noch jugendlich-rüftigen Geiſteskraft, fondern 
au dem gefammten Vaterlande und der Welt mit- 
theile, überrafcht er uns mit diefem Vorwort, welches 
noch mehr als eine frühere Vorrede, in der er nach lan⸗ 
gem Schweigen ein kräftiges Zeugniß mider eine ver- 
faͤngliche Richtung der Philoſophie ablegte, lebhafte Theil- 

nahme in Anſpruch nimmt und noch gerdaltiger im bie 
Erolutionm der Rreitenden Maͤchte diefer Zelt eingrei« 
fen wird. 

Es find zunächft theologifche und Firchliche Kragen 
der Gegenwart, auf die wir bier aus einem freien, un- 
umwoͤlkten Etandbpunfte Mare und überzeugende, felbft 
in den bloßen Andeutungen befriedigende Antwort erhal⸗ 
ten: das wohlbegrünbete Gutachten eines reichbegabten, 
tiefforfchenden und erfahrungsreichen Lebens, beffen Zeug⸗ 
niß hoffentlich unter dem Zagsgefchnäg der Parteien 
nicht verhalfen wird wie die Stimme eines Predigers 
in der WVüſte. 

Fragt man: Woher Hr. v. Schelling Veranlaffung 
genommen, gerade in der Vorrede zu Steffens" literari- 
ſchem Nachlaß, auf folche Weile das Wort zu nehmen 
und Streitfragen zu befpredhen, die jegt die Gemüther 
bis in die unterſten Schichten des Volfes hinab bewegen? 
Es ift das ebenfo wol ein Wort an feinem Orte wie 
zu rechter Zeit. Steffens diente mit Leib, Seele und 
Geiſt der Wiſſenſchaft; aber er ifolirte fie nicht vom 
Leben; fie follte felbft dem Leben bienftbar werden, ob- 
wol in der unbefchränkteften Selbftändigkeit und Freiheit. 
60 wenig er die Refultate der Forſchung nach dem Maße 


ihrer praktiſchen Brauchbarkeit zu .vwürdigen geneigt feiw 
fönnte, fo wenig vergaß er: daß grau M ale Thestit, 
doch grün des Lebens frifher Baum. Der tiefe Blick 
in die Geheimniſſe der Natur hatte ihm auch das Ver⸗ 
Köndniß der Geheimniffe des Menſchenlebens geöffnet, 
zu dem fein reiches, inniges Gemüth ihn hingog. So⸗ 
wie feine Naturanſchauung urſprimglich eine religiöſe 
war und feine wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen und Lei- 
flungen nie und nisgend das religisfe Element verleug⸗ 
meten, fo wurzelte auch fein ganzes Weſen immer tiefer 
im Chriſtenthum und bürgerre fi in die Kirche ein, 
mit evangehfher Glaubenskraft und Gefinnung Die 
feelenvolle, Iebendige Theilnahme eines fo frifchen und 
ſtarken Gemäths an den Zeiterfcheinungen auf Lirchlichene 
Gebiete macht es begreiflich, wie derfelbe Mann, ber 
mit der feurigflen Liebe ber Naturmiffenfchaft zugethan 
war und wohl begriff, daß das längfte Leben nicht aus⸗ 
reihe, ihre Tiefen zu erfchöpfen, auch theologifcher Schrift» 
fteler werden konnte, und zwar einen ausgezeichneten 
Beruf dazu bethätigend. Gteffens ift Einer der Weni« 
gen, deren ungemeine Vielſeitigkeit nicht auf Unfoften 
der Gründlichkeit erworben ward; er ift auf jedem Ger 


biet, auf dem er fi bewegte, ein tüchtiger Mann, 


der da kann mas er will, weil fein Wille jene Klarheit 
und Energie gewonnen hat, welche nur die Gewalt einen 
reinen Liebe freien Geiftern mittheilt. Auch feine No⸗ 
velfen, in welchen er einen koͤſtlichen Schatz finniger 
Dichtungen Binterlaffen hat, bezeugen: daß er ebenfo 
gründlicd das Menfchenleben wie die Natur beobachte 
und erforfcht hatte, Daß die wichtigfien Fragen der Zeit 
ihn nicht blos oberflächlich berührten, fonbern tief ergrif⸗ 
fen, von ihm mit freiem Seiſte aufgefaßt und moͤglichſt 
erſchöpft wurden, und daß recht eigentlich nichts Menſch⸗ 
liches ihm fremd, Tondern ein Gegenftand liebevoller 
Theilnahme und tiefinniger Betrachtung war. Wiſſen⸗ 
[haft und Gefinnung fanden bei ihm im ſchoönſten 
Einklang. 

Die nacaelaffenen Schriften des geiftreihen und 
liebenswürbigen Mannes konnten fonad nicht zweck⸗ 
mäßiger eingeleitet werden als durch den Inhalt bee 
Vorworts, in welchem Schelling feinem trefflichen, den 
früh zur felbfländigen Meifterfhaft herangereiften Schü⸗ 


ler, dem Freunde feiner Jugend und feines Alters, ein 








® . 7 
würbige® Denkmal errichtet bat, da er ihm nicht eine 
Lodrede hielt, fondern Angelegenheiten befprach, welche 
dem edeln Sntfchlafenen am meilten am Herzen lagen. 
Schelling fagt darüber fehr ſchön: 

Kirche und Staat — das find bie zwei Gebiett, in denen 


allein die Yhilofophie mit dem dffentlihen Leben ſich berührt, . 


wad beide find ihr fo nahe gelegt, daß, wie mistrauifh ihr 
Einfluß auf beide von manchen Seiten noch betrachtet wird, 
fie durch nichts arg alten werden kann, fi angelegentlichft 
mit ihnen zu befchäftigen. Steffens trat vor Peiner der großen 
Aufgaben zurüd und mit derfelben Freimüthigkeit, wie er fi 
über zeligiöfe und kirchliche Verhaͤltniſſe geäußert, hatte er auch 
bei gegebener Veranlafiung über Zuftände und Principien des 
Staats ſich erklärt. Es gibt Individuen, bei denen der Werth 
ihrer literariſchen Leitungen den ihrer Perfon übertrifft. Wei 
a galt das Umgelehrte, infofern ald man feine Perfön- 

eit noch immer böher anfchlagen mußte als feine geiftigen 
Bervorbringungen. 


Nachdem Schelling fein berührt Hat, wie wenig es 
bei der Nähe feines Verhältniſſes zu dem werthen 
Freunde und bei der Übereinftimmung ihrer Befttebungen 
ſchicklich erfchienen, als Lobredner oder als Beurtheiler 
feiner Werke vorzutzeten, fährt er fort: 


Mir fand nur zu, Zeugniß abzulegen für fein hobes und 
durdgaus reines Wollen, wie ich gewiß mehr als irgend Einer 
unter den hier Anweſenden Urſache hatte, ihm das Wort de 
römifchen Dichters nachzurufen: Vielen Guten ftarb er beweint, 
Riemand beweinter ald mir! Uber nicht geziemte, unmännlichen 
Schmerz zu äußern oder zu erregen; vielmehr, wofern ich im 
&tande war den vollendeten Freund mit Worten zu ehren, fc 
Bonnte dies auf die würdigfte und feinem Sinn gemäßefte Weife 
nur gefchehen, wenn ich an feinen Ramen ein frei vom Her⸗ 
en weggeiprochenes Wort fnüpfte, das in einer Zeit großer 
Beriirzung über die wichtigſten Fragen ernftlih Strebenden 
zu einiger Berftändigung und Weiſung dienen konnte. In 
diefem inne wurde der Hegenmwärtige Vortrag gehalten. 

Es ift ein weiter Weg von den erften Unfängen der 
Epetulation durch alle nothwendigen auiinengricher bie zu 
den legten Refultaten, in welchen das hoͤchſte Menfchliche fich 
zufammenfoßt. Steffens erlag nicht der Länge bes Weges, wie 
überhaupt dad Ausgezeichnete feines Weſens eine unverwüft: 
liche Jugend des Geifted war. 

— — Er hat treu ausgehalten mit dem Waterlande feiner 
Wahl, Gluͤck und Unglüd der Beit redlich mitgetragen. Aner⸗ 
kannt von feinem edein aufs höchfte verehrten Könige, hat er 
neben dem Danke auch den Undank der Welt erfahren, aber 
aus allen Stürmen eines geiftig bewegten und äußerlich wech 
feloollen Lebens die erquiddende Friſche feines Geiſtes und feine 
gegen alle Menfchen Tiebevolle Sefinnung davongetragen, der 
‚ wie zulegt gedenken, um mit der Erinnerung an dieſe ſchoͤnſte, 
Höher als jede geiftige Begabung anzufchlagende Eigenichaft 
Diefen dem Andenken des theuern Freundes gewibmeten Vor⸗ 
trag zu fchließen. 

Diefer Bortrag, beim Beginn der Sommervorlefun- 
gen 1845 gehalten, ift, mit einigen Erweiterungen, der 
größte Beſtandtheil des Vorworts. Mögen nun einige 
Andeutungen des hauptfählichften Inhalts deffelben fi 
anſchließen. 

Ausgehend von dem ziemlich allgemeinen Zugeftänd- 
niß, daf die Philofophie damals, als ber Name Steffens 
zuerft in der Literatur genannt wurde, „einen bedeuten- 
den Rud getban babe“, wird ber Meinung, es fei ba- 
mals viel leichter gewefen, mit neuen Anfichten aufzu⸗ 


mn .; 


fommen als gegenwärtig, mit der feinen Bemerkung 
begegnet: | 

Liege nicht eben darin die Unerkenntniß eines bedeutenden 
Fortfchritts, daß man gefteht, es fei jegt fchwerer, zu. Dem Ge⸗ 


zu en und Hit nicht eben dies bas 8 
Sefundenen, daß es hintennach als das Ei 
lofefte erfcheint ? Ä 

, Steffens‘ reiches Studium der Natur, das feiner 
Hinneigung zur Philoſophie vorausgegangen und ibm, 
dem Mineralogen, Geognoften und Geologen, in ber Ge⸗ 
ſchichte der Erbe die Anfchauung einer unergründlichen 
Vergangenheit, eine ganze Folge von Zeiten aufſchloß, 
in der je die eine die andere zubedt, Cins dem An⸗ 
dern zu Grunde gelegt wurde, nicht ohne in dieſer Un- 
terordnung felbft verändert zu werden, gibt Berlanlaf- 
fung zu einer kurzen, aber anfchaulichen und lichtvollen 
Erpofition des Verhaͤltniſſes der Philofophie zur Natur- 
forfhung. Wir Heben nur die denfwürdige Schluß⸗ 
bemerfung heraus: 

Die Naturphilofophie, womit noch heutzutage Manche Die 
ganze damalige Philofophie bezeichnen, war nur ein Theil, 
nur der erfle Durchgangspunft einer Bewegung, die nach dem 
fie beftimmenden und leitenden Geſetz über die Ratur hinaus 
geben mußte. 

. Aber. worin immer bdiefer vom Höchften bis zum 
Ziefften reichende Zufammenhang feinen Abſchluß fand, 
nie konnte die erfte Beziehung auf die Natur abgeriffen 
werden, ein früh gehörtes Wort mußte ſich erfüllen: 

Der Zempel, der zum Thron der Gottheit fteigt, 
Ruht dennoch fanft auf der Ratur. 
Worauf fi niemals wieder zurüdtommen ließ, war: 

Der unnatürlihe Supernaturalismus, von dem ſich da- 
mals für immer alle beffern Geiſter abwandten. 

Da einer von unten auffleigenden Philofophie Gott 
nur das Ende, aber das nothwendige Ende, und darum 
zugleich die End - Urfache fein konnte, fo erfchienen auf 
diefem höchften Punkte die Dinge als aufgenommen in 
die Gottheit. 

Immanenz der Dinge in Gott if der letzte Aus⸗ 
dxuck dieſer Philoſophie. Inſoweit ift fie Pantheismus, aber 
ein unanftößiger und unfchuldiger, wenn er rein contemplativ 
bleibt, d. h. wenn er ſich als Darftelung — bloß des idea» 
len und logifhen Werdens der Dinge erkennt. Im 
entgegengefegten alle entſteht jener monftröje Pantheismus, 
mit einem anfänglich außerbaften Abfoluten, einem Gott, 
nöthig hat, durch die Ratur hindurchzugehen, um fih bewußt 
zu werden. 

Daß ein fo plumper Pantheismus fo viel Eingang 
fand, das beweift nur, daß weder jene reine Bernunft- 
wiffenfchaft bie ganze Foderung der Philofophie erfüllt, 
noch der „ſchwache Theismus‘ etwas vermag, der mit 
Recht ſchwach heißt, weil er nur in abfoluter — nicht 

ber» fondern Außerweltlichkeit (denn Das iſt ein 
großer Unterfchied) eine ber Gottheit würbige Stellung 
zu finden weiß, ' 

Daß Steffens gleihfam unmittelbar von feiner welt 
lichen Wiffenfchaft hinweg theologifher Schriftfteller warb, 
Das würde weniger als damals gegenwärtig auffallen:, 


en eine& glüdlich 
achſte und Mühe 


fundenen Etwas hinzuzuthun als es et Bein — Dafielbe 


7» 


da unwirfehend die ganze Zeit thestagifih geworden, Alles ohne 
Unterfchied nach dieſen Fragen fih draͤngt. Die VBerhältniffe 
find ernft genug: aus wiſſenſchaftlichen Fragen find kirchliche 
und bamit unvermeidlich politifche geworden und ‚die Sachen auf 
einen Punkt gelangt, wo der Ball des befannten Solon'ſchen 
Gefeged eingetreten und es keinem gegen feine Mitbürger 
Bohlgefinnten, der mit feiner Zeit leben und in ihre wirkten 
wä, erlaubt ift, gleichgültig zu bleiben, wo er zwar nicht ges 
rade Partei ergreifen (denn er koͤnnte ja hoffen, außer allen 
Yarteien zu bleiben), aber boch feinen Standpunkt nehmen 
und mit ausdrüdlichen unzweideutigen Worten erflären muß. 

Schelling bemerkt weiter: es fei auffallend, oder, wenn 
man die Menfchen kenne, auch nicht auffallend, dag man 
der Philofophie ale Freiheit geflatte, von ihrem Aus⸗ 
gangspunkte durch folgerechte® Fortfchreiten wohin im⸗ 
mer zu gelangen; nur wann fie ganz abficht8los durch 
bloße Nothwendigkeit der Sache mit der pofitiven Reli» 
gion in Berührung fomme, da folle jene Freiheit nicht 
mehr gelten, da folle die Philofophie ſich ſcheu, entiegt 
wrüdwenden. Allerdings muß fie, um Philofophie zu 
fein, ſchon in Ihrem Anfange mir jeder Auctorität gebro- 
hen haben, welche Namen fie trage, auch felbft den 
Ramen hriftliche Philofophie ablehnen: 
nicht nur im Sinne formeller Abhängigkeit, fondern auch im 
Sinne materieller Übereinftimmung,, da diefe für fie als Phi» 
lofophie Leine Bedeutung hat. Namentli wird fie bie 
Felgen der Reformation in ihrer ganzen Ausdehnung und bis 
ya dem Ertrem vorausfegen, zu welchem es nun flufenweife 
gekommen ift, wenn auch fcharffinnige Beifter den nothwendi- 
gen Bang längſt vorausgefehen hatten. 

Wir werden zweckdienlich an eine Außerung D'Alem⸗ 
bert's erinnert, welcher den proteftantiihen Theologen, 
ſofern fie ale Auctorität in Glaubensſachen vermerfen, 
fo viel Logik zutraut, daß fie die Eonfequenz ihres Prin- 

ps fo weit ale moͤglich ausdehnen werden, da dann 
„der Socinianismus, zu dem heutzutage die meiften un- 
ter ihnen fih bekennen, früher und fpäter einem offenen 
und unverfiellten Deismus Platz machen wird”. D'Alem⸗ 
beit verweift auf die Dogmatik eines genfer Theologen, die 
in der erfien Auflage von ber Nothwendigkeit, in ber zwei⸗ 
ten nur noch von der Nüglichkeit einer Offenbarung 
—* und in der dritten wahrſcheinlich nur noch bie 

quemlichfeit (Annehmlichkeit, commodite) einer Offen- 
barung flatuiren werde. Wenn Schelling meint, es 
hätte für die vierte Ausgabe bie Auffchrift: Won der 
Unigädlichkeit einer Offenbarung prognofticirt werden 
Fonnen, fo ift Das noch keineswegs genug. Der Scharf 
finn rationaliftifcher Theologen hat bereits die Schäblich- 
feit wenigftens des Dffenbarungsglaubens entdedt. Das 

uen bes geiftreichen Franzofen zur Logik der pro- 
teſtantiſchen Theologen ift glänzend gerechtfertigt: „Der 
deisme franc et sans allıage ift öffentlich befannt und 
die ausgefprochene Weisheit des Tages”. Diefe That- 
fode fept der Philofoph voraus; er geht fogar einen 
Schritt weiter und fagt: 

&o mußte ed kommen; diefer Fortgang war ein noth⸗ 
wendiger. Es mußte einmal tabula rasa gemacht, der Boden 
völig eingeebnet werden, wenn das Chriftenthum ein frei er- 
fanntes und frei angenommenes werden, an die Stelle einer 
verdumpften Theologie ein vonder freien Luft ber Wiſſenſchaft 


durchwehtes und durum aller Stürmen gewadhfenes, dauerhaß 
te8 Syſtem treten ſollte, ein Syſtem, das die im Chriſtenthum 
von Anfang enthaltenen, fo viele Jahrhunderte wie in einem 
Schrein verfchloflenen Schäge zu allgemeiner Geltung und 


-@rbenntniß brachte. 


Darum foll auch durch Fein außeres Mittel ber 

öffentliche Abfall vom ChHriftenthum gehindert werben. 
88 feloft will, ja lei det Beinen Zwang: ſtark und maͤch⸗ 
tig will es fein nur durch fich felbft, jede äußere Hülfe ver: 
fhmähend; — und welche könnte ed noch annehmen, nachdem 
ed in ber Reformation fich erhebend, den Schug und Schirm 
der größten und dauerndſten Macht, welche die Erbe je gefehen, 
surüdgeftoßen bat? 
| (Die Kortfegung folgt.) 





Die Berbreitung des deutſchen Volkes über die Erbe. 
Ein Verfuh von Wilhelm Strider. 
(Belhluß aus Nr. 19.) 
Das dritte Buch handelt von den Deutfchen in Wfrike, 
Amerika und Auftralien. „In ganz Afrika finden fi, abge: 
fehen von den deutſchen Feldarbeitern und Soldaten in Algier, 
und von den deutſchen Beamten, ‚Arzten und Miflionnairen im 
ägyptifchen Reiche, nur gefchichtliche Spuren des Deutfchen, 
weiche aber fehr merkwürdig find, da fie an ben erften und 
legten Coloniſationsverſuch eines deutſchen Fuͤrſten erinnern, 
der in groͤßerm Maßſtabe angelegt war und auch zu gelingen 
ſchien. Als Brandenburg durch den Frieden von St.Germain 
en Laye 1679 Hinterpommern gewonnen hatte und dadurch an 
das Meer gerückt war, ſchloß Kurfürſt Friedrich Wilhelm der 
Große mit dem holländiſchen Kaufmann Raulé wegen Errich⸗ 
tung einer Flotte einen Vertrag auf ſechs Jahre ab, demzu⸗ 
folge Raule in den kurfürſtlichen Häfen der Dftfee jederzeit 
ſechs Pregatten von 20 — 34 Kanonen, nebft einigen Beinen 
Schiffen im fegelfertigen Stande halten follte, wofür ihm mos 
natlih 5900 Thaler bezahlt wurden. Bald darauf trat Raulé 
ſelbſt in brandenburgifche Dienfte und übernahm den Handel 
nach der Küfte von Guinea. Er kam glüdlid dort an und 
ſchloß mit den Häuptern der Regerflämme auf dem fogenann- 
ten Cap der drei Spigen einen Vergleich, in welchem fie. er⸗ 
Härten, daß fie den Kurfürften für ihren Deren anerkennen 
und nur mit brandenburgifhen Schiffen handeln wollten. 
Trotz der Zeindfeligfeiten, welche nun von den Holländern ger 
gen einzelne brandenburgifche Schiffe ausgeübt wurden, und 
obgleich fie alle Matrofen ihrer Ration aus brandenburgi- 
fhen Dienften zurüdriefen, Bam doch die Afrikaniſche Gefell- 
' aft zu Stande, deren reiheitsbrief am 18. Reifmonat 
2 unterzeichnet wurde. Der Kurfürft, jedem großen und 
tühnen Unternehmen bold und ohne Eigennutz, blos an die zur 
Fünftigen Bortheile feiner Staaten denkend, gab fehr bebeu- 
tende Summen zu biefer Unftalt ber und ed wurden in Ham 
burg zwei neue Fregatten zu diefem Zwecke ausgerüftet. Sein 
Enthufiasmus entzündete auch feine Unterthanen, und ein wür: 
diger Edelmann, Dtto Priedrih von der Gröben, - übernahm 
den Befehl jener Schiffe. Glücklich fegelte er mit 100 bran- 
senburaiien Soldaten nach jenem Lande, baute dafelbft die 
—* roßfriedrichsburg, und manche Negerſtämme begeben ſich 
eiwillig unter brandenburgiſchen Schug. Aber die Eiferſucht 
der Holländer dauerte fort und ftellte die Kraft und Aus: 
dauer des Kurfürften und. Gröben's auf harte Proben. Im 
J. 1687 befaß der Kurfürft vier fefte Sitze in Afrika. Den- 
noch zeigte ſich Bein fchneller Vortheil, und als er endlih, um 
das Andenken an bie geftiftete Geſellſchaft zu bewahren, aus 
dem Goldfande von Guinea Dukaten ſchlagen ließ, geftand er 
freimüthig , daß jeder dieſer Dukaten ihn zwei koſte. ein 
Rachfolger Kurfürft Friedrich II. (König Friedrich I.) Iegte 
das Werk feines Waters fort und ſcheute gleichfalls Feine Kor 
ften, um es zu beben. Do auch jegt wollte der gewünjchte 





i „bis Friedrich Bitheln J., ber 
„Ense Ve — 
i »weſtindiſche Handelsgeſe e 
—— geringe nme von TE Drlaln verkaufte, de 


nen als angenehmes Geſchenk noch zwölf Mohzenfllauen hinzu 


rfügt wurden. 


Eine weit wichtigere Rolle fpielen bie Deutfchen in ber. 


Reuen Belt und vor Allen in den nordamerikaniſchen Frei 
- faaten. Det Berf. theilt nun weiter mit, wie bei der ſtarken 
Einwanderung von Deutfhen in Nordamerika und bei ber 

eigene und fremde Schuld herbeigeführten Täuſchung der 
Erwartungen ſich hier bald das Bebürfniß der Errichtung von 
deutſchen Unterftügungsvereinen fühlbar gemacht habe. Als 
cher entftand die „Deutfche Geſellſchaft in Reuyork‘' und 1843 
eine „Deutſche Einwanderungsgefelifchaft” in Philadelphia, de: 
ren üweck unter Anderm es ift, arbeitslofen Deutfchen, ſowol 
foleben, welche von Europa ankommen, als ſolchen, welche fi 
längere Seit in Amerika befinden, Unterfommen zu verfchaffen. 
„Erſt feit 1817 hat die deutfche Einwanderung begonnen mäd): 
tig zu werden, während die frühen Einwanderer großentheils 
ihre Rationalität aufgaben. Die Einwanderung betrug von 
1817 — 26 jährlich etwa 6000, ſank dann bis 1830 auf etwa 
3000 Perfonen, nahm dann wieder bis 8000 zu, und ift nun 
beftändig im Steigen. Ratürlih wechſeln dieſe Zahlen fehr, 
befonder& da einigemal ganze Religionsjelten aus Schlefien und 
Gachſen einwanderten. Auch werden bie Deutichen in Amerika 
durch Elfaffer, deutfche Schweizer und Lothringer, zum Üheil 
auch Holländer und Belgier verftärkt, die fih in der Keuen 
Belt zu dem Stammvolke halten, von dem fie in der Alten 
nichts wiſſen wollen. "Wie fehr die Auswanderung nach Rorb: 
amerifa alle andern überwiegt, zeigt eine Überficht des Jahres 
1844, wo von Bremen aus 146 Schiffe mit 19,863 Yuswan- 
dereen außliefen. Davon waren 138 Schiffe mit 19,145 Per⸗ 
fonen nad) den Vereinigten Staaten, fecht mit 496 nad) Texas, 
eins mit 38 nach Brafilien und eind mit 184 nad, Auftralien 
beftimmt. Im 3. 1343 gingen nur 46 Schiffe mit 9053 Aus: 
wanderern in See, und feit 1834 fuhren allein von Bremen 
558 chiffe mit 64,690 Auswanderern nad Nordamerika. Al⸗ 
kein aus Baiern wanderten von 1835 — 39 19,000 Drenfchen 
mit faft 7 Millionen Gulden Vermögen meiſt nah Amerika 
aus. Wie fehr in neueſter Zeit das Beftreben nach innerer 
Ausbildung ſtets das nad) politifher Geltung begleitet, beweiſt 
eine 1839 zu Philippeburg (Pennſylvanien) gehaltene Ber: 
fammlung der «Deutfhen Convention», worin diefe befchloß, 
sum das Interefle des Deutfchen, befonders ber Erziehung, zu 
wahren», ſich alle drei Jahre zu verfammeln und folgente 
Zwecke zu verfolgen: Stiftung eines engliſch-deutſchen Lehrer- 
ſeminare, Vermehrung der Volksſchulen, Sammlung geſchicht⸗ 
Heher und ftatiftifher Nachweiſungen über die deutſche Bevoͤl⸗ 
Berung der Vereinigten Staaten, Beranlaffung von diplomati- 
ſchen Verbindungen der Union mit conſtitutionnellen beutfchen 
Staaten, Belehrung deutfcher Einwanderer, Ermittelung und 
Wahrung ihrer Rechte, Gründung von noch mehren beutfchen 
Bereinen und Hebung der beutfchen Literatur.‘ 

Der Berf. betrachtet nun das Berbältniß der deutſchen 
Bevölkerung in allen einzelnen amerikaniſchen Staaten, na⸗ 
mentlic in Pennfylvanien und, Ohio, wo diefelbe jedenfalls bie 
wichtigfte Rolle ielt; er befpricht fodann die communiftifchen 
Gemeinden der Würtemberger Rapp, Bäumler, Haller, bie 
verunglüdten Golonifationsyerfuche der Betrüger Proli aus 
Dffenbah und Stephan aus Dresden, und endlich fehr aus: 
führlich die deutſche Journaliſtik in Rorbamerifa, mit einer 
Burzen Abfchweifung auf die Ddeutfchen - Zeitungen außerhalb 
Deutichlands überhaupt. Dieſes Buch fchließt mit Anweiſungen 
und Belehrungen fir deutfche Auswanderer im Allgenieinen. 
Aus allen bieten zum Theil ſehr intereffanten Abtheilungen 
einzelne Mittheilungen zu maden, verbietet ber befchräntte 
Kaum. 


Wir gehen ſogleich zum vierten unb legten Buche üben, 
welches die Deutfchen in einigen europäifchen Sauptfläbten be 
trachtet. Die Schilderung bes Lebens und Trei unferer 
Landsieute in Liffaben iſt hoͤchſt anziehent. Die Darftellung 
der Verhaͤltniſſe, in welchen Die Deutfihen in Paris wohnen, 
würbe es nicht minder fein, wenn fie weniger unvollftändig wäre 
und namentlich auf die in legter Beit immer bedeutfamer ge 
wordenen innern Beziehungen zwiſchen beiden Nationen, die 
gerade in Paris felbft ihren prägnanten Ausdruck finden, mehr 
Nückſicht genemmen hätte. Dazu bedurfte es befonders eine 
genauern Betrachtung der beutfchen Literatur in Paris und 
einer Darlegung der Motive, welche fie fi in diefer abnormen 
Eigenthümlichfeit entwickeln ließen. Auch über den Deutfchen 
Hülfsverein wäre no Manches zu fagen gewefen. De 
Bericht über die Deutſchen in erfcheint etwas dürftig 
und troden, und berührt einzelne Geſellſchaften gar nicht, 
wie 3. B. die mit focialiftifchen Tendenzen, welche fogar eine 
eigene Berfammlungshalle haben. Ahnliches gilt von Stock⸗ 
bolm und Chriftiania. Dagegen find die Deutfhen in Ye 
tersburg forgfältiger und erfchöpfender beſprochen, wie denn 
überhaupt in dem gangen Bertöen Rußland mit befonderer 
Borliebe und tiefeingehender Sachkenntniß behandelt zu fein 
fheint. Die publiciftiihe Richtung Europas während der leg 
ten Jahre, die Aufmerkſamkeit, welche es vorzugsweiſe ber 
drohenden Gefahr von Dſten her zuwendet, erklaͤrt dieſen Man⸗ 
gel an Gleichgewicht genügend. er Konftantinopel geht der 
Verf. flüchtig hinweg, verweilt aber dafür deſto länger bei 
Rom, wo die Schilderung des von deutfchen Künftlern gefeier⸗ 
ten Cervarafeſtes in ihrer böchft gelungenen und anziebenden 
Dorftelung dem Lefer ein deutlihes, abgerımdeted Bild des 
deutichen Humors vor Augen führt. Einige Bemerkungen über 
die deutfchen Elemente in Neapel bilden den Schluß der vor: 
liegenden Arbeit, welche im Ganzen genommen als eine zeit 
gemäße, deutfche Sefinnung und Art fördernde nicht verfehlen 
wird, fih der Beifall aller wahren Patrioten und dem Verf. 
ihre dankbare Anerkennung zu erwerben. 44, 


Notiz. 
Der Löwe als Hausthier. 

Capitain Kennedy erzählt in feinem bereitt erwähnten 
Reifewerke feinen Befuch bei dem franzöfiichen Befehlshaber in 
Medea, dem General Marey, mo der englifche Neifende und 
feine Begleiter in das Leben unter den Beduinen und die wil⸗ 
den Ergöglichleiten ded Atlas eingeweiht wurden. Dabei wird 
eines zahmen Löwen gedacht, ben der General in feinem Haufe 
hielt. „Der Löwe”, wird berichtet, „trat in das Gemach, worin 
wir uns befanden, von dem Diener blod leicht an der Mähne 

ehalten, die, obwol nur einen Fuß lang, dem Thiere ein re 
pectabled Ausfehen gab. Er fchien fih wenig daraus zu ma⸗ 
hen, daß wir Fremde waren, denn indem er wie ein großer 
Hund im Summer umberlief, litt er es, daß wir uns Beine 
Freiheiten mit ihm berausnabmen, indem wir ihm. auf den 
Rüden Elopften, und eine Pfote geben und feine Klauen und 
Zähne zeigen ließen. Jedoch zeigte er befondere Vorliebe für 
feine alten Bekanntſchaften; denn er legte fich vor fie nieder 
und zeigte ihnen, DaB er auf dem Rüden gefraut fein. wollte. 
War ihm dies ein paar Wal gefchehen, fo begann er zu gaͤh⸗ 
nen und ſchickte fi an einzufchlafen, als man ihm den Rauch 
einer Cigarre ins Gefiht blies, was ihm augenfcheinlich gar 
nicht zu gefallen ſchien. Er fprang ſchnell auf, zog die Nafe 
ein und wied ein paar Reihen ſcharfer Zähne, — ein ficheres 
Beichen, daß ihn das Ding verdroffen. Gin herzliches Rieſen 
fhien jedoch ſchnell feine gute Laune wiederherzuftellenz ohne 
ferner zu grollen, gab er dem Gapitain Mortenot, feinem Be 
leidiger, die Pfose, indem er liebkoſend feinen Kopf gegen defr 
fen Knie rieb.“ 12. 


Verantwortlicher Berausgeber: Seinrich Brockdans. — Drud und Verlag von F. %C. Brockhaus in Reipsig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch, ——— Nr. 196. —— 


15. Juli 1846. 


I x 


Schelling's Vorwort zu H. Steffens' 
Nachgelaſſenen Schriften. 
‘ (Bortfegung aus Nr. 16.) 


Spittler bemerkt in Beziehung auf die Damals blühende 
und wohlgeordnete Socinianifche Gemeinde im ehemali« 
gen Polen: 

Sie machte das lehrreiche Erperiment, daß Religionsideen, 
die, zu jeher von dem Pofitiven entkleidet, zulegt faft blos Phi: 
Iofophie werden, in eben dem Verbältniß an großer Wirkſam⸗ 
keit zut Raklonalcultur verlieren, je mehr man fie al& bloße 
Philoſophie geben will. 

Dazu bemerft Scelling, daß wenn das Chriften- 
tum in blos geſchichtlicher und bildlicher Einfleidung 
nichts Anderes enthielte als was die Philoſophie, unab- 
bangig von ihr, ſchon habe, fo hätte die Philoſophie nichts 
an ihm: es wäre ihe nur im Wege’ und müßte fobald 
als möglich abgethan werben. &ei aber ber Fall der, 

daß die Berhältniffe, auf welchen das Chriſtenthum nad) 
feiner eignen Angabe beruht, wirkliche, aber ale 

allgemeine noch nicht erkannte Verhäftniffe feien, fo 
biete ſich eine große Erweiterung ber menſchlichen Er- 
kenntniß dar. Mit der Offenbarung fi) befchäftigen, 
um fie nur wieder in Philofophie, d. b. in Das, was 
amabhängig von ihr ſchon gewußt ift, aufzulöfen, wäre 
ein der Philofophie unwürdiges Zreiben, da fie vielmehr 
immer auf Erweiterung bes menfchlichen Wiffens be- 
daht fein fol. Kennt man die „Wahrheiten‘, für 
weiche viele Theologen die „in Chriſto verborgenen 
Ehige der Weisheit und Erkenntniß“ hinzugeben be- 
zeit find, fo wird man unwilllürlih an den Kö- 
nig erinnert, von dem Sancho Panfa erzählt: ber 
felbe habe fein Königreich verfauft, um fi eine Gänfe- 
beerbe dafür anzufhaffen und mit biefer im Lande 
umherzuziehen. Gegen -einen- fo unfchuldigen Ge⸗ 
ſchmack kann man fi) unmöglich ereifern. Die foge- 
nannten Rationaliften irren fih, wenn fie meinen: es 
zümme Jemand über den Gebrauch, den fie von ihrer 
Dentfreiheit machen; eher könnte man geneigt 
fin ihnen vorzumerfen: daß fie unter Denkfreiheit die 
Freiheit nicht zu denken verfichen, und daß fie von die⸗ 
fer einen ungebührlichen Gebrauch machen. Freilich, was 
man nicht begreift und ebenfo wenig erfahren hat, 
28 kann man auch nicht annehmen. Aber lohnt es 


barum ber Mühe, auf die Kanzel zu fleigen und zu 
verfimbdigen: dag man Dies oder Jenes nicht begreife? 
zumal wenn man mahrfcheinlich gar vieles Andere nicht 
begreift. Antünbigungswerth wäre vielmehr, wenn man 
etwas begriffen hätte, namentlich eine Lehre, welche Gei⸗ 
fter wie 2eibnig, wie Leffing aufs ernſtlichſte befchäftigt 
hat. Indeß darin, daß fie zu begreifen verlangen, geben 
wir ihnen ja eben hiermit recht; man ann fie nur an 
muntern, auf bem Wege fortzugehen, und möchte ihnen 
wie Mephiftopheles zurufen: 

Da feid ihr auf der rechten &pur; 

Nur müßt ihr euch nicht verblüffen Laffen! 

Daran reihen ſich fehr anziehende und fruchtbare 
Andeutungen, welche in bie wichtigften Zeitfragen tiefer 
eingehen. Der Proteflantismus trat zuerft ald Gegen- 
fag wider eine beftehende Kirche, darum in der Form 
eines Belenntniffes auf. Don da an galt es zunächfk, 
die Richtigkeit des Bekenntniſſes, nämlich feine Uber- 
einflimmung mit der Beiligen Schrift, nicht die Wahr- 
heit der Sache felbft zu bemeifen. Die Sache fetbft 
trat früh und lange in den Hintergrund. Die Theolo⸗ 
gie wurde eine philologifch = eregetifche Wiſſenſchaft; fpä- 
tee trat der Theil Hinzu, der fich mit ber Echtheit und 
Blaubwürdigkeit der Bücher der Heiligen &chrift be- 
ſchaͤftigte: | 

Heutzutage will man die Beßenntniffe los fein, und aller: 
dings ift ihre Zeit vorüber. Aber die Meiften, welche fie ab: 
gethban wollen, meinen mit ihnen zugleih die Sache. Die 
Sache ift aber älter als alle Bekenntniſſe, felbft als das ältefte 
des heiligen Petrus, und in der That tritt vielmehr eben, wenn 
man von ben Befenntniffen nicht mehr wiſſen will, erft eigent- 
lich die Sache hervor. 

Wir hätten Dies zur Verhütung bes naheliegenden 
Misverftändniffes weiter entwickelt fehen mögen. Die 
Bekenntnißſchriften haben auch jetzt noch, mie für die 
Kirche fo für die theotogifche Wiffenfchaft eine Bebeu- 
tung, nad) der ihre Zeit keineswegs vorüber ift, zumal 
ihr Inhalt nit nur im Glauben, fondern auch in ber 
Wiffenfchaft als nothwendig und wefentlid ſich rechtfer⸗ 
tigt und befteht, wenn auch die Form einer Wandlung 
unterläge, die denn auch freilich den Inhalt nicht unbe- 
rührt laſſen tönnte. 

Fodert man von Denen, welche chriftliche Lehrer 
fi) nennen, billig, daß fie das Chriſtenthum aufrichtig, 








Ns > 


d. h. mit eigener Überzeugung Ichren, und entgegnen fie, 
daß fie Dies nicht können, daß ihnen bie Möglichkeit ge⸗ 
geben werden müffe, fo ift die Frage: Ob fie diefe Mög 
fichkeit mit Recht von ber Kirche fodern? Früher kam 
man über diefen Punkt hinweg, auf eine Weiſe, welche 
Schelling: die gewaltthätige nennt, ba‘ man durch bie 
äußerlich "(vermeintlich)" beiwiefene Goͤttlichkeit des Ur⸗ 
fprungs der Heiligen Schrift allen Zweifel und alles 
Widerſtreben gegen die Göttlichleit des Inhalte Fury 
weg niederſchlug. Dadurch war ein blinder Auctoritäts- 
glaube eingeführt, mit welchem der Vernunft jede Eüt- 
fprache, jedes Begehren, ja Bitten um Berftändigung 
abgefchlagen war, dergeſtalt, daß die ımentbehrlichen 
wiſſenſchaftlichen Beftimmungen, durch welche die frühere 
ſcholaſtiſche Theologie wenigftens für die formelle Dent- 
barkeit gewiffer Dogmen geforgt hatte, als unnöthig, für 
den blinden Buchftabenglauben überflüffig befeitigt wur⸗ 
den. Eine den menfchlichen Geift wirklich befriedigende 
und zur Ruhe bringende Darftellung bes Chriſtenthums 
wird nicht erreicht werben, bis wenigftens der Vernunft 
die Möglichkeit der Verhältniffe einleuichtend gemacht 
wird, auf.denen die chriftlichen Hauptlehren beruhen. 
Von diefer Foderung abzuftehen ift nur in fo. weit 
möglich, als der Inhalt des chriftlihen Glaubens Gegen» 
fland der unmittelbaren innern Erfahrung, werden 
Tann: „denn nur Das, was man erfahren, Tann man 
glauben, wenn man es auch nicht begreift.” Daher 
denn die frühern einfichtsvollen Theologen das Zeugniß 
des Heiligen Geiftes, d. 5. die gefühlte und erfahrene 
Goͤttlichkeit des Inhalts, als den einzig überzeugenden 
‚ Beweis von der Göttlichkeit bes Urfprungs der Heili- 
gen Schrift, erflärten, allen andern äußern oder hiſtori⸗ 
fhen Beweiſen aber nur eine pädagogiſche Bedeutung 
zufchrieben. Diefe zweite allein zuläffige Weiſe, über 
den Punkt ‚der Möglichkeit hinwegzukommen, nennt 
Schelling, im Gegenſatz mit jener erften, die fromme. 
Auf der Erfahrung aber kann der Einzelne ſtehen; nicht 
fü die Kirche. Die: rung muß eines Jeden eigene ſein; 
was Jeder erfährt, muß er an fich felbft, er kann cd nicht. 
an Andern, alfo auch nicht an einer Gefammtheit Anderer er 
fahren, wennfhon die gleiche Erfahrung vieler Andern ihn 
in der eigenen beftärken Bann. Und fo wenig wie die Kirche 
Tann bie eheologie auf der bloßen Erfahrung ſtehen; die Theo: 
logie fol eben das Allgemeine,'über den bloßen individuellen 
Überzeugungen fhwebende, und fie kann darum nur das wiſſen⸗ 
fchaftliche Bewußtſein der Kirche fein. [ne 
Es handelt fi jegt um die Sache felbit, alfo 
nicht mehr, wie zur fcolaftifchen Zeit, um bie blos 
formale, fündern um. bie reale Denkbarkeit. Diefer. 
wahre Fortſchritt kann nicht wieber zuruckgenommen, dieſe 
Foderung nicht abgewieſen werben, auch nicht durch den 
Vorwand der Unbegreiflichkeit oder daß das Nichthegrei⸗ 
aa zum Glauben ſei; darin ift nur Due. 
verſtand 


Denn alles Glauben ift nur Glauben an die Wirklich 
Beit: blindes, wenn die Einficht in die MRö Ligeeit fehlt’ 
(wie wir im — Leben blindlings an Die EB ichkeit der 

inge glauben); chtetes, wenn die Möglichkeit eingefehen 
In: cn Diefe Ginfiht hebt. den Glauben nicht aufs ed. if 


U 0 


nicht fo, daß aus der Möglichkeit notwendig die Wirk» 
lichkeit folgt; man koͤnnte die Möglichkeit einfehen und doch 
an die Wirklichkeit nicht glauben. Was Gott möglich, das 
thut er darum nicht nothwendig; daß er es wirklich gethan, 
muß immer geglaubt werden. Der Glaube bleibt fo etwas 
ganz für fi, upabpänig von aller Wiffenfchaft, frei fogar 
don jeder Beruͤhr t derfelben, weil reis von allem SLls 
gemeinen da6 Perſonlichſte in das, als innerftdd Heilig 
tbum menfählichee Freiheit, nichtd von aufen, au nicht die 
Wiſſenſchaft, eingreift. Das ift der Sinn der unverflandenen, 
darum fo viel mißbraudhten Blaubensfreiheit. Hierin (im 
Glauben) ift Seder dem Andern gleih, der Wiſſende wie 
der Unwiſſende. Daher auch Der, welcher die Möglichkeit ein» 
ie (und ein Solcher follte jeder Lehrer fein), an die Wirk: 
üchkeit in Feinem andern Sinne glaubt als in welchem 
das Volk, d. b. derjenige größere Theil an fie glaubt, der für 
fi blo8 an die Erfahrung gemwiefen if. Denn auch Sener 
glaubt an die Wirklichkeit der Erlöfung 3. B. nicht, weil er 
die Möglichkeit einfieht, fondern wegen der ihm gewordenen 
Erfahrung. 

Die Erfahrung kann der Lehrende dem Lernenden 
nit mittheilen. Darum wird dieſer in eine andere 
Schule gefchict, in welcher, mittels der Bibel, der Hei⸗ 
lige Beift felbft der Lehrmeifter if. Der Lehrer aber 
fol nicht nur den Lernenden immer in biefe Schule 
weifen, fondern auch das innerlich Erfahrene ihm aus- 
legen, ja es ihm in den Bufammenhang erheben, in 
welchem es ihm zugleich ein Denkbares, ja fogar ein 
wirklich Gebachtes wird. Zu folhem Unterricht ift eine 
Theologie erfoberlich, in welcher nicht ſcholaſtiſch, Die blos 
formale, fondern die reale Denkbarkeit gezeigt iſt. 
Die Theilnahme an den Predigten würde größer fein, 
wenn aus denfelben mehr gelernt, die Erkenntniß erwei⸗ 
tert, wirkliche Erbauung, d. 1. Auſbauung eines Sy⸗ 
ſtems chriſtlicher Einfichten gefördert würde. 

Die gotterweckten Maͤnner, welche, den frommen 
Ph. J. Spener an ihrer Spitze, gegen die ſcholaſtiſche, 
in die dürrſte Verſtandeswiſſenſchaft entartete Theologie 
die Rechte des Herzens und der Erfahrung geltend mach⸗ 
ten, bahnten dem Rationalismus den Weg, indem bie 
formale Theologie ihre Geltung verlor, für eine reale. 
die Philöfophie Feine Mittel bot, eine Herzenstheologie 
aber der brängenden Zeit nicht gewachſen mar. Mit 
der bloßen Erfahrung kann die Frage nad) bee Mög» 
lichkeit, d. H. die Philoſophie, nicht zurückgewieſen wer⸗ 
den. Es frage fich alſo nicht: ob Theologie fein follt 
fondern nur: welche fein fol? on 

nr (Der Beſchluß folgt. ) 





Paul. Bon U. von Sternberg. Drei Bände. 
Leipzig, Hahn, 1845. 19. 4 Xhle. 25 Nor. 


Das Buch ift weder als Meman bezeichnet noch in fonft 
irgend eine Claſſe menſchlichen Willens, Wollens oder Wirtens 
eingefacht worden; und wirklich koͤnnte man verlegen über bie 
ihm anzuweifende Stelle werden, wenn bie heutige? Literatur. 
nicht Zweck⸗ und Tendenzſchriften aufzumelfen Häfte, unter Der 
nen denn au „Waul“ in mänder Beziehung eine der erſtetn 
teen :einzunchmen Yat. '&8-1 Died t de Goßdeb, welche 
alle Adern ‚im Leben der. wart wie: ein ſchlejchendes und 
mit jedem Tage heftiger wirkendes Gift dur&bringt, und ge: 
gen diefe Racht zieht Paul zu Felde. ‚Aue Elemente find, vor- 


eu, in ihm .einen Don Quixote dea 19,.Ichrhumderts dar⁊ 
ui mindeftend ebenfo lange fortlebend rg Held von. 
fa Manda, der urfprünglich nur berufen ſchien, die Abnormi- 
täten der ine in i Geſtalt zu geigen, alfe eine 
Erſcheinung, von welder Cervantes gewiß am erften voraus: 
fehen Eonnte, daß fie vorübergehen. würde. Im „Paul’ dage⸗ 
gen haben wir es mit einer Macht zu thun, bie, foweit wir 
rutwärts zu fehen vermögen, eine Lebendfrage war, die es 
auch fiher noch für lange Zeiten bleiben wird, naͤmlich mit. 
der Macht des Soldes, welcher gegenüber Zedermann nad) dem 


Gluͤck eines Fortunatus ftrebt. Diefe Macht hat Grideinungen 
o⸗ 


hervorgerufen, die wahrhaft erſchreckend an alle Thüͤren 

pfen, alles Bejtebende zu zertrünmern und einen Krieg zu 
weten drohen, ſchlimmer als der, welcher nur. an der Ent 
ſcheidung des Schwerteß hängt. Es ift der Krieg der Armuth, 


der Roth gegen den Reichthum. Jene hat Nicht, diefer Al⸗ 


led zu verlieren. Verbuͤrdete find die politifchen, die bürgerlichen 
Stellungen in ihren taufendfachen Verzweigungen und die reli⸗ 
giöſe Zerriffenheit.. ine Perfönlichkeit, durch Geburt und 


Reichthum außer den Kreifen der Noth, der Unzufriedenheit, 


ded täglichen Erwerbes, der materiellen und religiöfen Opecu: 
lationen ftehend, durch alle dieſe Kreife zu führen, iſt wol Beine 


fe ganz leichte Aufgabe, . vorzüglih wenn es ſich weniger um. 


Raiſonnement als Darftellung handelt, und befanntlich ift diefe 
allein das überzeugendfte, fchlagendfte Raifonnement. Es wäre 
dann ein Werk hingeſtellt, welchem immerhin hier und da 
Shwähen, Einfeitigfeiten anhaften möchten: in feiner Ganz» 
beit wäre e8 ein unberechenbarer Gewinn, als poetifches Kunft: 
werk und als Strebepfeiler in der wantenden Gegenwart. Wir: 
lich ſehen wir alle Elemente für ein ſolches Werk in dem vor: 
I Buche vereinigt, und die literarifche Stellung des Verf. 
hieß die möglichfte Löfung feiner ſchwierigen Aufgabe mit Recht. 
erworten. Sehen wir was er gibt. - 


Paul ift der Sprößling einer reichen Adelsfamilie in Weſt⸗ 


falen, die nur eriftirt weil fie nun einmal da ifl. Ohne ir 
gend weientlihe Bildung und Erziehung ift ein gefunder, kraͤf⸗ 
tiger Wille faft das Einzige, was ihn fefleln oder entzügeln 
kann. Damit muß er nothwendig in Eonflicte gerathen, und wenn 
er nicht mindeftens ebenfo kraͤftig als das ihm Entgegenftehende 
it, fo muß er geiftig untergehen, wenn Geburt und Reichthum 
vielleicht auch die äußere Stellung fichern oder hinhalten. Gr 
bewegt ſich als Garbeoffigier zu Berlin in den bergebrapten 
Berhätteifien und Langiveilt fi im Allgemeinen. macht 
eine Reife nach Shleſien, und die Eigenthümlichkeit einer jun- 


gen ‚, Hermance, die mit ihrem Bruder ſchon in Algier 
war, feffelt ihn. Anſcheinend weift fie ihn, wenn nicht ſchroff, 


ch * ‚und Paul, unbewußt für den innern Stre 
fu 


do 
ag Tuben, verläßt fie auf der Stelle, verliert ih in Wald. 


dbdech in der, Hütte bitterer Armuth zu finden. Er fieht ſie 
bier zum erſten Male und mit ihr die Quelle derſelben, das 
Er glaubt fi) Herausgefodert, zu beweifen: daß. 
ein Bornehmer, ein Reicher feine ganze Exiſtenz von fich wer⸗ 
fen fonne, um das Brot: der Yrmwth gu eſſen. Ex: begibt Ach: 
aler rechten Borrechte, aller Güter, und mit.einem. von fei-- 


zuruͤck 
5, um endlich mit zerriſſenen Kleidern und hungernd 


zum _ 
debrikweſen. 


ner Butter erbettelten Thaler wandert er dem Rheine zu und 
tritt als Gi ehülfe in. Dienſt. Zuvor aber. hat eine ger 
heimpifyolle Dame, die ſich bald ald irgend eine Fuͤrſtin aus⸗ 
weil, die Role als eine Art Schuggeift. übernommen. 
Rt nun einer communiftifcden V 
tet des Bärtners findet in ihrer. Liebe zu ihm. den Tod und er 
wandert nach Augohurg, wo .er im Comptoir eines Handels⸗ 


hetrn beſcheidenen "Play findet. Der Reichthum deſſelben iſt 


Us auf Den Untergang eines Bruders gegründet, der, 


Paul verläßt di te und geht nach ber Schweiz, 
ahier Ginfankei mit Fi und ber Wiek ins Klace 
# kommen verfucht, und hier borzugbweile wirkt jene geheiam- 
auf ihn ein. Dann 


Gr: 
lung bei; Die Toch⸗ 





ommt gr nach ‚Leipzig, bes 


F beherrſchen? Wir wollen nicht fragen: ob er m den durchlau⸗ 
enen Kreiſen 


Net der Fortdauer hergeleitet. Adel und Kirche mögen im⸗ 
merhin fortbeftehen und fie werben das aud bei .allen möge 
lichen Umgeftaltungen. Allein bie Behauptung: weit Etwas‘ 
ſchon lange beftanden Hat, muß es auch fortbeftehen, ift fo 
allgemein und ſchwankend, daß fie im Grunde gar nichts. fagt. 
Ein taufendjähriger Zrrthum hat nicht das Recht auf eine ein. 
zige Stunde der Fortdauer. Wir faffen ihn vielleiht nur ge - 
ten, weil er fich fo feft in unſer Leben hinsingefogen bat, daß 
plägtiche Ausrottung uns ſelbſt ſchwer verwunden würde, ober 
weil die Schwäche der Pietät das Überlieferte, das Gervohnte 
nicht antaften mag. Was nun jenen Stand betrifft, der ur⸗ 
ſpruͤnglich an Scholle und Exhwert nerwiefen war, fo hat es 
eine Seit gegeben, wo er faft außer der Geſellſchaft ftand und ' 
davon noch heute der.erelufive genannt wird. Er bat erkunnt, : 
daß folche Stellung ‚ fotche Seeichnumg nicht ein Makel allein- 
find, fondern auch feine ganze Exiſtenz unterwühlen. Er lenkt 
ein, und die Gegenwart hat bie achtungswürdigften Perſonlich⸗ 
keiten aufzuzählen. Allen damit: ift dem Ganzen nicht gehol- 
fen, und Paul fieht in der Rüdkehr zur Scholle das Mittel: 
feiner Reorganifation. Der güterbefigende Adel fol feine Guͤ⸗ 
ter ‚wirklich befigen, d. h. verwalten. und in feiner Umgebung 
als Negierer und Freund baftehen. Es follen Majorate und-: 
für die nahgeborenen Söhne Anftalten gegründet werden, die - 
€ 8, Akademie für Künfte und Wiſſenſchaften, Afyi 
und Klofter zugleich find. Die jüngern Söhne follen nicht ‚den - 
v Namen erben und ‚nicht heirathen. Wir werden 
dans mit der Zeit dahin fommen, wo England fteht: unermeß⸗ 
licher Reichthum einzelner Ariſtokraten und dicht daneben bit: - 
tere Armuth der Maſſe. Das ift Beim Gluͤck nicht einmal für-: 
die Bevorzugten, und einem folchen Ergebniß auszuweichen 
ibt es Sein Mittel: England wäre längft ſchon von andern: ' 
oͤlkern verfäjlungen, wenn feine ‚geographifche-Lage ihm nicht 
3 e böte. So wühlt und gährt das Werderben in fei-- 
nem Innern felbft. Auf dem Eontinente mag «8 "der Adet im⸗ 
merhin verfuchen fi als Stand zu confolidieen, um fi als: 
Glird der großen WBoͤlkerkette deſto Lräftiger zu fühlen und zu 
bemwährens. er mag .flolz auf feinen. Stand fein, aber: er muß“: 
ed auch fein auf den Beruf als Glied des Sanıer, damit er 
nicht vergeffe, daB er eben auch untergeordnet if. Jene von 
Paul für dieſen Bweck ergriffenen Mittel koͤnnen loͤblich und: 
weckfoͤrdernd fein .für den Augenblick: weiterhin zerbrädeln: 
e an der Rebensentwidelung dev Geſanmtheit, und außerdem 
eht ihr Feſthalten und Fortbiiden doch nur untes der Gub⸗ 
ectivitaͤt des Individuums. Überhaupt, ſteht es denn wirklich fo. 
ge rlich mit der Ariſtokratie wie Paul uns glauben machen will 9 
über uns nicht wenige Subjecte vor, die einer frühern.Beit 
angehörend ‚wie Seiſtererſcheinungen in einem alten Schloſſe 
an ums vorüberwanbein oder: in dem ‚befannten nobeln Richts⸗ 
thun pegetiren, in nobeln Paſſionen ſich herabfegen. Diefe 





J 


Beit aber iſt dahin. Die Gegenwart hat es laͤngſt eingeſehen, 
daß Rechte nicht beſtrhen dürfen ohne Pflichten, und —* be⸗ 

egnen in den Cabineten, in den Kanzleien, in Wald und Feld, 
* Kunſt und Wiſſenſchaft der ehrenhafteſten Thaͤtigkeit. Da⸗ 
neben iſt auf die vom Gluͤck minder Beguͤnſtigten in mancher 
Weife Bedacht genommen. Wie wird ſodann auf dem von 
Paul eingefchlagenen Wege jenem. Dämon entgenengewirk, der 
ihn eben auf diefen Weg geführt Hat, dem Goldet Es mag 
fein, daB es damit ben Speculanten der Gegenwart entwunden 
wird, aber nur, um in die Gchaggewölbe einzelner Uriftofra- 
ten überzugehen, und dann ift ber Fluß deſſelben ficher ins 
Stoden geratgen. Schon Friedrich Schlegel weift in einem 
feiner philofopbifchen Werke dem Golde eine bedeutende Herr: 
ſchaft an; allein es fallt ihm nicht ein, baflelbe bei irgend ei» 
nem heile der Geſellſchaft anhäufen zu wollen, denn befannt- 
lich ift es rund und- wirft nur gedeiblich gewiffermaßen als 
berrenlofes Gut. 


Das Zweite, welchem Paul feine Aufmerkſamkeit zugumens 


den veranlaßt wird, ift die Kirche. Sein ohne fichtbaren, wol 
aber zu errathenden Grund vom Proteftantismus zur Batholis 
fen Kirche übergetretener Pfarrer beweift ihm die Rothwen⸗ 
digkeit einer Kirche mit ihrem Oberhaupte, mit ihrem ſchrof⸗ 
fen Dogmatismus. Für ſich felbit kann Jeder glauben und für 
wahr halten was ihm das Befte und Heilfamfte erfcheint; da⸗ 
mit aber darf er nicht der Kirche gegenübertreten wollen, viel: 
mehr fol er ihren WBorfchriften ein gehorfamer Sohn fein. 
Das Recht zu folder Foderung leitet die Kirche aus ihrem hi⸗ 
ftorifchen Beftehen Her, und von einem ſolchen ift ſchon oben 
geredet. „ Der Pfarrer bemüht fih, den-Widerfpruch zwifchen 
innerer Überzeugung und aufgegwungenem Fürwahrbalten, in 
welchem er nothwendig felbft befangen ift, durch Argumente 
auszugleichen, die freilich beſſer als die gewöhnlichen jefuiti- 
fen find; allein es iſt und bleibt doch ein Widerſpruch, deffen 
Härte ſtets ſchwerer zu vermitteln ift, je mehr die Kirche dem 

affungsvermögen aufbürbet, je weniger fie irgend erheblichen 

ugen für das innere Stüd, für Moral und Sitte zu recht⸗ 
fertigen vermag; und Paul's Pfarrer, wie fcharffinnig auch 
er fich darftellt, rechtfertigt doch nichts, denn er fußt auf Vor⸗ 
ausfegungen , denen das Leben Feine Gewähr leiftet. Es ließe 
fi, wenn hier der Drt dazu wäre, nachweifen: daß eine Kirche 
wie fie der Pfarrer will nirgend geduldet werden bürfe, wo 
eine Geſellſchaft übereingefommen ift, fi zur chriftlichen Reli⸗ 
sion zu bekennen. Sie ift Beine Kirche, fondern lediglich eine 
ne Gewalt, und diefe Bann und muß allein in der Krone 
ruhen. 

Es mag fein, daß Paul an manden Drien, in manchen 
Kreifen als ihr Vertreter und Verfechter willkommen geheißen 
wird; gewiß aber ift es, daß er feine Zeit nur einfeitig aufs 
foßt, daß er felbft mit dem redlichften Willen, der ihm gern 
zugeftanden werden fol, jener Barbarei wiederum entgegen: 
fchreitet, wo nichts Geltung hatte als Ariſtokratie und. Kirche, 
wo alfo leibliche und geiftiged Vermoͤgen der todten Hand 
verfallen if. Was von Unzulänglichkeit des Proteftantismus, 
der Humanitätsibeen gefagt ift, mag, da nur flüchtig abge: 
Sprochen wird, übergangen werden. Beide find überbem gegen» 
wärtig in dem Kalle, ſich bewähren oder vom Kampfplag ab» 
treten zu müflen, der nun einmal eröffnet ift, um täglich neue 
Streiter herbeizuloden. 

Rad) dem Allen fehen wir, daß es ſich bei Paul nicht um 
die Macht des Goldes handelt, fondern um einen Parteifampf 
in Staat und Kirche. Füͤr diefen Iwed find der Mittel zu 
viele und zu wenige: zu viele, indem namentlich der erſte Band 
mit feinem Perfonenreihthum einen Roman voll Leben und Ber 
wegung verheißt: er geht fpurlos vorüber; zu wenige: indem 
die Gebrechen, die Wunden der Zeit, für welche Paul fo eif: 
tig um Heilung bemüht ift, nicht zu Zage liegen. Es ift zu 
bellagen, daß das reiche Material im Buche wie im Leben fo 

zleicht zuſammengereiht if, daß nirgend ſich Befriedigung findet. 





überall der Widerfprud herausgefodert wird, d 
22. wie der Zeit zu * am mose gem 





Miscellen. 


Die Sigungen der Kirchenverfanmlung zu Zrident wur: 
den gewöhnfich mit dem in der römifchen Kirche üblichen Got: 
teßdienfte und einer Srevigt eröffnet. Bei der am 3. März 
1547 gehaltenen fiebenten Sigung follte der Biſchof von St. 
Marcus, Coriolanus Martiranus, die Predigt halten. Diefer 
aber fügte dus befondern Gründen eine Unpäßlichkeit vor, 
die ihm nicht geftatte das Zimmer zu verlaffen. &o wurde 
an dieſem Tage gar nicht yepredigt. Es fcheint, fagt Sarpi 
(„Histor. concil. Trident.”, &. 447), in der That wunderbar 
u fein, daß in einer Berfammlung von 60 Bilhöfen und 30 
Sheologen niedern Grades, denen Doch das Dredigeramt zu üben 
nichts Ungewohnte® war, auch nicht Einer habe aufgefunden 
werden Bönnen, der faͤhig geweſen wäre, nad) einer auch noch 
fo kurzen Vorbereitung einige paflende Worte von der Kanzel 
vorzubringen. Dabei darf nicht unerwähnt gelaffen werden, 
daß in den Acten der Synode ausbrüdlih bemerkt ward; es 
fei an dieſem Tage keine Predigt gehalten worden, weil der 
hierzu beftimmte Bifhof von &t.: Marcus an Heiferkeit gelit: 
ten babe, was fogar durch den Drud befannt gemacht wurde. 
Wenn nun einerfeits eine ſolche Veröffentlihung Beuaniß gibt 
von dem Leifeauftreten und der Gefchidlichkeit im Vermitteln 
des Synodal⸗Secretairs, welcher glaubte, jo Etwas müfle acten: 
mäßig der Nachwelt aufbewahrt werden: jo liefert andererfeits 
diefe Ihatfache den Beweis, daß man damals nicht entfernt 
den Gedanken gehabt habe, es werde einmal cine Zeit Eom: 
men, welche Gericht halten werde über Handlungen einer Ber: 
fammlung, die ebenfo wie die der Mpoftel auf die Erleud: 
tung des Heiligen Geiſtes vechnete. 


Hugo Grotius, geb. zu Delft in Sübholland, welches un- 
ter der Regierung Kaiſer Karl's V. zu dem burgundifchen Kreife 
ehörte und fo mit dem deutſchen Reihe in Verbindung ftand, 
at der deutſchen Sprache folgendes Ehrendentmal gefegt: 
O pstris salve lingua! quam suam fecit, 
Nec humilis unquam, nec euperba libertas, 
Quam non subactie civibus dedit victor, 
Neo adulter avit inquilina contages; 
Sed casia, sed pudica, sed tui juris, 
Germana priscae fortitudinie proles! 


Rühmend hat in unferer Zeit J. H. Voß der deutfchen Sprache, 
die ihm fo viel verdankt, in nachſtehenden Worten gedacht: 
„Unfere Sprache, fo kraftvoll und beflimmt wie ber &eift un: 
ferer unhöffch redenden Vorfahren; fo vol urfprünglicdher und 
unverfiegender Lebendigkeit wie die griechiſche; fo biegfam für 
Ernft und Laune, für Erhabenes, Sinniged und Gemüth: 
lies; fo reich an rhythmiſcher Bewegung und, wenn man zu 
zu ordnen weiß, auch an Wohlklang: fie will gründlich erforfcht 
fein und lohnt’s.” 


Der heilige Virgilius, Bifhof von Salzburg (geft. 785), 
war mit dem heiligen Bonifacius in ftetem Streit. Birgilius 
hatte einen Zaufact für gültig erflärt, bei welchem ein un» 

elehrter Briefter die Formel gebraucht Hatte: „In nomine 

atria et Filia et Spiritua sancta.” Dielen Taufact verwarf 
aber ber heilige Bonifacius gänzlich. „Der Papſt entfchied jedoch 
zu Gunften des beiligen Virgilius. Über bie Frage, ob es An: 
tipoden gebe? waren die beiden heiligen Männer gleichfalls 
verſchiedener Meinung. Virgilius bejahte die Frage; Boni- 
facius verneinte fie, weil, fagte er, auf diefe Urt eine andere 
** angenommen werden ˖ müßte, die von Chriſtus nicht erloͤſt 

orden. 2. 





Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdaus. — Druck und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 


_— Tr. 197, 


16. Zuli 1846, 





» 





Shelling’d Vorwort zu H. Steffen! 
Nachgelaſſenen Schriften. 
( Beſchluß aus Nr. 196.) 


An der Fähigkeit, eine. Theologie zu Stande zu brin⸗ 
gen, verzweifelnd, haben nun Einige die Frage um bie 
Verfaſſung der Kirche auf bie Bahn gebracht und da⸗ 
mit viel Anklang gefunden: Aber woher follte der Kirche 
die Verfaffung, durch welche fie fich felbft neu zu geftal- 
tm vermöchte, Tommen? Bon ihr felbfit Ja, wenn in 
ie nur irgend em Gelbft, ein gemeinfhaftliches Be⸗ 
wußtfein anzutreffen vodre! ftatt deſſen man nichts ale 
Individuen, Parteien und Meinungen fieht, die fich 
über eine Verfaſſung fo wenig einigen würden ale über 
die Theologie, welcher man auf diefe Welle aus dem 
Wege gehen wollte. Wie widerfinnig es aber if, wenn 
fogenannte freifinnige Theologen bie Hilfe des Staats 
dazu anrufen, leuchtet ein. 

Dos Bekenntniß, mit welchem der Proteflantiömus auf: 
trat, hatte zunächfi nur feine Bedeutung gegen die Kirche, von 
ker er fih trennte und mit der eben, weil mit ihr erſt verei⸗ 
nigt, er fh auseinanderzufegen hatte. Aber mit Aufitel- 
lung der Lehren, Durch die ex ſich von ihr ſchied, war feine 
Miſſion nicht vollendet. Es blieb immer die Frage: Warum 
legt er denn auf jene Lehren ein fo großes Gewicht? Sie Eonn- 
ien wol der Grund, aber nicht der Bwed der Krennung 
fein. Er fuchte etwas Höheres, Allgemeineres, die unficht- 
bare Kirche, die wahre Kirche, deren wefentliches Attribut 
die Einheit und Allgemeinheit ift. J 

Die wahre Allgemeinheit beruht auf der abfolu- 
ten Allgemeinheit ber hriftlihen Principien 
ſelbſt und ift erreicht, wenn erfannt wird: 
daß das Chriſtenthum zu feiner Vorausſetzung Feine andere 
Berhältniffe hat als durch welche auch die Welt beftehts daß 
der Grund des Chriſtenthums gelegt ift, ehe der Welt Grund 

gelegt war; daß Chriftus in dieſem Sinne ber Anfang und 
das Ende, der Erfte und der Legte iſt. 

Da aber Alles, was auf Erkenntniß berust, nur 
einen flufenmäßigen Fortgang, eine allmälige Entftehung 
bat, fo war bie Reformation von Anfang umvollendet, 
der Proteftantismus, fo lange er jene wahre Allgemein- 
heit nicht erreicht haste, zwar auch eine Kirche, aber nur 
eine Art von Kirche. 

Bar die Kirche in ihm verwirklicht, fowie fie Allen ver" 
wirklicht fein kann, im Geiſt und der Erkenntniß, fo ergab fi 


die äußere und fichtbare Geftalt von ſelbſt. So Lange bie 
Kirche in ihm nur im Werden ift, kann -auch bie Berfaffung 
nur eine vorläufige, einftweilige fein, und anders haben es bie 
Reformatoren felbft nicht gemeint mit den Ginrichtungen, bie 
fie im Drange ber Umftände ihrer Kirche gaben. 

Es wird dann weiter feharffinnig und einleuchtend 
gezeigt: wie nothivendig es war, daß die oberſte Auf- 
fiht über die Kirche ‚ben- Fürften, einer im Kampf ber 
Meinungen unbetheiligten, wenn nicht über, doc außer 
den Parteien fiehenden Macht, belaffen warb; und wie 
undankbar es ift, nicht einfehen zu wollen, bag die pro⸗ 
teftantifche Kirche ohne Hülfe ber weltlichen Macht gar 
nicht beftehen könnte, und wie thöricht, zu glauben, biefe 
könne ihr eine Verfaffung geben, bei der fie ohne wei⸗ 
tere Hülfe fich felbft regieren könne. 

Daß der Staat, wenn er jener Oberaufficht fi an- 
nimmt, obmwol er bamit nur eine peinliche Pflicht er- 
füllt, die ihm gewordene Macht als ein heiliges Ver⸗ 
mächtniß anfehen und nicht dürfe fie aus ben. Händen 
laſſen und gleichgültig zufehen, wenn bie Kirche im 
wilden Zufammenfloß der Meinung fich vollends auf- 
reibt, oder zugeben, daß nur ber Form nach fortbeſtehe, 
was innerlich aufgegeben ift, oder daß bie mit Verkun⸗ 
bigung gewiffer heilfaner Wahrheiten verbundenen Eh⸗ 
zen, Bortheile und Einkünfte Denen anheimfallen, wel- 
he eben diefen Bahrheiten öffentlich den Krieg erklären, 
oder daß eigenmächtig und unbefugt die beftehende Drb- 
nung geändert und bie Entfcheibung der wirhtigften Fra⸗ 
gen durch bie Zahl und die Menge, „wovon zur Ent 
fheidung durch die Fäuſte nicht weit iſt“, au bewirken 
verfucht, daß das arme Volk den fehmeichelnden Worten 
und gleißenden Reben preisgegeben, um das rechte Chri⸗ 
ſtenthum gebracht oder das gefihichtliche Chriſtenthum 
ihm nur als eine fehlechte Vorfielung und uneigentliche 
Wahrheit gelaffen werde; endlich, dag ber Staat, ohne 
irgendiwie die wiffenfchaftliche Forſchung und bie Em⸗ 
wickelung der Kirche zur volllommenen Freiheit zu hem⸗ 
men, fo berechtigt wie verpflichtet fei, die im Lauf ber 
Jahrhunderte bewährte Lehre, den Meinungen, die von 
geftern find, vorzuziehen: Das iſt mit fo. überzeugen- 
der und feßlagender Energie ausgefprochen, daß alle Au⸗ 
deutung nur einen Schattenriß der lebenskraͤftigen Dar- 
ftelung geben Tann. 

Dennoch -ift das letzte und auf ae Weiſe begehrenswerthe 








‘786 


i e: daß die Kirche von dem Staate frei werde; 
ran Ge — — — das Zeichen I eigenen 
innern Bollendung fein. 

Der Staat Bann die Kirche fih nur gleichachten, d. b. fie 
als frei von ji anerkennen, wenn fie innerlich bdiefelbe 
allgemeine Macht geworden, die er äußerlich iſt. 

Und nicht der Staat Fanu die Kirche freimachen: fie felbft 
muß fich befreien, nicht durch Auflehnung, ſondern durch Er- 
ringen der innern Gelbftändigkeit, welcher von felbft die außere 
folgt; und auch nit freilaffen wird fie der Staat, fon: 
dern fie wird frei fein von dem Augenblid, wo fie den 
Inhalt ihres Glaubens nicht mehr ald einen befondern, fon: 
dern ald den wahrhaft und durch fich felbft allgemeinen hat. 
Dahin zielt die Bewegung, dies ift die wahre Strömung der 
Seit, von der felbft die Thorheit Zeugniß ablegt, welche die: 
felbe wol fühlt, aber nicht verfteht. 

Durch wieberhergeftellte alte oder improvifirte neue 
Einrichtungen mag etwa ber deutfch-proteftantifchen Kirche 
etwas mehr Stabilität gegeben, gewiſſen Ausfchreitungen 
eine Schranke gefegt werden; der Proteflantismus wird 
aber fein Ziel am fiherfien da erreihen, wo er am 
längften gezaubert, fich feine feſte äußere Geſtalt zu ge- 
ben, wo er fih am meiften Alles frei gehalten hat. 
Eine volltommen befeftigte äußere Eriftenz wäre nicht 
ohne einen Rückfall zu erlangen gemefen, hätte nur eine 
Baftarderzeugung der Reformation mit dem Katholicis- 
mus fein können, wie in England. Die beutfch-proteftan- 
tifche Kirche darf ihre gegenwärtige Schmach, als bie 
Schmach Ehrifti, Höher achten als die glänzendfle äußere 
Derfoffung, welche fie an Erreichung ihres Ziels ver- 
hindert hätte. 

Schwach der äußern fichtbaren Beftalt nad, ift fie ſtark 
inwendig, als die ganze Kraft des erften Princips noch unver: 
ſchwendet in fi bewahrend und im Bewußtfein des unverlier: 
baren Ziele. Und Denen, welde ihr die gegenwärtigen Zu: 
fände vorhalten, wird fie antworten: daß dieſe Leiden nicht 
werth find der kuͤnftigen Herrlichkeit des ohne jede äußere 
Macht allein durch [ich ſelbſt fiegreichen Chriſtenthums. 

Dies ift der kurze Inbegriff des durch feine prägnante 
Kürze bergeflalt ausgezeichneten Vorworts, daß man an 
ber Möglichkeit verzweifeln möchte, den Inhalt hinrei⸗ 
chend zu veranfchaulichen, ohne das Ganze abzufchreiben. 
Es follen auch diefe Andeutungen keineswegs das eigene 
Lefen überflüflig machen, fondern vielmehr dazu reizen 
und antreiben. Indem man an dem reichen Inhalt fi) 
erquidt, gewährt zugleich einen eigenthümlihen Genuß 
die fchöne, wahrhaft claffifche Form, ein Stil, der mit 
plaftifcher Gediegenheit alle Anmuth eines zarten Colo⸗ 
rits vereinigt. Gchelling ift wie der Sache fo ber 
Sprache Meifterz ihm ift wie bie Tiefe und Kraft fo 
die Klarheit und Innigkeit ber vaterländifchen Rebe in 
feltenem Maße eigen. Darum wird auch dieſes Vor⸗ 
wort, das nit die Sprache ber Schule, fondern der 
feinern Gonverfation rebet, Allen, die einigermaßen ben- 
Ten und combiniren gelernt Haben, faßlich fein; es hat 
jene echte Popularität, bie den tiefſten Korfcher und ge⸗ 
bildetften Dann befriedigt und doch auch dem Minber- 
gebildeten nicht unzugänglih if. Man’ möchte wün- 
fen, daß es möglich würde, die ganze Philofophie in 
ſolcher Weife zu popufarifiren, fie aus der Schule, in 

fie ſich entwidelt, ine Leben, in welchem fie ſich 


bewäbren foll, einzuführen. Wohl Vielen wirb nah 
dem Leſen diefer Borrede der Wunſch fi aufbringen, 
dag fie nur der Vorläufer bes nahen Erfcheinens ber 
pofitiven Philoſophie fein möge. I ec. Roche. 





Zrauenemancipation. Ein Zuftfpiel von Heinrih Ra- 
bein. Manheim, Baffermann. 1846. 8. 15 Nor. 


Der Berf. ſtellt fich felbft als einen Nachahmer der Pla⸗ 
ten’fchen Luftfpiele dar. Damit ift die Gattung feines Werk: 
chens und die Art der Ausführung ziemlich genau charakteri⸗ 
fit. Als nothwendige Eigenſchaften eines ſolchen Gedichts und 
Dichters bezeichnet Ref. Schärfe in der poetifchen Portraitirung, 
Reichthum an Wllegorien, Takt für komiſche Combinationen, 
Leichtigkeit in der Behandlung. Popularität gewinnt diefe 
Gattung fatirifher Schriften in Deutſchland nur fchwer; alle 


Ereigniſſe in Wiſſenſchaft und Kunft find in Deutfchland nicht 


Volksſache, fondern nur Sache eines ganz kleinen Kreifes, wel- 
her gerade mit Kunft und Wiſſenſchaft als Künftler oder als 
Gelehrter und Aſthetiker fih beſchaͤftigt. Die Bildung der 
Deutfhen wurzelt nicht im Volke. Die Zahl Derer, die von 
Literatur einen Begriff haben, ift in Deutfchland ungemein ge: 
rings felbft unter den fogenannten  fludirten Leuten denfen die 
meiften, wenn von Literatur die Mede ift, nur an die Hand: 
und Lehrbücher ihrer Wiflenfchaft, der Medirin, der Theologie, 
ber Iuriöprudenz. Daß in der Literatur die höchſte Blüte ei- 
ne& Volkes, die edelſte, menſchlichſte oder göttfichfte Errungen⸗ 
fchaft des Geiſtes niedergelegt ift, daß deshalb nur die großen 
Menihen an ber Literatur Iheil haben, Das bedenkt felten Se: 
mand. Die. Zahl ber Urtheilsiofen ift überall groß, nirgend 
vieleicht größer als auf dem Gebiete der Literatur; Einer 
ſchwatzt das Urtheil des Andern nad; Hunderte ftehlen die An⸗ 
fihten, die fie ausfprechen, aus den fchlechteften Sournalen 
und Zagesblättern, welche leider oft von ganz wifienfchaftlofen, 
urtheilßiofen, durch Geld erkauften Scribenten gefchrieben wer: 
ben. Wenn man bie Unfähigkeit zum Urtheilen über Literatur 
und Kunft fowol in Süd: als in Rorddeutſchland wahrnimmt, 
fo darf man den Grund der Bildung, felbft bei ben fogenann- 
ten Gebildeten, nur als fehr niebrig bezeichnen. 
Der Berf. des vorbezeichneten Buchs ift ein Volksfreund: 
er eifert für Aufklärung, für Licht, für Wahrheit; er kaͤmpft 
egen den Schimpf, welden bie Eenfur dem Geiſte anthut; er 
odert Preßfreibeit, er fpricht feine Sehnſucht nach einem Für: 
ften, der ſie endlich gebe, lebhaft aus. Die Satire des Berf. 
iſt manchmal ſcharf, treffend; manchmal müßten ihre Pfeile 
viel Eräftiger fein; bisweilen ift fie nicht ganz gerecht, 3. 8. 
wann er gegen Scheli-Belli fpricht. Diefen laßt Hr. Rabein 
von ſich ſelbſt (&. 7) fagen: 
Auf die Knie geworfen, verehre mi, Welt! Nur herab von bem 
Simmel, ihe Sterne! 
Es verlaffe die Sonne den fphärifhen Lauf! Und es flärze ber Mond 
auf die Erbe! 
Was da lebet und webet, gebeugt in den Staub, dad verneig' ſich 
vor meinem WBerflande! 
Denn ich bin's! ja ih bins: ber allein den Verſtand in ben menſch⸗ 
lihen Schädel gefperrt hat. 
Es ertönet mein Name wie Sphärenmufit und es nennt mid) bie 
Belt Schelli⸗Belli. 
Hierauf antwortet dann der Ghor: ’ 
D du berrliher Mann! D du göttlicher Menſch! 
Der du zehnerlei Arten Syſteme gedacht! 
Dem Ghamäleon glei du, fo aͤnderſt du dich: 
Denn er warſt du dem Licht nachbetender Knapp‘, 
Ein Spinoza fobann , freibentender Kopf. 
Und nun enblich zulegt 
Poſitivet er rechts, pofitivet er Ink: 
D, bevoundert ben Reichthum bed Geiſtes! 





787 


WBenn man Schelling vorwirft, fein Syſtem oftmals ge: 
ündert zu haben, fo glaube ich: er hat ben Muth dazu ge: 
habt nur vermöge feiner Achtung vor dem Fortfchritt des gei- 
figen Bewußtſeins; eine Schule im ſtrengen Sinne des Worts 
bat er wol niemals fliften wollen. Übrigens würde Mandyer, 
der Schelling verfpottet, aus befien Borlefungen Manches ler: 
nen Ponnen. Wer Schelling Eennt, weiß, wie gründlich er eine 
gewiffe Sorte von Zagesfchriftftelerei verachtet; die Feindſchaft 
mancher Scribenten bat alfo doch Grund. Diefes fei bier nur 
beiläufig bemerkt. 

Gegen offenbar Verwerfliches hätte Hr. Radein weit ftren- 
ger verfahren jeuen » 3: D. gegen eine Horde von Wegelage⸗ 
tern und Preibeutern, bie fih jegt in immer mehr Städten 
Deutſchlands anfiedelt und auf Dramen und Dramatiker, Bü: 
her, Virtuoſen, Künftler u. f. w. förmlih Jagd made, um 
je für Geld zu loben und Den berunterzureißen, der ihnen 
verähtlih ins Geficht fchlägt. Hr. Radein hatte ſolche Ehr⸗ 
loſe hier nicht blos als laͤcherlich, er hätte fie ald verachtungs⸗ 
und verabfheuungswürdig darftellen, er hätte ein allgemeines 
Zreibjagen gegen fie eröffnen follen. Das wäre ein verdienftlicheß 
Bert geweien. In folgender viel zu gelinden Weife fpricht er 
über fie, naͤmlich der Oberkrititer Schwenkler unterhält ſich 
mit dem Juden Ahasverus folgendermaßen : 

Ababverus: 
Ich wil nichts wiſſen vom Literatenquarf. 


Schwentler: 
Ihor! old wenn ed Einen gäbe, ber nit Tagebücher ſchreibt, 
Der nicht audy in unfern Tagen etwas von der Dichtung treibt. 
din am Literatenſchlagbaum fragt man bi: „Wohin, woher?” 
Künſtlerhandwerksburſche geben ihre Wanderbuͤcher ber. 
der mit deinem Paß! Wer bift du? Wo haft du die Kunft gelernt? 
Beitem Philoſophen dienft du? Warum haft du dich entfernt? 
Biſt du öffentlich und muͤndlich? für Genforen? preffenfrei? 
Und für conflitutionnelle Ständeverfammiungsfchreterei? 
Seht dir auch nach altem Plunder noch am rechten Ort ber Sinn? 
Squnell das Raͤnzchen aufgebunden! "find doch nicht Gedanken b’rin? 


Adadveruß: 
Laßt mich nur zu Athem kommen! Muß ic denn ein Dichter fein? 
Denkt! ih bin ja ein Hebraͤer, juͤdiſch iſt mein Fleiſch und Bein, 
Schwenkler: 
Juden ober Chriſten. Dichten denn etwa die Juden nie? 
I dab Geld, obgleich ganz juͤdiſch, nicht bie ſchoͤnſte Porfie? 
Sloutk du, mir wirft du entgehen, der ih Lenau ?ritifirt, 
Umd fo viele and're Dichter mit der Jeber angeſchmiert? 
Bort gar kritiſchen Seurung! benn jetzt bin ich g’rad’ im Schuß; 
Wiſſe zur, daß ich noch hundert Kritiken heut' fhreiben muß. 
Gegen die Schriftitellerei der Frauen und gegen bie franzoͤfi⸗ 
fen Lufffpiele Hätten wir von Hrn. Radein Angriffe erwartet, die 
mit etwas größerm Aufwande von Geift gemacht wären; die 
Berdorbenheit des Geſchmacks in Deutſchland hätte weit ſchaͤr⸗ 
fer gerügt werben follen. Übrigens aber müffen wir ed lobend 
erahnen, daß Die Miferabilität ber Männer, welche fi von 
in der Literatur befiegen lafien, ‚ganz vortrefflich ge: 
hildert it; viele heroiſche Anftrengungen moderner Dramen: 
ter werden von Madame Birch niedergehalten. 
„nönderlei Anfpielungen auf bekannte und berühmte Lite: 
rariſche Perfönlichkeiten hat der Verf. recht geſchickt — 
Der die Perſonalitaͤten genauer kennt, findet's leicht heraus; 
ie Andern werben, auch ohne die perfönlidhen Bezüge zu wiſ⸗ 
len, fi daran amufiren. Um etwanigen Scandal nicht zu ver- 
gößern, theilen wir keine weitern Aufklärungen und Ramen 
mt. Übrigens bat der Verf. die Thatſachen, die Ereigniſſe, 
die Perfonlichkeiten, welche vor die ſatiriſche Peitfche genom⸗ 
men zu werden verdienen, mit ſicherm Takt ar ah 
Bißweilen wurde bei der Lecture im Mef. ber Wunſch nad) mehr 
wu tes in der Ausführung Fomipther Gombinationen ver⸗ 
men wir bie notbwendige Mannichfaltigkeit. Richtsdeſtowe⸗ 
niger hat Hr. Radein Zalent für diefes Genre; wenn er ein 


— — — ç — ç — — — — — — — — — — — — — —— ———— — — 


Regensburg, Man 


neues Werkchen liefert, wird fi gewiß ein Fortſchritt darin 


nachweiſen laſſen. 


Rech Eins müſſen wir ruͤgen, naͤmlich: daß der Verf. Das, 
was man Regeln der deutſchen ographie zu nennen pflegt, 
hoͤchſt willkuͤrlich verſpottet; er fchreibt 3. 8. befält ftatt be⸗ 
ſeeltz Haubt flatt Haupt; Geſchik ſtatt Geſchick; blöfen patt 
ent blößen. 2. 








Bibliographie. 

Allignol, ©. und A., Der gegenwärtige Buftand des 
Glerus in Frankreich, und insbefondere der Landpfarrer, ger 
nannt Defierventen. Leipzig, F. Fleiſcher. Br. 8. 20 Ror. 

Aretin, K. M. Freih. v., Wallenflein. Beiträge zur 
nähern Kenntniß feined Charakters, feiner Plane, gine Ber» 
hättniftes zu Boiern. Regensburg, Manz. Gr. 8. 1 Ihle. 

r. 


A 

Beer, &., Die Bevöfkerungsverhältniffe der öftreichi- 
[hen Monarchie, mit einem Anhange der Volkszahl, Geburten, 
Sterbefälle und Trauungen vom I. 1819 bis zum J. 1843. 
Bien, A. Doll's Enkel. Gr. 8. I Thlr. 20 Rgr. 

Bechſtein der Jüngere, Neue Raturgefchichte der Stu: 
benvögel. Ein Kehrgedicht. Hannover, Hahn. 8. 1 Zhlr. 

Biedenfeld, FE. Freih. v., Archiv des neuesten Or- 
denswesens. Geschichte, Beschreibung, Statuten und treu- 
bildliche Darstellung der neuesten Orden, Decorationen etc. 
Iste Lieferung: Ordensstiftungen von 1841—1845. Weimar, 
Voigt. Gr. 4. 2 Thlr. | 

— — Die Heraldil, oder populäres Lehrbuch der Wappen» 
kunde. Weimar, Voigt. Gr. 4. 1 Thlr. 20 Nor. 

Brunner, S., Hurter vor dem Zribunal der Wahrheits⸗ 
freunde. Supplement zu — Geburt und Wiedergeburt. 
. 8 lr. 

Cotton, J. 5, Major’s von Berg Abenteuer mit einem 
Ziger. Aus dem Englifchen in der Nachahmung von Abbe v. 
Sevigny. Mit- 7 engl. Vignetten. Wien, &. Doll's Enkel. 

. gr. 


Dirckinck - Holmfeild, C. Freih., Dänische Zu- 
stände, aufgehellt in Literaturbriefen nebst Bemerkungen 
über die Aussprache des Dänischen. Altona. Gr. 8. 20 Ngr. 
Don Juan. Große Oper in zwei Aufsügen. Aus dem 
Stalienifen. 5te Auflage. Wien, Wallishauffer. 8. 8 Nor. 

Farine bure, Be Meftgnation oder Befriedigung ? 
Eine moderne Novelle. alhin, Piper. 8. 12 Rear. 

Der junge Feldjäger in franzöfifhen und englifhen Dien- 
ften während des fpanifch:portugiefifhen Krieges von 1806 bis 
1816. Gingeführt durch 3. W. v. Göthe. Drei Bändchen. 
2te Auflage. Leipzig, F. Fleiſcher. 16. 1 Thlr. 15 Nor. 

Fled, F. F., Syftem der criftlichen Dogmatik, mit bes 
fonderer Beziehung auf die religiöfen und fpeculativen Zuftände 
bes Zeitalters. After Theil. — X. u. d. T.: Philoſophie und 
chriſtliche Theologie im Widerfpruche und höheren Einklange. 
eeipaig, F. Fleiſcher. Gr. 8. 2 Thlr. 15 rar. 

eijer, © ©., Des Königs Guſtaf III. nachgelafiene 
und funfjig Jahre nach feinem Tode geöffnete Papiere. - Über» 
ficht, Auszug und Vergleichung. Aus bem Schwedifchen. ter 
Theil. 2te Abtheilung. Hamburg, Perthes. Gr. 8. 28 Ngr. 

Gutzkow, R., Sefammelte Werke. Liter Band: Rovel⸗ 
lenbuch. Frankfurt a. M., Literarifche Anftalt. 8. 26), Near. 

Helwing, E., Geschichte des Brandenbur -preussischen 
Staates während des jährigen Krieges und im Zeitalter 
des grossen Kurfürsten. Lemgo, Meyer. Gr. 8. 3 Thlr. 

Near. 


Istrien mit den quarnerischen Inseln. Geographisch- 
statistische Darstellung nebst 1 Kärtchen. Lox. B. Wien. 
10 Ngr. ® ’ 

Italien. Klassisch, historisch, malerisch. In 60 Ansich- 
ten nach Zeichnungen von Brockedon, Stanfield, Roberts, 
Harding, Prowt, Leitch, Barnard etc. Nebst beschreiben: 





* 


788 


:dem Text und Bemeikungen für Reisende, ven W. Brseke- 
don. Iste Lieferung. Leipzig, T. O. Weigel. Imp. -4. 
1 Thir. 10 Ngr. ° ° 

Jamin, D., Placidus an Maclovia über die Scrupel. 
Aus dem Brangöfikipen von M, W. Kerp. Köln, Du Mont: 
Schauberg. 12. 12%, Nor. 

Kaulen, W., Närrifches Eomplimentirbud. Duͤſſeldorf, 
Stel. Kl. 8. 6 Rgr. 

Malortie, C. E. v., Der Hof⸗Marſchall. Handbuch 
zur Einrichtung und Führung eines Hofhalts. 2te vermehrte 
Auftage. Hamover, Hahn. Gr. 8. 3 Ihlr. 

Heuer Rekrolog ber Deutſchen. 22fter Jahrgang. (1844.) 
Zwei Theile. Weimar, Voigt. 8. A Thlr. 

Preller, L., Die Regionen der Stadt Rom. Nach den 
besten Handschriften berichtigt und mit einleitenden Ab- 
handlangen und einem Commentare begleitet. Jena, Hoch- 
hausen. Gr. 8. 1 Thir. 10 Neger. 

Rogge, F. B., Buch der Huldigung. Schwerin, Stil 
ir. 186. Gr. 8. 10 Ngr. 

Roͤhr, 3. F., Predigten über das neue Weimariſche 
Evangelienbuch. ste Sammlung. — 3. u. d. A.: Reue Pre 
— über fecie Zerte. Reuftadt a. d. D., Wagner. Gr. 8. 

r. gr. 
Rügelieder der Troubadours gegen Rom und die Hierar⸗ 
Driginale mit deutſcher Überfegung von E. Brind- 
. Halle, Schwetfchte und Sohn. Gr. 8. 10 Rgr. 

Saphir, M., ©., Rachfeier der Nachdrucker zum But: 
tenbergfefte. Cine dramatiſch⸗epiſch⸗draſtiſch⸗komiſch⸗literariſch⸗ 
typographiſche Jubel»: und Zriumphfeene in abgerifienen Bil- 
dern. Und: Literarifcher Tag⸗ und Rachtwaͤchter. Redacteur 
Schuhu, oder die reifenden Kunft = Bögel. Leipzig, Jackowitz. 
8.8. 71%, Nor. ’ 

Schacht, Z., Lehrbuch der Geographie alter und neuer 
Zeit, mit befonderer Ruͤckſicht auf politifhe und Kulturgefchichte. 
4te Auflage, ſtark vermehrt und theilmeife neu gearbeitet, nebft 
? Zen, umb 3 lithographirten Tafeln. Mainz, Kunze. Gr. 8. 

r. gr. 

Unterhaltungen über Proteſtantismus und Katholicismus 
zu gründlicher Belehrung für wahrheitfuchende Chriſten. Stutt- 
gart, Steinkopf. Gr. 8. 1 Zhlr. 

BWeftpbalen, R. A., Hamburgs Berfaffung und Ver: 
waltung in ihrer allmähligen Entwidelung bis auf bie neuefte 
Zeit dargeflellt. Zwei Bände. 2te durchgängig vermehrte und 
verbefferte Auflage. Hamburg, Perthes-Beſſer und Maufe. 
&. 8. 4 Thlr. 15 Rgr. 


TZagesliteratur. 


Arndt, J., Eeid nüchtern und wachet. Predigt am Buß⸗ 

und Bettage 1846. Berlin, Wohlgemuth. Gr. 8. 2%, Nor. 
Belgien, Rheinland und Adolph Bartels. Potsdam, Stuhr. 

Gr. 8. 74 Ngr. 

Berends, J., Keine Gewiſſensfreiheit ohne Lehrfreiheit 
in der Kirche. Berlin, Krauſe. 1845. Gr. 8. 5 Rgr. 

— — Bortraͤge über Vergnügen und öffentliche Feſte. 
Gehalten im Berlinee Handwerkerverein. Berlin, Krauſe. 
1845. 8. 15 Rgr. 

Nobert Blum. Ein Charalterbild für Freunde und 
Gegner. Beig, Erpedition des Leuchtthurms. 8. 8 Nor. 
öttger, G., Das bedeutungsvolle Ja des fterben 
Luther! Predigt. Dresden, Arnold. 8. 2 Rgr. 

-  Erüger, F., Königsberger politifches Taſchenbuch für 
1846. Königsberg, Theile. Kt. 8. 18 Nor. 

Deutfh, 8., Publikum und Arge in Preußen, in ih⸗ 
ren Berhältnifien zu einander und zum Stant® Bleiwig, Lande: 
berger. 8. 15 &gr. 


Hatte. Königsberg, Theile. 


das evangst 


Kähler, ©. A., Sendfhreiben an den Heren Conſiſto⸗ 


8 

Kilian, I., Die nothwendige Vorſicht Iutherifcher i⸗ 

ſten bei er Glaubensverwirrung. Ein pas — 

ſche Volk, in wendiſcher Sprache herausgegeben. 
Deutſche Überfegen 3 6 Rgr. 
Kutſcheit, J. B., Das deutſche Kirchenthum. ine ge⸗ 
ſchichtlich⸗ ſtatiſtiſche Betrachtung. Bugleich zur Beleuchtung und 
Bervollftändigung ber „Kirchenkarte von Deutfhland” bed Ber: 
faffers. Danzig, Gerhard. Gr. 8. 10 Nor. 

Leizmann, F., Die Realſchule und der Beitgeifl. Ein 
Botum. Lemgo, Meyer. 8. 71, Nor. 

2ommel, ©, Die Unitarier in Oftfranken, die Vorlaͤu⸗ 
fer der Deutſchkatholiken. Frankfurt a. M., Literarifche An: 
ftalt. Gr. 8. 4Y, Nor. 

Linde, 3.2.8. v., Über Abſchließung und Auflöfung 
der Ehe im Allgemeinen, und insbefondere über gemifchte Ehen. 
Rebſt einigen Erwiederungen auf bes Hrn. Freih. v. Gagern 
Bweite Anſprache an die deutfche Ration. Gießen, $erber. 
Gr. 8. 1 Ihlr. 


Marquard, %., Politifher Katechismus für Preußen. 
Eine alphabetifhe Zufammenftellung aller dem preuß. Staats: 
bürger nad) der Berfaffung und Gefeßgebung feines Landes zu 
ftehenden Rechte. — A. u. d. T.: Politiicher Katehismus für 
Deutfchland. Herausgegeben von 8. Biedermann. Leipzig, 
Mayer. 16. 10 Ror. 

Newmann, I. H., Über die Entwickelung der chriſtli— 
hen Lehre. Gine Rechtfertigung feines Rüdtrittes zur katho⸗ 
lifhen Kirche. Deutfh von J. A. M. Brühl. Ifte Lieferung. 
Schaffhaufen, Hurter. Gr. 8. 8%, Nor. 

‚Pflüger, G., Die Kurheſſiſchen Buftände, mit einem 
Bli auf das Ultimatum des derzeitigen Landtagscommiffars in 
der ſchwebenden deutfch »Fatholifhen Frage. Frankfurt a. M., 
Debler. Gr. 8. 6 Nor. 

Keine, K. ©, Die Päbftelei im Proteftantismus: der 
Zod der deutfchen Reformation wie der evangelifchen Kreibeit, 


ole. 8. 1 Zr. 

Scherr, J., Die Schweiz und die Schweizer. Winter: 
thur, Steiner. 1845. 12. 22%, Nor. 

Schmidt, I. F., Bemerkungen über ben Entwurf einer 
neuen allgemeinen bürgerlichen Proceßordnung für das König: 
reich Hannover, fowie uber Mündlichleit und DOffentlichfeit im 
bürgerlihen Proceßverfahren. Hannover, Helwing. Sr. 8. 

er. 

Scholl, E., Drei Vorträge, gehalten vor ber deutſch⸗ 
katholiſchen Gemeinde zu Mannheim, zugleih als Rechtferti: 
gung meines Anſchluſſes. Darmftadt. Gr. 8. 4 Ror. 
‚ Boudon, 9. F., Der Ehrift ein Bermbling und Pil⸗ 
a auf Eon Predigt über 1. Petri 2, I—D. Berlin. 
r. 8. 3 Nor. 

Wechsler, B., Über jüdifche Schul: und Lehrer-Berhält 
niffe. Dldenburg, Stalling. Br. 8. 3%, Nor. er 
Zur „'zueßen Geſchichte Koͤnigsbergs. Leipzig. 1848. 


gr Gr. 8. gr. 
alkſon, F., Bier kleine Abhandlungen politiſchen In⸗ Zur fiologie des Heiligen Modes. Winterthur, ter 
1845. tꝙ 7 Nor. ner. 1 A Nor. beilis 


Berantwortlicher Herausgeber Heinrich Brockzaus. — Druck und Verlag von F. Mi, Brockhaus in Reipzig. 


o. 


Blätter 


far 


fiterarifhe Unterhaltung. 





17. Zuli 1846, 





Bann eine große Zeit vorübergegangen ifl, wann 
die gedrängten Ereigniſſe und Grfcheinungen fi) aus⸗ 
einanderhalten und überfehen laſſen, das Blendende ben 
Glanz verloren, das Dunkele ſich gehellt hat: dann ift 
ed die Sache des Gefchichefchreibers, die Wirkungen mit 


ihren Urſachen zufammenzuftellen und für die Genoffen |. 


feiner Zeit den Rüdblil in jene, das Verſtändniß ber 
gegenwärtigen und die Ausficht in die fommende zu er- 
lihtern. Aber nicht allein die erfchütternden Bewegun- 
gen einer Zeit find es, welche ber Zorfcher zu betrach- 
ten und zu prüfen hat; nicht blos auf der großen Bühne 
der Belt, im Glan; der Höfe, hinter dem geheimniß- 
vollen Vorhange der Cabinete, im Geräufch ber Waffen 
und des Marktes, arbeitet der ewige Beift an ber Ent- 
widelung der Menfchenbeftimmung: fondern auch in der 
Abgeſchloſſenheit eines einzelnen Lebens reifen oft bie 
Keime, woraus Bedeutendes für jene Entwidelung er- 
wachen fol. Ä 

So hat denn ber Hiftoriter auch nach ſolchen An- 
füngen und Beziehungen zur Gefchichte in dem Leben 
einzelner ausgezeichneter Menfchen zu fuchen.. 

Als eine der intereffanteften Erfcheinungen aus. ber 
zeichen in ben Iegtern Jahren aus folhen Beftrebungen 
erwachfenen Literatur haben wir ein Bud) begrüßt, wel- 
ches die Deutfhen an einen Mann erinnert, deffen Na- 
men fie faſt vergeffen haben und. deffen ‚Schriften fie 
Me mehr Fennen, obgleich fie bdiefelben ſehr werth- 
ielten. 

‚Ein Zeitgenoffe fagt von ihm: „Ich habe viele große 
Aanner und berühmte Scheiftfieller genannt, aber noch 
nicht den reinften moralifhen Menfchen, der mir in ei» 
nem Leben von beinahe funfzig Jahren vorgelommen ift. 
Difer war Georg Schloffer aus Frankfurt am Main. 

In ihm hatte ſich die menſchliche Natur veredelt, und 
er ſelbſt leitete fein ganzes Leben hindurch alle feine er- 
worbenen großen Kenntniffe nur auf diefen Zwed, Kein 
unteiner Baden läuft durch das reine Gewebe feines 
Lebens und er führte ein fehr thätiges Leben. Ich 


*) Bei Gelegenheit der Dronograppie: Schloſſer's Leben und lites 
rariſches Wirken. Bon Alfred Nicolovius. Bonn, Weber. 
Wi. Ge. 8. 1 Ahle. 18 Nor. — Be 





möchte fagen, nur die Tugend war fein Genie unb 
machte es aus, fo ganz und vollendet ftellt er fie dar. * 


Wenn er nun Der gemwefen wäre, wie ihn Klinger 
mit diefen Worten von der Seite feines fittlichen Lebens 
und Strebens gefchildert hat, fo müßte die Erneuerung 
feines Andenkens ſchon ein großes Verdienſt fein. Viel⸗ 
leicht hat die vergangene Zeit es vor ber unferigen vor» 
aus, "mehr der tiefen und reinen Charaktere hervorge- 
bracht zu Haben. An der Anfhauung Solcher follten 
Schmädere zu erflarken ſuchen; zu dem Bilde eines 
Haren Lebens follten beffere Gemüther fi) flüchten, wann 
fie aus der Verworrenheit, der Langmweile des Tages 
fi Hinausfehnen; und für die Jüngern möchte eine ſolche 
Schilderung erfprießliher fein als ein Compendium ber 
Moral. Aber in feinem Leben und Wirken ftellen ſich 
auch jene Keime und Beziehungen bar. 

Das oben erwähnte Buch führt uns im die zweite 
Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in bie Wehen einer 
Zeit, aus ber die Dinge ſich neugeftalten follten, in das 
Zeitalter mächtiger Revolutionen im Reiche der Politik, 
ber MWiffenfchaften und Künfte, des praktiſchen wie bes 
fittfihen und religiöfen Lebens. Schloſſer ftand, werm 
auch von der großen Welt entfernt, doch in gewiſſer 
Weife mitten in diefen Bewegungen, überall theilneh- 
mend, fei es als Gegner, ſei es vermittelnd oder ſich 
anfchliegend, nirgend gleichgültig. Sein Keben ift das 

id der Zeit im Meinen Rahmen, und fein Tod fiel 
an die Scheide bes Jahrhunderts, nachdem fein ahnen 
der Geift, der rückwaͤrts das Buch der Gefchichte durch⸗ 
lief, nicht ohne tiefen Schmerz einen Bli in die Blät- 
ter der zufünftigen gethan Hatte. 

Fragt man aber: warum fein Name unter uns fo 
wenig gefannt iſt? fo antworten wir: Weil das Rein⸗ 
Menfhlihe in feinen Schriften, Das, was univerfelle 
Bedeutung hatte, längft Gemeingut geworden ift, nad) 
deffen erftem Beſitzer und Werbreiter Niemand fragt; 
und weil Dasjenige, was, für die damaligen Zuflände 
berechnet, auf die unferigen nicht mehr paſſen will, den 
gewöhnlichen Lefer nicht reizt. Es mögen nur Wenige 
an ihnen auch einen rein äfthetifhen und gemüthlichen 
Genuß finden. 

&o müffen wir denn Nicolovius für feine Bemühun- - 
gen banken und biefelben um fo mehr anerkennen, da 


—W I .ı 


feine Aufgabe eine boppelt ſchwere war. Es galt zu⸗ 
nächft eine Klippe zu vermeiden, bie vielleicht nicht Je⸗ 
der fo glücklich vermieden hätte, wie er es gethan hat. 
Das Berhältnig perfönliher Pierät, in welchem ber 
Perf. zu Schloffer ſtehen mußte — er ift ein Enkel 


deffelben durch Schloſſer's ältefte Tochter aus beffen er- 


fee Ehe mie Cornelia Goethe —, machte gerade ihm 
die ftrengfie Unparteilichkeit noch mehr als jedem An- 
been zur Pflicht. Doch konnte wine zu große Angſtlich⸗ 
Leit der Darftellung ebenfalls ſchaden. Aber Ricolovius 
ift in beiden Nüdfichten ebenfo würdig als verflänbig 
zu Merle gegangen. 

Dann aber floffen auch bie Quellen für feine Ar⸗ 


beit fehr fpärlih. Ein Tagebuch, welche für Schloſſer's 


eigene Erinnerung beſtimmt war, mußte nach feinem 
Tode vernichtet werden; und ber Plan, über die Ge⸗ 
ſchichte feines innern Lebens dem Sohne ein Dermädt- 
niß zu binterlaffen, blieb unausgeführt. So war denn 
ber Verf. des Buches, außer den Nachrichten der Fami⸗ 
lie uber Schloſſer's aͤußeres Leben, auf bie Schriften def 
felben, welche zu diefem Ende ein fehr genaues Stu- 
dium erfoberten, und die Mittheilungen feiner Freunde 
angewiefen. Aber hieraus ift etwas fehr Tüchtiges ger 
worden, und Nicolovius bat dem veremwigten Schloffer 
ein Denkmal gefegt, daß feine Demuth nicht verfchmähen 
dürfte, wie fie fich einft eines foldhen auf feinem Grabe 
nicht würdig hielt. 
An dem oben Sefagten liegen für den Leſer bie 
Gründe, warum wir das nun erneuerte Anbenten des 
Mannes im weitelten Kreife verbreitet wünfchen möchten. 
Der Verf. diefes Berichts, der die Schloffer’fchen 
Schriften fchom länger kannte und liebte und ſich jene 
Aufgabe geftellt, konnte jedoch nicht dem Gange, des 
folgen, weil feine Abſicht ift, einen raſchen Über- 
bil zu geben. Wenn in bem Bude fih Alles in 
ronologifcher Ordnung barftellt, fo mußten wir nad 
ben einzelnen Beziehungen und den einzelnen Gebieten, 
über welche Schloſſer's Anfichten ſich verbreiten, Gleich⸗ 
artiges ſtets zuſammenfaſſen. Dabei waren wir gezwun⸗ 


gen, überall zu den Quellen, zu unfern eigenen Stubien- 


aus bed Mannes Schriften zurüdzugehen, weil wir bar 
duch manches Charakteriftiiche zu gewinnen glaubten. 
Deshalb darf vielleicht der Bericht, bei bem uns übri⸗ 
gene bie firengfte Objectivität Pflicht zu fein ſchien, auf 
einige Selbſtaͤndigkeit Anſpruch machen, an welcher ung 
freilich nicht viel gelegen ift, wenn wir nur ben oben 


ausgeſprochenen Zweck baburch ‚erreichen, 


Johann Georg Schloffer wurde am 7. Dec. 1739 
au Weanffurt am Main geboren. Bei der wunderlich⸗ 
Ben Sugenbbitbung, wo ber Zwang ber Schule ihm bis 
in ſein zwanzigſtes Jahr nicht erlaubte, etwas Anderes 
zu lefen als bie von feinen Lehrern ausgewählten Schul⸗ 
bücher, hatte er bie vielſeitigſte Bildung nur fich ſelbſt 
zu danken. Denn feit feinen früheften Jahren war bei 
ihm Alles auf ben Stand eines Mechtögelehrten berech⸗ 
at, einen Stand, buch weichen firh und Reich⸗ 


8 f‘.. 

thum erwerben ließen und ber zu feiner Zeit ben Weg zur 
den hoͤchſten Ämtern ber Stadt eröffnete. &o bezog er 
denn zum Studium ber Rechte bie Univerfitäten zu 
Gießen, Jena und Altorf. Hier aber ging dem lange 
gefangenen Geiſte eine meue Welt. auf: das claffiiche Al⸗ 
terthum, zu dem et immer fo mädtig fi) hingezogen 


fühlte; bie Lehren alter und neuer Philoſophen; die Dich- 


ter und das ganze Reich Deffen, mas man damals bie 
ſchoͤnen Wiffenfhaften nannte. Wie freudig mochte er 
fih in der frifchen Luft des neuen Lebens bewegen! Aber 
er Hatte in der neuen Freiheit einen ſchweren Kampf 
mit der Abneigung gegen einen Stand, welchem er 
felbft in fäten Jahren fih niemals ganz verföhnen 
konnte. Doch er ging fiegreich aus dieſer erſten Prü⸗ 
fung hervor, welche. dev Ernſt des Lebens ihm aufer- 
legte. Schon in diefem Alter war er der Anficht: daß 
der Menſch felbftändig fein, daß er alles Gluͤck erſt 
ſelbſt fich erwerben müffe, um es ganz zu genießen; denn 
alles Andere komme nur durch phantaftifche Anwendung, 
Poeſie, zugute. Auch ein beſtimmtes Amt folle Jeder 
wählen, und Das war für feine ganze Lebensrichtung 
begeichnend. Er erkannte es fpäter für feine eigentlichfte 
Aufgabe, alle Wiffenfchaften auf den praktiſchen Nugen 
zurüdzuführen; hielt er doch den Schriftfteller, welcher 
auf fein Zeitalter, fei es unter den individuellften Um⸗ 
ftänden, wirkt, für vorzügliher als Den, welcher für 
die Ewigkeit ſchreibt. Selbſt der eigentliche Gelehrte 
fol die Anwendung des Errungenen auf das Menfchen- 
leben mahen. Wer nie ein Amt gehabt, läuft Gefahr 
des Egoismus. 

Nachdem er 1762 die juriflifche Doctorwürde er⸗ 
langt Hatte, trat er zu Frankfurt als Advocat auf: eine 
Stellung, weiche er bald mit berjenigen eines Geheim- 
fecretair6 bei dem Prinzen Eugen, nachherigen Herzog 
zu Würtemberg, und eines Erziehers bei deſſen Kindern 
vertaufhte. Im I. 1769 aber kehrte er in feine Vater⸗ 
ſtadt zurüd, mo er zwei Jahre lang mit Merck, Höpf: 
ner, Bent in Darmftabt den „Frankfurter Gelehrten 
Anzeigen’ feine Thaͤtigkeit zuwandte. 

In diefer Zeit wurde jene Abneigung, mit welcher 
er immer gerungen hatte, für fein ganzes ferneres Le- 
ben entfheidend. Er beklagte das Schickſai des ehrli- 
hen Mannes, welcher den Rechtsvertheidiger machen 
muß, wo das klare Recht felbft gegen ben feinen Be⸗ 
trüger und liſtigen Sophiften, gegen bie Beftechlichkeit 
ber Richter nicht gefchügt if. In einer fpätern Schrift 
„Eutyphron“ fpricht er fogar bie Anfiht aus, daß das 
Advocatenwefen bie Leute engherzig unb alles guten Auf⸗ 
ftrebens unfähig made. Wenn fie dazu kommen, meint 
er, Hand an die üffentlihen Gefchäfte zu legen, ſuchen 
fie nach ihrer Weiſe Alles mit Lift und Raͤnken durd- 
zuführen, wodurch Treue, Hecht und Berechtigkeit unter- 
graben werben und jene Politk entftcht, welche ber Mann- 
haftigkeit und Gerechtigkeit ober auch einer noch groͤßern 
Lift unterliegen muß. So mußte er ſich felbft aus einem 
Stande hinaus fehnen, auf den er, vielleicht für feine Zeit 
nicht mit Unrecht, fo ſchwere Beſchuldigungen bäufte. 


Er begab fi dechalb 1.773 nach Kazlsrube, mn e# 
ihm gelang, bei ber Regterung im Dienfte bes Mark⸗ 
grafen Karl Friedrich von Baden angeſtellt zu werben. 
Bald bekam er auch nis Dberbeamter der Markgraf: 
(haft Hochberg zu Emmendingen eine Stellung, wie er 
fie ſich wünſchte; wo namentlich der adminiſtrative Theil 
der Gefchäfte, welche ihm oblagen, ſeinen Neigungen 
mehr entſprechen mußte. Für feine Wirkſamkeit in bie 
fm Amte iſt es bezeichnend, daß er, von feinen beſchwer⸗ 
fihen Gefchäftsreifen zurückgekehrt, zu fagen pflegte: „Ich 
weiß, daß ich für etliche hundert Arme leide, denen ich 
Brot ſchaffen will. Das allein faun uns gegen bie 
Armen entfchuldigen, dag wir reich find nad umferer 
Art, wenn wir eben die Arbeit und Mühe, welche fie 


übernehmen müffen, um eigene Noth abzuwenden, freis 


willig um fremder Noch willen übernehmen.“ 

Bie er Dandel und Gewerbe für die Seele bes 
Bürgers hielt, fo fuchte er auch ber Marfgraffchaft, wo 
Beides darniederlag, neue Ermwerbsquellen zu öffnen. Er 
war rüflig bemüht für die Belebung des nicht unbebeu- 
tenden badifhen Bergbaus; und als 1782 eine neue 
Direction für bdenfelben errichtet wurde, trat er an de 
ten Spige. Aber er war auch ein ebenfo wariner und 
rüfliger Vertheidiger der Nechte bes Volkes und konnte 
1783 mit unendlicher Freude öffentlich bie Abfchaffung 
der legten Reſte von Reibeigenfchaft begrüßen, die ber 
edle Markgraf auch nicht einmal dem Namen nad) in 
feinem Lande dulden wollte. 


Doch manches Ziel, das er ſich vorgefest, follte er | 


niemals erreichen; felbft dieſe verbältnigmäßig geringe 
Birkfamfeit wurde ihm durch amtliche Verhaͤltnifſo 
und collegialifche Disharmonien mannichfaltig verbittert; 
und ſchon fing feine bamalige Stellung an ihm befchwer- 
lich zu werden, 
Bon feinen Kebensfchidfalen aus diefer Zeit erwaͤh⸗ 
un wir bier nur zwei Ereigniffe, welche nicht ohne 
Einfiug auf feine weitere Geiftesrichtung waren. Auf 
eine Einladung des Kaifers Joſeph unternahm er eine 
Keife nach Wien, welche eine Befprechung mit dortigen 
Rechtsgelehrten über eine Gefegverbefferung zum Zweck 
hatte. Er lernte bier nicht an die Menaiffance Oftreiche 
glauben, am menigften an eine von dort ausgehende 
Wiedergeburt Deutfchlands, wie man fie damals für 
Lehen und Kunft von mehren Seiten ziemlich ſanguiniſch 
erwartete unb verkündete. Unter den Blumauer, Ratſchky, 
Denis, Sonnenfels, Gemmingen fand er Nichts, mas ei. 
ner männlichen Seele ähnlich fah —: Alles gebüdt un- 
ter der Hand des Despotismus. Aber Nicolovius be- 
merkt fehr riehtig, welcher Gewinn für ibn darin lag, 
daß er feine eigene Lage mehr als je ſchaͤhen lernte. 
Dann wurbe er in diefer Zeit mit dem Illumina⸗ 
tenorden befaunt, von welchem ſich Schloffer, wenn aud 
feine Geheimlehre, dod Gewinn an Kenntniß und Er- 
führung verſprach. Freilich ſchwebte ihm auch die Noth- 
wendigkeit einer WWeltverbefferung vor, unb eine ſolche 
hoffte er einft von einer großen Verbinbung. unter den 


Mengen, an deren Spitze die großen Seelen des Zeit- 


alters ſtehen mäßsen. - Doc ſcheint feine aigene Thaͤtg ⸗ 
keit für bie Zwecke bes Ordens, dem er bald ſelbſt an« 
gehörte, von keiner großen Bedeutung gewefen zu ſein. 

Die. oben erwähnten Verhältniffe veranlaßten ihn 
enblih, eine Veränderung feiner Stellung bringenb au 
wünſchen, und ze bat um ein Amt, wo es ihm ver 
gönnt wäre, nur dann zu reden, wann er um feine Mei⸗ 
nung gefragt würde. So wurbe er denn wirklich 1787 
mit bem Charakter eines Geheimen Hofraths, anfänglich 
um dem Staatsarchiv feine Thätigkeit zuzumenden, nad 
Karloruhe verfegt. Bald aber mußte er an den Ge⸗ 
ſchaͤften des höchſten Landescollegiums theilnehrmen, in- 
dem er, faft gegen feinen Willen, die Amt unb die 
Functionen eines wirklihen Geheimrathes erhielt. 

Aber auch bier follte er gemahe werben, wie ſelten 
nur ein Ideal, das ein edles Herz fich gebildet hat und 
mit renden hegt, im Leben verwirklicht wird. Er fah 
mehr als eine Ungerechtigkeit; aber, als Karl Kriebrich 
fih überreden ließ, ein Arreſterkenntniß gegen einen ver⸗ 
fehuldeten Übenteurer, aus gräflichem Gefchlecht, zu an⸗ 
nulliren, und einem von Schloffer vorgefchlagenen Befege 


| zum Schug des Bürgers feine Beftätigung verfagte: da . 


fonnte der Dann nicht länger an einem Plage bleiben, 
der durch folche Dinge feine Würbe verlor, und er bat ung 
Zurüdverfegung in feine erfte Stellung, ober eventuell um 
feinen Abfchied, und legte wirklich das Directorium bed 
Hofgerichts nieber. 

(Die Sortfegung folgt.) 


RKRomanliteratur. 

1. Die Tochter des Piccslomini Hiſtoriſch⸗ romantiſches Gemälde 
von 8. Herloßfohn. Drei Theile. Wltenburg, Pierer. 
1846. 8. 4 Xhle. 15 Raor. 

Der vorliegende. Roman fpielt in Böhmen während bes 
Dreifigiäbrigen Krieges. Es ift einer der feltenen deutfchen Ro» 
mane, welche vol von Bewegung und nicht auf Beitfragen und 
ſociale Zuftände des Moments berechnet find; deſſenungeachtet 
fühlt man, daB das Interefie und die Leidenfchaft bed Mo⸗ 
ments, bei dem Kinde Gevatter geftanden, wenn fie es auch 
nicht zeugten, da der Jeſuitenhaß und die Richtachtung Der katho⸗ 
liſchen Geiſtlichkeit ſich überall Luft machen. Die Tochter bes 
Piecolomini tritt zuerſt in der prager Juden als die Toch⸗ 
ter Ephraim's, eines Hugen und braven I ‚auf, dem fie 
in die Pflege gegeben wurde: das Kind follte Lieber ſädiſch 
als katholiſch werden. Ihre Schidfale find mannichfaltig. Graf 
Kinsky verliebt fig in das fchöne Judenmaͤdchen und will fie 
entführen ; fie verläßt da8 Haus der Pflegeältern, die fie mit 
einem Schlaftrunf betäubte; ein treuer Unbeter, eim $übifcher 
Bocher, ift ihr Begleiter, der das von des Verführers Leiden, 
ſchaft in Furcht und Verzweiflung getriebene Mäbchen, als fte 
fi) zum enter herausſtürzt, mit feinen Armen auffngt und 
mit ihr flieht. Sie hat einen Brief aus des Juden Haus wit» 

enommen und findet darin ihren Taufſchein, das Bild des 
6 und den Namen ber Butter; die Mutter fucht fie in 
der GStadt —e—— auf und findet ihren Grabſtein, fallt 
aber auf der Weiterreife den fanatifchen der 
rungscommiffton in die Hände und fol Patholifh werben. Sie 
wird gegeißelt und eingefperet, entflicht abermals durch ben 
getreuen Bocher geleitet. Gefahren drangen Gefahren, bis fie 
endlich, fie, die zum Aode Verurtheilte, ben Water wiederſin⸗ 
det, von ihm gerettet und aboptiet wirh und Kindly heiratet, 
ber feine Schuld bereut hat und fi eine wahren. Reigung 
für das Iubenmäbchen bewußt if. In biefen Hauptroman 


iM uns groben —— 
thum und wit Pebergewandtheit aufgeführt. Die damalige 
Schreckenszeit Böhmens mit den verſchiedenen Blaubenspar: 
teien, welche abwechſelnd blutig herrſchten und blutig unter» 
drüdt wurden, erfennen wir aus den ſich oft wiederholenden 
Gefprächen der Bürger, der ftehenden Säfte eines Safthofä, 
fowie auch durch die gedrängten Auseinanderfegungen des Au⸗ 
tors, die er von Zeit zu Zeit einzufchalten für nöthig fand. 
Sehr zu gefallen fehien fi) der Autor in der Iudenftabt, zu 
deren Iereiben er oft zurüdkehrt, indem er gern die Juben 
foredgend auftreten läßt und deren harakteriftifche Sprache wohl 
zu handhaben weiß. Richt Seugnen will Ref., daß die jübifchen 

en ihm oft zu überladen erfchienen, wenngleich auch darin 

ch ein gewiffes Talent der Auffaffung kundgibt. Scenen bed 

zeligiöfen und politifhen Yanatismus fehlen auch nicht unter 
den Lebensbildern einer trüben, unruhigen Seit, und einzelne 
dabei mitwirkende Charaktere tauchen in grellen, der Geſchichte 
treu’ entiehnten Bügen daraus hervor. Der fpanifhe Obriſt 
von Guerda nebft dem FJanatiker Balerianus werden einigemal 
in ihrer gewaltfamen und doch fo verfehiedenartigen Bekeh⸗ 
rungsweife vorgeführt, der Erſte losfchlagend, der Andere erft 
feurig aurebend ehe er Gewalt braucht. Die Ausfchweifungen 
der Tatholifchen Geiſtlichkeit find zw verfchiedenen malen in 
widrigen Scenen dargeftellt, und der verbrecheriſche Moͤnch Ger» 
vaz fol den Beweis liefern: wie weit in damaliger Beit ber 
Kirche Langmuth gegen ihre Verbrecher ging, wie fie ausarten 
konnten zu Ungeheuern, ohne Strafe zu finden. Wir koͤnnen 
daB vorliegende Werk als eine der glüdlichften Berfchmelzun: 
‚gen von Wahrheit und Dichtung der Lefewelt anrühmen: wie 
der frifhe Epheu einen alten Thurm, fo umrankt der Roman 
die Befchichte, fie umhüllend, ohne ihre wahre Geſtalt zu entftellen. 


2. Der Bälgetreter von Gilersroda. Riederfächfifhe Dorfge⸗ 


ſchichte von Georg Schirges. Hambur ann und 
Gampe. 1845. © 1 Shle 10 Kar dom 


Es ift jent die Zeit der Dorfgefhichten, und die Lefewelt 
fieht tagtäglich die Salonsfcenen von den ländlichen, die Prin⸗ 
zeffinnen und Gräfinnen von den Bauerdirnen verdrängt. 
Dieſe Bücher, welche nicht fowol für das Voll als über das 
Bolt gefchtieben find, haben jegt einen eigenthümlichen Weiz, 
da das Volk immer bedeutungsvoller in unferer Zagesgefchichte 
wird und dem Interefle der gebildeten Welt immer näherrüdk. 
Borliegende Erzählung ift nun eine Dorfgefchichte der anmu⸗ 
thigften Art und enthalt manche tiefe menſchliche Wahrheiten: 
fie handelt von dem Wohle eined Bälgetreters zu Eilersroda, 
worüber Pfarrer und Amtmann des Ortes fich ſtreiten, ent- 

weiten, chicaniren und die ganze Gemeinde in den Streit zier 

en. Es reiht fih Proceß an Proceß; die unangenehmften Be⸗ 
gebenheiten geben für die Betheiligten daraus hervor; zwei 
Liebende, ded Amtmanns Zochter und bes Pfarrerd Sohn, 
werden dadurch getrennt, bis endlich der Pfarrer zum Einfe 
ben fommt und fein Unrecht vor der ganzen Gemeinde befennt, 
fodann dem Amtmann die Hand zur VBerföhnung reicht. eine 
Berföhnungspredigt in der Kicche ift erbaulidh umd belchrend, 
und weift dem Geiſtlichen Die wahre Stelle an, die er in jegiger 
Zeit bekleiden muß: die eines Gtifters und Erhalters des Frie⸗ 
dens. Einzelne tragikomifche Scenen des Streits find mit vielem 
Humor durchgefuͤhrt; ber Autor hat fi) den Standpunkt über 
keinem Stoffe gewählt, nicht mitten darin, ſodaß er das Ganze 

erſchaut und immer doch frei jich darüber hinwegbewegt, 
wenn feine Geftalten aud) von Leidenfchaften gefeflelt find. Cr 
lacht felbft über die komiſchen einzelnen Auftritte, die er ges 
ſchaffen, und behält ſich die Breiheit vor, als Autor feine Ne 
Herionen und Bemerkungen ohne Bermittelimg feiner Gefchöpfe 
außzufprechen. Die Lecture ift unterhaltend und belehrend, und 
das Heine Werkchen hat durch Inhalt und Abrundung der 
Vorm Anſpruch auf ein Kunſtwerk. 


| Undere einverkibt, und dee hiſtoriſthe Hintergrund 
—— an Bichogruspen i ’ 


i ® 
2. Umklie Uus 'd _rineb Unbelanaten. i 
rer Mr Fe v— sep 
Die Heldin dieſes anmuthigen Romans ift eine fr 


‚ Gräfin, welche während der Revolutionsſchreckniſſe mit dem 


alten ahnenſtolzen Bater. emigrirt und in einer Heinen Stadt 
Deutfchlands fein und ihr Leben mittels ihrer Hände Yrbeit 
friftet. Sie hat mit mancherlei Verachtung und Verfuchungen 
zu kaͤmpfen und geht immer fchön und edel aus den verſchie⸗ 
denen Prüfungen hervor; zulegt fchlägt fie die. Hand eines jun 
gen Bürgers aus der fie liebt. . Er war der Bräutigam eines 
reichen Bürgermäbchens, die er nicht mehr achten Eonnte und 
verließ. Amelie wollte aber nicht die gebuldete Tochter in ei» 
ner Bürgerfamifie fein und entfagte deshalb dem Geliebten, 
welcher in einer Schlacht feinen Tod findet, Wenig Handlung 
und viel Worte! 46, 





Literarifche Guriofitäten. 


Dr. Philemon Holland fehrieb feine Überfegung von Plu- 
tarch's Sittenlehre auf etwas mehr als ein Kies ier mit 
einer einzigen Feder und ſchloß deshalb mit folgendem Diſtichon: 

This book I wrote with one poor pen, made ef a gray goos- 
, quill ; 
A pen’ I found it, used before, a pen I kave it still. 
(Ich Trieb died Buch mit Einer Feder, aud einem grauen 
Gänfeliel ; 
IH fand die Weder fon gebraucht, 's if immer eine Beber 
. noch.) 


Welches Aufſehen, wenn heutzutage ein Buch Dreimal auf: 
gelegt und in 3000 Eremplaren abgefegt wird! Aber ſchon 1311 
wurden von Erasmus’ „Encomium moriae” 1800 und von fe: 
nen 1527 erfchienenen „Colloquien“ 24,000 Abdrücke verkauft. 
„Orlando furioso” erlebte im 16. Jahrhundert 60 Auflagen, 
und des alten Thomas a Kempis „De imitatione Christi” 
ift erweislich 180Umal aufgelegt worden. 


Ein Berwandter von Jeremy Bentham hatte bie fire Idee, 
daß alles Gedrudte Lüge fei. Vielleicht war Das vernünftiger 
als alles Gedrudte für Wahrheit zu Halten. Uber Bentham 
wollte feinem Verwandten die Idee benehmen und verführt de 
bei ſehr Logifh. Er fragte ihn: ob ex glaube, daß etwas wirt 
lich Geſchehenes, wenn es gedrudt werde, dadurch aufpöre ge 
ſchehen zu fein? 86. 





Literarifhe Anzeige. 
Bei .%, Brockhaus in i und in 
8 allen en blungen 38 giſ ſchienen 


Cyriſche und dramatiſche 


Dichtungen 


von 
Alwin Reiubold. 
Gr. 12. Geh. 1 Thlr. 
Bon ber Schweſter des Dichters, Abelheid Reinbolb (Franz 
Berthold), erſchien im Jahre 1842 ebendaſelbſt: 


Geſammelte Novellen. Bon Franz Berthold. Her 
ausgegeben von 1. Tieck. Zwei * Gr. 12. 
Sch. 3 Thlr. 


Berantwortliger Herausgeber: Geinrich Meodyans, — Drud und Berlag von F. X. Wrodpans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche unterhaltung. 





Sonnabend, 


— Nr. 199. — 


18. Juli 1846. 





Johann Georg Schloſſer. 
(Bortfegung aus Nr. 198,) 

Im 3. 1794 finden, wir Schloffer in Pforzheim; 
nad dem Vorrücken ber franzöfifhen Armee bis Speier 
und Worms war ed ihm rathfam erfchienen, bei dem 
unvertheidigten Zuftande bed Landes tiefer in Schwaben 


Zuflugt zu fuchen. Später machte er eine Reife in die. 


Echweiz, wo er mit feinen Freunden Müller und Lana» 
ter fhöne Tage verlebte. Doc, ſchon lange trug er ſich 
mit einem Plane, der feinem Leben und Wirken eine 
durhaus veränderte Richtung geben follte Er trat 
1194, ungern entlaffen und durch das Bedauern ber 
farlstuher Bürger geehrt, aus dem Dienfte des Mark- 
grafen und begab fich vorläufig nad) Ansbach. Aber 
zwei Jahre darauf wurde es ihm endlich möglich, jenen 
Dion zu verwirklichen. Die wachfenden Kriegsunruhen 
hatten in ihm ſchon lange den Wunfch hervorgerufen, 
im Norden eine Zuflucht zu fuchen. Eine folche hoffte 
und fand er in Eutin. Dort wohnten Voß und Stol- 
berg, in der Nähe Claudius. Auch fein Schwiegerfohn 
Nicolovius war dort, und eine ‚Zeit lang auch Jacobi; 
und fo ging ihm hier im Schooſe feiner Kamilie und 
im Kteife der Freunde, in ber Stille der Mufen unb 
im Schatten des Privatlebens ein trauliches und be- 
ſchauliches, aber auch Titerarifch thaͤtiges Leben auf. 
Indeß ein fo edles Leben follte nicht in diefer Abge- 
ſchiedenheit fih vollenden; no) war ihm die Nuhe nicht 
gegönnt. Es gelangte an ihn der Ruf zum Syndicat 
feiner Vaterſtadt. Durh Neigung und Pflicht bewo- 


gen, verließ er 1799 feine Lieben in Eutin. Die er- | 


neuerte Tätigkeit follte jedoch kaum ein Jahr dauern. Er 
Rard am 17. Det. 1799 nach Furzer Krankheit in ei- 
nem Alter von 60 Jahren. Er ruht in feinem Grabe 
ohne Dentmal, ſelbſt ohne Stein, und er bedarf 
deffelden nicht. 

Dafür bürgen nicht nur feine Thätigkeit in den öffent- 
lihen Gefchäften und fein ganzes LXeben, fondern ein 
literariſches Wirken, welches für feine Zeit aͤußerſt be 
deutend war. Es ſetzt uns die außerordentliche Pro» 
ductivität eines Mannes in Erflaunen, der unter den 
mannihfachften Gefchäften feines Berufs gegen neunzig 
Hleinere und größere Schriften hinterlaffen hat; boch wir 
wiffen kaum, was wir mehr bewundern follen: ob die 


Trefflichkeit des Geleifteten® ober die unendliche Vielfel- 
tigkeit, mit welcher Schloffer die verfchiedenen Gebiete 
ber Jurisprudenz *), der Politit, Philofophie und Reli⸗ 
gion umfaßte? oder die tiefe Kenntniß des Alterthums 


und der Sprachen, mit welcher er manches alte und, 


neue Meifterwerk den beutfchen Leſern zugänglich machte? 
Doch Schloffer ift Derfelde in allen diefen Gebieten: 
feine Schriften reflectiven ſtets das Bild feines Cha⸗ 
rakters. 

Bir ſehen, wie der Mann niemals gelernt hatte, 
ih Demjenigen zu beugen, was man euphemiftifch die 
DVerhältniffe nennt, wie er in Wort und That der Wahr⸗ 
beit ſtets getreu blieb. Wol ift diefe unbeugfame Ehr⸗ 
lichkeit, das zähe Feſthalten an dem für recht Erkann⸗ 
ten, cin hervorſtechender Zug an fonft flarren Charakte⸗ 
ven; und wirklich bemerkte man an Schloffer fchon frühe 
eine gewiffe trockene und herbe Strenge, die aber durch 
feltene literariſche Bildung, Kenntniß vieler Sprachen 
für den Umgang und für die ihm Naheflchenden durch 
ebenfo feltene Güte des Herzens gemildert wurde. Er 
war nichts weniger als Nigorift: er war ja ber Anficht, 
daß die Liebe das Zaglöhnermäßige entfernen folle, wel⸗ 
ches der Weisheit ohne bdiefe immer anbänge.. Wenn er 
in feinem „Fragment über Toleranz” fodert: Nichts darf 
intolerant fein als die reine Wahrheit, fo hat er auch 
die Grenze zwiſchen Gleichgültigkeit und Unduldfamteit 
binlänglih bezeichnet. Er fiellt die Regel auf: Nie 
mand fol gegen fich ſelbſt tolerant fein, Niemand un⸗ 
duldfam gegen die Meinung, die ſich nicht aufdrängt, 
Niemand nachgiebig gegen Den, welcher feine Meinun- 
gen mit der Waffe in der Hand ausbietet. 

Manche mögen ihn einen Pedanten genannt haben, 
und Niemand war ed weniger als er. Pedanterie war 
ihm eine gefellige Untugend, die beimeitem nicht allein 
den Gelehrten eigen ift. Pedanten find ihm Alle, bie 








— 
’ 


*) Seine ſchriftſtelleriſche Wirkſamkeit ald Jurift Eönnen wir, 
als nit in dem Plane unferer Darftellung liegend, bier nicht bes 
sühren. Nicolovius nennt ihn in gemiffer Beziehung den Stifter 
ber heutigen juridifch s hiltorifchen Schule, mas wir nicht beurtheilen 
tönnen. Er wurde mehrfach mit wichtigen Aufträgen 5. 8. für 
Gefegverbefferungen beehrt. Hugo, für deffen „Civiliſtiſches Maga⸗ 
sin” ex Manches arbeitete, hielt ihn für einen bedeutenden Suriften, 
der nit blos den Vortheil großer Gelehrſamkeit, fondern auch den 
ber Erfahrung und praktiſchen Geübtpeit für fi) hatte. 


nal 


den Spielraum der Weisheit nicht verftchen, welche bie 
Grazie des Lebens ift; und er will den Gelehrten rathen — 
ein Rath, der auch jetzt nicht zu fpät kommt, wenn fie 
fo hinter dem Vorhang arbeiten —, fi) aud) mit dem bef- 
fern Genius der Gefelligfeit zu befreunden und von ihm 
zu lernen, was fie an Lebensfreuden und Lebensweisheit 
in das Publicum zu bringen haben. Ja, er klagt mit 
Net: dag es überall nur Stände, nirgend Menfchen 
gebe; daß die Gelehrten fo viel fiudiren und fo wenig 
leben; er klagt über bie Schwärhe der Körper, die am 
Enbe den Sturz im Staate ahnen laffe. Athen und 
Nom fielen, als die Weifeften nur in den Schulen faßen 
:sder auf ihren Landgütern Bücher fehrieben. , 
Freilich hatte er einen Wahlfpruch, den jene Uber- 
ſchwenglichen, Sentimentaln, fogenannten vortrefflichen 
Beute, deren Augen fi) auf Thränen wie auf die täg- 
lihen Bedürfniffe des Lebens verſtehen, die ohne hetz⸗ 
Anniges Mitgefühl keine Müde fterben fehen können, ge⸗ 
waltig befremben mag: Never to be hot on a cold 


‚subject. Aber trogdem gehörte er niemals zu ben — ich 


weiß nicht ob glüdlichen oder unglüdlichen? — Menfchen, 
denen ber Himmel die Glut der Leidenfchaft verfagt hat. 
Lenz hatte in feinem „Neuen Menoza“ Schloffer unter 
der Maske des Prinzen Tandi gefhildert, und dieſer 
konnte feinem Freunde den Vorwurf machen, nur die eine 
Seite an ihm gefehen zu haben: den Falten. Mann, der 
Rarven und Wahn "verabfcheut; den Philofophen, der 
Menſchen firchen geht, der Alles nach feften, gefühlten 
Grundfägen abwägt; aber nit die andere: ben Men- 
ſchen, in dem bie Leidenfchaften flürmen, ber mit glei- 
cher Leidenſchaft haft und Tiebt. ' 

Aber er war ein Feind der Poeſie des Lebens, mo- 
gegen das poetifche Spiel der Phantafie ihm theuer war, 
wenn nur der ernſte, kalte Gang des Lebens nicht durch 
Dichtung ſich verwirrt. Wenn Einer nur flüdweife 
war, was er fein follte, fo erfannte er daran diefe Le⸗ 
henspoefie. Das Wiſſen ift ihm ber leidende Stoff, auf 


bem das Denken, der wirkende, arbeitet. Wenn wir nicht 


‚wollen, dab unfere denkende Kraft aus Mangel an Stoff 


ſich felbft aufreibe, wie Dies gefchehen muß, wenn bie 


felbe immer auf bie Phantafien arbeitet, welche immer 
nachgeben und feinen Widerftand leiften, fo müflen wir 


dieſer Lebengporfie uns entſchlagen; wir flören fonft die 


Harmonie des Innern und äußern Lebens, und fellen in 
eine unweife Wiffenfchaft, welches die Wiſſenſchaft ber 


Phantaſie Mi. Nicolovius erzählt trefflich: Wann Schlof- 
Tee Manche ſah, die beim Vollmonde Superlativge⸗ 


fühle an den Tag legten, und welche, wann die Viertel 
nach und nach herankamen, ihm im Weſentlichen nicht 
einmal waren, was gewöhnliche Menfchen einander zu 
fein pflegen: fo hielt er Solche für Lebenspoeten. Aber 
nichtöbeftoweniger war er der Poefie mit ganzer Seele 
zugetban, und war felbft nicht einmal Platoniker genug, 
die Dichter aus feiner Erziehungslehre zu verbannen; 
nur würbe er fie verpflichten, nicht fowol die wahre Na⸗ 
tur des Menfchen barzuftellen als vielmehr diefelbe zu 
ibealifiren, 





Jene Strenge und Kälte lag fo wenig in feinem 


| Charakter, daß er vielmehr Mühe gehabt hatte, eine ge- . 


wiſſe Weichlichkeit, die in ihm aufzutauchen drohte, zu 
überwinden: Das, was man modern Zerriffenheit, Welt 
mübdigfeit nommen würde. In frühern Perioben feines 
Lebens fam:cs ihm oft wunderbar vor, daß en Menſch, 
ber ein Herz bat und nad) etwas Anderm ringt ale 
was in der Welt ift, leben könne und fi nicht eine 
Kugel durch den Kopf fchiefe, wenn er glaube, daß damit 
Alles vorbei und abgerhan fei. Aber davor fchügten ihn 
feine eigenthümliche Theorie von einem Tünftigen Leben, 
der Ernft der Wiffenfchaft, vieleicht vor Allem die Eäure 
der Mathematik, mit weicher er eine Zeit lang ernfllich ſich 
befaßte und in die er ſich häufig aus dem Reiche drohen- 
ber Gefühle zu flüchten wußte. - | 
(Die Fortfegung folgt.) 





Reife in Dflindien in Briefen an Aleyander von. Hum- 
boldt und Karl Ritter, von Leopold von Orlich. 
Zweite bucchgefehene und vermehrte Auflage. Zwei 
Bände. Leipgig, Mayer. 1845. 8. 3 Thlr. 


Unfere Literatur über Indien hat gerade in neuefter Beit 
ſehr raſch an Zahl gewonnen, auch ift fie in wiſſenſchaftlichet 
Hinfigt weder dem Umfange noch der Tiefe und Höhe nad 
irgendwie zurüdgeblieben. Die Berhältniffe diefes Sahrtaufende 
hindurch bewwunderten Landes zur gebildeten andern Welt find 
durch die vielen Exroberungszüge, dur kühne Weltreiſen zu 
Sand und zu Waſſer, durd gerwinnreiche Handeldverbindungen 
mit allen eusopäifhen Staaten, durch die gebiegenften Hiſto⸗ 
riker, Geographen, Natur: und Sprachforſcher, durch Politi: 
fer und Statiftifer aller Karben ſchon R genau ins Licht ge- 
ftelt; aber dennoch ift es kaum möglih, ein Buch über In⸗ 
dien zur Hand zu nehmen, ohne fih für feinen Inhalt lebhaft 
zu integeffiren, felbft Da noch, wo nichts Anderes gebracht wird 
als was fchon Hunderte vorher gegeben haben. Wenn Ref. 
alfo gefteht, daß er das vorliegende Buch, ungemein anziehend 
gefunden habe, fo muß er allerdings hinzufügen, daß Dies viel: 
fach durch bekannte fchon oft bewunderte Bilder aus Afiens Bon: 
berwelt bewirkt worden iſt; aber er barf dann auch nicht ver: 
ſchweigen, wie ein ſolches Intereſſe, durch eine reiche Fülle 
von Neuem fortwährend angefacht und erwärmt, erft eigentlich 
Xeben und Dauer gefunden hat, wie das Buch in der Auffaf: 
fungsweife und in der Behandlungsart des allgemein Bekann⸗ 
ten doch durchweg felbfländig auftritt. Das Nacherzaͤhlen und 
Rachahmen anderer Werke bat der Verf. ganz und gar fern 
von fi) gehalten: eine Eigenſchaft, weiche ſich von Briefen an 
Männer wie Humboldt und Ritter wol nicht gut anders er: 
worten ließ. . 

Der Berf. ift ein Deutſcher, und ats folder unterfiheibet 
er fi fchon wefentlich von der gewöhnlichen Claſſe indifcher 
Neifenden. Allerdings haben wir nun ‚an deutſchen Merken 
über Indien keinen Mangel, im Gegentheil find wir rei ge: 
fegnet; wir befigen fogar claffifhe Schäge, worauf Die gan 
gebildete Welt mit hoher Bewunderung blidt; aber an wirt: 
lich deutſchen Reiſenden hart es uns hier noch fehr gefehlt. 
Daß nun Hr. Leopold von Orlich ein echter Landemann von 
und if, Dad gibt feinem Neifewerke gerade den gediegenen 
Grund und macht eb der hohen Beachtung würdig. Offen und 
ehrlich, [tie und recht gibt er nur Rbaprpeit und Wirk 
lichkeitz klar und ſcharf, frei von Borurtheil und nationaler 
Befangenheit, blickt fein Auge in bie Einrichtumgen ded Landes, 
in das Treiben und Dulden des Velkes und feiner Beherrſcher 
und Denker. Ær wirb begeiftert wann, wann feine Weber bie 





99 


ewaltigen Reize der aftdilfigen Tropenwelt zu zeichnen bemüht 

h aber er "bleibt doch immer Herr feiner Phantafle: feine 
beutfche Ruhe und Gruͤndlichkeit taffen ihr nie den freiert Zügel. 
Seine Wöortfarben haben Saft und Kraft, find frifh und Ip 
bendig, licht und Teurig, wie bie ganze Natur Dftindiens; aber 
fie find mit deutſcher Behutſamkeit, mit deutfhem Geſchmacke 
aufgetragen, wodurch ihnen- eine intereffante Iebenswarme Na⸗ 
türlichkeit eingeflößt, ein gemüthlicher, behaglicher Schmelz an- 
gehaucht wird. Die fo entflandenen Gemälde find übrigens 
auch noch ebenfo reih an intereffanten Ereigniffen, wie fte 
überhaupt wahr und fchön find. Man muß das Beobachtungs⸗ 
talent de8 Verf. bewundern: wie fein Auge mit Umfidyt und 
Shärfe Das Eriegerifhe Gewuͤhl vieler Zaufende von Truppen, 
den biendenden Glanz der Hofſtaatpracht indifher Könige und 
Stoßen, das unendlich mannidfaltige bunfe Leben and Zreiben 
dee Volkes, das maͤchtige Schaffen und Sein ber ganzen Ratur 
in ſich aufzunehmen vermag; wie fein Geift Alles bewältigt, 
mit Amſigkeit einfammelt, verarbeitet und überfichtlich klar und 
woHlgefälig zur Darftelung zu bringen verftebt. 

Lodert in unferm Werke nun auch nicht daB heiße franzoͤ⸗ 
ſiſche Feuer; begegnet man auch nirgend der ſchmieg⸗ und bieg- 
fomen leichten Gefälligkeit der Darftelung, wodurch ſich ein 
Jarquement, ein Vigne einen großen Namen erworben bat, 
wodurch alle leicht entzündlichen poetifhen Gemuͤther zur hoͤch⸗ 
flen Bewunderung bingerifien worden find: fo anerkennen wir 
darin viel eher ein großes Lob ald wir und im geringiten be: 
rufen fühlen, darüber einen Zadel auszufprechen. Auch ift es 
gewiß fein Meines Zeichen für den foliden Werth des Werkes, 
daß daflelbe fofort ind Englifche überfegt worden ift und neben 
den berühmten Leiftungen eines Alerander Burnes, Elphinftone, 
Dikorne in England mit hoher Achtung genannt wird. Doch 
welm wir uns nun des Buches Inhalt und Beranlaffung 
etwas näher anfehen und Bennen lernen. 

Us ım Jahre 1841 die unglücklichen Ereigniffe in Kabul 
bekannt wurden, und in Europa und Indien Jedermann glaubte, 
def ſich aus dieſer Kataſtrophe ein andauernder ernfter Krieg 
für das britifhe Dftindien entfpinnen würde, entftand in 
dem Berfafler, einem preußifhen Hauptmanne, ber lebhafte 
Bunih: an dem mahrfcheinlichen Feldzuge der Briten gegen 
die Afghanen teilzunehmen, um bier diejenige Kriegserfahtung 

aneignen zu koönnen, wozu ber beitändige Frieden in der 
Yeimat feine Gelegenheit darbot. Es ſchien als wenn biefer 

Bun in Erfülung gehen follte. Die Erlaubniß zu dem 
Borhaben ward vom Könige unverzüglich gegeben; aber bie 
nöthigen Behandlungen mit der britiſchen Regierung verzöger: 
ten Die Abreiſe mach Indien ebenfo fehr, wie die bier ſchnell 
aufeinanderfolgenden kriegeriſchen Ereigniffe alle Erwartungen 
überflügelten, „&o geſchah es dern, daB der Verf. die bri⸗ 
tiſche Atmee erft bei Ferodpur erreichte, wo er mit tiefem 
Schmerze nur ſah, wie Lorbern zieren, nicht wie fie erworben 
werden.” Diefer Schmerz iſt ohne Zweifel ein recht großer ge: 
wein, Das Läft fi) aus mehren Stellen des Buchs ganz genau 
erimmen; um fo mehr muß man indeß Die Seelengroͤße des 
De — daß —A— männtih "een und erif 

y_ zu hen gewußt bat: ee ohne Verzug feinem 
Erforfal Indien einen ganz andern Plan, einen ganz 
andern Zweck unterzulegen entichloffen war. Wir haben bier 
eins ber vielen Beifpiele von GEvfabrung, die jeder Menſch bald 
im Großen, bald im Kleinen, bald girlich, bald ungluͤcktich 
macht: — daß nämlich das Nichterfullen eines der heißeſten 
Bünfhe fehr oft mit der Bewährung eined ganz unerwarteten 
viel größeren Silckes ausgeglichen und überboten wied. Solche 
Eingriffe und Umgeflaltungen der Schickſale des Menfchen be» 
ſtimmen die GBeibämdigkeit, die Eharakterfeftigkeit ; fie entſchei⸗ 
den oft über das Sluͤck oder Unglüd des ganzen Lebens. 

Die Heife unfers Berf. von London nad) Bombay tft eine 
fegenannte Üiberlandreife ͤber Falmouth, Gibraltar, Wleran- 
drien, Kairo, Suez u. fi w., welde vom 3. Iuli 1849 ob m 
dem überrafihend Turzen Beitraume von 37 Tagen zuruͤckgetegt 


ward. 8wei Tags nah der Ankunft in Bombay, am 8. Au⸗ 
guft, fchreibt der Verf. feinen erſten Brief: er ift an Alexander 
von Humboldt gerichtet und erzählt in bündiger Kürze das Be 
merfenswertbefte der eben urüctgeicgten Überfahrt; aber mit: 
ten durch die Flüͤchtigkeit dieſer Bemerkungen blickt doch ſchon 
überall ein ſcharffinniges, unbefangenes Urtheil hindurch, und 
es wird in ber Geſchwindigkeit manches Beachtensiwerthe über 
Feſtungen und Städte, über militairifhe und bürgerliche Zu: 

ände, Sitten und Gebräuche mitgetheilt. Wir wollen eine 

tele aus diefem Briefe mittheilen: u 

„Den 31, Zuli Nachmittags hatten wir die Negion des 
Monfun erreicht; die Maſchine wurde nun außer Thaͤtigkeit ge: 
fegt, die Segel wurden aufgezogen und ein ftarfer Wind ſchaukeite 
und rafch, in der Stunde acht Meilen, dem Ziele näher. Rod 
nicht lange waren wir jo duhingetrieben worden, die Zonne war 
eben im Untergchen, als fih vom Vorderdeck ein Hülferuf er: 
hob und der Schrei laut wurde, daß Jemand ind Meer gefal⸗ 
len fei. Es war die Frau eines jener Bindufoldaten, welche, 
ihr Nachtlager fidy bereitend, das Übergewicht verloren und im 
Ballen noch angftlich: « Mein Mann! mein Mann!» gefchrien hatte 
und vom Schiffe übergefahren im Augenblicke verſchwunden war. 
Der Eapitain ließ fogleich die Segel einziehen, aber bevor daß 
Schiff zum Stehen kam uud das Rettungsboot herabgelaffen 
war, vergingen wol 15 Minuten. Ein Offizier fteuerte mit 
ſechs Matrofen, eine Laterne als Signal im Kahne, durch die 
hochbewegte See der Gegend zu, wo die Unglüdliche ihr Grab 
gefunden hatte. Im der Dunkelheit der Nacht verſchwand das 

eine Boot bald unfern Augen; lange harrten wir, und nicht 
ohne Beſorgniß, feiner Ruͤckkehr. Nach beinahe einer halben 
Stunde ſahen wir endlich das Boot ſich uns nähern, aber, wie 
zu erwarten land, ohne die Ertrunfene. Zwei Tage fpäter 
begruben wir einen Matrofen. As fih die Sonne ins Meer 
ſenkte, gab die Schiffsglocke das Grabgeläute; die Deatrofen, 
feftfich gePleidet, trugen den Todten auf einer einfadyen Bahre, 
welche mit Kugeln befaftet und von der Flagge bedeckt war, 
nach der Bordſeite des Schiffe. Nachdem der Bapitain den 
Segen gefprochen und da& Gebet verrichtet, ließen die Matro: 
fen den Zodten ins Meergrab finten. Es war ein feierlicher 
Augenblil! Aber um fo unbegreifliher war e8 mir, wie ei 
nige unferer Yaffagiere mit der Kaffeetaffe in der Hand Zeu⸗ 
gen diefes Traueracts fein Fonnten.” 

Der zweite Brief ift aud) an Humboldt gerichtet und cben» 
falls von Bambay aus geichrieben. Er enthält eine fehr de: 
taillirte Befchreibung von Stadt, Hafen, Bewohner, Seemacht, 
und gibt Bericht über intereffante Ausflüge nah) Malabar » Point, 
Pareil, Yuna, Parbutti. Im dritten an Karl Ritter gerich⸗ 
teten Briefe wird die Überfahrt nach Kuraſchy, das Befahren 
des Sind nah Tatta, Heiderabad, Sewahn und Saffar be 
ſprochen. Die beiden folgenden Briefe find wieder X. don Hum⸗ 
boldt gewidmet, aber noch Bortfegungen der vorhergehenden, 
woraus man erfieht, daß dieje Schreiben immer beiden großen 
Männern gemeinichaftlich gegolten haben müffen. Der Lefer 
wird bier nach und nach mit den Belutſchen, Afghanen, Seiks 
und ihrem Berhältniß zu den Briten bekannt gemacht und all» 
mälig immter tiefer in Indien und indifches Leben hineinge⸗ 
führt, bis nad) Ferospur, weiches als ein Hauptruhepunft der 
Reife ſchon lange bezeichnet war. Der Verf. theilt ſehr wich⸗ 
tige biftorifche, geographifche und politifche Rotizen über das 
Pendjab im Allgemeinen und über das Königehaus u Labore 
im Befondern mit, Worgüglich aber lenkt er die Aufmerkſam⸗ 
feit auf den viel berounderten, aber auch viel gefürchteten 
Rundgit Sing; ed wird gezeigt, wie diefer in feiner Sphäre 
einzig daftehende Mahn die Tapferkeit und Kriegskunſt der 
Briten mit hoher Bewunderung wahrgenommien babe und dar 
durch zu dem heißeften Wunfche getrieben woͤrden fei, feine 
Kriegsheere ähnlich organifirt zu fehen. Eine von Charles 
Metcalfe angeführte Göcorte gab 1809 den erften Impuls zu 
diefem Wunſche, indeß ward berfelbe bo erſt fpäter, 1822, 
wirktich in Erfüllung gebracht. Um diefe Reit kamen gwei 


706 


franzöfifche Dffigiere, die Sapitaine Bentura und Allard, welche 
nad Napoleon's Sturze vergeblich einen ehrenvollen Wirkungs 
kreis in Perſien geſucht hatten, in Lahore an und fanden bei 
Rundgit Sing eins fehr freundliche Aufnahme, als fie fich be⸗ 
zeit erflärt hatten, die Pendjabarmee nad) franzöfiihem Fuße 
zu organifiren. Zu ihnen famen vier Jahre jpäter noch die 
Benerale Court und Avitabile. Mit Hülfe diefer Offiziere, 
denen Rundgit Sing Generalrang verlieh, gelang es dem Ma: 
harazah, eine wohlgerüftete, aber leidlich disciplinirte Arne 
von SU,UNO Mann auszubilden; daneben befaß er noch 100,00 
Mann ieregulairer Truppen, welchen die militairifche Diecipun 
noch gänzlich fehlte. Kanonengießereien,. Yulvermagazine und 
—A wurden in Lahore und Amritſir angelegt. Der 
Einfluß dieſer franzoͤſiſchen Offiziere wirkte mächtig auf die 
panse Seiksarmee, und aus ihm erklärt ſich auch, wie bei 
em legten Kriege der Briten gegen dad Pendjab von dieſer 
Seite ein fo gewaltiger Widerftand moͤglich werden SBonnte. 
Es fanden indijche, aber europäifch organifirte ‚Sruppenmaffen 
einander gegenüber. 

Von Rundyit Sing's Tod und Sodtenfeier gibt der 
Verf. Mittheilungen von Augenzeugen: „Der Sitte der Seiks 
gemäß wurde der Leichnam des Maharazah ſchon andern Tags 
vor dem Thore ded Schloffes Hafury:Bagh in Gegenwart aller 
Großen und der verfammelten Zruppen verbrannt. Dit ihm 
gaben ſich noch vier feiner binterlaffenen Witwen und fieben 
Sklavinnen ben Flammentod. Gin Augenzeuge erzählte mir, 
dag Nichts auf ihn einen fo tiefen und ewig unvergeßlichen Eins 
druck gemacht habe ald der Moment, wo dieſe weiblichen Ge⸗ 
ftalten in feierlicher Proceffion bei Muſik und Kanonendonner 
aus dem Schloßthore heraußtraten. Beinahe alle Einwohner 
Lahores waren Augenzeugen dieſes Traueracts. Der Leichnam 
befand ſich ſitzend zwiſchen hoch aufgehäuften Holzſchichten. 
Sobald die Flamme in voller Glut wüthete, bereiteten ſich 
die Unglüdlicden zum Tode. Zwei der Krauen, erft 16 Jahre 
alt, von hinreißender Schönheit, fchienen felig, ihre Reize zum 
erſten male der Menge öffentlich zeigen zu können. Sie nah: 
men ihre Foftbaren Juwelen ab, ſchenkten jie den Angehörigen 
und Freunden, ließen fih einen Spiegel geben und gingen 
langfamen Schritte in die Feuerglut; bald in ben Spiegel fe 
bend, bald die Verſammlung anblidend, und dabei beſorglich 
fragenp: ob eine Veränderung in ihren Gefihtszügen wahrzu⸗ 
nehmen ſei? Im Augenblick waren fie von den Flammen er- 
faßt und durch Hitze und Rauch erftidt. Weniger freudig und 
willig zeigten fich die andern Frauen; es war ihnen der Schauer 
anzufehen, der fie beim Anblid des furchtbaren Elements er 

riff; indeß fie wußten, daß ein Entfommen nicht mehr mög» 
lich war, und ergaben fidy freiwillig in da® harte Schickſal. 
Auch der Miniſter Dihan Sing machte Miene, ſich in die 
Flammen zu ftürzen, aber die Nachkommen des Maharazah, 
namentlih Shyr Sing, hielten ihn davon zurüd.“ 

(Der Beſchluß folgt. ) 


Bibliographie. 

Dorn, B, Das asiatische Museum der kaiserlichen Aka- 
demie der Wissenschaften zu St.- Petersburg. St.- Peters- 
burg. Gr. 8. 3 Thir. 15 Ngr. 

Julian, Skizzen. Wbenteuer, Grzählungen und Phan- 
taſieſtucke in Callot⸗ Hoffmann’ Manier. 2te verbeflerte Aus» 
gabe. Neuhaldensleben, Eyraud. 42. 1 Thlr. 

Die Suftitiarien, Schattenriß von ©. R. M—d. Char» 
Iottenburg, Bauer. 3. 20 Near. 

Lifh, ©. C. F., Ehriftian Ludwig Lisſcow's Leben, nad 
den Xcten des großderzogi meklenb. Geh. und Haupt: Archivs 
und andern Driginalquellen gefchildert. Schwerin, Stiller. 
1845. 8. 14 Rar. 

- Reden, Freih. F, W. v., Deutsches Eisenbahnbuch. 
2te bedeutend vermehrle und berichtigte Auflage. Mit 1 
Karte. Danezig, Gerhard. 8. 1 Thlr. 20 Neger. 


Berantwortlicher Herausgeber: 


_ Schach- Almanach. Schachnerellen. Schachaufgaben. 
Correspondenzspiele. ‚Miscellen. Ister Jahrgang. Leipzig, 
Weber. 8. 1 Thlr. 


Shönftein, ©., unkeoten-bum für das Jahr 1346, 
Bien, Ballishauffer. nn. 8 Nor. 

Büren, 2, Die brandenburgifd-preußifhe Geſchichte mit 
fteter Berüdfihtigung der allgemeinen Geſchichte der Deutſchen, 
von den früheften Nachrichten bis auf die gegenwärtige Zeit. 
Ifter ade. Köln, Du Mont:Schauberg. Gr. 8 bir. 

Thoͤl, H., Volksrecht. Juriſtenrecht. Geno enſchaften. 
Staͤnde Gemeines Recht. Roſtock, Stiller. &r.8. 27%, Apr. 

Zhurnberg, Marie v., Gedanken einer Frau über die 
Angebornen Rechte des Frauengeſchlechtes. Wien, U. Dolls 
Enkel. 81.8. 18 Rgr 

Über die eilt Bewegungen in der Chriſtenheit, fe 
wohl Altes ald Neues. Cine Anſprache an das Volk zum Arie 
den vom Hausfreund. Gedrudt von Meifter Eifentraut in 
Befigheim. 1846. Gr. 8. 1 Thlr. 

Bogl, I. N., Balladen, Romanzen, Sagen und Legen 
den. Wien, Wallishauffer. Gr. 12. 2 Thlr. 

Caſſel, Hotop. 


Bangenheim, F. J., Dramoti es. 
Gr. 16. 1 Zhlr. 5 

Zur Würdigung der Phyfiofogie des Gehirns und des Re: 
terialismus. Nebft Mittheilungen über den Einfluß des thie 
rifhen Magnetismus auf die Thätigkeit der Gehirnergane. 
Bon DD. Engeldue und Elliotfon. Mit Beichnungen da 
phrenologifchen Büfte und deren Erklärung nach G. Combe. 


Aus den Berbandlungen der Londoner gpbrenotogifigen Gefel: 
Schaft überjegt. Berlin, Kraufe. Gr. 8. 15 Ngr 


zagesliteratur. .. 
Bender, F., Der criftlihde Glaube. Sechs Predigten 
über das apoftolifche Slaubensbefennmiß. Darmftadt, Diel 
Gr. 8. 10 Nor. 
Bornig, 2, Der Geiſt der BBeitgefpichte und ihre Zu 


tunft. Ein hiftorifches Gemälde. Sandsberg a. d. W., Ehif 
fer und Comp. Gr. Imp.-4. 7, Nor. 
Chreſtin, F., Kritik der Seitrißfungen. Gegen Feuer: 


bah, Bruns Bauer c. und gegen Uhlich, Wislicenus ıc. für 
bie theure Bibel. Roſtock, Stiller. Gr. 8. 12 Nor. 

Darteln, Cand. v., Calvin und feine Berleumbder. Eine 
Widerlegung ber Schrift des Hrn. Dr. Reinerbing. Olden 
burg, Stalling. Gr. 8. 3%, Nor. 

Dem Andenken Schleiermacher's. Eine Gabe der Erinne 
rung, allen hoffenden evangelifchen Zeitgenoſſen bargereicht vor 
einem Schüler bed Derewigten, veranlaßt Durch Prof. Heny' 
ftenberg'8 Erflärung vom 15. Aug. a. Pr. Magdeburg, Hein: 
— *8 Gr. 8. 10 Rue. 

Kliefoth, 2., Ein Wort vom Tode. Predigt über kur 
7, 1-17. Schwerin, Stiller. 1845. Gr. 8. 3 Nor 

— — Eine Fitpredist über Matth. 24, 15—28. Sgwe 
rin, Stiller. 1845. Gr. 8. 3 Nor. 

Rothe, R., Der Glaube an den lebendigen Ehriftus. 
Zwei Predigten bei dem akademiſchen gyottesdienſt zu Heideb 
berg. Heidelberg, Winter. 12. 7% Ror: | 

Rupp und Detroit. Beiträge zur efchichte ber neueſten 
religiöfen Bewegung in Königsberg. Leipzig. Gr. 8. 71, Rt. 

Die Stellung der Kirche in Württemberg, oder: fe er 
warten die Katholiken Bürttemberge von ihrem neuen Bifcofe? 
Marienburg, Dormann. Gr. 8. 10 Rar. | 

Die Unverträglichkeit der Speculation mit bem Dogma, aus 
der Slaubensichre des Hrn. Diaconus Peters nachgemiefen. 
Bur Charakteriſtik einer theologifchen Zeitrichtung von einen 
evangelifchen Geiftlichen. Breslau, Trewendt. Gr. 8. 10 Nyr 

Bogel, €. F., Gottfried Wilhelm von Beibnig, Ein 
biographifche Bederzeiönung Leipzig, Jurany. Gr. 8. 1% Ryr. 

Wallner, ©., a 18 Deutiihland 1846. Leip 
zig, Poͤnicke und ‚Sohn. 


Beinri Brockhans. — Druck und Verlag von F. SE. Brockhans in Leipzig.‘ 

















Blatter 


für 


literariſche unterhaltung. 





19. Juli 1846. 





(dortſegung and Nr. 198.) 

So gewöhnte fih Schloffer früh, der idealen und 
realen Ratur des Menfchen gleiche Geltung zuzugeſtehen, 
indem er mit klarem Auge, und hierin mit mehr Licht 
als Wärme, beide Sphären auseinander bielt. &o lernte 
er den wahren Inhalt menfhlihen Glücks kennen, d. h. 
er lernte den feligen Zufland kennen, wo ber Menſch 
nicht mehr wünfcht als er hat. Jeder Gedanke, der über 
die Grenze fchweift, gibt nicht mehr, fondern zerftört 
such was er hat. Das Fefthalten an dem Wahlſpruch: 
Wünfhe nicht was dir fehlen Tann! machte fein Glück 
aus. Diefe Wünfche aber konnten nur in Dem be 
fichen, wa® er gute Empfindungen nannte: Gefühl für 
Ordnung und Klarheit unferer Ideen, Gefühl für fchöne 
Seftalten und Zöne, Gchaufpiele der Natur, Liebe, 
Freundſchaft, Gefelligkeit, felbft für Die unfichtbaren 
Beifter und für die Gemeinſchaft mit Gott. 

Einem folhen Manne mußte einerfeits der Ton ber 
großen Welt, an der er, wie wir unten fehen wollen, 

augerdem fo Manches auszufegen fand, unbehaglid, fein; 
andererfeits aber mußte ein fo zarter Sinn ebenfo fcheu 
vor den Berübrungen bes gemeinen Lebens ſich zurüd« 
jiehen und feine beften Gefühle vor ber rohen Maffe 
bewahren. Es ift gewiß nicht Überfpannung zu nennen, 
wenn Gchloffer in den Menfchen überall keinen Charak⸗ 
ter fand, wenn Kräfte wie Phyſiognomien ihm abge. 
Bumpft und verflacht erfchienen. Überall vermißte er in 
feiner Zeit das Männliche, Starke; ja, er konnte fogar 
an dorſter fchreiberr: unfere Nachlommenfchaft, wenn fie 
wieder männlich werden wolle, müffe durch den Stand 
der Barbarei dazu kommen, in welchem die Seele fo 
weit in den Dintergrund getrieben wird, daß fie beinahe 
null if. Vielleicht war Dies wirklich feine ernftliche 
Meiming. Er fah wenigftens in den Beſtrebungen fei- 
ner Zeit, von welcher Seite fie auch kommen mochten, 
feine Rettung. Selbft Rouffeau, den er fonft fehr werth 
hielt, hatte. nach feiner Meinung fich geirrt. Wenn er 
diefem vorwerfen mußte, daß der Bang ber Natur, wel⸗ 
den er zeichnete, Gang im Staube fei: fo hatte er an 
des edeln Iſelin, Traͤumen eines Menfchenfreundes 
in tadeln, daß fie einen Bang über ben Wolken gebie- 
tm; und er ann ſich nicht überreden, daß der Weg der 


Ratur noch unter uns betreten werben könne. Die 
seinfte Dimmelstugend muß in Aller Herzen wohnen, 
wo Dies je gefchehen follte; und wo ift bie Nation,. bie 
fie hat! Auch in den Philanthropinen, in den Inftituten 
zu Marfchlins und Deffau fand er nicht, was Deutſch⸗ 
land fo gläubig und freigebig von ihmen erwartete. 
Das Alterthum verftand die Erziehungsfunft beffer. 


Solche Anſichten waren es, mit denen er den Fach⸗ 
gelehrten zurufen konnte: „Ihr Herzen feid berufen zu 
bauen; mich dünkt, ich bin's, einzureißen; wenigftens 
fammele ich ſchon lange ämſig Materialien, überall 
Dummbeiten in Dem zu zeigen, was bie Menfchen 
recht fchön glauben.” Und was er hier halb im Scherz, 
halb ärgerlich ausfpricht: dieſem Berufe hat er wirklich 
fein ganzes Leben geweiht. 

Aber trog der oben erwähnten Beſcheidenheit feiner 
Anſprüche an Lebensglüd, trog feiner unendlichen See- 
lenreinheit und Sokratiſchen Lebensweisheit, konnte ein 
Mann, der überall Verkehrtheit erblickte, die zu bekaͤm⸗ 
pfen er ſich zur heiligen Pflicht gemacht hatte, nicht im⸗ 
mer und in vollem Maße glüdlich fein. Auch hat ex 
ſich felbft über die Gefchichte feines inneren Lebens aus- 
gefprohen. In der Jugend war er felten heiter; feine 
Ideale fand er nie erfüllt; aber als feine Kräfte zu fin- 
fen begannen, als er mehr vom Schauplage des thäti«. 
gen Lebens abtrat und Beobachter wurde: dba erft fühlte 
er die Heiterkeit in fih aufdämmern. Die Leidenfchaf- 
ten fchwiegen; und meit entfernt, das Alter ben Winter 
bed Lebens zu nennen, bünfte ihn, in Bezug auf das 
Leben der Unfterblichen, welches keinen Winter mehr bat, 
das Alter der Frühling, Jugend und Mannheit aber 
der Winter des Himmelslebens zu fein. Alle die Er- 
benforgen, Arbeiten und Mühfeligkeiten liegen auf Dem, 
was in unferer Seele göttlich und himmliſch ifl, wie ber 
Froſt, wie der dichte Schnee. Wann nun das Alter 
herantommt, fo ſchmilzt Eins nach dem Andern. Und 
wirklich fchmolz bie flarre Dede am Ende feines Lebens 
ganz hinweg. Aber feine Jugend war auch in feinen 
naͤchſten und theuerften Beziehungen getrübt. 

Das Verhältnig zu feiner Gattin Cornelia Goethe 
war immer. ein unerfülltes; fie war in ber That nie 
mals mit Schloffer vereint und krankte an ben Leiden 
unverftandener Sehnfucht, obgleich feine Liebe zu ihr nie⸗ 














erkaltete und er niemals ihren Werth verkannte. Sie 
hatte, nach ihres Bruders Erzählung, in einem langwie⸗ 
rigen Brautftande viel gelitten, und Salffe: führte fie 
endlich, nicht, wie fie gehofft hatte, in eine Reſidenz, fon- 
bern in das freili flattlide Amthaus zu Emmendin⸗ 
‘gen, das ihr wie eine Einöbe erfcheinen mußte. Sie 
—** an Auguſte Stolberg: „Wir ſind hier ganz allein; 
auf 30, 40 Meilen iſt kein Menſch zu finden. Meines 
Mannes Geſchäfte erlauben ihm nur ſehr wenige Zeit 
bei mir zuzubringen, und da fchleiche ich denn ziemlich 
langfam durch die Welt, mit einem Körper, der nirgend 
bin als in das Grab taugt.“ Diefe Ruhe fand fie denn 
auch fchon bald, im I. 1777. 


Wie quälend für Goethe diefe Ehe war, wiſſen wir 
durch ihn ſelbſt; aber vielleicht quälte er, nach ber Weiſe 


der Männer, ebenfo ſehr auch feine Schweſter. Es 
möchte fein, dag eine Parabel, ein merkwuͤrdiges Fleines 
Stück, welches zuerft im „Deutfhen Mufeum‘, dann 
im zroeiten Theile von Schloſſer's ‚Kleinen Schriften‘ 
erſchien, eine Art Schlüffel zum Verftändniß dieſes Ver⸗ 
hältniffes böte.*) Auch fonft brachte die Verwandtſchaft 
mit Goethe feinem Leben gerade nicht viel Erfreuliches. 
Charaktere wie bdiefe beiden gehen diagonal auseinander. 
Lich Jener doch an Schloffer durch feinen Bedienten 
fgreiben, ohne nur einen Gruß hinzuzufügen; aber er 
hatte ihn, wie Schloffer ſich ausdrüdt, ſchon vorberei- 
tet, erftaunlich gleichgültig gegen ihn zu fein. Wenn 
auch diefer Riß fich fpäter zuzog, fo bat doc nie ein 
wärmerer Verkehr zwifchen Beiden flättgefunden. 
Glücklicher war Schloffer, ald er 1778 eine zweite 
Gattin fand, die feinem Herzen auf das innigfte ange 
hörte; und glüdlider in dem vertrauten Verkehr mit 
Männern, deren Freundfehaft ber feinigen werth war. 
Wir finden unter ihnen die bekannteſten Ramen der 
Zeit. Im I. 1784 wurde Johann Georg Jacobi ale 
Profeſſor ber ſchoͤnen Wiſſenſchaften nach Freiburg ver- 
fegt, und von dieſer Zeit an ſehen wir ihn im emmen⸗ 
Dinger Kreiſe. Schloffer hielt fehr viel von ihm, wenn 
auch die Zeitgenofien in ihren Anfichten über den füß- 


Pbgleich ed Manchem In feiner fentimentalen Weiſe wunder⸗ 
Ih genug vorkommen mag, koͤnnen wir und nicht verfügen, eine 
Abſchrift deffelben hier mitzuthellen : 

Eine Eheſtandbsſcene. 

Ich Hatte ein Schaf, das lag in meinem Schoos, trank von 
meinem Beier, aß mein Brot und wandelte mit mir auf der 
Weite. Es kannte keinen Trank ald meinen, Meine Gpeife als 
meine; ging nicht ſchneller als ich und war glädli, bei mir. 


Da kam ein Mann umd lehrte es fliegen. Es trank Äther 


duft, fpeifte Morgenthau und flatterte um bie Sonne. 

IH fige feitdem allein und weine. Gs ſchwebt über mir, fieht 
mid weinen, bedauert mi, kann aber nicht mehr gehen meinen 
Gang, nicht mer effen meine Speife und ekelt vor meinem Trank. 

Da oben ſchwebls und fieht Engel leben und keinen Engel 
der's liebt; fieht herab, einen Menſchen, der's liebt und elelt vor 
feiner Liebe. 

AG ewige Gerechtigkeit! Barum nahm ber Dann dem Schafe 
Daß, womit es mie zahlen follte, und gab Ihm, was mir nichts 
net und mir nicht zahſt Was HIS, daß es ihm sah? Es 
war ihen nichts ſchutdig. 


« 


lichen Anakreontiker und galanten Herausgeber ber 
„Iris“ ſehr getheilt waren, der wenigſtens einem Her⸗ 
ber in ber Seele zumiber fein mußte. Uber freilih war 
Jacobi auch ein fehr guter Mann, und fein einziger 
Fehlet war, daß er überall kein Mann war. Er litt, 
Wie es fcheint, an einem Fehler feinet Zeit, an berm 


Rouſſeau's Grundfäge nicht Schuld waren, an dem Irr⸗ 


thume guter Herzen, welde die Erregung durch Sym- 
pathie. für Tugend halten. Auch als Dichter wurde er 
von Schloffer gefihägt. Aber freifich dachte Schloffer 
dabei mehr an jene Poefie, beren eigentliche Beſtim⸗ 
mung ift, fi auf den Hausbedarf in Breube und Leib, 
Liebe, Kinder, Freunde, mäßigen Genuß bei einem. trau- 
lihen Nachteſſen, wie er fie unter den wiener Dichtern 
fo ſehr vermißt hatte, zu befchränten. Wann z. B. ber 
feſtlich befränzte Pokal bei’ einer häuslichen Feier von 


Hand zu Hand ging, dann verfuchte er auch wol ſelbſt 


fid in einem Liede, das in hübſchen Verſen die Klüch- 
tigkeit der Zeit beklagt, Mahnung zum Frohſinn bringt, 
Preis der Tugend und Kreundfchaft im Kreife von Brü⸗ 
bern und Freundinnen u. f.w. 3. B.: - 
Meicht mir friſche Myrtenkraͤnze! 

Denn die Jugend währt nicht lang: 

Bald verfließt die Zeit der Tänze 

Und verftummet der Gefang. 

Ah! zum Grab iſt's nicht % weit: 

Eh’ fie flieht, genießt die Zeit! 

Auch der Bruder Friedrich Heinrich Jacobi — 
der gläubige Denker, welchen Hegel mit einem Panne 
verglich, der auf einer Felswand ein uraltes Räthſel 
fand und mit jeder aufgehenden Sonne beifen Löſung 
zu finden hoffte, welche jede untergehende als Täuſchung 
erkennen ließ — ſtand unferm Schloſſer fehr nahe. 
Beide theilten die tiefgewurzelte Abneigung gegen das 
Kant'ſche Syftem, und Beide fuchten die Philofophie mit 
dev Poeſie des Glaubens zu verfühnen. | 

Befreundet war er ferner mit Pfeffel und Lerfe in 
Colmar, fpäter in Eutin mit Voß, Stolberg, Claudius. 
Auch Heinfe fand in Emmendingen freundlihe Auf⸗ 
nahme. Der unglüdliche Lenz, deſſen Geifteszerrüt- 
tung im Schloffer'ihen Haufe ausbrach, wurde hier lie- 
bend gepflegt, bis fein Zuſtand fih fo fehr verfchlim- 
merte, daß er unter andere Aufſicht geftellt werben 
mußte. Auch der rauhe Mer und Lavater waren ihm 
befreundet. Außerdem war die Zahl feiner nähern und 
entferntern Bekannten eine fehr ausgebreitete; felbft mit 
einem Manne wie Caglioftro fam er in Beziehung, als 
er einſt den ungerecht Beſchuldigten öffentlih in Schug 
nahm; mas denn freilich duch die giftigen Werfaffer ber 
„Berliner Monatsfhrift” benugt wurde, um dem ihnen 
verhaßten Schloffer einen Steinen Arger zu bereiten. 

Klinger, dem er Dusch bie Empfehlung feines Für⸗ 
fin in Rußland nüglich fein follte, rechnete es, wie er 
felbft geftche, zu dem teichtigften Gewinn feines Lebens, 
daß Schloffer fein Freund mar Bis zum legten Augen⸗ 
blick und daß Beide entfernt und nah ſtets in gleichem 


Geiſte verbunden blieben 


Bol war ScſJoffee in vielen unb bedeutenden Din⸗ 
gen den genannten Männern ımähnlich genug Wie 
wenig gli er Merk, dem von unfeligen Leidenfhaften 
zerftörten Lenz und felbft Klinger, deſſen veligiöfe Rich⸗ 
tang er nie theifte, der fogar in feinen feinen Lobprei⸗ 
fingen des Despotismus weit von Schloſſer ſich ent- 
fernte, und am Ende nur wenig Anderes mit ihm ge- 
meinfam hatte, als die Vorliebe für Nouffeau und fei- 
wen Schmerz über bie hingefuntene phufifche und mora- 
liſche Kraft des Jahrhunderts! 

Aber man erinnert fi, daß alle. jene Freunde ein 
Band aufammenpielt: der Sinn für die nun erwachte 
Freiheit des poetiſchen Gedankens, die im Jahrhundert 
der Revolutionen auch ihr Mecht ſuchte; jenes reformiſti⸗ 
fhe Beſtreben der Jugend, welches nad Klinger’s be- 
kanntem Gchaufpiel in der neuern Seit feinen Namen 
befommen bat. Und auch der ältere Schloffer, dem 
nichts verhaßter war als aller Stillſtand, als teäges 
Kleben an Alten und Veraltetem, deffen Gefhmad durch 
die Dichter des Alterthums und Englands gebildet mar, 
Ionnte dem freubigen Drange der Jüngern nicht wider 
ſtehen. Er erfanute den Schaden, an bem die beutfche 
Dichtung darniederlag, Er nennt in dem Schreiben an 
ken Europa überall lächerlich, aber am lächerlichſten ba, 
wo es von Kunft, von Gefühl, von dem Ubergange 
ins Herz urtheile. Tauſend Thore find es, wodurch bie 

Natur in unfere Herzen eindringt. Die Schulweifen 


kennen aber nur eins und haben alle andern fi) und } 


isten Schülern auf ewig verfchloffen. Selbſt diefes eine 
Innen Wenige recht. Auch die Theorie der Kunft, die 
zu feiner Zeit allgemeine Geltung gewonnen hatte, be: 
friedigten ihn nicht. Er dufert einmal in einem Briefe 
an Korfter: die Bemerkung, daß Malerei und Dichtkunft 
darin ihre Stärke haben, daß fie uns in jedem Augen⸗ 
bike dahinftellen, mo wir geftanben hätten, wenn bie 
Dinge, die fie uns vorzaubern, in Wirklichkeit da wä- 
sen, habe die Theretiter auf die Idee der Nachahmung 
gebracht und diefe fei bis auf einen gewiffen Brad rich⸗ 
fig; aber wehe Dem, ber mit biefen Künften zufrieden 
fei, wem fie nur nachahmen! Darum will er bie Afthe- 
tiler bei ihren Regeln oe und man foll nicht for« 
gen, was fie urtheilen. Die einzige Regel ifl, bie er 
Lenz gibt: „Daft du felbft durchgefuͤhlt, was du ſchreibſft, 
fo fürıhte niche, baß dein Xefer, wenn er ein Herz bat, 
fih an Maf der Zeit und Rage bes Ortes halten werde.“ 
Doch konnte er begreiflich noch nicht zu einer beffern 
Iheorie ducchbringen. Seine Abhandlung, über das Er- 
habene, die er 1781 als Anhang zur Überfegung des 
Longines drucken ließ, iſt immerhin ein tüchtiger Ver⸗ 
ſuch; doch die Hauptfache, feine Erklärung des Erhabe⸗ 
sen, baf nämlich der wefentliche Charakter einer erhabe- 
nen Smpfindung ber fei, daß durch fie ungewöhnliche, 
ae Kräfte zu ungewöhnlicher Thaͤtigkeit mit Wohlge⸗ 
falen gereist werben, ift eine fehr oberflächliche. Sie 
leidet zumächft an ben Dlängeln einer falſchen Pſycho⸗ 
legie und wirft Alles auf die Seite bes Subjects, wie 
Dies denn freilich felbft noch bei Kant der Fall iſt. 


Uber durchass Intereffane' tft, was er in dem Schrei⸗ 
ben über den „Neuen Menoza“ von dem Gange feiner 


äſthetiſchen Bildung geſteht, denn dieſer Bang iſt we⸗ 


ſentlich der der ganzen Zeil. Schon früh entflammte 
fih des jungen Mannes Seele an den großen Geſtal⸗ 
ten des Sophokles; Homer’s „Ilias“ fegte feine Seele 
in Aufruhr; fein Herz ſchwoll bei Dffian. Dann fiel 
er auf Ariftoteles, aber er warf das Buch wieder hin. 
Er war ihm zu kalt, zu berechnend. Einft aber, als 
er trank mar — er las bie Dichter nur, wann er fi 


gefund fühlte —, da griff er wieder zu dem grierhifchen ' 


Kritiler, kam von ihm auf Dubos, Marmontel, Bat- 
teur, Baumgarten, und er billigste alle ihre Regeln. 
Aber als er anfıng gefund zu werden, wie entfeglich 
famen ihm ba die Anhänger jener Megeln vor: Cor⸗ 


neille, Racine, Voltaire, Arnaud! Da lernte er Shak⸗ 


fpeare kennen, und ber Himmel ging ihm auf. Da end» 
lich ſah ex, was er ald Kranker nicht gefehen hatte: daß 
die Regelmacher alle nur an ber Hülle gehangen und 
den Geift nit kannten, ber fie beleben ſollte. Er fah 
mehr, er fah, daß der Geiſt, wo er ift, fih Hülle neh» 
men kann. Es gibt taufend Formen und nur einen 
Geift, der fie belebt. Nur eine Regel gibt es: Fühle, 
was du fühlen machen willft! Und die Hegel lehrt keine 
Aſthetik. 
(Die Fortſetung folgt.) . 


Reife in Oftindien in Briefen an Alexander von Hum- 
boldt und Karl Ritter, von Leopold von Orlich. 
Zweite durchgefehene und vermehrte Auflage. Zwei 
Bände. 

(Beſchluß aus Nr. 189.) 


Sn fo anziebender Weiſe werden alle übrigen Sitten und 
Gebräuche der Seiks beſprochen. Ganz befonders richtig ur⸗ 
theilt der Berf. über die politifchen Verhaͤltniſſe zwiſchen Labore 
und der Dftindifchen Eompagnie; wir wollen nur den Schluß 
davon mittheilen. „So viel von diefem merfwürdigen Reiche, 
welches in kurzem für die britifche Macht in Indien eine Le⸗ 
benöfrage werden muß. Denn ohne deffen Befig ift feine Si⸗ 
herheits nur dee Indus über Atto, mit der an Pefchawer 
ſich anfehnenden Bergkette und das Himalajagebirge bitden die 
wahre und natürlihe Grenze für Großbritanniens ungeheures 
Neich in Indien. Iſt diefe erft erlangt, dann kann alle Kraft 
dem Innern zugewendet werben und die Eivilifation gedeihen.” 
Here von Warren hat in feinem vortrefflihen Werke über 


"die englifhe Mat in Indien ſchon Ahnliches gefagt, und wer 


auf die heutigen Ereigniffe am Subledge nur einigermaßen ein 
beachtendes Auge gerichtet bat, wird finden, daß Wenig fehlt 
an der volltommenften Erfuͤlung jener Ausſprüche. Die einfte 
weilen in Labore zurüdgebliebenen 10, 00 Bann Engländer 
möchten wol fobald nicht wieder zuruͤckgezogen werden; viel 
eher iſt e8 wahrſcheinlich, daß fie jegt die Avantgarde und et⸗ 
was fpäter die Urritregarde einer gen Kaſchmir und Peſchawer 
ziebenden englifhen Eroberungsarmee bilden müflen. Das Er 
nigliche Haus Labore tft eben jegt ein höchſt ohnmaͤchtiges; die 
europüifch organifirte Heeresmacht iſt hier wenig mehr als eine 
eilig aber £ einftudirte Komödie, eine mit unbrauchbaren, 
unzuverläffigen Mitteln ausgeführte Rachahmung der Englän 


der. Die einander gegenüberftehenden Kriegsbeere beftchen 


hauptfaͤchli 8 Indiern, an ihren Spi uropoͤi 
—— * , aber mit 8 Unterfhiebe, das en 


‘ 











Länder, fehr reich gefegnet find, mährend die Seiks kaum für 
die allerdringendfte Roth genug curopäifche Anführer haben. 

Das: Eintreffen des Generalgouverneurs Lord Ellenborough 
in Kerospur mit feiner fiegreichen gewaltigen Armee befchreibt 
der Bert, außerordentlich ſchͤn. Man flieht den Militair fo 
recht mit Leib und Seele in feinem Elemente. Ref. muß gefte- 
den, daß er noch. nie einen fo befriedigenden Plaren Blick in 
die Einrißtung und Größe der britifch-indifchen Kriegsmacht 
hat thun Pönnen, wie durch die vorliegende lebendige Schilde. 
sung des Hrn. von Orlich. 

Durch die im Lager’ zu Ferospur gefehene Geſandtſchaft 
von Labore befam unfer Verf. große Luft, dieſe weltberühmte 
Königeftadt felbft zu befuchens er war daher fehr erfreut, als 
Lord Ellenborough ihm das Anerbieten machte, fi der außers 
ordentlihen &efanbtfchaft unter Hrn. Maddock unzufcließen. 
Wir theilen Etwas hierüber mit: „Seine Hoheit empfing und 
in dem Garten des Haſury⸗Bagh, an deſſen WWeftfeite eine 
breite Marmortreppe zu einer großen Zribune führt. Die 
Wege dahin waren mit Zeppichen und bie Tribune mit Kaſch⸗ 
mictharie auf das geſchmackvollſte drappirt. Shyr Bing, von 
einigen hundert Großen umgeben, befand ſich auf derfelben. 
Prinz Perthab Sing und Dihan Sing bewillfommneten den 
Sefandten am Marmorpavillon und führten uns zwifchen ein 
Spalier von Panzerleuten und Offizieren zum Maharazah, der 
uns bei der Borftelung mit Händedrud herzlich begrüßend zum 
Sitzen nöthigte. Shyr Sing, der Prinz und der Gefandte 
nahmen auf goldenen, wir auf filbernen Armſeſſeln Platz, hin⸗ 
ter uns die Großen ftebend, Dihan Sing hinter dem bed Ma⸗ 
perayob- Shyr Sing ijt von etwas mehr als mittlerer Größe, 

äftigen Körperbaues, corpulent aber leicht in feinen Bewe⸗ 
gungen; aus feinen Gefichtszügen ſprachen Gutmüthigkeit und 
Sinnlichkeit, und aus feinen fhönen dunkeln Augen blidte ein 
freundliches liebevolle Wefen; der ſchwarze Bart war forgfäl« 
tig geordnet. Er und die Meiften aus feiner Umgebung waren 
in gelbfeidene Gewänder und Zurbane gekleidet und reich mit 
Perlen und Juwelen gefhmüdt...-- Kach Berlauf einer hal 
ben Stunde brachen wir wieder auf, von Sr. Hoheit bis zur 
unterften Stufe begleitet und von 19 Kanonenfhüffen durch 
die am jenfeitigen Ufer ftehenden Truppen begrüßt. Auf dem 
Rückwege verhöhnten uns einige Akalis, dabei mit Wurfeiſen 
ihre GSefchidlichkeit vor uns fehen laffend, und vor unferm 
Haufe empfing uns eine Schar von Tänzerinnen und Muſikan⸗ 
ten aus Kaſchmir, welche im Dermwifchtanz eine große Geſchick⸗ 
lichkeit an den Tag legten..... Labore liegt hart am Rawi, 
bat gegen 80,000 Einwohner und 8 Meilen im Umfange, und 
ift von einem ſchlecht baftionirten Walle und breiten Graben 
umgeben. Außer Hafury-Bagh, dem Grabmal Semat und den 
beiden fchönen aber fehr verfallenen uud ſchmutzigen Mofcheen 
Padifaii und Bezifhan hat die Stadt nichts Sehenswerthes 
aufzumweifen. Die Straßen find eng, ſchmutzig, eingefaßt von 
hohen Häufern aus Badfteinen erbaut und mit flachen Dächern, 
unanfehnlid, und nur die überaus zierlih und geſchmackvollen 
PR Sat ber Balcone und Erker fallen in die Augen. 
Eine Goſſe geht durch die Mitte der ungepflafterten Straßen 
und macht diefelben bei regnihtem Wetter beinahe ungangbar. 
Die Bazare find der belebtefte Stadttheil, indeß findet man in 
ihnen wenig ausgezeichnete Waaren, mehrentheild Lebendbebürf: 
niffe, von welchen unfer Elefant fehr unbefcheiden im Vorüber: 
gehen mit feinem KRüffel plünderte. Das Wolf lief neugierig 
an die Fenfter und auf die Plattform, um die Fremden zu fe 
hen; felbft die Frauen und Mädchen zeigten ſich unverfchleiert; 
und da konnte man die Kafchmirerinnen an ihrem weißlihen Teint 
von den Indierinnen unterfcheiden. Nur wenige waren bübfch, 
aber alle Hatten ſchoͤne glühende Augen, waren mit Ringen 
und Juwelen überladen, hatten die Augenlider geſchwaͤrzt und 
feloft Schönpfläfterdyen und Antimonium aufgelegt. Man lachte 
und machte ſcherzend Bemerkungen über uns, wozu das mit 
den Augenlidern feftgehaltene Augenglas meines Freundes 
Anlaß gab.“ ’ " ‚ . 





Berantwortlicher Herausgeber: 7ra Brockhaus. — Druck und Verlag von F. 7 


Bon den vielen i en umd Feſtlichkeiten, welche 


der Geſandtſchaft zu Sn an dem Hofe von Lahore * 


ſtaltet wurden, wollen wir Etwas anmerken und zwar nur von 
dem Tage der großen Revue. Die Geſandten wurden von dem 
Maharazah Shyr Sing in Perfon zu der Revue abgeholt. Die 
Bahl der ji biefem Zwecke aufgeftellten Truppen betrug 60,000 
Mann, ihnen zur Geite flanden 200 Stud Geſchũt, wovon 
aber nur bie Hälfte befpannt war; das ganze Militair bildete 
eine Linie von 8 (engl.) Meilen. Hira Sing, der Dberbefchls: 
haber ber ganzen Truppenmacht, hatte ungeachtet aller Kor 
ftelungen der unter ihm dienenden europäifchen Dffiziere diefe 
Art der Aufftellung gewählt, um die Zahl der Streiter recht 
fihtbar zu machen. „Den Bug eröffneten Die drei Kutſchen 
Sr. Hoheit, unter denen der von Rutdgit Sing erbaute große 
Staatt wagen, mit ſechs Pferden befpannt, ſich befand, einem 
Zoft-i-raman ähnlich und mit einer Veranda verfehen, in web 
her für 20 Bajaberen Raum ift, die den einäugigen Helder 
während des Fahrens erheitern mußten. Die Kutſcher in Zur 
banen, nad) der Weiſe englifher Grooms gekleidet, glichen den 
Vorreitern einer Kunftreitertruppe. Auf die Wagen folgten 
die Leißpferde, in Gold gezaͤumt und gefattelt und mit Sammt⸗ 
decken behangen, worauf Mufter in Perlen und Rubinen ge 
dt waren. Bor dem Glefanten des Maharazah ritt der Pro 
oß der Armee in englifher (Generalftabsuniform, trug aber 
ftatt des Federhuts einen gelben Zurban. Won der hier ver⸗ 
fammelten Armee waren etwas über ein Drittel regulaire Trup⸗ 
pen und unter diefen etwa HOW) Mann Cavalerie. Sie find 
in Divijionen und Brigaden geheilt und ftehen unter der un 
mittelbaren Leitung der europäifchen Offiziere. Bei ihnen fr 
bet das Commando in franzöfifher Spradye ſtatt; indeß if die 
Art der Ausbildung verfchieden. Diejenigen Brigaden, melde 
unter franzöfiichen Offizieren ſtehen, find nach franzoͤſiſcher Tal 
tik ausgebildet, die unter britifchen Offizieren aber nad Art 
der Taktik des englifchen Hcere. So —* mithin Einheit, 
aber noch mehr vermißt man Disciplin. Gin einziger Unfal 
De die Zruppen gänzlich auflöfen und das Leben ihrer Be⸗ 
ehlshaber in Gefahr ſehen; wie denn General Court, ber bei 
der Thronbefteigung Shyr Sing’s, feinem Schwur getreu, nicht 
eher dem Maharazah Huldigen wollte, bis ihn bie Exregentin 
feiner Pflicht entbunden hätte, von feinen eigenen Soldaten iR 
feinem Haufe angegriffen und nur durch ein Munder beim hr 
ben erhalten wurde. Die Truppen werden beffer, jedoch richt 
fo regelmäßig bezahlt als die Truppen der Oſtindiſchen Com 
paynie, und von ihrem Gehalte monatlich zwei Rupien für un 
Verpflegung in Abzug gebracht. Ihre Bekleidung, ift roth um 
blau, einige Reyimenter in Ezakos, die meiften in Zurbanen 
Die Eavalerie ift im Allgemeinen fehr gut beritien und befteh 
aus Küraffieren und Dragonern. Bei der Artillerie ſtehen Die 
Gefüge denen der Briten wenig nad), dagegen it Die = 
fpannung fehr mangelhaft. Ihre Bewegungen find shnel, ide 
Feuer mittelmäßig; denn unter fechs Echüffen aus Sechspfin⸗ 
dern traf nur einer auf 800 Schritte das Biel.” 13 
e 


‚ In ähnlicher Weife wie die eben beſprochenen find al 
Briefe des Buches abgefoßt und man wird aus dem 
etheilten ben hoben Werth deſſelben zur Genüge grkan— 
aben. Um den Umfang der Reife noch beurteilen zu Ka 
bemerken wir ſchließlich, daß unfer Verf., nachdem Et, * 
Lahore wieder zum Hauptlager der engliſchen Armee * 
kehrt war, ſich entſchloß, nach Delhi und von bier nad) ori 
kutta zu reifen. Auf diefen immer in der rubi en Muße Gold 
geführten Wanderungen wurden bald rechts bald links, n 
Fürzere bald längere Ausflüge in das Innere des Kanded u 
macht und alles Beachtenswerthe in Augenſchein en 
men. In Ralkutta erhielt unfer Verf. die Rachricht daf 
einen neuen Ausbruch eines Kriegs in Indien vor der * 
gar nicht mehr zu denken wäre: daher entſchloß er I Aa rn 
nah Europa zurüdzureifen. Im Monat Juli 1843 fa 
wieder in Falmouth an. ‘ 52. 


Brodpans in Zeipis- 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sobann Beorg Schloffer. 
(Beortfegung aus Nr. 200,) 

Aber aud) von ber herrfhenden Hhilofophie, ber 
Wolf ſchen, fühlte er fih befremdet, und wenn Xode 
aud feinen Blick erweiterte, fo wirkte er doch nur an⸗ 
regend auf ihn. Sein Brundfag war: Inductionen, bie 
durch viele Jahrhunderte gefammelt ftchen, grenzen nahe 
an Erfenntniffe a priori und können, wenn der Menſch 
anders ?ein Spott und Poſſenwerk der Schöpfung ift, 
nur durch grübelnde Speculationen ſich von jenen unter: 
fheiden. Er nimmt mit Jacobi ein Wiffen ohne Be⸗ 
wis an, das der Gründe nicht bedarf, weil es unmit- 
telbar gewiß if. Durch das Princip einer befländigen 
eobachtung feiner felbft und anderer Menſchen in allen 
Seelenzuftänden, der Befchichte in ihrer Entwidelung, 
entftand ihm Etwas, das er felbft nicht ein Syſtem zu 
nennen wagt, Das er aber doch als eine zufammenhän- 
gende Folge von Gedanken angefehen wiffen möchte. 
Er will überhaupt Bein Syſtem, er ſchlaͤgt im Gegen- 
teil vor, nur Gefchichte der Philofophie zu lehren, weil 

man Niemand müffe zwingen wollen, eine beftimmte 

Philofophie als die feinige anzunehmen. Ja er glaubt 
die Epeculation überall nicht für den Menfchen gemacht; 
die Philoſophie fol Lehren nicht ſowol in ſich beſtehende 
Wahrheit fuhen als Irrthümer vermeiden. Er be 
kennt fih felbft zu einem gewiffen ihm von Kant 
vorgeworfenen Myſticismus, einer inneren Anſchauung 
des Überfinnlichen, welcher er nicht nur eine fubjective 
Wahrheit zugeftanden wiſſen will, fondern fogar eine 
objettive, wenn bie Trefflichteit des Offenbarten für eine 
ſolche birgt. Wer gegen ſolche Wahrheit ankämpft, den 
nennt er einen Dann der plumpen Weisheit, über welche 
fhon die Alten gefpottet haben. Alle Philafophie kann 
nur die Morgenröthe zeichnen; "die Sonne muß geahnt 
werden. Die höhere Philoſophie öffnet da6 Auge ber 
Seele, in der das Licht der Wahrheit zu ſchauen iſt, 
und flärkt es, ihren Glanz zu ertragen. 

Und doch befchränte ſich feine Metanhufit darauf, 
dag er mit der Unzulängfichkeit des menfchlichen Wiſſens 
fi, beruhigt. Bon Lode hatte er gelernt, daß fi 
nur über die Begriffe, welche wir uns von den Din⸗ 
gen machen und bdie- wir unfern Empfindungen ale 
den Wirkungen ber Dinge auf uns entnehmen, philoſo⸗ 


phiren (affe, nicht aber über die Dinge ſelbſt. Hier legt 


fogar die Beſchraͤnktheit der Organe bes Menfchen für 
folhe Empfindungen neue Feffeln an. 


Nur aus Schloffer's eigenthümlicher Gemürheftim- 
mung und aus feinem ausgefprochenen Widerwillen gegen 


| alle Syſtematik ift es einigermaßen zu erffäten, wenn 


auch nicht zu entfchufdigen, daß er gegen das nene Licht 
ber fritifchen Philofophie fo hartmädig, ja ſelbſt mit Er⸗ 
bitterung,, ſich abſchloß. Es feheint ihm das Kant'ſche 
Syſtem viel Ahnlichkeit mit der Wolkenſtadt des Ariflor 
phanes zu haben, welche die Götter von dem Weihrauch⸗ 
duft der Menfchen, dieſe von dem Einfluß der Götter 
abfchneiden ſollte. Er befürchtet, es werde auf lange 
Zeit allen Zutritt zur Menſchenweisheit verfperren, wenn- 
es je die damalige Generation überleben ſollte. Das 
neue Gebäude feheint ihm weder feft und wohnlich noch) 
fhön und gut; er fieht in ihm nur ben Verſtand, ber, 
kaum den SKnabenjahren entwachfen, Alles und Alles 
flürgen will. Er tadelt ferner gegen Ewald, baß bie 
kritiſche Philofophie die Eur auf den Kopf anlege, da 
es dem Menfchen doch in ber Bruft fehle; wenn aber 
gar die Theologen durch fie felbft den dogmatifchen Theil 
des Chriſtenthums zu retten hofften, fo hielt er Das für 
eine heillofe Zäufhung. Kant warf Schloffer vor, daß 
er in feiner Philofophie Alles ohne Mühe und Arbeit 
habe, und wir begreifen die Bedeutung eines folchen 
Borwurfs; aber Schloffer konnte ihm entgegnen, daß e6 
nicht auf die Arbeit ankomme, fondern auf Das, was 
dabei gewonnen werbe, und durfte Kant auf Myrmeli- 
des und Kallitrates verweifen, von denen Jener ein vier- 
fpännige® Waͤglein unter den Flügeln einer Mücke ver- 
barg, Diefer ein elegifches Diftihon mit goldenen Buch» 
ftaben auf ein Senfkorn fehrieb, 

&o war 'denn bei Schloffer die Ontologie in &e- 
fahr mit der Pfychologie fi zu verwirren, und mit wel⸗ 
cher Pſychologie! Hier fledite er noch tief in der Wolf’ 
fhen Schule. Das Denken fowie das Wollen hat viele 


" untergeorbnete Kräfte, die Einbilbungskraft, die Urtheils⸗ 


kraft, die Kraft bes Gedaͤchtniſſes; viele Begehrungsver- 
mögen, welche durch die ihnen zugeorbneten Werkzeuge 
wirken, Liebe, Haß, Zorn, Ehrfucht, Ruhmſucht u. f. w. 
Jede Störung derfelben gibt Wbelfein, wogegen Ihr har⸗ 
montfches: Spiel Wohlfein zur Felge hat. 





“ 


Hier öffnet ſich dann auch fogleih von ber Pfycho- 
logie aus der Eingang in biejenige Disciplin feiner 
Philoſophie, die er am meiften ausgebaut hat und durch 
welche es ihm vergonnt war, mannichfach fegensreich auf 
die Bildung feiner Zeit zu wirken: die Moralpbilofophie, 
ein Zweig, in dem es auch ohne Speculation möglich 
war, mit einem tüchtigen Verſtande, tiefem fittlichem 
Gefühl und einem Schage von Erfahrungen, vieles ein- 
zelne Zreffliche zu fagen. Kam noch die klare, anmu- 
thige Darftellung Hinzu, wie fie Schloffer überall eigen 
ift, fo kann man fich die tiefe Wirkung erklären, welche 
gerade feine populair=-philofophifchen Schriften auf fein 
Zeitalter ausübten. Aber an Nichts List das Volk grö- 
Fern Mangel als eben an Schriften diefer Art, und 
barum konnte 5. B. Mofer Schloffer'6 „Katechismus ber 
Sittenlehre“ an Berdienftlichteit felbft über ein Buch wie 
Montesquieu’s „Geiſt der Gefege erheben. 

Senes harmonische Spiel, die verhältnigmäßige Stim- 
mung aller Kräfte und Zähigkeiten im Menſchen, bie 
Action derfelben im Phyſiſchen und im Moralifchen in ih» 
rem Verhaͤltniß zu dem Weſen, bedingt die Vollkommen⸗ 
beit beffelben bei einem Mefen mit Bewußtfein: feine 
Slüdfeligkeit. Der Menfh hat ben höchften Genuß, 

er darnach trachtet, feine Kräfte, wie fie beifammen be- 
eben, können, zu gebrauchen und zu erhalten; er bat 
Nuhe, Heiterkeit ber Seele. Er wird außerdem aber 
auch feinem Baterlande, feinen Mitbürgern, Freunden, 


Fremden und Einheimifhen nuͤtzlich fein und darin ſelbſt 


ohne Ehren und Gold das höchſte Glück finden. 

Es ift nämlich in dem Menfchen ein Etwas, wel- 
ches allein empfindet und allein feine übrigen Theile in 
Bewegung fegt, wenigſtens biefelben wirken laͤßt. Diefes 
will Schloffer den innern Menſchen nennen. Wie aber 
Alles einem Gefege unterworfen ift, fo auch dieſer in- 
nere Menſch, und dieſes Gefeg ift in der Regel ausge. 
ſprochen: Wirke dahin, Dasjenige zu verlängern, was 
demfelben angenehm ift, ben Genuß, ober wenn du von 
biefem nur noch das Bild fühlft, ihn hervorzubringen, 
das Leiden aber abzumenben. 

Sehr beftimmt hat fih Schloffer über feine Grund⸗ 
füge zu Andern, zu Kant, bauptfählih aber gegen 
Shaftesburyg und deſſen Lehre von der Tugend ausge 
ſprochen. Die Mängel einer Pflichtenlehre, wenn auch 
nicht den Grund berfelben, den ewigen Zwieſpalt zwi⸗ 
fchen dem gebietenden und dem gehorchenden Willen, 
batte er eingefehen. Wenn aber Shafteöburyg behaup- 
tet, Nichts fei gut als das dem Zwecke des Ganzen Ge- 
mäße, was aber um des Privatvortheils willen gethan 
werbe, obfhon es dem Ganzen nüge, fei nicht weiter 
gut als die Neigung das gemeine Wohl zum Zweck 
babe: fo zweifelte Schloffer mit Recht, daß biefer Zweck 
fi überhaupt beftinnmen laffe, vor Allem aber, daß er 
von dem einzelnen Menfchen mit Klarheit und Be⸗ 
ſtimmtheit erfannt werden koͤnne, mas doch erfoderlich 
fei, wenn ein freies, bewußtes Handeln die Folge fein 
—* Er meint deshalb auf einem ebnern und geradern 
ege zum Ziele zu ‚gelangen: Wenn ich Theil eines 


‚bie Urheberin des Zweckes ift! 
ich ohnehin ſchon geneigt bin zu thun, fobald ich es nur 


Banzen bin, fo muß auch wol mein Zweck Theil von 
bem Zweck bes Ganzen fein; aber eben deshalb muf 
nur derjenige Theil des ganzen Zweckes durch mid er- 
reicht werben können und follen, welcher meinen feldft- 
tHätigen Handlungen angewiefen ift, und das Übrige muf 
durch Andere erreicht werden. Was für ein Kennzeichen 
haben wir aber, um dieſen Zweck zu erkennen? Ohne 
Zweifel muß bie Natur fie angegeben haben, weil fie 
Es ift Dasjenige, was 


fenne, nämlich: in. der ganzen Dauer meiner Exiſten; 
das in dem Umfang meiner Geniegungsfähigteit größte 
Wohl zu genießen, in eben dieſer ‘Dauer jedes Leiden, 
fo weit das größte wol dafjelbe nicht fodert, zu meiden. 
Den Bortheil feines Syſtems findet Schloffer barin: 
dag, mährend Shaftesburyg die Kenntnig des Ganzen, 
welches durch die Natur verfagt ift, vorausfegt, er nur 
die Kenntniß des Menfchen in feiner Natur verlangt, und 
Das eben war es ja, was er durch feine Methode errei- 
hen zu können glaubte. Shaftesbury verfuchte aus dem 
Zwecke des Ganzen auf den des Einzelnen zu fliehen, 
Schloſſer ſchließt umgekehrt aus diefem auf jenen. 

* Die Phantafıe ift die Vermittlerin der Empfindungen. 
Sie gibt Gefühle bes Vergangenen, des Gegenmärtigen 
und des Zufünftigen; fo entfteht einentheild Neue und 
Negret (er findet kein deutfches More für den Zuftand, 
wo die Urfache des Verluſtes als nächt in dem Mm 
[hen Tiegend vorgeftellt wird), anderntheils Hoffnung 
und Zucht. Dies ift der Schlüffel zur Moral. Der 
Berftand bildet Schlüffe von den Folgen der Handlun- 
gen, und dieſe fchafft die Einbildungstraft zum Bilde 
um: fie malt den Menfchen wie ex fein wird, mann 
diefe oder jene Handlung ihre Folgen auf ihn gehabt 
bat. Iſt das Bild unangenehm, fo erfolgt ein Gegen: 
wirken ober auch die Unterlaffung der Hanblung; if 
baffelbe aber angenehm, das Hervorbringen der Hand- 
lung ober das Unterlaffen des Gegentheils. . Die Mo 
vol ift alfo nichts Anderes als eine Sammlung von De 
griffen menfchlicher Handlungen, in Rückſicht auf die 
Solgen betrachtet, welche fie auf den Menfhen haben, 
und fie theilt fich zwiefach, je nach der Kraft der Seele, 
welche die Begriffe aufnimmt: die betrachtende Moral 
entfieht, wenn der Verſtand, die praßtifche, wenn die 
Phantafie diefelben nad, ihrer Art fammelt. 

Ja er geht noch weiter: wie das Gefühl des Ange 
nehmen ober bed Unangenehmen im fittlichen Leben zun 
Handeln wirkt, fo erregt daffelbe in den ſchoͤnen Kur 
fien die Phantafie zur Production. In dem Digtet 
J. B. erhebt fi) ein Bild nach dem andern, und die 
Hhantaſie malt dieſelben aus. Fuͤhlt er das bloße Dar 
ftellen der Bilder, fo wird er nicht dichten; empfindet 
er babei aber noch den befondern Eindruck bee Ange: 
nehmen oder des Unangenehmen, fo wird ex feine e⸗ 
fühle, die in ihm drängen, herausſiellen, mittheilen ver 
erigen. " Aber diefe Erfahrung berußt auf meiter M 
als dem Drange der Seele: was fie erregt in Luſt an 
Schmerz, aus fih Heraus und als Object vor ſich hu 


- — — 


zuſtelen, um ſich au gewoͤhnen, baffelbe als etwas 
Feemdes zu betrachten und zu bewältigen. 
Schloſſer nimmt keinen Anſtand, dieſe Grundſaͤtze 
ſo weit mit Epikur anzunehmen, und fürchtet keinen 
Misverftand; und in ber That braucht er ſich feines 
Eudömonismus nicht zu ſchaͤmen. Jener glückliche Zu- 
fland befteht ja in ben durchaus edeln Empfindungen 
des Lebens, der Befundheit, Stärke, Genuß ber Breiheit, 
der Wahrheit, dem Gefühl des Schönen, der Hatmonie, 
der Vollkommenheit, und mehr als in Allem im Gefühl 
der Liebe. Bor einer finnlihen Glückſeligkeit verwahrt 
er fih gegen Kant ausdrüdlih: In einem Weſen, das 
feinen Zuftand fühle, fei Glückſeligkeit von ber Voll- 
fommenbeit nicht zu trennen; beshalb aber feien bie 
Grundfäge feiner Theorie fo wenig empiriſch als es ber 
Begriff der menfchlihen Vollkommenheit je fein könne. 
Auch ſcheut Schloffer fih nicht, e& geradezu auszu- 
fprehen: daß die Offenbarung mehr nicht thue, ald daß 
fie die Begriffe des Verſtandes vermehre und ihm neut 
gebe. So ſchien denn der Menfch der göttlichen Lei⸗ 
tung entwachfen, und Schloffer mußte deshalb ben Zorn 
der Theologen erfahren. Aber, meinte er, wer würdige 
Begriffe von der Erhabenheit der Gottheit hat, wird 
ſich dieſelbe nicht in den menſchlichen Reidenfchaften ber 
Liebe und des Zornes befangen denfen, noch in unfüh- 
Imder Ruhe, fondern wie eine Sonne, die mit gleicher 
Huld Alle wärme und erleuchtet, wenn der Menfc ſich 
felbft nicht in den Schatten fept. in fo Dentender 
begreift, daß diefe Sonne ihrer Klarheit und ihrer Wärme 
gießen fönne, wenn auch Alles die Dede der Finſter⸗ 
niß über fih ziehen wollte. 

Bir Schloſſer aber ein fehr ſcharfer Beobachter ber 
Menſchen war, fo konnte es ihm nicht entgehen, daß in 
Eineinen das fittliche Gefühl in befonderer Klarheit 
und Ausbidung ihm entgegentrat. Won der Unmittel- 
barkeit des fttlihen Vortheils hatte er natürlich keinen 
Begriff, und er erflärt fich deshalb diefe Erſcheinung in 
feiner Weiſe als eine befondere Stimmung bed innern 
Menfgen, nach welder er durch gewiſſe ſinnliche Ge⸗ 
fühle und gewifſe Bilder, auch ohne Rückſicht auf bie 
Folgen, weiche ihre Realifirung auf ihn haben könnte, 
vorzüglich erregt wird. Diefes befonders ftarfe Gefühl 
haft in der Ethik moralifches Gefühl, in andern Din- 
gen Genie; man Fönnte es auch Genie zur Tugend nen- 
nen. Aber weit entfernt, daß dieſe Wahrnehmung, die 
fh ihm empiriſch aufbrang, ihm den Weg zu einer 
beſſern Einficht Hätte erhellen follen, merkte er nicht ein- 
mal, dag feine Erklärung derfelben feine Theorie gera- 

dezu aufhob. 

Daß nicht alle Menſchen ſolche Genies ſind, darüber 
tröftet er ſich: In den Menſchen iſt Alles einander 

gleih, eben diefelbe Zähigkeit in dem Einen wie in dem 
Undern; aber auch bier mufte Verſchiedenheit zur Har⸗ 
monie des Ganzen fei. Diefe entfteht nur dadurch, daß 
viele taufenb Nebenumftände uns abhalten zu werben, 
was wir werben koͤnnten; und er verweift wegen ei» 
ar fernen GEntwidelung auf eine unendliche Zukunft 


daß wir genießen wie wir banbeln. 


bie. Denn GSchieffer dachte nicht bavan, daß wit jenee 
Blüdfeligkeit eines kurzen Erdenlebens die Menfchenbe 
fimmung in ſich abgefchloffen und vollendet fein Eünnte, 
Vielmehr fah er eine höhere Theologie in allem Diefen, 
Wie bei Platon die Dinge, namentlich das Schöne, an 
ein früberes feliges Leben erinnern‘, wo wir vom 
Allem die ftrahlenden Urbilder fchauten, fo mahnt un« 
fen Denker umgekehrt ber Anblick der Gchönbeit, 
ber Harmonie, ber Vollfommenheit, an ein künftiges 
Leben. Da die Philoſophie Nichts mit dem Tobe abs 
gehen ſieht, worin dieſe feligen Empfindungen Ichen, 
fo ahnt fie mit hochſter Wahrfcheinlichlet was von 
Menfhenglüdfeligkeit über das Grab hinaus noch bauern 
mag. Die Organe für alles Schöne, alle Harmonie, 
Wahrheit und Vollkommenheit find Geſchenke Gottes, 
des ewigen Ordners der Harmonie ber Schöpfung. Siehi 
nun das Auge und hört das Ohr der Seele die Schön- 
beit der Beifter, mit welchen es in Berührung und Ver⸗ 
Bindung £ritt, fo werben fie eben jener Harmonie wegen 
wohlthätige Erjcheinungen für uns und erinnern uns ® 
an jene Harmonie, in deren Genuffe wir einft in einen 
beffeen Leben uns begegnen werden. Damit glaubte 
Schloſſer au ben Grund der Wirkung des Schönen 
auf den Menſchen gefunden zu haben, und er berührt 
fih bier merkwürdig mit einem Sage des Plotin: 
Niemals würde das Auge bie Sonne fehen, wenn «6 
nicht fonnenhaft, noch die Seele das Schöne, wenn fie 
nicht felbft ſchön wäre. 

Sole und ähnliche Gedanken hatte Schloffer au 
wol in der That dem Studium bes Platon, den er un« 
ter den Alten vorzüglich werth hielt, zu danfen. Dan 
bat ihn wol einen Platoniker genannt, doch möchte bie 
Methode der Platon’fhen Geſpäche, der er in feinen 
Schriften überall den Vorzug gibt, nicht allein dazu bes 
rechtigen. Wenigſtens ift feine Theorie von einem frü- 
bern und einem. Präftigen Leben bei ihm wefentlih am- 
ders begründet als bei Platon. Wenn aber Kant bie 
Schloſſer'ſche Philofophie aus Gefühlen, die Anſchauungs⸗ 
philofophie, die Ahnung des Überfinnlichen von Platon, 
obſchon ohne deſſen Schuld, ableitete, fo dachte er babek 
mehr an Platon den Brieffteller, welchen Schloffer über⸗ 
fegte und für echt hielt, ald an Platon den Akademiker. 

Doc ehe wir weiter in unferer Darſtellung fort 
fhreiten, müffen wir uns noch einmal zur Schloffer'- 
fhen Moralphilofophie zurückwenden. Wenn bie Moral 
fih bei ihm ihrem formellen Inhalt nach in betrachtende 
und praftifche theilte, fo fcheidet er diefelbe in Bezug 
auf das fittliche Verhalten weiter in zwei Hauptabthe— 
lungen, an beren Spige bie beiben Grundfäge flehen: 
der eine, baß wir leiden mas wir müffenz- ber zweite, 
Aber bier ift fo- 
gleih zu bemerken, daß unter jenem Leiden nur das 
duch die Ratur bedingte verftanden ift, daß wir auch 
der menfchlichen. Gefellfchaft gegenüber zu leiden haben, 
woburd der wichtigfle Theil der Ethik von einem Plage 
in der Theorie ausgefchloffen fi. 

Neben diefen beiden Grundfägen werben nun vor 


lem drei Dauptregeln aufgeftele. Die erſte iſt, uns 

die Ratur und ihre gewaltigen Mafchinen zu 
fügen fo viel wir koͤnnen, und wo wir nicht koͤnnen, 
geduldig zu leiden; bie zweite, alle wohlthaͤtigen Em⸗ 
pfindumgen aufzufuchen, die Organe dafür zu fchärfen, 
de Kräfte zu ſtaͤrken, ber Ratur ihre Geſchenke abzu- 
ringen und, wo fie karg gegen uns ift, uns Erſatz zu 
fhaffen. Die dritte und wichtigfte Hegel aber iſt bie: 
den gegenwärtigen Augenblick, den Punkt von Wohl. 
‚fen, in welchen wir jedesmal ſtehen, gegen die Waffe 
von GSeligkeit im ganzen Umfang und in der ganzen 
Dauer der Menfcheneriften, abzumägen und nur danach 
zu wählen. Diefe Regeln bat die Menfchheit zu allen 
Zeiten geachtet, und fie find die Gründe, woraus bie 
ganze Cultur, Wiffenfchaften, Künfte, Gewerbe ihre 
Entftehung herleiten. 

Um das Berbienft dieſer wenn aud mangelhaften, 
doch mit der Wärme ber Überzeugung und edelm Eifer 
für die fittlihe Bildung des Volkes ausgefprochenen 
Grundfäge nicht gänzlich zu verkennen, iſt es nöthig, 
daß wir uns der Zroftlofigkeit des fittlichen und rveligid- 
fen Unterrichts erinnern, die gerade damals ihre Spige 
erreicht hatte, als Schloffer feine fchriftftellerifche Thätig⸗ 
Seit begann. Wenn einerfeitE die Anhänger der foge- 
nannten Aufklärung Nichts mehr heilig achten, und fehön- 
geiftige Philofophen die genialfte Moral predigten, fo 
mußte Schloffer andererfeits fehen, wie auch bei ben ei- 
gentlihen Lehrern des Volkes in Kirche und Schule bie 
eigentliche religiöfe und fittlihe Bildung gegen den dog⸗ 
matiſchen Theil des Wiffens vernachläffige war, und auch 

das Fachwerk der Wolffchen Philofophie und ge- 
übte Dialektik die Stelle gefunder Erkenntniß und der. 
warmen Rebe der Überzeugung vertreten follten. Ja, in 
feinem Eifer fcheint es Schloffer wünfchenswerther, wenn 
man jede gelehrte Bildung für die Prediger gänzlich) 
aufgäbe; ed würde hinreichen, wenn ein Profeffor der 
praftifchen Theologie feine Schüler Iehrte, was haupt⸗ 
ſaͤchlich zum Chriſtenthum gehört, dabei aber fich be- 
mühte, die Herzen der künftigen Volkslehrer auch blos 
Innerhalb ber menfchlichen Ausfihten zur Tugend zu 
bilden und ihnen die Sittenlehre mit begreiflichen Be⸗ 
welfen vorzufragen, wie fie diefelben künftig dem Molke 
beizubringen haben. 

Hier follte zuvörderft das Buch aushelfen, durch 
weldes Schloffer zuerft 1771 dem größeren Publicum 
befannt wurde, ein Buch, dem bie allgemeine Stimme 
einen Plag neben ben beften biefer Art, neben Rochow's 
Schulbüchern anmies, das fogar neben Luther's „Kleinen 
Katechismus” geftellt wurbe. Es ift dies der „Katechismus 
ber Sittenlehre für das Landvolt”‘, dem 1776 auch ein zwei⸗ 
tee Theil: „Katechismus der chriftlichen Religion“, folgte. 

In diefem Buche, bas der Korm nah den Namen 
nur uneigentlich verdient, redet ein alter Verwalter zu 
den Kindern des Dorfes über bie Pflichten der Men⸗ 
ſthen, über künftiges Leben, und fucht fie nebenbei auch fiber 
das Wefentlichfte politifcher Einrichtungen, Gefege und 
Dbrigkeiten zu unterrichten. 


Uber. fo freudig auch das Wert überall beuräft 
wurde, konnte es doch nicht fehlen, daß ihm von orthe- 
boper Seite ber Vorwurf gemacht wurde: es führe nicht 
zu Sefu, mache deshalb die Menfchen nur äußerlich zu 
ehrbaren Menfchen, unb verftümmele die Tugend; aber 
jene Männer bedachten am alferwenigften, wie viel vor⸗ 
her noch aufzuräumen war, che das Volk zu einem wah—⸗ 
sen Chriſtenthum und einem echt chrifllichen Leben ge 
leitet werden mochte. 

(Die Kortfegung folgt.) 





Literarifhe Notiz aus England. 


Ein Libell auf die englifde Ariftofratie. 

Das und kaum etwas Anderes ift die „für das Volk ge 
ſchriebene Geſchichte der englifchen Ariftofratie von John Hamp- 
den, jun.: „The aristocracy of England: a history for the 
people’ (£ondon 1846). Folglich ift e8 ein Buch, das muth⸗ 
maßlich ind Deutiche überfegt und in Deutfchland gelefen wer 
den wird. Den Verf. drüdt weder Lebens» noch Europa⸗ 
müdigfeit, auch Fein Weltſchmerz. Uber er ift durch und 
durch unzufrieden mit den bermaligen englifchen Geſellſchafts⸗ 
uftänden, d. h. mit dem Verhaͤltniſſe der Ariſtokratie zu Bour: 
geoifie. Auf Lebenserfahrung gründet ſich feine Unzufrieden: 
beit nicht. Sie ift Die Summe cined Spftems, einer fid ge 
ſchaffenen Zheorie, und diefe das Refultat eines Studiums der 
engliſchen Geſchichte in dem von den demokratiſchen Schrift 
ftellern der legten 30 Jahre genäprten Geiſte. Dhne im U 
gemeinen Thatſachen zu entfielen und zu verzerren, gibt ihnen 
der Verf. eine falfche Färbung, hängt ihnen ein fremdes Män 
telhen um; und wird auch fein Unparkeiifcher einigen feine 
Anfichten in Betreff des von der englifehen Ariſtokratie aus 
geübten und noch auszuübenden Einfluffes feine Beiſtimmung 
nerfagen: fo liegt e8 doch auf der Hand, daß er aus vorgefaß 
ter Meinung fie zu einer größern Unheiljtifterin macht als fie 
in Wahrheit gewefen oder iſt. Er ficht Alles, was der Ari 
ftofratie zum Nachtheil, Nichts was ihr zum Wortheil gereicht, 
deutet Vieles falfh und verſchweigt noch mehr. Bücher folder 
Art Tonnen in England und anderwärts wenig nügen, abet 
viel fhaden. Das weiß jept wol jeder Schulknabe, daß es in 
allen monarchiſchen Staaten fchlechte adelige Minifter und lie: 
derliche Fuͤrſten gegeben bat. Das braucht dem Volke nicht 
eingeprägt iu werden. Präge man ihm lieber ein, daß es beſſer 
und kluͤger tft, ſich gegenfeitig ji verftändigen und zu vertragen. 
Das Volt ift um manches ſchoͤne Recht betrogen, von Seiten 
der Regierungen find manche Misgriffe, manche Werbrrhen ber 
gangen worden. Wärme man Das nicht immer und immer 
wieder auf! Predige man Eintracht, ftatt Haß und Mistrauen. 
Enthülle man jede Ungerechtigkeit und geißele jeden Böfewict, 
aber ohne Unterfchied, ob der Schurke von Adel ober ein Bir 
gerlicher if; und was ein Edelmann verbricht, rechne man n 
feinem Stande an. Zür Gnglaud befonders vergefie fein dor» 
tiger und Fein deutfcher Demagog, daß es vorzugsweile End: 
lands Barone find, die für Englands Freiheit gefämpft un 
geblutet, denen Albion, das mit Mecht ftolze, feine freieften Ir 
fitutionen dankt. Das Buch ift gut gefhrieben, enthält viele 
Wahrheiten, viel gefundet Raifonnement; aber ed ift und bleibt 
ein Pasquill, denn nur * hat die Feder des Verf. geführt, 
und wo er gerecht ift, ift er ed, weil ed geradehin unmbglid 
war, das Recht in Unrecht zu verwandeln. Dennoch fol De 
mit der Verf. nicht ein vorjäglicher Pasquillant heißen 
bat fich in feinen Irrihum hineinfudirt, und was er fpreibh 
mag feine Überzeugung fein. Nach ihm ift jede Ariſtorꝛan 
der Fiuch, Demokratie das Heil jedes Landes. Wer beit 
diefelbe Meinung begt, braucht das Buch nicht zu Tefen- 
würde doch dabei beharren, lehrte es auch das Segen E 


VBerantwortlier Heraudgeber: Heinrich Wrodjans. — Drud und Verlag von F. SF. Wrodyans in Leipsis- 





— — 


Blätter 


für 


literatifde Unterhaltung. 





Dienflag, 


21: Juli 1846, 





Johann Georg Scloffer. 


(Börtfegung aus Nr. 201.) 


Freilich war auch Schloffer kein Oxthodoxer im. 


Einne der damaligen Theologie, auch nicht einmal im 
Einne der Heutigen möchte er ein wahrer. Chriſt ge- 
nannt werben; aber ihn befeelte in Wiffenfhaft und 
Leben, in Wort und That die tieffte Religiofität, und 
es bezeichnet die ganze Richtung feines Lebens, baf, wie 
er feine fchriftftellerifhe Laufbahn mit einer Schutz⸗ 
ſchrift für das Chriftenthum gegen den Deismus, bem 
„Anti⸗Pope“, begann, er diefelbe am Ende feines Lebens 
mit einem Auffag religiöfen Inhalte für immer fchloß. 
Charakteriftifch find diefe beiden Schriften noch dadarch, 
daß fie durch einen langen Zwiſchenraum getrennt, den An- 
fang und das Ende des Ganges feiner religiöfen Entwicke⸗ 
lung während eine® ganzen thätigen. Lebens bezeichnen. 
Auch hier fehen wir den Weg aus den Wirrniſſen 
und dem Dunkel zur Klarheit und zum Kicht, wie feine 
Seele und feine Lebensſchickſale ihn zu gleicher Zeit gin- 
gen. Wenn der Juͤngling im erſten Verfuche die Glüd- 
\elgteit einen heiligen, beleidigten Namen nennen Eonnte, 
jo ift über diefe legte Arbeit des Greifes: „Die frohen 


Feſte“, der Schein milder getröfteter Heiterkeit ergoffen.. 


Er weiſt von fih mas die mürrifche Askefe aufgebracht 
und findet die freudigfte Feier des Chriften in den Feſten 
des Herzens, die er begehen Tann, überall wo Gottes 
Boden ſich ausdehnt, wo: feine Gebete, feine Hymnen, 
jäne Opfer nicht der Priefter noch der Altäre noch fäu- 
lengeſchmuͤckter Tempel bedürfen. 

Schloſſer hat fich nie mit Dem begnügt, was er 
duch feine Weife zu philofophiren, Beobachtung ber 
Denfhen im Einzelnen und im üÜberblick der Weltge⸗ 
(dichte, an Erkenntniß und praftifcher Erfahrung errun- 
gen hatte, vielmehr war er der Anfıcht, dag dem Men⸗ 
Iden Etwas abgehe, das durch Philofophie nicht zu er» 
ſehen ſei. So bekannte er ſich auch in religiöfen Din- 
gm zu einem gewiffen Myſticismus, freilich in einem 
andern al& dem heute gebräuchlichen Sinne. Wer wagt 
ed, fragt er, zu behaupten: daß, weil er feiner Anfchau- 
ung des Uberfinnlichen fähig ift, auch kein Anderer fie 
haben könne? Nur hängt die fubjective Wahrheit folcher 
Anfhauungen von dem Bemußtfein ab, durch welches 


Organ fie dem Myſtiker zugefommen find. Iſt er fich. 


bewußt, eine folche nicht blos buch ben Weg der Phan- 
taſie gehabt zu haben, fondern durch einen untrüglichen. 
über ben natürlichen erhabenen Weg. ber Erkenntnif, 
und ift fein Leben der Anfhauung gemäß, fo barf Nie 
mand ihm biefelbe abftreiten. 9, wenn Gartefius 
fogt: Kann unfere Vernunft uns betrügen, fo bat Gott 
uns betrogen, fo beißt Das für Schloffer: Wenn unfer 
Gefühl uns betrugen fann, fo hat Gott uns betrogen! 

Seine Conftruction des Bottesbegriffs und des goͤtt⸗ 
lihen Wirkens ift wefentlich teleologifch begründet und 
rein moniſtiſch. Gegen die pantheiftifche Anſicht, daß 
das Weltall, ungefähr wie Geift und Körper beim Men- 
fhen, den Grund feiner Entftehung und Zufammenftim- 
mung in fih babe, macht er den freilich nicht eben 
fhlagenden Einwand geltend: daß ber Menſch dann als 
Theil des Ganzen ſich fühlen müffe und kein Bewußt⸗ 
fein der Selbftändigkeit haben könne; 'er müßte fogar 
ein Mitgefühl mit allem Dem empfinden, was im Um⸗ 
fang der Welt- und Himmelstörper gefhieht. So geht 
er in feinem Eifer für die Perfönlichkeit und Uberwelt⸗ 
lichkeit Gottes fo weit, dem Spinoziftifhen: „Gott ift 
das unendliche Weltall” (Deus est universum infinitum) 
ein: „Bott iſt der unendliche Dienfch“ (Deus est homo 
infinitus) entgegenzufeßen. 

Die Schöpfung ftellt ſich Schloffer als eine unend- 
lihe Harmonie vor, die er in einem entzudten Dithy- 
rambus als das AU der Welten feiert, durch die Kraft 
der Natur und die Liebe zufammengehalten, beide Kräfte 
aber von dem ewigen Schöpfer, der alle Dinge von 
Ewigkeit her fchon ale bloße Möglichkeiten mußte, ge- 
tragen und gelenkt. 

Diefe Harmonie, welche für die Erkenntniß des Men- 
ſchen überall deutlich hervortritt, iſt aber auch für feine 
Einfiht der letzte Zwed der Welt; ob aber dieſe Har⸗ 
monie, welche er im „Eutyphron“ nach griechifcher An⸗ 
ſchauung die Pepromene nennt, wieder ihren Zweck er- 
fülle? gehört unter die unbekannten Länder auf der Karte. 
des Wiſſens. 

Nach eben diefem „Eutophron‘ befteht barin, daß ber 
Menſch in feinem Kreife die Harmonie erhält, feine 
Gottſeligkeit, und Alles, was er zu. diefem Ende thut, iſt 
Gottesdienſt. Das Auge ber Gottheit hängt mit Liebe 
an.ber Harmonie bed Als: ſollte es nicht mit gleicher 


% * 
Ss 


Liebe auf dem Menfchen ruhen, ber mit warmer Seele 
die Harmonie genießt, die er über ſich erblickt oder die 
er in ſeinem eigenen Kreiſe ordnet? Und hier öffnet ſich 
dann gleich der Troſt des Gottſeligen; denn, wenn er in 
Dem, was für ſeine Harmonie wichtig iſt und die gött⸗ 
liche nicht ſtort, ſich nicht länger helfen kann: ſollte bie 
Gottheit dann nicht thun, mas ber Meiſter feinem Schü⸗ 
ler thut, wann feine unfichere Hand den Meifel nicht 
richtig lenkt? Ihm wird die Hülfe nicht fehlen. Aber 
auch ebenfo naturgemäß, wie das Auge ſich [chließt, wann 
Etwas fih ihm naht, oder wie wir die Hände ausftreden, 
warn wir im Begriff find zu fallen, wird dann das 
Gebet aus feiner Seele hervorbrechen. Deshalb ift 
auch nur das inftinctmäßige Gebet ein wahres Gebet. 


„Ber ſich erſt fragen muß”, läßt er feinen Soßrates im 


„Eutyphron“ fagen, „ob bie Götter ihn erhören können und 
wollen? läuft Gefahr, mehr ihnen Etwas abfchmeicheln 
als ihre Hülfe erflchen zu wollen.” Nicht minder fchön 
als kurz und wahr ift die rechte Weife bes Gebets an- 
gedeutet, wenn der griechifche Lehrer das Gebet der. Spar- 
taner: „Mache mich tugendhaft, dann glücklich!“ nur fo 
lange weife nennt als fie felbft der fpartanifchen Tugend 
getreu bleiben. nr 

Auch hier kommt er auf die Ermartung des Lebens 
nad) dem Tode zurüd, und wie er bei feiner teleologi- 
ſchen Anfiht Feiner philofophifchen Begründung bedurfte, 
fo fpricht er offen aus, daß dieſe Erwartung für ihn 
das Kennzeichen weber der Wahrheit noch der Unwahr⸗ 
heit trage und geradezu zu den Dingen gehöre, bie er 
nicht wiffe. Die Anftalt mit dem Menfchen aber er- 
feine ihm zu groß für die Furze Zeit feines Lebens; 
fodaß er glaube, bie Harmonie bes Ganzen müfle eine 
"große Lüde haben, wenn der Menfch bienieden feine 
ganze Beſtimmung ausgefüllt Habe. 

Aber felbft über das Wie diefes künftigen Lebens, 
glaubte er, laſſe fi mit großer Wahrfcheinlichkeit aus- 
fagen, und bier fand er felbfl unter feinen Freunden 
Zeine Anhänger, an Anbern, 3. B. an Herber, heftige 
Gegner. Und wirklich Liegt auch Nichts dem ganzen 
modernen Bewußtfein der Welt entfernter als bie von 
ihm vertheidigte Lehre von einer Wanderung der Seelen. 
Er hat zwei Gefprähe zum Schug feiner Lehre gefchrie- 
ben. und wußte wohl, welchen Widerfpruch er finden 
würbe, weshalb er auch feinen Gegner geradezu fagen 
läßt: „Iſt's möglich, dag der Mann, der immer feinem 
bloßen Menſchenſinn fo treu gewefen ift, der feine ganze 
Philoſophie blos auf den Menfchenfinn gefept hat, ſich 
durch den Unfinn blenden laſſen konnte?“ 

Zwei Gründe follen vornehmlich feine Hypotheſe un- 
terftügen. Beweiſe find fie ihm felbft nicht. Wer hat 
aber auch je von Hypotheſen Beweife gefobert? Genug 
wenn keine Erfahrungen ihnen entgegenftehen und tau- 
fend aus ihnen fi erklären lafien. Dur die Wande- 
zung fol im Großen erreicht werben, was an Erfahrung 
in diefem Leben im Kleinen gewonnen wird, andererfeits 
Tann die Ungleichheit aller Dinge im irdiſchen Dafein 
durch fie volllommen ausgeglichen werben. Wenn ber 


zum Menfhenfinn zurüdzuführen. 


Menſch ausgewandert hat, dann liegt fein großes Tage⸗ 
bud) offen vor ihm. Alle Bilder ruhen nur, ſchlafen, 
find verdeckt, die in einer Form da waren; aber der 
Hauptzug der Hypotheſe ift der, daß alle biefe künftig, 
wann die Seele ausgewandert hat, vielleicht wieber er- 
wachen, mit ihrer ganzen Lebhaftigkeit wieder. erwachen, 
und «der Menſch, duch alle bie Erfahrungen hindurch⸗ 
gegangen, dann erſt ganz iſt was er ſein ſoll. Selbſt 
mit der Lehre vom Verdienſt der Erlöfung getraut ſich 
Schloffer feine Hypotheſe vereinigen zu können. Bir, 
wenn alle die Seelen, bie vor Teut und Afteroth, Ju⸗ 
piter und Dſiris fi) beugten, in andern Körpern bie 
Bunden anbeteten, die fie erlöfen ſollten? Dann aud 
ferner: Didy habe ich angenommen, heißt es, did) ver- 
worfen. Warum verworfen? Weil ich 'molltet Das 
fei ferne! Weil du noch nicht reif bift, noch nicht auf 


‚gewandert haft. 


Ale Religion ift entweder felbft gefunden, ‚auf dem 
in ber Vernunft gegründeten, fittlihen Vermögen br: 
ruhend, ober von Gott empfangen. Sie follte die Men- 
Then in der großen Lehre von der Unfterblichkeit, ber 
ewigen Dauer ber Menfcheneriftenz, unterrichten: in ber 
Weisheit, Dimmelsleben an Erdenleben zu nüpfen; in 
der Kunft, ohne aufzuhören Menſch zu fein, doch mit 
Sehnſucht fi nad) einem beffern Leben zu erheben; auszu⸗ 
gehen aus dem Körper und in männlihem Gottesbienft, 
in gefühlten Gebeten, in andäctigen Hymnen, ſchon mit 
Gott und höhern Geiftern zu leben. Die Religion if 
Moral des Himmelslebens; aber Meinlich die Anſicht, 
welche fie für einen ZTroftgrund ausgibt, der ben Unter⸗ 
fchieb der Stände und des Vermögens erträglich mache. 
Sie ift vielmehr der Tegte heilige Anker, den felbft der 
Despotismus fchonen muß. 

Über die Wahrheit einer geoffenbarten Religion ent- 
ſcheidet das unmittelbare Bemwußtfein, die Empfindung 
allein; aber da fie felbft nur individuell fein Tann, iſt 
fie Niemandem aufzubringen. Den Glauben kann Keine 
geben. Auh wenn Chriftus Den verdammt, ber nidt 
glaubt, fagt er niht: Wer den Thathandlungen nidt 
glaube. Man darf es alfo von der Lehre verſtehen. 
Wer aber diefe nicht annimmt, ber ift wirklich verbammt, 
db. 5. unfelig, denn durch ihre Befolgung allein Tann dem 
innern Menfchen immer wohl fein. Er hat ſich übrigend, 
wie er felbft gefteht, nie darum befümmert: ob Chriſtus 
eine neue Religion habe bringen wollen; oder vielmehr: 
er bat Das felbft nie geglaubt. Er ift nur immer über 
zeugt geweien, daß Chriftus in die Welt gekommen ſei, 
thells um geheime und unergründliche Zwecke auszufüh- 
ren, theils aber um den menfchlichen Geiſt, welcher nach ben 
Patriachen eine fehr üble Wendung genommen battt, 
Schloffer bedurfte 
nur eines Geiftes, ber die alte, ewige Religion, das alte 
ewige Verhaͤltniß zwifchen Gott und ben Menfchen fe 
ner Seele verfündigte. Das that ihm Chriftus, und 
baran hatte er genug, um in den weniger reinen und 
weniger glüdlichen Augenblicken feines Lebens fich oben 
zu erhalten. 








807 


Aber von Biefem Chriſtenthum hat er auch bie er- 
habenfte Überzeugung: Wer auf ber höchſten Stufe bef- 
felben ſteht, in dem will Gott wirken, ber fol nie un- 
erhört beten und Wunder thun, ihn follen die Schlan⸗ 
gem nicht vergiften und das Feuer nicht brennen. Mur 
dem Scheine will er niemald trauen; niemals möchte 
er mit Gewißheit fagen, ob Chriſtus im Herzen ober 
ob er in der Phantafie lebe, als nur da, wo des Pro- 
felgten ganzes Leben Mannesleben war. 

Bitter berührte ihn der wachſende Unglaube feiner 
Zeit, den ex überall fehen mußte, und in feinen zerflo- 
senden Wirkungen auf die Bande des Staats, der Ge⸗ 
jelfhaft, der Familie tief beklagte. Aber er erklärte 
ihn aus der Schuld der Theologen und Priefter, ber 
Theologen duch ihre Erklärung, Paraphrafen, Commen⸗ 
tare. Hätte man das einfache Chriftenthum gelaffen, 
fo wäre Niemand fo boshaft geweſen, feine willkommenen 
Berheifungen zu bezweifeln,: am wenigften aber mürben 
ſich die bedeustendften Männer in die Reihe biefer Zweif- 
lex geftellt haben. Die Gelehrten haben Chriftum zum 
Sophiften gemacht. Aus Religion ift Gelehrfamteit. ge» 
worden. Es muß mehr fein als ein Compendium, was 
Petrus von feinen Negen, Nathanael von feinem Fei- 
genbaume rief. So ruft er denn über diefe Theologen: 
Hear! du haft Jeruſalems Tempel zerbrochen: zerbrich 
auch die Pagoden unſerer Schriftgelehrten! 

Aber den Erleuchtern feiner Zeit räth er, wenigſtens 
ſo lange zu warten, bis alle Menſchen reines Herzens 
genug find, um reine Köpfe zu tragen. Der Sag: La 
verite ne doit pas craindre le grand jour, der Wahl- 
ſpruch der halben Philofophen, ift ihm thöricht. Wir wiffen 
ja Nichts mit Gemwißheit, Alles ift nur Wahrfcheinlich- 
fit. Man darf aber beiweitem nicht fagen: La vrai- 

semblance ne doit pas craindre le grand jour. Jedoch 
will Scloffer die unfchädliche, nüpliche Wahrfcheinlich- 
keit davon ausgenommen wiffen ; fogar der nügliche 
Bahn farm gelaffen werden, fo lange man nichts Bef- 
fered an feine Gtelie zu fegen hat. So verweift er 
kurz die Aufklärer mit ihrer Predigt an Solche, welche 
ein Bebürfnig haben, mit beſſern Wefen als Jene zu 
leben, und feine Organe befigen, um die Sprache beffe- 
ver Veſen zu verftehen. 

Von der Macht der innern Wahrheit felbft erwar- 
tet et und ihre überläßt er die Läuterung Defien, was 
einer folhen bedarf. Am allerwenigften fcheint ihm ein 
Religiongebict zum Schutze der Symbolifhen Bücher 
nöthig, wenn nur einige Glaubensartifel die fichtbare 
Kirche zufammenhalten, da die Glieder der unfichtbaren 
fo zerfireut auf Erden find. 

Die Vriefter tragen den andern und vielleicht grö- 


bern Theil der Schuld an dem Berfall der Religionen. 


As das Band, durch welches früher alle Wiffenfchaften 
zu dem einen Zwecke ber menfchlidhen Glückſeligkeit ver- 
bunden waren, zerriß, da trennte fich zuerft die Politik, 
indem fie Alles auf Einen einfchräntte, flatt für Alle 
da zu fein; dann auch die Theologie. Was Despoten 
mit Gewalt errangen, das fuchten fchlauere Prieſter 


durch Lift und Trug zu gewinnen. Gine aufgeflätte ' 
Nation gibt keinem Priefter Gewalt. Die Religion ift 
feine Zuchtmeiſterin; fie fol die Ausficht auf das fünf. " 
tige Zeben erhalten, nicht diefes Leben verdunkeln. Wenn 
man den Schuhmadjer, der in die Zunft will, vor allen _ 
Dingen fragt: was er von Bott haltet ehe man ihn fragt: 
was er von ben Schuhen halter fo ift es unvermeidlich, 
daß der Artikel von Gott Zunftartitel werde. i 

So war denn das ewige Heiligthum des Menfchen- 
geſchlechts, die höchfte Idee der menfchlichen Vernunft“ 
und das Geſchenk der Gottheit den unfeligften Händen 
zum Bewahren vertraut; grübelnder Werftand mätelte 
und befferte an jener ewigen Idee, und die Segnungen 
und Verheißungen jenes Geſchenks floffen nur durch 
bie unlautern Hände feilee und herrfchfüchtiger Men⸗ 
fhen. Aber auch der Dienft jenes Heiligthums und 
feine wahren Zempel zerfielen. Aller Cultus hat 
die Abficht, was die kalte Vernunft gedacht hat von 
Bott und feinem Willen, von der Gemeinfchaft mit 
ihm und feinen Heiligen, in das warme Herz überju- 
tragen. Mor, feinem Gott fnien, in feinem Namen 
fegnen, mit der heiligen Weihe befprengen, kann jeber 
Halbſinnige, Halbwarme, fodaß e6 übergehe in das Herz; 
aber reden, daß es hinübergehe: weld ein Kopf gehört 
Dazu, welches warme Herz in dem Redner, welche Men- 
ſchenkenntniß, Sprache, Geift, eigenes Gefühl! 

Wer will Schloſſer's fhöne Träume von Gottes- 
dienft und Prieſter tadeln, wenn er dieſe ermahnt: 
„Wenn ihr das Volk zufammenruft, fo fegnet’s; wenn 
es von felbft kommt, fo predigt. Seht ihr Einzelne, 
fo redet freundlich mit ihnen!” 

Ja, den Mangel einer eindrudsvollern Liturgie in 
unferee Kirche mußte Schloffer fo fehr beklagen, das 
Würdige derfelben mußte er fo fehr vermiffen, daß er ein- 
mal halb fcherzend, halb aber in bitterm Ernft ausruft: 
„Das Wenige, was wir noch von Religion haben, fcheint 
durch den beſchwerlichen Ernſt der Stabdtgeiftlihen er- 
halten zu werben!’ Uber es war ihm begreiflich, daß 
die Frivolität bes Menfchenlebens Spott auf alle For- . 
men werfen mußte; und er kann ſich der ſchrecklichen 
ung nicht erwehren, daß die Zeit nahe fei, wo bie 

tür eines Einzigen an die Stelle der Form kom⸗ 
men, und der Stirn, bie fi des Baretts ſchaͤmte, das 
Siegel der Schande aufdrüden wird. 

&o litt der edle Mann an den Schmerzen ber Zeit, 
die, nach den Pindar’fchen Liede, über dem Gefchlecht 
hing, „des Lebens Gang verwirrend”. „Aber mit Frei» 
heit ift zu helfen auch Dem, und ber Mann arbeitet 
beffern Hoffnungen zu.” Auch er hing befferer Hoff- 
nung nad), und wenn auch zumeilen der Unmuth ihn 
an Allen verzweifeln ließ, fo hörte er doch niemals auf, 
mit männlicher Freimüthigkeit den Wirrniffen entgegen- 
zutreten, — mit einer Freimüthigkeit, die er vielleicht heute 
theuer bezahle hätte, heute, nad) mehr als einem halben 
Jahrhundert, nachdem mir den Bendepunft einer gro» 
fen Zeit gefehen haben. 

In fhlimmen Stunden freilich Tiebte er, fich in bie 











reine Notur und in das. beffere Laub der Phartaße 1 e 
fluͤchten. Mit feinem Freunde Rouſſeau fehnte er & 
zurüd in ein Zeitalter patriarchalifcher Einfalt, wo Nie- 
mand mehr wußte ald er wiſſen mußte für fein Haus, 
wo aber Zeder mit ganzer Seele liebte was in feinem 
Haufe war, von bem Weibe dad an feinem Bufen lag, 
bis zu bem Lamme bas.auf bem Graſe ſpielte. Ihm 
wäre der Weg ber Natur, wie ihn Oſiris lehrte: Brot 
fen und Wein trinken, und bie übrige Zeit mit den 

ufen vertanzen. Aber die Cultur! Sie follte Ausar- 
beitung unferer Kräfte zu unferer Glückſeligkeit fein, 
und fo entftand die Wiffenfchaft der menfhlichen Glück⸗ 
feligteit, welcher alle andere Wiffenfhaften und Künſte 
untergeorbnet ſind. Mit dem goldenen Zeitalter ift dieſe 
Wiſſenſchaft, mithin alle andere, zerfallen; und fie muß- 
ten zerfallen, weil fie Stückwerke waren, weil Nichte fie 
zufammenhielt als die zufällige Laune, weil fie feinen 
großen, die Menſchheit angehenden Zweck hatten. Ja, bie 
Cultur! „Aus dem Monarchen, der wie Gott Nichts ge 
nießen follte als feiner Majeſtät und des gloreichen 
Werkes feiner Hände, bed Dankes feiner glüdlichen 
Voͤlker, wurde nun ein bübifches Idol, dem die Knechte 
des Hofes unfere Weiber, unfere Kinder, unfere Häuſer, 
unfere Ernte, das Felt der Erde und jeden Segen un- 
‚fers Fleißes opferten.” Selbft die Künftler ſah Schlof- 
fer unmännlichem Treiben dahingegeben; die Dichter. fün- 
gen mächtigen Thoren Baffenlieder, und die Grazien ber 
Maler waren Buhlfchmweftern geworden, um bie entnery- 
ten Begierden unferer Midaffe zu kigeln. 

Wenn nun Schloffer audy fah, daß die Wiſſenſchaf⸗ 
ten, wie er ſich ausdruͤckt, zu feiner Zeit wieber anfın- 
gen fih nah ihrem Drient zu drehen: fo fürdjtete er 
doch von dem ullmächtigen Despotismus der Großen, 
der engherzigen Eitelkeit, der trägen Nichtswürdigkeit der 
Kleinen und der kalten Gleichgültigkeit der ſogenannten 
fhönen Geſellſchaft, für dieſe wachſenden Keime ein ſchmaͤh⸗ 
liches Verkümmern. Denn, was iſt Aufklaͤrung, das 
ſo viel ausgeſprochene Wort, das ſo oft gemisbrauchte, 
‚von dem damals die Welt zauberiſche Löfung zum Licht 
und zum Heil erwartete? Diefe Trage beantwortete 
Schloffer feinen philofophifchen Grundfägen getreu da- 
bin, daß fie eigentlich das Merk der Philofophie felbft 
fei, nämlich viele Begriffe zu geben und dieſe zu berich- 
tigen. Sie muß jeden Begriff der Dinge, ihre Ver⸗ 
hältniffe, Urfachen und Folgen fo geben, wie fie wirklich 
in der Natur find. Aber da muß er denn ſogleich wie⸗ 
der die Klage ausfprehen, dag man verkehrt die Auf- 
Märung an ber Theologie anfang. Man follte viel- 
mehr bei der Politit beginnen, denn bie erſte Sorge des 
Menfchen ift für feinen äußern Zuftand, und das halbe 
Leben ift verloren, wenn Freiheit verloren if.” Die Po— 
litik muß lernen die Menſchen leiten, wohin Weis— 
heit und Gerechtigkeit fie geleitet wiffen wollen; aber 
eine unaufgeklärte Politik wird rufen: Marche! und glau- 
ben, fie ginge. 

(Der Beſchluß folgt.) 


iterariſche Notizen aus Frankreich. 


Die Bearbeitung griechiſcher Txagödien. 
Die Wiederbelebung eines ber ergreifendften Iyenterftüde 
des Alterthums bat die Aufmerkfamkeit des Publicumd wieder 
auf die hervoxragenden tragifchen Dichter der Griechen gelenkt. 
Die Kamen Aſchylos, Sophokles und Euripides find jegt in 
Kreiſe gebrungen, denen fie bisher ziemlich fremb waren. 
Es erfcheint deshalb als eine ebenfo zeitgemäße wie dankens⸗ 
werthe Urbeit, wenn fih einige mit den Claſſikern vertraute 
Gelehrte die Aufgabe ftelen, die bedeutendften tragiſchen Dig: 
— der Alten durch angemeffene Übertragungen in bie fran- 
che Literatur einzuführen. Unter ben verſchiedenen Verſu⸗ 
(hen dieſer Art, welche in jinate Zeit gemacht find, beuterken 
wir folgende Bearbeitung: „La gr&ce tragique. Chefs-d’oeurvre 
d’Eschyle, de Sophocle et d’Euripide‘, von Leon Haldoy, dem 
Bruder des befannten Eomponiften. Die Auswahl, welche bier 
eboten wird, umfußt den „Yrometheus‘ des Afchplos, Sopho- 
es‘ „Giektra‘' und den Guripideifchen „Hippolytus“, von de 
nen das letztere Stüd für Die Franzoſen beſonderes "Intereffe 
gewährt. Die Überfegung felbit ift in Berfen, deren Fluß und 
Abrundung Wenig zu wünfchen übrig läßt. Wenn cin Gedicht 
durch Übertragung in eine fremde —8 verſchiedene Form 
eingezwängt werden ſoll, kann es nicht fehlen, daß die eigent⸗ 
lie Farbe des Driginald an vielen Stellen verwilcht und der 
Sinn zuweilen einer leichten Verbrehung ausgefegt wird, und 
Stoff zu manchen Fritifhen Ausſetzungen gegeben werden muf. 
&o darf man denn au in Bezug auf die vorliegende Arbeit die 
Hoderungen ber Treue und Eritifchen Strenge, wenigſtens mas 
die Einzelheiten betrifft, nicht zu hoch fpannen. Die Anmer: 
den Erläuterungen und literarifchen Andeutungen, welde 
fih zum Theil auf Vergleichung der mitgetheilten Dichtungen 
mit ähnlichen Eompofitionen beziehen, find zwar nicht fonderlig 
tief, aber im Allgemeinen mögen fie wol dem Bebürfnif dejeni: 
gen Publicums, fir daß die ganze Arbeit berechnet ift, genügen. 





Der Berein für franzöſiſche Gefchichte. 

Was der Wirkſamkeit der einzelnen hiſtoriſchen Vereine 
in der Regel fo hemmend in den Weg trat, war die Unmoͤg⸗ 
lichkeit oder doch Schwierigkeit, durch einen geregelten fortlau: 
fenden gegenfeitigen Verkehr eine gemeinfchaftliche Thätigfeit 
zu begrunden.. In Deutfchland ift eine Wereinigung und ein 
Ineinandergreifen fo vieler bisher vereingelter Kräfte baduch 
angebahnt, daß fi die „Zeitſchrift für Geſchichte“, welche 
duch die Gediegenheit ihres Inhalts täglich mehr Raum 
gewinnt‘, zur Aufgabe gefeht bat: durch eine kurze Darlegung 
Deffen,, was bie berfchredenen Vereine für die Zörberung der 
hiftorifen Wiſſenſchaften leiften, einen Mittelpunkt für biefe 
bisher ifolirten Kreife zu erſtreben. Auch in Frankreich wird 
etwas Ahnliches vorbereitet, indem der Minifter des Unterrihtd 
Befehl gegeben bat: durch eine fortlaufende Berichterſtattung 
bad gelehrte Publicum von den Arbeiten der einzelnen wiflen: 
fhaftlihen Gefellfhaften, deren es in Frankreich eine Unzahl 
gibt, in Kenntniß zu ſetzen. Unter dieſen Vereinen verdient 
die „Societ& de lPhistoire de France“ befondere Beachtung . 
Diefelbe bat ji durch die Behandlung wichtiger hiſtoriſchet 
Punkte ſowie durch die Herausgabe intereffanter Quellenwerke 
um die Geſchichtsſtudien hervorſtechende Verdienſte erworben. 
Einen Überblick uͤber einen Theil der Arbeiten, welche dieſe ge: 
lehrte Geſellſchaft in Anſpruch genommen haben, gewinnt man 
durch das „Annuaire historique pour Pannée i846“ welches 
von dem bezeichneten Vereine beſorgt iſt. Dieſes pifterifce 
Taſchenbuch wird nämlich durch ein kurzes Refume ber Arbei⸗ 
ten eröffnet, welche in den fruͤhern zehn Jahrgängen enthauen 
find. Außerdem enthaͤlt es noch eine Kortfegung der von 
tion entworfenen Aufzählung der Erzbijchöfe und Biſchoͤfe * 
Frankreich, ſowie eine Fortſetzung des alphabetifchen Berzeil 
niſſes der chriſtlichen ſchluß folzä. niſſes der chriſtlichen Biſchöfe von Maslatriee von Maslatrie. 


Verantwortlicher Herausgeber: beinrich BroEbanus. — Du und Veriag von F. ®C. Brodbans in Leipil: : Beinrich Brockdaus. — Drutk und Verlag von J. &. Srockbaus in Leipig. 








B l aͤtter 
für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch, 


Johann Georg Schloſſer. 
(Beſchluß aus Nr. 2.) 

Demnach gehört Schloffer nicht zu den Freiheits- 
ſchwindlern: feine politifhen Anſichten waren bie Folge 
reicher Erfahrung und veifer Überlegung. Er wollte 
Rihts umflürzgen, nur warnen, rathen, beffern, unb war 
fo in feinen Beftrebungen mit edeln Männern wie Mo- 
fer und Möfer verbüunde. So war er dem Platon’fchen 
Ausſpruche getreu: daß ein rechtfchaffener Bürger, fo 
lange er Hoffnung habe, daß er nicht vergebens rebe, 
rathen und reden müffe, wenn ihm die Regierung mis- 
füllt; aber er dürfe nicht mit Gewalt diefelbe ftürzen 
wollen; und da, wo fie nicht anders als mit Blut, Tod 
und Vertreibung gebeffert werben konne, müffe er ſchwei⸗ 
gen und für fih und ben Staat die Götter um Gnade 
bitten. Und fo hat er denn auch in dem Auffas 
über den Teidenden Gehorfam (Vorrede zu Platon's 
Briefen, 1795) nur die Grenzen bezeichnen wollen, in 
denen der weife Mann fih zu Halten hat, wann die 
Drdnung und die Sicherheit im Staate untergraben 

And; wann Gefahr, ift, daß Lärmende Demagogen bie 
Freiheit zugleich, mit der Regierung in ben Staub tre- 
ten; warn Philofophen für zu kühne Ideale ſchwaͤrmen 
und das Volk zu tief geſunken ift, um ſich felbit zu 
retten. Ihm follte fi Alles von innen heraus neu ge- 
Ralten: der Reife des Volkes, der Nation felbft über- 
lieg er das Werk der Wiedergeburt; doch follte fich nicht 
ein freieres, glüͤcklicheres Geſchlecht aus der Afche des 
vergangenen erheben. „Athmet nicht fo viel nach Frei- 
heit", konnte ex deshalb an G. Forfter fchreiben, „ehe ich 
Etoff im Volke fehe, wollte ich e8 immer in der alten 
Brühe laſſen.“ Er möchte felbft an der Verfaffung eines 
Staats ohne die höchfte Noch Nichts ändern, aber an 
den Fürften und an ihren Dienern wüßte er fehr Vie— 
les zu beſſern. Auf den legten liegt aber die größte 
Laft der Schuld am Unheil der Tage. Die unerfahre- 
nen Jüngfinge und mit ihnen den kurzſichtigen Pöbel fragt 
e: Barum fchreit ihr immer über Könige und Fürften, 
umd nicht lieber über Ihre Diener und Raͤthe? Wie fol 


auch nur ber Fürft Alles bis ins Kleinſte verfolgen ! 


innen? Des Rathes, des Dieners Pflicht iſt es, den 
Weg aufzuräumen, daß Jener Nichts zertrete. Darum 


follte ‘der Fürſt auch würdige Diener wählen; fie ehren, : 


— Nr. 203, — 


22. Juli 1846. 


lohnen, ihnen vertrauen, aber wann ſie dies Vertrauen 
misbrauchen, ſie ſtrafen als wenn ſie ſein Leben ange⸗ 
griffen haͤtten. | 

Die Welt ift die Schule der Fürften: warum wird 
fie. ihnen verfchloffen? Immer im Glanz bes Hofes, 
was fehen fie da von der Welt? Der Adel macht im- 
mer Kreis um das Fürftenkind; und wird es Mann, fo 
bleibt es in dem Zirkel eingezaubert. Die Lanbftände 
folten Organe des Volkes zum Herrn fein, nun find fie 
Organe bes Herrn zum Volke geworden. Ohne fie gibt 
es kein dauerndes Glück bed Landes. Zwar kann ein 
ungebundener Fürft ſchnell gute Anftalten treffen; aber 
oft folgt ebenfo ſchnell eine dunkele Nacht auf den Blig 
bes Guten, ober diefer verfengt mehr als daß er leuchtet. 
Wo aber der Adel die Kandftände ausmacht, ba ift die 
Laſt des Volkes zehnfach feier gegen den Staat, wo 
gar Feine find. | 

Ferner find ihm die flehenden Heere ein tiefer Scha- 
den des Staats. Wo fie find, iſt Bürgerfreiheit un- 
moͤglich. Man follte fie, nach Sully, an der Kette hal⸗ 
ten wie den Hofhund. Der Soldat foll zuerft Bürger 
fein und wieder Bürger werben, wann er aufhört, Sol- 
dat zu fein. : Aber man foll nicht gleich zu viel fobern, 
mur dann erft weiter gehen, wann Früheres abgethan 
ift und im naturgemäßen Fortgange nun. ein Anderes 
an die Reihe kommt. Man foll nicht auf einmal glüd- 
lich fein wollen; auch im fittlichen Leben ift es der Menſch 
nicht auf einmal. Den menfchenfreundlichen Fürften- 
flürmern tritt er mit der ernften Mahnung, die freilich 
für uns wunderlich genug Blingt, entgegen: „Wie fobert 
ihr an Fürften, daß kein Unterthan leiden fol? Seht 
ihr nicht Gottes Eiche zerfplittern durch Gottes Blitz ? 
Er Hatte es aber auch fonft mol ausgefprochen, und ge 
wiß ift e8 wahr: Billigkeie ift Tugend bes Privatmanns, 
oft Tugend bes Richters, immer Schwachheit des Geſetz⸗ 
gebere. Uber er will nicht etwa dem bemüthigen Leiden 
und Gehorfam, dem refignirenden Beugen zu den Füßen 
bes Höhern das Wort reden: daran ift bei einem Manne 
wie Schloffer nicht zu denten. Er fühlte in fi ben 
ganzen Stolz des Menfchen und des Mannes, und. wenn 
ihm-auch die Majeftät- des Regenten eine heilige war, 
fo war ihm nicht minder ‚heilig, ja eingebrüdt von: Gott 
son Ewigkeit Her, die Mafeftät des ehrlichen Mannes. 


810 " 


Nicht einmal eine patria potestas, gefchweige eine herilis 
‚fol der Regierung zugeflanden werden, fonft bleibt der 
Regent in allen Fällen Gentrum und zwar Centrum 
wie die Spinne in ihren Polygonen. Die Regierung 
muß, nur wenige Fälle ausgenommen, an ber Hausthür 
bed Bürgers ſtillſtehen. 

Solche Befinnungen waren es, bie er als Predigten 
für Die, welche über ihm waren, und zur Aufklaͤrung 
des Volkes über gewiſſe politifche Begriffe, in einer 
Menge von Schriften ausfprah. Anders, glaubte er, 
laſſe dem Volke fi nicht beitommen: nur fo koͤnne ein 
wahrer Gemeingeift erweckt werden; und er zitterfe ba- 
vor, daß berfelbe eher erwachen möchte, ehe es mit jenen 
Begriffen im Reinen fei. 

ir fahen, wie gemäßige Alles bei Schloſſer iſt umd 
lets im Bereiche des Böglichen liegend. Aber wenn 
er auch gern mit ben XZräumen einer fchönen feligen 
Zukunft fi trug, fo wollte er boch Beinen idealen Staat 
für die Welt, wie ex fie kannte; und beshalb dürfen 
manche Sonderbarfeiten, wie fie zuweilen die vernünftige 
Proſa feiner Berbefferungsvorfchläge unterbrechen, uns 
mie Recht befremden. Er hatte fi ein Mittel ausge 
dacht, wie es dem Wolfe möglich werben könnte, feinen 

; zu einem guten Begenten zu machen. Gr will 

ies nicht etwa durch eine Fünftliche Staatsverfaflung 
erreichen, fondern durch etwas Ahnliches, wie bie ägyp- 
tifchen Tobtengerichte, das durch die Trauerrede auf ben 
verftorbenen Fuͤrſten erfegt würde. Es müßte in bem 
Zünftigen Landesherrn Achtung vor feinem Volke er- 
wedt werben, indem ber Redner verpflichtet wäre, ben 
Einfluß darzulegen, welchen ber Charakter, bie Sitten 
und das Betragen befjelben auf die Handlungen bes 
Vorgängers gehabt habe. Ä 

In nicht weniger baroder Weife wünſcht ex, daß 
die guten Schriftfteller die Cenſoren der fchlechten wer- 
den mögen; daß fie Alles ftreichen follen, was nad 
Uinekdotenjägerei und Pasquillen fchmedt, was gegen 
die Megenten, Gefege, bürgerlichen Anftalten, Gerichte, 
Berwaltung, geoffenbarte Religion gefchrieben if. Um 
aber das Publicum für bie Unterhaltung, welche es etwa 
derliert, zu entſchaͤdigen, ſollen die Cenſoren daſſelbe von 
Zeit zu Zeit mit Begebenheiten aus der Vorzeit unter- 
halten, welche auch für die Gegenwart ihren Nugen ha⸗ 
ben. Man wäre verfucht, dies Alles für Scherz zu hal⸗ 
ten, werm nicht ber Gruft bald nachkäme. Er fürchtet, 
daß, wenn bie i er ſich nicht ſelbſt controliren, 
die Schriftſtellerei und das Journalweſen bald irgend ei⸗ 
nem: Polieeicommiſſarius unterworfen werde! 

&o wenig wie er ſich zu utopiſchen Hoffnun⸗ 
gen von einem idealen Staate bingab, ebenfo wenig 
kann er fiy denken, daß von einer beflimmten Staats- 
form das Blu eines Lanbes abbänge. Gr ſah ja auch 
wicht, Haß irgend eine Regierungsform ben Bürger mehr 
eis eine andere beglückte: fie litten ja alle an gleichem 
Verderben; keine war Das, was fie fein follte, und er 
buefte in bie Klage ausbrechen: | 

Mir haben in Deutſchland Feine Freißaaten mehr, weil 


der Mangel bürgerlicher Zugend die, welche wir hatten, durqh 
ewige Bänkerei abhängig gemacht hat; wir haben keine Mon 
archien mehr, weil die Ehre geerbt wird, und Die, welche fie 
nicht geerbt haben, nur bis auf einen vom Monardyen fehr 
entfernten Grad fleigen Bönnen. 

Bern nım bie Form an ſich Nichts ausmacht: Was 
iſt es denn, das, unabhängig von dieſer, über jeden 
Staat, feine Regierung fei eingerichtet wie fie nur mag, 
waltet und ben Gliedern deffelben ihre bürgerliche Ruhe, 
ihr bürgerlihes Glück, ihren bürgerlichen Werth gibt! 
Diefe Frage hat Schloffer ebenfo wahr als ſchön beant- 
worte. Zwei Dinge find es, die den Staat bewegen: 
Weisheit und Gewalt. Was aber ift es, das die Weis 
heit immer weile, die Gewalt immer genügfam erhält? 
Was Anderes ald die ewige Gottheit der Alten, die fo 
viel beleidigte, fo oft vergeffene Göttin Aedos: Furcht 
vor den Göttern und Ehrfurcht vor den Menfchen, jene 
erkannte Göttin, die nie Altäre hatte und fie vor Allen 
haben follte, die nie Prieſter hatte und deren Prieſter 
die Könige fein müßten, die Confuln, die Archonten und 
unfere Fürften, Bürgermeifter, Rathsherren, Landvögte. 
Aber von DOften nach Welten und von Süden nach 
Norden find alle ihre Tempel verftört auf emig! 

Aber bald follten die Verhältniffe, auf welche feine 
Reflexionen fich bezogen, ganz anders werden. Die Re 
volution mit ihren Schredien kam ihm unerwartet, feine 
Seele erfchütternd, fein Denken lähmend. Er dachte 
nie daran, daß bie Vertheidiger von Menſchenrechten, 
welche fie nicht Fannten, fiegen würden, aber er ſah 
endlofen Jammer dem blutgetränkten Lande entfleigen. 
Seine Stimme mußte hier verhallen; nur feinem Freunde 
Forſter ſchrieb er in dem Iegten Briefe, den ber eble 
auch von ihm nicht erfannte Mann von ihm empfing: 
„Berreißen Sie nicht bürgerliche Bande, ehe fie von ſelbſt 
brechen. Flaminius warf bie erfte Kette um den Halt 
des trefflichen Athenervolkes, als das räuberifche Rom 
es frei machen wollte. Rom ſelbſt flürzte jähen Fallet, 
als Marius die Nechte der Menfchheit predigte.” Und 
als nun endlich fogar Ludwig’ Haupt gefallen wat, 
ſchrieb er an Jacobi: „Es ift niederfchlagend, in ein zeit. 
alter gefallen zu fein, wie das unſerige!“ Alles wat ihm 
jegt zumwiber; jebe Befchäftigung bringe ihm Bilder dei 
Schreckens; und nicht Philofophie, fondern nur der Glaube 
an bie göttfihe Vorſehung Hält ihn aufrecht. Gr malt 
über folhe Schreden nicht einmal weiter denken. 
darüber philofophiren möchte, kommt ihm fühllofer * 
als der Zergliederer, der ein lebendes Wephöpf zerſchue 
det, um in dem Klopfen feines Herzens, in ben Zuckun 
gen ſeiner Muskeln nach neuen Erfahrungen zu ſuchen 

Der große Riß in das Band der Menſchheit we 
ibm ein Riß in das Herz. Selbſt das Zutrauen Im 
das (henbild Gottes im Menfchen hat er ver 
Wenn er fieht, dag ein Volk, mo es feine angebote 
Rechte geltend macht, nicht im Stande ifl, biefelben 
mit einiger Weisheit und Mäpigung zu gebrauchen 
deutet ihm Dies für bie Nachtommen auf nog DEU 
dere Anarchie oder auf ewige Seiavevei. Ihm 





| 


su 


nicht vergoͤnnt, bie Löfung ber WBerhälmiffe zu erleben. 
Bäre es ihm vergoͤnnt gewefen, fo hätte er nicht wie 
fo mandyer Andere eine biftere Taͤuſchung zu beklagen 
gehabt. Er Hatte ja nie gehofft, aus diefer Nacht bie 
Freiheit der That und bed Gedankens geboren zu fehen. 
Doch würde er die Morgenvöthe derfelben, wie fie mit 
em Hauch eines frifchern geiftigen Lebens aufgeht, mit 
Freude begrüßt haben. Und doch war fein Leben ein 
güdliches: glüdlih, weil fein Genius ihn diefe Bahn 
führte. Ein ganzer Menſch, im volllommenen Gleich⸗ 
gewicht der beiden Naturen ſich auslebend, tft er felbft 
in feinen Irrthümern achtungswürdig — und welder 
Eterbliche wäre frei Davon! —, denn fie entfprangen nur 
daraus, daß er im Drange ber DBegeifterung zuweilen 
die Stimme bes kalten Verſtandes nicht hören mochte. 
Wir dürfen ihn glüdlich nennen, denn er gehörte zu 
den feltenen Geiſtern, die ein ſchoͤner Weltpatriotismus 
für das große gemeinfame Vaterland beſeelt, daß fie 
wilig der ewigen Linie des Menfchengefchledhts den klei⸗ 
wen Punkt der eigenen Eriftenn zu opfern bereit find. 
Er durfte im Rückblick auf fein Thun und Wollen mit 
dem Bewußtfein aus diefem Leben gehen: jene Harmo- 
nie, die der große Megierer der Welt trägt und erhält, 
ah in feinem Kreife gewollt zu haben; und fo fonnte 
w nach feiner gläubigen Überzeugung feine fernere Be- 
fimmung getroft in die Hände beffelben niederlegen. 
3. Zittmann. 





Geſchichte der kurhanoverſchen Truppen in Gibraltar, 
Minorca und DOftindien, von E, von dem Knefe- 
bed. Mit zwei Plänen. Hanover, Helwing. 1845. 
Gr. 8. 1 Thlr. 15 Nor. 


Unter die vielfach ſich kundgebenden hoffnungsreichen Zei: 
Gen eine erwachenden deutfchen Rationatbewußtfeins ift ficher: 
lich and) das fat bei allen deutfchen Bolksftänmmen bemerkbar 
werdende Beſtreben zu rechnen, bie Geſchichte der Priegerifdyen 
Grofthaten der Vorfahren dem Dunkel der Bergeſſenheit zu 
entziehen. Freilich iſt die Befchichte der Briegerifchen Großtha⸗ 
ten ber Deutſchen eine vielfady zerfpaltene, und leider find ge» 
rade bie durch bie Urglift des Wuslandes angefachten Bruder: 
Ei in welhen die Deutſchen ſich Jahrhunderte lang gegen 

9 zerfleiſchten, oft am reichſten an den hehreſten Beiſpielen 
or Heldenmuths, unerſchuͤtterlicher Standhaftigkeit 
und wüberteefflidyer kriegeriſcher Tugenden. Uber gie no 
m dieſer beklagenswerthen Ausartung find ſolche Büge d 
wine loſtbare Keime, um jenen edeln Stolz, jenes Selbſtbe 
wußtfein aufblühen zu laffen, ohne welches eine thatkräftige 
Baterlandsliebe nicht gedacht werden Tann, denn Nichts liegt 
näher als die wehmuthsreiche Frage: „Welches Wolf würben 
wir fein, wäre die Hälfte jener Sroßthaten in Kämpfen für ein 
einiges, gemeinfames deutſches Baterland geübt 

‚ flatt in —S Zerfleiſchung oder im Dienſte des 
r 





in 


Kt, daß Des iipfntab 





nachſtehen. PB. 
jener 400: pfurzheimer Bürger bei bp: 


fen, jener der bairifdgen Ä GSendling als ein 
minder heroiſcher zu begeichnen fei, als jener des Leonidas Bei 
Ihesmopplä ober der Heiligen r bei Chaͤronea Mar «6 
nit eine Untwort voll Romerſtolz, die der fächfifche Major 
vom Landwüft, als er in der Gchlacht von Iena nach beiden: 
müthigem Widerftande ſchwer verwundet und gefangen vor Ra- 
poleon geführt, Diefem auf die Anrede: „Ihr Kurfürft ift zu 
beneiden, wenn er viele fo brave Dffigiere wie &ie in feiner 
Armee zähle!” mit den Morten entgegnete: „Er wäre zu be⸗ 
bauern, wenn er deren nicht befiere hätte.” Wo wäre ein Roͤ⸗ 
mer in edelfchönerer Weiſe geftorben als der hefiifche General 
von Goͤrz zu Rheinfels? Und findet die Heldenthat des franzö- 
fifhen Generals Dernier (1811) zu Almeida nicht ihr glorrei- 
es Borbild ‚in jener des hanoverſchen Generals von Hamer⸗ 
fiein gu Menin (1794)? Und weldye Bilder des: Heldenmuthes 
Inupfen fi an die Kamen: Stromberg, Labyzyn, Veteranifche 
Hehle, Maiborghetto und Penbil u. f. w. und an die Zahlen 
1804, 1813 u. f. w.! 

Aber welche taufendfache Menge foldher Züge mag auf im- 
mer ungefannt der ewigen Bergeffenheit verfallen fein! theils 
durch den natürlichen Berlauf der menſchlichen Dinge, theils 
aber aud, weil nur zu lange in unfeliger Verblendung ber Sinn 
und Begriff des Selbftwerthes in Deutfchland wie ım Todes⸗ 
fhlafe befangen war, oder aud die engherzigften Rüdfichten 
ale Veröffentlichung nationaler Gefchichte zu hindern trachtete, 
und mithin das Volk um fo mehr fich verleitet fand, dem al- 
ten innern Erbübel zu folgen und der Bergötterung fremder 
Scheingröße fi) hinzugeben, weil ja jede Kunde des bethätig» 
ten eigenen wahren Werthes ihm entweder gänzlich vorenthal⸗ 
ten blieb, oder in einer fo trodenen Weife des Kanzleiftils Er⸗ 
wähnung fand, daB dad Gemüth unmöglich davon erwärmt 
werden Sonnte. ®) 

Darum aber ift um fo erfreulicher jenes, wie erwähnt, überall 
wahrnehmbare Streben, diefem Übelftande durch kriegsgeſchicht 
liche Monographien noch zur elften Stunde abzubelfen. Schon 
Bieled und Gediegenes diefer Battung bat die deutſche Mili⸗ 
tairliteratur aufzumweifen, und es ift hoͤchſt erfreulich, daß auch 
im: banoverfchen Bruderlande diefer Sinn erwacht zu fein ſcheint; 
denn feit mehr als anderthalbbundert Jahren haben die bano- 
verfgen Krieger nicht nur überall, wo fie kampfthätig auftra- 
ten, die glänzenbfte Tapferkeit, die ruhmwuͤrdigſten kriegeri⸗ 
fen Zugenden beurbundet: fondern auch öfters und nament- 
U während des Giebenjährigen Krieges ein entfcheidendes Ge⸗ 
wicht in die Wagſchale der Creignifle gelegt. Zwar hat das 
vorliegende Werkchen zunaͤchſt nur ſolche Eoifoden ber han 


bauern bei 


*) Als wahrhaft daffiih in dieſer Weziehnng‘ it 5.8. bie Ein⸗ 
leitung zu Strieder's, Grundlage zur Milttairgeſchichte bed land⸗ 
graͤftich heffenstafelfhen Gorp6” (NEE) zu bezeichnen, indem fie mit 
den Worten andebt; „DOhne dem Ruhme anderer Wölter zu nahe 
zu treten, darf man kuͤhn behaupten, daß in einer Galerie muthi⸗ 
ger Krieger den Heffen ein ehreuder Play zu vergönnen iſt. Von 
jeher, aud da, wo man fie no Katten nannte, Tämpften fie mit 
Sapferkeit und Treue‘; umb welde mit den Worten ſchlleßt: „fies 
tiſche Einkleidungen fehlen bier gang und bleiben Denen &berlaft 
fen, bie Hikorifhe Daten biöweilen nur zu bichteriſch aufſchmuͤcken, 
und wogu befonber& die milttairifhen am wenisften geeignet zu fein 
feinen. Weitläufigkeit, die unter Anderm auch in Erzählung 
mander Lebensumfiände hätte angebracht werden koͤnnen, ift 
durcbaus verntieben.” Diefe Bufiderung iſt denn auch von dem 
Berf. auf das trenefte erfällt worben,, fobaß jenes Werk, obwol ums 
entbehrlich für den heſſtſchen Geſchichtäforſcher, doch als ein vollens 
detes fleifchs, fafts und markloſes Gerippe erſcheint; und doch Sag ihm 
In einer Fuͤlle von Tagebuͤchern und amtlichen Vernehmungen alter 
Krieger über ihre Krlegälaufbahn ein Material zu Grunde, wie es 
lebentvoller kaum iegend ein Welt aufzuweiſen vermodt haben mag, 
welches Material jedoch leider während ber weſtfaͤliſchen Ufurpationds 
periode unter Anberme auch aid Patronen⸗ Packpapier faſt voltändige 
Vernithtang etfuhr. 


812 


Kriegbgefchichte zum GBegenftande, worin Heinere Ab⸗ 
theiflungen der banoverfüen Krieger lediglich als Soldtruppen 
in dem Interefie Englands Pämpften. Der durch die Zwiſtig⸗ 
keiten Englands mit feinen amerikaniſchen Golonien erzeugte 
außerordentlihe Truppenbedarf hatte nämlich Anlaß gegeben, 
daß das englifhe Minifterium im Zuli 1775 fünf Bataillone 
Sanoveraner in Sold nahm, um durch foldye die von den Be: 
fagungen zu Gibraltar und Minorca nach Amerika beftimmten 
Truppen zu erfegen; indefien enthielt fich hierbei der König 
von England eines jeden ald Kurfürft von Hanover zu machen: 
den Gewinns, denn er ließ allen Vortheil unge rzt jenen 
Zruppenabtheilungen zufliegen. Zuſammen nicht völlig 2400 
Mann ausmachend, wurden folche am 5. und 6. Det. zu Rige: 
büttel auf 17 Zransportfahrzeugen eingeſchifft, erfuhren jedoch 
theilweife im Berlauf ihrer Reife das eigenthümlihe Misge⸗ 
fi, welches auch fpäterhin die a » Deutfche Legion auf 
ihren Seefahrten Bertofgte. Die für Gibraltar beftimmten drei 
Bataillone Reden, Hardenberg und La Motte fanden hingegen 
dafelbft um fo mehr die freundlichfte Aufnahme, als ber zweite 
Commandant, General Boyd, die Züchtigkeit der hanoverfchen 
Truppen im Laufe des Siebenjährigen Kriegs ald Augenzeuge 
und Kampfgenoffe hatte Bennen und achten lernen. 

Der weitern Erzählung der ihnen bafelbft gewordenen Er: 
lebniffe und ihrer Theilnahme an der ewig denfwürdigen Ber: 
tHeidigung unter Elliot gegen die Angriffe der ſpaniſch⸗fran⸗ 
zöfifhen Kriegsmacht liegen hauptſaͤchlich die ſchon 1788 von 
Scharnhorſt in feinem „Neuen militafrifhen Journale” veröffent: 
lichte Darftellung und ein 1785—89 im „Hanoverſchen Maga: 
zin“ abgedrudtes Tagebuch des Auditeurs Friedrich zu runde. 
In das Einzelne hiervon einzugehen, liegt zwar nicht in unfe 
ver Abſicht; indeflen Fönnen wir es und doch nicht verfagen, 
wenigftens das Zeugniß mitzutheilen, welches der Helb Elliot ih: 
nen in Anerkennung ihres vühmlichen Verhaltens gab: weil, 
da die Engländer gewöhnlich ebenfo wenig wie die Franzoſen 
fi geneigt zeigen, fremdem Verdienſte Anerkennung zu zol⸗ 
len *), daffelbe nur um fo mehr als ein folches erjcheint, wie 
wol fchmwerlich irgend einer andern Truppe je ein ehrenvolleres 
zu Theil geworden fein möchte. Als nämlich der hanoverfche 
Seneraladjutant des Königs von England, der Feldmarfhall 
Freitag, in Folge höhern Auftrags Elliot erfuchte, diejenigen 
Offiziere und Mannfcaften der drei hanoverfchen Bataillone 
ramhaft zu machen, welche fih etwa einer befondern Auszeich- 
nung würdig ermwiefen hätten, entgegnete diefer unter dem 21. 
Juni 1783: „Es haben fih Er. Maj. Brigade banoverfde 
Aruppen von Anbeginn an mufterhaft betragen, feitdem aber 
die Beftung vom Feinde eingefchloffen worden, wäre an Geduld, 
Sehorfam, Disciplin, Wachſamkeit, Zapferkeit, Eifer, Kraft 
und Muth kaum jemals eine Truppe ihr gleichgekommen und 
ſolche ficderlih nie noch darin von einer andern übertroffen 
worden. Die lange Dauer des Kampfes habe ihr beftändige 
Gelegenheit gegeben, dieſe Priegerifchen Tugenden zu Bunften 
ihrer Freunde und zum Verderben ihrer Beinde zu bethätigen, 
und um ihre großen Thaten noch mehr auszuzeichnen, waͤ⸗ 
zen: fie begleitet gewefen von milder Gefittung und der liebe: 
vollften Fürforge, ihren Kameraden in der Roth beizuftehen. 
Da jeder Einzelne bei jeder Gelegenheit fo vorzüglich den ihm 
in feinet befondern Stellung zufommenden Dienft verrichtet 


2) Was unter Anberm auch von ber fo gerähmten britifhen 
Großherzigkeit zu halten iſt, darüber hat Ref. noch kuͤrzlich ſelbſt eine 
wenig befriedigende Grfahrung gemacht, indem alle feine Bemühen: 
gen erfolglos blieben, in englifhen Blättern einer Reclamation ges 
gen ein die heſſiſche Waffenehre verunglimpfended albernes Märchen 
Gingang zu verfhaffen, womit ein Hr. Butter feine Monarchin bei 
ihrem legten Beſuche in den fhottifhen Hochlanden zu unters 
halten beliebt Hatte. Und doch, wie viel bed Heffifhden Blutes 


J iſt im Intereſſe Englands vergeudet worben! 


habe, fo wolle er ſich nicht erlauben, irgend Seminnben beſon⸗ 
ders hervorzuheben, weil feiner Meinung nad) Alle auf ſoichen 
Borzug ein gleiches Recht beanſpruchen Fönnten und beöwegen 
im völligen Befige fo vieler unbefledter Ehre bleiben müßten, 
als irgend eine Truppe auf ber ganzen Erde. Jedenfalis müfe 
übrigens nothiwendig das ausgezeichnete Beifpiel des comman 
bivenden Generals de la Motte und der übrigen Offiziere als 
ein foldyes bemerkt werben, das fehr Vieles zu diefem außer: 
ordentlichen Verhalten beigetragen babe.” Hiermit nicht ge: 
nug, erwirkte fih Elliot auch noch die Erlaubniß des Königs, 
an alle hanoverfchen Krieger, welche jener Belagerung beige 
wohnt hatten, auf feine Koften gefchlagene filberne Bedailen 
vertheilen zu dürfen, deren eine Seite eine Anficht von Gibral: 
tar mit den ſchwimmenden Batterien und der Umfchrift: „Per 
tot discrimina rerum XII. Sp. MDCCLXXXIT”, die andere 
Seite aber die von einem Lorberkranze umfchlungenen Ramen 
Reden, La Motte, Lydow, Elliot, mit der Umfchrift „Bru- 
derschaft” enthielt. Aber auch daB eigene Vaterland ehrte feine 
Helden, indem der König verfügte, Daß jene Bataillone für 
immer die Benennung „Gibraltarſche Bataillone” und in en 
Bahnen u. ſ. w. hierauf bezügliche Sinnbilder führen, alle fort 
dienende Mannfhaft eine befondere Armellige mit dem einge: 
webten Worte „Gibraltar” tragen und alle jegt und in Zukunft 
penfionsberechtigt werdende Mannfchaft erhöhte Penfionsbezüge 
und beſonders formulirte Abfchiede erhalten follte. Ebenſo wur: 
ben fie bei ihrer im Detober 1784 erfolgten Rückkehr von Sei⸗ 
ten der Landesbewohner und namentlich in ihren Garnifons- 
orten mit ben größten Feierlichkeiten auf das ehrendfte umd 
feftlichfte empfangen. Die 1SU3 erfolgte Bertrümmerung dei 
kurhanoverſchen Staats führte aber leider auch die Auftöfung 
jener Sibraltarfchen Bataillone und mit ihnen das Erloͤſchen 
jener rühmlihen Auszeihhungen herbei. Doch glüdlicher als 
in einem bald Darauf von gleichem Geſchicke betroffenen Rad: 
barlande fand der hanoverfhe Waffenruhm in den Zhaten der 
Englifchedeutfchen Legion ebenfo feine ununterbrochene Rortfegung 
als erneute glänzende Begründung. Erft der Neuzeit war d 
vorbehalten, den zwar unjchönen und wenig zwedimäßigen, aber 
durch die daran fich Enüpfenden ruhmreichen Zraditionen fo 
ehrenwerthen rvthen althanoverfchen Kriegerrock gänzlich ver⸗ 
ſchwinden zu machen, ja fogar, find wir recht berichtet, auch 
die mit fo vielem Blute erkauften &Schildzierden Waterloo, 
Peninsula, Venta del Pozzo, Garcia Hernandez u. [. w. zu 
tilgen. Wäre jened Opfer dem der deutſchen Bundeswehrar 
ftalt fo hochnoͤthigen Princip firenger Einheit und Gleihför 
migkeit gebracht worden, würde es gewiß freudig verſchmerzt 
worden fein, aber die bloß nachahmende Einförmigkeit leitet erſt 
auf weitumführenden trügerifhen Pfaden zu jener echten und 
heißerfehnten Einheit hin. Und vollends unwiederbringlic ift der 
Schaden, der durch Verwiſchung jener zumal in ber hanoper- 
ſchen Armee in fo finniger Weiſe althergebrachten*) Corpt⸗ 
auszeichnungen bereitet ward; denn jener edlere Gorpsgeift, der 
ſchon fo vielfältig zu rühmlichen Thaten angeregt hat, ſchlaͤgt om 
liebften feine Wurzeln und Ranken um ſoiche traditionnelle 
Sinnbilder ererbter Ehren. 


(Der Beſchluß folgt.) 


) Diefed ift 5. B. aus Wille! „Geſchichte der kurhanover: 
fhen Truppen“ zu erfehen, indem derſelde unter Anderm beriätel, 
wie auf einer an ber Standarte des erften hanoverſchen Gavolerir 
regiments befefligten Silberplatte das ruͤhmliche Andenken an ein! 
gemeinen Reiter (Dr. Graß) fih verewigt fand, der folde in einem 
Gefechte des Siebenjährigen Krieges wieder dem Feinde entriſſen, 
waͤhrend das erſte Bataillon des fiebenten Infanterieregiments ut 
Erinnerung an bie von ihm in Morea bewieſene Tapferkeit in ſer 
ner Bataillonsfahne bie Deviſe führte: 

‚Daß neuer Thaten Chre 
.Den alten Ruhm vermehre! 


———_ ee — — — —— 
Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockkans. — Druck und Verlag von F. WE, Wrodtens in Reipzis. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerdtag, 








Fürft Metternich und das öſtreichiſche Staatsfyftem. 
Ein Gutachten von A. 8. Sroß-Hoffinger. 
Zwei Wände. Leipzig, Ph. Reclam. 1846. 8. 
4 Thlr. 


Wiewol der Verf. feinen Namen und feine Schid- 
fale an mehr als einer Stelle auf eine gewiffe ſtarke 
Manier in den Vordergrund ftellt, fo glauben wir doch, 
daf diefe Principien des Buches fo genügend bekannt 
fein, daß fie einer befondern Bekanntmachung nicht be- 
dürfen möchten ; nach feinen unummunden bargelegten 
Anfisten müffen auch Perfönlichkeiten ihn nur unange- 
nehm berühren, felbft wenn fie ein Lob enthalten dürften. 
Dann aber ift die Sache felbft, die der Verf. zu behan⸗ 
deln fi, vorgenommen, befonders wegen neuerer, nad 
dem Erſcheinen der vorliegenden Schrift von der öftrei- 
chiſchen Staatsregierung ausgegangener Maßregeln, zu 
bedeutend, als daß man nicht allein ſchon ihretwegen 
eine jede Belehrung dankend annehmen müßte; und ein 
Wert von zwei Bänden muß doch voräusfichtlich nur eine 
* folhe enthalten. Gehen wir alfo fofort an dieſes felbft. 
Borsusgefäikt ift eine erfchütternde „Verwahrung ”: 


Drehende, raͤthſelhafte, jedes Herz beengende, die Muthig- 
ſten gerade mit Bangigkeit erfülende Erfcheinungen ftehen am 
politiſchen Himmel. Es ift als ob ein großes Garn im Dun» 
kel der Nacht, heimlich und ftil, unt die Geifter gezogen 
werden fol! Diejenigen, welche diefe Wahrzeichen beobachten, 
und deren Gemwiffen ruhig und furchtlos ift, fühlen doch einen 
yanihen Schreien für die Staaten, für die Gefellfchaft, für 
Ahron und Hüfte, Haus und Herd! Sollten fi diefe grauen⸗ 
haften Gefpenfter in wirkliche Gewalten verwandeln, — dann 
wid der Verf. feierlich eingeftanden haben, daß er dieſes Buch 
ım Irtthum feined Herzens gefchrieben, und daß es ein — 
willenlos — falſches und vergebliches fei. Der Verf. hat dem 

e gedient, wie er es in dieſem Buche verftanden hat, 
aber frine Hände find rein von jeder Theilnahme an Intentios 
nm gegen wahre geiftige Freiheit innerhalb des ewigen Sit 
tengefeged. Er betrachtet daher alles Ubel als Folge des Mis- 
brauch oder als bloße Proviforien der Staatönothivendigkeit, 
dem ein wuͤrdiger Zuſtand folgen müffe. Bliebe diefer aber noch 
langer aus, fo würde fein &ewiffen, Die einzige Gewalt, vor 
weicher er immer zittert, feinem Berftonde den Stab brechen, 
und ihn zu büßender Reue verurtheilen müffen. 


Diefe Berwahrung erregt fofort Bedenken wegen der - 
erwarteten Belehrung. - Denn dem Berf. iſt unzweifel⸗ 
baft an feinem Hetzen und. an feinem Gewifſen fehe viel. 


gelegen; aber mas geht uns Das an, wenn das erflere 
ſich geirrt hat, und das zweite ohne Verſtand geweſen 
iſt? Man verlangt nicht nach den flüchtigen Wünfchen 
ber Seele bes Berf., welche die Wellen des Lebens erweicht 
haben, nit nad dem „blutigen Schweiße ber Todes⸗ 
angft an feiner Stirne“, fondern nad) einem feſten Ur⸗ 
theile des Geiſtes, deffen Repraͤſentant der Verf. nur 
wäre. Aber leider! mir werben wol hiervon Nichts leſen. 
Denn glei am Anfange heißt es: „Es ift außer allen’ 
Zweifel, es herrſcht cin großer, un faßlicher Dualte- 
mus im oͤſtreichiſchen Staatsſyſteme; die widerſprechend⸗ 
ſten Principien find darin verbrübert; die Tendenzen lau« 
fen nicht alle parallel, fie durchkreuzen fi”; und biefen 
Dualismus, deſſen Weſen wir erſt Tpäter kennen lernen, 
„unter den Beſiechungen feines‘ Herzens” verſucht zu ha⸗ 
ben zu erklären, ſetzt der Verf. als eine Moͤglichkeit vor⸗ 
aus. In der That, das ift eine gute Sicherung ; wer 
tönnte dann fo gottloß fein, ben erften Stein zu heben? 
Indeſſen muß die Kritik Teider ſchon ſich diefer Rachrede 
verfehen; fonft müßte fie bier ein Ende haben. Der 
Verf. hat ihr nun aber gegen oder für ihn ihren wei⸗ 


teen Weg nicht leicht gemacht; denn es folgt ein 80 


Seiten langer Auszug aus der „Revue des deux mon- 
des” vom Jahre 1835, über die diplomatifche Politik 
bed Fürften Metternich in Bezug auf bekannte Vorgänge 
in der europäifchen Gefchichte, untermifcht mit Abenteuern 
und Anekdoten des feinen Salons. Das gehört doch aber 
nicht zum öftreichifchen Staatsſyſteme, welches erſt nad 
jenen Vorgängen ſich gebildet haben kann, indem biefe 
die Quelle bes öftreichifchen Staats geworden find. Dies 
fen Auszug kann alſo, wer es will, als einen Schmud 
bes Buches anfehen, der faft ein Viertel beffeiben abſor⸗ 
birt; denn auch in Bezug auf den Fürften Metternich 


ſoll es fi) nicht um deſſen europäifche Wirkſamkeit und 


Verhaͤltniſſe zu Napoleon, ſondern um die zum oͤſtreichi⸗ 
ſchen Staate und die Wirkſamkeit in dieſem handeln. 
Nah einem rhapſodiſchen und unerklaͤrten Übergange 
aber darüber, daß das oͤſtreichiſche Staatsfaften fidh des⸗ 
halb in „ein undurchdringliches Geheimniß für den ger 
meimen Volksverſtand“ hülle, weil „Iofeph’6 traurige, - 
feine Zeiten ewig fehändendes Schickſal ber öftreichifchen - 

Staatsevernunft eine fo furchtbare Warnung hinterlaſſen 
habe‘, fchreitet der Verf. Jur Würdigung jener. Erſchei⸗ 





N 
R * 
r 


nungen im öftreichifchen Staattwalten, welche dem Sy⸗ 
fteme zugefchrieben werden”. Bon ber Definition beffel-. 
ben fefen wir jedoch immer noch Nichte. 

Zu jenen Erfcheinumgen rechnet der Verf. zuerſt die 
geheime Staatspolici. Hier ſagt er, — die 


kuͤhnen Urtheite über. die gänzliche Berdorbenheit der Ge· 


genwart, welche ebenſo vielen Werth haben als entge- 
genſtehende optimiſtiſche, ſehr viele Wahrheiten, die theils 
über ein ſolches Inſtitut nicht ſchwer find zu ſagen, theils 
aber den unglücklichen Fehler haben, daß ſie uns über 
öftreichifche Zuftände nicht belehren. Dazu verhelfen nur 
Thatfachen, nice allgemkine Reflerionen, die nicht’ min- 
der für jeden Staat paffen, als fie. bei des Verf. Der- 
zend- und Gewiffensrüdfichten, und, wie er andermärts 
gefagt hat, feinen Träumen in politifhen Nächten, im 
höchften Grade, wie fie ſchwarz gefärbt etfcheinen — und 
Das ift tur zu häufig der Fall —, Verdacht zu erregen 
im Stande find. ‚Der Verf. fchließt diefen Abſchnitt mit 
der „frommen liberzeugung, daß Fürſt Metternich an 
jeber ungehörigen Policeipraxis ſchuldlos fei”. Da. har 
ben wir freilich fehr viel erfahren; wir wiflen nicht ein- 
mal, ob Scherz; oder Ernſt. 

Sodann gibt der Verf, auf 20 Geiten aus eigener. 
Conception ein Genfurgefep. Sollen wir Das bier wie. 
der cenfiren? Gott bewahre uns davor! Der Verf. hat 
eine eigene Leidenfchaft für Geſetgebung, ber er in fei- 
nem „Ungarifchen Portefeuille” am ausführlichften genügt 
hat: Sein mindefter Fehler ift aber babei nicht der Zwei⸗ 
fel bei feinen Beftinmungen. So heißt $. 1 feines Cen⸗ 
furgefeges: „Zum Amte eines Eenfors find nur jene Ge- 
lehrte tauglich, welche als Schriftfteller bereite Ausge- 
zeichnetes (in welcher Gefinnung? man pflegt bie loyale 
zu witnfägen) geleiftet haben’; und bie Gefinnung kommt 
wirklich nach: es follen nur „wohlgefinnte Schriftſteller 

mit"Amtern und Sinecuren der Genfur belieben werben. 
Auch dieſes Capitel ſchließt der Verf. „ohne zu unter 
ſuchen, ob die öftreichifche Cenſur fo ift, wie fie nicht fein 
ſoll⸗; et behauptet nur: „daß fie nicht ift, wie fie fein fol, 
und zwar gegen den Willen und das Syſtem bed Zür- 
ſten Metternich. Diefer Staatsmann hat ber Eenfur im- 
mar die humauſten Rathfchläge ertheilt: feine Schuld if 
es nicht, daß fie niemals befolgt worden. find.” 

Ebenſo beforgt, den Fürſten als ein fernes, reines 
und erhabenes Weſen barzuftellen, als eine Art Gottheit, 
die hinter trüben Wollen im reinen Ather thront, ift 
der Darf. bei bes Erörterung des öftrfichifchen Finanz⸗ 
foftems: „Das ganze europäifche Creditſyſtem ift Nichte 
alb eine koloſſale Bettugerei, nur das öftreichifche ift wür⸗ 
dig und redlich.“ Und worauf gründe der Verf. dieſes Ur⸗ 
theit® Auf Verfügungen ber Regierung aus den Jahren 
1806 mb 18101 Der Verf. ſcheint nicht zu willen, daß 
in jener Zeit alle deutſchen Megierungen, auch in wiel hö⸗ 
bern Dingen als ber Finanzpolitik, zu ihren Unterthanen 
ſehr redlich und fehe offen waren. Welche unbedachte Ur⸗ 


theile ber Verf. aber in ber Hige feiner Leidenſchaft dufert, 


zeigt unter Anderm das über bie engläfche Staatoſchuld, bie 
es einen „factiſchen Bankrote nennt. Was ift denn ein 


' 


844 


Bankrott Anderes, als ſelbſt ſchon eind Thatſache? Bon 
einem factifchen Banfrotte zu reden ift demnach foviel 
als etwa von einer natürlichen Natur ober einen menfch- 
lichen Menfhen. Zur Reblichkeit der öftreichifchen Fi⸗ 


nanzverwaltung gehört auch nach dem Patente vom 26. 


Sehr. 1810 die Einzichung der liegenden Gründe ber ge- 
fammten Geiftlichkeit, um ſich einen Reichthum von Real⸗ 
hypotheken zu verfchaffen. Diefes Capital wird mit ei- 
ner efftatifchen, unverftändlichen Definition ber Juden 
seichtoffen : 


Was find die Suden!?? Ein einziger, Gedanke des Wolfe: 
mistrauens! Ein einziges Weltereignig! Die That eined Wahn: 
finnigen+ Ein falfches Gerüht! Eine einzige Weltcabale! Ein 
einziges größes Ungluͤck! Eine einzige Welttäufchung! 

Nun folgt eine Erörterung über die „‚gewaltfame 
Niederhaltung der Intelligenz” in Oftreich, welche aber 
nur eine Folge des Misbrauchs des Syſtems bes Für- 
ften Metternich. fein fol. Weshalb? erfährt man nidt. 
Man foll dem Verf. lediglich glauben. Das Syſtem 
tritt noch immer nicht aus feinem Ather hervor; dagegen 
geht es den „unverftändigen, übelwollenden Dollmetichern 
deſſelben“, den Beamten, fehr fchleht. Sie find an A 
lem Schuld; der Fürft weiß von Nichts. Iſt das eine 
Entſchaldigung für ihn? Ober Heißt es nicht auch: wie 
der Herz, fo die Diener? Jedoch follen diefe Bemerkun⸗ 
gen nur den Verf. daran erinnern, wie ungefchidt man 
werden kann, wenn man in einer öffentlichen Schrift 
fein Herz und fein Gersiffen und nicht feinen Verſtand 
zu Rathe ‚zieht, wie ber Verf. wol koͤnnte, wenn er nur 
nicht bei feinen Werken ſich felbft zu fehr mit intereſſi⸗ 
ven möchte, 

Nun geht: ed wieder ind Allgemeine hinein, auf bie 
Literaten los. Kaum bat man aber zwei Seiten darin 
gelegen, kann der Verf. doch nicht unterlaffen in den 
Spiegel zu fehen, um zu unterfuchen, wie er fi unter 


dieſer „Deute” ausnimmt. Da erfcheint er dem alt 


ein reuiger Sünder, und legt ein fürmliches Günden- 
beienntniß ab. Was geht und das aber an? Aber mie 
gehört Das zum Fürſten Metternih und zum öͤſtreichi⸗ 
fchen Staatöfofteme? Glüͤcklicherweiſe iſt ung der Cha⸗ 
rakter des Verf. gleichgültig; aber für ihm iſt er freilich 
von Nugen, denn feine Offenbarungen füllen immerhin 
eine ‚ziemliche Zahl Seiten. Ben ſich gebt der Berf- 
auf die Oppofition über, ob mit oder ohne Abſicht if 
nicht zu entnehmen, und fagt: „Wenn man einen Kaͤm⸗ 
pen der modernen Dypofition auf, fein Gewiffen fragt: 
Kunz! was ift das Syſtem der Oppofition? fo antwor⸗ 
tet Kunz naiv und enffchloffen: Es befteht darin, gegen 
alle Maßregeln der Regierung zu opponiren. Wenn 
aber die Negierung etwas zum Beften bes Baterlande? 
unternäßmie? Ich opponire! Wenn fie liberale Conceß 
fionen madyt? Ich opponire. Wenn fie thut, was du 
wit Hm — ich opponire!“ Der Verf. fegt him: 
„Das ift das Syſtem unferer Intelligenz.” Es iſt wahr, 
e6 gibt leiden eime ſolche Oppofition; daf fie es abe! 
gleich der ganzen deutſchen Inteiligenz, daß dick Rig⸗ 





885 
gie das Wert „anfeee” auf bie öffteidhffher Aber Die ſfahruchen Kenbengentz und —; Börtt: dort m 


vermag ja nicht einmal fo wohlmeinend zu opponiren, wie | wir faſt fagen — hierher rechnet ſich „der öſtreichiſche 


„Dr. Groß + Hoffinger, der NVerfaffer diefes 
iſt der große Titel, den der Verf. fich ſelbſt gibt) in feir 
wen „Adler“ verfacht bat. 

Das Syſtem, diefes große unbekannte Ding, verlangt 
von ber Intelligenz motaliſche Principien und Tenden⸗ 


zen; und biefes zu beweifen gibt der Verf. einen 20 


Seiten langen Auszug aus einem engliichen Journale, 
worin eine weitläufige Berechnung von Perfonen vor- 
fommt, Die in Schottland oder England gar nicht oder 
unvollkommen ober gut lefen und fehreiben koͤnnen, und 
in der Hauptſache ber Grundfag ausgeführt wird: daß 
die Erziehung auf Religion fi gründen müffe; und 
dann wird vom Verf. birzugefegt: „Ich glaube mid 
nicht zu irren, daß in dieſer Erörterung alle Gedanken 
des öftreichifchen Syſtems ausgefprochen find.” In der 
That, folches Verfahren ift, abgefehen von dem uralten 
Grundfage der Volksbildung auf der Bafıs der Reli⸗ 
sten, den fchon die aͤgyptiſchen Priefter anwendeten, theil® 
die größte Sottiſe auf das’ öftreihifhe Staatsſyſtem, 
theild die größte Frechheit und Nichtachtung vor dem 
deutfehen Publicum, einen englifchen Kiteraten zum He- 
bel des Verftändniffes zu nehmen. 

Nach diefem kommt die politifche Dichtung in Deutfch- 
land an die Reihe. Ihr wird Schuld gegeben, daß wir 
fo wenige liberale Preßgeſetze Haben; und „wäre Zürft 
Metternich minder liberal denkend gewefen, hätte er eine 
Yolitit des Schreckens oder ber Angſtlichkeit befolgt, 
auch jene wenigen wären nicht zu Stande gefommen; 
denn ohne Zweifel hat Fürſt Metternich auf die Maß—⸗ 
regeln ber deutfchen Regierungen, in Betreff der Preſſe, 
einen mächtigen, entfchiedenen Einfluß ausgeübt”. Alſo 
dem Fürften legen die deutfchen Megierungen zuvor ihre 
Weßgeſede zur Begutachtung vor; ihm, von dem der 
Verf. an vielen Stellen ſagt, daß er in Oſtreich nicht 
einmal Alles regiere? Wer es glauben will, dem mag 
es unberomimen fein; bewiefen ift Nichte. 

Rachdem die Intelligenz dringend anfgefobert ift, ei⸗ 
nen Gott und einen Staat anzuerkennen, worauf auch 
Fürft Metternich fie gewiß anerkennen werde — die In⸗ 
telligenz ſchmachtet bereits darnach —, fommen Auszüge 
aus Boſſuet, Fenélon und Blair, in denen von Alexan⸗ 
der dem Großen, Brutus, den Tarquinen und Caͤſaren 
u.f.w. die Rebe if; wozuk um die Renfung ber Dinge 
duch Bott zu bemeifen. Das mar freilich für Metter⸗ 
nid und das öftreichifche Staatsſyſtem ſeht nöthig aus⸗ 
einanderzuſetzen. 

Auf dieſe göttlichen Excerpte und ein, Zwiſchenſpiel 
won der ausgewanderten Intelligenz aus Oſtreich, folgt 
eine graͤuliche Schilderung bes ‚armen Literaten“, und 
dis Gegenfap die „Einraͤumung eines ſtillſchweigend pri- 


gezeichnete Fähigkeit, die wahrhaft rebliche und menfchen- 
fteundfihe Gefinnung, welche Band in Hand mit ber 
Bernunft niemals ausasten: kaun zu. wicklich ſtaatege 


, ihnen zu hell gewordene 
vilegirten Zuftandes, nad) dem Syſteme bes Fürften | den 
Retternich, für das wirkliche berufene Talent, bie aus- ß oben” Gleiheol war er dm Bergleide mit 5 

es eine 


andere Truppe in einem Kachbarlande g 





uchs“ (das |. Publiciſt Dr. Groß - Hoffinger, der Verfaſſer“ felbſt, 
nachdem er in feinem Suͤndenbekenntniſſe fi ber 


„frivsien Ungebundenheit aller Gedanken” augeſchul⸗ 
bigt, und fein Walten in Oſtreich als eine „Bußer 
hierfür erklärt Hat! Es wird mol umnöthig fein, noch 
ein Wort —— 

Die religisſen Bewegungen in Deutſchland konnten 
in der oͤſtreichiſchen Monarchie Peine Sympathie finden, 
weil „das berrfchende Staatsfyitem offene Angriffe auf 
bie Staatsreligion unterdruͤckt, dabei aber ber Gewiſſens⸗ 
freiheit des Volks Feinerlei Zügel anlegt”. Nun wiffet 
wir doch wenigſtens, was die religiöfen Bewegungen in 
Deutihland find: offene Angriffe auf die öftreichifcge 
Staatsreligion ! 

Nach einer Apoſtrophe an die „Menfchen bes Jahr⸗ 
hundert, den Geift Israel's, deffen die Kraft und das 
Reich und die Herrlichkeit fei”, kommen abermals bie 
verderblihen Wirkungen der Staatspolicei zur Sprache, 
und dann die Idemificirung des Syſtems mit der Per- 
fon Metternich's, ohne diefe Perfönlichkeit anders Als 
eine milde und verföhnende zu bezeichnen ; ber Fürft if 
ein „Pfeiler der heutigen Welt". Weshalb aber, und 
wie, erfahren wir nicht; genug, daß es da ſteht. 

" (Der Beſchluß folgt.) 


Geſchichte ber kurhanoverſchen Truppen in Gibraltar, 
Minorea und DOftindien, von E. von dem Kneſebeck. 


(Beſchluß aus Nr. 2.) 


Den nad Minorea entiendeten beiden Bataillonen Prinz 
Ernft und Gofdader war indeffen ein ungleich weniger günftie 
ges Geſchick beſchieden geweſen. Der bafelbft befehligende Ber 
neral Murray hatte nämlich verfaͤumt, die Inſelveſte @t. W 
lipp angemeſſen mit gefundem Lebensbedarf zu verſchen. WB 
daher im Auguſt 1781 ein ſpaniſch⸗franzöſiſches Heer dieſelbr 
überrafchend einſchloß und eine zahlreiche Flotte jede Scever⸗ 
bindung abſchnitt, drach ſehr bald der Skorbuk unter der au 
jenen zwei hanoverſchen und zwei engliſchen Bataillonen uud 
einigen Marinetruppen zufammengefehten Befabung aus. und 

e in einer ſolchen Weife, daß fie in deu lepten Zagen des 

anuars 1782 bis auf 2BU Dienftfähige zufammenfihmelz. In 
Folge deſſen fand fih Murray genöthigt, am 3. Febr. eime 
Eopitulation einzugeben, wonach die Befagung die Waffen 
fitedden mußte, ſedoch unter .der Bedingung, bis zu erfolgter 
Auswechfelung nicht weitere Rriegsdienfte zu thun, nad Eng⸗ 
land gefchafft wurde. Demgemäß warb jenm zwei hanoverſchen 
Bataillonen Plymouth zum Wufenthalte angewiefen, von 106 
fie erft nad) dem Frieden (im Juni 1794) ins Vaterland zu 
rüdtehrten. Obgleich ihr Benehmen während der Belagerung 
zu Minorea ein tabelloſes geweſen und eine große Bahl der 
Mannſchaft trog äußerfter Schwäche und Krankheit unmusge 
feat jede Art von Dienft geki t hatte, fe war natürtig der 
ıpfang nicht mit jenem zu vergleie 
‚ deffen wir bei der Rückkehr ihrer vom Gluͤcke mehr ber 
ünftigeen Waffenbrüber, welche in Gibraltar geiwefen, geb 


ein beneidenswerther gu preifen, den wenig Monate 
den hatte, als He 
nadp deu ‚Aebenjöhrigen, zwar meiß unglüdlihen aber überol 


816 


—— Kämpfen über den Drean in dis Heiniat Zurück 
ehrt war. oo. 
Der dritte und letzte Abfchnitt des vorliegenden Werkchens 
enthält die Darſtellung der Erlebniſſe zweier 1782 nach Dſtin⸗ 
dien entfendeten hanoverſchen Regimenter. Es erfolgte Dieb 
auf den Antrag und im Solde der dafelbft durch die Franzo⸗ 
fen hart bedrängten englif«oftindifchen Compagnie. Da jedoch 
org III. gerechtes Bedenken trug, feine geliebten deutſchen 
nterthanen für eine ihnen gänzlich fremde ache den moͤrderi⸗ 
fhen Wirkungen des tropifhen Klimas bloszuftellen, fo wur⸗ 
Den we jenem Zwecke zwei Regimenter (jede zu 1000 Mann 
in 10 Compagnien) aus lauter Zreiwilligen neu angeworben. 
Die Luft nad Abenteuern und der Durft nah Reihthümern 
machten bald die Reihen vollzaͤhlig. Saͤmmtliche Stellen der 
Dffiziere und Unteroffigiere wurden durch bie hierzu in Über 
zahl ſich meldenden Freiwilligen der hanoverfchen Urmec befegt, 
die Mehrzahl der Gemeinen dagegen beftand aus Ausländern, 
wie denn überhaupt die Meinung des Königs eigentlid dahin 
gegangen war, bie gefammte Mannfhaft nur aus foldyen zu- 
fammenzufegen. Da die Überfchiffung nad Dftindien nur ab» 
theilungsweife gefchah, fo fand ſich die Mehrzahl jener beiden 
Regimenter erft Ende 1782 zu Madras vereinigt. Eins der 
Zransportfhiffe war unterwegs vom Sturm verfchlagen im Ka- 
nal von Mozambique geſcheitert; überhaupt waren vier Dffiziere 
und 132 Soldaten eine Beute des Todes geworden, ehe fie 
noch die Küfte Indiens betreten hatten. Auch im Berlaufe ih 
rer weitern Verwendung traten jene beiden Regimenter niemals 
geſchloſſen auf, fondern fie wurden ſtets nur compagnieweife in 
comdinirten Abtheilungen den verſchiedenen Erpeditionäheeren 
beigegeben. So ftießen acht Eompagnien (850 Mann) unter 
dem Oberftlieutenant von Wangenheim Anfangs 1783 zu dem 
bei Pondichery gelagerten Corps des Generals Stuart, und 
fanden bei dem am 13. Juni auf das verfchanzte franzöfilche 
Zager bei Cuddalore unternommenen Angriffe Gelegenheit zur 
rühmlichften Auszeichnung, indem fie ein von franzöfifchen Eli⸗ 
tentruppen vertheidigtes Schanzenwerk mit flürmender Fauſt 
weynahmen, dabei aber auch einen Berluft von 17 Offizieren 
und 2W Mann an Getödteten und Verwundeten erlitten. 
Swar fanden fhon am WW. Suni in Folge der eingetroffenen 
Rachricht von dem Friedensſchluſſe zu Verfailled die Feindſelig⸗ 
Beiten zwifhen England und Frankreich auch in diefem Welt 
theile ihr Ende, indeflen dauerten die Kämpfe mit Zippo Saib 
und deſſen Bundesgenofien bis 1784 fort, in welchen unter 
Anderm eine vom Capitain Dffeney befehligte hanoverſche Abs 
theilung von 400 Mann bei Erftürmung des Forts Polygaut- 
ſchery fih von neuem fehr audzeichnete und reiche Beute ge 
wann, währen? eine andere Abtheilung von JUU Mann unter 
Major von Krufe fich bei ter Erftürmung von Bananore here 
vorthat und unter anderer Kriendbeute auch die Königin Elisva, 
eine Bundesgenoſſin Zippo Saib's, fammt ihren ſchwarzen Hof: 
damen zu Sefangenen machte. Im fernern Verlaufe ihres noch 
bis 1792 dauernden Uufenthaltö wurden jene banoverfchen Re: 
gimenter jedoch nicht weiter zur Kriegstheilnahme berangezo« 
ger ‚ dagegen fanden bei denfelben mehrfache Organiſationsver⸗ 
nderungen ftatt, indem theild die mörderishen Einflüffe des 
Klimas die Babl der Mannſchaft auf das furchtbarfte decimir» 


ten, theils das almälige Erlöfchen ber gewiſſenhaft geachteten - 


Sapitulationsverträge. die Dienftftärke zu einer fehr wechſelvol⸗ 
Ien machte. In der Mitte des Novembers 1192 langte die 
Iegte Abtheilung ber beiden zuruͤckkehrenden Regimenter zu Stade 
an, aber von 91 Offizieren und. 2300 Mann, welche einfchließ« 
lich der nachgefendeten Ergänzungsmannfchaften nach Indien 
gegangen waren, -fahen nur 26 Offiziere und circa 700 Ge⸗ 
meine ihr NYaterland wieder, und auch diefe beftanden zum gro⸗ 
Ben Theile aus ſiechen, mit epileptifchen Übeln oder mit perio: 
difhem Wahnſinn behafteten Ungluͤcklichen. Der noch dienft- 
ſJahige Iheil.jener Mannfchaft gab den Stamm zu einem neu 
errichteten 14. ‚Infanteriereginueng, welches 16 Monate fpäter 


Fein Sefenkioortlier: · Heraubgeber: Oelurich Broeckdans. — Druck und Belag von F. A. Weodpans tn -Reimies- 


Cim Mo 1794) fidy in Menin einen unfterbiiien Bub 
gewann. 

.„Dieſes ift der allgemeine Inhalt des vorliegenden in ganz 
einfacher, ſchmuckloſer Sprache abgefaßten Werkchens. Möcte 
deſſen Berf. vet bald den im Vorworte verfündeten Borfag 
zur Erfülung bringen, demnaͤchſt auch eine Darſtellung der 
Kriegätheilnahme ber Hanoveraner an den Mevolutionsfeldjügen 
zu veröffentlichen. Möchten nicht minder fowol die Beguͤnſtigun⸗ 
gen NRachahmung finden, deren der Verf. ſich rühmen durfte, als 
auch in andern Heeren die Dffiziere des Beneralftabs zeitweilig 
mit Abfaffung derartiger Monographien befchäftigt werben, 
denn Nichts ift beſſer geeignet, ben wahren militairifhen Che 
rakter zu ftählen, „die Urtheilskraft zu fchärfen, die Darfiel⸗ 
Iungsgabe zu veredeln, als ein mit Kritik geübtes Verarbeiten 
kriegsgeſchichtlicher Quellen; während die hin und wieder be 
liebte Abrichtung auf abftracte Pofltionsjägerei und Dispofi⸗ 
tiondfpinnerei — in N Ertreme und in ihrer endlichen nar⸗ 
Botifchen Wirkung auf Geifl und Gemuͤth — als eine Art im 
tellectuellen Parademarfches bezeichnet werden koͤnnte. 

Sollten wir übrigens bei Beſprechung diefes Heinen Schrift: 
chens weiter ausgegriffen haben als uns billig zugeftanden wer⸗ 
den mag, fo halte man es unferm waffenbrüberlichen Sinne 

egen ein Heer zugute, mit deſſen Wätern. die unferigen fo 

hon in Morea als namentlich im &iebenjährigen Kriege und 

im Revolutionsfriege an jo mandem heißen Schlachttage treu 
beifammengeftanden, oftmals mit ihnen gleiches Misgeſchick er 
duldet, immerdar aber auch gleihen Ruhm geerntet haben. *) 

M. von Ditfurtd. 





Miscellen. 


Ein Gutsherr, Namens v. Hochſtedt, hatteſeinem Meier 
eine alte und baufällige Mühle geſchenkt, welche dieſer 
ſeine Koſten in guten Stand herſtellen und an die Vorderſeite 
des Hauſes einen Stein ſetzen ließ mit der Inſchrift: 


Ded von Hochſledt guter Wille 
Schenkt' mir diefe alte Mühle; 
Und aus dankbarlicher Treue 
Laͤßt mein Tod ihm diefe neue. 


Rah bes Meier Tode entfland Streit über diefe Muͤhle, in 
dem der Gutsherr auf den Grund jener Infchrift behauptete: 
die Mühle fei ihm entweder als eine Schenkung von Lodes 
wegen oder ald Legat und Fibeicommiß zugedadyt. Gr gewann 
auch wirklih den Proceß; aus welchen Gründen? iſt zu er⸗ 
feben bei Leyſer (Sp. 438, m. 5). 


Hermolaus Barbarns, Profeflor. der Moral zu Benedig 
(geft. zu Rom 1495), ein mit der griedyifchen Literatur ver 
trautee Mann, las über die Ariftotelifche Philoſophie mit 
großem Beifall. Da er aber nicht heraußzubringen vermochte, 
weichen Sinn Ariftotele® mit dem Worte Zursieren verbunder 
habe, foll er deswegen den Zeufel befragt und von bemfelben 
die Antwort erhalten haben, es heiße Perfectihabis. Das iR 
nun freilich ein teuflifches Latein! 2 


*) Auch In den Erinnerungen der Yamilientrabitionen des Ref. 
fpiegelt fi biefe ruhmreige Kampfgenoſſenſchaft hanoverſcher und 
heſſiſcher Krieger ab; benn als beffen Urgroßvater in ber Sdlaqt 
am Speierbache bed Glückes genoß, ben Erbprinzen Briebrih 
von Helfen (nachherigen König von Schweden), dem er ald A 
jutant beigegeben war, aus augenfcheinliter Todesgefahr zu er 
retten, fand er in dem ihm als Ordonnanz folgenden hanover⸗ 
fügen Drogoner Gabriel Schwarz vom Schulenburg'ſchen Regiment 
nit nor den muthigſten Helfer, ſondern auch ben Schuͤtzer des eb 
genen kLebens. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung, 





Freitag, 





Fürſt Metternich und das öſtreichiſche Staatsſyſtem. 


Ein Gutachten von A. J. Groß⸗Hoffinger. 


Zwei Bände. 
(Beſchluß aus Nr. 201.) 

Endlich, nachdem noch der „heutige deutſche Islamis⸗ 
mus" fein Theil bekommen hat, ſagt der Berf.: „Er 
ſchließe dieſes unvollkommene, ungenügende, lückenhafte 
und rhapſodiſche Buch!“ Warum hat er Das nicht gleich 
anfangs geſagt? Oder warum hat er es denn nicht lie 
ber für fih behalten und uns nicht damit gequält ? 


Auf folche Weiſe wird man nimmer der Wahrheit die⸗ 


nen, wie der Verf. wünfcht; denn foldyer Dienft ift bie 
Überzeugung, welche jedoch aus Rhapfodien und Lüden 
nicht entfpringt. Wir hätten ihnen auch nicht fo viele 
Aufmerkfamkeit gewidmet, wenn einestheild nicht ber 
Gegenftand in der Gegenwart zu wichtig waͤre, andern« 
theils wir nicht auch fpeciel Hätten zeigen gewollt, wie man 
im Stande fei, ohne Rüdfiht auf den Titel einen mä- 
Figen Band zu füllen. Der erfte Band des Buches ver- 
dient das ausfchliegliche Lob, daß alles Mögliche darin 
iſt: Wahres, Falſches, Thränen, Flüche, Befchmörungen, 
Eitelkeit, Hochmuth, Lobhudelei, Denunciationen, Unmif: 
fenbeit, — kutz Alles, nur Das nicht, was darin fein foll. 
Bir werben denn alfo im zweiten Bande das Sy⸗ 
flem finden. Der Leſer fol nicht länger mit den Kreuz 
und Querfprimgen des Verf. beläftigt werden; das Bei- 
Piel des erfien Bandes mag genügen. Der Verf. gleicht 
emem furchtſamen Wilde, welches, in einem finftern 
be, bald vor» bald zurüdläuft, ſcheu auf die freie 
Ehme blickt und, wann. es doch genöthigt iſt hervorzu⸗ 
fteten, ſich in ein fremdes Gewand hüllt und dann de⸗ 
müthig um Gnade bittet, ein ſo ſchlechtes angelegt zu 
haben. Denn, als er nun nicht mehr umhinkann, das 
Syoſtem zu offenbaren, fagt er, daß Fein anderes Mittel 
fi, es kennen zu lernen, als die Anfichten zufammenzu- 
fellen, welche oͤſtreichiſche Publicifien von anerkannter 
Correctheit der Befinnungen ſich über das öftreichifche 
Princip gebildet haben ; und demzufolge gibt er aber: 
mals einen Auszug aus einem Werke des k. k. Hofe 
taths Anton Edlen von Krauß. Auf biefem Wege erft 
erfahren wir, daß das öftreichifche Staatsgrundprincip 
das der Liebe fei. Sofort aber erklärt ber Verf., daß 


er es durchaus nicht billige, daß es viel zu wenig activ , Megierungsprineip ber fouverainen Liebe”, 


und, angewendet, zur Schwäche und zur bloßen Gunſt 
ausgeaztet fei. Cine Reform wäre weſentlich nothwendig. 
Kaum bat er aber biefes Urtheil ausgefprechen und an« 
gedeutet, daß es vielleicht gut fein könne, wenn das Prin⸗ 
cip des Rechts und des Geſetzes die Stelle einnaͤhme, 
jagt er, fi wiederum in feinem Lieblingsthema von dem 
Berberben ber Civilifation ergehend: „Aber noch bleiben 
uns Hoffnungen, und diefe dankt man einig und allein 
bem Fürften Metternich”, nämlic die Hoffnung nad 
einem Gefeg der Liebe. In der That, bier werben bie 
Widerfprühe nur duch die Unverfchämtheit verbuntelt, 
in folder Weiſe den Fuͤrſten Metternich vor ben Augen 
ber gebildeten Welt gerabehin als einen quadtfalbernden 
Wunderdoctor oder eine Art von Don Quixrote auszu⸗ 
fhreien, der nächftens aufbrechen werde, um die Welt 
von allem Unrechte zu reinigen. Man glaube aber nicht, 
daß Diefes durch Einführung -eines Rechtszuſtandes in 
ben Staat gefchehen fall, nein! die ganze Reform foll 
fih in einer Beförderung der Volkswohlfahrt darftellen. 
Denn für das Staatsleben felbft ift der „tiefere, Ge- 
danke” jenes Syſtems der Liebe: „Das Princip der Ari» 
ftofratie, der unumfchräntten Monarchie und ber Legi- 
timität fefizuhalten fo lange es Gott erhalten laſſen 
will”, deffenungeachtet fol aber doc mittels biefes Prin⸗ 
cips „die öftreihifche Monarchie die ihr in focialen und 
politifhen Entwidelungen vorausgeeilte Zeit nachholen‘, 
alfo möglicherweife gegen den göttlichen Willen wirken, 
der noch Wohlgefallen haben könnte an Ariftofratie und 
Legitimität. Das Recht verträgt ſich mit der unume 
ſchränkten Monardie nicht, argumentirt der Verf.; es 
fönnen Fälle vorkommen, in denen die Regierung in der 
graufamen Nothmenbigkeit wäre, das. Recht in Feſſeln 
legen zu müffen; darum ift jene Volkswohlfahrt, ale das 
Object ber Reform, durch Bekämpfung des focialen Un⸗ 
glücks des Staats darzufiellen; das politifche Unglück ift 
eine Schmwärmerei; der Verf. huldigt diefer nicht. Die 
Reform zu entwerfen hat er nicht für geeignet gehalten. 
Nach einer langen Abhandlung über die Theorie der 
Doffe, kommt eine Vergleichung bes öftreichifchen und 
bes preußifchen Syſtems, wobei fi) der Verf. nicht entbre- 
hen kann, die Vortheile des „kahlen Rechtsprincips” an- 
zuerfennen, gegen das „vielverfprechende, patriarchalifche 


4 4 


. Den Schluß bildet ein Klagelied über die Schickſale 
Groß⸗Hoffinger's und feines Journals „Der Adler“, 
welches policeiliche Intrigue und Cabale vernichtet haben. 
Alſo Perſonlichkeiten am Anfange, in der Mitte und am 
Ende find der einzige feſte Rahmen ber Lücken, Maͤn⸗ 
el und Rhapſobien bes Werkes! Iſt das die rechte Weiſe 
fir die Abhandlung eines fo großen Thema, als auf 
dem Titel angegeben if? Das wird gewiß Niemand be- 
haupten konnen. Daher ift e8 aber gekommen, daß im 
- Einzelnen viele treffende Urtheile über die drei großen 
Stantsübel: Eenfur, Policei und Bureaufratie, und bie 
focialen Misftände, die das Buch wirklich enthält, in 
dee Übermaſſe ber. leeren Spreu, bie nicht minder darin 
wirbelt, keine fruchtbare Wirkung zu äußern im Stande 
find und daß, im Allgemeinen, die Kraft der Liche, wenn 
fie als Gaͤngelband einer weittichen Regierung dargeſtellt 
wied, als Zerrdild erfcheint, welches fie in der That nicht 
fein foßlte, wenn man ihre Wirkungen als Zukunft und 
Ideal des Staatslebens der Freiheit, des freien Streits 
der Rechte ber Bürger und der Regierung des Staats auf: 
‚ faßt; und daß der Weg dahin das Gefeg ift, welches 
aus Töniglicher Freiheit der DBernunft, auf Grund bes 
Berftändniffee des Streits, der aber eben, um biefes 
zu geben, vollkommen frei fein muß, feinen Urfprung zu 
nehmen bat, nicht aus einfeltiger, im Streite befangener 
Tätigkeit eines Minifiexs, ſelbſt wenn er auch der Fürft 
Metternich wäre. Es ift nur ein Unglüd, daß bie deut- 
ſchen Könige und Kaifer ihre Bedeutung nicht kennen 
oder nicht kennen wollen. 3 Marquard. 





Biographiſche Literatur. 


l. Leopold. Friedrich, Franz, Herzog und Fürft von. Anhalt 
Deffau, Alteftregierender Fürft in Anhalt, nad feinem 
Wirken und Beim. Mit Hinblick auf merkwürdige Er⸗ 
fhyeinungen feiner Beit gefgitbert bon Briebrig Keil. 
Deflau, Aue. 1845. Gr. I She. 18 Nor. 

2 Ein Bild aus den Oſtſeeprovinzen oder Andreas von Ldwis 
of Menar. Bon 8.2. Blum. Berlin, Dunder und Hum⸗ 
blot. 1846. 8. 24 Nor. 


Eine Biographie, die mit Rugen und Vergnügen gelefen 
werden kann, fegt, wenigflend wenn fie eine Verbreitung im 
weitern Kreife beanfprucht, vor allen Dingen Das voraus, daß 
die Perſoͤnlichkeit, welche geſchildert wird, in irgend einer Weiſe 
ſich als eine bebeutendere über das Niveau des Gewöhnli- 
Gen erhebe. Je mehr nun der Mann, deflen Biographie 
p ſchreiben fih Iemand vorgenommen hat, in einer oder noch 

effer in mehren Beziehungen von allgemeinem Interefle fi 
Außzeichnet, in um fo größerm Vortheile wird fi) der Biogray 
befinden: WBergleicht man die beiden obengenannten Biogra- 
phien, fe zeigt es fih ſehr deutlich, welchen Vortheil es dem 
Mographen gewährt, wenn bie Perſon, um bie es fih han⸗ 
delt, fei es durch geſellſchaftliche Stellung oder durch die Ri 
tung —* Strebens und Wirkens und durch die von ihr ge⸗ 
Isifleten Thaten in einem weitern Kreiſe als vielleicht dem ih⸗ 
son Freunde, ihrer naͤchſten Umgebung ober des Genoſſen einer 
heftimmten Wiffenfchaft, ein Interefle an ihrem Leben zu er⸗ 
wecken vermag. Der Berf. von Rr. 1 befindet fi namlich 
gegen ben von Wr. 2 in dem Bortheile, daß er das Leben ei: 
nes Yürften, Des das eined Landedelmanns, jener einen Be 
förderer und Beſchuͤger der Künfte und Wiſſenſchaften, biefer 


alſo, Daß der Verf. den 


“ g18 en 


nur einen Pfleger des Uderbaus und ber Viehzucht und nur 
in fpeciellen Faͤchern Bewanderten ſchildert. Hieraus ergibt 
fi) leicht, daß man ſich der erften Biographie mit mehr In: 
tereffe zumenden wird als der legten. Die Schuld liegt hier 
weniger an dem Verf. berfelben als an dem Stoffe, denn um 
eine für die Mehrheit des Iefenden Yublicumsd fo unbedeutende 
Perfon, als ein Secretair einer dkonomiſchen Sodetät fein ma 
tn einer ſolchen Weiſe zu. feiern, daß ein größerer Kr 
dieſer Schilderung Aufmerkſamkeit zumende und Gefallen an 
ihr finde, ift Beine geringe Aufgabe. Sehen wir jedod nun, 
wie die beiden Verf., der erfte das Vortheilhafte feiner Stel— 
tung zu benugen und, ber zweite dad Rachtheilige derfelben zu 
befestigen gewußt haben. 

Der Berf. von Rr. 1, durch feine Stellung dem Yürften 
Franz von Deffau naheftehend, mag wol eine fehr gute Gele 
genheit gehabt haben, denfelben genauer Eennen zu fernen als 
mander Andere, und fo wol die Befähigung beanſpruchen koͤn⸗ 
nen, als Biograph deſſelben aufgutreten. Bir wollen fie ihm 
auch nicht abfprechen, glauben jedoch, daß feine Biographie an 
einem Dinge Mangel leide. Es fehlt nämlich dem ganzen Bude 
ein gewiſſer gefchloflener Charakter, aus dem man erfennen 
fönnte, aus weldem Geſichtspunkte und für welchen Leferkreis 
e6 geſchrieben. Wir glauben nicht an der Wahrhaftigkeit des 
Berf. zweifeln zu müflen, denn ber. @eift der recht wohlthuen 
den Pietät, welcher durch das ganze Buch hindurd ſich bemerb 
bar macht, hat ihm wol nicht zur Entftelung der Wahrheit 
verführt, denn er dringt auch Dinge zur Sprache, wenn auf 
mit zu ehrender Schonung, die ihm felbft wol ſchmerzliche Er: 
innerungen erwedten und die ein minder unparteiiſcher Br 
richterftatter vielleicht mit Stillſchweigen übergangen hätte 
Und wenn er, wie er in der Vorrede fagt, bisweilen zu 
„ Dichtung” feine Zuflucht Hat nehmen müffen, fo wollen wir 
gern vorausfegen, daß dieſe dem Geifte der Wahrheit treu ge 
blieben und nicht zur Erdichtung geworben fei. Sprechen wit 
auch bem Verf. überall die Wahrheit feiner Erzählung midt 
ab, fo genügen doch einige Alice in das Buch, um zu zeig, 
daß dafjelbe feinen Anfpruch darauf machen kann, für ein hr 
ſtoriſches Werk zu gelten, denn gerade an ben Yunften, 100 
der Fürft mit der Geſchichte — und dieſe war doch zw jener 
Zeit fehr lebendig — in Berührung kommt, pflegt der Berl 
am fürzeften zu verweilen. Büs Die, welche megen bes Für 
ften Liebe zur Kunft und Wiſſenſchaft, Die er mit feinen gerw 

en Mitteln auf wirklich bewundernswerthe Weiſe bethätigt 
t, und vielleicht durch den Zitel des Buches, mo es heißt: 
„nach feinem Wirken‘, verleitet, in vorliegendem Bude dot: 
zugäweife eine genauere und beftinnmtere Darſte Uung bed fünft: 
lerifchen und wifienfchaftlichen Treibens und Lebens während 
jener Periode am teflauer Hofe zu. finden mähnen, moͤchte wol 
eine Täuſchung bereitet fein, indem die eigene Kunftanfhauung 
bes Fürften fowie die Art und Weife, wie ſich biefelbe bei ihm 
gebildet, nur Burg angedeutet, fein Wirken für Kunſt und Bif 
ſenſchaft faſt nur durch die Aufzählung äußerlicher Thatſaches 
veranſchaulicht wird und die Schilderung des Wirkens wirkliqh 
bedeutender Männer, die der Fürſt an ſich gezogen, kaum wmehr 
als eine Nomenclatur ifl. Der Charakter, zu dem fich di 
Biographie am meiften hinneigt, ift der eines Buches für des 
Volt. Man muß geftehen, dab der Verf. fehr häufig und mer 
vorzüglich im zweiten „Sein Wefen” uͤberfchriebenen Abſchnitt 
ben Son, welcher Lebensbefehreibungen geiiebter Regenten 
wirklichen Lieblingsbüchern des Volkes machen Fann, auf ! 
glückliche Weife getroffen hat. Dem Buche aber diefen Cho 
rakter volftändig zuzufprechen, hindert uns fo Manches, me 
eben, wie fo viele ins Gebiet der Kunſt und. Wiſſenſchaft eit 
fglagende Andeutungen u. dgl. m., beim Volke eine höhe 
Bildung vorausfegt, die daffelbe weder bat noch haben Faith 
und ihm dad Verftändni mancher Partien des Buches nicht 
nur erſchwert, ſondern ganz unmöglich macht. Wir glauben 
nerwähnten Vorthei noch befie 
hätte benugen Eönnen, wenn er, wie gefagt, dem Buche EIN 





—— Daltung gegeben. Dethalb hindert uns dieſes aber 
nicht, daſſelbe für eine ganz angenehme Lecture zu erklaͤren. 
Denn die einfache und prunkloſe Sprache fomie die ſchon er: 
wähnte Yietät des Berf. find wirklich angiehend. Rur hätte 
er diefe legtere nicht bie zu der übertriebenen Ehrfurcht aus⸗ 
dehnen follen, let, wann vom Würften Die Rede ift, mit 
großen Anfangsbuchftaben gu fügreiben wie „Er, Sein, ScöR 
uf.m.” Es gehört Dies wol in officielle und in unterthaͤnigſt 
überreichte Gelegenheitsgedichte und Reden, aber nicht in eine 
Biographie und ift wentgftens ein Servilismus ber Yorm, ber 
deshalb, fo unbedeutend fonft auch bie Sache ift, gerügt zu 
werden verdient. Che wir und vom Berf. wenden, wollen wir 
ihm die Beruhigung geben, daß der Fürft Franz, den, wie er 
m der Vorrede Hagt, Deutfchland ganz vergeflen, jedem wah⸗ 
ren Freunde der Menſchheit und WAufklärung ſtets unvergeßlich 
fin wird umb daß es ihm vieleicht zu größerm Ruhme gereicht, 
wenn feine Berdienfte unter die jtillen gerechnet werden, als 
wenn fie unter den -lärmenden genannt würden. Doch gereicht 
es dem Verf. zum Verdienſt, an den Gründer des Philanthro⸗ 
pins erinnert zu haben, von deſſen Saat die Segtzeit Die Fruͤchte 
geerntet bat und über welches doch fcholarchifche Aufgeblaſen⸗ 
heit fpotten zu Pönnen wähnt, indem fie vergißt, daß alle Bor: 
züge unfer6 heutigen Erziehungsweſens ihren Urfprung ben 
dur den Yhilanthropinismus — der auf jeden Fall, mochten fidy 
in der Praris auch manche Ungeheuerlichkeiten zeigen, ein gro« 
fer Fortfchrite und Hebel des Fortſchritts war — angeregten 
Veen verdanken, während die demfelben anftebenden Mängel 
zum größten Theile von früherer Seit ji datiren und dem Da» 
gegen anfämpfenden Yhilanthropismus größtentheild vermöge 
der vis inertiae widerftanden haben. 

Xr. 2, die Biographie eines Tiefländifchen Gutsbefigers, 
der zulegt Secretair der liefländifchen Okonomiſchen Geſellſchaft 
war, dürfte ein allgemeinered Intereffe nur in geringem Grade 
in Anſpruch nehmen. Denn obgleich der Berf. fih mit freund: 
licher Yietät die anerkennenswerthefte Mühe gibt, cin ſolches 
für den Andreas von Loͤwis zu erwecken, fo reicht hierzu doch 
nicht hin zu, erzählen, wie derſelbe von ſehr nut Örper: 
bildung gewefen, fodaß alle Frauen nach ihm geſchaut, wie er 
ad Student ein guter Schläger gewejen und feine Zeit zwi: 
hen Raturgenüffen und naturmiffenfhaftlihden Studien ge: 
teilt, wie er nach Liefland gurüggetehtt, Landwirth, fpäter 
Serretair der Donomifchen Gorietät geworden, für diefe forſt⸗ 
und lontwirthiaftliche Schriften gefchrieben u. ſ. w. Es find 
died Alles einfache im Gleiſe des Gewoͤhnlichen bleibende Be: 
gebenheiten, daß fie und durchaus nicht interefficn koönnen. 
Die Edilderung des humanen Charakters des von Löwis ift 
in ihrem einfachen Stile, wenn man einmal das Buch zue Hand 
genommen, ganz angenehm, möchte aber doch eigentlich nur die 
&reunde und Befannten des Berftorbenen enger an fi 
ziehen. Man fieht, daß jener obenerwähnte Radıtheil zu ſchwer 
auf dem Verf. laftet, als daß er fi dazu erheben könnte, eine 
für Biete angiehenbe Zecture zu liefern." Seibſt hier und ba 
angebradte Anmerkungen über Politik, Literatur, Kunft u. f. w. 
Fonnen dem zu Grunde liegenden Mangel nicht abbelfen, zu 
mal da fie mitunter theils falſches Urtheil verrathen, theils 
wirfü barod find. &o werden die ſporadiſchen, auf Civili⸗ 
fation zielenden Regierungsmaßregeln Alexander's, der feinem 

Echter Laharpe nicht jene Ehre gemacht, die er ihm hätte ma⸗ 
Gen Tonnen, als viel zufammenhängender und confequenter ge: 
fBildert, als man fie bei genauerer Prüfung findet. Un einem 
andern Drte feheint der Verf. die feltfame Meinung des von 
Lwis zu theilen, daß nur Tanzmuſik wahre Muſik ſei. Daß 
der Berf. fein Werk in Deutfchland hat druden laffen, läßt 
vermufhen, daß er für daffelbe auch bei ums eine größere Ber: 
breitung gehofft. Wir glauben aber, daß er fi) hierin eini⸗ 
germaßen täufcden wird, denn felbft Korft- und Landmwirthe, 
die Fachgenoſſen des Verf., dürften außer einiger naturhiſtori⸗ 
(hen Anekdoten. nichts beſonders Neues und Melehrendes fin: 
den. Eine Möglichleit wäre «8, Daß der Zitel, der eher einen 


Roman oder andere Unterhaltungsihrift als eine Biographie 
erwarten — Blenden zum ee en w , 





Handbuch für Heifende in den Drient. Nach eigene 
Anſchauung und den beften Hülfsquellen. Nebſt Leh⸗ 
ven und Winken für Reifende. Mit fünf Karten und 
zwei Plänen. Stuttgart, Krabbe. 1846. 8. 3 Thlr. 


„Dei ber hohen Bedeutung, bie der Drimt im der lehtern 
Beit durch feine politifche Stellung gewonnen, und bei der niche 
geringen Aufmerkſamkeit die er durch die Reifen und Beleuch⸗ 
kungen berühmter Schriftſteller auf ſich gezogen hat, war e— 
ein glüdlicher Gedanke der Berlagsbuchhandiung des obendes 
zeichneten Neiſehandbuches, ein foldhed Werk bearbeiten zu 
laſſen. Wer der Mann iſt, dem fie dieſe Bearbeitung über: 
tragen und von dem es in der Vorrede heißt, daß er „nicht nur 
die aus frühern Nelfen gewonnenen Refultate in nugbringen- 
der Weiſe zufammengeftellt, fondern auch einen Theil der ges 
ſchilderten Länder felbft befucht habe und dadurd in bie Rage 
gefegt worden fei, aus eigener Erfahrung den Reifenden mane 
hen, Zeit und Geld erfparenden Rath zu ertheilen”, erfahren 
wir zwar nicht; indeß mag man hier wol der Meinung fein 
und dieſe Meinung ald "ein Urtheil über das Buch felbft aus: 
ſprechen, daß es ſich wenigftens im Allgemeinen durch ſich feibp 
allen Denen empfiehlt, für die es beitimmt if. Allerdings 
Bann dieſes Reiſchandbuch tiefern Bedürfniffen und Anfprüchen 
nicht genügen, und es kann in diefer Hinſicht für Diejenigen, 
die mit befonderm Nugen und zu eigenthümlichen Zwecken den 
Drient (was nämlich hier darunter verfianden wird) bereifen : 
wollen, tiefer eingehende Forſchungen, ernftere Vorbereitungen 
und gründlichere Führer nicht entbehrlich machen; allein deſſen⸗ 
ungeachtet hilft es doch immer wie das tägliche Brot, fo auch 
dem täglichen und gewöhnlichen Bedürfniffe zweckmaͤßig ab, und 
ed hat zugleich das Gute, daß es tiefere Beduͤrfniſſe ſelbſt rege 
und nach weitern Korfchungen gleichfam Lüftern macht. In der 
Hauptſache hat fi) der Verf. Darauf befcgränkt, „alle erfoder⸗ 
lichen Reifeerleihterungsmittel anzubeuten, auf die Raturfchön 
heiten aufmerkfam zu machen und alle Merkwürdigkeiten, mögen 
fie nun antiquariſches oder anderweitiges Interefle bieten, mög» 
lichſt genau zu bezeichnen“; indeß hätte er denn doch Manches 
ohne Racıtheil für feinen Zweck weglaffen können und Anderes, 
3. B. bifterifge Andeutungen, die fih an einzelne Drte oder 
Gegenden Enüpfen, mehr berüdfihtigen follen. Was fol; B— 
bier Das, was in Betreff Griechenlands von der Jagd und den 
einzelnen Jagdiahreszeiten dafelbft gefagt wird? Dabei hätte 
ins Einzemen mehr Sorgfalt angewendet werden follen, damit 
nicht falſche Mittheilungen wie geſchehen fig hätten einfchleicgen 
Pönmen, und es wäre bei weniger Flüchtigfeit und einer groͤ⸗ 
Bern Gleichartigkeit der Bearbeitung bes allerdings maffenhaften 
Stoffes Manches nicht ganz und gar unbeadhtet geblieben. Dies 
gilt 3. B. von Kumi mit feinen Braunkohlenlagern auf ber 
überhaupt fehr flüchtig befhriebenen Infel Euböa; ferner von 
den eigenthümlichen Erfcheinungen des Phoniafees in Pelopon- 
nes; ſind Peta und Karpeniſſi mit ihren hiſtoriſchen Er⸗ 
innerungen aus dem Freiheitskampfe 1822 und 1823 unerwähnt 
geblieben u. f. w. Was wir aber vorzuͤglich tadeln müſſen, 
iſt die ſchlechte Orthographie der Eigennamen, bie an und fir 
fich und befonders bier flörend ift, wenn man annimmt, daß 
Reiſende felbft das Buch in der Gegenwart und in der Wirk: 
lichkeit benugen; und wir wollten daher für den Fall einer zwei» 
ten Auflage namentli auch auf diefe Mängel des vorliegen» 
den Reifehandbuches aufmerffam machen. &o findet fich hier: 
Epyrus, Lephta (fl. Lepta), Megafpelion (fl. Megafpilaeon), 
Danepültemion (fl. Yanepiftimion), Alphaeus, Bosphorus u. f. w. 

a8 Ganze zerfällt übrigens in neun Abtheilungen, die fi 
mit den Ionifchen Infeln, Sriechenland,, der Türkei (die euro⸗ 
paͤiſche Zürkei, außer Konftantinopel, ift etwas kurz abgefertigt), 


Meinafien, den Infeln des Archipelagus, Syrien, Paldfiing | Rormann, B. v., 


und Agypten befchäftigen. Voranſteht eine Einleitung mit all. 
emeinen Lehren für die Neife, mit Rachweifungen über die 
Reifegelegenbeiten, Dampficiffahrt u. f. w., und aud den einzel« 
nen Abtheilungen gebt eine Einleitung über bie geograpbil n 
und politifchen Berhältnifle, den Charakter, die Sitten und Ge⸗ 
bräuche des Volkes u. f. w., außer allgemeinen Reifevorfchriften 
. für die einzelnen Länder, voraus. Man fieht leicht von felbft, 
daß das Handbuch Vieles enthält, was dem Reiſenden für feine 
nächften Zwecke nüglich fein kann und ihm für eine Neife in 
die einzelnen Länder und über diefe felbft mannichfachen Auf 
ſchluß gewährt 3 es ift jedoch in feinem wiflenfchaftlichen Theile 
u fehr bloße Eompilation und zum Iheil ohne Kritik und Feſt⸗ 
Faltung des beftimmten Zweckes, dem es dienen fol, als daß 
Died nicht die Kritik bemerklich machen und rügen rote. 


J 
“ 


Biblingraphie. 


Alzog, 3., Univerfalgefchichte der chriſtlichen Kirche. Lehr: 
‚buch für afademifche Vorlefungen. Ate durchgängig verbeflerte 
Auflage. Mit einer chronologiſchen Zabelle und zwei kirchlich⸗ 
geogeapbifihen Karten. Mainz, Kupferberg, Gr. 8. 3 Ihr. 

r 


gr. 

Bader, J., Die Stifter des Kloſters Lichtenthal find auch 
Gründer der Markyraffchaft Baden. Mit lStahlſtich. Karls: 
zube, Madlot. 1845. Nor. 

Carus, C. G., Über Grund und Bedeutung der ver- 
schiedenen Formen der Hand in verschiedenen Personen. 
Eine Vorlesung, erläutert durch Abbildungen thierischer 
und menschlicher Hände. Stuttgart, Becker’s Verlag. 
Gr. 4. 1 Thlr. 

Didier, ©., Die Geheimniffe von Rom. Woman aus 
der neuelten Zeit. Rad der Gten Driginalausgabe aus dem 
Franzoͤſiſchen überfegt. Zwei Bände. Halberftadt, Lindequift 
und Schönrod. 8. I Thlr. 22% Nor. 

Die Formation der ‚Bannoverfchen Armee und die militai⸗ 

rifhen Einrichtungen im Königreihd Hannover. Hannover, 
Kius. Gr. 8. 20 Rear. 
Geſchichte der katholiſchen Miffionen im Kaiferreihe Ehina 
von ihrem Urfprunge an bis auf unfere Zeit. Zwei heile. 
Wien, Mechitariften » Eongregations » Buchhandlung. 1845. 
8. 1 Ihe. 7%, Nor. 

Die Gestirne und die Weltgeschichte. Gedanken über 
Raum, Zeit und Ewigkeit von F. Y. Breslau, Schulz. 
Gr. 8. 6 Ngr. 

Goehring, C., Geſchichte des polniſchen Volkes von 
feinem Urſprunge bis zur Gegenwart. Mit Stahlſtichen. Iftes 
Heft. Leipzig, Naumburg. Gr. 16. 5 Rgr. 

Guhrauer, ©. E., Gottfried Wifhelm Freiherr v. Leib: 
mis. Eine Biographie. Zwei Theile. Zu Leibnigen’s &äcu: 
larfeier. Mit neuen Beilagen und einem Regifter. Mit Leib» 
aan Bildniß und Facfimile. Breslau, Hirt. 8. 2 Thlr. 

r. 


d 
— — Nahträge hierzu für die Befiger der Ausgabe 
von 1842. Breslau, Hirt. 8. I0 Nor. 

Jordan, I. P., Die Vorläufer des Huffitenthums in 
Böhmen. Aus den Quellen bearbeitet. Leipzig, Keil u. Comp. 
®r.8. 15 Nor. 

Klesheim, U. Freih. v., 's Schwarzbläti aus'n Wea⸗ 
nerwald. Gedichte in der öÖfterreichifhen Volksmundart. 2te 
vermehrte Auflage. Wien, Kaulfuß Wwe. Prandel und Comp. 
Kl. 8. 1 Thlr. 

Leibniz als Denker. Auswahl seiner kleinen Aufsätze 
zur übersichtlichen Darstellung seiner Philosophie. Ueber- 
setzt und eingeleitet von G. Schilling. Leipzig, Fritzsche, 
Gr. 8. 24 Negr. 


fammelte Schriften. Zwei Theile. 
Leipzig, Brockhaus. Gr. 12. 2 Thlr. Zu Mor. 

Defer, 6., Xheeftunden in Lindenhain. Cine Sammlung 
von Gedichten, Rovellen und Gchaufpielen. Zwei Bände. 
Leipzig, Einhorn. Gr. 16. 2 Ahle. 

Prabodhatfhandrodaja oder der Erfennmißmondaufgang. 
Philoſophiſches Drama von Krifgnamisra. — Meghaduta 
oder der Wolkenbote. Kyrifhes Gedicht vor Kalidaſa. Bei: 
des metrifh überfegt von B. Hirzel. Zuͤrich, Meyer um 
Seller. Sr. 8. 1 pie. 6 Nor. . 
Re, ©. del, Emil Bergwald. Roman in Lebensbilbern 
aus der Gegenwart. Zwei Bände. Leipzig, Kollmann. 8, 
2 Ihlr: 18 Ror. ' 

Roͤtſcher, H. J., Eyclus bramatifcher Charaktere. 2er 
Theil. Rebft zwei Abhandlungen über das Recht der Poefie 
in der Behandlung des geidichtlihen Stoffe und über den 
Begriff des Dämonifchen. (Der Kunft der dramatifchen Dar: 
ftelung 3ter Theil.) Berlin, Shome. Gr. 8. 1 Ihlr. 22%, Rogr. 

&ommer, ©, Sagen, Mährchen und Gebraͤuche aus 
Sachſen und Thüringen. Iftes Heft. Halle, Unton. 12. 16 Kgr. 
„ Das Urevangelium oder das Leben Jeſu Chriſti nad der 
Übereinftimmung der vier Evangelien. Mit einem erläutern 
den WBörterbuche. Barmen, Zalfenberg. 8. 25 Ror. 


TZagesliteratur. 


Ackermann, Erinnerungen aus meinem Leben bei Peflo- 
Frankfurt a. M., Jaͤger. 8. 5 Nur. 
Böttcher, F., Der deutſche Kirchenbund zum Cbhriſten⸗ 
thum der Eintracht, im dritten Subeljahre des Beyinnes deub 
[her Glaubenskriege mit vier Friedend-Worten zur Beſpte⸗ 
hung gegeben. Dresden, Adler und Diege. Gr. 8, 7), Rat. 
Fort, O., Andeutungen zur Geschichte der Difleren- 
tial-Rechnung. Kinladungsschrift .zu der von Seiten der 
naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Dresden veranstal- 
teten Feier des 290. Geburtstages des Freih. G. W. v. 
Leibnitz am 21. Juni 1846. Dresden. Gr. 8. 6 Ngr. 
. Srävell, Die General: Synode zu Berlin’; deren Un 
Fündigung durch die Voſſiſche Zeitung und Betrachtungen dar: 
über. Iftes Heft. Wltenburg, Vierer. Gr. 3. 20 Kor. 
Moraczewski, A., Sendfchreiben an Herrn Heintich 


lozzi. 


Wuttke, die polniſche Frage betreffend. Leipzig, Keil u. Comp. 
RE he Frag f pzig, 


Pauli, I. H., Predigt zum Gedächtniß Briedrid's 11. 
Pfalzgrafen und Ehurfürften. Mainz, v. Babe 8. 27, Ryt. 

Par, W. $., Luther und das proteftantifche Bewußtſein. 
Gedaͤchtnißrede. Magdeburg, Ereug. Gr. 8. 6 Nor. 

Peftalozzi, Der Revolutionär. Bon einem Böglinge deſſel⸗ 
ben. Charlottenburg, Bauer. Gr. 8. 5 Nor. 

. Ronge, 3., Die vierzehn Artikel des Badifhen Miniſte: 
riums wider die Deutfch:Ratholiten. Beleuchtet. Deffau, Reu⸗ 
bürger. 2 Nor. 

Schenkel, D., Der Standpunkt des pofitiven Chriften 
thums und fein Gegenfag. Replik auf die Entgegnung von ©. 
Ö. Despinus im Morgenboten. Zürich, Meyer und Zeller. 

. gr. 

Die Vorunterfuchungsaften und die Verhoͤre mit Jakob 
Müller von Stechenrain, diejenigen mit deffen Ehefrau und 


deſſen Mutter in Betreff des an Rathsherrn Zof. Leu begam 


genen Mordes. Wörtlich getreu aus den Atten abgebrudt, 
Zürich, Schultheß. Gr. 8. 23 Nor. 
Bur Vertheidigung des Auffages: „Ob Symbol, ob Bl 
beit" Ein offenes Sendfchreiben an den Berf. ber Entgeg 
nung. Die Übereinftimmung der Augsburgifhen Confeſſion 
mit der Schrift und Vernunft beleuchtend duͤrch Auszüge aus 
dem eregetifhen Handbuh von be Wette und ben Berken 
Don Leffing und Herder. Frankfurt a. M., Broͤnner. ° 
gr. 


Berantwortliher Derausgeber: Seinrich Wrodhans, — Drud und Verlag von $. . Wrodbens in Beinyig- 


Blätter | 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


25. Juli 1846. 





Dramatifche Buͤcherſchau fuͤr das Jahr 1845. 
Bweiter Artikel.?) 


16. Saͤmmtliche Werke von Joſeph Freiherrn von Auffen⸗ 
berg. Einundzwanzig Bande. Erſte, ſorgfaͤltig revi⸗ 
dirte, vollſtaͤndige Geſammtausgabe. Biegen, Friedrich. 
1843— 44. Gr. 16. 8 Thle. 22%, Nor. 

Iofeph Freiherr v. Auffenberg, in vielen Zweigen unferer 
Literatur von fehr befanntem Namen und den Hauptftadien fei- 
ned Lebens nach badifcher Gavalerieoffizier, Reifender und 
dramatifcher Dichter, gehört ficher zu den feltfamften Geiftern, 
die unfer an wunderlihen Genien in Kunft und Literatur fo 
fruchtbares Vaterland hervorgebracht hat. Es iſt intereffant, 
die Ausbildung, die Erfolge und die Ausartungen fo unab⸗ 
hüngiger und regellofer Geifter, wie Auffenberg einer ift, in 
einem Überblicd ihrer gefammelten Werke zu -überfchauen, durch 
diefe Iufammenftellung des Werfchiedenartigften zu einem ®e: 
fammturtheil über fie zu gelangen und den Berührungspunft 
feftzuftellen, mittel® deſſen fie mit der Literaturgeſchichte über: 
haupt in Zufammenbang ftehen. 

Eine ſolche Überfiht der Geſammtwerke Auffenberg’s ift 
an mannichfacher Belehrung reich und führt zu Pritifchen Ne 
jultaten, welche die Betrachtung der einzelnen Leiftungen ano» 
maler Gtiſter nicht herausſtellt. So erkennen wir beifpield- 

weile in unferm Dichter eine Periode des Drängen und Rin⸗ 
genb nach Entwiddelung, eine Periode der Entfaltung, welche 
die erfreulichſten Früchte verheißt; hierauf eine Epoche der 
Berdunfelang, wo die feltfamften Verirrungen bis zu gänzlicher 
Geiämadsertöbtung bie Oberhand gewinnen wollen; danach 
eine Zeit wiederkehrender Sammlung, wo dad Excentriſche fich 
ausiheidet und abklaͤrt, ſodaß das Ausgezeichnete und Vortreff- 
lie neben dem Gefeplofen und Ungerechtfertigten und mit 
ihm gemifcht erſcheint; und endlich eine Periode der Erfchlaf: 

ng, wo weder im Guten noch im Übeln mehr etwas Unge: 
wöhnlihes und Nennenswerthes geleiftet wird. Bei Geiftern 
ven unregelmäßiger, ftoßweife gewonnener Ausbildung iſt ein 
Rangel an Selbſtbeherrſchung auf dem Gebiete der Kunft eine 
ganz naturgemäße Erfcheinung ; und, eben diefer völlige Mangel 
an Selbſtbeherrſchung und Unterwerfung unter die Gefege der 

Kritif, diefe wilde Freiheit, die das Kennzeichen der wahren 

Unfreiheit, hier wie überall, in der Kunft wie in der Religion 

und in der Politik ift: diefe relative Unfreiheit alfo ift das 

Charakteriſtiſche der Auffenberg’fchen Poeſie, wie fie fi) aus 

dem Überblid® feiner gefammelten Werke ergibt. Davon, daß 

Greibeit und Geſetz auf dem Kunftgebiete eins und identifch 

fin ; davon, daß die Gefühle Pünftlerifch gemäßigt und ihr 

Ausdruck gefhult werden müfle, um zu poetiſcher Geftaltung 

fähig zu werden; davon endlich, daß das Geſetz der Schönheit 

ın der Ratur felbft erft gefucht werden müffe, nicht aber in 
jeder Erſcheinung ohne Weiteres anzutreffen fei: davon hat 





* Bergl. den erfien Artikel in Ar. A— 55.8. D. Reb. 


Auffenberg eine lange Periode hindurch alles Bewußtfein ver- 
loren. Im Unfang feiner poetifchen Laufbahn fiherte ihn ein 
gewiffes natürliches Gefühl und die Scheu vor der Eonvenienz 
gegen jene Verirrung; fpäter glaubte er in diefer Scheu eine 
unmwürdige Feſſel zu erbliden, ftreifte fie zornig ab, wie e6 
ſcheint, und verfiel in die ſchlimmſten Berirrungen. Allmälig 
erfannte er diefe wieder als folde, bemühte fih um einen 
Rückweg, fand ihn wirklich und erreichte fo fein brittes und 
bedeutendſtes Fünftlerifches Stadium. So erklärt fi) und am 
einfachften die auffallende, ja faft verwirrende Bere 
keit feiner poetifchen Zeiftungen, die wir nun in einem Rab: 
men vor uns fehen: eine Verſchiedenartigkeit fo ungewöhnlicher 
Art, daß eine Zeit lang das Gerücht Glauben finten fonnte: 
der Dichter fo treffliher Dramen, wie ‚König Erich“, „Das 
DS:pfer bes Themiſtokles“ und „Ludwig XI.” ſei dem Irrfinne 
verfallen. Wie dem auch fei, dee Mangel innerer Beftigkeit, 
der Vorwurf nicht beherrfchter Gefühle fpricht ſich in diefem 
Gerüchte deutlih aus. Denn auch uns erſchien Wuffenberg 
nach Leſung feines „Alhambra — den er felbft für fein Haupt: 
werk erflärt — als ein Geift, den das Zuftrömen unabgellär- 
ter Gefühle und nicht genügend untergeorbneter Wiſſenſchaft 
in eine Stellung verfege, in der er —* die Schoͤnheit der 
Kunf den rechten Augenpunkt nicht zu finden vermöge. Erft 
die Überficht feiner nefammelten Werke bat dies Urtheil mil: 
bern und indem fie für das Heterogene dieſes Geiftes die feb: 
lende Erflärung und Ausdeutung gewährte, im Ganzen ge: 
nommen, ihm günftiger geftalten Fönnen. 

Der Dichter felbft hat die vorliegende Gefammtausgab® 
beforgt, feiner Erklärung nad) in der Hauptabficht, die erkann⸗ 
ten Mängel feiner frühern Arbeiten — Längen, mangelhafte 
Diction und unfihern Umriß der Charaktere — gründlid zu 
befeitigen, und diefe Dramen einer frühern Epoche der Bühne 
zugänglich zu machen. In diefem Beftreben ift er, unferer An⸗ 
fiht nad), durchaus fehl gegangen. Gerade jene ältern Stüde: 
„Die Spartaner”, „Themiſtokles“, ‚Die Flibuftier”, „König 
Eric”, „Die Schweftern von Amiens“, „Die Bartholomäus: 
nacht”, „Fergus Mac:Ivor”, „Die Vorſchau“ u. a. bedurften in 
ihrem unvertennbaren und homogenen Charakter einer folden 
fragmentarifchen Berbefferung weit weniger, als feine Arbeiten 
der zweiten und dritten Epoche, denen auf diefem Wege We: 
fentlich zu helfen war, fowie es denn überhaupt mit ſolchen 
grundfäglihen Berbefferungen älterer Leiftungen ein ſehr miß: 
lihes Ding if. Wir wünſchten der Dichter hätte ſich einen⸗ 
theils auf eine bloße Revifion und Sammlung beſchraͤnkt, an⸗ 
berntheilß aber daß ganz Berfehlte davon ausgefondert und 
daB Ganze mit einem Lebens: und Bildungsabriß begleitet, in 
welchem feine zahlreichen Arbeiten ihre genetiihe Erklärung 
und ihre gefchichtliche Stelle gefunden hätten. Für feinen Nach⸗ 
ruhm hätte er hiermit unftreitig befler geforgt, den.Beitgenoflen _ 
aber das Mittel an die Hand gegeben, zu einem mildern Ur: 
heil über fo ercentrifche Arbeiten zu gelangen, wie „Alham: 
bra”, „Die Furie von Zoledo’ und andere ünd, an welchen 


die Kritik bis jept gerechten Anſtoß 
ihr unerklärlih waren. 

Die zahlreihen und mannichfaltigen poetiſchen Arbeiten 
Auffenberg's verkünden unfträtig einen zu dichteriſcher Schö⸗ 
pfung lebhaft angeregten und mit dem &toffe hierzu reich 
perfehenen Sa Im Allgemeinen betrachtet, zeigt ſich bei 
ihm cher ein Übermaß al8 ein Mangel an Gedanken, cher 
überfchwellender Reichthum als Armuth: er entfaltet dem all» 
gemeinen Überblid eine übergroße und ungemäßigte Leiden» 
Ihaft, Haß und Liede im Raturftil; ein glühendes Gemüth, 
ben Gefegen der Kunft widerfpenftig; eine flammende Auffaf: 
fung, in der poetifche Bilder wuchern; eine brennende Phanta⸗ 
fie, die fih faum am Größten und Seltſamſten erfättigt. Da⸗ 
egen fehlt die ruhige Abwägung, die weife Prüfung, die Er: 
torfhung des Lebens; und Das, was wir als poetifche NReflerion 
des Realen bezeichnen, wird bei ihm nur angetroffen, warın er 
in feinem außerordentlihen Fluge zufällig, gleichſam ermattet, 
ausruht und das Raͤchſte befchaut. Er ift durchaus ein roman⸗ 
tifcher Poet, ſofern es noch geftattet ift, fich diefes misdeuteten 
Ausdrucks zu bedienen, um damit den Gegenfag der Reflerions: 
poefie zu bezeichnen. . 

Geht nun aber auch durch feine poetiſche Laufbahn diefer 
Grundzug übel beherrfchter Empfindung hindurch, fo fand es 
mit diefem Mangel doch nicht zu allen Zeiten gleich gut oder 
gleih ſchlimm; vielmehr find, mit einer feltenen Anomalie, die 
altern Arbeiten Auffenberg's durchweg Erzeügniffe einer befon: 
nenern Muſe als die jüngern. Erft von der Zeit an, da er 
fi einer unverhältnißmäßigen Hinneigung zu den poetifhen 
Anſchauungen des Drients hingab, und feinen Bilterfchmud 
über den Inhalt und den Gedanken feiner Aufgabe zu ftellen 
anfing, erft nad) feiner erfahrungsreichen Yilgerfahrt in Sud: 
fpanien, gingen Maß und Zügel fo verloren, daß wir deutlich 
zu erkennen vermochten, die anmaßliche Freiheit in den Lei: 
ftungen jener Zeit fei eine wahre Unfreiheit, und die vermeint- 
liche Kraft in ihnen wirkliche Schwäche und Ohnmacht. Aus 
diefem dunkeln Buftande ift der Poet allmälig wieder geläutert 
hervorgegangen, und feine jüngften Reiftungen treten feinen er: 
fien Arbeiten an dichterifcher Begabung, an &til und an In» 
halt wieder näher. Eine Zülle kuͤhn ausgedrüdten Raturge: 
fühle, ein üppiger Reichthum ergreifender Bilder, eine fiegende 
Macht der Sprache bat ihm zu allen Beiten zu &ebote ge: 
fanden ;s und fie treten wieder hervor, nachdem er die falfche 
Gelehrſamkeit und die fcholaftifche Poeſie überwunden hat, dur 
welche eine allzu anhaltende Befhäftigung mit dem Drient 
feine Muſe verwirrte und verduntelte. 

In Auffenberg ift eine entfchiedene Anlage für die drama⸗ 
tiſche Geftaltung vormwaltend. Kine lange Reihe faft immer 
glücklich entworfener bramatifcher Urbeiten zeugt davon, wie 
naturgemäß und wie leicht fein Geiſt diefe dichterifche Form 
ausfülltz uns ſcheint in der That, als wenn jeder Gtoff, wie 
er einen Eindrud auf feine Seele macht, fofort die Form des 
Dramas vor feinen Augen annimmt. Daß dem fo fei, eigt 
fich am deutlichſten in feinen profaifchen Vorträgen, feoh n 
feinen Igrifdden Leiftungen. In feinen Reifefhilderungen fal- 
len oft plöglich die Mantelfäde, die Waffen, und was ihn um- 
gibt, - in Dialog und flreiten dramatifch miteinander, und feine 
Gedichte haben faſt alle eine dramatifche Entwidelung oder 
fließen in einer fcenifgen Kataſtrophe. Mit diefer außer: 
ordentlichen Leichtigkeit der dramatiſchen Beftaltung verbindet 
fih eine ungemeine Erkenntniß Defien was effectvoll ift, ein 
großer Reichthum in der Charakteriftif des Großen und Küb: 
nen, viel Vorliebe für das Gewaltige und außerhalb der ge- 
wöhnligen Schranken Einherfchreitende, und eine ſchoͤne Macht 
bed Worte, des Rhythmus und ded Reims. In diefen Bor: 
Fa charakterifirt fi die dramatiſche Kunft des Dichters, 
defien hervorſtechendſie Arbeiten wir in der folgenden Überficht 
633 geſammten Werke etwas naͤher zu beſchauen uns vor⸗ 

en. 

Bir wiſſen nicht genau, ob die Neihenfolge der Dramen, 


genommen bat, weil fie 


wie fie in 20 Bänden bier vor, und liegen, auch die Beitfolge 
ihrer Entftehung entfpricht, im Allgemeinen aber werben beide 
ineinander fallen. Die Zrauerfpiele „Pizarro”, ‚Die Sparte: 
ner”, „Der fhwarze Rrig”, ‚Die Barthelomäusnadht” und 
„Die Zlibuftier”, weldye die beiden erften Bände der Samm⸗ 
lung anfüllen, faft alle fünfactig und in den Dimenfionen gro: 
Ser biftorifcher Tragoͤdien gehalten, find und feit ſehr langer 
Zeit befamt. Es ift von ihnen allen zu fagen daß fie ver: 
bienftvolle und lobwuͤrdige Leiftungen barflellen ; fie breden 
dem ftrebenden Dichter die Bahn und weifen ihm feinen Ylag 
unter den glüdlichfien Dramaturgen feiner Epoche an. Den 
Preis poetifcher Errungenfchaft, ſowol in glüdlicher Be: 
handlung der Begebenheit als in bichterifcher Charakterzeich⸗ 
nung, unter diefen fünf Zragödien möchten wir der „Bar: 
tholomaͤusnacht“ zuerkennen, in der es dem Dichter gelun: 
gen ift, die Geſchichte wahrhaft zu verklären, ohne den Tat 
fachen ihre Raturfarbe zu nehmen. Indem er den ganzen 
Berlauf der Dinge in den Charakter jener durchaus poetiſchen 
Geftalt Katharina von Medici fegte, drüdte er zwar die übri: 
gen Mitwirkenden an der großen biftorifchen Tragoͤdie dei 
Hugenottenmordes etwas herab, fand aber dafür Grjag in dl: 
len Hebeln, welche die Leidenfchaft darbietet, und gab feinem 
Stüde damit alle Macht einer in den Gemüthern felbft, nidt 
in den äußern Thatſachen wurzeinden Regebenheit, indem er 
hiermit der gewöhnlichen Klippe rein hiſtoriſcher Stoffe ent: 
ging. Der natürlichen Macht des Vorwürft Fam er durd die 
wirffamften Erfindungen zu Hülfe, und Charaktere wie An: 
jou's, Gelaverni dei Gabrini's und des Cardinal«Legaten find 
als unverkennbare Proben reicher dramatiſcher Begabung hin: 
zunehmen. Die Geſammtwirkung des Stuͤcks iſt ſtark und 
maͤchtig, auch abgeſehen von dem ungewoͤhnlichen Effect einzel: 
ner Situationen, wie 3. B. in der Scene, in welder Gabrinis 
Anfchläge einen fo tragifchen Yusgang nehmen. Es gereißt 
dem Verf. zur Ehre, daß er im Augenblid! der That alle Gr 
mütber, felbft das des Königs und Des Legaten, wanken lift: 
und ed zeichnet fcharf, daß, wo alle Männer zagen, nur Kather 
rina dem weichenden Cardinal nachrufen kann: 
Die Loſung diefer Nacht iR: Keine Bnabe! 


&o lobwürdig uns dies Drama erfcheint, fo verfäßt der 
Dichter doch auch bei diefer Arbeit in einen Fehler, der off bi 
ihm wiederfehrt und der als fo charakteriſtiſch bei ihm e' 
ſcheint, daß wir feiner erwähnen müffen. Er liebt es nämlid, 
in hiſioriſchen Dramen von ftrenger Gonftruction ploͤtlich in 
einen völlig opernhaften @ffect zu verfallen, und hat keine Ah 
nung davon, daß er mit einem einzigen foldyen kurzen auge 
oft die Wirkung feiner ganzen Arbeit, ihren ganzen Ernft zer 
ftört. Diefer Fehler beruht auf einer misverftanbenen Rad: 
ahmung Shakfpeare's, die wir Mühe haben zu verzeihen. v 
dem in der obenermähnten Schlußfeene lies ſich von det | 
bheberin des großen Hugenottenmorbed abmwenbet, Y 
und fie allein laͤßt, erſcheint ploͤrlich Coligni's Geift: „Scha 
der Konigin!“ rufend; worauf Katharina das Stuͤck mit dem 
Ausruf fließt: ' 

Du lügft! — fie lebt! und hat daß Spiel gewonnen‘ 


Die Nachahmung bekannter Vorbilder im „Hamlet“ en 
„Macbeth”‘ Tommt dem Dichter, unferer Anſicht nad, bier NIT 
zu ftatten, einfach deshalb: weil der Zufchauer bei jenen hr 
rakteren darauf vorbereitet ift, eine Sinnentäufhung, ae md 
eine Geifteßerfcheinung vorausfegt, gelten zu laflen, währen 
bei diefem Charakter Alles einer folhen Unnahme entgegn 
tritt. Die Wiederholung beffelben Zuges in vielen andern gu 
en zeigt, daß der Autor ſich über den Gebrauch de? ir 
derbaren im Drama nicht volle Rechenſchaft gibt, ein Manyeı 
der mehr als eins feiner Stüd ſchwer beſchaͤdigt. tn 

Bon den vier Tragoͤdien, welche den britten und DIE 
Band einnehmen, heben wir „König Erich“ und ar 
ſchau“ als die fertigften und eigenthümlichften Arbeiten * 
„Wallace“ und „Die Gyrabujer” geigen cher Spuren 





| 
| 


\ 
| 


mühfamer Wrbeit und einer ganz befkimmten Intention, die der 
freien Kunſtſchoͤpfung -in der Regel binderlih if. Fuͤr die 
Iragödie im antiken WBertfinn fehlen dem Dichter Ruhe und 
Reflerion; die antiken Stoffe, welche er erwaͤhlt hat, nehmen 
dadurch, daß er fie ——— romantiſche Farben kleidet, 
etwas Willlurlidhed an, das ihrer Wirkung nicht ginte ift. 
Auffenberg tft, wie gefagt, ein ganz romantifcher Dichter und 
darum glüudlicher in Stoffen, wie „König Erich” und „Die 
Borfhau‘ fie darboten. Die großen Schickſale, weiche mit 
zlüßfidher Benugung des Hfftorifchen im „König Eric” zur 
Darftelung gebracht werden, entfpreihen ganz dem glühenden 
Ausdru und der volltönigen Sprache, die der Dichter liebt; 
er weiß uns an bdiefen Charakter, der halb Ziger, halb Adler 
it, mit flarfen Banden zu feſſeln und ein großartig gefchil- 
dertes Lebensende tünfllerifch vorzubereiten. Alle Glut der Ge 
fühle und alle Wärme der Diction, welche dDiefe Arbeit auszeich⸗ 
nen, contentriren ſich in der Schlußfeene gu einem ungewöhn> 
lichen Effect, wann Erich den Moͤrdern zuruft: 
Weicht zuräd von meinem Born! 
Die große Bötterdämmerung bricht ein! 
Der ſchwarze Surtur flürmet Asgard's Binnen; 
Die Riefen reiten auf der Himmeldbräde 
Und winten dem verbannten Bruder zu. 
Ich Then! euch die zerſchoſſene Adlerſchwinge; 
Der freie Geiſt braucht keinen Fittig mehr. 
Seht ihr am Himmel meine neue Krone? 
Hinauf — hinauf — 
und mit diefem Ausruf fi von der Baluſtrade binabftürzt, 
um auf dem &Steinpflafter des Schloffes zu Gripsholm zu zer: 
Helen. Dies Stud ift fo reich an ſchoͤnen, großen und menſch 
Iihen Zügen, daß es auf jeder Bühne von Wirkung fein wird. 
In ganz anderer Richtung, nicht minder trefflich, iſt die roman» 
tiſche Tragoͤdie „Die Vorfhau”. Der tiefe, dichterifche Grund 
diefes Stückes würde über große Mängel der Ausführung Te 
benskräftig hinweghelfen; in dem Stücke vor uns ift die Aus: 
ung — bis auf die unmotidvirten Geiftererfheinungen — 
oortrefflich ine Pöftliche Sage, die dem Stüde zum Grunde 
ſiegt, ſpricht: „Du Bannft deine Tünftige Liebe im Bauberfpie 
gel ſchen; iſt es diefelbe, die du denkſt: gut! fo ift dein Leben 
; nur darfft du dem Gelichten nie geftehen, daB du ihn 
gerufen, fonft verkehrt feine Liebe fich in Haß. Wehe dir aber! 
erkheint em anderer im Zauberfpiegel. Wider Willen mu 
da did) ihm zuwenden, der alten Liebe vergefiend; wider Wil» 
ien entihlüpft dir dein Geheimniß, und dem Worte, das es 
verneth, folgt der Haß.” Diefe Sage verkörpert das Drama 
m trefflichſter Geftaltung, wirkſam, ergreifend, bewältigend, 
weil ihr eine Wahrheit unterliegt; und alles Died um fo mehr, 
aAb der Berf. in diefem glühenden Thema die fanften Empfin⸗ 
dumgen, in den Eharalteren des Harras, Gerini und lba, 
verwalten lift. Das Stück ließe fi, durch die leichte Aus: 
jonderung der opernartigen Scenen im zweiten und im legten 
Kt, zu einem trefflihen Bühnenftüd umbilden, und es ver: 
dient diefe Umbiſdung um der blühenden und gebankenreichen 
Sprache willen, in der es gefchtieben ift. 
‚ . Im fünften, fechöten ımd fiebenten Bante empfangen wir 
m dem „Opfer des Themiſtokles“, in den „Verbannken“, in den 
„Bhweftern von Amiens”, im „Fergus Mac-Jvor”, im „Rord: 
licht von Kaſan“, im „Schrour des Richterd” und im „Propheten 
dn Florenz”, eine Reihe von Dramen mannidfaltiger Geftal- 
tung, welche im ®anzen genommen einen Fortſchritt in Cha⸗ 
rakterzeichnung und fcenifcher Vollendung bei größerer Beherr- 
fung des Stoffes und der Sprache zu erkennen geben, und 
das allmälige Uinfteigen des Dichters zu feiner individuellen 
poetiſchen Bollendung — die uns im achten Bande entgegen: 
mitt — vermitteln und zum Abſchluß bringen. Im „Opfer des 
Zhemiftoßles”” find mehre wefentliche Veränderungen gegen die 
wfprüngliche Bearbeitung gu bemerken, bei welchem das Stück 
infomeit gewonnen bat, al& fie es dem Geiſte des Alterthums 
näher brachten. Die Wirkung des Ganzen iſt gut, obwol nicht 


tiefgehend; hier und da Hält ein zu reichlich fießender Stron 
von Worten den Lauf des dramatiſchen Schiffes auf. In den 
„Berbannten“, welche die Geſchicke Menzikow's darftellen, fehlt 
es einigermaßen an Handlung, wenigſten an Einheit der Hand⸗ 
lung; dagegen fließt der Vers gut, und Rede und Segenrede 
zeigen eine ungewöhnliche Kunft; ein ernfter Abſchluß des dra⸗ 
matifchen Gedankens aber wird vermißt. In den „Schweſtern 
von Amiens’ hat fi der Verf. im Stoff vergriffen, er, der 
fonft durch eine feine Diagnofe in der Wahl des dramatifchen 
Dbjects wahrhaft hervorftehend if. Der Gegenftand ift in 
dramatifcher Form kaum zu behandeln; und der Eindrud des 
Gewaltfamen, Unerflärten und Raturwidrigen, den das Gan 
binterläßt, zeigt Deutlich genug, daß diefer Vorgang der fceni» 
fhen Behandlung widerftrebt. Das Ereigniß diefes Schwe⸗ 
ſternmordes gehört der verfchleiernden Erzählung an; auf der 
Bühne, wie kunſtreich der Autor bie Sache auch veranftalte, 
muß die Heldin Rofaura nah ihrer That durchaus unfere 
Aheilnahme einbüßen, ſo lange das ethiſche Princip uns no 
Etwas gilt. Über „Fergus Mac» Ivor” können wir fchweigen, 
da er Nichts als eine nicht mislungene Infeenefegung des Wals 
tee Scott ſchen Romans if. Dagegen macht das „Rordlicht 
von Kaſan“, Pugatſchew's meteorgleiches Geſchick, auf tieferk 
Geltung din Kühnheit der Erfindung und Gewicht der Ges 
danken Anſpruch. Das Selbftfucht und maßlofe Grauſamkeit 
bem glänzenden Geftien feinen Untergang bereiteten, gibt bie 
Geſchichte; aber es gehört, fo viel wir wiflen, dem Poeten an, 
daß Sophia, die Gattin des Helden, die treuefte feiner Treuen, 
endlich felbft zu feiner Berrätberin werden muß, von dem bä« 
moniſchen Geiſte befiegt, der in Pugatſchew waltet. Dies Stuͤck 
FH reich an glänzenden Effecten, und wenn es auch von einiger 
erfpannung nicht ganz frei zu ſprechen ift, fo drückt es doch 
mit die Fülle und die Glut am reinften aus, welche in dieſem 
Diehter wie aus unerfchöpflicden Quellen von Allen Geiten 
beranftrömt. Die Scene, von welcher ab Pugatſchew's Ver 
wirrung beginnt, die &cene, wo er den Duien des Berges 
um feine Zukunft befragt, und diefer, nachdem er feine Büge 
befühlt, das einzige Wort „Falſch!“ ausruft, — diefer Auftritt 
gehört den beften Erfindungen an, welche dem Dichter gelungen 
find. Dem Gedanken entfpricht der Ausdruck, und die Berfe: 
Nicht unfre Rache haft du zu befürdhten, 
Denn Gottes ſchwere Hand iſt überall: 
Sie wird dich treffen, eitft du in die Höhe, 
Eo weit der Flug bed Sonnenablers reicht; 
Sie wird di treffen, eilt du in bie Tiefe, 
Wo imterm Eis der Reviathan wohnt... " 
Du bift bezeichnet für dad Blutgerüft ... . 
laffen mit Dem, was ihnen nachfolgt, an ihrer Wirkung keinen 
Imeifel auffommen. An einigen Stellen fteigert fi) die Em: 
yfindung fo, daß der Dichter in den Iyrifchen, in den Oden⸗ 
ſchwung verfällt, und obwol der Verſuch ſtets ein gefährlicher 
ift, fo —* er ihn doch gluͤcklich durch. Auf der andern Seite 


ſtellt das Stud trefflich gezeichnete Charaktere dar, und muß 


fo für eime der reichflen und geiftvollften Arbeiten Auffen- 
berg's gelten. 

An dem „Schmwur des Richters” — nad) dem bekannten 
fhönen Stoff gearbeitet, der in den „Briefen eines Berftorbe 
nen” zuerft mitgetheilt wurde — haben wir die Form zu ta: 
dein. Es ift das erſte Stüd, das uns der Berf. in Trochäen 

ibt; die Arbeit fällt daher wol in die Zeit, wo, wie weiters ' 
Bin zu erwähnen fein wird, die langgehegte Vorliebe für Spa⸗ 
nifche® und fpanifche Literatur, alles Andere überwältigend, in 
ihm zur Alleinherrfchaft gelangte: eine Krife, die dem Dichter 
bekanntlich nicht gunftig war. Auch dies Stud, fo lobwürbig 
auch mancher Zug darin erfcheint, hat unter diefer aufgebrun- 
genen Form gelitten. Der Natur des trochätjchen Versmaßes 


ı nach zerfließht es ungebührlih in Redensart und in epifche 


Breite, anftatt, wie bier die Aufgabe war, eine dramatifche De 
ebenheit von antiker Kraft in vecht kurzen und energifchen 
ügen zur Anſchauung zu bringen. Der Fehler des Ber: 


. 


ſchwimmens erſtreckt fih Hier bis auf die Charaktere felbft, 
welche den Gonflict bilden ; und es tft, ald begönne mit diefem 
Stüde die Epoche. Auffenberg's, wo feine Dramatis personae 
aur dazu vorhanden find, ihnen lange lyriſche Ergüfle in den 
Mund zu legen. Hiernach iſt es Schade um die Kunft und 
die Gelehrſamkeit, weldye bei diefer Leiftung aufgewendet wer: 
den mußten; ber fihöne echt tragifche Stoff hat die rechte Form 
nicht gefunden, und der wahre Pathos in ihm bat einem ganz 
willfürlihen und falſchen weichen müflen. 

(Die Fortſetzung folgt.) 


— 5—* 


Über Gewiffensfreiheit. Briefe eines Idioten an einen alten 
Waffenbruder. Dresden, Naumann. 1846. 12. 28 Ngr. 


Der Berf., von welchem ſchon vor einigen Jahren unter 
dem Titel „Drei Donate in Paris“ ein Bändchen Idiotenbriefe 
„erfchienen ift, ftellt ſich zwiſchen beide ftreitenden Parteien der 
Septzeit. Er fodert Glaubensfreiheit, aber nicht vom Stand: 
punkte Derer aus, welche auch in Bezug auf den Inhalt des 
Staubens ein freied Verhalten beobachtet wiffen wollen; und 
andererfeits ift er firenggläubig‘, ohne durch diefe Strenge des 
. zellgiöfen Bewußtfeins ein ſtrenges äußered Verfahren gegen 
Anderödentende begründen zu wollen. Er ift Demnach darauf ges 
faßt (8. xxıv), von. beiden Theilen in gleihem Maße ange 
feindet zu werden. Seine Grundanfhauung ift, daß Staat 
und Kirche durchaus getrennt. zu halten feien. Der Staat ift 
ihm ein bloße Werk ter Noth: „Was Tann die Menfchen 
ſonſt bewegen, fich eines Theils ihrer theuern Freiheit zu be 
geben, als das Bedürfniß der Nahrung, der Erhaltung und 
fpäter des äußern Wohlbefindens?” Wie der Staat irdifch, 
fo ift auch fein ihn zaufammenhaltendes Band die Regie: 
zung, von welcher Form fie auch fein möge. Die Regierung 
ift ihm, nach Binet, das Mittel der Geſellſchaft und beruht ebenfo 
wenig als diefe auf fittlichen oder religiöfen Begriffen. Sie ift 
nur fo zu fagen der Handeldagent; da für einen Theil der 
natürliden Freiheit irdifches Wohl eingetaujcht wird. „Was 
die Nothwendigkeit zufammengefügt bat, fann nur die Roth: 
wendigfeit, aljo der Zwang, erhalten” (&. 6). Dagegen in 
der religiöfen Gemeinſchaft der Kirche gibt man keineswegs 
einen Theil der Freiheit auf, fondern diefelbe berubt vielmehr 
darauf, daß die legtere fih im böchften Grade entwidelt. Die 
Gemeinſchaft ift für das religiöfe Leben an und für ſich nicht 
wefentlih. Die tiefften Gemuther bedürfen ihrer nicht, fon: 
dern find fich felbft genug. „Wenn ich nur didy babe, fo frage 
ih Nichts nah Himmel und Erde!” fagt David. Und der 
deutſche Philofoph fagt: „Der Heilige bat feine Kirche al: 
ler Orten bei fi und in fih: er fteht und geht, Tiegt und 
figt in feiner Kirche; der heilige Geift predigt ihm aus allen 
Greaturen; was er auch anſieht, da fieht er einen Prediger 
Gottes.” Nur für und Andere, in denen der religiöfe Zrieb 
nicht eine fo intenfive Wirkſamkeit entwidelt, ift das chriftliche 
Sejammtleben der Boden, aus dem wir einen großen Zheil 
unferer Nahrung ziehen; der Stab, an dem wir epheuartig 
uns binaufranten; das Schirmdach gegen Stürme und Unge: 
witter. Und ſo kann denn aud) das religiöfe Bedürfniß fo we: 
nig als das phyſiſche und materielle bei uns, die wir nicht 
jenen Adlern und Edelfalken gleihen, außer der Gefellichaft 
befriedigt werden. - Der religiöfe Geſellſchaftsverband beruht 
. allein auf der innern Wahlverwandtfchaft oder Sympathie, auf 
dem focialen Bedürfnifle, auf dem Bewußtjein der eigenen 
Schwähe und dem Zriebe, fi an foldyer Vereinigung zu kraͤf⸗ 
tigen‘', ift alfo durchaus der Gegenſatz zweier ganz verſchieden⸗ 
artiger Sphären: „die eine verlangt das Dpfer eines heile 
unferer Freiheit für gemeinfame Bebdürfniffe, die andere geftat: 
tet, ja ift die Ausübung und die fchönfte Entwidelung unfexer 
Freiheit; die eine bezweckt — zunächſt wenigftens — die Bor: 
theile und Sicherheit dieſes ſchnell dahinwelkenden Lebens, die 
andere bietet nur geiftliche, größtentheild hinter dem Schleier 
des Grabes verftedte Güter. Aus dieſen Grundbegriffen er⸗ 


gi fi dem Berf. natürkich leicht, daß der Staat über ben 
nhalt einer Kirche zu urtheilen nicht. berufen fei. „Wer ift 
denn der Staat? was find feine Drgane? Menfchen, dem Irr⸗ 
thum auögefegte Menſchen! «bern, wird eingewendet, uni 

Diefe folen nach leidiger fubjectiver Willkür uber die Küde 
aburtheilen, fondern objective Gefege, Symbole und Glaubens: 
befenntniffe (follen) den Probirftein geben.» Mer bat aber 
diefe entworfen ? Menfchen! Und wer legt biefen Probirſtein 
and Wieder Menfchen! — und vielleicht Menſchen, deren Ge⸗ 
wifien gegen dieſes Berfahren ſich fträubt, denen jene Geſetze, 
Symbole und Glaubensbekenntniſſe wol gar antiquirt find. 
«Die Heilige Schrift fei der Probirftein!v Wer legt fie aus? 


| Menfigen! Wer fagt, daB fie heilig ſei? Wieder Dienfchen! 


Berantwortliger Herausgeber: Heinrich Wrodhans. — 


&o verfängt fih der Staat, wann er auf bas ihm fremde Ge⸗ 
biet fih verirrt.” „Der Wenſch“, fo beſtimmt der Verf. Dies 
näher (8. IT), „ift der Wahrheit wol fähig, aber die befeli- 
gende Gewißheit ift vein ſubjectiv und erweitert ſich nicht zu 
einer auf Andere einwirkenden Gridenz.” Werner geißelt der 
Berf. die Bermifhung bes Staatlichen und Religiöfen an eini- 
gen bervorftechenden Beifpielen. &r babe, erzahlt er, einen 
Superintendenten nad) dem Gefange des Liebes „„Romm heili: 
ger Geiſt“ — „auf Befehl einer Pöniglichen hochlöblichen Re 
gierung“ inftalliven fehen; und 1813 habe ein berühmter Geift: 
licher, beim Auszuge der berliner freiwilligen Jäger, zu ihren 
anwefenden Müttern gewendet, fo gefchloffen: „Selig ift euer 
Leib, der einen folhen Sohn getragen, felig eure Bruft, bie 
ein ſolches Rind getränkt hat!” Befonders bezeichnend ift für 
bes Verf. Anficht ven der Xrennung des Staats und der Kirche, 
daß er für die Ertheilung der Staatöbürgerrehte an die Zuden 
ſtimmt. Doch findet fih Hier ein etwas bedenklicher Zufag: 
„Das Blut ded Heilandes, welches die Vorfahren der heutigen 
Zuden in fchaudervoller Selbftverbiendung über ſich und ihre 
Kinder herabgerufen haben, wird auf ihnen luften und ein Jude 
ein unbewußter aber lauter Prediger des Strafgerichtd Gottes 
bleiben und alfo die Wahrheit Nichts verlieren, auch wenn mir 
einzelne feiner Blaubensgenofien ale Minifter, Lanträthe ode 
Suftizcommiffarien ſehen“ (&. 28). Das Elingt ein wenig nad 
dem Mittelalter, wo man die Juden ald Beldleiher ſehr braud: 
bar fand, fie aber als Juden pflichtſchuldigſt ſteinigte. Die 
Stellung, welche das Buch grünen den Parteien einnimmt, 
erhellt am deutlichiten aus ©. 65: „Wer, dem die evange- 
lifhe Wahrheit wichtig ift, follte ſich nicht freuen über den 
Kampf, den der theure Guerike gegen Die proteftantijchen Freunde 
und ihre Korpphäen, die Paftoren Uhlich, König und Wislice: 
nus, eröffnet bat, und den Schladhtruf, der von allen Seiten 
gegen fie ertönt? Wenn indeß dieſer Kampf auf das weltliche 
Gebiet des Staats übergeführt werden follte, fo würden die 
Proteftantifhen Freunde gewiß Kräfte gewinnen, welche ihnen 
jegt abgehen. Diefes ift aber zu befürchten, weil die Ratur 
ded Kampfes von vielen unferer Brüder verkannt zu werden 
ſcheint. ie könnten ſonſt von ihnen ihre Gegner politiſch 
verdächtigt, und weil fie, um mit Wolfgang Menzel zu reden, 
von’ gelehrter Wafferfucht nicht aufgetrieben, in einer Sache 
auch des Volkes an das Volk fi wenden, mit Sommuniften in 
eine Claſſe gefept werden?‘ Den Reſt des Buches, das 
308 Seiten zahlt, füllen Vorſchläge zur. Einrichtung freier Ge: 
meinden, fobaß die Mängel der norbamerifanifhen Erfceinun: 

en der Art vermieden würden, und Anwendungen der aufge: 
eilten Principien auf befondere Falle, 3. B. Die Abdankung 
der waabdtländifchen Geiftlichen. 
in Ausjicht geitellt. 


Literarifhe Anzeige. 
Bon F. MH. Wrockhaus in Leipzig ift zu beziehen: 
De materiae apud Leibnitium notione et ad 
monadas relatione commentatio auctore @. 
Hartenstein. Gr.4. Geh. 12 Ngr. 
" Drud und Verlag von F. er. Weodhans in Lip. 


Auch wirb ein zweiter zum 
42. 








Blätt er 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


26. Juli 1846. 





Dramatifche Buͤcherſchau für. dad Jahr 1845. 
weiter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 206.) 


Ben diefem vorzeitigen Kalle erhebt fih der Dichter im 
„Propheten von Florenz“ wieder, um uns in dieſem Drama 
eine feiner eigenthümlichflen Arbeiten Ko zu laffen. Zwar 
dringt auch hier die erwachte Vorliebe für das fcenifche Ele: 
ment ftellenweiß ungebörig hervor; Doch nicht fo, daß es Cha: 
roter und Haltung des Ganzen zerftörte wie im „Schwur des 
Richters‘; vielmehr ift Kraft, ſtarker Muth, Begeifterung für 
tine begeifternde Sache die Grundlage des Stud. Die Ver 
dammung Savonarola's, des größten unter ben italienifchen 
Kichenreformatoren, ift bekanntlich Stoff und Vorwurf diefer 
Gedankentragödie, an der und eine große Kühnheit der Wen: 
dungen von der tragifchen Befähigung des Dichter Zeugniß 
gibt. In der Schlußfcene ftehen der Papft und der Reformator 
fih gegenüber; Alexander VI. bekennt, in feinen Gegner den 
erftn wahren Mann, den lichterfüllten Sohn des Jahrhunderts 
gefunden zu haben; er gibt ihm noch einmal die Wahl: 

Der Gardinalshut hier — und dort ber Holzftoß 


Savonarola bleibt feiner früheren Wahl treu, aber er will 
friedlich, ohne Groll von dem Papfte fcheiden, der ihm einft 
ds Freund nahe fland: 

Die ganze große Welt liegt zwiſchen uns: 

Wie tönnten fi die Hände je berüdren ? 


Pay. 
Bird dein Geheimniß nicht mein Erbtheil fein? 
Was wollteft du? 
Savyonarola (in feinen Armen) 
Die Republit des Heilandsé! 
Sie follte diefen ganzen Stern umfaflen, 
Gegründet auf dem Bunbament ber Liebe, - 
Der grofen — allgemeinen Bruberliebe, 
Die ohne Papft und ohne Kaifer — lebt. 
vapkk ' 
Eoabr bin Werlor'ner! 

Diefem an ſchönen Zügep reichen Stüde folgen im achten 
Bande drei Dramen, welche wir, Alles zufammengenommen, 
für die beften Hervorbringungen Auffenberg's halten, minde⸗ 
Bens für diejenigen, in weichen feine individuelle -Dichternatur 
fi am volfftändigften und am meiften entfaltet, mit Verzuͤgen 
und Schwähen am klarſten vor uns Hinftellt. In dem Maße, 
wie ein Dichtergeiſt zur Selbftändigkeit beranreift, in dem 

,‚ wie er frei und fein „Selbſt“ wird, ift er uns achtbar 
und ehrwũrdig. In den drei Schaufpielen bes achten Bandes: 
„Ludwig XI. in Peronne”, „Das böfe Haus” und „Der Löwe 
von Kurdiſtan“, feiert der Dichter feine größte Befreiung von 
allem Fremdartigen; ee ift ganz fein eigen. Vorher griff an: 
file Erinnerung und daB Vorbild Schiller's, nachher griff bie 
gar Tyrannei für ihn gewordene Borliebe für das fcenifche 


Charakteren befteht, die in fi 


Element der Poefie ſtörend in feine freie Schoͤpferkraft ein; 


in dieſen Dramen bat er aller äußern Feſſeln fih entledigt und 
fragt nur fich felbft, den eigenen Genius. Vorher und nad» 
ber gab er Einzelnes, das ſchoͤner iſt als diefe Stücke; aber 
ganz ſich felbft gehörte er nur in der Burgen Periode dieſer 
drei Dramen an. Die Stoffe au biefen drei Dramen find auß 
Balter Scott entlehnt. Auffenberg ſcheint bei feinen Arbeiten 
eined ‚gegebenen äußerlih anzufchauenden Borbildes nicht ent 
behren zu koͤnnen: fein einziges feiner Dramen ift, den Aus 
Bern: Umriſſen nad, in. feinem Geiſte entſprungen; in biefer 
Beziehung Bann ihm die Benennung eines Genius verfagt wer 
den, und er hat nur auf den Ramen eines Zalents Anfprud. 
Allein auch unter Schiller's und Goethe's dramatifchen. Rad 
laͤſſen find nur einzelne, bei weicher nicht ein gegebener Stoff 
gut Verarbeitung fam, und diefe wenigen find nicht gerade ihre 
erühmseiten Werke geworben. Hierin alfo ann ein Mangel, 
ein Grund des Tadels nicht gefunden werden ; ed hängt Alles 
vielmehr von der Art ab, wie der Stoff — gegeben oder ers 
funden — ergriffen, bewältigt wurde; völlig unabhängige. und 
seine Erfindung iſt nicht blos in den dramatifchen, fordern 12 
aller Kunft, überaus Wenige, vielleicht Nichts, wenn man Da» 
von ausgeht, daß die Poefie, die Kunſt überhaupt, eine zweite 
Ratur ift, ein Subftrat der realen. Zu „Ludwig XI.” gab 
„Quintin Durward’ des fchottifhen Romantiferd den Stoff; 
nichtödeftoweniger fteht das Stüd in unferer Schaͤtung hoch. 
Das, was die Charaktere heraushebt und jie poetiſch, Dramas 
tif) zeichnet, gehört dem Dichter, und die Begebenpeit felbft 
nahm unter feiner Hand eine andere Bedeutung an; Die In: 
tentionen, mit einem Wort, find fein und die wirffamften Si⸗ 
tuationen und Gruppen gehören ibm an. Abgefehen davon, 
daß die Zabel des Stücks ſich in regelmäßigem Kortfchritt auf 
daß anziehendfte dramatiſch entwidelt, gibt der Verf. in dem 
König Ludwig, in Quintin, in Dfivier le Daim, Maitre Pierre 
und Triſtan, in La Mark, Hayrraddin und Brad de fer eine 
Galerie von Charakteren, denen Wirkung und Bedeutung in 
feltenem Maße beimohnen. Die Schlußfcene ded zweiten Acts, 
dad Geſpraͤch des Königs mit Hayrradtin find unzweifelhafte 
Proben dramatifchen Berufs und feenifchen Talents. In „Das 
böfe Haus’ erfcheint die dramatifhe Wirkung noch toncens 
trirter, analogifcher, die Charaktere noch fchärfer, Fühner und 
fiherer gezeichnet; und der Arzt Eoyctier, fowie der nachtwan⸗ 
delnde Scapmeifker , Maitre Cornelius, gelten mit Recht für 
Hervorbringungen einer feltenen poetifchen Erfindungskraft. 
Berfiele dies Drama nicht in zwei allzu lofe aneinander haͤn⸗ 
gende Hälften, fo würden wir es nicht nur für des Dichters 
geiftoone Arbeit, fondern geradehin für eind der beften 

jeugniffe des in dramatifcher Form dichtenden Geiſtes er» 
Eennen müffen. Dies Stuͤck galt eine Seit lang für undarftells 
bar; Ref. gab Deranlaffung zu feiner erften Aufführung, und 
der ungemöhnlichfte Erfolg Prönte den Verſuch, — natürlich, da 
Verwidelung und Löfung in diefem Drama, daB gänzlih auß 
i ſelbſt beruhen, das lebhafteſte 
Intereſſe wie mit unbezwinglicher Gewalt an fith ziehen. Ein 


x 8. 
* f 

eberbaft fpannendes Interefie an dem thatfächlihen Berlauf 
—* Fabel erwecken, iſt nicht gerade die hoͤchſte und edelſte 
unter den dramatifchen Aufgaben, und es iſt uns wohl bekannt, 
dag die antike Kunft, daB Shakfpeare und daß felbft unfere 

rößten Meifter durch andere Mittel wirken und andern Ga: 
dem ihren: Kuhm verdanken; allein dennoch hat die Kunft, 
Theunahme zu erwecken, nicht bloß ihren hohen Werth im 

rama, fondern fie ift auch, gemiffermaßen der Grund und 
Boden, auf dem erft aller übrige Erfolg erwächſt. Auffen⸗ 
berg’8 „Das böfe Haus’ aber enthält Charaktere und Effecte für 
ein halbes Dugend deutſcher Schaufpiele, und iſt in einer Spra⸗ 
che gefchrieben, deren koͤrnige Natur und deren Energie nicht 
Jeder, der es Me machahmt oder erreicht. So ſagt Koͤ⸗ 
nig Ludwig (S. 234): 
Mein find die Unteribagen!. ” 
Mit Haud und Hof, mit Haut und Haar, Pasques - Dieu! 
Dafür bin ich ber unumfhräntte König; 
Dafür Hab’ ich dies Frankreich groß gemacht, 
. Daß ganz Guropä feine Kraft verehrt. 
Ich ſtehhle keine Ketten, meine Herrn! 
Ich fhmiede fe u. f. w. 
Und diefer Grundgedanke in der Garaktervollen Despotie bier 
fe8 Königs wird in dem ganzen f£refflihen Gemälde König 
kZudwig's auf eine ebenfo wirfungsvelle als ergreifende Weife 
feftgehulten und bis zum letzten Hauch bin durchgeführt. 

Auch der „Löwe von Kurbiftan” (Richard Löwenherz’ Schick 
ſale) ift ein Stück vol ſchoͤner männlicher Gedanken und rei» 
er, fefleinder Erfindung, obgleich wieder in ſeinen Srund⸗ 

ügen dem unerfchöpflicden — — nachgedichtet. Glut und 
—* der Sprache und eine faſt immer gluͤckliche Geſtaltung 
des dramatiſchen Effects, feite und dichteriſche Beichnung der 

aktere treten auch in diefem Schaufpiel als Vorzüge des 
Diehters deutlich genug hervor. Die Liebe zum BDrient bricht 
fih in der Geſtalt des Emirs volle Bahn, und wie er fein 
Mus Morgenland zu malen weiß, zeigt der erfte Act und 
Die Rede Scheerkohf's, des Löwen von Kurdiften, in einem 
ſchoͤnen Beiſpiel: 

Dee kurd'ſche Loͤwe ruͤhmet feine Abkunft. 

Du fſollſt fie kennen. Jene fieben Schweſtern, 

Bon ſieben Jaͤgern wurden fie befreit. 

Die Taͤger aber kamen aus der Glut 

Des unentweihten Elements hervor, 

Aus deſſen Born die ew'gen Sterne trinken. 

Sie fprengten rüfttg die demant’ne Kette, 

Und jeder ſchwang mit ber erwählten Jungfrau 

Auf einen Löwen fi, dem Geiersfluͤgel 

Und gold’ne Maͤhnen Eblis einft geſchenkt. 

&o kamen fie ind hohe Zauberſchloß, 

Das unter Wollen thront auf Tugruts Gipfel, 

Bo Ströme, ihre Länft’'ge Groͤße ahnend, 

Gewaltfam breiden aus Eriftall’ner’ Urne, 

Mo fi die Luft vermaͤhlt den fluͤchtgen Wogen u. f. w. 

. Hier ſtehen wir an ber Grenze der künſtleriſchen Vollen⸗ 
dung des Poeten. Bon jegt an führte eine entfchiebene Vor: 
liebe für morgenlaͤndiſche Studien, bie fi aus. der harmoni⸗ 
fgen Geiftesbildung übermädhtig und anmaßend hervordrängte, 

en Geſchmack, feine Kritik ivres und er gab, zu einer 

it, wo er von ben Gegenftänden felbft noch Beine — 28 

tte, in den verſchiedenen Theilen des „Alhambra“ ein Werk, 
in dem ie, nothwendige Unterordnung, qute Kritik, 
Weilung und Trennung der Gattungen völlig vermißt werden. 
Die Bände I— 15 enthalten biefe Herworbringungen einer 
nicht zu redpertigmben ‚ einfeitigen und eintönigen Wertiefung 
in das ſpaniſche Mohrenthum: Band 9 „Boabdil in Eordona”, 

Ubenhamet und Alfaima’; Band 10 „Die Gründung von 
Santa>®E” und als dritter Theil des ca” die „rs 
oberung von Granada‘; Band Il, 12, 13, 14 und 15 „ML 
manfor”, „Seir's Chriſtnacht, „Der Fuß des Bornes”, „Mo: 


’ . 
4 


latbemoum” und „Der Renegat von Granada”: Dichtungen, in 
welden der Berf. eine unftatthafte Verſchmelzung des Dramas 
wit dem Epos verſucht; in melden unter einem unendlichen 
Strome von Trochäen Charaktere und Begebenheiten gaͤnzlich 
verloren gehen ; in welden Monologe von Hundert und mehr 
Seiten die reihe Belefenheit und orientalifche Gelchrfamkeit des 
Berf., aber auch feine völlige und bis zur Bewaßtloſigkeit ges 
fteigerte Bertiefung in fein Thema, über welches er alle Herr: 
thaft verloren bat, befunden. Wir haben diefe feltfamen Ar⸗ 
beiten zu ihrer Zeit ausführlich in d. Bl. befprodyen und koͤn⸗ 
nen und nicht entidhließen, das damals Mitgetheilte bier zu 
wiederholen; ed muß an dieſer Stelle an einem allgemeinen 
Urtheil über fie genügen. Der Dichter felbft hat einen alten 
alähenden Wunſche fpäter Genüge getban: er hat Sütfpanien, 


1 Granada, das geliebte Alhambra befucht, und er hat uns diejt 


wahrhafte „Pilgerfahtt” in einer Schilderung befchrieben, die 
fider zu dem Ausgegeishnetiten gehört, was wir in diefer Art 
in unferer Literatur beſizen. Wir werben weiterhin ausführ: 
liher von dieſer Leiſtung fprechen, bemerken aber con 
bier, daß der Berf. bei diefem Beſuch der Drte und der 
Dinge, die er in feinem „Alhambra“ verherrlicht, felbft inne 
wird, daß er die Dimenfionen übertrieben hat und daß Vieles 
anders ift ats er es fich dachte. Auf diefem Standpunkte ber 
Erkenntniß fpottet er tenn auch feibft über fein Alhambrage: 
dicht, und obwol noch immer ein glühender Bewunderer de 
Zeit ımd der Charaktere, ift ihm doch ſelbſt fühlbar gewerden, 
daß fein „unſterbliches“ Gedicht eigentlich für Niemand aid 
für ihn felbſt lesbar fei. Dies Urtheil iſt hart; allein dei 
Dichter felbft fällt e6 und fo Fönnen wir wol einräumen, def 
er Recht hat. Unerachtet einzelner großer und ‚erfreulidier 
Schönheiten, werden nur Wenige die Lecture des „Wlhambre" 
und feinen dritten Theil durchführen; denn ber dramatiſche 
Dichter gebt uns hierbei: völlig verloren: er taucht aus dem 
Wogenſchwall orientalifiher Anſchauungen und eintöniger Ir 
chaͤen nicht cher wieder empor, als im „‚Renegaten von ur 
nada“, der den 15. Band einninmt, und wo einige zweifelhaſte 
ohnmächtige und erfolglofe Verſuche wenigſtens ein erneutes 
Ringen nach dramatiſcher Wirkung und Lin wiederkehrendes 
Bewußtſein von den Geſetzen der Kunſt verrathen. Mi 
Diefe Periode gänzliher Geſchmacksverleugnung if ae 

würdig; fie lehrt in einem warnenden Beifpiel, wie ſeht det 
Dichter fih vor individuciler Worliebe und dem Raufh dt 
Neigung zu irgend einem „Soncreten in der Kunft zu puten 
babe, wenn er nicht Gefahr laufen will, Natur und ) 
Mühe und Arbeit im Schutt eines über ihm einfturzen n 
Baues zu begraben, vweldher deshalb zufammenfällt, mei € # 
Theil an ihm aus den Regeln der poetifchen Architektur wi 
wich und als ein Einzelnes das Ganze zu beherrſchen re 
tete. Bon den Werirrungen der fünf fhönen Zahre, welcht 
Verf. an biefer Arbeit verloren, hat er ſich zumüdgemennet v 
allein diefe ſchoͤne Seit verfchwendeter Schoͤpferkraft un den 
muß ihn reuen, wie fie uns beffagenswerth ſcheint Bi 
wir noch Proben geben? @s Zönnten nur Proben und cl 
fpiele eines bedauernswerthen Irrſaales fein, — und DU 


und der Raum. 
(Die Zortſetung folgt.) 


Die Philofophie des Lebens der Natur gegenüber Mi 


bisherigen fpeculativen und Natur -Ppilofophien. 3 
len wiffenſchaftlich Gebildeten gewidmet und ", I 
Borworte an das philefophifche Publicum bes 
von Heinrich Bogel. Braunſchweig Bieweg 
Sohn. 1845. Gr. 8. 1 Thlrx. 15 * 
Könnten wir und dabei befriedigen, den gp 
8 bloß nach ‚feinem @ezchen und nadp feiner Geinnu | 
—2 ee von Grunde it find, ſo wi 





nur ei os Beugmiß auöfkelen Tonnen, und 
t Kg eurem Sefin und um der Liebe 
‚ bie fein ganzes Werk befeelt, an feinem mühfem auf- 
gerichteten philoſophi Gebäude rütteln zu müflen; allein er 
feßt fich ſelbſt Die Hohe Aufgabe: „auf natürlichem, iri⸗ 
ſchem 


ußtes 
ieſer R od 
—————— 


den inungen ergaͤnzt. 
em Object, nicht immer wiederholt ſich ein Hergang in derſel⸗ 
ben Br 2* Subject eröffnet In Faͤllen dieſet Urt die Faͤ⸗ 
higkeit feines Diſſent einer andern Zwiſchen⸗ oder Enderſchei⸗ 
aumg, weiche bei einer ähnlichen Reihenfolge der Entfaltung 
der Dbjecte einer unmittelbaren Wahenehmung fi darſtellt, 
und füllt Die im feinem Gewußten befindliche Rüde wit diefer 
wittelbar erhaltenen Wahrnehmung aus. Ie nachdem biefe 
efuhte Zwiſchen⸗ oder Enberſcheinung bei allen Wahrnehmun- 
0 ähnlicher Beibenfolgen, oder bei dem größten Aheile ber: 
en oder nur zuweilen wieberfehrt, ſchreibt man biefer mit⸗ 
mung Gewißheit, Wahrjcheinlichkeit oder Mög 


lichdeit u. Gin gewiſſes Mdiffen aber: wird auch tamık bie 
ausnahmslofe Wicderlche der geſuchten Erſcheinung fo fange 
nicht erjeugt, ald nit dieſe Erſcheinung mit einer unmit« 
telbar wahrgenommenen Erſcheinung in einem bergefbalt noth« 
wenbigen Bufammenhange ftcht, daß ohne das wirkliche VBothan⸗ 
denfein ber Zwiſchen⸗ oder Enderfiheinung eine in der Reihen⸗ 
folge diefex Erſcheinuagen ihr voraus⸗ oder nachgehende unmit- 
telbar wahrgenommene Erſcheinung felbft nicht vorhanden fein 
koͤnnte oder mit jener im Widerſpruche fehen und von ihr auf⸗ 
gehoben werben würde. Auf aͤhnliche Weife nimmt aber auch 
das Subject Busch mittelbare Wahrnehmung Momente wahr, 
deren unmittelbare Wahrnehmung ihm vermöge feiner Indivie 
dualität gang verfügt if. So z. B. kann es ſich felbft unmit⸗ 
telbar als Subject nicht wahrnehmen, es muß fih aber mittel⸗ 
bar dadurch als Subject wahrnehmen, als ihm ein Dbiect ge⸗ 
genüberfteht, mit welchem es in Wechſelwirkung tritt, und 
weil ohne ein Subject dieſer Wechſelwirkung diefe felbft un« 
möglich fein würde. Aus dem Inhalte ded Worbhergehenden 
folgt, daß alle mittelbaren Wahrnehmungen, auf deren ein⸗ 
fa Borgang all unfer fogenanntes Urtheilen und" Schließen 
beruht, in Bezug auf die Realität des dadurch entflanbenen 
Wiſſens mit unmittelbaren Wahrnehmungen nur dann gleiche 
Geltung haben, warn deren Verneinung oder Regation niit 
einer unmittelbaren Wahrnehmung im Widerfprudge ftchen 
oder dieſe felbft als unmöglich darflellen würde. — Alles, was 
man mit dem Worte Denfen bezeichnet, ift Nichts als ein 
Berhfelwirken des Subjeets mit dem Inhalte feines Willens ; 
und Alles, was man unter Handeln verfteht, ift Nichts abs. 
ein Hinaustreten des Subjects durch die hereinzetretenen Bil: 
ber hindurth in bie ihnen entfprehenden Objecte. Jede wahr» 
nehmbare Erſcheinung des Wechſelwirkens beſteht aber entwe⸗ 
der darin, daß ſich ein Object mit dem andern liebend verei⸗ 
nigt und in der aus dieſer Vereinigung hervorgegangenen Form 
feſt zu erhalten ſucht, oder darin, daß ein Obſeet das andere 
feindlih befämpft und umzuformen trachtet.“ 

Bis Hierher Bönnen wir den Anſichten des Bert wenig: 
ftens eine gewiſſe Conſequenz nicht abfprechen ; wie müffen ibm 
aber ind Wort fallen, wenn er alles Geiftige in der Ratur 
old Gegenſatz der Materie geradehin Ieugnet und die leptere 
nur für eine Form erBlärt, in der das Leben ſich darfiellt. 
Allerdings ift das Legtere der Fall; allein damit iſt noch nicht 
erwiefen, daß das Leben felbft nichts Geiſtiges fei, und ber 
Berf. täufcht fich felbft, wenn er glaubt, mit dem Worte „Res 
ben” das Geiftige ausgefchloffen zu haben. Daſſelbe gilt von 
dem Begriffe „Kraft”, welche er gleichfalls als das Leben be⸗ 
zeichnet, welches feinen Grund in dem Leben felbft Habe, fo 
wie es unferer objectiven Wahrnehmung fich darſtelit. Die 
Materie ohne Geiſt, ohne Kraft ift todtz das Sich Bewegende, 
Fortfepreitende und Enthaltende in ihr ijt ein Geiſtiges, möge 
ed nun der Verf. mit dem Worte „Leben’ bezeichnen, oder 
möge er e8 „Geiſt, „Kraft“ nennen. Die Wechſelwirkung ber 
Elemente, auf welcher dem Berf. zufolge das Leben beruht, iſt 
gleichfalls etwas Geiftiged, und die von dem Verf. verworfenen 
Begriffe von Erpanfion, Eontracien, Repulfion und Attraction, 
Gentripetal» und —— Polaritaͤt, haben ihre volle 
Geltung, indem fie jene Wechſelwirkung in verſchiedener Form 


en Leben derfelben“, ſucht der Verf. ſeine Grundſaͤtze 
Aa — der Naturkoͤrper beginnend und 
ch gend, in Uns 

wendung zu bringen. Auch dies fubfituirt er entweder 


— en Maſſen und Maffetheilden. Er begnůgt ſich nicht 
den bisher aufgefundenen Grundſaͤtzen der irdiſchen Ratur: 
Börper und erfennt fie nicht als die legten Urbeftandtheile an, 
gelangt aber auf fehr willfürliche Weiſe zu der Annahme: daß 
die legten Berlegungen nothwendig auf zwei -&toffe führen 
müffen, von denen jeder dad teine, unverbundene und unwan- 
deibare Element feines gefchlechtlihen Verhaͤltniſſes ift und in 
deren binairen, tertiairen und quaternairen, in beftimmten 
Proportionen oder Gewichtstheilen entftandenen Verbindungen 
alle: tellurifhen Gebilde dargeftellt werden. Als männliched 
@lement aller irdifhen Berbindungen ober Gebilde gilt ihm 
vor der Hand der Sauerfloff, und zwar, weil bie erften Ber: 
bindungen des Sauerftoffs die feſteſten und entfchiedenjten Saͤu⸗ 
ren und Bafen find; dann aber auch, weil der Sauerfloff un- 
tee allen Umftänden fein gefchlechtliches Verhaͤltniß unwandel⸗ 
bar beibehält, ſich immer negativ polar zeigt, mit allen andern 
Stoffen Verbindungen eingeht und im verbindungdlofen Bu: 
flande nur als reines geſchmack⸗, geruch⸗ und farbloſes Gas, 
folglich noch als kein finnlich wahrnehmbares, koͤrperliches Ge: 
bitde erſcheint. Er ift, wenn auch wägbar, noch immer Bein 
Körper; die Wägbarkeit ift nur eine Wahrnehmung feiner Au: 
Berungen, nicht feiner ſelbſt. Woran aber erkennen wir an⸗ 
dere Körper als an ihren Eigenfchaften? Iſt denn Wägbarkett 
nicht auch eine @igenfchaft? Die Frage, durch welche Kraft 
die Elemente angetrieben oder in den Stand gefegt werben, 
fih im einfachen Zuftande oder in dem Buftande weiterer Ber: 
bindungen wechfelfeitig als gejchlechtlich verfchieden zu erkennen 
und in dieſer Verfchiedenheit zu verbinden oder, wo dieſe Ver: 
ſchiedenheit mangelt, jedem äußern Zwange zu einer Berbin- 
dung zu widerſtehen, löft der Verf. wunderlicherweiſe durch 
die Annahme eined Triebes zur gefchlechtlichen Bereinigung, 
dem Empfindung und Wahrnehmung zu Grunde liegen, und 
präbicirt fo der.todten Materie geiftige Eigenfchaften, welche fie 
nicht hat. Wir finden ihn hier, wie noch oft in feinem Buche, 
auf einem Gebiete, das er Doc felbft eifrig perhorcescirt, naͤm⸗ 
li auf dem der Ideen, und wiffen ed auf feine Weife zu be 
greifen, wie man zu einer ſolchen Anficht, fei e& durch unmit⸗ 
telbare oder mittelbare Wahrnehmung, gelangen koͤnne. Gr 
fcheint das Recht, ſich nad Herzensluſt auf dem Felde der 
Ideen zu ergehen, für fi allein in Anfprudy zu nehmen, wäh: 
rend er es andern ehrlichen Leuten abfpricht. 

Als Grund der fortwährenden Aufregung der beiden irdi⸗ 
fhen Elemente und der Gebilde derfelben aus ihren Bildungs» 
formen betrachtet der Verf. das von der Sonne in das ganze 
Dlanetengebiet ausftrömende folare Element, weldes kaͤm⸗ 
pfend auf den Endpunkten aller tellurifchen flarren Gebilde 
mehr oder weniger bemerkbar, dem bafıfhen oder negativen 
Urelemente polar oder als folarer (pofitiver) Magnetismus 
und als Gravitation — auf die eine Fläche eines Gebildes ſich 
werfend, als pofitive Electricität gegenübertritt, — fiegend 
in da8 Innere der Eohäfionsformen ber irdifchen. Gebilde ein: 
deingend und fie aus diefen Formen aufregend, als freie 
Wörme, — im Berfolge des Sieges den Eohäfionszu- 
ftand der ſtarren Gebilde zerftörend und dieſe in den flüfligen 
und gasartigen Zuftand verfegend, und in dieſem Zuftande fie, 
dem Wege zum Sconnengebiete entlang, dem Ertballe entfühe 


rend, ald latente oder gebundene Wärme, und endlid - 


durch das mächtigere Buftrömen des irdifchen Elements befiegt 
und mit Heftigkeit aus den tellurifchen Gebilden und Elemen- 
ten binausgeftoßen, im condenfirteften Zuftande ald Bunte, 
oder, wann diefer Funke in gedrängter Wiederholung und Mehr» 
zahl auftritt, als Flamme erfcheint, welche in nun freigewor⸗ 
denem Juftande als Licht fofort wieder in die Weite ftrömend 
fich verbreitet, um entweder mit den irdifchen Umgebungen wies 
der kaͤmpfend anzubinden oder in die Regionen feines Elements, 
den ‚Sonnenätber, zurüdzulehbren, worin unfer Erdball fort: 
rollend fi) bewegt. Aus diefem Zuſammenwirken der beiden 
isdifchen Elemente und des folaren Elements werden nun alle 
atyrerfcheinungen: Berbrennungsproceß, magnetifche, elektrifche, 


Verantwortlicher Deraudgeber: Heinrich Brockhaus. 





gelvanifche und Tosmifche Polaritaͤten erklaͤrt; wie! bas laßt 
ſich freilich ſchwer begreifen, fo leicht es fi aud der Verf. 
dabei macht. Das ſelariſche Element, diefer Deus ex machine, 
bringt magnetifche Polarität zumege, indem es bie Körper aus 
ihrem Gobäfionszuftande oder ihrer geſchlechtlichen Berbin 
aufzuregen ſtrebt; es wirft ſich bei den Erſcheinungen der 
teicität auf Die ganze Oberfläche jener Gebildes ed wird von 
den tellurifchen Elementen befiegt oder ausgeftoßen und «8 ent 
fteben Planeten u. ſ. w. 

Auch das vegetative, animale und pfychifche Leben dufert 
fi, wie das kosmiſche der Weltkoͤrper, nur als ein Trieb der 
tellurifhen @lemente, fih dem Antämpfen des folaren Elements 
gegenüber miteinander zu verbinden, fich in dieſen Berbindun 
gen zu erhalten und neue aus fih bervorgurufen ; jede dieſer 

erbindungen beruht auf einem Siege ‚der tellurifchen Elemente 
und der Gebilde derfelben über das folare Element; jedes Fort 
ſchreiten der tellurifchen Verbindungen zur weitern Ausbildung 
ihrer Formen erfolgt im Kampfe mit diefem Elemente. Ale 
Denken befteht nur in einem folaren Wechſelwirken mit ben 
durch die entgegengefegte Polarität in das Senforium herein: 
getretenen Formen; daB Product, der Gedanke ift Nichts wer 
ter als das Product diefed folaren Wechfelmitend. 

Auf eine höchſt fonderbare Weiſe und zum Theil in Bi 
derfpruch mit fich felbft gelangt der Verf. zu dem Begriff einer 
Sottheit. Die mittelbare Wahrnehmung eines Drdnenden, 
eines die Kicbe und den Kampf der Elemente Regelnden, mi 
bin nothwendig über alles Leben der Liebe Erhabenen, aleın 
dennoch die Liebe und Freude als den Zielpunkt oder daß Ge— 
feg feines durch die Lebenselemente ſich darftellenden Wirken 
Dffenbarenden, ift die Wahrnehmung der Gottheit. Weiterhin 
iſt fie eine reine Gefühlsform, die gleich Der Muſik allgewaltig 
unfer Gemüth ergreift. Sie beruht ferner weder auf einem 
Poftulate der praßtifchen Vernunft, noch Läßt fie ſich durch der 
Stauben erfaflen; jie ift auch nichts Überfinnliches, weil mt 
fie mittelbar wahrnehmen Eönnen. Ref. muß aufrictig gefte 
ben, daß er fih in eine folde Vorftellung von der Gottheit 
nicht finden Eann. 
(Der Beſchluß folgt.) 

—— —— —— ——— ————— ——— — — nd 


Literariſche Curioſitäten. 
Eins von Talleyrand's viel nachgeredeten Witzworten it 

ſeine Definition der Sprache als einer dem Menſchen zum * 
huf der Berbergung feiner Gedanken verliehenen Fähiy * 
Talleyrand hatte nicht nothig, auf dem Felde des Biged * 
fremdem Kalbe zu pflügen. Gleichwol iſt es wahr, m 
englifcher Geiftlicher vor ihm diefelbe farkaftifche Dem 3 
gemacht Hat. Young ermähnt einen Drt: 

Where nature’s end of language is» declined, 

And men talk only to conceal their mind. 


Da in der neuern Seit, ob gebührlich oder ungebührlich⸗ 


von den Gebeinen der 11,000 Jungfrauen in Köln —5 — 
wird, fo duͤrfte es gut fein gu erinnern, daß Derienige, v nt 
Sage von einer nach Armorica unter Gegel gegangenel 
den Rhein verfchlagenen und bei Köln von den Hunnen 
beten Prinzeffin Urfula fammt Frauengefolge zuerſt 
gebracht, wahrſcheinlich aus Undecimilla, dem Ra 
magd der Heiligen, die Zahl 11,000 geſchaffen 
begieitende Jungfrau zu ſo vielen Jungfrauen mu 


Der berühmte Hooker war gleich Sokrates 1 he 
heirathet. Als einer feiner frühern Zoͤglinge, ei 4 
dys, ihn auf feiner Pfarre in Budinghamfhire ah er 
er ihn, auf Befehl feiner Frau die Schafe hütend, Dun 
Horaz in der Hand, beim Lefen der jhönen Schi 
Landlebens. 


— Drud und Verlag von F. E. Brockhaus in Zeipris · 


1a de 
ie 






Blätter 


für 


literarifche Unterbaltung. 








Zweiter Artikel. 
(Hortfegung aud Nr. MT.) 


Som 36. Bande ab erhalten wir die neuern Schriften 
8. In dem Berf. ift eine Yalingenefld vorgegangen, 
und zu diefer gehört, daß er eine ganz neue Pinneigung zum 
Humeriſtiſchen entwidelt, einen geiftigen Bug, von dem bis 
dahin kaum eine Spur bei ihm anzutreffen war. Es bat faft 
das Anſehen, als wolle er Hiermit an fich ſelbſt jene unver: 
häütnifmäßige Vertiefung flxafen, zu der ihn bie ſpaniſch⸗ orien- 
liche Romantik verlockt hatte, oder doch diefen Irrtum fa 
ei ols möglich wiedergutmachen. Das erfte Drama dieſer 
mum Epeche: „Bertold der Sähringer”‘, eine Urt vaterländi. 
fer hiſtoriſcher Dper, ift en revanche der unenblidden ge⸗ 
reiten Trochaͤen der letzten fünf Bände zum Theil in Proſa 

eben, was beim Berf. dis dahin ned) nie gefgehen war. 
Stud ift jedoch ſchon durch feinen Inhalt zu einem macht⸗ 
loſen Dafein beftimmt, und zeigt in der That nur am wenigen 
Stellen Spuren der alten Kraft des Poeten. Gin Luffpiel 
m drei Aeten: „Die Naketen bes Teufels“, folgt. In dieſem 
geiſtteichen, aber ſeltſamen Stuͤcke iſt es auf eine giftige Ga⸗ 
we gegen Cenſur, Arcenfion, Kritik und Journalredactionen 
abgechen. Un Wis, an guten und den Ginfällen fehlt 
ed deineiwegt, allein ſie find allzu ſehr in Galle getaucht und 
ſprechen dem guten Geſchmacke zu fehr Bohn, ums fi im Gan⸗ 
zen unferer Zuftimmung zu erfreuen Rue Das wird klar, daß 


ber Berf. c8 verficht, wo er will, die Lachmuskeln feiner Lefer | 


in Bewegung zu fegen. 

Im folgenden Bande find die nicht minder feltfamen GSa⸗ 
den: „Die Bere von Yultawa”, lyriſches Dramas „Das Nowd- 
kt von Karlsruhe“, eine phantaſtiſche Kuͤnſtlernovelle in Hoff: 
mann'5 Manier, und einige Heinere Beigaben ohne große Be: 
dentang enthalten. Diefe en feinen, ihren Grundideen 


no, mehr dem Gavalerieoffigier al& dem Poeten Wuffenberg |: 
. hat, obwol im 3. 1822 entftan- |' 


anzuhören, und find in der 
den, do erft 20 Sabre fpäter zum Abſchluß und zum Drud 
gelangt Des Berf. dat Rebe, daß er für fie um Nachficht 

ttet: fie bedürfen berfelben, obgleich fie unleugbar von Geiſt 
und Aräftiger Erfindung zeugen; das Formloſe waltet in ihnen 
vor, und wir find der Meinung, daB Niemand wohl thut, form» 
loſe Geiftesfunken feinen gefammelten Werken gewiſſermaßen 
nachblizen zu Taffen; nur in feiner chronologiſchen Wolge, als 
ein Element für Die individuelle Bi ngegeihichte, Bann ber: 
gleigen einen Werth, ein Theilintereſſe Haben. 

Der 19. Band liefert und „Die Zurie von Zoledo”, einen 
Roman auß den Zeiten der weftgothifchen Herrfchaft in Spanien. 
Der große Bora von Studien und Aneignungen auß der ſpa⸗ 
niſch: arabifchen Geſchichte, welche der Verf.’ gefammelt, Hatte 
in feinem „WiHambra” noch nicht Raum gefunden und floß in 
Einen zweibändigen Roman über, der an alien den Mängeln 


. unter dent Titel „Polyanthea”. 
entſchleden dramatifche® Talent; die Fülle feined Gefühle 
"naturgemäß 
- des Gedankens tritt bei ihm nur als eine Rebenform ded Dra⸗ 


‚ zun Gedicht 





27. Zuli 1846. 





Theil hat, die wir am „Alhambra“ hervorheben mußten. Im 
diefer Geſchichte des legten Sothenkoͤnigs Bodrigo, QZulian’s 
Berrath und Tarik's Sieg, ſtoͤrt uns daſſelbe Unmaß, daſſelbe 
Misverhaͤltniß der Theile unter fich und dieſelbe Geſchmack⸗ 
widrigkeit, welche hieraus entſpringen mußte und die wir an 
„Alhambra“ zu: rügen fanden, im Genuß ber ſchoͤnen und 





glutvollen Schilderungen und dee wirkungsvollen Scenen und 


Gruppen, die durch das ganze Werk zerftreut anzutreffen find. 


Die Hofeineihtung, die Fefte, der Glanz der Palaͤſte der weſt⸗ 


gothiſchen Könige — Rachahmer der Kaifer m Weſtrom — 
wird uns bier mit folchen Einzelheiten geſchiidert, Daß die Ge⸗ 
lehrſamkeit des Verf. in biefer ſpetiellen ums Ach⸗ 
tung abgewinnt, während fie in ihrer vorbrängenden Geftalt 
an dem poetiiben Anhauch zweifeln laͤßt, der einem Werke der 
Einbildungstraft nicht fehlen darf, während @igenfinn, verfehl⸗ 
ter Humor und Berachtung der Geſchmacksregein fo viel ver: 
lorene Arbeit bedauern laffen. 

Zum vollen .Erfag hierfür wird uns im 19. Bunde bie 
treffliche,, ja in manchem Betracht unvergleichliche Humoriſti⸗ 
ſche Pilgerfahrt nach Granada und Gorbava’” im zwei Sheilsm 
bargeboten, weiche bei jedem Lefer Die hoͤchſte Achtung vor den 
Gaben des Berf. und eine faft jnbeinde Luft und Befrie⸗ 
bigung erwecken muß. Wir behalten uns vor, von biefens 
binreißenden und begeifternden Erzeugniß der ſchaͤnſten Ne 
lagen unſers Posten am Schluß dieſes Artikels um fo mehr 
ausführlih zu berichten, als uns nicht bekannt iſt, te: 
daflelbe dis jetzt irgendwo nach Verdienſt gewürdigt ober im. 
größeren Kreifen befprochen worden fei. 

. Der 20. Band enthält die kyriſchen Porflen des Dichters 
Auffenberg gilt uns füc dir 


diefe Form des Ausdrucks. Die lyriſche Gefl 


matiſchen oder doch in Abhaͤngigkeit von ihr heraus, und er 
ſchließt kurz und eilig mit ihr ab. Größere lyriſche Dichtums: 
gen, über dat Sonett und die Ballade hinaus, vollenden ſich 
daher felten bei: ihm, und feine Romanze ift gang dramatiſch; 
fowie feine Dde felbft der Form des Dialogs fih anzunähern 


. firebt. In den Gedichten launiger Gattung ift mehr Herbheit 


als Witz, und der glänzende Humor, den feine „Pilgerfahrt” 
entfaltet, wird barin nicht roiedergefunden. Unter feinen Oben 


‚ und Liedern find einige in Stoff und Form Hervorftechend, wie 


die „Brühverlor’ne”, „Sehnſucht nach dem Baterlande”; die bei- 


' weitem meiften treten jedoch nur als Apoftrophen an einen Ge⸗ 


genftand, der gerade der finnlichen Beſchauung vorliegt, auf, . 
und entbehren der Verdichtung und Zufpigung des Gedankens 

oder fie verhüflen fih ganz myſtiſch, wie z. ©: 
„Schahmürcah”. Ebenſo fehlt den zuweilen gut angelegten Bal- 
laden und Romanzen die Ausarbeitung, bie legte Feile; daB‘ 
befte Stück diefer Gattung if: „Die bar ige Schweſter“, 
eine mauriſche Romanze ı das aͤlteſte: „Die inung So⸗ 
phiens”, Fate ſchon in das’ Jahr 1813. Ausgezeichnet dagegen: 


& 
MR & 


“ 3 
„ . . . 
find die Fragmente, Gnomen und Sprüche von glädlicher Form 
und von Bedeutung; 3. B.: on 

» Barnung. " 

Wer Leldenfhaften And’rer fchlau benuͤtzt, 

Dat gegen fih den ſchaͤrfſten Dolch gefpigt. 

Die Schlangenhänpler werden leicht gebiffen, 

Die Loͤweniwuͤrter werben oft zerffen. 

" An Stolz fehlt's der Gemeinheit nie. Die Kehle 
Will ſich des Diamanten Schweſter nennen, 


Fromwell. 
Wie ſtolz war dlieſer Prieſter! . 
Narr > 
. »s ift bekannt: 
Gr kuͤßt vor Hochmuth feine eig'ne Hand! _ 
VWeifer. " 
Streck nach der Dede dich! Hör" meinen Kath! 
N ur ee. 
Wie aber, wenn men Beine Dede bat? 





Auf. dem Baum, vom Gturm entwurzelt, 
Singt der Vogel wohl noch Lieder, 
Doch er baut kein Neil auf ihm. 


Dem Gluͤck wei’ aus, — dem Unglüd geb’ entgegen! . 





Ich moͤchte einen ſelt'nen Menſchen ſeh'n! 
Such' einen funfzigiäht'gen Menſchenfreund! 





Schoͤpf' aus dem Brunnen oder aus dem Meere: 
Dein Krug behält nur, was er faſſen Tann. 


As Satan nah vem Monde Lüftern war, 
Hat er um's erfle Viertel nur gebeten. . 


“. Alles zufammengenomnen bezweifeln wir, daß tem Verf. 
ein bervorragendes Iyrifche® Talent zuzufprechen fei, ober daß 
ex felbjt darauf einen Anſpruch erhebe, indem er dieſe Dich: 
tungsform feine ganze lange Laufbahn hindurch ftets nur fehr 
nebenfaͤchlich behandelt hat, im richtigen Gefühle, daß feine 
Empfindungsweife wenig zu diejer Form paſſen wollte. 

- Der 21. Band — Bringt uns ein faſt ganz lobwuͤrdi⸗ 

beroifches Schaufpiel: „Skanderbeg“, durch eine Eräftige 

ihnung der Zeit und der Charaktere ebenfo hervorſtechend, 
wie dur echte poetifche Intentionen außgezeichnet. Der Kampf 
zwifchen beichiworener Treue und WVaterlandsliebe ift in Skan⸗ 
derbeg vortrefflih zur Darftellung gekommen, wie bie Beich- 
nung orientaliſcher Despotenlaune in Murad II. und eingewur: 
zeiten Volkshaſſes in Anaftafin. Iſt dieſes Freiheitsdrama des 
Dichters —* Arbeit, ſo iſt ſie ſicher nicht ſeine ſchlechteſte, 
und wir haben noch reiche Gaben von ihm zu erwarten. Ana⸗ 
ſtaſia hat mit dem Dpfer ihres Lebens ihr Ziel erreicht. Skan⸗ 
derbeg ift Murad's Gegner und Beñeger geworden; fie fällt, 
und Standerbeg fchließt das Drama mit den Worten: 
Wie herrlich firchift du, Freundin! felbft im Tode: 

Ein bleiches Wötterbild aus Hellas’ Bluͤtenjahren! 

Die Kriegstrophaͤen wehen um dich her, 

Der Rachtſturm brauft duch ſchlachtdurchſchoſſine Bahnen, 

Und auf blutrauchendem Gefilbe ward 

Der Schild des Skanderbeg bein Todtentiffen ! 

Dem ganzen Deere fihtbar — tragt fie bin! 

So möge, auf Albaniens Thron geflägt. 

Einf Griechenland zur Freiheit ſich erheben! 
Der Dichter wurde ein rückwärtsgekehrter Dropbet: fein Stuͤck 
verräth, wie auch er zu feiner Beit für die Sache Griechen⸗ 
lands — die faſt vergeflene — geplüht bat. 

Subem wir bier von dem Dichter Ubfchied nehmen, um 
Mn ing noch Etwas von dem Reiſeſchilderer zu fa: 
gen, fallen wir unfes Urteil über ibn dahin gufammen: daß 


. 4 
30 “ r 
» 
‘ 


‘ 


ber feurige und etwas ungebänbigte Geiſt, der aus biefen 
reihen Werken gu und ſpricht, auf unfere fünfklerifhe Gi: 
gung hohen Anſpruch bat. Er ift erfindungsreidh, begeiftert, 
glühend für das Große und Echte, ungemein glüdlich in Ge: 
ftaltung und Formung dramatifcher Stoffe, wirkungsvoll und 
poetiſch in Zeichnung der Eharaktere, aller Effecte der Sprache 
mächtig, ein ungewöhnlich reicher und gluͤcklicher dramatiſcher 


Dichter. Ws eine Merkwurdigkeit an ihm, die, wie wir mer 


nen, er nur mit Alfieri theilt, iſt zu, erwähnen, daß ihm die 
Malerei der Liebe Nichts gilt. Diefer Srundftoff der drama: 
tifhen Kunft tritt bei ihm nie anders als in der Geftalt er 
ned Sneidentpunfts, niemals, ober doch nur -einmal in ber 
„Vorſchau“, als Träger des dramatifchen Interefled auf, in 
allen andern Arbeiten nur wie ein Hebel mehr, wie ein In 
terefle zweiten Ranges, das in einer langen Reihe feiner Ar: 
beiten uberbaupt- kaum angedeutet wird. Man muß geflehen, 
daß der Gedanke kuͤhn ift, 25 Dramen ohne Liebe fchreiben 
zu wollten. 

" Wir erwähnten oben der wunderfam angiehenden „Pilger: 
fahrt nach Granada“ als einer der hervorſtechendſten Leiftungen 
Auffenberg's. Wir mollen binzufügen, daß in diefer Reife: 
ſchilderung eigentlih Kern und Inhalt feines ganzen poetiſchen 
Lebens anzutreffen iſt. Jahre lang bat er geglüht für diefe 
Reife: Die Schnfucht nach der Anſchauung der Gegenſtaͤnde, 
die ihn fünf Sahre lang, während der Alhambra-Dichtung, aus: 
fhließlih bis zur Monomanie befhäftigten, war bi6 zum Un 
widerfteblichen angewachſen: — er webte und lebte nur noch in 
diefem glühenden Berlangen, — da ging ed endlih in Erfül 
lung! Was Wunder, daß die reichſte Blüte diefes vollen Ger 
ſtes fih in der Schilderung dieſer „Pilgerfahrt“ entfaltet, 
und ihr Töne und Farben verlieh, die unfere beivundernd: 
Zheilnahme erwedien! Im malenden wie im humoriſtiſchen Stil 
hat Auffenberg nichts Vollendeteres geliefert ald dieſe „Pilger: 
fahrt”; als Reifefchilderung aber geitehen wir überhaupt Be 
nig in unferer Literatur zu Sennen, das ſich derfelben an dk 
Seite ftellen kann. Thuͤmmel, Seume, Heine und Püdter find 
bier zufammengefloffen; jeder Einzelne, ſowol im humoriſtiſchen 
wie im gefühlvollen Element, ift aber weit hinter ihm zurüd 

eblieben. Es iſt cine Schrift geworben, die man, mit einen 
ort, immer wieber von vorn anfangen kann, wenn man tief: 
bewegt und _bebauernd an ihr Ende gelangt iſt. Bor alın 
Dingen iſt fie ganz und -gar reiner, unverfalfchter Natur und 
mit der Kunftlofigkeit eines Selbſtgeſpraͤchs gefchrieben. Schade, 
daß fie nur zwei Theile hat und daß die fpanifche Orthogra⸗ 
phie darin vielfach verlept wird. 

Die Beifebefgreibung beginnt auf Der Bio mala, erſtrect 
fi) über Mailand nah Genua, Marfeille; Toulon, Barcelona 
nach Walencia, wo fie in ihrem erften heile mit dem furcht⸗ 
baren und blutigen Wbenteuer endet, Das unfern trefflichen, 
humoriſtiſchen Neifebefchreiber, mit 23 Mefferſtichwunden be 
det, faft hoffnungslos auf daB Schmerzendlager wirft. Diele 
Erzählung ift von foldher Anziehungskraft, daß wir und nicht 
verfagen mögen, unfern Leſern ein verfapptes Bild jener Schr 
censſcene, bie jedenfalls ein feltenes Reiſeerlebniß darftelt, zu 
ihrer Unterhaltung mitzutbeilen. 

(Der Beſchluß folgt.) 


— — — — — — — — — 


Die Philoſophie des Lebens der Natur gegenüber den 
bisherigen ſpeculativen und Natur⸗Philoſophien ꝛc. von 
Heinrich Vogel. 

(Beſchluß aus Nr. 37.) 
‚Bon den Worten: Ideen, Kraft, Geift, Vernunft gt 
der Verf. folgende Erklärung: Zäune, ja vielleicht am bat: 
gften, befhränkt fich unfere Pfyche nur auf. jenes durch ſchnet 
ortfchreitende polare Spannung erfolgende Aneinanderreiber 
der. hereingetteienen Momente, erzeugt dadurch in der Joeft 








ber Beit. wir im Der Breite des Maums in ihrem inmern Sir⸗ 


fungsfreife eine zahlloſe Menge von Typen einzelner (Bebilbe 
ſewol als ganzer Waffen berfelben, eingelner Entfaltungen fo» 
wol als von Hergängen fortdauernder Entfaltungen, wie fie ur ber 
objectiven Welt wirklich. niemals flattgefunden haben; bezeich⸗ 
aet diefe ſelbſt Formirten, theils concreten, theils abftract 
Typen mit eigenen Ramen und ſchafft ſich auf biefe Weiſe eine 
idesie Welt, die mit der realen Beine weitere Gemeinſchaft hat 
als daß die Momente, aus denen dieſe ideelen Typen zuſam⸗ 
mengefegt find, aus den Momenten hergenommen find, in be» 
zen die reale Welt in und hereingetreten ift. Diefe durch bie 
ſelbſt beliebige Richtung der Spannung unferer Pſyche blos in 
und erzeugten Typen nennt man vorzugeweife Ideen. Die 
Zorn der fogenannten Wernunft find mit denen der Ginbil- 
dungsfraft durchaus gleichen Urſprungs; jene wie biefe wer» 
den nur aus Momenten gebildet, die aus der objectiven Belt 
in und bereingetreten find; und es fönnen ums daher biefe 
een, wenn es fid darum handelt, gu erforſchen, wie das 
deben der Ratur in Wirklichkeit ſich darftellt, durchaus Feine 
Bohrheit liefern. Die Bernunft ift nichts Anderes ald das 
yelare Wechſelwirken des bafıfchen Elements, welches unfere 
Pſyche bildet, mit den übrigen Gebilden der Natur, durch die 
Rerven unfers eigenen Gebilde als des Schauplatzes jenes 
Wechſelwirkens. Fragen wir und: auf welde Weile wir zu 
dem reinen Sdeentypus .einer Vernunft gekommen find ? und 
zerlegen wir dieſen Iypus in die Momente der äußern Wahr: 
mhmungen, aus denen er beſtehen fol, oder in die Merkmale 
feines Begriffs: fo werden wir fofort gerwahr, daß jener Be 
griff felbft nur eine jeder objectiven Wahrheit widerfprechenbe 
We ik, weil die Bildung der Ideen nur auf dem polaren 
Heraustreten der Pſyche in die bereingetretenen Momente, kei⸗ 
neiwegß aber in einem befondern Vermögen beruht, welches, 
in die Momente feiner Entſtehung zerlegt, ebenfalls Nichts wei⸗ 
ter fein könnte als das Leben der Elemente und der Gebilde 
derfelben, weiches in einem Triebe oder Streben befteht, ſich 
im wechſelſeitigen Kampfe um ein drittes Eiement mit dieſem 
zu verbinden. Diefer Trieb muß die Potenz feiner Berwirk: 
Uhung nicht blos in fich tragen: cr ift diefe Potenz oder je- 
ned Bermögen ſelbſt. Sofern aber unter „Kraft“ nur das 
Vermögen in feiner Verwirklichung verftanden wird, koͤnnen 
die beiden Uusdrüde „Bermöyen” und „Kraft nichts Anderes 
bedeuten a8 Das, mas wir „Leben’ nennen. Bon einem Geifte, 
Ab einem aus mehren ähnlichen Wahrnehmungsmomenten ab 
ſtrehirten Begriffe „Weit“, Fönnen wie nicht ſprechen, weil 
ähnliche oder überhaupt Wahrnehmungsmomente von Etwas, 
das fi unferm Wiſſen nicht in Momenten gegenüberftellt, nicht 
berhanden fein umd ohne foldye Momente keine Begriffe abftra- 
hirt werden können. Selbſtbewußtſein ift nichts Anderes als 
dab innere Anſchauen unferer eigenen Lebensform als einer, 
gleich andern objectiven Formen, beftehenden Form des Herein⸗ 
uchmens und Heraustreiens. Der topußlcere Raum, ber in 
geauer Berne unferer Wahrnehmung verſchwindet, wie die. of 
fene &ee dem Fiſcher, und in welchem wir feinen Grenzpunft 
entdeden Binnen: er ift in der Tiefe die Ewigkeit, in ber. Breite 
die Unendlichkeit. Wir felbft, deren Wahrnehmung erft mit 
der Lebensform begonnen hat, worin wir uns bewegen, 
tbenfo wenig von einer über die Breite unferer Wahr: 
ã— ſich hinauserſtreckenden Welt wie von einem über 
die Tiefe dieſer Wahrnehmungen binausragenden Beſtehen der» 
klben ſprechen: wir müflen und mit. Dem begnügen, was wir 
fAbR und durch Undere wahrgenommen und in unferm Typen⸗ 


Tanne ut . Weiter hinaus reicht ⸗ 
nehmen un — unſer Deaten nicht , Ah Dr Kr 


überfinnliche Wahrnehmung bezeichnen, fällt mit dem Unfinni- 
gen in Wort und That in Eins zuſammen. 

Bir übergehen, was der Berf. über Freude und Schmerz, 
wide beide nach ihm in derſelben Sphäre ftehen wie Gutes 


— dem Boͤſen, ſowie über die Gefühle und ihre ver⸗ 
en ‚ über Gewiſſen und Simbenvergebung fagt. 


abftracten |' 


Sum Sechluſſe zicht der Verf. allgemeine gerungen 
aus den bisherigen Eroͤrterungen in Beziehung auf Recht und 
Staat, Btaatöform, Erziehung und Unterricht, Suftitution ber 
Ehe, Familienleben u. |. w. Auch bier begeanen wir wieder 
manchen ebenfo paraboren als willfürlichen Behauptungen. So 
3. B. follen wir bei der Berlegung bes abftracten Begriffs von 
„Recht“ in feine Momente in demfelben immer nur eine durch 
den Staat bezeichnete Grenze unferer natürlichen Freiheit fin« 
den; unb unfere in der Idee ergeugten Floskeln von- angebore- 
nen Menſchenrechten, ſowie überhaupt die Idee von einem for 
genannten Raturrechte, follen ſaͤmmtlich Nichts weiter fein als 
Ideen, welche mit den Momenten unferer natürlichen Wahn 
nehmungen im grellſten Widerſpruche ſtehen. So fol ferner 
über die befte Staatsform blos die Erfahrung, die Geſchichte 
entfeiden (S. 255), während nad einer frübern Äußerun 
(©. 350) die Geſchichte durchaus keinen Werth in Bezug auf 
die Erforſchung der Wahrheit für uns bat, weil fie nur eine 
Fortbewegung in den Irrthuͤmern der Menſchen, in den Ideen 
derielben, entwidelt. Die Erzieher follen ftatt trauriger, poli⸗ 
tiſcher und religiöjer Ideen, ftatt abgeftorbener Sprachen, aus 
deren fogenannten claffifchen Gntwidelungen uns body immer 
nur die trrthümlichen politifchen und veligiöfen Ideen der Bor 
zeit auftauchen, uns das Leben der Ratur lehren, wie es in 
allen Beftaltungen feines Auftretens bis zu unferm pfochifchen 
Leben und bie zur Weltenorbnung fich darftelt. Was unfere 
Fortdauer nach dem Tode anlangt, fo verweift und der Verf. 
nicht an den Glauben, fondern an die erhabene Weltenorbnung. 
Ob die Elemente, welche unjere Lebensform erzeugt haben, fi 
dereinft in derfelben, oder menfchlich egoiſtiſch geſprochen, in 
einer niederern Form wieder verbinden und: barftellen werden; 
oder ob fie unferer Lebensform eine höhere Stufe des Lebens 
verleihen "werden, von der wir zur Zeit gar Beine Wahrneh⸗ 
mung und deshalb auch gar einen Begriff haben können: dies 
Altes follen wir ruhig und vertrauungsvoll ber höhern Macht 
überlaffen, die über alles Leben gebietet, und mit frommer 
Auverficht Hoffen, daß unfere Zukunft fih der erhabenen Wel⸗ 
tenordnung gemäß auf eine Weife gu unferm Beſten geftalten 
werde, von der wir auf unferm befchränkten Standpunfte gar 
Beine Ahnung haben koͤnnen. Obſchon Dies nicht der gamöbn« 
lihe Glaube der Menfchheit ift, fo möchten wir do wiflen: 
wie eihe ſolche Zuverficht, die alles Wiflen über die Sache ger 
radehin ausfchließt, anders genannt werden koͤnne? 

Zum Schluſſe fpricht fi) der Verf. noch über die Kirche 
aus. In welchen Symbolen au der Menſch bie Gottheit an⸗ 


| beten möge, welche er in der Weltenordnung nicht zu erbliden 


verfteht, wenn er nur Das, was er anbetet, wirklich für ein 
&ymbol und nicht für die Gottheit felbft nimmt, fo follen wir 
ihn ruhig anbeten laſſen und unfer Gebet mit dem feinigen ver- 
nigen. Wir follen die religiöfen Gebräuche einer jeden Kirche 
achten, die in ihrer Wefenheit ja doch immer nur die Vereh⸗ 
rung der ‚Gottheit und die fittliche Bervolllommnung des Men- 
[hen zum Biele haben, in welchen Ideen fi auch diefe Ge⸗ 
bräuche bewegen mögen. Wir follen endlich, fo lange wir nidyt 
Ale wie unfer chriſtliches Vorbild aus dem Felde der Ideen in 
das Reich der Wahrheit berausgetreten find, nie den Gedan⸗ 
Een faflen, mit unfern felbftfüchtigen Ideen eine neue Kirche 
ründen zu wollen, fondern uns felbft erft beranbilben, um 
ür eine allgemeine Kirche der Wahrheit reif zu fein. Diefe 
allgemeine Kirche ift ihrem Grundbegriffe nach ſchon vorhanden 
in der chriſtlich⸗katholiſchen Kirche. Sie ift die alleinige freie 
Kirche, welche fih, nad) dem Grade der Annäherung ihrer Mit- 
glieder an ihr chriftliches Vorbild der allgemeinen Liebe, durch 
die Befchlüffe ihrer allgemeinen Kirchenverfammlungen frei forte 
zubewegen und mit dem Heraustreten ihrer * eder aus den 
Ideen der Zeit in die lichten Gefilde der Wahrheit, gleich der 
erhabenen Chriſtuserſcheinung, felbft in diefe Wahrheit heraus» 
utreten vermag. Daburch, daß Die Reformation auf gewalt⸗ 
ame Weife einen Theil der Ideen, in denen jene allgemeine 
Kirche ſich bewegt, verworfen bat, if unſer fittlihes und reli⸗ 





* —— Bat. Geher. „Es wird ein“ 
[. ze . 88: ’ 
ſo ſagt „wann wir uufere eroMugr aufgeben und. in dem 
VDeitengeſetze der allgemeinen Liche und Freude unfese Bft 
mung erlgunt haben, unb mit unfern Ideen nicht mehr 
pfent gegen Staat und Kirche und verfelgen® gegen unfere 
Sehenmenfchen auftreten werden, ed wird einſt eine Beit kom. 
men — und vielleicht iſt fie nicht fern Diefe Seit — in der 
zwei frowme erleuchtete Fuͤrſten im Norden und im Güben 
unfers deutſchen Baterlandes, im Ginverftäudniffe mis einem 
erleuchteten und für bas wahre Wohl der Ghriftenheit ent: 
Kemmten Dberhaupte der Tathelifchen Kirche, und. Alle dem 


Oil Sehen nech «lien unfern Weßrnehmungen. durcheus nicht 


Schoße einer allgemeinen Kirche zuführen und durch bie dann | 


eintretenbe freie Bewegung dieſer Kirche in glanzvoller, von al 
ken Ideen befreiter Ginhelung unfers chriſtlichen Vorbildes, 
mit weiſer Benugung und. aͤrung ber bisher zu Grunde 
gelsgten Zraditionen, die mit unferer Schnfucht nach oben in 
einer andern Welt gefuchte allgemeine Freude fon hier uns 
bereiten und uns mit einer Liebe zu fidh binaufziehen und mit 
einem Eindlichen Vertrauen an fich feſſeln werben, welches alle 


felbftfüchtige Freude an unfern bisherigen Reaetionen gegen ihre. 


Beftrebungen weit hinter jich laffen und uns felbft veranlaffen 
mich AR a diefer Reaetionen in allfeitigem Vereine entgegen 
zu w en.’ , 
Dies find im MWefentlihen die Grundzüge diefes neuen 
Syſtems, das, cin fo abgefagter Feind auch der Verf. von als 
ler Speeulation ift, keineſwegs auf empirische Weife, fondern 
‚ qus willuͤrlichen Borauäfegungen entflanden if. Denn ob» 
ih der Verf. von.der fhlihten Wahrnehmung ausgeht, fo 
kbeint er doch abfichtlich fein Auge vor diefen Wahrnehmungen 
felb und. den daraus abzuleitenden Folgerungen zu verfchlie: 
fen. Er wil, daß man fih über Das, was jenfeit Diefer 
. Welt liegt, nicht befümmern fol, und vergißt, daB das Nach: 
Denken über den Grund der Dinge und über Anfang und Ende 
derſelben fo alt wie die Welt und in unferm geiftigen Weſen 
ebenſo nothwendig begründet ift wie das .Hereinnehmen der Aus 
Bern Gegenftände und die innere Anfchauung des Außerlich⸗ 
Wahrgenommenen. Er kommt durch mittelbare Wahrnehmung 
Der Annahme einer Gottheit, d.h. er exlaubt uns zu ſchlie⸗ 
‚ daß Alles, was vorhanden ift, nicht durch Bufall entflanden 
fein Tonne, ziebt uns aber einen Schlagbaum vor, der uns 


verhindern fol, weiter über diefes hoͤchſte Weſen, fein Ber: - 


haͤltniß zur Welt und unfer Verhältniß zu ihm nachzuforfchen. 
Mit einem Worte, er verfchneidet dem menſchlichen Geiſte die 
Schwingen und nöthigt ihn zu einer Entfagung und Befchrän- 
fung, wozu er nicht erfchaffen ift. Wenn wir und mit Dem 
begnügen folen, was wir felbft und dur Andere wahrgenom⸗ 
men und in unferm Typenraume aufgeftelt haben, fo möge er 
uns doch erBlären, wie es komme, daß fi die Welt bisher 
damit nie begnügt bat und nie begnügen wird. 

Wir haben ſchon oben bemerdt, daß der Berf., obwol ex 
alles Geiftige in der Natur leugnet, ihre doch ein Leben zu⸗ 
fehreibt, weldyes im Grunde Daffelbe ift, denn dieſes Leben ift je 
auch etwas Geiſtiges, das fih aus der Materie nit erklaͤren 
läßt. Wenn wir ihm aber aud ein allgemeines Leben der 
Katur zugeben, in dem fi) von einem höhern Standpunkte 
aus die einzelnen Kräfte, wie wir fie bis jegt annehmen, auf 
löfen: fo werben wis doch diefe einzelnen Kräfte der Katurer- 
ſcheinungen fo lange nicht entbehren Fünnen,, fo lange fi die 

efege, denen fie gehorchen, nicht unter einem Begriff fub- 
fumiren laffen. Der Verſuch des Derf., Died mittels feines ge 
ſchlachtlichen Verhaͤltniſſes zwifchen irdifchem und folarem Ele⸗ 
ment zu bewerkſtelligen, ſcheint uns durcheus mislungen. Es 
geht Dieb befonders aus feiner Conftraction des Pflanzen: und 
animalen Lebens hervor. Es ift eine durchaus willfürliche An⸗ 
nahme, daß der Keim der Pflanze aus einer in Blaſenform 
erfolgten geſchlechtlichen Verbindung zweier zufammengefegter 


Mvolckulr entfiuhe, und man begreift , wie durch dieſt Ber 
bin gerade die —2 en u. er r 
„Ric cher iM der Berf. in der Grliärung ber pfy⸗ 
Den Erſcheinungen.· Was ift damit erlärt, wenn die Ber 
n ald das polare Dechſelwirken des baftichen Elementt 
welches unfere Pſyche bildet mit den übrigen Gebilden der 
Ratur duch dis Nerven unfers eigenen Gebildes, als des 
Schauplatzes jenes Wechfelwirkens, bezeichnet wird? Das Plingt 
zwar ‚seht ſchoͤn, macht aber in der That Richts weiter 4 
lich als die gewoͤhnliche finnliche Auffaffung. Der Berf. lift 
auch hier alles Hoͤhere und Riedere im geiſtigen Proceſſe wm» 
beruͤckſichtigt, weil er Alles auf feine beiden Pole zuruͤckfuͤhren 
wit, ohne zu bedenfen, daß zwiſchen ber — æã % 
fivaction und dem gewöhnlichen Denken eine große Verfchiedem 
beit obwaltet. Es gebt ihm bier wie mit der Erklaͤrung dee 


anorganiſchen und organifgen Proceſſe: er ſieht in beiden nır 


ein auf Polarität beruhendes Leben, ohne damit die Verſchie 


denheit Beides zu erklären. 


Gutes und Böfeh iſt Dem Verf. gleich Freude und Schmerz: 


‚ beides iſt ihm gleich nothwendig wie Tag und Naht, Som 


mer und Winter.. Unfer Leben befteht in dem @treben, tm 


Kampfe gegen den Schmerz und das Boͤſe die Freude und das 
Gute zu erringen; durch Aufhebung diefes Kampfes würde das 


geſammte Leben der Ratux ſelbſt vernichtet werden. Die Rot 
wendigkeit dieſes Gegenſatzes zugegeben, folgt aber barass 


keineswegs für den Menſchen die Berpflichtung, das Gute a 
thun, das Böfe zu meiden. Beide haben gleiche Berechtigung 
zu fein, wie irdiſches und folares Princip; das WBöfe aber fteht 
mit dem Schmerze durchaus nicht auf gleicher Linie, denn dem 
legtern fuchen wir durch einen um8 angeborenen Trieb zu mb 
gehen, dem erftern nicht; dem letztern zu entrinnen, liegt au 
zum Theil in deB Menfhen Macht, daB erſtere kann er ver 
meiden und fol eb. ’, 





Bibliographie. 


Abhandlungen bei Begründung der königlich sächsischen 
Gesellschaft: der Wissenschaften am Tage der WUfäbrigen 
Geburtsfeier Leibnitsens, herausgegeben von der fürstlieh 
Jablonowekischen Gasellschaft. Schmal. 4. Leipzig, Weid- 
mann. 9 Thir. - 

Boz (Didens), Italieniſche Neifebilder. Aus dem en 
Ifihen von 3. Seybt. Zwei Theile. Peipzig, Sorck. Gr. 16. 
% gr. 

Gerber, C. F., Das wiſſenſchaftliche Printip dei 9% 
meinen deutſchen Privatrechts. Cine g —2 Abhand⸗ 
lung. Jena, Croeker. Gr. 8 1Thlr. 10 Rgr. 

Grün, A, Schutt. Dichtungen. Tte Auflage. Bine 
turausgabe. Leipaig, Weldmann. 16. 1 hir. 12 Nat. 

Krische, A. B., Ueber Cicero’s Akademika. 
gen, Vandenhoeck und Ruprecht Gr. 8. 11%, Ngr. 

Lepfins, €. P., Geſchichte der Biſchoͤfe des Dochſtiſte 
Roumburg vor der Reformation. Em Beitsag zur Geſchicht 
des Ofterlandes, nad den Quellen bearbeitet, After Theil 
Naumburg, Weber. Er. 8. 2 hir. 

Mager, Die modernen Humanitätsitubien. Steb Belt: 
Die genetifche Methode des fchulmäßigen Unterrichts in free 
den Sprachen und Literaturen, nebft und Bun 
theilung der analytifchen und der fpnthetifchen Methoden. Re 
Bearbeitung. Züri, Meyer und Seller. @r. 8. 2 Aylı 

Müller, W., Ueber die Lieder von den Nibelunge& 
Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht. Gr: 8. 10 Nar. 

Paur, J., Einige Worte über die Bermunft und ihn 
Feinde. Bier Auffäge Bretlau, Schutz. NK. 8. 10 

NRahden, WB. Baron y., Wanderungen sines altın Od: 
beten. Ifter Xpeil. Befreiungätrieg nen 1813, 1814 und 1815 
Berlin, U. Dunder. Gr. 8. 23 Thir. 15 Ser. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Wrodfans, — Deut und- Berlag von F. N. Wrsthane tn Reipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 


28. Juli 1846, - 





Dramatifhe Buͤcherſchau für das Jahr 1845. 
weiter Artikel. 
( Seſchius aus Nr. 28.) 


Der Berf. hat und mit feinen wundervollen Farben allen 
Reiz des fchönen Valencia gefchildert, feine Kirchen, Bruͤcken 
und Alamedas, als ihn die Luſt, einen Meeresfturm zu feben, 
mit feinem Freunde Carlos nad Grao, dem Hafen von Va⸗ 
lencia, führt. Das Schauſpiel feffelte ihn länger als es gefollt 
hätte, und der Grao war verödet, die Nacht war eingebrochen, 
018 die Freunde an die Ruͤckkehr dachten. Im Galopp jagten 
einige verfpätete Neiter und Zartanen an ihnen vorüber, mit 
unerflärliher änzftliher Eile, deren Bedeutung jedoch bald 
Mar wurde, als die Freunde, etwa um 9 Uhr, an das Seethor 
kamen und es gefchloffen fanden. Sie foderten Einlaß, man 
wied fie zur Linken, da hier nicht mehr geöffnet werde. Sie 
wandten fih daher gegen die Yuerta real bin, fcherzend über 
dies Abenteuer. „Wir verfäumen böchftens den Yandango im 
Theater, fagte ich”, fo erzählt Der Verf., „als ich ploͤtzlich Et⸗ 
was ſchleichend herankommen hörte, und ebenfo plöglich eine 
breitihulterige, unterfegte Geftalt, in der romantiſchen Tracht 
der Labradores, neben mir erblidte, Die uns mit feltfamer De: 
muth und unter vielen Büdlingen anredete. Die Caballeros 
haben Ai verfpätet 9 Madre de Dios! ih auch, ih auch! Aber 
Chit ehit i kenne die Schildwache am Thore, ich werde fpre: 
hen, fie muß uns einlaffen. Vamos juntos! Gchen wir zu» 
fommen! fügte ter Menſch. Jetzt kamen wir an die Yuerta 
real; der Rabrader unterhandelte: Imei Caballeros. find da, 
vernehme Herrn, Eentinela! öffnet doch! Zwei Dutos gebe ich! 
fispelte Carlos dem Unterhändler zu. Sofort änderte diefer den 
Zen und ftelte uns eine Kalle, indem er mich zu bereden 
fuhte, ich möchte mich für den Hafencapitain ausgeben. Jetzt 
fizg der erfte Verdacht in mir auf; ehe ich aber antworten 
konnte, tönte es plöglich neben uns: Buenas tardes, Caval- 
keros! und zwei andere Geftalten in berfelben Tracht, eine 
himmellange und eine Bleinere, tauchten neben und aus dem 
Boden auf. „Wir find verloren!” flüfterte Earlos. Der Kleine 
ließ feine Weinflafche fallen, büdlte fi) und ftedite die Manta 
vol Steine. Indeß parlamentirte der Erfte wieder mit der 
Schildwache, die immer barfcher: Nada! (Nichts da!) rief. Es 
ſchlug halb zehn. Ks nada! fagte der Erfte, um dieſe Zeit 
bat der Commandant fhon die Thorfchlüffel; aber um 4 Uhr 
fouımt die Poft, dba wird geöffnet. Kommen Sie mit uns! 
Tengo una buena casa! lispelte der Kleine mit Hyaͤnen⸗ 
fimme. Wir waren waffenlos: auf dem Leibe trug ig 80 
Rapoleonsdor und in der Börſe etwa 200 Gulden in Gold, 
mein Reifegeld nah Madrid, cine goldene Uhr und nur ein 
Heined Xafchenmefler mit zwei Zoll langer Klinge Fort! 
fhrie die Schiſldwache. Vamos juntos! riefen bie Drei. Wir 
gingen, denn wir ſchämten umd, feige zu erſcheinen. Unbegreif: 
ih! Mit ſtetem Vamos! vamos! zogen wir dahin, ich mit 
dem Erſten, der Lange im Centrum, der Kleine neben Carlos. 


Bir näherten uns der Brüde, ſchon vom Shore abwärts: 
friedlich fchimmert jenfeit das Licht aus dem Kioſter der Tri⸗ 
nitarier. Gin Rettungsgedanke fam mir: ih wollte raſch zur 
Seite fpringen und am Kloſterthor Ayuda al Rey! eufen. 
Allein Carlos weigerte fih, über die Brüde zu gehen. Für 
wen halten Sie uns? rief hochfahrend der Erfte: Wir find 
Hombres de bien! Verflucht fei, wer uns nicht traut! Ge⸗ 
ben wir doch mit diefen braven Männern, ehrlichen Valencia⸗ 
nern! fagte ich: wir werden eine fröhliche Nacht haben und 
morgen bezahlen wir die Zeche in unferer Funda. Wir find 
Beine Franzoſen! Si! sit antwortete der Erſte. Bir ftanden 
nun jenfeit des Guadalaviar: ich fchlug mein Meſſerchen auf, 
näherte mid) feitwärts dem Klofter und fang aus Leibeskräften 
daB „Kifcherlich”. Jettt ertönte cin dreifaches, ſchlangenartiges 
Chi! die &pringfedern von drei navajas (langen Meffern) 
Tnadten Hell auf und der Erſte rief vumpf: A hora pesetas 
por.la pobreza! Jetzt Geld her für die Armuth! und hell 
bligte da8 Meſſer in der braunen Kauf. Kaum 50. Schritt 
feitab lag das Kloſter. Rafend vor Wuth und verzweifelnd 
fprang id), wie ein gehegter Stier, auf den Labrador los, in 
der Hoffnung, ihm mit dem Meffer die Augen zu treffen; aber, 
sie zerfchmettert ſank ich, von einem Steinwurf des Mittleren 
getroffen, der Länge nad zu Boden nieder. Ich war halb: 
ohnmaͤchtig, erwachte aber fogleih, denn ſchon fpürte ich die 
Palten Melter, die in meinem Leibe wühlten. Es folgte Stich auf 
Stich. Dies formliche Hinſchlachten fepte mich in bie unbän« 
digfte Raferei der Verzweiflung. Ich brüllte und biß mit 
den Zähnen um mich, wie ein wildes Thier. Carlos hatte fi 
gerettet. Alle Drei waren über mich. Zeitlebens werde ich diefe 
Zeufelsbilder nicht vergefien, die dunkel über mir gegen ben 
grauen Nachthimmel abſtachen. Am entfeglichften jedoch war 
mir die Höflichkeit des Kleinen, der ganz mild fagte: Cal- 
lase V*- (Schweigen Ew. Snaden‘) Mire V"- la santa pobresa! 
(Sehen Sie da die Heilige Armuth!) D ich bitte! ſchweigen Sie! 
Und jeder Rede folgte ein Stich! Inftinctmäßig hatte ih mid 
auf die linke Seite geworfen, um fo lange als moͤglich das 
Herz zu retten; mit dem’ rehten Arm und Fuß parirte ih 
eine Menge von Stichen von Bruft und Unterleib ab. Indeß 
fchrie der Erfte fort: Las unzas! demonio! El dinero por la 
pobreza!”” Der Lange riß mir die Uhr weg; ba rettete mid) 
ein Gedanke. Ich warf den Mördern die Börfe zu und führe: 
Aqui! mi todo! o santa virgen! War ed der Unbli des 
Geldes oder der Anruf an bie Iungfrau, — fie ließen einen 
Augenblick ab und fahen gierig in die Boͤrſe; hierauf bemerkte 
der Peine Teufel einen Ring an meinem Pleinen Finger; ba 
id ihn nicht ließ, wollte er mir den Finger mit dem Ringe 
abfchneiden. Mich übermannte die legte Wuth: Maldito seas 
con padre, madre y hijos! punadero! bruͤllte ih, und em 
tiefer Stich raubte mir die Befinnung: ich fühlte, wie alle 
Muskeln fih krampfhaft anfpannten, und das letzte „Maldito!” 
tufend, ſank ich, mid zum Node ausſtreckend, roͤchelnd in Ohn⸗ 
macht. Wohl sehn Minuten mochte ich fo gelegen haben, als 





meine Sinne fich wieder belebten. In dieſem enblid, we 
id mich kaum auf meinen Ramen befann, das Ich ſchon halb 
getheilt von der Zodesfichel, fand unerflärbarerweife das Zim⸗ 
mer deutlich vor meinen Augen, in welchem ich geboren bin, 
wo ich meine Knabenzeit zubrachte. Rah und nad erkannte 
ich die Dinge; das Mofter glängte mitch friedlich an; da Ing id) 
unter Rofenbäumen und Cypre 

efchlachtets und die tacbe, fehte Kirche nebenan harte weinen 
Hütferuf nicht; vielleicht beichteten meine Mörder in ihr. Die 
Stunde war gewaltig: ich dachte, was die Eenfur meines Ge⸗ 
wiſſens nicht paffirtes doch dachte ich's, ſtreckte mich und er: 
wartete den Zod. Bald darauf hörte ich's raſcheln. Sie kom⸗ 


men wieder! dadhte ih, und: L’echarmos nel agua! (Werfen. 


wir ihn ins Waſſer) hörte ich die Hyänenftimme brummen. Mit 
thieriſchem Inftinct raffte fih mein halbzerſtoͤrtes Leben wieder 
auf, und ich kroch, wie sine Schlange, bis zur Brüde. Die 
Mörder ſchlichen mir Tugend nad; fie waren nur noch 2U 
itte von mir ab. Hierher! Schildwache! ſchrie ich in 
hoͤchſter Todes angſt, bierher! ihr lieben Männer! da! da find 
die Mörder! „Ayuda al Rey!’ Und trog der Angft erfaßte 
mich grünmiger Hohn, ald die Mörder auf diefen Ruf feige 
davon liefen OO — 
. Der arme Dichter fhien uun gerettet. An der Brüde 
teaf er wieter auf Carlos. Wir übergeben, wie dieſer ihn 
flerbend von einem Thor zum andern ſchleppt, wie man auch 
dem Sterbenden nicht öffnet, wie er endlich faft leblos von 
i Bädern — hambres de armas — gefunden, zu reinem 
irurg der Vorflabt gebracht und am andern Morgen als ein 
Mufgegebener in das große Hospital — Casa de la miseri- 
ordia — getragen wird, das er am vorigen Morgen als eine 
noch zu —I Merkwürdigkeit Valencias in ſeine Schreib⸗ 
tafel notirt hatte. Man zaͤhlte ſeine Wunden und ſeufzend 
ſagte der Wundarzt: Veinte tros! — 23! Bu 
Feſſelnd und floffreich, wie diefe Erzählung, ift der Be: 
richt von des wunderähnlicden Heilung unferd Poren. Gr 
a6 nad langen ſechs Wochen jomweit, daß er auf die Fort: 
etzung feiner Meife fann. Allen Abmahnungen zum Trotz gab 
er den Bebanken nicht auf, als Pilger zum Alhambra feinem 
Biele nachzugehen; und fo glühend, fo unbefiegbar war Dies 
zauberähnlihe Verlangen, daß er die ſchrecklichſte Erfahrung 
vergaß und mit einer ua bes befannten Arriero er nad 
Andalufien abreifte. Der Reiz, welcher der Schüderung dieſes 
—— über Alcoy, Drihuela, Lorca, Baza und die Sierra 
von Carrascoy nach Granada beigegeben iſt, die Glut der Na⸗ 
turgemaͤlde, die plajtifhe Darſtellung der Menſchen und Sit⸗ 
ten, die humoriſtiſche Farbe des ganzen Reiſeberichts endlich, 
find keines Auszugs fähig und ſtellen denſelben überhaupt in 
die Reihe der gelungenften Reifefchilderungen die wir befigen. 
In Granada ſchwelgt der Verf. in dem Anblick aller der Denk: 
wale der maurifchen Größe, für weiche ein fo heiße Interefie 
ihn befeelt. Mitten in diefem Genuß, der von ibm fo theuer 
‚etbauft war, fperrt ihn die Ankunft des Infanten Paula von 
feinem geliebten Ahambra ab; unfer Poet aber weiß fi zu 
Yelfen: in der Geftalt eines Pſeudo⸗Maurergeſellen ſetzt er ſei⸗ 
nen Aufenthalt in dem von ihm fo warm befchriebenen Mau- 
zenfchloffe fort. Eine Reihe anziehender Abenteuer ſprießt auf 
dem Wege nach Malaga, Gibraltar, Ceuta und Cabir für ihn 
hervor. Der postifche, Eühne und in der Darftellung des Gr: 
lebten unübertreffliche Neifende tritt uns überall entgegen: fei 
es, daB er eine bunte Reiſegeſellſchaft mit unvergleichlicher 
Laune mele; eine gebeimnißnolle Begegnung mit Leuten, wie 
Don Joff, dem großen Banditen, ſchuͤdere; den tiefen Schmerz 
‚peniider Patrioten ergründes oder den Reiz eines Volksliedes, 
ben geheinmißvollen Genuß verbotener maurifher Romanzen 
darſtelle; oder endlich bie großen Mefte der arabiihen Glorien⸗ 
t ner und hinſtelle. Won Eadir endlich vertreibt ihn eine 
edenkliche Verbindung, in welche er wunberbarerweife und wi- 
dar Willen geräth: er flüchtet nad) Sevilla, verlebt hier eine 
afelige Wache, und ſchließt feinen Meifebericht, der und ein leb⸗ 


+. 
D 


‚im YParadieie, von Zeufeln. 


ten englifhen Staatömänner feit der Gelangung d 


haftes Verlangen nad feiner Wortfegung zurüdiäßt, in Cor⸗ 
dova, in deſſen wundervoller Kathedrale er ein Werk der Bru: 
derliebe vollbringt, und von wo er und bie verbotene Romange 
„O patria dolorosa!” mittheilt. 

Wir ftehben nun am Schluß eines Auffages, der uns län 
gere Zeit mit einem reichen, bewegten und heißen Dichtegeiſte 
Weſchaͤftigte und den wir wicht beenden Fünnen, ohne uniem 
Dank für mande treffliche und achtbare Gabe, unfere herz: 
lie Theilnahme für die mannichfaltigen Schickſale und Be: 
firebungen und für die frommen Leiftungen einer fo flarken, 
begeifterten und formenreihen Weder, wie die Auffenbergs 
ift, laut außzufprechen, und zu ihrer nähern Bekanntſchaft ein⸗ 
zulabeg. *) 19, 





Sanning ale Staatdmann und politifher 
Charafter. 


Unter den zulegt in England erfchienenen biographiſchen 
Werken zeichnet ſich das ‚Life ef the Right Hon. George 
Canning‘, von R. Bel, nicht nur durch anziehende Dar: 
ftellung, ſondern auch durch den hiftorifchen Scharfblid aus, 
womit den Beweggründen nachgeforfcht wird, die den Schlüſ⸗ 
fel zu iener fo oft rätbfelhaften Politik gewähren, welche Grob 
britannien fo lange verfolgt und woran Eanning in gutem und 
ſchlechtem Sinne einen fo großen Antheil genommen hat. Je 
doch hat Bel dem Vorwurf nicht entgeben koͤnnen, daß er ft 
nen Helden und feinen Charakter in einem zu günftigen Pitt 
dargeftelt, ohne die Schattenfeiten deffelben, welche fo ſcharf he: 
vortreten, daß vielleicht nur fein früher Tod und die Umfäntt, 
unter denen er erfolgte, ihn davon gerettet haben, daß die 6— 
ſchichte ihr Sehr Ichwered Verdammungsurtheil über ihn auf 
geſprochen. In diefem Sinne hat der geiftreiche Kritiker eine 
englifchen Blattes, welches die neuern Literarifchen Exfeinun 

en befpricht, dem Bell'ſchen Werfe in Lurzen Umriflen eine 

izze des politifchen Lebens und Charakters Eanning ® beige 
fügt, die das Bild diefes Mannes in weit verſchiedenern 3 

n erbliden läßt, als man es größtentheils, beftoden buch 
Fin flaatömännifches Auftreten in den legten Jahren feined && 
bens, befonder& auf dem Eontinente, anzufehen gewohnt WAt- 
Als ein geifivoller Beitrag zur Geſchichte unferer Zage MORE 
dad an diefer Dark ung bier feinen Pag finden. # 

Der Verf. bemerft am Gingange treffend, daß die gEW. 


zu der Würde eines gelehrten Gewerbes erhoben wurde. ti 
fer Umftand war mehr ein Unglüd auf feiner Seite SF 
Fehler, aber er übte einen verzehrenden Einfluß auf feine gap 
potitifche Laufbahn aus; er ließ ihn feinen ; 
ei dem Unterhaufe als bei der Ration fuhens CF bemog, h 
Amt und Würde nur als Mittel zur Erlangung un. * 
und Vermögen' zu befrachten. Wenn er, als ex ind Un 

geben 

ed 


® 
°) Den dritten und ledten Artikel hoffen wir im — 
zu koͤunen. D. 


wat, ih Dem gewidmet und feinen Eintritz 
in die faatsmaunifche La n bis dahin verfehoben hätte, wo 
ie Ecfolge feines Berufs ihm fein Auskommen ficherten, fo 
er vielen zweideutigen Dandlungen und noch viel demuͤ⸗ 
thigen derin BVerdachte entgangen fein.‘ 

Canning war zu Lonton am I. April 1770 geboren. 
Gin Bater, der enterbte Sohn einer angefehenen Familie, 
ſtarb ein Jahr nach Canning's Geburt und hinterließ feine 
Mutter in fo bedrängten Umftänden, daß fie fich gezwungen 
fah, zu ihrem Lebensunterhalt die Bühne zu betreten. Da fe 
in London nicht gefiel, fo ging fie im die Provinz und heira: 
thete dort den Director einer herumziehenden Zruppe, einen 
Tederlihen und leichtinnigen Menſchen. Nachdem man die 
Gefahr, weicher der Junge Ganning unter einem ſolchen Stief⸗ 
vater ausgefegt war, feinem Oheim väterlicherfeits Dringend 
vorgeftellt haste, verftand ſich Diefer dazu, für den Knaben zu 
Sa und fegte in Berbindung mit andern Mitgliedern des 

ilie ihm jährlich 200 Pf. St. aus, die man für hinlaͤnglich 
me Beſtreitung der Koften feiner Erziehung hielt. Der Oheim 
war ein Banquier, dem politifchen Liberalismus warm zugethan 
rd perfönlich mit den Führern ber Whigpartei, Burke, Bor und 
Gheridan, befreundet. Auf den Rath von Kor ward der Knabe 
nah Eton gethan, wo er bald als Schüler, als Streitred⸗ 
aer und felbft als GSchriftfteller zu großem Rufe gelangte. 
Schon in feinem 16. Jahre lieferte er einige artige Sachen in 
time zu Eton von einer Anzahl dort ftudirender junger Xeute 
gegründete Beitfehrift „The microcosm‘’. Bon ihm verfaßte 
Yreisfchriften umnterflügten feinen erlangten Ruf in Drford; 
Kedevereine vergrößerten benfelben in London. Dan heyte 
große Erwartungen von feinem Süd im öffentlichen Lebens 

zu früh kündigte Sheridan dem Haufe der Gemeinen an: daß 
en ner Stern im Begriff flände, der Milchftraße von hohen 
Geben, die auf der Dppofitionsfeite des politiichen Himmels 


ſeehne, feinen Glanz hinzuzufügen; Lord Lansbowne zeigte | 


ihn Sentham zuerſt als den Lünftigen Premierminifter , und 
Gedwin betrachtete ihn als den von der Vorſehung auserſehe⸗ 
nen Mann des Volkes. Alle wurden getäufcht: er trat ins öf- 
fentlihe Beben als ein demüthiger Yarteigänger des ‚jüngern 
Pitt. Die zahllofen Erklärungen, die man von diefem Wech 
kin der Grundfäge gegeben, find nur Beweife, daß fein Be 
teagen cine Schugrede erfoderlich macht. Die Sache ift aber 
wqht \dyaer zu erlären: er trat ins öffentliche Leben ohne ein 
Austommen, dab ihm eine unabhängige Stellung verfchaffen 
konnte; ex war deshalb gezwungen, von der Partei zu nehmen 
was er nit im Beutel hatte. 

Gonning’s Reden zu &unften des Kriegs gegen Frankreich 
und feine Gatiren im „Anti - Jacobin‘ find zwar voll von 
Big, Unmuth und Feuer zugleich, aber fie find alle durch je 
wen Mangel an Grundfägen gekennzeichnet, welcher den blo⸗ 


fen Sachwalter vom Staatsmann unterfiheidet. Die Hohlheit 


feiner Sachführung iſt durch die Veröffentlichung der Memoi⸗ 
ven deßs Grafen von Malmesbury jept außer allem Zweifel. 
Eoning wie Pitt fehnten ſich ebenfo nach dem Frieden wie die 
Führe der Dppofition, aber fie befaßen nicht den Muth, dem 
kricheriſhen Hange Lord Grenville's ſich zu widerſetzen, beffen 
tt den Siurz des Cabinets herbeigeführt haben würde. 
Inf diefe Weife fuhr Pitt fort, Blut und Geld in einem Kriege 
E reaben, den er nicht allein für unnoͤthig, fondern fogar 
vergeblich erachtete; während Sanning feinerfeits eine feiner 
glänzenden Meden zur Vertheidigung eines Ganges der Politik 
hielt, auf deren Sturz er in demfelben Augenblide hinarbeitete. 
Em leichtfertigeres Opfern aller Rüdfihten auf die Ration zu 
ee der ae wird fih in der Geſchichte 
ſchwerlich auffinden laſſen! 

Canning nahm keinen ſehr thaͤtigen Antheil an der Durch⸗ 
führung der Union zwiſchen Großbritannien und Irland. Ihm 
dingegen fiel die Aufgabe zu, als Lohn für die Einwilligung 
der Katheliken in diefe Daßregel die Emancipation der legtern 
m Borſchlag zu bringen; und der WDärme feines Semperaments 


geb man Achuid, dab die winißerielen Aubentungen in Be 
ug dorauf beinahe den Anſchein von eingegangenen Verpflich⸗ 
tungen gewannen. Died iſt ber zur Schau getragene Grund 
ber Riederlegung feines Umts, als Pitt vom Ruder trat, um 
Addington Play zu machen, während fo viele von Pitt's An: 
bangern damals in ihren Stellen blieben. Canning hatte je 
bo kurz zuvor feine Stellung durch die Heirath mit der Toch⸗ 
ter des Generals Scott ſehr verbeflert, da dDiefe Dame außer den 
zu häuslichen Blüge weientlihen Eigenſchaften ein großes Ber: 
mögen und einflußreiche Verbindungen beſaäß.— 
kerd Malmesbury enthuͤlt in feinen Memoiren das (Ge 
heimniß von Ganning s Burüdtritt: er ftand in dem 
daß Pitt, wenn es ihm befiebe, wieder and Ruder gelangen 
Fönne, und daß, wenn man ihn felbft als ein Opfer feiner eigb» 
nen Unbefcholtenheit und der Unduldſamkeit des Königs betrach⸗ 
ten würde, feine Wicdereinfegung ins Amt auf dad Begehren 
der Nation ihm eine viel gebietendere Stellung verjchaffen 


‚müßte als er bis dahin eingenommen batte. Uber Pitt trug 


weder Sehnſucht nach einem Märtyrehum der Art, noch fonnte 
man Iemandem den Glauben geben, duß ihm danach gefüftete: 
die Nation fehien auch ohne ihn ganz wohlgemuth weiterzulom« 
men geneigts und wäre er nicht von Abdington verdrängt wor: 
ben, fo hätte e& ihm leicht geſchehen können, daß er völlig im 
Bergeflenheit gerathen wäre. Statt dem Könige’ Bedingungen 
vorzufreiben, war er gezwungen, dergleichen anzunehmen, und 
diefe Bedingungen fchloffen einen Kampf ein, der ihn vor der 
Beit ind Grab flürzte. 

Bei der Bildung der Verwaltung von For und Grenville 
ward Canning nicht nur der Führer, fondern ber belebende 
Geift der Oppoſition. Er klagte mit Recht die Beförderung 
Lord Ellenborough's ins Gabinet als unvereinbar mit deſſen 
richterlichen Functionen an, aber er verachtete viel zweideuti« 
gere Yarteilniffe nie; er fchloß fi) dem gegen Kor und 'defs 
fen Nachfolger im Amte erhobenen No-Popery!: @efchrei an, ob« 
wol er in ben Bugeftänbniffen, die er für nöthig Hielt, um den 
Anfprühen der Katheliten genugzuthun, weiter ging als Iene. 
Seine Unfeindung gegen Fox war ebenfo perfönlich wie rach⸗ 
füchtig und eben argliftig wie jene, welche er in einer fpä- 
teen Periode feiner Laufbahn felbft von feinen Gegnern erfah⸗ 
ren mußte. 

Ganning trat unter dem Minifterium Perceval und Port⸗ 
land wieder ind Gabinet, obwol baffelbe ſich verpflichtet hatte, 
die Pathclifhe Frage auszufchließen. Seine erfte Handlung 
war die Wegnahme der Länifchen Flotte, — eine Maßregel, die 
wol mit fcheinbaren Gründen entfchuldigt, nimmer aber gerecht» 
fertigt werden mag. Die Grpebition war mit großem Scharf: 
finn entworfen, auch ward fie gefchickt ausgeführt und bildete 
fo einen merkwürdigen Gegenfag au der von Canning's Amts⸗ 
genofien und Rebenbubler Lord Saftlereagh nad Walcheren ger 
fandten Erpedition. Ganning mochte Caſtlereagh nicht, ja ver: 
achtete ihn vielleicht; er brobte fein Amt nieberzulegen, wenn 
der Lord noch länger an der Spige des Kriegsdepartements 
ſtehen würde. Der Herzog von Portland, deflen Kraft man 
noch überfchägen würde, wenn man ihn blos ſchwach neunte, 
überredete Sanning, im Cabinet zu bleiben, bis geeignete Un» 
orbnungen getroffen werden koͤnnten, verheimlichte aber bem 
Lord Caſtlereagh, daß man irgend dergleichen beabfichtigte. US 
der Legtere endlich dahinterfam, daß feit ſechs Monaten einer 
feiner Amtsgenoſſen ihn als unfähig für fein Amt begeichnet 
hatte, griff er. zu dem ihn kennzeichnenden Auswege und fandte 
Ganning die Herausfoderung zu, — dem Ginzigen, welcher bei 
der ganzen Verhandlung fich aller perfonlihen Beleidigung ent: 
hatten hatte. Die Zweikaͤmpfer fanden ch zu Putney Heath 
ein und Ganning ward verwundet; er zeg ſich hierauf aus dem 
Amte zurüd und blieb gegen zwei Jahre ohne Gtelle: Lord 
Siverpool drany zweimal in ihn, wiederum ins Gabinet zu tre⸗ 
ten, aber ex weigerte fih mit Lord Gaſtlereagh ala Yührer im 
Unterhaufe zu dienen; jedoch bald darauf willigte ex ein, untes 
ihm gu dienen, und nahm bie Botfchafterftelle in Liffabon an. 


Rach feiner Ruckkehr von dort trat er ald Präfldent des Con⸗ 
trolamts in die Berwaltung und ſchloß ſich fo einem Miniften 
rium an, in weichem nicht nur Caſtiereagh, fondern auch Sid⸗ 
mouth, der Gegenſtand feiner bitterſten Wigpfelle, ſich befand. 
Uungluͤcklicherweiſe befchränften ſich feine Vergehen nicht 
Varauf, daß er fih vor Denen beunte, die er der Werachtung 
und. dem Spotte preiögegeben. Die Letztern fchlugen einen Weg 
der Verwaltung ein, der den Sag zu beleuchten diente: „daß 
Gewaltthaͤtigkeit die Zuflucht des Schwachen iſt“; ihre Mär: 
‚hen von Ynfchlägen und Berſchwoͤrungen, ihre Beantwortung 
der wilden Derlamationen der aufbeger durd. die Logik von 
Dragonaden, ihre Eingriffe in die Eonflitution wurden von 
Eanning mit rüdfichtslofer Heftigkeit gerechtfertigt, die Nichts 
als das Ergebniß der Selbituormürfe ſchien. Aus feiner poli- 
tifchen Erniedrigung ward er durch den Tod Georg's INT. und 
die Ankunft der unglüdlihen Königin Karoline, welde ihr 
Necht ald Königin geltend machen wollte, befreit. 

Es berrfcht gegenwärtig wol feine Meinungsverfchiedenheit 
mehr über das unglüdfelige Verfahren, welde man den Pro« 
ceß der Königin genannt bat; wäre fie des Zehnfachen der ihr 
fchuldgegebenen Liederlichkeit fchuldig befunden worden, ihre 
Yufführung würde unſchuldig erfchienen fein, wenn verglichen 
mit der ihres Gatten. Die britifche Nation trat dazwiſchen, 
nit um einen Triumph für eine gefchmähte Unfhuld zu ge 
winnen, fondern um den Sieg der offentundigen Schuld zu 
verhindern. Canning, welcher ein früherer Freund und ſtand⸗ 
bafter Rathgeber der unglüdlihen Frau gemwefen war und 
nur zu gut die fürdhterliden Umflände der Provocation und 
der Gegenbefhuldigung Pannte, welche fie geltend machen 
Tonnte, reichte feine Entlaffung ein und verließ, da bdiefelbe 
nicht angenommen wurde, England. Nad) feiner Zurückkehr 
fand er feine Amtsgenoſſen geneigt, ein Syſtem kleinlicher 
Quälereien fortzufegen, nahdem Geſetze von heftigerm Charak⸗ 
ter verworfen worden waren; er bot deshalb noch einmal feine 
Entlaſſung an und diedmal ſchien Georg IV. es fi nicht an- 
gelegen fein zu laſſen, ihn zurüdzubalten. 

Das Bewußtfein, daß feine Laufbahn als Minifter der 
Bertheidigung bebürfe, gab fih in den wiederholten Rechtfer: 
tigungen beffeiben in feinen Anreden an feine Wähler zu Li⸗ 
verpool Fund; feine Beredtſamkeit ward mehr darauf gerichtet, 
die Vorwürfe feines eigenen Gewiſſens zu befchwichtigen ale 
die Anklagen feiner Gegner zu widerlegen. Man hörte ihn fi) 
gegen Befchultigungen vertheidigen, die nie erhoben wurden; 
Umftände aufflären, die Riemand beleuchtet zu haben wünfchte; 
und fi in unbeftimmte Allgemeinheiten verlieren, fobald er 
irgend einen genau feflgeftellten ober greifbaren Gegenftand 
berührte. Cine ſolche Xage war eine fehr drüdende, und er er- 
griff freudig die fi ihm darbietende erfte Gelegenheit, um ſich 
aus dieſen Berlegenheiten zu ziehen, indem er die Stelle eines 
Generalgouverneurd von Dflindien annahm. Caſtlereagh's Selbſt⸗ 
mord änderte diefe feine Beftimmung und fein Geſchick. Er 
folgte feinem alten Nebenbuhler im auswärtigen Amte, und das 
Seheimniß, auf welche Weife ded Könige Widerwille gegen 
GSanning befiegt worden war, wurde aufgehellt durch dic Er⸗ 
nennung bed Sohnes der Markgräfin von Eonyngham zum 
Unterfiaatöfecretair. Der alte Scherz Friedrich's des Großen 
über den Hof Ludwig's XV. lebte wieder auf; man ſagte: Can: 
ning fei der Minifter Georg's IV. und Unterrod IV. 

. Bas man auch von den Mitteln halten mag, wodurch er 
and Ruder gelangte, der Gebrauch, welchen er davon machte, 
verdient dad böchfte Lob: er befreite England aus dem Netze 
der Heiligen Alliance, er erkannte die Freiheit der füdameri- 
kaniſchen Freiftaaten an und befchügte die portugiefifde Conſti⸗ 
tution in ihrer Wiege. Seine Berfündigung der ewigen Grund» 
füge der natürlichen Rechte und der nationalen Gerechtigkeit 
bildet einen flolgen Zeitpunkt in der britifchen Geſchichte; er 
wuchs unter den Umftänden und ſchien plöglih mit der hinrei⸗ 


der Zeit den Geiſt aufgegeben hatte. 


Senden Thatkraft und ber rigen Würde Chathans beklebet 
pi fein, wann bie &fut feiner Beredtſamkeit das Haus Bau: 
on traf. Die Vergangenheit war vergeben und beinahe ver: 
geffen; abet es gab verhängnißvolle Anzeichen, baß der Jubel 
etwaß zu vorzeitig ausgebrochen. Während der Beifall wegen 
freiſinniger Grundfäge noch in feinen Ohren klang, erneuete 
Ganning feine Gelübde der Feindſeligkeit gegen bürgerlihe un 
religiöfe Freiheit in der Heimat, indem er fi gegen jede Maß⸗ 
regel ‚der Parlamentsreform und gegen Aufhebung der Teſt⸗ 
und Gorporationdacte erklärte. 

Im 3. 1827 erreichte Eanning das Ziel feines hoͤchſten 
Ehrgeizes, indem er nach dem Tode Lord Liverpool’s zum Pre 
mierminifter ernannt wurde. Groß war fein Verdruß, old er 
fih augenblicklich von den einflußreichften feiner Amtögenoflen 
verlaflen fand; und einflimmig erfchien Die Nation in ihrer An- 
fiht, daß deren Verhalten die Folge von Beweggründen war, 
die keineswegs ihnen zur Ehre gereichten. Sich der Gunft des 
Volkes bewußt, füllte er die erledigten Pläge im Gabinet aus 
den Reiben feiner perfönlichen Freunde, und warb offen um 
eine Allianz mit den Whigs. Uber bier ſtieß er auf eine 
barfche Zurüdweifung, welche in einer..der fprechendften Belei⸗ 
digungen gegeben wurbe, die je feit den Tagen ded Cicero und 
Antonius gegen einen Staatsmann ausgeſprochen worden find. 
Zwifchen dem neuen Premierminifter und dem Grafen Grey, 
dem Führer der Whigs, hatte 20 Sahre hindurch bitterer Ha 
der beitanden: genährt auf der einen Seite Durch wigige Au 
fälle, Epigramme und Spottnedichte, auf der andern durch Re 
prefialien des Zorns, des Trotzes und der Verachtung. De 
in Utica verlafiene Cato war nicht entfchiedener und entfchlofe 
ner al& der ftrenge aber faltblütige Graf, der von den meiſten 
feiner politiſchen Zreunde verlaffen, umgeben von feinen einge 
fleifchten Zeinden, auf den Oppofitionsbänken ſaß; feine Rede 
hatte die ganze perfönliche Bitterfeit einer Philippila; es gab 
Stellen darin, auf welche Demofthenes felbft hätte ſtolz fein 
können; aber feine größte Kraft lag in dem Ausdrud eine 
würdevollen Schwermuth, die feine Rede durch und durd br 
feelte. Lord Grey erfchien wie einer jener hebräifchen Prophe 
ten, die über den Trümmern Ierufalems weinen und den Ur 
heber ihres Falls anklagen. Von diefem Schlage erholt ſich 
Canning nie wieder; die Zeit feiner politifchen Laufbahn ging 
zu Ende und er hatte Nichts weiter mit dem Leben zu ſchaffen. 
Der Tod nahte ihm mit baftigem Schritte: er fiel ald fein Dpfer 
im Augenblick, wo fein Ruhm feine Mittagshöpe erreichte, un 
er entging fo dem Schmerz, ihn am politifchen Himmel wie 
der untergehen ſehen zu müſſen. Er hauchte feinen letzten 
Athemzug am 8. Auguſt 1827 in der Villa des Herzogs von 
Devonshire zu Chiswick in demfelben Haufe und in bemfelben Ge: 
mach aus, wo Kor unter gleich ſchmerzlichen Umftänden bor 


Der Schmerz der Nution über den Tod des vollsthum: 
lichen Premierminifterd war allgemein, aber er ging vorüber 
Es hatten ſtets ängftliche Zweifel darüber gemaltet, welchen 
Weg er einfchlagen würde; er hatte fi in eine Menge vor 
Widerfprüchen verwidelt, die in feiner Vergangenheit mund 
ten und die ihm und Undern die freie Ausficht in feine Bu 
Eunft verfperrten. Es wäre ein müßiges Beginnen, jegt darüber 
nachzuſinnen, was er wol gethan haben würde; aber eb kann 
nicht geleugnet werden, daß Solches viel mehr ein Gegenſtand 
der Vermuthung als der Gewißheit ift, und daß batın ſelbſt 
ein Umſtand der Verurtheilung liegt. Seine Laufbahn Mat 
glänzend, aber fie war unftätz feine Einſicht war mehr ſtrah⸗ 
{end als gediegen durchdringend; er war der Letzte jenes Stam 
mes von Staatdmännern, die nimmer in England wieder auf 
eben Pönnen, — jener Gattung, welche die Politik als ein Ge⸗ 
werbe aufſuchte; man kann hinzufuͤgen: daß er der Beſte fe: 
ner Claffe war, aber das Verfdpwinden biefer Claſſe ſelbſt if 
faum zu bedauern. . 


Verantwortlicher Herausgeber: BSeiurich Brockhans. — Druck und Verlag von F. X. Wrodhans in Leipzig. 


v 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Mittwoch, 


29. Juli 1846. 





Über Louis Blanc's 


„Histoire de dix ans. 1830 — 40.“ 


Dies echt franzöfifche Werk, fünf ſtarke Bände fül« 
(end, hat in kurzer Zeit fünf Auflagen erlebt. Diefer 
Beweis des Intereſſes, das es in Frankreich erregt, und 
des Beifalls, den es in weiten SKreifen gefunden hat, 
kann nicht Verwunderung erregen: denn ber reiche Stoff, 
den die Ereigniffe, die fi) in der Zeit von 1830 — 40 
in Frankreich zugetragen, unb den bie focialen und pſycho⸗ 
legiſchen Erfcheinungen im feanzöfifchen Leben darbieten, 
iR Ichendig, fließend, Mar, mit rhetorifhem Schmud 
und mit fharf ausgeprägter Parteianfiht und Tendenz, 
der epublifanifchen, dargeftellt, und in den Beziehungen 
Frankreichs zu andern Staaten und Völkern wird der 
franzoͤſiſchen Eitelkeit und Anmaßung in überfchweng- 
lihem Maße gehuldigt. 

Auch bei uns in Deutfchland, wo man in gewiſſen 
Kreifen immer noch gewohnt ift, fi dur Das am 
meiften bienden zu laffen, mas an unfern weftlichen 
Nachbdarn fih am meiteften von unferer Individualität 

entfernt, ſchͤnt das Werk, wenn audy nit mit Zu- 
fimmung, fo dech mit einer gewiffen Bewunderung ge« 
leſen worden zu fein. Je leichter aus Stillſchweigen 
und tuhigem Binnehmen Beipflichtung gefolgert werden 
kann, je gefährlicher aber uns der Grundgedanke und 
Die ganze Tendenz des Werks mit ihren Gonfequenzen 
fh darſtelltt um fo nothwendiger erachten wir eine Auf 
dedung der leitenden Gedanken und ihrer Anwendung 
auf gewiffe uns nahe angehende politifche Fragen. 

In Folge det demokratifchen Tendenz find, begreiflicher- 
weil, das Königthum — die monarchiſche DVerfaffung — 
Frankreichs und der König Ludwig Philipp felbft ins 
übelfte Licht geſtellt. Die Duelle und Wurzel alles 
Übels in der Politik und den bürgerlichen (innern) Zu⸗ 
Ränden Frankreichs erblickt der Verf. aber in dem Geiſte 

und Einfluffe der Bourgeoifie, die aus fanatifcher Liebe 
zum Eigenthum, das fie zu fehügen firebe, jeber Revo⸗ 
Intion, der Volksherrſchaft und dem Socialismus ent- 
gegentrete, , 

Wir heben zunächft diejenigen Außerungen heraus, 
welche die politifche Stellung Frankreichs und feiner Be⸗ 
ziehungen zu andern Staaten und Nationen betreffen: 


- Die bochmüthigften Mächte zeigten fi zu Boden gewor⸗ 
fen (nach der Qulirevolution). an Eonnte fagen, baß von 
nun an die Nationen nur mit Hülfe und mit Erlaubniß Frank⸗ 
reichs leben würden. (II, 8.) ®) 

Man Bann die moralifdhe Lage des Gabinets von Berlin 
durch den Ausſpruch beurtheilen, der dem Könige von Preußen 
bei der Nachricht der parifer Sreigniſſe entfuhr: „Wenn bie 
a je an den Rhein geben, fo rühre ih mid 
nicht. ‚12. 

Um mit Belgien den Vertrag einer fruchtbaren und eh⸗ 
renden Brüderfhaft zu fihließen, durfte ibm Frankreich nur 
den Arm reichen. ‚BB. 

Solche Umftände geftatteten ben Franzoſen einen Ehrgeiz 
ohne Schranken; und eine Staatsgewalt, die würdig gewefen 
wäre fie zu regieren, bätte unzweifelhaft durch fie Das Welt 
regiment ergriffen. Die Creigniffe riefen unfere &chugherr: 
ſchaft nad Konftantinopel und gaben und, mit dem belt igten 
Reiche der Sultane, das Mittel, Polen zu retten. Die Uniform 
unferer Soldaten, auf dem Gipfel der Alpen glänzend, hätte 
bingereicht, die Unabhängigkeit Italiens zu fihern. — Es war 
ein merfwürdiges Zufammentreffen von Umfländen, das in dem 
Grade von der Vergrößerung Frankreichs das Heil aller unter» 
drüdten Rationen abhängig machte. (II, 25.) 

Man mußte für diefes Übermaß von Leben, das die Res 
volution in der franzoͤſiſchen Sejenfgaft gefchaffen hatte, einen 
Beg nah außen —2 (NM, 26.) ° 

Mehre Emiffaire der Propaganda reiften nach Brüffel ob. 
Sie erhigten dort die Gemüther und warfen den Samen der 


Leidenfchaften, ven denen fe kin durchglüht waren, geihidt 


unter das Volk u. f. w. (II, 83. 

Die parifer Clubs fendeten ihre Emiſſaire nach Brüffel. 
Die Geſellſchaft der Volksfreunde errichtete auf ihre Koften ein 
Bataillon und fendete e8 ab, indem es ihm einen Namen, ei» 
nen Chef, eine Fahne gab. (TI, 108. 

Die Revolution, die Warſchau entzündete, Bonnte für im: 
mer die Verträge von 1815 umwerfen und entſchieden das 
Sxepter, 3 Beltend in Die Hände Frankreich gelangen laffen. 
( 7% 

Frankreich konnte leicht und Präftig der polnifchen Revo⸗ 
Iution helfen. Die Regierung brauchte weder eine Armee War: 
ſchau zu Hülfe zu fenden, noch eine drohende Sprache gegen 
den Kaiſer zu führens um Polen zu retten, reichte es bin, einige 
feanzöfifche Generale und —5 Agenten dahin zu ſenden, 
die beauftragt waren, im Namen Frankreichs die demokratiſche 
Partei zu unterflügen. (II, 169.) 

... daher befanden ſich die Engländer in der abfoluten 
Unmöglichkeit, einen Krieg zu unternehmen, ja nur daran zu 
denfen. So hätte ihnen —— indem es Belgien an ſich 
zog, die doppelte Demuͤthigung auferlegt, ihre Dinmagt dar» 
zuthun And fie für ihre Drohungen zu beftrafen. (II, 233.) 


*) Die Gitete find nach der fünften pariſer Ausgabe. 





.. 6G88 


Polen wendete ſich an den Scqhutgeiſt des feanzöfifegen 
Bolkes ıc., das, um eine Lehre der Brüberfenaft zu verbreiten, 
die Schlachtfelder und die Schaffote mit feinem Blute über 
ſchwemmt, das endlich unter dem Kaiferreich fi in tödtlichen 
Unftrengungen etihöpft hatte, um den ſchwaͤchſten Rationen 
die freien Straßen Des Dean zu öffken. (Il, 235.) 
Daß Kafkmir Perier fih in ber Kammer gegen bie 
Antervention durch Krieg erklärt und gefagt hat: „Das 
‚ franzöfifhe Blut gehört nur Frankreich‘, veranlaft 
2. Blanc zu folgender Apoftrophe: 

Sottlofes Wort! Da ber Genius Frankreichs fi immer 
in feinem Kosmopolitiömus gezeigt bat und die Aufopferung 
(Bingebung, le d&vouement) ihm von Bott felbft ald ein Ele⸗ 
ment aa, eine Bedingung feines Lebens auferlegt 
Wom General Buillaninot, der vom Borfchafterpoften 
su Konftantinopel abgerufen worden, weil er auf eigene 
Verantwortung He Morte zum Krieg gegen Rußland 
getrieben, wird gefagt: | 

Die Entzündung Europas, wenn man fie nothwenbig 
machte, fhien ihm Eein viel ſchrecklicheres Unglüd, als die uns 
vergängliche Unehre eines Volkes, deſſen Unverleglickeit für die 
Freiheit der Welt wichtig if. — Die Diplomatie diefed großen 
Volkes wagte nit einmal, fi au Kunftgriffen (artiices) zu 
erheben. (II, 323.) 

Nachdem bie Gründe aufgeführt worben, weshalb 
Luremburg hätte mit Belgien vereint werben follen: 

Diefe Gründe waren fhlagend und fchöpften eine unwider: 

ſtehliche Gewalt in dem Enthuſiasmus, mit welchem die Ein: 
wohner Luremburgs ſich der belgiſchen Revolution angefchloflen 
hatten. (U, 378.) 
Unter den Augen ber erftaunten Rationen und der von 
Screen ergriffenen Könige hatten wir wahrhaft und für 
größere Zwecke das Rapoleon’d Händen entfchlüpfte Scepter 
wieder ergriffen. Niemals wurde einem Volke vom Schidfale 
eine glänzendere Lage gewährt, und wir hatten nicht nöthig, 
die Welt (l’univers) umzuſtuͤrzen, um fie zu ändern, denn fie 
war uns preisgegeben u. ſ. w. , 402. ’ 

Eine Demokratie mit ſtarker Berfaffung war allein fähig, 
die Verträge von 1815 zu zerreißen und Europa umzuge: 
ftalten. (H, 406.) 

eich, unfere Erklärungen verachtend, war in Italien 
eingefallen und die Romagna wieder unter das Joch des römi: 
ſchen Hof6 gefommen. (III, 164. 
Der Papſt Hatte bei der Rachricht der Befehung (Anco⸗ 
nas) einen heftigen Unfall von Zorn und ber Earbdinal Ber: 
netti rief auß: „Rein! feit den Saracenen ift nichts Ähnliches 
gegen den Beiligen Water unternommen worden!” (Hi, 172.) 
" Cafimir Perier ward durch Furcht verhindert, bie Furcht 
der Andern zu benupen, und er zwang Frankreich, fih die Be: 
bingungen der europälfchen Ruhe gefallen zu lafien, während 
es bei ihm ftand, fie zu bictiren, wie Dies wol das Abenteuer 
von Ancona bewies. (TI, 225.) 


Es wird erzählt, daß die Herzogin von Berri, als 
fie in Frankreich den Bürgerkrieg entzunden wollte, Sar- 
dinten und Holland zum Angriff Frankreichs anfgefo- 
bert habe; „aber diefe Eröffnung hatte feinen Erfolg 
wegen der furchtſamen Politik Preußens, das den Kö⸗ 
aig von Holland wiflen ließ: es werbe ihn verlaffen, 
wenn er den Krieg anfange.” (III, 366.) RNach der 
Einnahme der Eitadelle von Antwerpen: 

Es blieb dargethan, daß durch die Schlachten des Kaifer- 
reichs die Quelle des grofmüthigen Bluts, Das zu fo verſchie⸗ 


benen Zeitpunkten für bie unterbrüdten Völker floß nit ver- 
egt war. Denn Das iſt der ewige Ruhm ber franzöfiicen 
ation, daß fie, mitten in dem menſchlichen Hinundherwogen, 
beftändig den Grundſatz der Hingebung vertreten hat. Daf 
der furchtbare Beruf, den fie gegen Ende bes 18. Jahrhun⸗ 
derts übesnabm, in Europa sinen lang dauernden Eindrutk 
des Entfegens zurückgelaſſen bat, begreift man; und ded han 
delte fie t für fi allein, als fie mit erhabener Wuth die 
Throne zu erjchüttern und die allgemeine Freiheit zu predigen 
anfing, ohne daß irgend Etwas im Stande war fie aufzuhalten: 
weder der Bund aller Monardien, nody England, das feinen 
Reichthum geßen uns erfchöpftes noch die heftigften Leidenſchaf⸗ 
ten, bie auf der ganzen Dberfläche des Erdbodens entfehelt 
pe — ee 8 Fa für bie x 
meinſchaftliche Wohlfahrt dur ladhten und Siege zu for: 
gen. (111, 438 u. 3) - ei 

In Betreff der Belagerung ber Citadelle von Ant: 
werpen äußert der Berf.: ' 

Durch die Bedingungen, die ‚uns bie Diplouatie aufer: 
legte, verlor das Unternehmen das Unfehen eines revolutionnai: 
F — , das ihm zu erhalten fo röthig geweſen wäre. 

‚43. 

Die europäifhen Monarchien, angetrieben von dem untt: 
meßlihen Schredien, den wir ihnen einflößten, verbanden fi 
demnady nochmals. (III, 432.) 

... es war ein Xebensinterefle für Frankreich, da man 
ihm im Süden Lin Italien) die Freiheit feiner Bewegungen 
(la libert6 de ses mouvements) nidyt nahm; und darin be 
fand die Gefahr, womit Dftreih es bedrohete, indem +3 fid 
dem Papfte nothwendig machte u. ſ. w. (IV, 133. 

Frankreich hatte zu Ende des 18. Jahrhunderts gezeigt, 
daß e8 im Stande fei, Alles jäteen zu machen, Alles um ih 

‚38. 


niederzubeugen u. f. w. (V 
König Ludwig Philipp Hätte, fintt den revolutionnairen 

und demofratifchen Geiſt des feanzöfifchen Volkes zu mt 

nichten, ihn benugen und zu Europa fagen follen: 

Mache meine Dynaftie populair, indem ihr meinem Sande 
Richts von Dem vertagt, was ihm rechtlichermeife (lgtumer 
ment) gehört; und bequemt euch, es in meiner Perſon zu ehren, 
denn ic) gebiete über den Sturm, und. ein Wink von mit ge⸗ 
nügt, um die Throne zu erfchüttern. (V, 24.) 

8 Bei Erzählung der Eroberung Algiers äußert da 
erf.: 

Die Franzoſen, Repräfentanten ber chriſtlichen Idee, font’ 
ten, um die Araber zu unterwerfen, nicht Mittel anwenden, 
deren fi die Türken bedient hatten — uUneinigkeit zwiſchen 
den Stämmen unterhalten u. dgl. —, fie konnten ihre Erobe 
rung nit entbehren. — War der HRorden Afrikas einmal ge 
fihert,, fo tam der Süden von felbfl. — Aus dem Mittellan⸗ 
diſchen Meere konnten wir ein FEampöfifipee machen. Das «ld 
bot und das Schidfat im J. 1830 an. 

Don der Räumung Anconad: 

Die Nation fah ein Ereigniß nahen, das fie mit Traurig‘ 
Beit erfüllen follte. N ra ‚ 

Es iſt wahr, daß 1832 E. Perier in eine Übereinbunft 
willigte, durch weiche Frankreich fich anheiſchig machte, fer 
Truppen zurüdguzieben, fobald die öftreihikhen Italien MM 
taffen haben wuͤrden. ber bedeutete Dies, daß der Rüchuz 
ber Franzofen Dem der Oftreicher nothwendigerweiſe, ipse fact®, 
folgen folltet u. ſ. w. (V, 338.) 

Thies wird vorgeworfen, durch die Allianz mit Enz 
Iand Frankreichs Macht auf dem Meere preisgegeben zu 
haben, obgleich (ren 
Frankreich von Bott ſelbſt zur H der Meere (a ! 
pire des mers) berufen 4 (V, Fra 





Die Wonrzeolie tat fin wit -einet Auäbichten Mffeaiution 
8 ige. — 8: eine Beit, wo auf jedem Punkt ber 
gan Erdkugel bie unfers Landes in dem gevingften 

er geehrt ward. (V, 470.) 

Wrantveich will bie Völker nicht zu Unterthanen. Es liegt 
m feiner Beſtimmung, die Welt zu retten, nie zu unter 
johen. (V, 411.) | 

Wenn die Bourgeoifie auf eine edle Weife begeiftert 
wäre und den Gocialismus annähme (das iſt der Sinn 
einer dangen Stelle) ' ' 
würde fie, gegen das Europa der Könige gewendet, nicht fürch⸗ 
ten, Frankreich die Sprache und Gebehrde (geste) des Befeh⸗ 
ten} zurüdzugeben u. f. w. IV, 483.) 

Unftreitig muß man bei den meiften ber vorftehenden 
Stellen die — Schriftftellern aus germanifchen Stamme 
werreichbare — Eminenz und Virtuofizät im Prahlen, 
m der Duͤnkelhaftigkeit, Anmaßung, Selbfiverbiendung 
and Richtachtung fremder Rechte bemundern. Den Fran⸗ 
zoſen vom Schlage des Hrn. Blanc — und deren Zahl 
fol fehr groß fein — ift nur die Erinnerung an bie 
franzoͤſiſchen Siege, nicht an bie franzöfifhen Nieber- 
lagen geblieben, und fie bedenken nicht, wie fehr fie) die 
Zuftände, welche ihre Siege erleichterten und möglich mach⸗ 
ten, in Europa, namentli in Deutichland, geändert ha⸗ 
ben. Don diefen krieg⸗ und herrſchluſtigen Franzoſen, 
yarı mit den Erinnerungen an bie Zeiten der Conven⸗ 
fen und des Kaiſerreichs erfüllt, gilt was Napoleon von 
den Bourbons fagte: „Sie haben Nichts vergeffen und 
Rihts gelernt." 

(Die Bortfegung folgt.) 





Literarifhe Euriofitäten. 


Die Buhdruder und Gorrectoren waren nad Srhndung 
der Bußbruderkunft lange Zeit meift fehr gelchrte Leute. E 
tonnte fa gar nicht anders fein; denn es handelte ſich meift 
darum, die wiſſenſchaftlichen Schäge Griechenlands und Roms 
zu Zage zu fordern und, was oft ebenfo viel hieß, fie erſt zu 
entziffern. Sauber gefchriebene Manufcripte waren felten, 
und alle wimmelten von Wbkürzungen (Abbreviaturen), welche 
nur an mit der Sprache vertrauter Mann entziffern und alſo 
nur unter folder Borausfegung richtig leſen oder in der Cor⸗ 
rectut berihtigen Eonnte.*) Nicht felten wird daher in ältern 

zu Ende nicht nur der Buchdruder, fondern audy der 

Correitor des Buchs genannt und bisweilen wol gar fein Ver⸗ 
dmf in einem Diftigon gepriefn So 

g von Gommentarien über bie ficilifhen Geſetze 
von Undrens de Yfernia aus dem Jahre 1472, gedrudt zu 

Reapel, von Sertub Rufinger und corrigirt von Petrus -Dfir 
derius; zwei Diftihen befagen e8 am Ende, und nennen 
far; den Druder : Bixtus hoc impressit; deſto mehr rühmen 

ft den Cortector: 


Sed bis temen ante rervisit, 
Egregius Doctor Petruu Oliverius. 





E kam bier it darauf an, ob bie Atbresiaturen und, in 
be} gedradte Exemplar übergehen foliten, was anfang häufig ges 
ſchah, um idm den Schein eines Manuſcripts gu erhalten. In dem 
einen Falle, wo fie aufgenommen wurden, wie in dem andern, wo 
Men fie in einzelne Buchſtaben auflöfte, mußte man fie richtig zu 
ifen verfichen. Vergl. barüber Strobel's, Miscellancen Literaris 
en Indaits (Nöraberg ITTB, zweite Sammlung, ©. 83). 


“ 


bat man eine. 


Dr Ser MU «8 Wollgenuth kaufin, dem es ſei Im genten 
Bude kein Drudfehler: Mendis nam oaret jetnd opus. Bit 
weilen mochten die frühern Iypographen eine übergroße Freude 
haben, wenn aus Ihren Prefſen ein jene Beit tiges 
Derk zu Tage gefördert war. So erſchien 1507 cine „‚Prag- 
matique sanction” mit Erläuterungen von Coͤme Guynier; 
gedrudt von Undreas Brocard und dad nere perennius de 
Horaz ift zum Schlufſe in zwei allerliebften Verſen umfihrie- 
ben: „Daure Dies Bud, bis die AUmeife des Meeres Fluten 
austrank und die Schildfröte rings den Erdball umwandelte!“ 

Stet Liber hic, douse Anctus Formica maraoe 

Ebibat et tatıım testudo perambulet orbem. 


Dog die Hand ein trefiliches Mittel fei, Dem, was wir 
fagen, noch genauern mimiſchen Ausdeud zu. geben, ift eine 
allgemein befannte Sache. Wllein ed gab auch einzelne Med» 
ner, die durch üble Angewohnpeiten Eindruck zu machen hof. 
ten. Wie mancher Kanzelredner namentlid, und dann Schub ' 
männer befondere, ſuchen, wenn das Gedaͤchtniß verfagt, ihre 
Berlegenheit durch Huſten und Räuöpern zu verbergen, bis 
am Ende, was erft Sache ber Notb war, zu einer häßlichen 
Angewohnheit wird, die fih auch bei Andern wieder in anderer 
Weiſe äußert. Jedoch im 16. Jahrhundert war das Huften 
auf der Kanzıl in Frankreich völlig kur Modefache geworden. 
Einer der beliebteften Prediger war damals Dlivier Mailarb 
(geft. 1502), ein Kapuziner, von weldhem zwei Bände Predig- 
ten nach feinem Tode 1511 und 1513 erfchienen, ungerechnet 
einzelne die er druden ließ. In einer der Leptern, aus dem 
Jahre 1500, ift genau mit einem Hm!» Hm! am Rande ange: 
geben, wo er feinem Pertrage durch Huften den rechten decla⸗ 
matorifhen Reiz verlieh. Spottend fagte in jener Zeit ein 
Abt Boisrobert: „Ein guter Kanzelredner muß zur rechten 
Zeit zu buften, zu niefen und auszufpuden verfteben: dadurch 


‚zieht er ih aus mancher Berlegenbeit.” Und diefe Bemerkung 
1 gilt noch heute von einer großen Menge. 


Der berühmte Gründer des foangöfifchen Erauerfpieks, Pe⸗ 
tee Gorneille,. der feine griechiſchen, römifchen und fpanifchen 
Helden fo trefflich fprechen ließ, daB mande ihrer Warte noch 
heute in Aller Munde leben, war im limgange und im Aus⸗ 
drucke fo alltäglich und nachläffig, daß men ihn kaum er 
Ionnte. „Den Mann muß man nur auf ber Bühne hören!“ 
rief eine Pringefin, als er, ihrem WBunfdge gemäß, ihr vorge 
ftellt worden war und fih fo hoͤlzern benommen hatte. Die 
KRatur hatte einem großen Dichter und zu gewöhnlichen Um⸗ 
gangsmenfchen In Einer Perfon vereinigt, was ihr mehr als 
ein Mal begegnet ik. Man erinnere fih an die Urt, wie F. 
v. Schiller ın Manheim feinen ,, Fieseco“ dem Aheaterausſchuß 
fo ſchauderhaft vorlad, daB nur Sffland den dichteriſchen 
Bühnenwerth davon durchſchaute. Nichts fol, wie der alte 
Bühnenveteran Ghrift erzählte, ſchrecklicher geweſen fem, 
ale wann Ramler den Schaufpielern in Berlin dur Ton 
und Geberde zeigen wollte, wie fie biefe oder jene Stelle in 
Berfen vorgutragen hätten. Wie Schiller damals nur in feis 
nem ſchwaͤbiſchen Dialedte zu Manheim vorlad, fo blieb auch 
Peter Sorneille immer dem gewöhnlichen Jargon getreu, den 
er id in der Jugend gu eigen gemacht hatte. 


In ältern Zeiten gab man wirffamen Arzeneien recht from» 

me, fowie vom 17. Jahrhundert an recht gelehete Ramen. Im 
16, Jahrhundert 3. B. hatte man in den Apotheken eine Ma- 
nus Christi, ein Apostolicon, eine Gratia Dei, ein £arirtränf 
den: Antidotum paulinum, das man noch jetzt recht vielen 
ftarfgläubigen Iheologen eingeben mölhte, und ein Lignum 
sanctum, welches jegt unter dem Namen Guajar: Holz befannt 
ift, Damass aber als ein Specifieum gegen alle Krankheiten der 
aut und des Bluts galt, für weihet den Königen Spaniens, 
wie ein Arzt, Joh. Langius (get. 1565 in Heidelberg) in je 


ie , Dont €, als all 
Bun Beit Take, mehr gebühre für alle neuentbediten 


Daß Bücherdedicationen den Berfaflern oft Orden, Mes 
daillen und gnädige Handſchreiben verfchaffen, ift bekannt und 
wird nad Möglichkeit in den Zeitungen verbreitet ; allein 
ebenfo häufig fallt auch die darauf gefegte Hoffnung in den 
Brunnen. Der berühmte Theodor Sara bekam für Seine Bes 
arbeitung des Wriftoteles ‚Über die Ratur der Thiere“ vom 
Papfte Sirtus V., dem er ſie gewidmet hatte, kaum den Ein- 
band vergütet; und der noch berühmtere Zuflo, fowie Arioſto, 
batte Beinen glänzendern Erfolg. Legterer fand beim Cardinal 
d’Efte gar nur Spott und Hohn, ftatt Dank und Lohn. Als 
der Dichter Bracciolini bem Papft Urban VII. fein großes Ge: 


Dicht überreichte, das er zu Ehren der Barberini berausge: 


eben hatte, legte er ihm zum Dan? fpättifch den Beinamen 

onsignor de apibus bei, als Anfpielung auf das Wappen 
der Barberini, und Dies war die ganze Belohnung. Derglei- 
hen Geſchick hat mandyer Schriftfteller erfahren, und Scarron: 
widmete daher feine Lieder Lieber feinem Schoothuͤndchen. 


Unter allen Gelehrten, welche eine fogenannte Brotwiſſen⸗ 
chaft treiben, werden, die Ärzte diefer am eheften untreu. Zus 
us Scaliger fpielte den Kritiker und Dichter; der Arzt Vignier 

— mehre dicke Bände über Geſchichte; Ayerrhoes uͤber⸗ 
este den Ariſtoteles ins Arabiſche; wir haben Ürzte, die fi 
durch ihre theologifchen und mathematifhen Schriften ausge: 
zeichnet haben, oder als Sternkundige, wie Olbers in Bremen, 
einen allgemein berühmten Namen erwarben. Kopernicus war, 
gleich ihm, ein Arzt; ebenfo der berücdhtigte Roftradamus und 
der geachtete Cardanus, welche fi namentlich mit der Aftro- 
nomie befchäftigten. Wolfgang Lazius, ein wiener Arzt (geft. 
1555), ſchrieb eine römifche Gefchichte, und der Leibarzt der 
Katharine von Medici, Philipp Laurian, einen Commentar 
über den Tacitus. Paul Zovius iſt als Gefchichtfchreiber ſei⸗ 
ner Zeit viel mehr befannt denn als Arzt. In folher Weile 
Tönnten wir fo Viele noch nennen, die ald Kalendermacdher, als 
Kirchenfchriftfteller, als StaatSmänner, als kirchliche Polemiker, 
als Alterthumskenner, als Aſthetiker (3. B. Heinroth), als 
Theaterdichter (Eonteffa), als Muͤnzkundige, als Architekten 
und in andern Zweigen des Willens ercellirten ; denn es gibt 
Feine Richtung, die nit ein Arzt entweder neben feinem 
Hauptfache oder mit gänzlicher Aufgebung deſſelben gepflegt 
hatte. Das Befte, was mandyer Arzt gefchrieben hat, bezieht 
fih oft am wenigften auf fein Fady, wie fon dies Heine Na⸗ 
mensverzeichniß zeigt, das fo ımendlich hätte ausgedehnt wer⸗ 
den können. Warum gerade die Arzte häufiger auf ſolche Ne⸗ 
benwege gerathben? Ihre Wiſſenſchaft greift an fich mehr ins 
Leben ein, fie ift mit manchen andern Wiſſenſchaften in näherm 
Aufammenhange, und fo gedeiht oft ein ſolcher Rebenzweig des 
Willens auf Koften des Hauptftammes, der zuleht ganz ver⸗ 
nadhläffigt wird. 


Wie im Laufe der Zeit ſich die Bedeutung eines Wortes 
ändern kann, zeigen unter Anderm bie fo verrufenen Sporteln. 
Bir haben bierin-das lateiniſche sportula, ein Körbchen, von 
sporta abgeleitet, mas ebenfalld einen Korb bedeutet. Die 
vornehmen Römer pflegten namlich ihre fogenannten Glienten 
oder Anhänger entweder täglih an ihrem Zifche felbft — ab» 
zufüttern oder ihnen ein Stück Geld zu zahlen, womit fie eine 
Mahlzeit beftreiten Sonnten, oder aber ihnen das Brot und 
Fleiſch felbft zu geben, und Lesteres hieß sportula mit einem 
Worte, weil der Empfänger mit einem Körbchen fam. In 
folhem Sinne kommt das sportula beim Plautus ſchon und 
fpäter beim Martial vor. Lepterer hat: 

Promissa est nohis spertula, rocta data est. 
„Man verfprad uns eine Portion und gab uns eine ordent⸗ 
liche Mahlzeit”; wenn naͤmlich Iemand feine Glienten felbft 





bewirthete, fo hieß dies eine veena roota. Ver deut nun bei 
unfern Berichtöfporteln und bei fo vielen andern Gporteln 
noch an jenes Koͤrbchen, an die sportulam? Sedocdh ſchon in 
den fpätern Seiten Roms nahm dad Wort eine andere und 
näher liegende Bedeutung 'an: Plinius der Jüngere bezeichnet 
überhaupt ein Geſchenk damit. In foldher Urt mag ed dann 
in die Gerichtsſtuben gedrungen fein: die Subalternen follter 
indirect gewonnen werden; bis fie auf diefe zufälligen Geſchenke 
leichſam angewieſen wurden, welche letztere endlich deshalb 
FeRbeitimmst werden mußten. In manchen Stellen machen fie 
aber immer noch die Haupteinnabmen. Was wäre mander 


Küfter ohne ſolche Sporteln? 


Eine recht gute Unleitung, Geſchichte zu ſchreiben, findet 
fih, wo fie wol nicht Leicht ein Geſchichtſchreiber fuchen durfte: 
im zweiten Bude der Maccabäer im zweiten Eapitel. De 
unbetannte Verf. deſſelben ftellt bier ndfäge auf, melde 
noch alle Tage Werth haben. Er nennt feine Quelle: fünf 
Bücher eines gewiflen Iafon, aus denen er einen Auszug zu 
geben verſpricht (B. 24), weil von feinem Vorgänger „Al 
ineinander geworfen fei, daß man ed nur mit Mühe faflen 
Tonne” (B. 25). Bugleich verſpricht er (B. 26), fo zu erzäh- 
len, „baß man es gerne lefe, daß es Jedermann nüglid ſei“, 
geftebt aber auch, wie ihm Dies gerade „Sorge und e ge 
nug, Arbeit und Fleiß verurfadht habe’ (W.27). Und fo theilt 
er noch manche praktiſche Winke mit, indem er recht naiv 
chließt, damit „feine Vorrede nicht größer werde als die Ge: 
chichte felbft”. In gleich befcheidenee und hübfcher Weile 
endigt er auch feinen Auszug; Meifterftüde aber find feine 
Schilderungen von mehren Zempelfcenen, von der Hinrichtung 
einer jüdifhen Familie, der Gelbitentleibung des Razis und 
der Rache, die den Nikanor ereilte. 





Die Italiener nannten fonft die Vorrede zu einem Bude: 
La salsa del libro, die Sauce zum Bude, und gar niQ 
mit Unrecht: eine Worrede reizt zum Lefen des Buches, wit 
eine gute Sauce den Appetit zu einem Gerichte rege mad. 
Daß ex ungue leonem paßt auch hier. Nicht zu gedenfen, 
daß fie wie ein verjüngter Mafftab gleich angibt, Bas und 
wie Vielerlei und innerhalb welcher Schranken es im Bude 
erwartet werben fol und darf, läßt fie auch auf den Sc 
fließen, in welchem ber Schriftfteller feinen Gegenftand e 
handeln wird. Wer mehr fade und langweilig, Frieden? u 
anmafßend auftritt, wird auch fpäterhin fade und lan —J ig 
u. f. w. ſchreiben. Die Kunſi, einzuleiten, ben Leſer für der 
Gedanken zu gewinnen und für die Form, in mwelder ber nr 
danke audgefprochen werden foll, ift das Schwierigſte, und EM 
Vorrede ift der Schlüffel zur Einleitung. " 


— — — — — — — 
Literariſche Anzeige. 
Soeben erſchien und iſt in allen Buchhandlungen zu erhalten: 


Eentz (C. G. H.), Geſchichte der evan 

geliſchen Kirche ſeit der Reformation. Ci 

Familienbuch zur Belebung des evangeliſchen Gei⸗ 

ſtes. In zwei Baͤnden.Viertes Heft. Gr. 
Jedes Heft 9 Nor. 


De Band ift mit dem dritten Ioffen und koſtet 
2] ae der weite Band Wird a 3 Heften ber 
flehen, und den Preis des erften nicht überſchreiten. 


Reipgig, im Zuli 1846, 4. . Sroqhaus 


VBerantwortlicher Herandgeber: Heiurich Brockpaus. — Drutk und Verlag von F. At. Brockhaus in Leipiis- 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 














Über Louis Blanes 
„Histoire de dix ans. 1830 — 40." 


( Jortfegung aus Nr. 2.) 


In Betreff der auswärtigen Berhäteniffe, ober ber 
Buiehungen Frankreichs zum Auslande, fcheinen bei dem 
Berf, zwei Überzeugungen vorzuherrfchen: 1) daß bie fran- 
zöfiihen Iwaſionen ben Völkern Freiheit und Chiliſation 
gebracht haben; 2) daß der Sieg, den bas demokratiſche 
Princip, in Zolge der Vertreibung der ſchwachen parifer 
Veſatung aus ber Hauptſtadt und des Künigs nebit feiner 
denilie aus Frankreich, davongetragen hatte, ganz Eu- 
os fo in Furcht und Schrecken gefest, fo paralyfirt, 
ſe kleinmüthig und versagt gemacht habe, daß Kranf« 
reich keinen Widerſtand gefunden hätte, wenn «6 dicta- 
toriſch aufgetreten und ans Werk gegangen wäre, Gu⸗ 
topa new zu geſtalten. Er glaubt, nur Napoleon's Herr⸗ 
ſcherſprache, nicht Napoleon felbft und die Zeit in ber 
er herrichte, Habe dazu gefehlt. Hinter der Beforgnif 
und Shen der europäifhen Mächte, ohne unabmenbbare 

Rethwendigkeit die Flammen eines, den Wohlſtand der 
Böller verheerenden allgemeinen europaͤiſchen Kriegs zus 
entzimden, wittert ber Verf. bloße Furcht vor den 
Sranzofen. 

Hätte 2, Blanc feine Landsleute, — die franzoͤſiſchen 
und ihren nerberblichen Anhang von Intendanten, 
Kriegerommiffatren, Beamten aller Art und politifchen 
Epionen, auf ihren Zügen im Auslande, in Deutfchland, 
Polen, Rußland, Spanien, Portugal u. f. w. begleitet; 
hätte er das Plündern der Soldaten geſehen, die, wo fie 
Nichts fanden, Häufig Städte und Dörfer anzündeten; 
hätte er die foftematifchen Erpreffungen und bie Unterfchleife 
der Armeebeamten, die durch ihre Brutalität und buch 
böhnende Verlegung des Nationalgefühls empörende Be- 
handlung, welche den Einwohnern der befegten Länder wi- 
derfuhr, endlich die Corruption, welche bei Tängerm Auf- 
enthalte der Franzoſen in vielen Beziehungen überhanb 
nahm, unpartelifdy beobachtet: fo würde in ihm, bei allem 
Enthuſiasmus für bie erhabenen Cigenfchaften und Bor- 
güge der franzöfifchen Nation, der Glaube an die Wohl: 
daten, welche fie freunden Völkern gefpendet, nicht haben 
oder Gunft finden, nod viel weniger von ihm 

m die Welt auspofaunt werden können. 


| 





Mehr oder minder if bie Freiheit und Civiliſation, weiche 
bie Franzoſen andern Nationen gewaltſam angedeihen laffen, 
durch ihre Razzias in Wigerien dargeftellt und bezeichnet. 

Welchen Werth, welche Wahrheit die betreffenden 
Floskeln haben, zeigen zunächft Deutihland und Polen. 
Von Deutfchland wurden mehrmals, mitten im Frieden, 
durch bloße Decrete, Theile abgeriffen und Frankreich 
einverleibt. Stand diefes Verfahren nicht auf einer Li⸗ 
nie mit der Deignahme polnischer Provinzen von, Sei⸗ 
ten Rußlands, Oftreihs und Preußens? worüber. jept 
bee philanthropiſche, die Rechte anderer Voͤlker zart 
umd gewiffenhaft achtende Sinn ber Franyofen — bie 
den polnifhen Staat vwieberherftelfen möchten, damit 
er ihnen zur Wiederoberung der Rheinprovinzen u. f. w. 
Beiftand leifte — fo viek Gefchrei machen. Die Befig- 
nahme Polens ward aber durch die heilfofen, anardhi- 
fhen Zuftände dieſes Landes und durch die Uneinigkeit 
und die Intriguen des polniſchen Adels, deſſen Factio- 
nen fih an fremde Maͤchte um Beiſtand mwendeten, ver- 
anlaßt; während der Befignahme beutfcher Provinzen durch 
die Franzoſen, in den 3. 1810 und 1811, weder durch bie 
innern Zuftände diefer Länder noch Durch Die Wünfche irgend 
einer Claſſe ihrer Bewohner, die mitten im Frieden ihrer 
Nationalität beraubt wurden, motiviert werben konnte. 

Wenn die Franzofen fi rühmen, baß die von Kram 
zofen in‘ Beſitz genommenen beutfchen Provinzen, na= 
mentlih die des linken Rheinufers, zeitgemäße Gefege 
und Einrichtungen erhalten hätten — mogegen fie, außer 
ber. Nationalität, manch theures Gut, viele fchägbare, 
volksthuͤmliche Einrichtungen und Werhältniffe einbüß- 
ten —, fo ift der Vortheil, der dem franzöfifch gewor⸗ 
denen Deutfchland zu Theil ward, nicht in Vergleich zu 
bringen ‚mit den verbefferten Zuftänden, die den mit 
deutfchen Staaten vereinigten polnifchen Provinzen zu Theil 
eworden find, in denen an die Stelle grenzenlofer Anar⸗ 
hie, Sefeglichkeit, Rehtsfhug und Mittel der Bildung 
und des materiellen Wohlftandes getreten find. | 

Über die bloßen Invafionen, d. 5. die fruchtloſen 
Groberungsverfucche, der Sranzofen, fagt 2. Blanc: 
Da, wo die Gngländer fi aufbringen (s’imposent), ſaͤen 


a den — Fr un —F N ‚ Ir —I 
uhme ickt, eſtzuſetzen, e der Ri: a 
t was 8 überfhwemmt und. gebt vorüber. ru 


Das beſte Refultat einer ſolchen Überfchwemmung 
und Befruchtung Deutfchlande, ſowie Portugals, Spa⸗ 
niens u. f. w., ift da6 durch den Drud und bie Unbil- 
den der Franzoſen in ben Bewohnern diefer Länder ge- 
wedte und erregte Nationalgefühl gemefen, das die Ver⸗ 


treibung der Eindringlinge bewirkte, Selbſt da, wo ein. 


längere Zeit ruhig beſtehendes Protectorat flattfand — 
in ben Ländern des Rheinbundes —, gefhah von Seiten 
der Franzoſen Nichts für, aber Biel gegen jede Art 
von Freiheit und Selbſtaͤndigkeit. Das franzöfifche Pro⸗ 
tectorat beftand darin, ſtlaviſche Abhängigkeit von Frank⸗ 
reich und Truppen für unbeutfche Zwecke zu verlangen. 
Dadurch, baf die Rheinbundftaaten die deutſche Reichs⸗ 
verfaffung verloren, büften bie Unterthanen den Rechts- 
ſchutz ein, den ihnen biefe gewährt hatte. Selbſt feit 
Jahrhunderten beftandene Sandftändifche Verfaffungen und 
Rechte wurden in einzelnen beutfchen Staaten unter 
deut, nachdem die Fürſten duch die Zrennung vom 
deutſchen Reichsverbande fouverain geworben waren und 
diefe Stellung Seiten Franfreihe — das bie Erfüllung 
feiner Foderungen von den Fürften verlangte — unter 
fügt warb. . 
Am fchlagendfien zeigt Polen, welches Frankreich 
fo viele Opfer gebracht hat und mit wahrhaft kindlichem 
Vertrauen fein Heil von Frankreich erwartete, was für 
Wohlthaten fremden Nationen von Frankreich — dem ret- 
tenden Genius unterbrücdter Völker — zu Theil werben. 
Frankreich, das fi der Theilung Polens nicht wi⸗ 
derfegt, das bis 1806 feine Siege und Friedensbedingun- 
gen nicht benugt hatte, um die Stimme für Polen zu 
erheben, rief die Polen, als es ihres Beiſtandes im 
Kriege gegen Preußen und Rußland bedurfte, auf, die 
Fremdherrſchaft abzuwerfen, und verfprach ihnen die Wie- 
derherftellung ihres Staats. Diefe befchränkte; fih im 
Frieden von Tilſit darauf, daß ein heil des preußi⸗ 
en Polens als Herzogthum Warfhau einem deutſchen 
Burften des Rheinbundes, der übrige Theil an Ruß⸗ 
land (1) übergeben ward. Bon 1807 — 12 mußte das 
Herzogthum Warfhau feine Truppen gegen ODſtreich, 
d. h. zur Unterdrüdung der beutfchen Freiheit, fechten 
laffen; mußte zur Unterdrüdung ber Freiheit und Selbftän- 
digkeit der‘ Spanier und Portugiefen nad) der porendi- 
fen Halbinfel fenden; mußte durch Eoftfpielige Feſtungs⸗ 
bauten und Kriegsrüftungen, durch Verpflegung frember 
Truppen u. f. w. feine Finanzen erfchöpfen und dabei 
feine einzige Hülfsquelle — die Ausfuhr von Getreide — 
duch die Gontinentalfperre ſich verflopfen laſſen, waͤh⸗ 
zenb für die Befreiung des Volkes, der Bauern, vom 
Drude ber Adelsherrfchaft Nichts geſchah. Willig und 
freudig ertrugen die Polen, d. H. der Adel — denn von 
dieſem ift immer nur bie Rede, wann Polens Intereffen 
verhandelt werden —, alle Opfer, welche fie brin- 
gen mußten, hoffend: Frankreich werde die erſte fich dar- 
bietende Gelegenheit, den naͤchſten Krieg, benugen, um 
ihr altes Reich wiederherzuftellen. Die Gelegenheit, 
der Krieg, blieb nicht aus: wie ſchmerzlich wurden aber 


bie Doffnungen ber Polen getäufht! Plündernd und. 


verheerenb *), Pferde, Schlachtvieh und Getreidevorraͤthe 
fortführend, durchzogen die franzöfifchen Heere bie polni- 
[hen Provinzen, deren Bewohner, von Napoleon aufge 
dert, für ihre Freiheit und Gelbftändigkeit mit ben 
anzofen zu fechten, diefem Rufe freudig folgten; ob» 


‚gleich der Kriegsplan Napoleon’s deutlich zeigte, daͤß er 


felbft ‚die unvollftändige Wiederherftellung Polens nur 
als eine von Umftänden abhängende Nebenfache betrach⸗ 
tete, der er feine weitern Pläne nicht opfern wollte. 
Deshalb unterließ er, um durch das polnifche Intereffe 
nicht gebunden zu fein, trog der dringenden Bitten und 
BVorftelungen ber Polen, die Herftellung Polens zu 
proclamiren und Maßregeln dafür anzuorbnen. 

Welche Verdienſte ſich feitdem die Franzoſen durch ihre 
Propaganda und ihre Kammerphrafen um die Polen er⸗ 
worben haben, ift durch die Gefchichte der polnifchen Re 
volutionen von 1831 und 1846 bekannt. 

Wenden wir uns nun zu einigen fih auf Deutfd- 
land beziehenden und die Aufmerkſamkeit der Deutjhen 
befonders verdienenden Stellen des vorliegenden Werkes! 
Im Eingange deffelben, wo die Gefchichte der Reſtau⸗ 
tationszeit (von 1814 — 30) gedrängt bargeftellt ifl, 
wird, ohne Misbilligung des Plans, einer franzoͤſiſch⸗ 
ruffifchen Allianz Erwähnung gethan, die, nad dem 
Berf., zur Folge hätte haben follen: dag Frankreich bie 
Rheinprovinzgen (worunter auch Belgien verftanden wirt) 
zurüdigenommen hätte, durch Hanover zum Theil Her 
land, zum Theil Preußen entfchädigt worden wäre, ber 
fen Befigthum man übrigens durch einen Theil von Sad 
fen abgerundet hätte. Der König von Sachſen waͤre 
duch einen Theil von Polen zu entfchäbigen geweſen. 

Man ficht bieraus,: daß die polnifche Nationalität, 


troh aller philanthropiſchen Neben der Franzoſen, der 


ihnen gleich der deutichen geachtet wird. Beide Linder 
bleiben fortwährend beftimmt, ber franzöftfchen Politit 
Aushuͤlfe darzubieten: BR 
Wer Eönnte vergeffen haben, daß vor 1814 Frankreich Dt 
erfte Ration der Welt war, Laß der Rhein auf ihrem Gebiete 
anfing und endete, daß Deutſchland durch ſie und fuͤr 
fie zugeftugt (fagonnse) worden war?! cu M.) de 
Preußen ſah (als Frankreich nach 1830 nit Ki. 
onnen hatte) die Rheinprovinzen, wo der Rame Beanksci 
ein Echo mehr erweckte, wieder unter die Macht ſeiner 
fege friedlich zurückkehren. 
(Der Beſchluß folgt. ) 


Romanliteratur. q 

1. Der Dichter und die Welt. Roman aus dem Polnifhen be ie 

Kraszewski, deutih von W. Eonftant. BE ag 

Leipzig, Gebhardt und Reisland. 1846. 8. 1 AHlr. * 

Ein Menſch, welcher nicht weiß was er will und —2* 
ſoll, iſt eine traurige Erſcheinung im Leben. Das iſt der 


*) Die frauzöſiſche Armee bezeichnete 1812 ihren Bes —* 
zur Emancipation (IJaſurrection) aufgefoderten polniſchen pr urden 
Rußlands mit den Ärgfien Werheerungen. Unter aber € Par? 
in Lithauen, zwiſchen dem Ntemen und der Wille, zehn ! re⸗ 
heſtattete Sqhio ſſer bed, der Infarrection bereits beise treden ua, 
fen Dpinsti außgepläntert, aus bloßer Berfiörungstwatd 
und unbewohnbar gemacht. 


us 


tr, den der vorfiegetde Roman ſchlldert; ja den Roman felbft 
trifft dieſer e Vorwurf. Die Borrede vertheidigt ihn, 
indem fie jih verwahrt ver der Unflage, das Individuum als 
einen Typus der ganzen Dichterwelt dargeftellt zu haben. In 
dem fehr langen Epilog aber, wo alle möglichen verungluͤckten 
Dichterſchickſale geſchildert find, finden wir den frommen Wunſch: 
„Gott"möge euß vor allem Übel und einer poetifchen Seele be: 
hüten! Mütter follen über der Wiege ihrer Kinder beten: 
aperr, mache ihn zu was du willſt, nur nicht zum Moeten!v 
denn ed ift beffer, elend, dumm, ſtumm, taub, blind als ein 
Port zu fein ; beffer iſt es, buckelig, ſchielend, Burzfichtig, krumm⸗ 
beinig ald ein Poet gu fein. Ein Poet ift auf dieſer Welt eine 
aus Afrika auf den Rorbpol verfegte Pflanze. Sie erhebt fi 


und erftarrt unter dem eifigen Hauche der Welt, unter der kal⸗ 


ten Hand der Eskimos, welche fie zwar verchren, aber nicht 
erwärmen, nicht begreifen Pönnen. Vergebens fucht fie ihr 
Haupt ihrer Sonne, ihrem Himmel zuzuwenden: nur Eis, 
Echneefloden, Bären und Seekaͤlber umringen, beriechen, ver⸗ 
fühen, verfoften fie, bis fie diefelbe vernichtet baten. Der 
Dieter ift ein Geſpenſt auf der Welt, aber nicht für diefe 
Belt; er ſteht auf zu Leiden und Martern, zerftäubt die Leute 
duch fein Erſcheinen, fpridt zu Tauben, bettelt um Mitleid 
mit fremder Zunges und was kommt ihm von dem feierlichen 
Requiem und den Kränzen nad feinem Zode, da fie eine Palte 
Hand als ein unfreimilliges Almofen fpendet? Friede mit ihren 
Seelen im Grabe, denn man hat fie auf diefer Welt nicht erkannt!" 

Der Poet felbft, der Held des Romans, ift eine arme 
Baife, welche bei Verwandten erzogen wirb; er liebt feine 
Eoufine, wird aber aus dem Haufe verwiefen, weil man 


ihn eines Verhaͤltniſſes mit der Kammerjungfer anklagt, wäh: 


rend fein Vetter Branı der Berführer derfelben iſt. Die große 
Brage: womit er fein Brot verdienen ſoll ẽ drängt fi) ihm auf 
er wil einen Beruf wählen, und die verfchiedenen Zweige der 
Bifenfdaft und des männlichen Wirkens werden ihm durch 
deren Bertreter verleidet und heruntergefegt. Er wire Haus—⸗ 
Ihrer. Als er wieder feine Berwandten befucht, findet er die 
unfteundlichſte Aufnahme. Marie gibt ihm Ring und Wort 
zuru@ und höhnt den von Schmerz Bequalten. Gr hat eine 
alte taube Frau einft vom Überfahren gerettets biefe läßt ihn 
!ommen (fe ift eine Gräfin und plöglich reich geworden), adop- 
tret ihn und ſtirbt. Der Befuch des reichen Dichters im Haufe 
der Berwandten iſt ganz verfchiedener Urt von dem erften; 
Marie br ſich ihm wieder, aber er verfchmäht fie. Nach 
einem Jahre wirt er zu ihrer Hochzeit eingeladen. Plöglich 
erwacht in ihm der Schmerz, fie auf immer zu verlieren; er 
fiebt daß fie trauert; bei einem zufälligen Zufammentreffen 
Fommt eb zur Erklärung, und“ er entführt die Braut eines 
Aadern am Borabende der Hochzeit. Der verlaffene Bräuti- 
gam erſchießt fi, der Vater fludht der Tochter und enterbt 
fie- Rod einem Jahre fühlt der Dichter ſich nicht mehr glück⸗ 
lich in feiner Ehe, weil Marie ihn nicht verſteht, fein Intereſſe 
für Bücher nicht tHeilt. In der Stadt findet er ein Mädchen, 
die mit ihm über Shakſpeare ſchwaͤrmt; er verliebt ſich in 
diefe und fhreibt ihr. Marie enideckt die Neigung ihres Man⸗ 
nes und verläßt ihn. Zu Fuß kommt fie zu den Ultern zurüd, 
der Bater ftößt fie aus dem Haufe, die Mutter geht mit ihr 
ins Kloſter. Guſtav wird gefchieden und heirathet die Bücher: 
freundin; mit Ziefer ift er oft verfchiedener Meinungs Beide 
baben verfchiedenen Geſchmack für Bücher und Leben; er liebt 
Einfamkeit, fie Geſellſchaft. Endlich nach manchen Reibungen 
geht die Frau auf Reifen und er bleibt allein. Zuletzt ergibt 
nd Guftan dem Trunke; er, der fonft die Geſellſchaft mied, 
verfammelt jegt Zechbrüder um fi) und trinkt und trinkt, bie 
a Kann man fih wol ein unwürbigeres Leben denken? 
Bub Jemand ein Dichter fein, um folhem Schickſal zu ver 
film? Und alle Rebenfiguren des Romans find ebenfo unmahr, 
fo wmmotivirt Dargeftellt wie der Dichter felbft. Marie, welche 
As einfaches Tiebendes Mädchen in ihrer erften Jugend er 
Weint, ais Liebende einfache Hausfrau und Gattin, wird in 


"der Zwiſchenzeit eine Balte Coquette und, indem fle am Tage 


vor der Hochzeit flieht, ſowol der einen als ber andern Cha⸗ 
vafterrolle untreu. Ref. will indeß nicht allein den Erzaͤhlungs⸗ 
faden beurtheilen: er möchte tolerant fein, denn Toleranz ift 
Pflicht. In einem Romane wie der vorliegende ift auch nicht 
ſowol die Geſchichte dab Wefentlihe: die Ausführung ift es, 
und darin ift die Senialität des Verf. nicht zu verfennen. Er 
harakterifirt Zuftände der Menſchen, und es fehlt ihm dabei 
nicht an poctifhen Gleichniſſen, an wigigen Einfällen, humo⸗ 
riftifhen Beleudytungen und baroden Zufammenftelungen; aber 
auch bier fritt uns oft der Mangel an Wahrheit grell und uns 
angenehm entgegen. Wir führen nur ofgende Stellen an: 

„Weiſe! was habt ihr aus dem Weibe, dieſer berrlichen 
Blume unferer armen Erde gemaht? Eine Mafıhine, welche 
aus Nothwendigkeit liebt; gleich wie die Wolke, warn fie ſchon 
zu viel Ihranen aufgefogen bat, weint; die wie eine Boa liebt, 
welde, wann fie hungrig ift, ihre Beute umſchlingt. Was 
macht ihr aus ihren fchönften Gefühlen der Scham und her 
Unſchuld? ein enge Kleid der unbeweglichen Kindheit; aus 
ihren fo toftbaren Zhränen? einen falzig bittern Fluß; aus ih» 
ren Lächeln? eine Beivegung der Mundwinkel; aus ihrer Liebe ? 
thierifche Triebez aus ihrer Umarmung? einen Rauſch; aus 
ihren Küffen? das Zufammenfloßen zweier entzündtichen Stoffe; 
und aus ber Poftlichfteri Luft? eine gemeine morale Function!““ 

„Diefe Manier, Alles zu glauben und zu erkennen, bat 
Alles auf der Welt verdorben. Seitdem ihre Herrſchaft begann 
und man dem Menfhen vorfchreibt, in welchem Sabre ihm 
die Vernunft kommen fol, in welchem ex ſie wieder ‚verlieren 
wird, in welchem er glücklich, beneifterungsvoll und dann wies 
der für Alles gleichgültig fein fol: feit diefer Zeit ift ber 
Menſch ein Falter Kloz geworden, der fi) auf vorgezeihneten 
Bahnen fortrollt; feit der Zeit ward er zu einer Mafchine, die 
von der Theorie ver Holzkoͤpfe gelenkt wird. Seit diefer Zeit bat 
der Menfch feinen Willen, den er Regeln unterwarf, verloren.‘ 

Unlogiſch find folche ganz auflinwahres bafirte Reflerionen 
aneinandergereibt, oft am ganz unrechten Drte eingejchoben; 
der Autor will Etwas beweifen und beweift Nichte. Er erbaut 
fein Gebäut: auf unwahrem Fundament. Wie kommt nur diefe 
Meflerion oder jene Schilderung bierber ? fragt fich der Kefer. 
Er verzeiht, weil Reflerion und Schilderung oft recht genial 
find, aber er begreift fie niht. Er wird den Roman nicht 
obne Interefie lefen, ja fich oft dabei unterhalten; aber den Eins 
druck eined Kunftwerkes, die Empfindung eines Kunftgenufies 
wird er nicht dabei haben. Der Stil ift fehr gewöhnlich und 
nicht mit Sorgfamkeit bearbeitet; die eingefchobenen Gedichte 
find unbedeutend. 


2. Was Euch beliebt. Erzählungen von Ludwig Stord. 
Swei heile. Leipzig, Zrigihe. 1846. 8. 2 Chr. 15 Nor. 
Die reiche Abwechſelung, welche der Zitel verfündet, wird 
durch den Inhalt geboten. Der Lefer wird in die verſchiedenſten 
Kreife, in die verfchiedenften Gemüthöbewegungen verlegt; es 
fpricht fih ein großes Talent der Erfindung aus; Begebenhei⸗ 
ten werden an Begebenheiten gereibt; eine ſpannende Verwicke⸗ 
lung bat fich der einzelnen Novellen bemäcdhtigt, und erft das 
Ende Löft befriedigend ben fa Fühn gefchürzten Knoten. Auf 
die Ausmalung der verfchiedenen Charaktere ift weniger Sorg⸗ 
falt verwendet; der Pſycholog findet feine Studien nicht dadurch 
gefördert. Die Menfchen, welche aufgeführt werden, find En» 
gel oder Zeufel; das Gute oder Böfe verfchwimmt nicht inein« 
ander, wie man es neuerdings gewohnt ift; man fühlt auf je 
der Seite, Daß die Geſchichte die Hauptſache ift, daß der Leer 
unterhalten und nicht belehrt werden fol. Der Hintergrund 
der verfchiedenen Erzählungen ift meift trefflich geſchildert, for 
wol italienifhe und brafilifche Scenen in ber Rovelle „Ay 
nofura”, als deutfche in den übrigens ber Thuͤringerwald, „Dies 
fe& grüne Blatt am Bujen Deutſchlands“, wie er bezeichnet 
wird, ift mit großer Vorliebe behandelt. Manche der Novellen 
würzt ein anmuthiger Humor. 46. 





OR 


Britifhe Geſandtſchaft nah ben 


Zu den neueften englifchen Reifehefepreihungen gehört: „The 
Highlands of Aethiopia described, i 


during eighteen months’ 
residence of a British embassy at tlıe christian court of 


Shoa”, von Moior W. Cornwallis Harris (3 Bde., London 


1844). Im April 1841 verlieh eine engliſche Geſandtſchaft 
Bombay, um nach Shoa zu gehen. Das Schiff, auf welchem 
e fi) befand, wurde von Major Harris geführt und be» 
kigt. Die Gefandtfchaft Landete zuerft bei Aden, einer Stadt, 
die jeht England gehört und 20,000 Einwohner hat: Araber, 
Somaulis von Afrika, Hindus, Perfer, Neger, Rubier und 
Quden ſchwitzen und zanken fi miteinander in igren von Hi 
gläßenden Bazars. den liegt am füblichften Ende des arabi⸗ 
fen Feſtlandes, auf einer Beinen felfigen Halbinfel. Die Um: 
gegend iſt ohne Saat, Waffer oder Baum; eine ſchwarze bren- 
nende Wüſte von Lava und vulfanifhem Sand. Uber nur wer 
nige Jahre der Gicherheit werden aus Aden einen der größten 
ganbeie. und Riederlagspläge des Orients machen. Bon diefer 
adt fegelten die Reilenden nach Afrika und die Gefandtfchaft 
brachte zwei Tage im Hafen yon Zajura zu, wohin fie am 17. Mai 
tamen. Zajura liegt an einer ſehr tiefen Bai. Die ganze 
Küfte bifdet einige hundert Meilen in der Länge eine unfrucht⸗ 
bare Wüfte. Der Weg von Zajura nah Shoa geht 200 eng⸗ 
liſche Meilen quer durch die Wüfte. Kurz nachdem man die 
genannte Stadt verläßt, führt die Straße den Wanderer zu 
dem merkwürdigen See Bahr Affat, der erit felt wenigen Jah: 
ren europäifchen Reifenden bekannt geworden if. Er ift ſechs 
Bis fieben Meilen lang und füllt eine tiefe Höhlung in einer 
Außerft wilden Gegend von vulfanifcher Bildung; er iſt um: 
geben von Gebirgen an drei Seiten und an der vierten ge» 
trennt von dem innern Theil des tiefen Meerbufens von Ta⸗ 
jura. Bahr Affat liegt 450 Zuß tiefer als das benachbarte 
Meer, und das Waſſer deffelben ift in einem fehr boden Grade 
falzig, verfieht daher nicht allein dic Einwohner der Landſchaft 
Adaiel, fondern auch einen großen Theil von Abyffinien mit 
dem nöthigen Vorrath von Salz; eine unheimliche Gegend, 
wo eine erſtickende Hige und ein wiberlicher Geruch von Salz 
und Schwefel herrfcht und der brennende Sand der Wüfte wie 
Keuerfäulen von dem Wind in die Luft gefchleudert wird. In: 
nerhalb mehrer Meilen gab ed Beinen Zropfen frifchen Waſſers, 
und der in ledernen Beuteln auf dem Rüden der Kameele mit. 
gebrachte, für die Menfchen und Thiere unzulänglihe Vorrath 
wurde fiedend heiß und faft ungenießbar. Alles verihmachtete 
auf der Wanderung durch diefe gräßliche Wüfte. Am Ufer des 
Sees Bahr Aſſat ſchwamm das Fryftallifirte Salz wie unregel⸗ 
mäßig zerbrochene Eisſcheiben. 

Das Geſagte gibt uns eine ſchwache Darftellung von Dem, 
was die Miffion auf ihrer Reife zwifchen Dem genannten Sce und 
den abyuffinifchen Bebirgen durch die tropijche Wüſte auszuſtehen 
hatte. Überdies hatte Diefelbe in der niedrig liegenden Landſchaft 
Adaiel mit blutbürftigen und räuberifchen Völferftämmen zu kaͤm⸗ 
yfen. Bon dem Zweck diefer englifhen Gefandtfchaft nad) Shoa 
beobachtet der Verfafler ein tiefes diplomatiſches Stillſchweigen. 
Die Regenzeit hatte bereits begonnen, als dieſelbe am 10. Juli 
die Ufer des Hawaſch erreichte. Gr kann als Grenzfluß der Be 
figungen des Königs von Shoa betrachtet werden. Diefer bisjetzt 
wenig befannte Strom bringt die Gerwäfler der jüböftlichen Seite 
der abyffinifhen Gebirge nach dem indifchen Ocean zu, erreicht 
ihn aber nicht, fondern verliert fi in den Lagunen in ber 
Nähe von Auffa, einer Stadt des Moslem. Ienfeit des Dar 
waſch beginnt ein Gürtel ungefunden Landes, im Allgemeinen 
mit Begetation gut bedeckt, weiches die natürliche Grenze zwi⸗ 
ſchen den Gripkihen und Galla-Berwohnern der Gebirgögegenden 
und den wilden Moslem der unterhalb der Gebirge liegenden 
Wüle. Mümälig, als die Sefandtfchaft vorruͤckte, zeigten fich die 
blauen Berge Abyifiniens immer näher, in einer ununterbro- 
chenen Jerraſſe SOUO Fuß über die Meeresfläde oder 6000 Fuß 





birge en Ahle bie Ratur a einen ganz 55 
rakler an: eine volkreiche Geaend, bedeckt mit ben Wohnungen 


eines vergleihungsmeife gewerbthätigen chriſtlichen Bolkes, trat 
“an die Stelle der Wüfte umd des Waldes; die wilde Roſe, das 
Jarrnkraut, die Santana und das Geisblatt prangten rund um 
eine Reihe ſehr gut angebauter Terraſſen, als fie ich Aigibbi, dem 
erſten chriſtiichen Dorfe in Efat, näherten; der Weg wurde immer 
eiler, doch nahm bie Bobencultur mehr und mehr einen europäi⸗ 
chen Charakter an; fie arbeiteten ſich durch tiefgepflügte Felder 
von Bohnen, Erbſen und Getreide, und zuletzt fliegen fie hinauf 
durch einen ſchoͤnen Wald von —— men zu Anbober, der 
ptſtadt des Negus ober des Königs von Shoe, Sahela &e 
laſſie, welche 6230 Yuß über der Meeresflaͤche liegt. 
Abyffinien erhebt fig. wie eine ungeheure Feſtung ven 
ben glübend beißen Gbenen, von denen c# nad allen © 
ten bin umgeben zu fein ſcheint. In Norden grenzt es on Die 
WBüfte Sennaar, in Rordok an Mazaga, in Gübeft an bie 
Wüfte Adel; die weſtliche Grenze iſt noch wenig bekannt. Das 
Innere von Abyffinien bildet ein großes Plateau, welches hä 
von 6— 10,000 Fuß über die Meeresfläche erhebt; Lie auf 
demfelben befindlichen Bebirge find nicht von bedeutender Hoͤhe. 
Das Hochland ift die eigentliche Deima der Unıbhara » Ratıoa 
und der alten chriftlicden Kirche von Athiopien. Viele Theilt 
davon find von den heibnifchen Galla überzogen worden; dit 
haben jegt verſchiedene Diftricte des Landes im Befig, wo ft 
ungemifcht mit den Chriften leben. Aber die bad Land um 
gebenden Moslem find darin nicht eingedrungen, um Wohnpiae 
zu fuchen, fondern blos, um zu rauben und plündern. Die Im 
hara befchaftigen fi) vorzüglih mit Ackerbau, die Gala mil 
Viehzucht. Das Land Shoa hat jährlich zwei Ernten; 18 xr 
hiedene Arten von Getreide werden in einem Umkreis vor 
ünf Meilen um Ankober gebaut,- von denen 25 aus Weijen 
befteben. Die Weiden der Gala find reich an Klee und Aw 
folium. Die wilden Thiere find von den anyebauten Gegenden 
verjagt worden. Das Klima ift im Ganzen gefund und fpant: 
Präftig. Die englifche Miffion fcheint im erften Augenblid vor 
Sr. Majeftät dem Regus mit einer gewiffen Kälte und Bud 
haltung aufgenommen worden zu fein. Die Kaufleute vom 
nördlichen Abyſſinien, welche dem König Glas, Luch und 
Schießgewehre mit großem Vortheil verfaufen, organiſitten ein 
mächtige Oppofition gegen die fremden Schleihhändle, welche 
einen reichen Vorrath van europaiſchen und indiſchen Man 
fakturwaaren mitgebracht hatten. Die Kierifei drohte Tops 
ihrem Monarchen mit Ercommunication, wenn er bie to 
Keger in fein Reich aufnähme, die man forgfältig meiden müßt, 
weil fie Heperei übten und eine Hungerenoth über das far 
bringen koͤnnten. Aber die Vorurtheile gegen bie nder 
verſchwanden allmälig. Sowol der König wie feine Unterthauen 
ließen ſich verführen durch feidene und baummollene tZeuche, 
ſpielende Doſen, verpuffende Springkugeln, Piſtolen, 
buͤchſen, Artillerieubungen mit einer leichten Feldkanone, welde 
die Engländer von Indien mitgebracht hatten, und Congrere 
ſche Radeten. Die Feindſchaft der Priefter verfähnten die Englir. 
der durch Eluge Spendung einiger glänzenden Wltarbeden und ur 
derer Zierathen und Durch noch mehr überredende Gefchenkes auh 
die feine Welt von Ankober ließ ſich bald von ihnen angiehe 
und fie wurden aulegt des Königs Günfllinge und tägl & 
führten. So erreichte diefe Beſchenkung ihren Zwec. — 
übrigens aus Harris’ Reifebericht hervorgeht, iſt, daB diefe 
abpffinifchen Chriſten noch auf einer fehr niedrigen Gtufe Dt 
Eultur ftehen. Bulegt ſchloß die englifche Geſandtſchaft einn 
Handelätractat mit dem Könige von Sboa, in der feſten Hof 
nung auf den Anfang eines Berkehrs mit ben ligen Bet 
nen Königreichen des öfllichen Afrikas, wodurd England au 
in den Stand gefegt werden kann, dem Sklahenhandel ir de⸗ 
ſen Rändern entgegenzuarbeiten. 3l. 


Werantwortliher Derausgeber: Deiurich Weodyans. —  Brud und Brelsg um B. . Meediduns in Leiwis- 


Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Greitag, 





Über Louis Blanc 
„Histoire de dix ans. 1830 — 40. 
Beſchluß aus Nr. 211.) 


Bon der ruffifchen Allianz, welche dem franzöfifchen 
Sabinete angerathen wird, fagt der Verf. : 

Diefe würde den Beitritt Preußens berbeirufen, und in: 
dem man Preußen einen Ihell der von ſtreich abgeriffenen 
Stuͤcke (des depouilles) überliche, wären wir berechtigt, bie 
Mpeinlinie wieder in Anſpruch zu nehmen, wobei wir zugleich 
die Bewegung unterflügten, die Deutſchland zur Einheit freibt 
und dahin firebt, ihm Berlin zur Hauptfladt zu geben. Dies 
fer Plan würde unberechenbare Hülfdmittel für den Krieg 
liefern u. f. w. (V, 136. 

Unter diefen Hülfsmitteln find unflreitig die des deut 
Ken Lünder gemeint. Bemerkenswerth ift, daß bei dem 
Derlangen der Rheinproninzen immer nur Preußens 
gedacht wird, daß Baiern, Heffen - Darmftadt und der 
Deutſche Bund überhaupt gar nicht dabei in Betracht 
fommen. Dies zeigt aufs neue, daß der Deutfche Bund 

8 europäiihe Macht und die außer Oſtreich und Preu⸗ 
ven dazu gehörigen Staaten, vom Auslande politiſch 
nicht beachtet, als ein non ens betrachtet werben, weil 
der Bund nicht durch eigene Gefandte bei fremden 
Staaten tepräfentirt wird. Die Nebenvertretung duch 
oſtreichiſche und preußiſche Gefandte oder Bevollmaͤch 
figte wird, namentlich von den Kranzofen, um fo weni- 
ger beachtet, als diefe immer noch an das Beſtehen ber 
frühern Eiferfucht und Feindſchaft zwiſchen diefen beiden 
Sicaten glauben. Dies beweiſen folgende Stellen: 

 Dfeih wor (1830) nur mit den Gefahren befchäftigt, 
die feinee Dberherrfchaft (suprematie) durch den Ehrgeiz Preu: 
heas in Deutſchland droheten. (II, 12.) - 

Der Lauf der Greigniffe hatte (1830) zwiſchen Hſtreich 
und Preußen eine feindfelige Stellung und Verfchiedenheit bes 
Intereffes herbeigeführt. (II, 407.) 

Run! follte Frankreich fein übermaß von Leben (exu- 

'rance de vie) und feinen Beruf, Völker zu emanci« 
yiten und Freiheit und Givilifation durch in Algier ge- 
ſchulte Heere zu verbreiten, den Deutfchen zuwenden, fo 
wird es das frühere Deutfchland nicht wieder finden. 
Es wird ein durch Nationalgefühl verbundenes, einen 
ahtbaren Staat bildendes, zur Wertheidigung feiner 
Grenzen, feiner Selbſtaͤndigkeit, feiner Rechte und Ehre 


31. Zuli 1846. 





Feeihen anb 


maßung kraͤftig zurückweiſen wirde. 

Damit feine andere Regierungsform als die republi⸗ 
kaniſche gut und haltbar erfcheine, nimmt 2, Blanc häufig 
bei der Relation ber Kammerverhandlungen und ber 
Refuitate derſelben Gelegenheit, die Blöfen und Schat⸗ 
tenfeiten der conflitutionnellen Monarchie hervorzuheben. 
Er thut Dies mit Geift und Schärfe, fagt, daß fih in 
felbiger zwei eiferfüchtige, d. h. feindlihe Mächte gegen- 


über ftehen, die nur Kraft haben, um ſich gegemfeitig 


zu zerſtören; daß die Ausfüthrung großer Entwürfe da⸗ 
durch gehindert werde, daß bie, königliche Gewalt, bes 
ſchräänkt wie fie fei, ihre Epiftenz bis in Ginzelheiten 
einer eiferfüchtigen Bewachung zu unterwerfen und eine 
unrubige (turbalante) Verſammlung entweder zu ertra⸗ 
gen oder zu bekämpfen ober zu beftedhen (corrompre) 
babe, daß dadurch aber das Staatsleben überhaupt in 
eine ſchwierige Lage gebracht und der König genothigt 
werde, Alles dem Streben nah Grhaltung der Krone 
zu opfern. Diefer Debuction folgt abet nachſtehende 
Stelle: Ä 

Ludwig Philipp Eonnte den Mächten fagen: . Run denn! 
Im Fr bürgerlichen —eæ Das mich gefrönt bat, 
biete ich der Bourgeoifie aller Länder Europas meine Unter: 
flügung an, und al6 Preiß der Annahme des conflitu 
tionnellen Princips fege ich die Freundſchaft Frankreichs 
und den Frieden der Welt. (II, 28.) 

Entmweber wibesfpricht ſich ber Verf. oder er meint, 
den andern Nationen bie Büchſe der Pandora zuzuwen⸗ 
den. Um Charaktere, politifhe Verhandlungen, Jatri⸗ 
guen u, f. mw. lebhaft und überzeugend_zu ſchildern, führt 
ber Verf. häufig Unterrebungen und. Auferungen bedeu⸗ 
tender Perfonen wörtlich an. Wenn er aber auch au 
guten Quelleu gefchöpft hat, fo dürfte do, wenn man 
bie Unficherheit folder mündlichen Überlieferungen, zu⸗ 
mal in Zeiten der Aufregung und ber Parteileidenfchaf- 
ten, bedenkt, die Authenticität ber angeführten Außerum⸗ 
gen nicht zweifellos, mindeſtens nicht höher zu ftellen 
fein al6 die des Ausrufs, ber dem Könige von Preu- 
fen entfahren fein fol: „Wenn die Franzofen nur bie 
an den Rhein gehen, rühre ich mid nicht!” Die come 





TG 


In 


d 


ee . 
muniſtiſchen unb focialiftifchen Ideen bes Verf. bezeich- 
nen folgende Stellen: 


Bas hilft das Allen gewährte Recht, ſich zu bereichern, 
wenn die Inftrumente der Arbeit und der Eredit nur @inigen 
gehorte (V, 467.) : "- * 


Wenn die Mourgeoifis von einem edeln Geiſte geleitet iſt, 


lann fie bie Umfihaffung dieſes Bandes bewirken, — indem fie 


die Initiative eines Syſtems ergreift, welches in der Induftrie 
aus dem Gebiete der Soncurrenz in das der Aflociation führt, 
den Befig der Urbeitöwerkzeuge *) allgemein macht, die Staats- 
ewalt als Banquier des Armen einfegt, die Sklaverei der Ar: 
it abgefchafft, dann (hier folgt die ſchon angeführte Stelle) 


würde die. Bourgeoifie, ‚gegen das Europa der Könige gewen: ' 


. det, nicht fürchten, Frunfreih die Sprache und Gebehede bes 
Befehlens zurücdzugeben. (V, 473.) 


Die Unterdrüdung demokratiſcher Vereine, deren Trei⸗ 
Ben ber Verf. ale verbienftlich bezeichnet, iſt als despoti⸗ 
fe Gewaltmaßregel G. Pexier's angefühet: | 
: ine nationale Verbindung (association) hatte fih zu 
Paris gebildet, ... . fie erhob neben der Regierung eine mis 
diefer rivglifirende Gewalt. C. Perier läuft ind Parlament, 
um fie als eine aufmieglerifche anzugeben, und befämpft fie 
durch ein vehementes Gitcular u. f. w. (11, 323.) ' 
Die Geſellſchaft dee „Volksfreunde“, eine kühne, lärmende 
Geſellſchaft (Merbindung, socists), die aus allen den helden⸗ 
müsbigen jungen Leuten befkand, welche im. Zuli Die Gewalt» 
thaten (les coups) des Volkes gelcitet hatten, und bie fi eig⸗ 
nete, einen Augenbli die Überlieferungen des Zafobinerclubs 
wieder aufleben zu laſſen u. f. w. — allarmirt plöglich Die 
Dietrinaire. (II, 218.) | 

Der Verf. erflärt das Nichtgelingen der Verſuche der 
republikaniſchen Partei in Nachſtehendem: 

Eine Stunde hatte hingereicht, um dem Herzog von Or⸗ 
Rand zu beweifen, daB bie eifrigften, beftigften Menſchen fich 
fipnek durch ihre eigene Gewaltfamkeit (Heftigfeit) abflumpfen, 
daß die niedrige Geſinnung (bassesse), die anftedend tft wie 
der Deldenfinn, ihm die Ehrgeizigen und bie Skeptiker in 
Menge zutreiben würden; daß die Maffe des Volkes, aus Unge: 
wißheit und Unwiſſenheit fix die Dienftbarfeit mit neuen Kar 
men, ganz bereit wäre, und daß er endlich auf die öffentliche 
Abbernheit rechten koͤnne. (I, 336.) 

Geſchickten Berechnungen, trügerifhen Verſprechungen, ei⸗ 
nigen zur rechten Zeit gemachten Geldaustheilungen war es 
su danken, daß man vom Volke erlangt hatte, ſich zerſtreuen 
und entwaffnen zu laſſen. (1, 44%.) | 

Zu beklagen find Alle, die fih auf gut Glück in die Ne: 
volutionen — * und zum Gefecht laufen, indem fie unbe: 
Pannte (iſt gemeint, von ihnen nicht verftandene) Schreie aus: 
ftoßen. (I, 454.) 

RNachdem erzählt werben, mit: welcher Wuth das pa- 
rifer Bolt ben Tod ber Erminifter Polignac u. ©. 
verlangte: 

Die Thorheiten ber Gedanken, die die Menſchen bewegen, 
iM ein. etufler umd ſchmerzlicher — des Nachdenkens. 
Dat Volk überließ ſich ganglich unfruchtbaren Vorausſetzungen, 
und ließ eine Verhandlung (die Discuſſion in der Kammer 
über die Abgaben), die feine theuerften Intereflen betraf, vor: 
übergeben, ohne darauf zu achten. (II, 173.) 

Die republikaniſche Yartei war ſchwer zu leiten. Indem 
fie die guten Eigenfchaften von Wem, was ſtark und männlich 





) Daß unter ven Inflrumenten und Mitteln ber Arbeit Gelb, 
Gupitallen, gemeint find, geht aus andern Gtelan ber Abhandlung 
deſes Gegenſtandes · hervor. oo. io, 


> 96, 





un re 

ift, beſaß, hatte fie dagegen ernflliche Gebrechen: ein Übermaf 
von Hige (Eifer, ardeur), Zollkühnheit im Muthe, einen blin: 
den Glauben an bie Wirkfamkeit der Teen Unternehmungen, 
einen geheimen Hang, überlegenen Männern zu mißtrauen, Un: 
duldſamkeit, Indisciplin. ,‚ 332.) oo: 


„PDas Bolt, bem das Geherchen Bie der Nothwen 
digkeiten iF, war wie betaͤubt, lobald es ſih ohne Kern ſaß 
Es hatte Furcht vor feiner eigenen Souberainetaͤt und mar 


nun bedacht, Die wieder zu erheben, die es niedergeworfen 
hatte, um ihnen eine Autorität zurückzugeben, deren Laſt es 
nicht tragen konnte. (Il, 71.) 

Des Minifterium, um ben Euftuß der Gewalt geltend zu 
maden, nahm zu den fchärfften Mitten feine Zuflucht. Dar: 
auf trat Das, was im menfchlifchen Ehrgeize von ferviler Ro 
tur ift, hervor. Um ſtark zu fein, ift hinreichend, es zu ſchei— 
nen: bie Renſchen liefen zu, die über 
In 1093 geboten und eine dictatoriſche Sprache führten, 

' . - \ 

Die Deputirten der Oppofition hatten fih bei Hrn. Raffitte 
verfamntelt, und man berathſchlagte unter der Herrfchaft des 
Zorns und der Furcht." Die meiften diefer. Pleinmüthigen Men: 
[hen waren vor dem Namen ber Republik erbleicht, und ſchon 
waren alle die ſchwarzen Befpenfter, die Schrecken ihrer Erin: 
nerungen, vor ihnen aufgeftiegen. (11), 298.) 


Nach der Erzählung des mislungenen Aufſtandes der 


Republikaner beim Begräbniß des Generals Lamarqut 


(1832) fagt der Berf. (IH, 315): 


Was’ würde geworben fein, wenn die Republik geſiegt 
hätte? Man muß es anerkennen, Europa war zu dieſem Zeit 
hunkte von der unermeßlichen Betäubung, in bie es das Jahr 


' 1830 verfegt hatte, zurüdgelommen: e& wußte wie vorüber 


gehend unfer Feuer _(ardeur) ift, und nun war das Weltregi⸗ 
ment nicht mehr Sache eines Handſtreichs. Die Monardit, 
Tochter des aufrührifchen Geiftes, hatte während zwei Jahren 
viele ſchlechte Inſtincts und ſtoͤrende Leidenſchaften awsgebrätet: 
bier einen herzloſen Egoismus, eine gewiſſenioſe Gewinnſucht, 
ein fanatiſches und feige Trachten nad) Erhaltung (conserra- 
tion); da, und parallel mit den lobenswertheften Beftrebunger, 
mit den geoßmüthigften Neigungen, den Reid, den Hang ut 
Unordnung, den Haß mehr der ungerechten Menſchen au der 


 Ungeretigeit, und unter dem Vorwand, die Tyrannei gu Kr 


ftören, die ungebulbige vofnung, ihr. eine andere State zu 
geben (deplacer). Eine republi anifche Regierung würde ta: 
ber zu gleicher Beit (auf einmal) die Geſeliſchaft umzuigmel: 


‚zen, die Parteien zu mäßigen, das Volk zu befriedigen und 
| urüdgupalten, die reiche Claſſe zu unterwerfen, ohne 


fie zu 
erauben, Europa — das auf feines Hut am, bewohnt 
war — au befiegen gehabt —8 ® “ wa 

Troß ber vorfiehenden intereffanten Geſtaͤndniſſe, Dr 
trachtungen und Erfahrungen, bie völlig geeignet fh. 
nen, den Verf. und feine Partei von den republikani⸗ 
fhen Ideen zurückzubringen, ſucht berfelbe das Hal 
Frankreichs in der Republik. Nun! Mohren waäſcht 
man nicht weiß. Elücklicherweiſe hat, wie es factiſch 
bewieſen iſt, die Majorität der franzoͤſiſchen Nation dit: 
fen Glauben nicht; und hoffentlih wird Frankreich Im 
mer eine Regierung haben, die ſo denkt wie das Mint 
ſterium, welches auf die Vorwürfe ber Oppofition (1832) 
erwiderte: 

Iſt es denn eine fo große S bem wilden Vergnügen, 
das —E ne — —* ie: 
ben: es von der doppelten Geißel der Demokratie und der ER 
oberung zu wetten? 99. 


3, Pa — u 
» — 





ne Milton E Vlindheit dein, Gerlorenes I’ REN Tide werven a0 Wemlenlamn , PER welchen "wir: 
a Year "| Zen deine Hard, Pens cine ene him Berpfgtie 
Zr ! ver Hat. Und Alles im Ulem befkehen die eingreiföndflen Ber 

f@relbungen im «WBerlorenen Yaradiefer aus ontraften zwi⸗ 


viclen Citaten verſehenen U en: „Allton's ſchen Finſterniß und Licht, eiche in 
blindness“, vortreffli aus. Ser. n davon bios "Außsugs» — Kal I) PH: Orfalt von Waffen der 
weile die Rede fein. „Mir find überzeugt”, heißt eb, „daß : „Man koͤnnte dem «Berloxenen Yaradiefex eine Zeichnung 


oder einen Plan des Univerſum beigeben, wie Milton es 

gedacht hat. Unfangs war der ganze unendlihe Raum ne 
zwei große Regionen oder Hemifphäuen getheilt, eine obere 
und eine untere, jene dlos Eiche, dieſe bios Kinfterniß. Die 
obere ober erleuthtete Zälfte war ber Himmel, die Wokmung 
der. Engel, ber einzigen damals eriitirenden Velen. Die ma: 
texe war Chass ober Naht, ein dies, ſchwarzes unrubige® 
Element, wie von Welten im Suftande der hrung. Bis 
war völlig unbevohnt. Nach dem Falle der Engel wurde der. 
Raum neu geordnet; aus den zwei Regionen entftanden vier. 
Das Unterfle des Chaos wurbe die Hölle, oben, wo Chaos ge⸗ 
gen den Dinmel druckte, eine Hoͤhlung aus der Finfternif ge. 
ſchnitten und mit Licht gefüllt, als Univerfum des Menſchen. 
In Folge des verlichenen Geſetzes der Schwerkraft verließ Al⸗ 
les im Bereich deflelben den Zuſtand des &ährens und ver» 
dichtete fi zu Kugeln oder Planeten. Dann Fam ber göttliche 
Hauch: Die Kugeln bewegten ſich umeinander, die Planeten 
um ihre Sonnen, die Monde um ihre Planeten. In foldger 
Weile, oben. vom Himmel, unten vom Chaos begrenzt, entftand 
ein neues azurnes Univerfum, überfüet mit Sternen und durch⸗ 
zogen von Milchſtraßen. Es ſollte einem neuen Geſchlechte 
zum Aufenthalt dienen. Die Hölle, wo der gefallene Theil 
‚des alten Geſchlechts haufte, war von ihm dur das Chaos 


geſchieden.“ 
der Grundgedanke bes Gedichts, 


Geiſt von der Außenwelt abzuziehen, ihn frei 
gemacht, fein kühnes Thema zu verfolgen: . . . auch ſchwei⸗ 
am wir von den wohlbefannten Stellen, wo Milton den Ber: 
luß feines Augenlichtes beflagt; ... . noch wollen wir ben 
Einfluß berüdfichtigen, welden feine Blindheit auf feinen Vers 
geäußert Haben muß, den er erft in die Feder fagen konnte, 
nachdem er ihn im Geifte gefchaften, obſchon Das eine wichtige 
Erwägung ift. Unfere Beweisfuͤhrung fol zeigen: daß Mil: 
ton’d Blindheit feine Dichtung viel fpecififcher und merfwürbi- 
influirte, daß feine ganze Art und Weiſe, äußere Gegen- 
aufzufaffen und zu beſchreiben, die eines Blinden, und 

dej dieſe feine Auffaffung und Befchrelbung eine feinem gro 


en Gedichte fo eigenthümlich angermeffene erfcheint, um weiten Solch gigantifche Idee, 


m zu Eönnen: ob Milton's Blindheit ihn nicht zue Waht | behauptet der Berf., können nur Eingebung eines Blinden ge 
diefed Stoffe veranlaßt babe“ wefen fein; oder hätte ein Sehender fie gefaßt, würde er fit 
„Die leichteſte Vorſtellung für einen Blinden ift gewiß | nie mit glei firenger Gonfequenz durchgeführt haben. Als 


Beweiſe von Milton 8 Eonfequenz beruft er fi auf die Bi 


die ein lichen Dunkels. Die aͤ Belt ift für ihn, 
eines unendlichen Dunkels. Die äußere Welt ift für ihn fhreibung von der Flucht der aufrührifchen Engel vor dem“ 


was fie einem chenden fein würde, ber in ftodlinfterer Rache 


dein auf einee Bergſpitze flände, den Slick nach oben. Aber 
wer früher geſehen, nimmt in fein Dunkel ein Gedaͤchtniß vol 
giönuter Bilder mit; und verfucht er, Dinge nach ihrer üu⸗ 
eit zu ſchildera, vermag ev es nur mittels der Grinne- 

rung. Da wird es ihn vergnügen, auf die ſchwarze vor ihm 
ebreitete Reimwond ſolche Gegenftände zu malen, deren An- 

denken ihm die meiße Freude gewährt: — den weißen Giebel 
feines Baufes, das Geſicht feiner Frau, die Mienen feiner Kin: 
ber.” Die Macht der Liche wird ſolche Gegenftände in feinem 
Gedägtniffe friſch und Lebendig ten, während alle andern 
Bier dunkler und unflarer werden. Doch ſelbſt 
von dieſen erinnert ſich der Blinde einiger verhaͤltnißmaͤßig 
leiter und deutticher. Mer feit geraumer Beit daB Licht der 
Yagen verloren, kam ſich nur mühfem deö Uusfehens einer 
Blume entfinnen, wie des Veilchens. Dagegen bleibt ihm bie 
zuieht eine merkwuͤrdig deutliche Borſtellung weißer oder leuch⸗ 
tendet Körper, einer Lampe, eines Feuerherdes, eines Licht⸗ 
ſterifs, der Sonne, des Mondes, einer glühenden Eifenkugel, 
des mit Schnee: bedeckten Bodens, eine geftiinten Winter: 
Jedenfalls übertrifft ein Blindgervordener den Se⸗ 

den in Befchreibungen des Eontraftes zwifchen Weiß und 
Odwarz, zwiſchen Licht und Finſterniß. Die Fähigkeit aber, 
&Gt und Finfterniß gieichſam in Maſſen zu behandeln, ift ge: 
nau eine Befähigung zum Schreiben eines Gedichts wie das 
«Berlorene Paradiedn. Drei Biertel feiner Schilderungen find 
isf von dee Urt, für weiche ein Blinder vorzugsweife Kraft 
und Beſchick Deigt. Die handelnd eingeführten Weſen find 
Engel. Cie bew fh im Univerfum hierhin, dorthin, über. 
ſhauen die Schöpfung von einem fernen Punkte jenfeit ihrer 
‚ oder erkennen in weiter Ferne einen filbernen Stern 

ud richten zu ihm ihren Ylug. Solche Befchreibungen: müf: 
fm Dem, für welchen Raum und Finſterniß Eins find,. bes 


tan's Hinabſchauen ins Chaos, von der Erſchaffun 


: „Woher hat er bie Bäume, hie Gefträude, 


‚Donner des Meffias, von ber Schöpfung der Erde, von Sa— 
Des Lichts. 
An legteres Stelle”, fagt er, „zeigt fich der Einfluß von bes 
Dieter Blindheit in doppeiter Weile. Einmal iſt der Ger 
danke, wie an ben andern Stellen, der eines Blinden. Yn- 
fange Alles tiefes Dunkel, eine ſchwarze Atmofphäre. Dann 
erhebt fi) dampfähnlich ein Etwas im Often und Priecht wie 
ein Geenebel nach Weiten durch das Dunkel. ESs ift bas Licht. 
Zweiten bemerken wir in der Befchreibung eine Art Sögern, 
was nicht der Fall fein würde bei einem Dichter, den bas- 
Unglüd nicht betroffen, welches Milton das Lit fo lieb und 
alle fein @rfcheinen begleitende Umftände fo theuer gemarht. .. 
„Ohne Zweifel”, führt er fpäter fort, ‚gibt es Dichter, die 
nicht blind und im Gigantifchen und Ungeheuern mit ihrer 
Phantaſie zu Haufe finds die ſich die Erde als einen kleinen 
braunen Ball denken, der durch den Raum rollt und rollend 
pfeift: aber nur ein Blinder konnte feiner Borftellung fo treu 
bleiben wie Milton. Und nicht allein, daß er mehr als ein 
anderer Dichter Feuer und Finſterniß in großem Maße contra⸗ 
flirt: er benupt auch dieſen Contraſt zum Mittel einer Ber: 
finnlichung, wie ſolches nur einem Blinden einfallen konnte.“ 
Dieb beweift die Stelle, wo Satan von Sthuriel und Bephom 
vor Gabriel und beffen Engel gebracht wird. 

Am Schluſſe bemerkt der Berf., daß, wenn fünf Sechstel 
des „Verlorenen Paradieſes“ großartige Befchreibungen ent» 
halten, im Iehten Sechstel der Dichter fih auf die Erde her⸗ 
ablafle, ihre Duftenden Wälder und ihre blühenden Gärten, 
ihre blumenreichen Ufer und die grün überhängenden Lauben 
in Ebens Paradies zu ſchildern, und fnüpft bietan die Frage; 

Die Blumen? — 
biefer alte blinde Mann!’ WIE Antwort erimmert er, daß Mi 


‚tön’g vor feiner Erblindung gefätiebenen Gedichte eine Fülle 





® 


menvoller Beipeeibungen bieten: hebt dann Soas 

er e im im Yaradia als die Stelle ie sub, weiche Milton 

gewiß mit feinem reichften Schmuck geziert; und emdigt feine. 

unternommene Beweisführung mit den en: „Zmmer noch 

Fön! Wadere Erinnerungen an feine alte Biebe, die Blumen! 

Uber wehe! wehe! fie werden feltener und ſchwaͤcher, biefe er 
Isnerungen des alten blinden Mannes!” 





Bibliographie. 


Albrecht, F. H. J., Deltgeſchichte. Ein Lehrbuch fo- 
wol zum Selbfiimterricht als für Symnaflen und höhere Bür- 
gerſchulen· After Theil: Alte Geſchichte. Geſchichte der alten 
orientalifchen Voͤlker und der Griechen, mit Snbegrift ber Me» 
cebonier u. |. w. Mainz, Rupferberg. Gr. 8 25 

Beyer, M., Das Auswanberungsbuß, oder Führer und 
eg bei der Auswanderung nah Nordamerika und Zeras 
‚, Ankunft und Sen ae un« 


IV, Bogler’s, Euperintenbenten zu —8 —— elift Jo: 


hand: 
lung- Nor. 

Briche Stile und Goethe’ an a. w W. Schlegel aus 
den Jahren 1795 bis 1801 und 1197 bis 1824, nebft einem 
Saricke Schlegel s gan Schiller. 


ar Leipzig, Seidmann. Gr. 8. 

Bertrauliche Briefe an einen deutſchen Staatsmann über 
perſonelle und wiflenfchaftlihe Zuftände in Verwaltung, Lehr⸗ 
weiſe, Vertretung und Ausübung der Mebicn. Mus den Pa- 
pieren eines Berflorbenen. (Wortfegung.) Kaffee, Dotop. 
&r. 8. 15 Ror. 

Diez, F., Altromanifhe Sprachdenkmale, berichtigt und 
erklaͤrt, nebft einer tung über den epifchen Vers. Bonn, 
Weber. Gr. 8. WR 

Fechner, ©. * Über das hoͤchſte But. Leipzig, Breit: 
kopf und Därtel. &. 8 15 Rgr. 

Bernglas, Dr., Suctäfiner Grebecke. Komiſche Ger 
ſpraͤche im Berliner Dialekte. Iftes — Ites Heft. Peſth, Hart⸗ 
leben. 8. I Thlr. 

Frederic le Grand, Oeuvres. Tomes I—III, Berlin, 
Decker. Gr. in-8. 3 Thir. 5 Neger. 

. Gran dvill e's Bilder aus dem Staats: und Familienleben 
der Thiere. Mit Erläuterungen herausgegeben von hr Diez: 
mann. Ifte Lieferung. Leipzig, Teubner. Sm. 4. 4 Rgr. 

Hanne, 3. W., Der —* Glaube im Kampf mit den 
theole iſpen Halbheiten unſerer Tage. Blaͤtter für das mün⸗ 
dige Voll. Braunſchweig, Weſtermann. Gr. 8. 20 Nor. 

Haym, R., Die Autorität, welche fällt und die, welche 
bleibt. Ein Gin Popular » philofophifher Auffag. Halle, Heyne: 
ment. 

Deriokfobn, € .‚ Arabella oder Geheimniffe eines dr 
tbeaterd. Moman. Zwei Bände. Leipzig, Melger. 8. 


Jörg, 3. ©. G., Wie und wo müffen nach den Anfor- 
derungen der Heihiwiffenfchaft und Humanität die Ärzte gebildet 
und eraminirt werden? Leipzig, Weidmann. Br. 8. 12 Rgr. 

Keller, ©., Gedichte. Heidelberg, Winter. Gr. 16. 


1 Ahlr. 20 Ror. 
Kleemann, A., Stefan, der — Eine Dorf⸗ 
geſchichte. Berlin, Springer. 1 Zhlr. 7, Nor. 
3 u „B. v., Lieder aus Rom. Berlin, U. Dunder. 
Mafmann, 9. g. ., Der Egſterſtein in Weftfalen. Rebſt 
ann Abbildungen von — v. Bandel. Weimar, Landes» 


nduſtrie⸗Comptoir. ir. 4. 3 Air. 15 Rgr. 


. quien- 


‚nen König von Reapel, 


Rauwerd, 8, ‚beustihen Bundes» 
verfammlung. 4tes He Pig: de Er Rebn den geheimen 
a auaflen von —X berlin Dunder und Humblot. Gr. 3. 


Dtto, Louife, Shih und % 
Bände. Leipzig, Wienbrad. 8. 3 Ip 
RE, 

e e 
unter Kar befreundeten Hochſchulern. Reichenbach, der. 


Pyat, F., Diogenes. Luftfpiel in fünf Weten, nebſt einem 
roocipiele. Reh dem 8 Branpöfilgen von I. Diegmann. keip⸗ 
zig, Zeubner. 8. Ror. 
Reife s Srineruga aus Frankreich. Bonn, WBittmam, 
Rgr. 


Spuren der Sottheit in der Entwickelungs- und Bil 
bungsgefchichte der Schöpfung. Rad W. Whewell's Indica- 
tions of the Creater, und ber dritten Auflage der Vestiges 
of the natural history of Creation, für deutſche Ebın v“ 
Te 0% von 8* Seubert. Stuttgart, Becher. Gr. 8. 

r 

en 85 Die Religion des „ Subenthumg, in acht Vor⸗ 
leſun Berlin, Bernftein. 81.9. 1 hr. 

Bar rmlofes Unkraut. Reifeblätter aus Baiern, von C.G.q. 
Bremen, Schünemann. Gr. 8. I Thlr. 





Zagesliteretur. 


Elsner, W. T., Über das Princip des Epriftentpums 
und das etwa zu erwartende neue Symbol. Worte zur Ber 
fändigung und @inigung in Koh teligiöfen Diferengen unferer 
Reit. Königsberg, Tag und K d:. 8 6 Ror. 

Der Geift der —— Kirchen⸗ — Allen kicht⸗ 
freunden gewidmet. Ite Auflage. Berlin, Bethge. Gr. 8. 2Nyr. 

Heidenhain, H., Die Medicinalreform im Sinne der 
Wissenschaft, ein "aphoristischer Beitrag ‘zur 'Tagesirage. 
Marienwerder, Baumann. Gr. 8. 8 Ngr. 

Die Aachener Heiligthumsfahrt, und die Aachener Keli⸗ 

Hiſtoriſch gdargeſtett von einem katholiſchen keien. 
Aachen, Cremer. 0 Rgr. 

Prozeßverhandlungen des Affifenhofes der untern Seine 
(Rouen) in Sachen des Duells zwiſchen den Journaliſten Du 
jarier und von Beauvallon zu Paris. Aus dem Franzeſiſchen. 
Berlin, Sacco. 8. 7Y, Nor. 

Höfe, %., Schwaͤnte und Setöichten für das deutſche 
Boll. 8. 12% 


Berlin, Springer. 

Schärer, E., Über den Standpantt und die Aufjabe 

a. goilefopbie in "unferer Beit. Zürich, Meyer und Zeller. 

Ssir K. D. Freih. v., Xeras. Rathaeber für Un 
—A nach dieſem Bande. Wiesbaden, Kreide, Gr. 8 

Das Sein und Werden ber riftlichen Kir gi Bd 
in die Sufunft von I. Breslau, Sulz. 4 Rot. 

Uh lich, Das Pünftige Leben für — ———— 
1846. Magdeburg, Ereug. Gr. 8. 4 Near. 

—— Predigt zu Luther's Todtenfeier am 18. Zebr. 19%. 
Magdeburg, Greit. Gr. 83. 3 Rear. 

Ber dieſes Waſſer trinket, den wird wieder dürfen 

‚13.) Un die Reichs. Synode zu Berlin. 

eines Bdienfäütees des feeligen Pacificus Sincerus. Leipiid 
Kirchner. Gr. 8. 2 

Weſtmoreland, v., Sendſchreiben an den hocha cht 
baren —** Kr Karte ber ‚Gemeinen über bie " 
ber römi atholifchen Unterthanen Gr tanniens, 

einem Briefwechfel des Papſtes Pius vi nit dem verflorde 

und Beilagen. Aus dem Engliſcen 
überfepe von R. Bellfon. Berlin, Shulge. Br. 8. 0 KH. 


Berantwortliher Heraudgeber: Heinrich Brockdans. — Drud und Berlag von V. X. Drockpaus in Leipzis. 


Stimme 


Je —————— — ee Je 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


‘ 


1. Auguft 1846. 





3ur Nachricht. 
Bon dieſer Zeitſchrift erſcheint täglich eine Rummer und ber Preis beträgt für den Jabrgang 12 Thlr. Alle 


DBuähendlungen in und außer Deutſchland nehmen 


Beſtellungen darauf an; ebenfo alle Poſtaͤuter, bie fih an bie 
enlieferungen und 


Kinigl. fü de Zeitungserpebitisn in Eeiptig wenden. Die Berfenbung findet in Woch 
ve aantse 3 ar. in Monotöheften ſtatt. 





Die jefuitifhe Reaction und der ideale 
Katholicismuß. 


1. Dos Innere der Geſellſchaft Zefu. ine durch die Doru- 
mente des Drdens gegebene Darlegung der Erziehung, 
Bildung, des inneren Ganges, ber Verwaltung, des Beſtan⸗ 
des und der Wirkſamkeit Der Geſellſchaft in unſern Zagen. 
keipzig, E. Wigand. 1845. Er. 8. 1 Ahlr. 15 Nor. 

3. Der Jeſuitenkrieg gegen Dftreih und Deutſchland. Bon 
Pranz *321⸗ ka. Leipzig, Weidmann. 1845. 8. 

r. 

3. * Fa ‚m Xirol. Heidelberg, Hoffmeifter. 184. 

4. Geſchichte der Möfung der Iefuiten » Eongregationen in 
Teontreich im Sabre 1845. Ra den beften Materialien 

ud unter Benutzung bandbfäriftliher Quellen bearbeitet 
von Ludwig Hahn. Leipzig, Brockhaus und Avenarius. 

846. Gr. 8. r. 10 Ror. 

5. La Russie et les J@&suites de 1771 a 1820. Par Henri 
Latteroth. Paris 1845. 


6. Geburt md Wiedergeburt. Erinnerungen aus meinem Le 


ben und Blicke auf Die Kirche. Won Friedrich Hurter. 
=. Bändien. Schaffhauſen, Hurter. 1845. 8. 4Xhlr. 
1. Shrrfoflomus. Ein Reformplan der katholiſchen Kanzel: 
beredtfamkeit. Bon 3. Adolf Rüdiffer. Lindau, Stett⸗ 
ne. 1845. re. 8. 15 Mor. 
- Ws im Sabre 1837 die franzöfifche Kammer einen 
Geſezentwurf für den Secundairunterricht berieth, worin 
durchaus Feine Vorſichtsmaßregel gegen das Einfchleichen 
ber Sefuiten in bie Schulen getroffen war, fragte bei 
der Erinnerung an diefelben ein Redner übermüthig und 
vorzeitig triumphirend: „Wo find bie Jefuiten® Zeigt 
mir doch einen Jefuiten?” Die Antwort darauf geben 
die in der Schrift Nr. 1 mitgetheilten amtlichen Ver⸗ 
zeihniffe der Geſellſchaft Jeſu, welche die Welt in 14 
Brovinzen und Viceprovinzen theilen und am 1. Jam. 
1844 in 233 „Häufern” 4133 Mitglieder des Ordens 
nachweiſen, die ſich im mittlern Durchichnitte jährlich 
um 314 vermehren. Daven kamen 1626 auf Italien, 


660 lebten in den „Provinzen“ Lyon und Paris, 372 
in Belgien und Holland, 215 in England und Irland, 
310 endlich in Öftreich und 273 in „Oberdeutfchland”, 
welche Provinz die Schweiz und bie nah Deutichland 
mit Ausfchluß Oſtreichs vorgefchobenen Poſien einfchlieft; 
die übrigen maren in Spanien und den bavon abhän- 
gigen Miffionen und Provinzen Südamerikas „zerftreut”, 
oder wirkten in andern aufereuropäifchen Ländern, befon- 
ders in den Bereinigten Staaten, wo ſich ihre Zahl auf 
231 belief. Dies war 1844 der äußere Beſtand jener 
Geſellſchaft, geftiftet, um bie religiöfe, wieberhergeftellt 
angeblih, um die politifche Revolution zu bekämpfen, 
in der That aber, um einer neuen Theokratie den Weg 
zu bahnen und die Menfchheit an Leib und Seele ger 
bunden der Willfür einer Prieſterkaſte zu überantwor- 
ten: ein Plan, den zu faffen thöricht, den durchzufüh⸗ 
ren unmöglich feheint, der aber das Iegte Ziel eines Or⸗ 
dene ift, dem ſich Alle anfchließen, welche die Welt ver- 
dummen wollen, um fie zu bevormunden oder auszubeu- 
ten. Diefe Verbindung zwifchen Fanatikern unb Obfen- 
zanten, zwifchen Betrügern und Betrogenen ift es, was 
wir die jefuitifche Partei nennen; und ihre Beftrebungen 
beabfichtigen wir, überall nur Thatſachen fprechen Taf 
fend, bier in Umeiffen zu fchildern. 

Es ift ein fehr verbreiteter Irrtum, welcher zwiſchen 
der Wiederherftellung der Geſellſchaft Jeſu und ber Auf- 
richtung der fogenamnten Heiligen Allianz, weil die Da- 
ten beider Begebenheiten (7. Yug. 1814 und 26. Sept. 
1815) einander fo nahe liegen, einen urfächlichen Zufam- 
menhang annimmt. Dan könnte aber diefen Bund viel- 
mehr als eine Proteftation gegen jene Maßregel betrach⸗ 
ten; denn ihn fchloffen ein römifch-Fatholifcher, ein ruſſiſch⸗ 
reehtgläubiger und ein proteftantifcher Herrſcher in ber 
Abficht: dem Grundfage, daß fie ſowie ihre Unterthanen 
„Mitglieder einer und derſelben chriftlichen Wöklerge- 
meinde ” feien und fich „wechfelfeitige Liebe und Hülfe⸗ 


0 Ä 


leiſtung“ ſchulden, Geltung zu verſchaffen; indem ſie zu⸗ 
gleich erklärten, daß dieſe chriſtliche Voͤlkergemeinde „kei⸗ 
nen andern Herrn habe als Denjenigen, welchem allein 
die Macht zukommt“, nämlich „unſern goͤttlichen Erlöfer 
Jeſum Chriſtum“; — während bie Jeſuiten keinen an⸗ 
dern Heren anerkennen‘ als den Papft, dem fie unbe» 
Bingten Gehorfam ſchwören und der ſich auch der Hei- 
ligen Allianz beizutreten weigerte. Don einer folchen 
Proteſtation fcheint wenigftens Alerander nicht entfernt 
gewefen zu fein, weil er etwa drei Monate nad) der 
Unterzeichnung ber Heiligen Allianz den Sefuiten den 
Aufenthalt in den beiden Hauptftäbten Moskau und 
Petersburg unterfagte und fie enblih 1820 aus dem 
ganzen Neiche verbannt. Auch Franz I. war einen 
Augenblid auf dem Punkte, fi) von der chriftlichen Phi⸗ 
lanthropie feines Verbündeten anfteden zu laffen, da er 
in grellem Widerfpruche mit der Bulle Sollicitudo om- 


nium den Plan zur Stiftung einer öſtreichiſchen Bibel⸗ 


geſellſchaft, melden ihm Fürft Metternich von Seiten 
der Iondoner Bibelgefellfchaft vorlegte, wohlwollend auf- 
nahm und fogar geflattete, daß man in Pregburg den 
Drud einer Bibelausgabe in vier Landesſprachen be- 
gann. Wie man fieht, find alfo die politifche und die 
religiöfe Reaction, deren Anfänge man gewöhnlich) auf 
die, erwähnten beiden Mafregeln zurudführt, nicht. bes 
nämlichen Urfprungs; ja, die eine wuchs fogar aus einem 
Keime empor, der vielleicht Heilkraft gegen die andere 
entwideln follte, aber fpäter ausartete und jegt in fchein- 
bar inniger Umfchlingung mit den giftigen Sprößlingen 
derfelben fortwuchert. Wir fagen fheinbar, weil der 
geiftlihe und weltliche Abfolutismus im Grunde unver- 
träglich find und fi nur verbinden, meil feiner mehr 
ohne den andern fi zu behaupten vermag. Am Zage 
des Sieges, der, wenn die Geſchichte keine große Lüge 
tft, nie anbrechen wird, müßten ſie ſich nothwendig tren- 
nen und miteinander um die Weltherrfhaft kämpfen: 
nebeneinander können ein Innocenz III. und ein Napo- 
leon nicht beftehen. 


Die Zwede der jefuitifchen Umtriebe haben wir oben 
bezeichnet: faffen wir jegt bie Mittel ind Auge. In 
Rom, wo bie Fäden zufammenlaufen, ftanden 1845 
dem General Sohannes Roothan 273 Ordensglieder, 
darunter 116 Sriefter, zur Seite; ihrer Leitung ift ne- 
ben einem adeligen Penfionnate und dem Collegium ber 
Propaganda bes Glaubens das fogenannte Deutſche Col- 
legium anvertraut, welches auf Betrieb Ignaz von Loyola's 
von Papſt Julius II. „zur Erhebung der ftreitenden 
Kirche und zur geiftliden Hülfe Deutfchlande”, fowie 
„sur Entbedung des verborgenen Giftes ber Kegerei und 
Befiegung und Vernichtung der offenen Irrthümer, und 
endlih zur DVertheibigung des Glaubens felbft mit allen 
Kräften und Förderung beffelben duch Wort und That, 
und wo er ausgerottet ift, zur neuen Pflanzung deſſel⸗ 
ben zum Heile ber Seelen” geftiftet wurbde.*) In bie 


*) Siehe bie betreffende Bulle: ,, Das deutſche Collegium in 
Hom. Dorgelellt von einem Katholiten.” (Leipzig 1848.) 


ſes Collegium wurden feit feiner Wieberherftellung 1818 
bis zum Schluffe des I. 1841 189 Zöglinge aufge 
nommen, barunter 28 Preußen, 26 Sanoveraner und 
52 Schweizer. Aus Ihm ging, um nur ein paar Na⸗ 
men zu nennen, derjenige Prieſter hervor, welcher zuerft 
feine Stimme gegen bie gemifchten: Ehen erhob, unb 
ein durch fein finfteres Treiben bekannter deutſcher Bi- 
ſchof, der einft erflärte, Priefter geworden zu fein, „um 
die Sünden feines Vaters abzubüßen”. Den in der 
Anftalt herrfhenden Geiſt hat unlängfl aus eigener Er: 
fahrung G. Köberle in den „Aufzeihnungen eines Je⸗ 
fuitenzöglings ”" fo anfchaulich gefchildert, daß wir uns 
begnügen koͤnnen, auf feine Schrift zu verweifen. Tos⸗ 
cana, Rucca und ©. » Marino find die einzigen italieni- 
[hen Staaten, wo bie Sefuiten feine Niederlaffungen 
haben; im Lombarbdifch - venetianifchen Königreich befigen 
fie folhe in Brescia, Venedig und Verona. 


Auf dem Wege nad) Deutfihland fommen wir zu: 
nächſt nach Zirol. Wie bie Sefuiten vor ber Aufhebung 
dort wirften, wie ihre Wiedereinführung betrieben und 
zu Stande gebracht wurde, erzählt die Schrift Nr. 3. 
Es heißt dafelbft: 


Die Prämonftratenfer waren buch unangenehme Borfäle 
ber Leitung des Thereſianums, einer Erziehungsanftalt adeliger 
Zünglinge in Innsbrud, überbrüffig geworden und fuchten 
ihre Entlaflung. Wie nun au im damaligen Landesgouver⸗ 
neur Grafen von Wilczeck der Gedanke rege geworben fein 
mag, Die Jefuiten mit diefem Inftitute zu betrauen, fo vie 
ift gewiß, daß Niemand eifriger bemüht war, ihn darin zu 
beftärten und fogleih die Verhandlungen anzulnüpfen als 
ihr waͤrmſter Freund, Iofeph Freiherr von Giovaneli. Be 
kanntlich hält ihr Orden ſehr eigenfinnig an der von der 
Regel vorgefchriebenen Grziehungsweife, und da zunaͤchſt 
von Seite der befler unterrichteten Lehrer des innäbruder 
Gymnaſiums Einfprache dagegen zu erwarten fband, mußte 
auch dies in ihre Hände gelegt werden. Um den Ginwürfen, 
denen man von den höhern Stellen entgegenſah, zuvorzulom: 
men, nalt es nun, bie Einführung der Jeſuiten ald den Wunſch 
des Volkes Larzuftellen: feine Vertreter, die Stände, folten 
ihn ausfprechen und deſſen Gewährung vom Kaifer bei, der 
bevorftebenden Huldigung ald Gnade erbitten. Sn ber Über 
fiht der auf dem Landtage 1838 zu behandelnden Gegenſtaͤnde 
war der Jefuiten mit keinem Worte erwähnt; jedenfalls war 
es beſſer, die ftändifchen Vertreter auf die Frage nicht vorbe: 
reitet zu finden, befier durch wenige lenkbare Stimmen deb 
Erfolge verfihert zu fein... Ein Antrag zur Unterflügung 
ber aus ber Therefianiſchen Ritteralademie austretenden Züng: 
linge gab in der Sitzung vom 7. Mai den Anſtoß. Joſeph 
von Giovanelli bemädhtigte fi) des Wortes und trat mit dem 
Anſinnen hervor: fowol das Inftitut als das Gymnafium zu 
Innsbrud dem Orden der Geſellſchaft Iefu zu übergeben .. . 
Die Ungelegenheit der Zefuiten wurde während der Huldigungf: 
feier im Auguſt 1838 eifrigft betrieben... Um 17. Detober 
erfolgte eine Paiferlihe Entſchließung, wodurch die Übergabe 
der Therefianiſchen Ritterakademie und die allmälige des Gym: 
saflumd zu Innsbrud an die Gefellfhaft Jeſu ausgefprochen 
wurbe. 


Dabei bfieb es jedoch nicht, wie vorauszuſehen war. 


Schon vor dem Landtage 1840 brachte der Ausfchuß der 
Adelsvertreter unter Vortritt des Freiherrn Joſeph von Gi 
vanelli ein Geſuch um pachtweife lberlaffung eines Theils des 
Univerfitätögebäubes an bie Sefuiten, deſſen Einleitung an bie 
Hoftanzlei ‚aber die tiroliſche Landesftelle mit Rote vom 3 


1 
{ 


| 


Der. 1840 ablehnte. - Das. ungen dieſes Planes führte in, 
beffen nur den Entwurf eined größern ‚herbei. In der Bigung 
som 17. Mai 1841 legte Freiherr von Giovanelli der fi ndis 
fen Berfammlung den Antrag zur Errichtung eines jefuiti- 
ſchen Eonvictes für die in Innsbruck ſtudirenden Jünglinge 
dor, wozu das ganze Land mit einer förmlichen Steuer beitra- 
gen ſollte. Die Stände zeigten fi diesma minder bereitwil- 
lg und glaubten derlei Geſchenke dem Willen der Geber über: 
laſſen zu müffen. In gleihem Sinne erfolgte die kaiſerliche 
Entfhließung vom 12. Febr. 1842, welche zwar die Gründung 
des Convicts genehmigte, zugleich aber feftfegte, daB hierfür 
weder das rar noch fonft ein öffentlicher Fonds in Anſpruch 
genommen werden dürfe Run erfchien im Mai 1642 eine 
Infündigung, welche angeblid von einem Verein zur Errich⸗ 
tung dieſes Convicts erlaffen, aber von Niemandem unter: 
zeihnet war und zu Beiträgen einlub. 


Diefe in einer Beilage mitgetheilte Ankündigung 


if ein merkwürdiges Actenftüd: — das Gonpict, „in wel⸗ 
sem Zünglinge aus allen Ständen an der unfchägba- 


ven Wohlthat einer chrifttatholifch - wiffenfchaftlichen Bil⸗ 


dung fheilnehmen können‘, foll nicht blos die „inlän- 
diſchen Anfprüche auf baffelbe, ſondern auch jene aus 
den übrigen Rändern des öftreihifhen Kaiſerreichs be⸗ 
fridigen”. Der Gefellfchaft Zefu rühmt man nad: fie 
babe ſich mit der „uneigennügigften Bereitwilligkeit her- 
beigelaffen, die Leitung der Anftalt gegen die Bedingung 
zu übernehmen, daß ihr das zu dieſem Zwede zu er 
bauende Haus und die erfoderlihen Räume zur Verfü- 
gung geftelft und mit der nöthigen Einrichtung verfehen 
und dann die Erziehungsanftalt nach den Borfchriften 
des Ordens geleitet werde”. Der Ausihuß des Ver—⸗ 
eine, „welcher unter dem Einfluffe und dem Schuge ber 
hochwuͤrdigſten Fürftbifchöfe von Zrient und Briren’ das 
Unternehmen verwirklichen will, beftcht aus dem Abte 
des Prämonftratenferftifts Wilten, dem 8. k. Geheimen 
Rathe und Kämmerer Grafen von Trapp, dem Ef. £. 
Kammerer und Bauditector Grafen von Reifach, dem 
Sradtpforer Duille, einem Advocaten und zwei Han⸗ 
delöleuten. Die „Ratholifchen Blätter aus Tirol“, eine 
feit einigen Jahren in Innsbruck erfcheinende, von Beift- 
lichen geleitete Zeitfehrift, übernahmen es, die innsbruder 
Bürger, welche in ihrer Mehrheit die Jefuiten ungern 
einziehen fahen, „eines Beffern zu belehren‘; und fchon 
im Herbſt 1844 „fanden bie weiten Räumlichkeiten für 


30 Zöglinge, ja fogar, um dem Orden einen möglichen 


Gesinn entgehen zu laffen, die Wohnungen für alle 
Handwerker, deren fie bedurften, wollendet da“. "Auch 
Mit diefem Erfolge begnügte man ſich noch nicht. 

Das Gebäude, das jetzt die pbilofophifche Facultaͤt theil⸗ 
Weile einnimmt, war einſt das Collegium der Jeſuiten; fie ſelbſt 
Dar von ihnen gegründet und lange Zeit hindurch ausſchließend 
wie ihren Lehrern befegt; auch diefen verlorenen Erdſtrich wie: 
der in Beiig zu nehmen und Das vorzutragen, was einft für 
Wilofophie galt, war ein zu nabe liegendes Biel, um nicht die 

he danach anzuregen. WBorerit galt es nur einem. Iheil 
des Gebäudes, welchen daB Kerdinand'fihe Mufeum inne hatte 
und nach Erftehung feinee neuen Hallen räumen follte. Die: 
fen nahm der Superior der deutfch-öftreichifchen Drvdenshäufer 

& eine dem Zandtage überreichte Worftellung in. Anfpruch, 


Otudienkofcommiffion zurüd. 
Eine Gegenwirtung wider alle diefe Anmaßungen 





i 


konnte nicht ausbleiben. Die auf. ruhige Forſchungen 
gegründeten Vortraͤge des Benedictiners Albert. Jaͤger, 
ber vielleicht der alten Stellung feines Ordens eingeben? 
dem Jefuitismus den Spiegel der Gefchichte vorhielt, 
wurden mit lautem Beifall begrüßt; der Verſuch eines 
Sefuiten, bie Schränke des Ferdinandeums zu öffnen, um 
des Manuferipts biefer Vorträge habhaft zu werden, 


| vief allerlei fchlimme Nachreden hervor, benen die Obern 


nur durch feine Entlaffung begegnen zu Tönnen glaub» 

ten; und die Weigerung der Gefellfhaft, ihren Sacriſtan 

bei einer Diebftahlsunterfuchung vor Bericht zu ftellen, 

veranlaßte endlich die Hofkanzlei zu dem Auftrage, dem 

weitern Umfichgreifen bes Ordens Einhalt zu thun. 
(Die Bortfegung folgt.) 





Romanlitereatur. 


1. Leben und Lieben, Dichten und Trachten des Amtsfchreibers 
Michael Häderlein. Bon Fernand. Wien, Gerold. 1846. 
&r. 12. 1 Thlr. oo 

Wenn der Lefer feinen nei einmal ausruhen will von 
Seitfragen und großen Reidenfchaften, und fich erquidten möchte 
an der Poeſie des einfachen Menfchenlebens, des guten und 
ſchlechten Menfchenherzens, fo nehme er das vorliegende Büch⸗ 
lein zur Hand: es iſt die Lebensgeſchichte eines unehelich gebo⸗ 
renen Kindes, eines Kindes der tiefften Armuth. Diefes wird 
ber Milchbruder eines jungen Grafen, erhält dadurch eine ſorg⸗ 
faͤltige Erziehung, welche ihn zum Amtsſchreiber qualificirt. 

Durch ſein träumeriſches Weſen, durch ſein uͤbergutes Herz ſteht 

er eigentlich iſolirt unter den Menſchen, die ihn verlachen und 

misbrauchen. Er kann im Amt nicht. Strenge üben, weil er 
nicht wehthun mag; er verfauft Die Uhr, welche der Graf ihm ge: 
ſchenkt, um der Zamilie, die cr pfänden fol beizufteben. 

Überall ſiößt er an und macht fi felbft Worwürfe, mann An, 

dere ihm webgethan, Er ift auch Dichter. Weil er in der 

Nacht im Felde umberfchleicht, um zu dichten, hält man ihn 

für den Stifter einer Keuersbrunft, obgleich er beim Löfchen 

fo thätig war, daß er. beinahe verunglüdt wäre. Zwei Jahre 
dauert es, ehe er dom Verdacht gereinigt wird. Unterdeß ift 
die Kammerjungfer, welche er liebt, ihm untreu geworden, hat 
ein Verhaͤltniß mit einem fchönen Jäger angefnüpft, ber 
fie um einer reihen Braut willen verftößt und ihr Kind ver: 
leugnet. Häberlein ſchreibt das Protokoll bei der gerichtlichen 
Verhandlung, und bingeriffen von dem Unglüd des Mädchens 
und von feiner alten Liebe zu ihr, erklärt er ji für ben Ba- 
ter ihres Kindes und Beirathet fie. Weit fie von den Frauen 
der Amtsdiener, wegen ihres Vergehens fcheel angefehen wirb, 
will Häderlein nad) einem höhern Poften ftreben und ftudirt 
fleißig, um ein Eramen zu beftehen; da er aber E das 

Recht, mas mit uns geboren ift, als die Rechte im Kopfe hat, 

wird er vom Eraminator für unfähig erflärt. Die Gräfin, 

feine GSoͤnnerin, hat ihm 1000 Thaler zur Hochzeit ſchenken 
wollen; dieſe hat der Amtmann unterfihlagen. Da derfelbe ins 

Zuchthaus kommen foll, gibt ihm des Amtsfchreibers Frau eine 

Quittung darüber; und Haͤderlein, welcher nicht begreift, wor 

bin die —* das Geld gebracht, wird auf den Verdacht hin⸗ 

geleitet, daß ſie es ihrem fernen Geliebten, dem Jäger, zuge: 
wenbet und mit dieſem noch in einem Liebeöverhältniß ſteht. 

Daran ſcheitert fein eheliches Gluͤck, und trog allen Ermah⸗ 

nungen feines guten Herzens kann er bie Giferfurht nicht bes 

waͤltigen. Rad Sahren wird das Misverftändniß: enblich. ge 
hoben und das Gluͤck wiederhergeftellt. Bulegt findet ſich auch 
noch fein Vater, ein reicher Freiherr, der ihm fein großes Ber 
mögen und feinen Namen vermadt. Laura und feine Mutter 
find aber dann ſchon todt; es lebt nur noch des Jägers Tochter, 
welche er- aboptirt bat. Diefe fkattet er mit 60,000 en aus; 


’ “ 
% 882 


mit dem übri Bermögen hilft er der gräfficden Familie 
wieder auf, welche durch Kriegägeit und Mangel an Berechnung 
verarmt ift, und trägt ſomit an feinen Wohlchaͤtern die Schuld 
der Dankbarkeit ab, I Alles, was fie an ihm gethan. Die 
Geſchichte iſt ſehr einfach, gehört ganz dem gewöhnlichen Leben, 
Dem niedern Kreife der Geſellſchaft an, aber ihre Ausfhmüdung 
it von fehr poetifcher Arts ein frifcher Humor ift über das 
Ganze ausgeftrömt und tritt ein, wann das Befühlsieben zu 
wei wird; die eingefügten Gedichte find ſchoͤn, vol tiefen Ge 
fühle, ohne Bombaft und Wortfpielerei. ganze Roman 
iſt el entlich ein fchönes Gedicht, an Inhalt und duslhmbdung 
ein ſtwerk. Ref. bedauert aufrichtig, von dem Autor Wer: 
nand noch Richts gelefen zu haben, und hofft noch recht Vieles 
von ihm zu lefen. Talent und Genie, Geiſt und Herz find bei 
iym gut Feet; die Tendenz ift weder ariftoßratifh noch de 
moßratifh, fondern rein human, ohne ale Rebenabfidht. 
Das vorliegende Wer? hat uns wahrhaft erquidt in der Ein: 
fachheit feiner Darftelung mit dem tiefpoetifden Kern. 


3. Adele. Novelle von C. Hoffmann. &toliberg, legel. 
31846. 8. 32, Nor. Sqhles 

Nur 12 Bogen umſchließt das vorliegende Bändchen, doch 
diefe 12 Bogen enthalten unendlih viele Begebenheiten. 
Ein polniſcher Graf iſt angeklagt, die Bauern aufzınviegeln, 
und muß nad Peteröburg, um fich zu rechtfertigen. Wir er- 
fahren bei diefer Gelegenheit Etwas über ruffifche Geſetzgebung 
eine Tochter, die Heldin des Romans, flüchtet in ihrem funf- 
zehnten Jahre mit einer Summe von 110,000 Silberrubeln nach 
Göttingen; dort lernt fie einen Studenten Tennen und verliebt 
fi in ihn. Der Student bat mancherlei Erlebniſſe: er wird 
Falſchmuͤnzer und flühtig, kommt nad Paris; wird dann 
auf der Reife nach Amerika von Eorfaren gefangen, nach Al⸗ 
ier geführt, entflieht mit einer fchönen Italienerin, in Ita: 
ıen ungeheuer reich; in Paris erlebt er die Greuel der Revo: 
Iution und erkennt im er Adele, die mit ihrem Vater ver: 
eint im ganzen Glanze ihred Ranges auftritt. Jetzt ſteht der 
Verbindung ber zwei Liebenden Nichts mehr im Wege als daß 
der Held ein Bürgerliher iſt. Eins der erften Gapitel hat in» 
deß einer Bande Zigeuner erwähnt, welche einem vornedmen 
italienifchen Haufe einen Knaben geraubt und diefen nad) Deutfch- 
land ‚geführt hatte. Man entdeckt zulegt, daß unfer Held die 
fe8 Kind ift und er wird glüdlid) mit Adele. Wir fpracdhen 
bier nur von den Begebenheiten der Heldin und des Helden; 
es gibt aber noch andere Fa welche Biel erleben. Mar 
und Sachſe machen auch Anfprühe an bed Leſers Auf: 
merkſamkeit; fie haben auch Lebensgefchichten, Abenteuer und 
Ereigniſſe. Kurz, dad Werkchen ift vol Lebens doch ift Alles 
fo raſch erzählt, daß man ſich nicht dafür intereffiren Bann; 
dem Leſer wird Feine der einzelnen Perſonen lieb, weil Beine 
liebenswürdig iſt; felbft Held und Heldin find ed nicht. Des: 


halb leidet man nicht mit ihnen, wann fie getrennt werden, 


zittert nicht, wann ihnen ber Untergang droht. Die Sprache 
if ſehr gemöhnlid und beutet auf eine ungeübte Feder, wie 
das Ganze Fein Zalent verräth. 


3. Mohntörner. Geſammelte Erzählungen von Ernft Ritter. 
Zwei Bände. Peſth, Heckenaſt. 1846. Gr. 12. 3 Ahlr. 6 Nor. 
Das Vorwort fagt: „Die Novellen, welche ein alter Muͤ⸗ 
Biggänger hier gefammelt dem Yublicum übergibt, erzählen bie 
einfachften Dinge mit den einfachften Worten. In ihnen ge 
ſchieht durchaus nichts Außerordentliches, ja in den « Herbft- 
wochen am Gee» geſchicht eigentlich gar Nichts! Deſſenungeach⸗ 
tet hoffen wir, daß unſer Buch nicht ohne Inhalt und auch 
wol nicht gänzlich ohne Gehalt fein werde. Es ift, wie ſchon 
fein Titel andeutet, beftimmt, den Lefer fanft in einen ruhigen 
Schlummer zu Iulen! Hält es ihn wider Erwarten wach, feſ⸗ 
felt es — ſogar ſeine Aufmerkſamkeit, ſo müſſen wir uns 
mit dem leidigen —*8 entſchuldigen: daß man nicht immer 
kann wie man will! Wie dem nun ſei, wir haben Richts wei⸗ 
ter zu unſerer Entſchuldigung zu ſagen und ſchließen mit dem 


Bunſche des Abu Gelb von Berug: «Bewahre uns vor De 
wen, die loben, — ehe fie unfern Werth erproben; — wie vor 
Denen, die ſchelten, — ehe fie wiſſen was wir gelten. — Schute 
uns vor der Gönner Überſchaͤgung, — wie vor der Misgoͤnner 
Herunterfegung!» (Uus den Makamen des Hariri.)” Di 
anmuthige Vorwort ift ganz geeignet, den Leſer auf das An: 
muthige aufmerffam zu machen, welches die vorliegenden Blät: 
ter bringen. Der Autor bat ihren Werth richtig erkannt, wenn: 
leich er diefe Erkenntniß mit allzu großer Wefcheidenheit aus: 
richt. Die beiden Novellen des erften Bandes, „Schloß Vart 
berg” und „Gerhardine“, zeigen, wie Liebe Berhältnifie über: 
windet: in der erften Rovelle ift es ein junger Pürft, der ein 
armed Dorflind Heirathetz in der zweiten vermäplt " der 
jängere Dann mit der ältern Frau. Im erften Falle if der 
Ausgang befriedigend, weil das Bauernkind fi) den neuen 
Berhaͤltniſſen anpaßt und ihre Berwandten von dem um 
ra eyaar fernhalten; die Heirath mit der ältern gu 
at die gewöhnlichen Folgen einer ſolchen Berbindung: 
druß und Untreue des jungen Mannes. Während der Pflege 
[einer rau verliebt er ſich in feine Stieftochter, und abermals 


kaämpft das Gefühl gegen Verhaͤltniſſe. Nach dem Zode der 


Gattin find die Betheiligten nahe daran, zu erliegen, als dei 
jungen Mädchens ältere Schwefter fi ins Mittel fchlägt. &% 
auch hatte geliebt und zwar denfelben Mann, ber fpatır in 
Stiefvater ward; fie hatte ihre Liebe und Eiferſucht gegen I 
Mutter zu bekämpfen gehabt und gefiegt, indem fie einem üb 
tern Manne die Hand reichte und ji fo vom &chauplage ih⸗ 
rer Schmerzen entfernte. Sie Eonnte aus @rfahrung fpreher 
und fand das rechte Wort, die Schwefter zur Flucht zu ber 
den. Begebenheit und Grzählung find fehr einfach, doch ſo 
natürlih und wahr, daß man Alles zu durchleben glaubt. 
Daß die Novellen rein ſittlich gehalten find, ift aud eins de 
mannichfachen Berdienfte. . 





Literarifhe Anzeige. 
En vente chez F. A. Brockhaus & Leipzig: 


Dictionnalre 


ou Manuel - lexique 
DU DIPLOMATE ET DU CONUL 


le Baron Herd. de Oussy. 
12. Broch. 3 Thir. 


Yublications de ia meme malsen: 


Rocueil manuel et pratique de traitös, conventions et 2% 
tres aetes diplomatiques sur lesquels sont #tablis les relation 
et les rapports existant aujourd’hui entre les divers da 
souverains du globe, depuis l’annde 1760 jusqu’a lepoqu 
actuelle. Par le Baron Ch. de Martens et le Bar 
Ferd. de Cussy. Tomes premier et seoond. 8. 184. 
Broch. 4 Thir. 16 Ngr. Ä 


Guide diplomatique. Par le Baron CR. de Marten: 
2 vols.. 8, 1832 4 Thlr. 15 Ngr- 


Gauses cölöbres du dreit des gons. Par le Baron Oh. de 
Martens. 2 vols. 8. 1827. 4 Thir. 15 Ner. 


Houvelles causos cöldbres du droit des gens. Par le Bare 
Ch. de Martens. ? vols. 8. 1843. 5 Thir. 10 Ne 


Histoire des du droit des gens on Europe © 
Amörigno depuis la paix de Westphalie jusqu’& nos jou* 
Par Henry Wheaton. Seconde eäition, rerue, 
rig6e et augmeatee par l’auteur. 2 vols. 8, 4 Thlr. 


Berantwortliger Herausgeber: Heiurich Wrodyans, — Drud und Berlag von F. X. Brockhans in Reipzis. 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


_—— Kr. 214. —— 


2. Auguft 1846. 





Die jefuitifche Reaction und der ideale 
"Katholicismus. 
( Yortfegung aus Nr. 213.) 


Außer Tirol und Stalien find die Sefuiten im Um- 
fange des öftreichifchen Kaiferftaats noch in Linz, Gräg 
und Galizien anfaßig. Am erftern Orte aber 


macht man ed dem Gefinde bei der Aufnahme zur Bedingung, 
bei ihnen nicht zur Beichte zu gehen; und in der frobjinnigen 
Yauptftadt der Steiermark misglüdten ihnen alle Verſuche, 
die Schulen und hierdurch die Jugend fammt ihrem Aubehör 
in die Hände zu befommen. 

In Wien felbft find die Jefuiten „mit langen Röden‘ 
befanntlich noch nicht anſäſſig. Dagegen befindet fich 
dort eine Niederlaffung ber ihnen „in Sinn und Regel‘ 
verwandten Liguorianer oder MRebemptoriften, welche ein 
tt. Deeret vom 19. April 1820 in bie Laiferlichen 
Staaten aufnahm. Diefer Congregation, „die fih in 
unchriſtlichen Hochmuth die Verſammlung des allerhei- 
Ugſten Erlöfers nennt”, widmet Schufella in feiner 
—— angeführten Schrift einen beſondern Abſchnitt. 

ag: 

Sie find als wahre Bettelmönde in Wien eingezogen, 
und nun haben fie fich bereits zwei große Häufer gebaut, ihr 
Perfonal ſehr vermehrt und find dennod) im Stande, bedeu⸗ 
tende Summen öftreidhifhen Geldes nah Italien, Spanien, 
Pertugal und Amerika zu fenden. Ihr vornehmfter Anhänger 
und Gönner, der Herr Erzherzog Marimilian von Efte, ſchenkte 
ihnen ein in der Mähe Wiens gelegenes Landhaus mit großem 
Sarten, wo fie nun in reigender Ländlichkeit ihr Noviziat und 
ihren Erholungsort haben. 

Et fährt fort: 

Der Sache und dem Geifte nach unterſcheiden fi die Li- 
guorianer von den eigentlihen Sefuiten nur dadurch, daß fie 
nech verderblicher und gefährlicher wirken als diefe. Sie ver: 
folgen die ſchlimmſten jefuitifhen Zwecke mit rückſichtsloſeſter 
Entfhiedenheit und durchaus ohne die mildernden und vermit⸗ 
telnden Formen des eigentlichen Jeſuitismus ... Die Liquoria⸗ 
ner predigen die barfte, nadtefte Dummheit und verfünden mit 
empörender gottesläfterlicher Dreiftigkeit, daß eben nur in Die 
fer Dummheit, d. 5. im völligen Aufgeben aller Bernunftthä« 
tigkeit, im blindeften Legendenglauben, im Eindifheften Ceremo⸗ 
nienfpiel, d. h. alfo im gänzlichen Berzichten auf alle gottähn- 
liche Menilichkeit und Menſchenwuͤrde, das diesfeitige und jen⸗ 
ſeitige Heil der Menfchheit Liege. Die Liguorianer wollen im 
kirchlichen, häuslichen und öffentlichen Leben jenen zelotifchen 
Eynismus wieder einführen, der im Mittelalter bis zu folcher 
Renſchen⸗ und Gottihandung verfank, daß z. B. eine deut: 


fche Fürftin Bott einen wohlgefäligen Dienft zu leiften wähnte, 
wenn fie das Waſſer tranf, in welchem fih Mönde die Füße 
gewafchen! 

Der Zweck der Liguorianer ift Verfinfterung bes geiftigen 
Lebens, Zrübung aller Verhältniffes Schwächung der weltlichen 
Macht, um die geiftliche, die paͤpſtliche wiederherzuſtellen; 
Knechtung der Hohen und Niedrigen, der Fürften und Böl- 
fer... Sie find zu gleicher Beit Ariſtokratenknechte und Der 
magogen. Sie fhmeicheln allen Küften der Hohen und regen 
zugleich die. NRiedern auf, indem fie auf der Kanzel und im 
Beichtjtuhl alle Übel der Zeit als die Folge der gottlofen Üp⸗ 
pigfeit und berzlofen Ichfucht der Vornehmen darftellen. Wir 
tadeln daß Leptere natürlich nicht an fi: wir fegen es nur in 
Gegenfag zu der kriechenden Unterwürfigkeit, mit welcher diefe 
Monde den Hohen gegenüber jedes Lafter befchönigen. Sie 
fuhen Gunft und Geld der Reihen und Mächtigen zu gewin: 
nen, indem fie ihnen verfprechen, die alte Zeit wieder herein: 
auführen, die für die Ariftofraten eine fo gute Zeit gewefen. 
Mit Hülfe der Ariſtokraten fuchen fie Macht über das Volk 
zu erringen, und diefe benügen fie wieder, um die Ariftofraten 
einzufhüchtern, d. h. ſie wollen eben alle Stände beherrſchen. 
Sie predigen ferner die feindfeligfte Unduldfamkeit, machen den 
Proteſtanten den chriftlicden Namen ftreitig und ftellen fie als 
ein durchaus verworfenes, und ewig verdammtes Geſchlecht Dar. 
Alles Unglück, welches Oftreih nach Joſeph II. getroffen, ift 
nach der Lehre der Liguorianer nur eine Strafe fur das Tole⸗ 
rangpatent und die Aufhebung der Klöfter geweien. Sie ma: 
chen überhaupt gegen das öftreihifche Kirchenrecht in öffentli: 
hen Reden und Schriften und noch mehr in der Beichte auf 
eine Art Oppofition, für die jeder weltliche Schriftfteller oder 
Redner ohne Weiteres ins Zuchthaus kaͤme. Wohl wiſſend, wie 
bedenklich für DOftreih der Kampf der Nationalitäten fei, fu: 
hen fie fi auf jede Weife des Slawismus zu bemächtigen 
und beweifen dadurch am bdeutlichften, wie fie gegen Oſtreich 
gefinnt find. Sie nehmen befonders viele Slawen in ihre Ber- 
fammlung auf, balten in Wien czechiſchen Gottesdienft und 
baben fait ale Stawen zu. Beichtkindern. Ihr vorzüglichfte 
Augenmerk ift auf Böhmen gerichtet, wo fie einen mächtigen 
Wirkungskreis zu erringen hoffen koͤnnten; und nur dem be: 
harrlichen Widerftand der deutichen Stände Böhmens verdankt 
man ed, daß Böhmen bisher von offentundigen Liguorie: 
nern noch rein geblieben. 


Anziehend ift, was Schufella über bas Benehmen 
der Liguorianer gegen den aus ihrer Gongregation aus⸗ 
getretenen geiftvollen Kangelrebner und Schriftſteller 
I. €. Veith, ſowie gegen den nun zum Propſt von 
Klofter-Neuburg erwählten würdigen Hofprediger Sedlaczek 
und gegen bie ihren Abfichten nicht huldigende Welt- 
und Kloftergeiftlichkeit im Allgemeinen berichtet. Es 
gebt daraus hervor, daß es in Oſtreich noch Leute gibt, 


854 


welche glauben: eine „chriftlich » wiffenfchaftliche” Bildung 
fei auch ohne die Ratio studiorum und ohne das aus Li⸗ 
guori gefchöpfte „Compendium theologiae moralis”’ Moul« 
let's erreichbar; — freilich, in jenen Kreifen darf man fie 
nicht fuchen, wo bie. Herren Jarcke und Pilat ben Zon 
angeben, wo man Hurter mit offenen Armen. aufge: 
nonmen hat. | 

In der Schrift Nr. 2 ift, ferner, und dafür füh- 
Ien fi) gewiß Ale, die an Oſtreichs Wohl theilnch- 
men, dem Verf. zu Dank verpflichtet, der nachtheilige 
Einfluß berührt, den „einige hochgebildete und edelmüthige 
Frauen der höchſten Gefellfchaft” in kirchlichen Din⸗ 
gen. üben. Es heißt: 

Bir find völlig überzeugt, daß diefe Durch hohe Zugenden 
audgezeichneten Frauen ed fehr gut und ehrlich meinen. Sie 
glauben durch Unterftügung des neuen Moͤnchthums wirklich 
etwas fehr Heilfames und Gottgefälliges zu thun; aber woll- 
ten fie fih doh vom Gegentheil überzeugen laflen und ein: 
feben, daß fie in ihrem gutmuͤthigen Wahn den Samen bluti: 
ger Zwietracht freuen und dadurch erft den Verfall der Sitt⸗ 
lichkeit veranlaffen ! 

Durch die Gunſt diefer Frauen wahrſcheinlich ift es 
den Liguorianern auch gelungen, 
einige ihrer weltlidden Creaturen als Lehrer in eine hohe Fa— 
milie zu bringen, deren Geſchick mit der Zukunft DOftreiche, 
alfo Deutfchlande, eng und verhängnißvoll verfnüpft ift. Schon 
die Gegenwart Oftreichd bietet Schwierigkeiten und Gefahren, 
die nur durch geiftigen Aufihwung beſchworen werden können; 
aber die "Zukunft Oftreihs wird noch ſchwieriger fein und 
durchaus nur von einem freien Geifte gefaltet und geleitet 
werden Fünnen. Diefem freien Geifte aber arbeiten die Liguo⸗ 
rianer und ihre weltlichen Helfershelfer entgegen, und lehren 
befonder8 die Befthichte durchaus noch immer im: Geifte Phi: 
lipp's IL und Ferbinand's U. Dadurch Bann über Äſtreich 
und das Haus Dftreih namenlofes Unglüd gebracht werden. 

Hr. Schuſelka weift nun gerade durch bie Gefchichte 
nach, daß Rom und die Jefuiten von Karl V. an ſtets 
feindfelig gegen die Intereffen Oſtreichs verfahren feien. 
Es ift dies Benehmen ganz natürlich und man könnte 
die Nothwendigkeit befjelben fogar a priori begründen: 
denn zwei Gewalten, die fih als die höchften fegen, 
müffen in ewige Grenz» und Competenzfireitigfeiten ver- 
widelt fein; alfein wie beforgen faft, des Verf. treffliche 
Abhandlung werde gerade dort, mo man ſich bie Ergeb- 
niffe folcher Forſchungen zu Derzen nehmen follte, ohne 
Wirkung bleiben. Denn «6 ift leider nur zu wahr, was 
Hegel fagt („Philofophie der Geſchichte): 

Man verweift Regenten, Staatsmänner, Bölker vornehm⸗ 
lich an die Belehrung dur die Grfahrung der Gefdhichte. 
Was die Erfahrung aber und die Seſchichte lehren iſt diefes: 
daß Völker und Regierungen niemals Etwas aus der Geſchichte 
gelernt und nach Lehren, die aus derfelben zu ziehen gewefen 
wären, gehandelt haben. 

Für die Rüdfchritte, weiche man feit einem Viertel⸗ 
jahrhundert in Oſtreich wahrnimmst, macht bie öffentliche 
Dleinung das anerkannte Haupt der Staatsverwaltung 
verantivertlich, während fie zugleich einem andern hoch» 
geftellten Staatomanne das Berbienft zufehreibt, ſich ber 
Sache des Fortſchritts (Dr. Hurter verzeihe uns dieſes 
anrüchige Wort!) anzunehmen. Die unparteiifche Ge- 
ſchichte wird einft das Urtheil fprechen; und wie das 


aus Protokollen und Bonmots zufammengeflidte Karten- 
haus des Tallegrand’fchen Ruhmes eingeflürzt, wie, si 
licet parva componere magnis, der patriotifche Heiligen 
fein um Geng’ Haupt erblichen ift und dem fahlen 
Schimmer Plag gemacht hat, der auf Fäaulniß deyter: 
fd wird, fürchten wir, der diplomatifche Gegner Napo- 
leon’6, welcher Oſtreich vom Corſen befreien Half, es aber 
bier dem Zaren, dort ben Jefuiten überlieferte, der Nach⸗ 
welt faum in dem Lichte erfcheinen, das den flaatsmän- 
niſchen Gegner Friedrich's II., den großgefinnten Gehül⸗ 
fen Maria Thereſia's und Joſeph's II. umglaͤnzt. Vie: 
leicht gefchah in diefer Vorausfiht die Ernennung eine 
neuen Reichehiftoriographen; — leider erfreuen fih aber 
diefe in Europa nicht des nämlichen Monopole wie in China, 
und pflegt man bei uns gerade das Gegentheil von 
Dem zu glauben mas fie fchrieben, felbft wenn fie eine 
gewandtere Feder führen als Hr. Hurter, an deffen „Ge 
burt und Wiedergeburt” Nichts bezeichnender ift ald der 
Titel, da der Verf. im Laufe des Werkes wirklich oft 

Eindifch: wird. j 
Da Hrn. Hurter’d künftiges Wirken Oftreich gemid- 
met fein wird, fo ift hier wol der Ort, fein bisheriget 
nicht zu. fchildern — diefe Mühe hat er felbft übernom: 
men —, fondern blos kurz zu charakterifiren; und zu die 
fem Zwecke bietet uns unter Nr. 6 genanntes Wal 
überreichen Stoff, auf den wir ums auch ausfhliefend 
befehränten wollen. 
. (Die Bortfegung folgt. ) 





RNeifeliteratur. 


Reifen und Länderbefchreibungen der ältern und neueften Zeit. 
Herausgegeben von E. Widenmann und 9. Hauff. 
Bierundzmwanzigfte bis neunundzwanzigfte Lieferung. 


Indem wir hier vier neue Lieferungen dieſer Tb 
hen und anziehenden Sammlung von KReifewerken gleich 
zeitig überbliden, drängt fi uns wiederum die Bemerkung 
auf: wie groß der Unterfhied und die Mannichfaltigkeit 
in den Erſcheinungen bdiefes‘ Literaturzweigs find, je nachden 
diefelben entweder hervorgerufen werden von der Eitelkeit, der 
feivolen Luft der Bewegung und der Ortöveränderung, IM 
MRüßiggange und von der Reugier; oder aber von einem EM 
ſten waſſenſchaftlichen Bedürfniß, vom Drange nach Wahrheit 
und Forſchung; und wie ſehr zu bebäuern ift, daß bie erttag⸗ 
Iofen Grzeugniffe der zuerſt genannten Motive den fruchttta⸗ 
genden und mit Aufopferungen aller Art errungenen Erwer 
bungen der zweiten Art nicht felten. Raum und Theilnahme in 
der Leſewelt entziehen. Die Herausgeber der vorfichend angr 
zeigten Sammlung befchäftigen ſich bekanntlich nur mit Ber 
Een der letztern Art, mit Arbeiten älterer und neuerer det, 
denen ein bleibender und wiſſenſchaftlicher Werth beimohnt, die 
dem Kenner, dem Worfcher, dem gebildeten Geiſte dauernde 
Befriedigung darbieten. 

In diefem Sinne bringt die vierundamwangigfte Sieferut 
zunächft Ignaz Pallmes Beſchreibung einer in den 3. 1 
und 1839 zurüdgelegten Reife in Kordofgn und den angre® 
zenden Rändern. Die Weile in Korbofan hat vorzuͤglich der 
MMenfchen, die Natur und die feltfame Ast von Regierung IM 
Yuge, welche Mehemed Ali von Agupten über die reichſten Bar 
dertheile von Afrika walten läßt. Der Verf., ein Böhme, BF 
fuchte diefe Länder urfprünglich zu Handeiszwedten; alein ſein 
mit größter Anfpsucpslofigbeit gegebene Erzählung erhob 








0 


in mehren Punkten bafb zu wiſſenſchaftlichem Warthe, waͤhrend 
ihe der Charakter genauer und unmittelbarer Beobachtung treu 
blieb. Seine naturhifterifchen Nachrichten mögen hin und mie 
der der Berichtigung bedürfen; aber maß er in einfadher Dar: 
fellung von den Voldsfitten, Gebräuchen, Bedürfniffen, Cha: 
rafteren, Reigungen und Anlagen der von ihm gefchülderten 
größtentheild halbwilden Volksſtäͤmme berichtet, hat Gewicht 
und verdient vollen Glauben. Vorgefaßte Meinungen find ihm 
fremd, und ein Streben, den Thatſachen eine vorbeftimmte 
Farbe zu geben — der Hauptfehler englifcher und franzöfifcher 
Reiſenden —, ift bei ihm nirgend wahrzunehmen. 

Kordofan, die füdlichfte Provinz der Staaten des Vice⸗ 
königs, hat im Süden das Rubagebirge, im Norden Dongola, 
im Weſten Darfur und im Often bie Schelufberge zu Grenzen. 
Die füdlige Grenze wechfelt je nach dem Stande der Exuptio: 
nen der wilden Nachbarn aus den Regerftämmen. Der Verf. 
fhildert uns die einzelnen Stämme, wie er fie kennen lernte, 
welche die auf etwa vier Breitengrade ausgedehnte Landſchaft 
wohnen. Eine alte Lehre, in jüngerer Zeit feit Cook und 
Rouffeau vielfach verfannt, findet in feiner Schilderung wie 
der eine Präftige Bertätigung, die Lehre nämlich: daß der 
Menſch da, wo er nicht dem Drude der Raturbedingungen oder 
jeines Rebenmenfchen unterliegt, ein frohes, lebensfreudiges, 
genügfames, gutmüthiges und geduldiges Geichöpf if. Rur 
da, wo die Civilifation halb und unverhältnißmäßig hinein» 
dricht, wo der Drud eine an Gegendruck nicht gewoͤhnte Secle 
belaftet, wo eine alte Lebensform mit Gewalt geändert werden 
ſell: da bricht die Heimtüde, die Bosheit, die Grauſamkeit 
und Gewaltliebe bervor, welche zwar auch in ber Menſchen⸗ 
natur liegen, aber in feften Lebenszuftänden von den natür» 
lichern Trieben bewältigt werten. 

Die Regierung dieſer armen Menfchenfamilien ift nun bie 
graufamfte und gierigfte, die fih denken läßt. Den fünf Be- 
zirten von Kordofan fteht ein Kaſchaf, gemöhnli Hauptmann 
eines Rinienregiments, vor; folher Kaſchafs mit unbegrenzter 
Gewalt find in Korci, Bara, Käfchmär, Abuharaß und Dayara; 
fe treiben die Raturalfteuern ein und befördern die, in ben 
SHavenjagden erbeuteten Horden nad) Dongola und Ayypten. 
Das Land befteht aus zahlloſen Beinen Dafen, die ſtark bes 
wehnt find, wenigen Waldern, einigen Bergen, meiftens aber 


m Wüßenfand. Die Temperatur ift mit faft unmerklicher Ab» 
wtichung im Jahre 36—4U Grad in der Mittagszeit, 1618 


m der Naht; die Raturphänomenc find die der Wuͤſte. Im 
Juni tritt die naſſe Jahreszeit ein; während dieſer Periode 
fällt täglich eine Biertelftunde lang ein gewitterartiger Plagregen. 
Die Ratur erwacht, Alles fteht in üppigfter Pracht, dad Gras 
erreit die Höhe eined Reiters; Kordofan erſcheint wie ein 
Paradies, in deffen natürlichen Laubgängen frohe, tanzende 
md fingende Menſchenkinder forglofer Freude leben. @ingvös 
gel aller Art, das bunte Gefieder der Papagaien und Kolibris, 
Seullen, Antilopen, Strauße und Giraffen, bunte aber uns 
Khatlige Schlangen und anderes Gethier durchirrt diefe Pflan⸗ 
—* nur der fremde Menſch erkrankt. Nach dem Regen 

gt auft neue Die Hige, die erſt im Detember und Januar 
fi mildert; zulegt fällt das Thermometer Nachts bis auf 
6-4 rar. 

Die Ureinwohner Kordofans find Ruba:Reger, und felbft 
Kordofan it ein nubiſches Wort, ber Name eines Berges bei 
der Hauptfladt Dbeidha. Im J. 1779 fiel das Land in die Ge 
walt des Beherrſchers (Melik) von Sennaar; feitdem ift die 
crabiſche Bevölkerung aus Sennaar und Darfur die herrſchende 
geworden. Bara, von Dongola erbaut, unterlag dem Def 
terdar Rehemed Ali's im I. 1821, und feit diefer Beit herrſcht 
der ägnptifche Soldat in Kordofan. Armuth wurde das Loos 
der Einwohner, welche in die drei Sauptftämme Neger, Bat: 
kora und Arab zerfallen, zwifchen welchen bie Dongola als 
Kaufleute wohnen. Diefe Bevöllerung, welche 13 verſchiedene 
Dalekte ſpricht, ſteigt mit den wandernden Balkgra (Hirten) 
anf eine Halbe Million Menfchen. Der Verf. berichtet entfep 


liche Geſchichten von der Graufamfeit des Defterdar und feis 
ner Ygyptier, rührende von bet Gulmüthigkelf und Kindlichkeit 
diefer Stämme ; wir müffen fle indeß übergehen. Das Land ift 
um Wohlftand berufen; das Zuckerrohr wächſt ohne Pflege; 
ndigo, Gummi und das Zhierreih bieten reicheo Quellen dar; .. 
20, Stüd Hornvich [hießen jährlich über den Bedarf über; 
allein die eiferne Ruthe der Despotie erſtickt alle Diefe Keime - 
des Wohlftandes. ' 

Die Einfachheit der Sitten und (Gebräuche, die rührende 
Anhänglichkeit der Famılienglieder in diefen Stämmen zeichnet 
der Verf. mit gerechter Vorliebe. Die Dörfer beftchen aus 
mehren Gruppen von Zuffoli (Hütten), rund und etwa 12 Fuß! 
im Durchmefler, aus Rohrgeflecht und im Innern mit bunten, 
Strohmatten behängt; dad Angalab (Gurtenbett) mit Matten 
belegt, Schlaftele und Divan, bildet darin das Hauptmeubel; 
einige Krüge (Burma), Zöpfe für die Merilfa, ein beraufcen: . 
des Bier, Strohſchuͤſſein aus Palmgefleht und eine Thonſchuͤf⸗ 
fel (Dofa) zum Brotbaden, bilden mit einem ledernen esin 
und etlichen Lanzen gewöhnlich das ganze Geräth der Tukkoli. 
Reihe Familien haben Deren mehre, die eine Dornumzäunung 
in ein Gehöft vereinigt; das Vich wohnt in diefer Umzäunung. 
Die Lebensweife ift Die einfachfte. Iſt die nothwentigfte Ar: 
beit gethan, fo verfammelt ſich die ganze Bevölkerung an eis 
nem Ichattigen Plage im Dorfe; die Alten laffen den Meriffa- 
Erug umgehen, das junge Volk tanzt oder fingt zum Schall der‘ 
Zarabufa (Handtrommel). Häufig find Streitigkeiten zu fchlich- 
ten; dies gefchieht Durch eine Art Duell mit Peitfchen aus Nil: 
pferdhaut. Männer und Frauen erfcheinen in derfelben Ras 
turtradt; ein Hemd, der Schild bei den Männern, dad Haar⸗ 
geflecht bei den Frauen, mit Butter und DI geiteift, bilden bie 
ganze Umbüllung. Armſpangen von Horn und Kupfer, Schnüre‘ 
von böhmifchen Glasperlen, und Goldblättdyen auf der Stirn, 
fowie Fingerringe, find beim ſchönen Geſchlecht ſehr belicht. 
Sandalen find nur dem Reichern geftattet. Der Stolz des 
Mannes ift ein zweifchneidiged Schwert. Dem Charakter der 
Einwohner, ihrer Saftfreundfchaft, ihrer Zreue und Anhaͤng⸗ 
lichkeit zollt der Verf. das größte Lob; der Zaͤhzorn iſt ihr 
größter Fehler, doch entladet er fi meiftens im Geſchrei und 
geht ohne Blutvergießen vorüber. Die Schilderungen feines 
Meifelebens gibt der Erzähler in einem Gewande, daB durch 
feine Ginfachheit anzieht und gefüllt. In Obeidha traf er mit 
Dr. ten, einem Hanoveraner im Dienft des Vicefönigs, zus 
fammen. Er berichtet fodann über die Sflavenjagden Mehemed 
Al’, von denen die des 3. 1838 mit einem Heere von 2400 
Mann Infanterie, 750 Beduinen, 2300 Mann Gavalerie, 300 
Dromedarreitern und. 1200 Landesbervohnern und drei Kanonen 
vollzogen wurde und über 5000 Sklaven einbrachte. Meiftend 
en fih die angegriffenen Ortſchaften felbft oder werden 
von ihren Oberhäuptern überliefert, und was die Flucht er: 
greift wird wie das Wild gejagt; die Gefangenen werden je 
doch menfchlich behandelt. 

Hiernaͤchſt folgen Nachrichten über den Bahr el Abiad, 
den Weißen Ru, bie für problematifh gehalten werden 
müflen. Der Fluß fol ſchon in Runga, —— von Dar⸗ 
fur, ſehr breit aber nicht tief fein, Bakkara, Dynka und 
Scheluk durchſtrͤmen, in Sennaar bei Karthbum aber ſich mit 
dem Blauen Nil vereinigen. Auch die Nachrichten von gro⸗ 
en Ruinen und Alterthümern bei Cab Belull in der Wufte, 
die Darfur von Kordofan trennt, mögen ſich fehr befchränten 
laften. Wie dem jedoch auch fei, die Schrift lieſt fi durchweg 
mit Snterefie und enthält in den auf eigener Anſchauung be= 
ruhenden heilen die danktenswertheften und durchweg Zutrauen 
erioeibenden Berichte über ein noch fehr mangelhaft dekann⸗ 
tes Land. 





Indem wir über die fünfu ndamwang igfte Lieferung,, den 


gweiten Band der „Reifen auf den griechifchen Infeln des Agäi- 


hen Meeres von Ludwig Roß“, referiren, müffen wir die 
fer vorzüglichen Arbeit vorweg ein wohlyerdientes Lob ſpenden. 


856 


Un einen Neifenden, befonders an einen mit Kunſtzwecken rei: 
fenden Berichterftatter, machen wir vor allen Bingen eine 
Foderung, die der Gewiffenhaftigkeit. Der Berf. befriedigt 
biefen Anfprug bei kur Nundreife durch die griedhifchen In: 
fein in feltenem Maße und findet felbft Fein Bedenken, frühere 
Srrthümer, Zäufhungen und Febhlſchluͤſſe, die ihm begegnet 
find, einzugeftehen und aufzuhellen. Dies ift ebenfo felten wie 
achtenswerth. 

Die eh wurde mit Prof. Herzog im S. 1841 un: 
ternommen, mit hohem Schug und aller möglichen Gemaͤchlich⸗ 
Leit bei dem berriichften Wetter vollendet, und muß reih an 
Mefultaten gefunden werden. Es ift und nidyt möglih, auch 
nur des zehnten Theils aller der neuen oder bericdhtigenden Be: 
merfungen zu gedenken, welche die friſche Beobachtungsgabe 
und der gute Blick des Verf. zu machen vermodte; wir Pön« 
nen nur anmerfen, daß faft jede Seite feiner Schrift irgend 
eine wünfchenswerthe Auffläarung, eine Wahrnehmung von In: 
tereffe darbringt. Zu loben finden wir aber insbefondere die 
vorzügliche Aufmerkſamkeit, welde Hr. Roß den Reſten des 
häuslichen Lebens der Alten und ben Anklaͤngen antiker Zu: 
ftände in den heutigen Sitten und Gebräuchen zumendet, und 
mittel welcher e8 ihm auch gelingt, die hinterbliebenen Refte 
einer Menge von antiten Privatwohnungen, Burgen, Land: 
figen u. f. w. zu entdecken, weldye die nur auf Tempel und 
Haläfte reifenden Beobachter gänzlich übergangen haben. Hier: 
nächft haben wir ihm aud gang befonders für die Theilnahme 
zu danfen, welche er der Sprache und ihren idiomatifchen Ab: 
weichungen zugewendet hat und mit der er manche erfreuliche 
Entdedung claffifher Hinterlaffenfchaften an das Licht bringt, 
welche dem Syftem Fallmerayer's fchwer einzufügen fein möch⸗ 
ten. Doch wir kommen hierauf noch zurüd. 

Am 21. Zuli 1841 fegelte der Verf. Abends 9 Uhr aus 
Dem Pirdeus mit einem [ ade Landwinde auf dem koͤnig⸗ 
lichen Kutter Leon ab und fand fih beim Anbruch des 
Morgend auf der Höhe von Phapra. Zuerſt wurde Sunion 
befucht, die Nefte der Befeftigung unterfucht und im Schatten 
der alten ehrwürdigen dorifchen Säulen des Athene: Tempel, der 
einzigen, welche nebft den Säulen auf Agina in Griechenland, 
die altägyptifchen 16 Kannelirungen zeigen, geruht. Merk: 
würdig, daß diefe Gintheilung, die in Italien und ®icilien 
fi fo lange Zeit behauptete, in Hellas fo früh verlaffen wurde. 
Bei der Helena:Infel vorüber, Fahl und ruinenleer, wird Pra⸗ 
fiä — Porto Raphti — von einem Marmorblod, einem figen- 
den Schneider ähnlich, ſo genannt, erreicht; jener Blod, 1 Fuß 
hoch, war offenbar eine weibliche Statue, eine Hera, Athene 
oder die Gemahlin des Herodes oder Hadrian. Euböa vor: 
über, bei Karyftos vorbei, gebt die Neife nah Andros. Das 
Hauptdorf Saprion wird von Albanefen bewohnt, die einzige 
Golonie diefes Stammes im ganzen Agäifhen Meere. Der 
alte Thurm des heiligen Petros ift eine durch feine Eonftruc 
tion mertwürdige Ruine, vermuthlic der Reſt einer Burg 
zum Scuge der nahen Bergwerke. In der Mitte der Infel 
log die alte Hauptftadt Andros, von der ein Ritt durch Die 
koͤſtliche Meflaria, ein mit Eitronenbäumen, Orangen und Ey: 
preffen gefültes Thal, nach Paläopolis führt. Die Beine In: 
fel mit 15,000 Bewohnern ift eine Probe von der Blüte, welche 
der türkifche &cepter einer fleißigen Bevölkerung zu erlangen 

eftattete. Die Zauben berrfchen noch wie bei den Alten — 
% waren die Schweitern des Andros — auf der Infel vor. 
Syros mit feinem Hafenorte Hermupolid empfängt den nädh- 
ften Befuch der Neifenden. Stattlihe breiftödige Häufer aus 
Marmor verkünden ſchon von fern den Wohlftand diefer neuen 
Schöpfung, die befonders durch.blühende Schulen, mworunter 
Kor eine bellenifhe, d. 5. gelehrte Maͤdchenſchule, glänzt. 
ungfrauen tractiren bier den Thukydides, Demofthenes und 
Kenopbon, gewiß eine auf der ganzen Erde fonft nicht vor: 
kommende Seltenheit! 

Wir koͤnnen bier eine Bemerkung nicht unterbrüden, 
bie der Verf. nicht macht. Es ift unter uns nicht genug 


— — — — — e ꝰꝰꝰꝰꝰꝰꝰ ꝰ ꝰꝰꝰꝰꝰ ee au De —— — ——— — 


bekannt, welches der eigenflihe Quell der letzten griechi⸗ 
fhen Revolution war; zu Anfang achtete man nicht ge: 
nug barauf, jegt ift man an die Erſcheinung gewöhnt und 
forfcht ihrem Urfprunge nicht mehr nad. Bi: wollen fur; 
daran erinnern. Der Aufftand hatte feinen Quell in zweien 
ber edeliten Regungen in der Menfchenbruft, im Freiheitstrieh 
und mehr noch als in diefem in dem Triebe nach Wiſſenſchaft 
und Cuitur; er ift vielleicht das einzige Beifpiel in der Men: 
fhengefchichte von einer Nolksempörung aus — Wiſſensdurſt. 
Das Kiephtenthbum des Peloponnes und RKivadiens und Drang 
nad Eultur auf den Infeln Syros und Hydra find mit dem 
Wohlſtand von Euböa und Skios die Quellen der griechiſchen 
Empörung gegen ein zwar barbarifches, aber fonft ziemlich 
Leichteß und nicht drückendes Regiment. Machiavelli ſchon lehrt, 
daß jeder Staat vor allen Dingen bad Clement zu pflegen 
habe, dem er feinen Urfprung verdankt. Bei den Römern mar 
dies Priegerifche That, bei den Reugriechen ift es Unabhängigkeit 
und Wiflenfchaft. Die Regierung König Dtto's hätte ſich Di 
wol feftftellen und unabläffig an diefem Grundbau des jungen 
Staates fortbilden und fortbauen follen. Vielleicht wollte fe 
e8; aber es fehlte fefter Entſchluß und es fehlten die Mitte. 
In dem YAugenblide aber, wo man, von aufßenber vieleidt 
geswungen, an biefen Grundbau zerftörende Hand legte, ba: 
ben wir für die Regierung gefürdtet und — unfere Furcht 
bat ſich leider bewahrheitet. Als man anfing, die geringen 
Bewilligungen für die Univerfität, für Schulen und Anftalter 
ber Miftenfhaft noch zu verkürzen, ohne andererfeits dem Frei 
heitötriebe freies Feld zu öffnen, 
beſſer gefagt, das deftehende Regiment in Gefahr zu fein. 
. . (Die Fortfegung folgt.) - 





Bibliographie. 
Bliher, S. S., Novellen. Aus dem Daͤniſchen über 


as von 9. Beife. Zwei Bände. Altenburg, Pieter. 
r. 

Deinhardſtein, Erzählungen und Novellen. Peſth, dr 
ckenaſt. Sr. 12. 1 Thlr. 12 Nor. 


Hepp, F. C. J., Die politifgen und unpolitiſchen Staats: 
Verbrechen und Vergehen nebft angränzenden Amts-Berbrehen 
und Polizeirlibertretungen, nach gemeinem und württembergt: 
fhem Rechte. Zübingen, Zu @uttenberg. Gr. 8. 11 


Herber’s, S. ©. v., Lebend-Bild. Bein chronologiſch 
geordneter Briefwechſel, verbunden mit den bierhergehörigen 
Mittheilungen aus feinem ungedrudten Nachlaſſe, und mit den 
nöthigen Belegen aus feinen und feiner Beitgenoffen Schriften. 
Herausgegeben von feinem Sohne €. G. v. Herder. Ife 
Bandes Ifte und 2te Abtheilung und 2ter Band. Erlangen, 
Bläfing. Gr. 16. 3 Thlr. 27 Ror. nn 

Ingemann, B. S., Kunnuf und Naja, oder die Grön 
länder. Cine Erzählung. Aus dem Dänifcgen überfegt. DI 
denburg, Stalin. Gr. 12. 25 Nur. 
tus, Wilhelmine, Gedichte. Hannober, Hahn. D. 

r. 


Producte der rothen Erde. Geſammelt von Mathilde 
Franziska. Münfter, Coppenrath. Gr. 12. I pie. 25 Rt. 
Schömann, G.F., Ansichten über die Geniea. Greif 
wald. Gr. 8. 5 Ngr. om 
Sue, E., Martin der Findling oder Denkwürdigkeiten 
eines Kammerdieners, deutfch von A. Diezmann. Iftes Bönd: 
chen. Leipzig, D. Wigand, 16. 5 Rgr. 
— — Martin der Zindling ober Memoiren eine Kam 
merdieners, deutfh von G. Fink. Iftes Bändchen. Baden, 
Zehnder. Gr. 16. 4 Nor. are 
Bogl, I. B., Gedichte Bamberg, Literariſch⸗artiſtiſch 
Inſtitut. Gr. 8. 26%, Nor. 


25 Nor. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdans. — Druck und Berlag von F. X. Wrodfans in Leipzig. 


ſchien uns der Staat, oder 


Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





3. Auguft 1846, 





Die jefuitifche Reaction und der ideale 
Katholicismuß,. 
(Bortfegung aus Pr. 214.) ; 
Hr. Hurter bat das Glück nit jener „Mollusten- 
dildung“ anzugehören, „welche vorwärtd neue Anfäge 
fördert, rückwaäͤrts die Faͤulniß walten läßt, momentan 
Menſchen auf die Oberfläche der gefellfehaftlichen Ord⸗ 
nung treibt, die Beine Borfahren haben, darum meift 
auh Feine Nachkommen erwarten dürfen; Gebilde der 
Augenblicks, Blaſen, die dem Boden entfleigen und 
rlögen, um andern die Stelle einzuräumen”, — fondern 
er ſtammt von einer Reihe ehrſamer fhaffhaufer Bürger 
ab, ja vielleiht fogar aus einem römifchen Gefchlechte, 
da hortari und Hurter ſinn⸗ und lautverwandte Wör— 
tr find. Bon Beruf ift er ein „Erhalter und Ver⸗ 
theidiger der göttlichen Weltorbnung”, zu der, wie «8 
fheint, auch ein fchlechter deutfcher Stil gehört,- der, 
wenn fi in Zukunft zu ben ſchweizeriſchen Idiotismen 
noch öftreihifhe, zu Mortbildungen wie „angezappelt”, 
„verrottete Unflathskinder“ u. ſ. w. noch andere Bereicherun: 
gen gelellen, den Sprachforfchern manche Ausbeute ge- 
währen wird. Wielleicht hat fich jedoch Hr. Hurter kei⸗ 
nes beffern bedient, um feine Geringfchägung gegen das 
„lutheriſche Deutfh” an ben Tag zu legen, welches 
Leſſing, Fichte, Goethe gefchrieben haben. Wie Hr. Hur- 
er dieſe göttliche Weltordnung fehirmte, indem er als 
teformirter Geiftlicher eine Apologie ber roͤmiſch⸗katholi⸗ 
{hen Hierarchie, Denffchriften für Klöfter u. f. w. ver- 
füßte, ift befannt genug; auch hat er felbft fich fo weit- 
fhnafig über Das verbreitet, was er gedacht und gere- 
det, gewollt und gethan, dab wir uns dabei füglich um 
ſo kürzer aufhalten können. 

Beim Durchleſen der drei Bändchen, in die Hr. Hurter 
beſcheidenerweiſe fein Werk eingetheilt, obgleich es nicht 
weniger als 1306 Seiten umfaßt, fühlten wir und oft ver- 
fucht auszurufen: Tant de bruit pour une omelette! Je- 
den Tag treten Priefter und Laien aus einer Kirche in die 
andere über, und Niemand befümmert fi) darum; auch 
um Hm. Hurter's Übertritt würde fih Niemand befüm- 
met haben, wenn berfelbe nicht durch die ihm zu Theil 
gewordene Anftellung eime politiſche Bebeutung gewon⸗ 
en hätte. Man kann in Oftreich, in Deutfchland nicht 
gleihgültig zufehen, wenn hohe Btaatsämter ber Preis 


für Leute werben, die den blutigen Samen der Zwietracht 
ausſtreuen, die geiftige Errungenfchaft der Menfchheit 
als verbrecherifchen Abfall von Gott darſtellen und die 
finfterften Zeiten, welche die Geſchichte kennt, als das 
Ideal barftellen, dem anzuftreben fei. 

‚Hr, Hurter ift überzeugt, daß, wenn eine erfreuli- 
here Ara für die. Menfchheit eintreten folle, Dies dann 
nur mögli feye (auch „ſeye“ ſcheint zur „göttlichen Welt⸗ 
ordnung” zu gehören), wenn der &efellfchaft Jeſu zu- 
nächſt auf die Erziehung der höhern Stände und auf 
bie ‚Bildung künftiger Priefter, dann allmälig auch an- 
derer Claſſen, der ehevorige Einfluß wieder eingeräumt 
werde; er ift überzeugt, daß, fofern ed möglich fei, 
dem mit foldher verwüftenden Wirkung voranfchreitenden 
innern Zerfall des Menfchengefchlechts noch vorzubeugen, 
daffelbe von dem Abgrund, in welchen die revolutionnai- 
ren Beftrebungen aller Art es hinabzutreiben ſich bemüh- 
ten, noch zurüdzureißen, Dies einzig dadurch ſich erzielen 
laffe, daß überall der Geſellſchaft Jeſu auf die Leitung 
und Erziehung der heranwachſenden Geſchlechter der ehe- 
vorige Einfluß wieder eingeräumt werde. Welche Ara 
die Gefellfhaft Jeſu der Menfchheit zu bereiten vermag, 
Das hat ſich überall gezeigt, wo fie herrfchte: in Spanien 
und Portugal wie in Frankreich und Stalien, in Deutfch- 
land wie in Polen. Hrn. Hurter und ber alten Klug- 
beitöregel si fecisti, nega zufolge, beruht freilich Alles, 
was man dem Orden zur Laft legt, auf Verleumdungen, 
und er bemüht ſich, ihn gegen dieſelben zu rechtfertigen. 
Um zu zeigen, wie er dabei zu Werke geht, heben wir 
eine diefer Berleumdungen fammt Hrn. Hurter's Replik 
hervor. Er fagt: 

Während ich mich in Paris befand (1843), hatten die auf: 
rigtigen Hrn. Duinet, Libri und Eonforten diefen Klang (von 
Schägen der SZefuiten) vernehmen laffen, und flugs träumte 
und it Alles von Schaͤtzen der Pôres de la foi (ein nom 
de guerre des Ordens), indeß mehre glaubwürdige Perfonen, 
und zwar unabhängig voneinander, mich verfiherten: durch 
den Anfauf cines Haufes in der rue de la poste wären dies 
felben in ſolche &eldverlegenheit gerathen, daß fie, um ihren 
Verbindlichfeiten nur einigermaßen nachzukommen, auf bloßes 
Brot zu ihrer Rahrung ſich befchräntt hätten. Darauf feie 
von einigen mitleidigen Frauen ein Sad mit Bohnen gekauft 
und dem Koch der Bäter zugeftelt worden. Mit Thraͤnen in 
den Augen pate er denfelben in Empfang genommen und Gott 
gedankt, daß es ihm endlich wieder einmal möglid werde, für 
die Gemeinfchaft den Tiſch zu deden. 





Wie rührend! Schade, daß andere glaubwürdige Per- 
fonen Hrn. Hurter Nichts von dem Proceſſe Affenaer 
erzählt haben. Im Beginn biefes Proceffes gab ber 
Inſtructionsrichter folgenden Befehl: 

In Betracht, daß der Angeklagte im Sefuitenhaufe, in der 
rue des postes in Paris, als erfter Schreiber und Budhalter 
angeftellt war, . . . beftellen wir den Buchhaltungserfahrenen, 
Hrn. Playe, um in den uns heute vom P. Moirez, Geiftlichen 
des parifer Sefuitenhaufes, übergebenen Büchern die Berichte 
und Operationen u. f. w. zu verificiren. „ 

Die Unterfuchung biefes Beauftragten flellte für das 
Jahr 1843, die Ausgaben abgerechnet, ein Activ von 
742,121 Francs heraus. Wo bleibt da der Sad mit 
Bohnen! Und vom ber Igoner Gefellfchaft zur Verbrei⸗ 
tung des Glaubens empfing laut deren Abrehnung 1844 
der Orden für Miffionnaire 336,092 Fr. 32 Cent. (3.2. 
für 8 Prieſter in Syrien 51,000 Fr., für 5 Prieſter 
in den Rody Mountains 40,000 $r., für 11 in Alges 
rien 50,000 Fr. u. f. w.). Dies find nun zwei Ein- 
nahmepoften: glaubt Hr. Hurter, Daß fie die einzigen ſeien? 

Hr. Hurter erfreut fich bekanntlich der Gunft der heil. 
Jungfrau in befonderm Grade, und wir beneiden ihn aud) 
nicht darum, obſchon ihre Gnade nicht blos römifch- 
katholiſch machen, fondern auch’ zur Anftellungen verhel- 
fen fann, wovon man in Wien unlängft Beifpiele er: 
lebt hat. Weniger bekannt dürfte es fein, daß ihm 
auch die Fürfprache des Stifterd des Kapucinerordens 
zugefagt ifl. Damit verhält es fi fo. Am 4. Detober, 
‚dem Tage an welchem die römifch-Fatholifche Kirche das 
Andenken des heil. Sranciscus von Affıf[ feiert, be- 
trat Hr. Hurter zum legten Male bie Kanzel ber re 
formirten Kirche. Vier Jahre fpäter bemerkte er dem 
Garbinal » Staatöfecretair: Wenn der heil. Franz müßte, 
mit welcher Vorliebe er in dem legten Band feiner „Ger 
ſchichte Innocenz'“ ihn behandelt hätte, fo Fönnte er 
auch zu ihm, wie Chriftus einft zu dem heil. Thomas 
von Aquino, fagen: „Du haft gut von mir gefchrieben.” 
Der Sardinal erwibderte: „Seien Sie verfichert, der heil. 
Franz wird fi auch mit Ihnen befchäftigen!” Nun be- 
gnügt fich aber Hr. Hurter mit diefen Gönnern im Him⸗ 
mel noch nicht, fondern fehreibt auch 40 Seiten zur Ber- 
herrlichung des Wunders, mittel® deffen das Blut bes 
heil. Sanuarius in Neapel zu gewiffen Zeiten flüffig 
wird. Einer der „tiefften Denker und ausgezeichnetften 
Gelehrten” in Neapel, ein „Mathematiker erften Ran- 
ges“, hat, wie. Hr. Hurter berichtet, in der nach feinem 
1824 erfolgten Tode herausgegebenen „Xheorie der Wun- 
der ... fammt einer apologetifchen Abhandlung über das 
Wunder des heil. Januarius“, die Wunder Erfcheinun- 
gen genannt, „von denen ſich feine natürliche Erflärung 
geben läßt”, mit welcher Begriffebeftimmung Hr. Hurter 
einverfianden zu fein ſcheint. Wir kennen eine fchärfere: 
Mirabeau gab fie im Wer von fieben Jahren. Er er- 
zähle in den „Briefen aut dem Thurme von Vincennes“: 

As man mir fagte: Gott koͤnne Feine Dinge machen, die 
fi) widerfprecdhen, 3. B. einen Stod, der nur ein Ende 


hätte, fragte ich: ob ein Wunder nit ein Stod mit einem 
Ende wäret Meine Großmutter hat mir Died nie verziehen. 


bringen fuchen, 


868 


Ob Hr. Hurter je Fichte gelefen hat? Wir vermu- 
then faft: wenigftens befolgen er und feines Gleichen 
einen Rath, den ihnen der Philofoph ſchon vor 50 Jah: 
ren ertheilt hat. Diefer deutfche „Denker“ fagt („Beir 
träge zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über 
die franzöfifche Mevolution‘):- 

Unfern heutigen Eiferern für die Aufrechthaltung ihres 
reinen, alleinfeligmachenden Glaubens muß ich eine Lehre ge: 
ben, die den Verdruß reichlich erfegt, den ihnen die Durchle⸗ 
fung dieſes Capitels verurfachen koͤnnte. 
Glauben dadurch zu behaupten ſuchen, daß ſie etwa die aben⸗ 
teuerlichſten ar aufgeben, und ihn der Bernunft näher zu 

o ergreifen fie ein Mittel, das geradezu gegen 


Wenn fie iben 


ihren Zweck läuft. Sie erregen durch dieſes Nachgeben den 


Gedanken, dak doch auch wol im Beibehaltenen Dinge fein 
fönnten, die mit der Zeit auch würden aufgegeben werden. 
Doh, Daß ift noch der geringfte Schade; aber indem fie dat 
Syſtem abkürzen und es von einem Theile feines Wunderba: 
ren entkleiden, erleichtern fie Die Prüfung und Überficht deſſel⸗ 
ben: kam das vorhkrige, deffen Prüfung fehwerer war, in Ge: 


fahr, wie will ſich dasjenige erhalten, das fie erleichtert? Gt 


den umgekehrten Weg: jede Ungereimtheit, die in Anfprud ge 
nommen wird, beweift Fühn durd eine andere, die etwas gro⸗ 
Ber ift; es braucht einige Zeit, ehe der erſchrockene menſchliche 


Geift wieder Ei fih felbft fommt, und mit dem neuen Phan | 


tome, da8 anfangs feine Augen blendete, ſich bekannt genug 
macht, um es in ber Rähe zu unterfuchen; Läuft es Gefahr, 
fo fpendet ihr aus dem unerſchoͤpflichen Schage eurer Unge 
reimfheiten ein neues; die vorige Geſchichte wiederholt fi, 
und fo gebt es fort bis an das Ende der Tage. Nur laßt den 
menſchlichen Geiſt nicht zum falten Befinnen Eommen, nur loft 
feinen ®lauben nie ungeübt; und dann trogt den Pforten der 
Hölle, daß fie eure Herrfchaft übermwältigen. Laßt euch, o ihr 
Berfinfterer und Freunde der Racht! — laßt euch diefen Rath 
durch die Vermuthung, daß er von einem Feinde herkomme, 
ja nicht verdächtig werden! Auch fogar gegen euch ift Tüde 
unerlaubt, obgleich ihr fie gegen uns —* Pruͤfet ihn auf 
merkſam und ihr werdet ihn völlig richtig finden. 

Die Hohenlohe’fhen Heilungen, die Wundermedaille, 
ber trierer Rod und endlich das Blut des heil. Janus 
rius fcheinen beinahe eine ſolche Steigerung von „Unge 
reimtheiten” zu fein, wie Fichte fie angerathen hat; — 
und es wird auch fo fortgehen, fo lange es Hurter 
gibt und fo lange Staatslanzleien die Stelle der früher 
„Sonvertitentaffen‘ vertreten. 

Den „legten feines Zweckes ſich klar bewußten und 
alleinigen Grund der wider die Gefellfchaft Jeſu angt- 
hobenen Berfolgungen und des in verftärktem Maß auf 
unfere Zeiten herabgeerbten Tobens gegen fie” findet Hr. 
Hurter in dem Grimm ber Bleiwage gegen dat 
Kreuzeszeihen. Damit tritt er in bie Zußftapfen 
der fogar von Geng verfpotteten Monjoye und Barrudl, 
ſowie vorzüglich im bie feines Freundes und Muſters 
Karl Ludwig von Haller, — Leute, die alles Übel in der 
Belt vom Sündenfall bis zur franzöfifhen Revolution 
ben Freimaurern zufchrieben, weil es, um Anlagen ab 
zulehnen, Bein wirkfameres Mittel gibt als Gegenbe⸗ 
ſchuldigungen. 

Seinen Beruf zum Reichshiſtoriographen beurkundet 
Hr. Hurter auf glänzende Weife durch die Lobrede auf 
Ludwig XIV., melde er an die Schilderung eines Be 
ſuches in DVerfailles anknüpft. Bier fiel ihm befonder? 


auf, die Kapelle von allen Geiten das Schloß überragen 
zu fehen. Er frage: 

Iſt Dies Zufall? War es Abſicht? Ließ es Ludwig ge 
heben? Wollte er es fo haben! 

Er gibt fi felbft zur Antwort: 

Schen wir in ihm einen Fürften, von welchem berichtet wird: 
er habe nur an einem Xage feines Lebens, bei Gelegenheit ei: 
ned großen Marfches, die Meſſe verſäumt; er habe: jedes Jahr 
sor Anfang der Faſten feinen Hofleuten in ernſter Anrede er: 
Hört, wie ungeziemend er es finde, wenn in dieſer Zeit Je: 
mandem Fleiſch vorgefegt würde; der während Advent und 
Faſten beinahe allen Predigten beivohnte und an allen Feier: 
Iihleiten Theil nahm; der ferner bei der Meffe darauf ſah, 
dab vom Sanctus bis zur Communion des Prieſters Alles, wie 
er felbft, auf den Knien liege: fo dürfen wir auch an der Ver: 
muthung fefthalten, jenes Berhältniß der Kapelle zu feinem 
Schloß feie fein eigener, Mar bewußter Wille geweſen. 

Vie glücklich muß doch Franfreih unter einem fol 
hen Fürſten geweſen fein! Wie verfhwinden vor die⸗ 
ſem „Verhältniß der Kapelle aum Schloß” die Dragon- 
naden, die Widerrufung des Edicts von Nantes und 
die zweitaufend Millionen Livres Schulden, welche Lud⸗ 
wig XIV. hinterließ! Uberhaupt find Apologien Hrn. 
Hurter's ſtärkſte Seite: für die gelungenfte halten wir 
die der Bettelei im Kirchenflaat, wenn ihr nicht jene 
den Rang flreitig macht, womit er die „Misſtimmung“, 
welhe den verflorbenen Herzog von Modena antrieb, 
Dante’? „Divina commedia’ unter die verbotenen Bücher 
zu reihen, „wenn nicht geradezu rechtfertigt, doc) weſent⸗ 
lich entſchuldigt“. 

(Die Fortſetzung folgt.) 





RKeifeliteratur. 
(Bortfegung aus Nr. 214.) 


Syros ift bergig, aber trefflich bebaut; Getreidefelder und 
Beinderge füllen die ganze Infel. Die Sprache ift * min⸗ 
der rein als in Andros; ein Führer der Reiſenden ſagte, es 
gabe viele Paaau, ua rrußton, oz. untv qarıa: Bafen, aber 
arm und nicht gut gemacht. Mykonos zählt SUOU Einwohner 
und befigt 30 große Briggs und Goeletten. Der Granitfels 
lohnt die leifigfe Arbeit nur fehr ſpaͤrlich; die Alten hatten 
die Gigantenkämpfe hierher verlegt, und der Anbli ber Infel 


ift noch jegt wild und rauh genug. Umbergeftreut liegen mehre 


wüfte Infelhen, 3.3. Raklia (Herakleia) und andere, die von 
Amorgos aus benugt werden. Anpdros, Donufa, Kinaros 
find ohne fefle Ginwohner. Schinuffa, von ayivos, Lentiscus, 
war ganz mit diefer Pflanze bebedit; die Herzöge von Raxos 
befaßen hier mehre Burgens Wappenſchilde und Ahnliches aus 
dem Mittelalter werden hier und in Keros, Untikeria u. |. w. 
viele gefunden. Ein geswungener längerer Aufenthalt auf Amor: 
906 gibt zu einer forglältigen Durchforſchung der dafigen Rui⸗ 
nen Anlaß. Die Refte von Minoe find fehr bedeutend und 
lehrreich: Akropolis, Gymnafium, Gruben und antife Burgen. 
Die Infel ift wohlbebaut und zählt außer dem Hafenort 
Agiale noch zwei Städtchen und eine Menge Dörfer. Aus 
Aſtypalaͤa, das türkifch ift, jedoch Paum jemals von einem 
Rufelmanne betreten ward (denn die Abgaben werden in 
Paufc und Bogen etwa 400 Thaler jährlich nach Rhodos ge: 
fandtı, werden merkwürdige Inſchriften mitgetheilt. Die In: 
ſel Riſyros iſt nichts Underes als der Krater eines Vulkans, 
der über dem Meeresſpiegel hervorragt. Die antiken Gtrebe: 
mauern zu Gärten und Weinberganlagen find eine fpecielle 
Rerkwürdigkeit diefer Meinen Infel, auf welcher zahlreiche 
Schwefelquellen noch im Fluß find. Auch bier fat eine flatt- 


liche Akropolis fhön ins Auge. Un den Schwefelquellen wa: 
[hen ſchoͤne Frauen ihre Bilhe ‚ und berrlide Mandelwaͤlder 
bededden die Bergabhänge. “ . _ 

Doch wir nehmen wahr, daß wir den Lefer wegen foldyer 
Details auf das Buch felbft verweifen müflen und folgen dem 
glüdlicden Reifenden nur flüchtig auf feinem fernern Zuge 
nah Knidos, Telos, das unfere Karten ganz grundlos Epis⸗ 
topi nennen, Kos u. ſ. w. In Knidos landet er faft im alten 
Theater, das jegt einen heil des Hafens bildet. Die Stadt 
Mandraki wächft bedeutend an, Leros glänzt mit feiner Schule; 
Kalymnos iſt in innern Zwiftigkeiten zeripalten; bier und in 
Patmos nimmt die Volksſprache merkwürdige dialektiſche Kor: 
men an, doch gewährt die vielberühmte Klofterbibliothet nur 
geringe Ausbeute. Diefed Klofter ift zugleich Strafort für 
Keger und Separatiften. Samos mit — Ruinen des Hera⸗ 
Tempels, alten Abzugsgräben und Hafendaͤmmen, und mit ſei⸗ 
ner Geſchichte während des Freiheitskrieges, bilder einen höchſt 
anziehenden Abſchnitt; hierauf Phurni (KRoraffiä), Ikaros, 
defien alte Chorographie anziehend ift; Sitten, Tracht und 
Dialekt der Bewohner. Endlich befchreibt der ſechsundzwan⸗ 
zigfte Brief Die Infel Delos und ihre antiken Denkmale, Rhe⸗ 
naa, Belvina und die Spuren eines alten Zufammenhanges 
mit dem Peloponnes. 

&o endet die herrliche Rundreife des Verf., welcher überall 
das Auge des Gelehrten mit dem offenen Bli des Natur: 
beobadhters zu vereinen weiß. Wohlthuend an ihm ift uns 
vorzüglich fein unabhängiges Urtheil über den naturbegabten, 
teefflihen und vielverheißenden Denfpenfälag, der diefe un⸗ 
vergleichlichen Infelgruppen bewohnt, gegenüber den befange: 
nen und von ganz unftatthaften Brämiflen ausgehenden Urthei- 
len, welche jegt fo häufig über dies. Bold vernommen werden. 

Als Beilagen empfangen wir einen Abdrud der goldenen 
Bulle Kaifer Alexios Komnenos', die Stiftung des Klofters Pat⸗ 
mos betreffend, und Auszüge aus des heiligen Chriftodulos 
Kiofterregel mit Bragmenten der Klofterchronik, ſprachlich wid: 
tige Documente des 11. und 12. Jahrhunderts, in welchen fich, 
beiläufig gefagt, bereits arabiſche Ziffern finden. Einige Aus⸗ 
züge aus den Handfchriften von Patmos, eine Art Encyklopaͤ⸗ 
die, und endlich eine fehr dankenswerthe Sammlung neugrie> 
chiſcher Spruͤchwoͤrter, bilden den Schluß der inhaltreichen Schrift. 
Aus dieſer legtern Zugabe hier einige Anführungen. Zür das 
gröbere deutfche Sprühwort: „Den Sad ſchlaͤgt er, den Efel 
meint er“ fügt der Grieche: „Ent 10 Alym, Terdegn, yıa 
vi 1axoun ı vuug.n”. (Dir ſag' ich's, Schwiegermama, ‚damit 
die junge Frau es höre.) Wer fich leichtfertig Händel zuzieht, 
befommt zu hören: „Iyna div zıye Öraßolov. zaynonae 
yovpnürı.” (Ein altes Weib hat keinen Teufel und kauft ſich 
ein Schweindey.) Wer jih mit Dingen befaßt, die er nicht 
verfteht, auf den paßt: „Auyus mınegır Fioide, zaxo 0’ nr 
zegaun» rov." (Ein Hafe rieb Pfeffer, wehe feinem Kopfe!) 
Bom Ehefegen der Beiftlichen heißt es: 

O nano x’n nanadin 
Ilevıe urvas roſu neudıe. 


(Der Pfarrer und die Pfarrerin, alle fünf Monate drei Kinder: 
hen.) Wer am Ende in einer fehwierigen Sache ſtecken bleibt, 
von dem gilt: 
"Oio 16 Bödı 76 pryauer, 
Kıl ‘a ın9 oVpar anostaanuer. 
(Den gangen Dchſen aßen wir und beim Schwanz wurden wir 
müde! 
ice riy ya Laups, 
H yata 10 norılaı, 
‘O uviwräs anddarve 
Mio’ 'o ınv altvpodı zn. 
heißt das deutfche Sprüchmwort: „Gleiche Narren tragen gleiche 
Kappen und der Müller ftirbt mitten in der Mehlkammer.“ 
Bon Dem, der ein Meines Übel nicht tragen konnte und fi 
ein großes bereitete, fagt das Spruchwort: „Ak tocto Exayın 


860 


zur zei wou, din va-um we gar ol wuilen.‘ (Ich ver 
brannte meine Hütte, daß mich die Flöhe nicht beißen.) „Mel 
fen das Herz voll iſt, deflen fließt der Mund über” heißt: 
„Too novkoc 7 ylwana tivan murıore eig 1o zeyyol." (Die 
Zunge des Huhns ift immer bei der Hirfe.) „Wie der Herr, 
ß der Knecht“: „And zeyalic Bpovası 1ö wagı." (Bom 

opfe ber fault der Fiſch.) „Miſche dich nicht in fremde Hän- 
del’: „And rij nurıav inov Div Tow< Ayınac ıny v& xalt- 
za." (Den Kuchen, den du nicht felbft iffeft, laß ihn ver: 
brennen.) Wem ed mit einer Sache nicht Ernſt iſt, der be 
kommt zu hören: „Onoros Ödv Yeısı va vuwiog, nerıe ui- 
vos zonzındar. (Mer nicht baden will, fichtet das Mehl fünf 
Monate lang.) 


Sn der ſechſsundzwanzigſten Sieferung erhalten wir K. 
Koch's Bericht von feiner Reife nach dem kaukafiſchen Iſthmus, 
und zwar den zweiten Theil derfelben, während der erfte bereits 
den Inhalt der dreiundzwanzigften Lieferung diefer Sammlun 
bildete und als folder von uns befprodyen wurde.*) Der Bert 
bat der Durchforſchung des kaukaſiſchen Iſthmus aus innerm 
Beruf die fchönften Jahre feines Lebens mit feltener Aufopfe: 
rung gewidmet, und bringt uns fehr annehmbare Refultate aus 
dieſer Lebensaufgabe dar. Wir haben bier feine Arbeiten bis 
zum 3. 1831 vor uns, und in Wahrheit, fie geben ein ſchoͤnes 
Bild von deutfcher Ausdauer in Wiflenihaft und Kunft und 
von aufopfernder Liebe zur Sache. Vor allen andern Richtun- 
gen — von den naturhiftorifchen fehen wir ab — find es die 
Antbropologifch = etbnographifchen Unterfuchungen des Verf., die 
und bier feſſeln und befchäftigen. Die Völkerfunde im Stamm: 
ande der europäifhen Voͤlkerſchaften, im uralten Kaukaſus, 
vermuthlich dem älteften waflerfreien und zur Menfchenerzeu: 
gung günftigen Gebirgsſtriche unfers jungen Erdbalis, fteht 

ider noch auf einer Stufe, wo jie den Namen der Wiſſenſchaft 
kaum fehon verdient. Sprachkunde, Geſchichte und Anthropo- 
fogie find in demfelben Kalle, und diefe Lüde in unferm Wife 
fen auszufüllen hat der Verf. fih zum Ziele feiner wiederhol⸗ 
fen Reifen nah dem Kaukaſus gefegt. 

Vor Allen find es die Dfien (Afen, Alanen), ein blonder indo⸗ 
europäifcher Stamm, über welche wir Auffchluß erhalten; fie folg- 
ten dem baskifh :celtiihden Stamme, der am untern Kaukaſus 
Urfige hatte, und find allem Annehmen zufolge die Reſte der 
von Sinnen und Slawen verdrängten germanifhen Stämme am 
Kaufafus. Wir werden in ihnen daher wol unfere Brüder zu 
erkennen haben, und merkiwürdigerweife hat ſich bei den Offen 
eine dunkle Zradition diefer Stammwverwandtfchaft erhalten, 
wie andererfeits die „Aſen“ der nordifchhen Mythologie auf eine 
ähnliche Erinnerung hindeuten. Naͤchſtdem ift Nuffifch: Arme: 
nien, das Gebiet des Ararat, dad vorzüglichfte Feld der Un: 
terfuhungen des Verf. in diefem Bande. Man kann wol be: 
baupten, daß wir died merkwürdige Land, das fih einer Ges 
ſchichte nicht viel jünger als die chineſiſchen Chronologien rühmt, 
bier zuerft mit genügender Genauigkeit Tennen lernen. Das 
Land Ararat — denn biefe Bezeichnung gebührt nicht fowol 
dem Berge, welcher bei den Armeniern Mafis heißt, ald dem 
Gebiete umher, Ara⸗Rad (Tod des Königs Ara) — ift durchs 
weg ein alter vulkaniſcher Erguß von unermeßlicher Ausdeh⸗ 
nung, ein urfprünglid culturlofes Steingerülle, in dem der 
menſchliche Fleiß und die Zeit einzelne Dafen von ungemeiner 
Fruchtbarkeit gefchaffen hat; Trachytfelſen, fteil auffteigend oder 
flady hingelagert, bededten das ganze Land, das dennoch etwa 
160,000 Bewohner nährt, und das der Sengi und der Ka⸗ 
ſach durchſtrömen. Seit dem Frieden von Turkmantſchai, 
1828, gehoͤrt dieſe heilige Provinz der Armenier, mit ihrer 
uralten Hauptſtadt Etſchmiadſin, noch jetzt dem Sitz des Pa⸗ 
triarchen, zu Rußland, dem es von Perſien abgetreten wurde, 
wo ed ſonſt die beiden Sardariate von Eriwan und Nadhit- 


— — — — 


*) Vergl. hieruͤber Nr. 10 d. Bl. f. 1843. D. Red. 


Zweifel. 


ſchewan bildete. Vom Allagäs (Gottesauge) abwaͤrts erſtrect 
ſich die etwa 2000 Fuß Hohe Hochebene bis zum Karabag und 
bie Arares: Ebene Hin; jenfeit ift &rufien. Es ift das Land, 
wo die Arfaciden ihre Burgen und Schloͤſſer bauten, das ter 
heilige Georg — aber nicht der Ritter — dem Chriftenthume 
gewann, und wo nun die heiligen Klöfter der Armenier fehen, 
zum Theil Burgen der Arfaciden und ihrer noch ältern Bor: 
. Die Seſchichte des Landes führt fi im regelmäßiger 
pronstogiie bis zu Ihargamos, einem Enkel Japhet's, zurud, 
eitgenoflen der Königin Semiramis erſcheinen darin 
ſchon als jung. Es ift wol die ältefte nicht gang fabelhafte 
Landesgefchichte die ed gibt. Bekanntlich landete Noah's Acde 
auf der Spige des Urarat, deren wir jedoch vier kennen le: 
nen (etwa 12,000 Fuß body), und die von Parrot und fpäter 
von einem deutſchen Coloniften Behrends erfliegen wurde, was 
jedoch die Armenier gern leugnen, um den Ruf der Unerfteg: 
barkeit jener Stelle nicht untergehen zu Laflen. Hier ftieg Roah 
vab, daher der Rame der Provinz Raditfhewan (woͤrtlich 
oah flieg bier nieder). Am Kalıh zunaͤchſt ıft Alles vol 
Klofterruinen, unter denen drei: Sagmuſa⸗Wank, das Pfalter: 
kloſter mit vielen Heiligthümern, Soanna : Bank, Jodannesklo— 
fter, und das ſchoͤnſte Surb : Geurfa: Want, St.⸗Georg, noch 
aufrecht ftehen. Im nahen Dorfe Aſchtarak fteht die alte Bury 
der Arfaciden zu Wagarichabad noch aufrecht. Bon hier find 
3%, Stunden nad Eriman, einer blühenden Stadt von 12,1 
Einwohnern. Eriwan, von König Erowant II., der hier von 
Ardaſches IIT. geichlagen wurde, tft verhäftnißmäßig jung um? 
war im 7. Jahrhundert eine Burg. 

Bon hier eilt der Verf. nad) dem uralten und heiligen Etſch 
miadfin, der jegigen Refidenz des Patriarchen Johannes, der be 
kanntlich nad} einem vorübergehenden Schisma jegt wieder für das 
Oberhaupt der gefammten armenifchen Kirche erkannt wird. Etſch 
miadfin (wörtlich: Hier erſchien der Eingeborene) wurde mitten in 
der alten Hauptftadt Ardimet Chagach, Stadt der Artemis, die 
Erowant I. um 560 v. Ehr. gründete, an der Stelle erbaut, 
wo der Heiland dem Könige Zirdat III. um 340 erſchien. Det 
Mittelpunkt der Hauptkirche, der Altarplatz, ifl eben diefe Stelle. 
Rings umher verfiel die alte Stadt, deren letzter Name, Ba 

arſchabad, ſich felbft mit ihren Mauern verlor. Statt ihrer 
Reben nun die Klöfter und Kirchen von Etfchmiadiin, ein [pre 
hendes Bild davon, wie eine Zeit die andere verdrängt un 
in Truͤmmern begräbt. Drei Hauptkirchen: die des Heilandes, 
der heiligen Hrimpfimeh und der heiligen Gajanneh mit tet 
Klofterrefidenz des Patriarchen, bilden jegt dieſe geheiligte Haupt: 
ftadt der Armenier, in der außer dem Kirchenoberhaupte, dem 
greifen, vom Schlage getroffenen Patriarchen, 4 Erzbiſchöfe— 
6 Bifchöfe, 12 Archimandriten und etwa 4U Mönde wo 
nen. Der Reifende empfing den Pilgerfegen des Patriarchen 
und ein Manufcript aus der reichen Bibliothek zum Bejgent. 
Über Parrot's Befteigung des Ararat hegt der Verf. feinen 


{Die dortſeßung folgt.) 
— — — — 


Literariſche Curioſitäten. 


Eine deutſche Literaturgeſchichte zählt ganz ernſtbaft zu 
den, die Tradition von König Arthur erläuternden Werken 
„Prospectus and specimen of an intended national wor 
by Robert aud William Whistlecraft, proposed to compris 
the most interesting particulars relating to king Arthur and 
his round table.” Daß ift der Zitel einer Burleske. 


Im 3. 1563 erfdien eine englifche Überfegung des Polr 
bius, welche der Verfaffer feinem Patron mit den Worten wid: 
mete: „Charles Watfon wünfcht dir das Alter des Argantot 
das Wohiſein des Poipkrates, Die Geeunpfgaft des Auguſtet 
und nad) dem Ende diefer irdifchen Tragoͤdie einen Sitz In he 
bimmlifhen Hierarchie." 16. 


Berantwortliber Heraudgeber: BHeinrich Brockzans. — Drud und Verlag von F. WM. Brodhans in Leipig. 





Blätter: 


für 


literariſche Unterhaltung. 


Dienſtag, 


— Nr. 216. 


4. Auguſt 1846. 





Die jefuitifhe Reaction und der ideale 
Katholicismuß. 
(Bortfegung aus Nr. 315.) 


In Neapel befuchte Hr. Hurter auch das Kollegium, 
worin Chineſen zu Glaubensboten für ihe Land gebilbet 
werden. Um ihm einen Begriff von ihrer Sprache zu 
geben, las ihm ein Zögling aus einem chinefifchen Buche 
vor; ein anderer ſchrieb ihm auf chinefifches Papier und 
in hinefifchen Schriftzugen feinen Namen. Er fagt: 

As ih die Zeit, die er dazu braudte, und den Raum, 
den die wenigen Worte einnehmen, überfchaute, Fam es mir 
zu Sinn, welches Süd bei unferer Preßfreiheit es wäre, wenn 
wir der chineſiſchen Schriftzeichen uns bedienen müßten! Darin 
läge ein wirffames Gegengift gegen dieſe Peſtilenz. Welche 
Zeit würde nicht zum Schreiben, Sehen, Leſen erfobert! wel 
Her Umfang für die großen franzöfifhen Blätter und vollends 
für die englifhen Beitungsmonftra! (Und gar für Hrn. Hur⸗ 
ters 1306 Seiten Selbftlob!) &o lange China feine Schrift: 
zuge beibehält, koͤnnte der Kaifer feinem Volk unbedenklich 

Tiehfeeiheit geſtatten: es bedürfte wenigftens, langer Seit, bis 
fe demfelben die deſtructiven Lehren biß zur Überfättigung ein: 
— die Wabrheit in Luͤge, das Unrecht in Recht ver⸗ 
ehrt und Alles widereinander gehetzt hätte. 
Schade, daß in ſtreich das Amt eines Miniſters 
ber Bolksaufllärung nicht beſteht! 
‚ Hr. Hurter ruft am Schluffe eines Abfchnitts über 
die „Erneuerung und Zukunft ber Kirche” aus: 
Verhehlen wir es uns nicht! verftärkt immerhin die Kirche 
die Reihen ihrer Streiter: — fie laffen fi) zählen; die Maf: 
Im „menden fi) vorerft noch zu den - wallenden Bannern ber 
ndern, “ 


Diejenigen, welche nicht zu Hrn. Hurter’s „ſtreiten⸗ 
der Kirche” gehören, bürfen ſich durch fein Geftändnif 
nicht einfhläfern laffen; denn mögen die Reihen diefer 
Streiter ſich auch zählen laffen, fo find fie doch trefflich or- 
ganıfirt, verfügen über beträchtliche Mittel, wenngleich mehr 
materielle als geiftige; bilden ein über bem ganzen Erden⸗ 
tund verbreiteted, zufammenhängenbes Netz; und neben 
den Höfen werden gerade bie Maſſen, welche in letzter 
Inftanz alle Kämpfe entfcheiden, von ihnen am thätigften 
bearbeitet. Auch braucht man gar nicht in der Mehr⸗ 
beit zu fein, um zu herrfchen. 

Kehren wir nun zu unferer Umſchau zurück. Die 
Bertämpfer der Reaction in Baiern find ziemlich be 





ee nn, 


fannt. Jeſuiten „in langen Röcken“ gibt es feit 1841, 
wo fi laut den amtlichen Berzeichniffen zwei bafelbft 
aufhielten, im Reihe König Ludwig's keine mehr; und 
Profeffor Döllinger fand es angemeffen, in der bairifchen 
Kammer zu erflären: „er babe als Prüfungscommiffair 
Gelegenheit gehabt, aud dem Collegium zu Freiburg zur”. 
rüdgetehrte Zöglinge zu prüfen, und fei überzeugt, daß 
die Sefuitenanftalten außer Stande wären, mit den bairi« 
fhen Lehranftalten Concurrenz zu halten.” Dagegen 
treiben die Liguorianer ihre Weſen im Lande, und «8 
fehlt auch fonft nicht an Leuten, die an Wiebereinfüh- 
rung der guten alten Zeit arbeiten: wo fih von 556 ' 
Jefuiten, mit denen das damalige Kurfürftenthum gefeg- 
net war, nicht weniger al6 87 in München aufhielten, 
während ſich unter 91 Ichrenden Sefuiten 9 Cafuiften, 
2 Mathematiter und 1 Hiftoriter befanden; wo man 
die Behörden anmwies, den mit Literatur ſich abgebenden 
Beamten „fo viel Arbeit zujumeffen, daß fie zum Bü- 
herfchreiben Leine Zeit übrig behielten”; wo endlich die 
Leibärzte, wenn fie einen Rath mehr wußten, ihren 
kranken Landesfürften „eine Muttergottes - Bildlein” 
zum DVerfchluden gaben. Kür Diejenigen, welche der 
neueften Gefchichte der Schweiz mit Aufmerkſamkeit ge- 
folgt find, dürfte es nicht ohne Intereſſe fein, zu erfah- 
ven: daß die durch ihre Abenteuer in Zürich u. f. w. be- 
rüdtigten Gebrüder Rohmer in Münden zu Gefchäften 
verwendet werben, welche den dortigen Befandten einer 
deutfchen Großmacht veranlaßten, ihnen das Lob zu fchen- 
ten, „daß fie der katholiſchen Kirche große Dienften Ieiften”. 
Man darf dabei nicht vergeffen, daß fie proteftantifch 
getauft find. Erwähnung verdient fchließlich noch, daß 
die Reaction auf den Buchhandel unb die periodifche 
Preſſe in Baiern großen Einflug übt. 

Baden, Würtemberg und den Rheinlanden wirb 
hauptfächlih von der Schweiz und Belgien aus zuge= 
fest. Wie eifrig fih die Hurter’fche Buchhandlung in 
Schaffhaufen der „guten Sache” in Würtemberg an- 
nimmt, ift man in Stuttgart fehon öfters inne gewor⸗ 
ben. Als ein Euriofum fügen wir noch bei, daß in ber 
Kirche des petits peres in Paris, wo bie Erzbrüderfchaft 
vom Roſenkranz alle erften Sonntage des Monats ihre 
Andachten hält, unter den Bebrängten, für welche fi 
diefe Brüderfchaft zu beten verpflichtet, neben ber „hart , 


verfolgten Kirche in Rußland“ au die „leidende Kirche 
in Würtemberg” von der Kanzel herab genannt wird. 
Für die „ſchwer bedrüdten Klöfter und Katholiken 
in der Schweiz“ wird in ber Kirche des petits peres 
und wahrſcheinlich in allen Kirchen, welche biefe, wenn 
wir nicht ieren, auch in Deutſchland verbreitete Ergbrü- 
derſchaft zum Schauplag ihrer „Andachten“ macht, eben- 
falls gebetet. &t.-Gallen, Solothurn und Teſſin find 
nun, nachdem Züri die Scharte von 1839 vollftändig 
ausgewetzt hat, bie Cantone, welde in das ultramontane 
Lager hinübergebetet werden folen. Iſt dieſes verflärkt 
und eine Mehrheit in ber Tagfagung errungen, fo wer- 
den Diejenigen, welche jept einem Mehrheitsbefchluffe 
die Anerkennung beharrlich verweigern, ſich feinen Au- 
genbli bedenken, für ihre Decrete bie beftrittene Gültig. 
keit in Anfprud zu nehmen. Im Erwartung diefes 
Umſchwunges ift die Nuntiatur mit einem Manne be 
fegt worden, ber barfcher auftritt als feine Vorgänger 
feit Tanger Zeit, und einen der ihm untergebenen Bi- 
Tihöfe fogar aufgefodert haben foll, einen Theil feiner 
Diöcefe mit dem Interdict zu befegen, was dieſen ver ⸗ 
anlaft habe, feine Entlaffung einzugeben, worauf aber 
von Rom noch fein Beſcheid erfolge fei. Gewiß ift es, 
daß fih die. Schweiz in einer ähnlichen Lage befindet 
und einem ähnlichen Enfceidungstampfe entgegenfieht, 
wie am Vorabende der Schlachten von Kappel und 
Villmergen. 


Von den Erfolgen der Geſellſchaft Jeſu in den Ver⸗ 


einigten Staaten, gleichwie in England, wurde in jüng« 
fler Zeit viel Aufhebens gemarht. Dort, mo man glüd- 
iicherweiſe weder Staats noch Landeskirche kennt, hier, 
wo eine Eräftige Regierung an der Spige eines Bevöl- 
kerung fteht, deren ungeheuerer Mehrzahl der Proteftan- 
tismus im Blute fledt, muß ein ganz anderer Maf- 
ſtab angewendet werden als in unfern ängſtlich bevor« 
munbeten Policeiſtaaten. Es gilt da, was Thiers De- 
nen fagte, die fih zu Gunſten der Jefuiten auf die Frei- 
heit beriefen: „Wenn ihr die Jeſuiten zulaßt, müßt 
ihr auch die Clubs gewähren laſſen.“ Man kann Dies 
fo umſchreiben: Wo die Kirchen in den Augen bes 
Staates nur Clubs find, da kann es diefem gleichgültig 
fein, ob ſich 20 Jefuiten, 20 Schachſpieler oder 20 
Theophilanthropen zu einem folhen vereinigen ; wo 
aber bie Kirchen vom Staate befhügte und bezahlte 
Anſtalten find, da hat er das Recht, ihnen gewiſſe Gren- 
zen vorzuzeichnen, und die Pflicht, zu wachen, daß fie 
diefelben nicht überfchreiten. Wir unterfuhen hier noch 
nicht, welches diefer beiden Verhäftniffe dem Begriffe des 
Staats beffer oder vielmehr allein entſpricht; aber ger 
wiß ift es daß es außer ihnen nur noch ein drittes 
gide: die Behertſchung bes Staats durch die Kirche, — 
das deal, welches eigentlich allen Kirchen vorſchwebt, 
dem jedoch nur bie römifch-Fatholifhe mit Bewußtſein 
und beharrlich anſtrebt. 


(Die Bostfegung folgt.) 





Reifeliteratur. 
(Bortfegung aus Nr. 215.) 


Bald nachdem der Reifende Etſchmiadfin verlaffen, um 
fi dem Arares über Sardarabad zu nahen, fangen die Keime 
der furdtbgren Krankheit, bie ihn bald niebermerfen folte, an, 
fih zu zeigen. Die von 34 Grad Hige bis zum Gefrierpunkt 
iwechſelnde Temperatur und ein unvorſichtiger Trunk in einem 
Lager umherſchweifeader Kurden braten fie zum Ausbruch 
es zeigte ſich ein Sonnenſtich, der in ein Rervenfieber über: 
ging, das 10 Wochen lang anhielt. Der Reifende genas lang: 
fom im Militeirpospital der Koſackenſtation zu Sanakız bei 
Ziflis. In legter Stadt, wo er die herzlichfte Aufnahme fand, 
genoß er fpäter des glänzenden und fhönen Schaufpiels, wel: 
des die Ankunft des Kaifers im Detober 1839 bier veranlafte. 
Bon der Macht und dem Gianze diefed ganz afietifchen of) 
witd uns ein anziehendes Bild entworfen. Die Pforte hatte 
eine zahlreiche Geſandtſchaft nach Tiſtis gefhidt; der Shah 
von Perfien fandte jeinen eigenen achtjährigen Sohn und Thron: 
folger, Rasrebdin Mirza, mit einem Gefolge von öb Kron- 
beamten und Dienern. Außer den ruffiihen Gouverneurm 
und Militaicchefs waren ferner auf dem Balle zugegen: ber 
Muftahid (Muf-Lheiit), Agumie Bett, der fetifche Der 
geiflipe der Provinz, der funnitifdye Obergeifkfiche Liofedin, 
ein Zatar; der Khan von Karabag, der ın don Zalüfh, 
Abbas-Beg, der Sultan von iiffen, der Schamdhal von Larkt, 
der Dadian Lewan von Mingrelien und fein Sohn, ber regit: 
vende Für von Abchaſien, Michael Schirwafdidfe, die Haupt 
linge der Swanenſtämme, bie Witwe des Khans von Chi un 
Deputirte aller Länder umher. Die Lönigliche Prinzeffin von 
Srufien, Heracleus' I. Tochter, Katiwani, fügrte den Kalle 
ein; alle armenifhen Damen von Rang, von Schoͤnheit und 
Schmug ftrogend, faßen feif und feierlid, auf den Divans um: 
ber. Die Rationaltänze beganmen. In der That ein anziehen: 
des Gchaufpiel! Der läcperligen Gcenen wurden viele durh 
die in europäifche Hoffitte geswängten Afiaten dargeftelt. A 
man zur Zafel gehen wollte, warf fid der Schamcal von Zara 
auf feine Foftbaren Bet nieder und fing an fich entfleiden 
au faffen, um die vorfhriftliche Wafhung an Händen und Bd 
Sen vorzunehmen; er mar nicht zu überzeugen, baß ed anfän: 
dig fein fönnte, ungewafchen zu Tifche zu gehen. Bei Suhl 
machte der Gebrauch von Meffern und Gabeln vielen hahm 
Gäften Mühe, und die Prinzeffin Katiwani rief zwei Kurden 

"on, die damit gar nicht zu &tande Samen, auf Tate: 

9 nicht zu geniten, worauf fie mit den Händen ihr 
de Gefchäft vollendeten. Den Zhronfolger von Pet: 
der Kaifer auf feinen &choos, Füßte ihn und feentte 
id. Er ergriff die Hand des türkifchen Abgelandten, 
gr un m Graf Drioffs Hand und fagte: „@eid Fremke! 
wie eure Herren es find.” Bei der großen Militeirparat 
übte er daS bekannte Beifpiel ftrafender — an Fürk 
Dabian, der wegen Unterſchleifs degradirt und, obmel Schw 
gerehn des Generalgouverneurs, ald Bauer nah Eibirien gr 
chickt wurde; mit deifen Schwägerinnen aber tanzte der Kailt- 
Die ganze Reife durch Transkaufafien war ein Zriumphith 
dem fich die Fürften felbſt der feindlichen Stämme anfhlefet; 
fein Menfd dachte an Radftellung: das MWertrauen deb mike 
tigen Monarchen brachte für den Wugenbli alle feindklget 
Gedanken zum Schweigen. Bei und aber t unwil 
wenn wir dieſen Theu des Reifeberichtẽ durchicſen, von dm 
Bautafifhen Wölkerfampfe ein ganz neues Bild. In dit 
Art mögen die Römer an ihren Grenzen gegen unfere Borfeh 
ven, bie Markgrafen in ihren Darken gegen die Wenden, Cr 
gen und Slawen gekämpft haben: ihr Befieger ward 
die Cultur, und fo wird es auch in Transkaukaſien der 
Fall fein. 

Bon Krankheit geſchwächt, traurig, feinen Reifegwed nut 
zus Dälfte erceict zu haben, von willenfdaftlichem Eifer un; 
dererfeits angetrieben, durdgreift deu Berj Kadpien und Day“ 


808 


flan, befucht ba6 Khanat Uwar, bie Herrſchaft der Kumücken, 
Zarku, die Tuſchen, Bambora, Nuchrawan, und kehrt nach 
Zifis zurüd. Die kriegeriſchen Lesgier und Gelen ſieht es nur 


einzeln und weile fle den tatariſchen Miflingsvöllern zu, in | 


denen das tatarifche Element vorherrſcht. In Tiflis muß er 
ſich endlich zur Rädtehr entfchließen, und er geht durch Ciokauka⸗ 
ken nach Ddeffa, wo die Peſt herrfchend war, und im Winter 
duch die Steppe nach Olbiopol und na Kiew, wo er im 
Mir, eintraf, und vom 17. bis 24. Mätz nad Petersburg, 
das am 2. Mai verlaffen wurde, und worauf der Reifende am 
16. Mai wieder in Jena anlangte. 

Der Reifebericht ift, wenngleich ohne allen Anſpruch auf 
ſchoͤnen Stil, doch in einer fließenden, durch Einfachheit Ber: 


trauen erweckenden Sprache geſchrieben, und empfichlt fich da: . 


ber auch von diefer Seite. 


Die fiebenundzwanzigfte Lieferung enthält den merk: 
würdigen und unter uns noch ganz unbefannten Bericht des 


Seheimfchreibers Pizarro’s, Fr. de Xerez, von der Entdedung |. 


und Eroberung Perus, vor P. H. Külb aus dem Spanifchen 
überfegt und Durch die Schriften von Auguſtin de Zarate und 
Garcilaſo de la Vega, Zeitgenoffen ber Ereigniffe, fortlaufend 
ergänzt. Diefe gicherung bietet eine nicht minder anziehende 


Sertute old Die vorhergehenden dar, wenngleich das Allgemeine 


davon längft notoriſch iſt. Die Geringfügigkeit der Anfänge 
diefer unermeßlichen Eroberung, zu welcher Pizarro, Almagro 
und der Prieſter Hernando de Kucca fih mit einer Mannfchaft 
von I60 Menfchen, etwa 30 Pferben und einem Vermoͤgen 
don etwa 4, O0063 Gulden verbanden; die Kühnheit der Erobe⸗ 
ter, die kriegeriſche Gewandheit und die gouvernementale Klug: 
ät, mit welcher Die Eroberung eines Reiches von dem Unis 
ange von halb Europa und von Priegerifhen Volksſtaͤmmen 
bewohnt, mit fo winzigen Mitteln vollendet wurde, nehmen 
Sqcritt für Schritt unfer Erftaunen in Anſpruch, während die 
von Fr. de Zerez vorgetragenen Detaild den Reiz eines anzie: 
henden Romans über uns geltend machen. Zwar hat de Zerez 
nur die Geſchichte der Eroberung felbft im Auge, und wir wür: 
den daher von ihm ein volles Bild des Landes und der Sitten 
feiner Bewohner nicht erhalten, wenn ber Bearbeiter nicht aus 
Zarate, befonders aber aus Garcilaſo's claffifhem „Commen- 
tarios reales db los Incas etc.” dieſe Lüde auszufüllen die 
tät gehabt und mit diefer Hinzufuͤgung dem Intereffe der 
Forſchung volle Befriedigung gegeben hätte. Die Auffaffung 
der Dinge in deiden Berichterftattern iſt freifich die eigenthüm: 
lich fpanifde und gehört wefentlich dem Geiſte der Seit an, 
der Faum eine Ahnung davon hatte, daß gegen ſchuldloſe Hei: 
den um des GBoldes und des Slaubens willen nicht Alles er: 
laubt fei; alein wenn auch Pizarco’s Thaten einem andern 
Urtfeilöfprude unterliegen’als fein Geheimfchreiber glaubt, fo 
nen wir un der Bewunderung doch nicht entziehen, die ei» 
neötßeil der Unternehmungägeift und die Klugheit diefer ganz 
culturiofen Apenteurer, anderntheilß der Gittenzuftand eines 
Bolles, das. auß unbekannten Quellen bie Anfänge einer felt 
famen Biltung entnahm, uns einflößen. Meder Pizarro, vom 
Bige zum Marques erhoben, noch Almagro, zum Präfiden- 
ten des neuen Reichs ernannt — Beide von niedrigfter Her: 
kunft —, konnten Iefen oder fchreiben: ihr Geiſt, ihr Muth 
und ihre Klugheit aber unterwarfen ein Volk von vielen Mil« 
Ionen, daß in allgemeiner Cultur ihnen eher überlegen als 
untergeordnet war; ein Volt, das fo unermeßliche Reichthümer 
an Gold und Silber befaß, daß der einzige Zug zum goldenen 
Iempel von Cuaco den Spaniern etma d Mill. Gulden, jedem 
Reiter Yefos und jedem Fußgänger die Hälfte hiervon 
an Beute ergab. Wodurch? mit welchen Mitteln? Wir ha- 
ben fonft Beine Antwort hierauf als die: daß e8 durch ein Über: 
maß von Tollkühnheit, durch die neue Erfcheinung von etwa 
OD Pferden und wittels giveier ober dreier Donnerbücfen 
Klhah. Des eg, die Gefangennehmung des Inka Mtabaliba 
mitten in feiner Sauptftadt, mitten unter 30,000 bewaffneten 


deutung wol zu würdigen wiſſen; leider gibt es feinen zweiter 
Quell diefer Art für und, da die andern gleichzeitigen Berichte 


gebirgeb) weiche 1841-43 an Ort und Stelle niedergefchrie= 


verräth gute Vorbereitung, Eruſt und 
Wiffenfchaft, und für Volt und Land offenen und nen: 


dem vielgelefenen Werke: „Morgen: und Abendland”, in haͤu⸗ 
figen Widerfpruch, ftreift nicht felten den glänzenden Schimmer 
don jenem Bilde ab, das uns namentlich Damascus in einem 
feenartigen fange - zeigte; und ftellt die Wahrheit und die 
richtige Schägung des gepriefenen Syrien an vielen Stellen 
mit überzeugender Kraft aus jenem nebeibaften Gemälde wie 
ber ber, das mehre jüngere Neifende uns bon Syrien geliefent 
haben, und das nur eine vergleihungsweife Wahrheit nament- 
K für Diejenigen hatte, die aus dem bürren Agypten in das 
grüne und laubige Land amı Fuße des Anti-fibanon plöglidh ver» 
jegt wurden. ‚Dad Thal zwifhen den beiten Libanond (Coͤle⸗ 
ſprien) und die friſche Ebene jenfeit des Anti⸗Libanon (Sorien 
mit Damascus) glänzen Dem allerdings entgegen, der, von 
Beirut aus Die oͤden Gebirge foeben überftiegen oder Agyp= 
ten im Gedaͤchtniß bat; allein der märchenhafte @lan; von Dar 
mascuß verliert fi für den erften Befchauer bald genug m 
flellenweifer Anmuth und Bierlichkeit bei allgemeiner Düflige 
keit, Schmug und Elend. Es bat hierbei viel Zäufchung und 
Schwärmerei geberrfcht, und die Marmorpaläfte von Damascus, 
feme unvergleichlichen Kaffechäufer, die den pariſer Glanz ver 
dunkeln follten, feine paradieſiſche Umgebung, feine gewuͤhlvol⸗ 
len Prachtbazars Idfen fi unter der Hand des Berf. in Ge 
woͤhnlichkeiten auf. Im Wllgemeinen find bie Straßen der fg: 
riſchen Hauptfladt eng, von Lehmhäufern eingeſchloſſen, dorf 
artig, ſchmutig oder ſtaubig. Nur bie Derwifchitrafe mit ER 
ven Kaufläden und Kaffechäufern, die Bazars und etwa 
nennenswerte Khans mit alkerliebften innern Höfen, von Bar« 
mor eingefaßt und von Springbrunnen gefühlt, haben 34 dem 
länzenden Bilde den Stoff geliefert, daB man von Diefer Stadt 

äufig entwirft. Jene Derwiſchſtraße mit ihrer Bevölkerung 
von ftolzirenden Effendis, feltfam ajuftirten Scheiks Pilgern, 
fanatiſchen und nadten Derwifchen, Hindus u. f.w. aibt aller« 
dings ein fo reines Bild orientalifchen Lebens, wie feine an« 
dere Stadt des Morgenlandes, und ift im Gtande, einen muͤ⸗ 
Figen Meifenden lange Beit und immer von neuem zu unterhal⸗ 
ten; allein eine Stadt voll zauberiſcher Palaͤſte iſt Damascus 
durchaus nicht. Ihre Moſcheen ſind, unbedeutend, mit denen 
ber Stadt am Bosporus verglichen, und die geprieſenſten Kafs 
feehäufer entlehnen ihre Zierde mehr von ihrer Lage als aus 
ihrer Einrichtung. Schmug und übte Gerüche fehlen nirgend; 
die Künfte der Givilifation, namentlich Alles was der Malerei 
angehört, find in der Kindheit, oft lächerlich verungierend; und 
im Winter ift Damasıus eher haͤßlich als freundlich zu nennen, 
und jedenfalls troſtlos⸗ monoton. oo 

Die gefelligen Sitten der Syrier in Bezug auf die Frauen, 

weit freier ats in Konftantinopel ber Ball iſt, ſchildert der Rei⸗ 
fende fehr liebenswuͤrdig. Der Syrier iſt ebenfo munter, leb⸗ 


Yaft und unterhaltungsluftig, wie der Zürke ernſt und träumes 
riſch if. Die Zafelfreuden, die Luft an Befang und Tanz, 
wenn aud) beide Künfte ziemlich barbariſch auftreten, find ſehr 
verbreitet, und Fein Feſt endet ohne ein Paar keſſelpaukende 
alte Mufilantinnen aus Bagdad und eine in fonderbaren Ber: 
errungen geübte Zänzerin, die zumeilen, wie die berühmte 
Frinademe Hanum LTamburdji, in Gold und Edelſteinen glänzt. 
ei ſolchen Feſten beben auch die Frauen von den Dächern 
erab Zuſchauerrecht und mifchen fi mit den GChriftinnen. 
es Dies zeichnet Damaseus dor allen andern türfifchen Haupt» 
ftädten aus. Unter der Herrichaft der Agypter wich vollends 
aller moslemitifcher Fanatismus; allein unter den türkifchen 
Paſchas fängt er wieder an aufzuleben. Ibrahim Paſcha 3.2. 
war fo freier Denkart, daß er den Bahri-Bei, einen Ehriften, 
zu den böchften Stellen feiner Verwaltung erhob und ihn in 
feinem Vorfig vor den Moslimen kraͤftig fehügte. Als Bahri 
fi) einft bei ihm beklagte, daB man in der Rathsverſammlung 
nicht aufftehe, wann er oder der Zinanzminifler erfcheine, trat 
er felbft in den Divan, winkte Bahri an feine Seite, indem 
er ihn mit dem Worte: „Buyurun!” (Seien Sie fo gütig!) ne: 
ben fich fegen ließ, und rief den Übrigen kurz zu: „Otur!“ 
(Sept euch!) Seitdem war Bahri dab Oberhaupt des Divan. 
Auch unter den Juden gibt ed hier fehr reiche und einflußreiche 
Zamilien, wie denn der reihe Ma'alim trog oftmaliger Plün: 
derung noch immer der mächtigfte Banquier im Drient if. 
Rachderh der Reifende uns noch die eigenthümlichen Sit⸗ 
ten der forifchen Ehriften gefchildert hat, nimmt er von Da- 
mascus Abfchied, wendet ſich durch den Libanon nach Keftuan, 
malt uns Ghazir und Beirut und gibt uns dann ein vellftän: 
diges Gemälde von der politifchen Lage, der Givilifation und 
der kirchlichen Verfaffung der Drufen, deren Geſchichte er auf 
anziehende Art erzählt. Der Urfprung der deufifhen Religion, 
welche bekanntlich Ehriftus und Mohammed vermwirft und So: 
lomon den Perfer, der zur Zeit Chrifti lebte, als ihren Stif⸗ 
ter, den Khalifen Halem (etwa um 1000 n. Ehr.) als die 
legte Incarnation des Geiftes der Intelligenz verehrt, und 
Hamza und Darazi (daher Drufen) als feine Propheten be: 
kennt, ift eine Probe, zu welchem Unfinn der Menſch auf reli⸗ 
ae Gebiete zu verloden if. Wir ſkizziren Died Bild um 
0 lieber, da wir nicht glauben, daß der Inhalt des druſiſchen 
Glaubens fehr bekannt fei. Die Drufen erfennen einen Gott, 
der die Welt gleich fo, wie fie jegt ift, mit allen Bölkern ber 
Erde gefhaffen Hat. Bon ihm. wurde ber Geift der Intelligenz 
geboren, der fi) in einzelnen Menſchen verkörpert. Eine ſolche 
SIncarnation der Gottheit war Solomon der Perfer, der Chri⸗ 
flum belebrte, aber ihn fpäter fallen und durch die Juden 
tödten ließ. . Solomon -hatte vier Minifter: Marcus, Lucas, 
Matthäus und Zohannes, die Evangeliften, denen er feine Vor: 
fohriften dictirte; alfo ift, was in den Evangelien fteht, volle 
Wahrheit. Die legte Incarnation des Geiſtes war der Khalif 
Hakem um 410 d. Hedjira. Diefer Hakem ift aus ber Ge: 
ſchichte als ein Unmenſch, ein Wüthrich bekannt, der jedod) mit 
Hülfe eines merkwürdigen. Spionirfoftems in Kairo eine ge: 
wiſſe graufame Gerechtigkeit übte und aus feinen Schergen fi 
eine Schar Propheten erzog, die ihn als einen Herrgott preis 
fen mußten. @iner derfelben, Hamza, wurde in die Drufifchen 


Berge gefendet, um Hakem hier als den Meſſias auszurufen, 


auf den die Welt wartete. Diefer Hamza ift Denn aud der 
Prophet und Neligionsfljfter der Drufen geworden, und fie 
rechnen ihre Ara nad ihm. Hakem aber ift der Meſſias, der 
am Züngften Tage die Zodten richten und die wahren Glaäubi⸗ 
gen alle zu Paſchas, Emirs u. f. w. erheben wird. Die See 
len aber werden durch das Licht Hamza's gefhaffen, find un» 
fterblid) und wandern in die neugeborenen Menſchenkinder; die 
Ghriften, die Moslimen und Juden aber betrachtet der Drufe ala 
Polytheiſten und verachtet fie. 


Der Reifende ſchildert uns weiterhin ‚ deſſen an 
rn IN,UVUD Bewohner er auf 70,000 a 
ndige fein Bild von Syrien mit einer Menge ftatiftifher 
Rachrichten über Handel, Bevölkerung, Manufactur; zerglie: 
dert uns die Verfaſſung und die Geftalt der Zeubal- Ariſtokra⸗ 
tie, deren edelſte Bamilien er einzeln kennen lehrt, wie bie 
Emirs und Scheikhs im Libanon, die Mokaddem in Hammana 
u. f. w., und ſchließt mit den Landeserträgen und den Finanz 
quellen Syriens. Mir haben ihm für Dies vollftändige und 
ſtets anziehende Bild Diefes Landes, in dem fidh die Bünftigen 
Schickſale der afiatifchen Türkei offenbar entwideln müffen, da 
fi Chriſtenthum und Mohammebanismus nirgend näher be 
gegnen als hier, unfern Dank zu fagen. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Miscellen. 


Unter den Gelehrten des 16. Jahrhunderts gibt es merl: 
würdige Beifpiele von Gleichguͤltigkeit in Slaubensfagen. Ju⸗ 
ſtus Lipſius, der berühmte Humaniſt, welcher 1572 zu Jena 
die Profeffur der Gefchichte und Beredtfamleit übernommen, 
dann, nach manderlei Schicfalen, 1579 zu Leyden mit vielem 
Beifalle gelehrt Hatte, endlich 1591 auf einer Reife nach Spas 
duch Mainz kam, bekannte ſich faft überall wo er. lebte 
zu der berrichenden Religion. Zu Jena war er Lutherane, 
zu Leyden Meformirter, und zu Mainz nahm er wieder die fu 
tholifche Religion an, in der er geboren und erzogen worden. 
Der Rechtögelehrte Franz Balduin (geft. 1573) änderte fieben 
Mal die Religion. In Flandern geboren, ward er bafelbft ın 
der katholiſchen Religion erzogen, trat dann zu Genf zu der 
reformirten über; kehrte zu Paris zur katholiſchen zurüd, und 
batd hernach zu Genf wieder zur reformirten. Zu Bourgad 
wurde er wieder Katholil; zu Strasburg Reformirter, und zu 
Heidelberg Lutheraner. Dann kehrte er nach Frankreich aurüd, 
wo er wieder Patholifh wurde. Deshalb ward, mie Theodot 
Beza, Profeſſor der griedhifchen Eprade zu Lauſanne umd 
hernach Prediger zu Genf (geft. 1605), von Balduin be: 
richtet, diefem der Beiname „Ecebolius” (der Auswürfling) 
gegeben. 


. Peter Young, Groß-Almofenier von Schottland und Früher 
Königs Jakob I. Lehrer (geft. 1621), wurde von feinem fünig: 
lichen Schüler fo hoch geachtet, daß derfelbe ibm feine 1619 
herausgegebenen Schriften mit der eigenhändigen Einzeichnung 
zum Gefchen? machte: „Jacobus cet. Cl. V. Petro Junio Equiti 
cei. hoc operum suorum systema L. M. Q. offert carissimo 
Fracceptori gratus discipulus, memor formatae ab illo ado- 
escentiae suae ad virtutis et litterarum studia, quae quaD- 
topere ex eo amaverit, librum hung, sui profectus indicen 
et testem, mittit, bonorum, ut sperat, debitorum more 
qui serena fronte gratoque animo sortem foenore multpl- 
catam creditoribus restituunt. Greenvici d. XI. cal. Jun. 
MDCXX.“ Man fieht, der koͤnigliche Schüler hat Quvenald 
Segenswunfih (Sat., 7, 207— 209) wol im Gebächtniß gehabt. 


Johann Auratus, fonft auch Dorat, b’Aurat und Perl 
enannt, prel, der griechiſchen Sprache zu Paris (gef. 158) 
oll über 00,000 griehifhe und lateiniſche Werfe, außer dm 
franzöftfchen, verfertigt haben. In einem feiner Diftichen ſagt 
er von dem alten Rom: 

Roma qaod inverso delectaretur amore 

Nomen ab inrerso nomine fecit Amor. 
Matthäus Parifienfis aber, Benedictinermönd zu et. Alban 
in Paris (geft. 1259), fagt von dem neuen Rom: „Roma co 
versa. est et nomine et re in Hadicen Omnium Malorum 
Avaritiam.” , 2 





Verantwortlicher Herausgeber: Heinzih Brockdauns. — Druck und Verlag von Y. SE. Brockhaus in Keipsis- 





Blatter 


literariſche 


für 


Unterhaltung. 





EEE | Nr, 217, | 





Die jefuitifhe Reaction unb der ideale 
Katholicismus. 
( Borffetung aus Nr. 216.) 


Den vom Papſfte preisgegebenen Sefuiten öffnete 
Katharina TI. eine Freiftätte in ihren Staaten, aus de 
nen fie etwa 50 Jahre früher Peter I. vertrieben hatte, 
Beihe Raͤnke fie, befonders vom Grafen Joſeph be 
Maiftte unterflügt, ber von 1803—17 die Stelle eines 
ſardiniſchen Gefandten in Petereburg begleitete, in An- 
wendung brachten, um ihren‘ Einfluß zu erweitern, wird 
in der Schrift Nr. 5 aus authentifchen Actenſtücken 
nahgewiefen. Sie verfolgten in Rußland im Weſent⸗ 
lihen den nämlihen Weg, welchen wir fie in Franf- 
zei nehmen gefehen haben. Um das Unterrichtömefen 
in die Hände zu befommen, befämpften und verleumde- 
ten fie die ihmen im Wege ſtehende Univerfität Wilna, 
der damals noch Fein Nowoſſilzow als Eurator vorftand, 
und old man ihnen größere Unabhängigkeit geftattet hatte, 
mitbrauchten fie Diefelbe. Der General des nämlidhen 
Drdens, unter deffen Regeln fich eine befindet, die lau⸗ 

it: „Baterlandstiebe muß im Gefühl und Geſpräch weg- 

fallen; daher iſt es auch verboten, über Kriege und 

Zwiſte der deiftlichen Fuͤrſien zu fprehen”, — ftellte bem 

Miniſterium 1810 vor: „es fei ohne Zweifel aufer- 

ordentlich wichtig, daß die Jugend in patriotifchen Grund⸗ 
fügen erzogen werde; Dies laſſe fich aber von den Uni- 
verhtäten nicht erwarten, deren Profefforen großentheils 
nichts Anderes an ben Staat feffele als ihre Befoldun- 

gen.” Der nämliche Orden, zu deffen Gunften be 

Rüftte dem peteröburger Eabinete gegenüber das Thema: 

„tt fü eine Vormauer aller Autorität”, auf jede mög« 
liche Beife variirte, fpann feine Fäden bis nach Peking, 
um die ruffifche Geſandtſchaft von da zu vertreiben. 
Der nämlihe Orden, welcher fih den Namen Deffen 
angemaßt hat, der Diejenigen, welche ihm nachfolgen 
wollten, ihre Habe. verkaufen und den Armen geben 
hieß; — der nämliche Orden, welcher als vorzugsmeife, 
18 ausfhliegend zur Erziehung bed Menſchengeſchlechts 
berufen gelten wollte, ließ feine Leibeigenen in fo klaͤg⸗ 
liher Unmwiffenheit und Armuth vertommen, daß Wlesan- 
der J, der ſich auf feinen Meifen perſönlich davon über- 
zeugt hatte, fich genoͤchigt ſah, den P. General an bie 


, 


Pflichten der chriſtlichen LKiebe zu erinnern. Am mei» 
ften aber war es die ben Meichögefegen geradezu wider⸗ 
fireitenbe, alles Maß überfchreitende Proſelytenmacherei, 
welche die Regierung endlich bewog, ſich der Iefuiten zu 
entledigen. Der Bericht, auf den hin Ulerander I. ben 
Befehl erließ, fie über die Grenze zu bringen, mar von 
Zurgeneff, einem Schüler Schlözer’s, und dem edlen 
Fürften Galyzin, dem Stifter der Ruffifchen Bibelgeſell⸗ 
ſchaft, verfaßt und unterzeichnet, und enthielt unter Ans 
berm folgende Gtelfe: 


Alle Handlungen der Iefuiten Haben nur den @igennug 
(Tinteret) zum Beweggrund und bezwecken blos das unbe» 
renzte Anwachſen ihrer Gewalt: indem fie jeden ihrer unge 
eetichen Schritte durch irgend eine Ordensregel zu entſchuldi⸗ 
gen wiffen, haben fie fi) ein ebenſo weites als gelehrigeß 

ewiſſen angeeignet. " 


Ihre Zahl war von ihrer Aufnahme in Weißruß⸗ 
land an bis 1816 von 172 auf 674 geftiegen. Lutte⸗ 
roth fchließt feine Schrift, die manden neuen Beitrag 
zur Kenntniß bes Ordens liefert, mit folgender Be⸗ 
trachtung: 

In Rußland dachte der Abfolutisarus einen Uugenblid 
daran, fi mit der Geſellſchaft Iefu zu verbinden ; er gewahrte 
jedoch bald, daß ein ſolches Buͤndniß für ihn ſelbſt gefährlich 
ifl. In conftitutionnellen Ländern ift es unmöglich oder würde 
wenigftend bie Regierungen gewiß ind Werderben flürzen, bie 
thöricht genug wären, ſich dagu berzugeben. Da fie aus dem 
Volke hervorgehen, fo müflen fie deilen Strebungen darflellen 
in dem Maße, wie fie wechfeln und jich verändern; wie koͤnn⸗ 
ten fie Dies jedoch, wenn fie das Gepräge einer Geſellſchaft 
trügen, die ihren eigenen Geiſt allen Zeiten aufzwingen will? 
Sa, wenn biefer Geift der des Evangeliums wäre, welcher im⸗ 
mer der gleiche und dennoch der Zeit immer voraus ift; aber 
nein, er verneint die Grundfäpe, welche das Evangelium in 
die Welt gebracht hat: es ift der reactionnaire Geiſt der Geg⸗ 
ner deflelben.... In Rußland bat der Kampf mit der Vertrei⸗ 
bung bes Ordens geendigt: in Frankreich hofft man ihn mit 
der Säcularifation der Sehhiten zu endigen. Allein wie wiſſen, 
dag die Maßregeln, womit man Alles erledigt zu haben vor⸗ 
gibt, gewöhnlich Alles unerledigt laſſen: Ideen koͤnnen nämlid 
nur durch Ideen, Strebungen durch Gegenftrebungen, der alte 
Geiſt durch den neuen, daB Böfe durch dad Gute befiegt wer» 
den. In einem folden Kampfe genügt es nicht, den Feind zu 
treffen: man muß ihn vor Allem kennen lernen... 


Diefe Anficht über den Ausgang des Jeſuitenkampfs 
in Frankreich wird vollfommen gerechtfertigt durch bie 
Schrift Nr. 4, welche actenmäßigen Bericht über die 


866 


Entftehung, den Verlauf und ben vorläufigen Abſchluß 
dieſes Kampfes gibt. Es geht daraus hervor, was für 
aufimerffame Beobachter nie ein Geheimniß war, daß es 
fi) dort weniger um die Jefuiten als um die römifch- 
katholiſche Kirche handelt, deren Bifchöfe faft alle, deren 


niedere Geiftlichkeit großentheils, weil vom jefuitifchen 


Geiſte durchdrungen, fir die Jeſuiten Partei ergreifen. 
Diefe Kirche betrachtet fih nämlich noch immer ale 
Staatskirche; eine folde, ja auch nur eine vom Staate 
anerkannte, befchügte und bezahlte „Kirche der Mehr- 
heit”, wie fih die Charte ausbrüdt, ift aber mit dem 
Beifte der durch die Revolution gefchaffenen Geſetze un- 
verträglich. Hier liegt ber legte Grund eines Streites, 
in den, wie Hr. Hahn treffend bemerkt, die Sefuiten, 
obgleihh auch in ber That gefährlih, doch mehr noch 
buch die Lift der Parteien gezogen worden find und 
worin fie als Vorwand bleiben werden, fo lange‘ der 
Streit felbft dauert. Ihn, weil es Hrn. Roffi in Rom 
gelungen ift, eine fcheinbare Auflöfung der Congrega- 
tion in Frankreich zu bewirken, als beendet anfehen kann 
nur der Kurzſichtigſte. Hr. Hahn zeigt, daß außer der 
Auflöfung der zahlreichen Noviziate faft gar Nichts ges 
wonnen ift. Diefe ift wichtig, 

weil damit dem Orden eines feiner Mittet für die Theilnahme 
am öffentlichen Unterrihte genommen wird; denn gerade die 
Rovizen werden in den Sabren, welche auf die eigentlich geift: 
lihe Probe folgen, zu Geſchaͤften wie der öffentliche Unterricht 
gebraudt. Wenn Bie Geiftlichkeit zu Gunften der Jeſuiten 
eine abfolute Freiheit des Unterrichtd ohne Garantien und 
Gradbedingungen foberte, fo gefhah es vorzüglich in der Hoff: 
“nung, die zahlreichen Rovizen in den zu ftiftenden Schulen zu 
‚gebrauchen. Diefe Ausſicht ift fürerft abgefchnitten. 

Hingegen hindert die Sefuiten Nichts, „ſobald die au⸗ 
genblidliche Aufregung der öffentlihen Meinung andern 
Eindrüden, die ſich in Frankreich fo ſchnell verdrängen, 
Kaum gegeben haben wird, fid, wieder als Congregation 

u conflituiren”. In den Noviziaten zu St.-Acheul bei 
iene, Zaval, Iffenheim im Elſaß, Avignon und Tou⸗ 
louſe befanden fi, den amtlichen Verzeichniffen zufolge, 
am 1.San. 1845 288 Orbensleute, und die beiden Pro- 
pinzen Paris und Lyon zählten aufammen 253 Scholaren, 
im Ganzen aber 866 Mitglieder. Ravignan jedoch, 
der Profeß des Drdens, der Bertheidiger deffelben, der Rath: 
geber des Provinzials, erklärt und betheuert in feiner Schrift 
von der Eriftenz und dem SInftitute der Sefuiten, &. 9 der 
dritten Ausgabe, 1844, was unverändert in der legten Aus: 
gabe von 1845 ſtehen geblieben ift: qoelques Frangais, quel- 
es pretres, deux-cent-six, je laffırme, pour toute la 
rance; und fügt noch die befräftigende Anmerkung hinzu: 
deux-cent-six pretres diss6minds dans vingt diocöses: voila 
toute la societ6 de Jesus en France. Les novices, les 
freres ne sont pas compris dans ce nombre. Wenn Das nicht fein 
Wort, feine Berfiherung, Bebräftigung auf Treue und lau: 
ben abfichtlich auf falſches Spiel fenen heißt, fo fage mir Ei: 
ner, wie man ed nennen fol! („Das Innere der Gefellfchaft 
Jeſu“, &. 260 fo.). 

Da fi die jefuitifhe Partei in Frankreich als 
folhe für den Augenblid gefchlagen fah, conftituirte fie 
fih, wie man die Hanb umbreht, als katholiſche, und 
tritt nun bei den Wahlen, in der Kammer u. f. w. un» 


ter diefem Namen auf. Hr. Bahn fehließt feine an⸗ 
ziehende, don aller Übertteibung entfernte und ganz 
biftorifch gehaltene Schrift fo: 

In biefer neuen Stellung als politifche Partei kann der 
Katholiciemus dem Staate viel, fehr viel Schaden thun, aber 
ih kann nicht einfehen, welcher Rugen für die Kirche ſelbſt 
daraus entfliehen Eönnte. Buch die Rothwendigkeit der Par 
teipolemit bingerifen, nimmt fie nach und nach die ganze Lak⸗ 
tik und alle Gewohnheiten an, welche den Parteien nothiwendig 
eigen find. Es gibt für alle Minoritäten gewiſſe unvermeid: 
lihe Kriegspläne. Wenn man nicht im Befige der Gewalt ift, 
muß man Diefelbe auf alle möglidhe Weiſe berabzumürdigen 
ſuchen; und wie jede Partei ein Intereſſe hat, durch den Lärm, 
den fie macht, über ihre numerifche Schwäche zu täufben, fo 
laͤßt auch jegt ſchon die katholiſche Partei in Heſftigkeit und 
Schmähungen Feiner andern den Vorrang. Aber geichab es 
etwa durch ſolches lärmende Beginnen, daß die katholiſche 
Geiftlichfeit nad) 1830 wieder zu einigem Unfehen Fam? Wenn 
fie heute um fich fchauen und andere Symptome befragen wil 
als die in Sacrifteien oder Klöftern gefchriebenen Artikel ihrer 
eigenen Icurnale, fo koͤnnte fie ſehen, daß fie auch jegt ſchon 
Durch ihr neues Geberden viel von dem umlängft gewonnenen 
Zerrain wieder verloren hat; — und wenn die Geldhichte, die 
ich erzählt habe, Fein anderes ernſtes Refultat bat, fo hätte fie 
doch den Klerus belehren follen, daß bie franzöfiiche Nation 
ih Prieſterhochmuth und Prieftertrog nicht gefallen läßt. Wil 
er ſich nicht belehren laſſen und auf der betretenen Bahn mer 
ter fortgehen: fo wirb auf die ernfte, aber gemäßigte Warnung 
eine fehlimmere Kataftrophe folgen ; fo wird man mit dem Je— 
fuiten auch den Priefter ſchlagen; fo wird ſich Frankreich ge: 
zwungen feben, fidh zu zeigen wie es tft, weder ultramontan 


noch Patholifch. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Reifeliteratur. 
(Beſchluß aus Nr. 216.) 


Die Schilderung Iftriens und Dalmatims von Heintig 
Stieglig, welche den Inhalt der neunundzmwanzigfien 
Lieferung bildet, ift als eine Fortfegung der lobwuͤrdigen Arbeit 
anzufeben, welche der Verf. in eben diefer Sammlung uber Ron: 
tenegrien geliefert und die wir unfern Zefern früher fchon zur An: 
zeige gebracht haben. In demfelben Geifte lebhafter ımd gefihmad: 
voller Darftellung, von der Wiſſenſchaft, Raturkunde und Ur: 
chaͤologie überall geftügt, berichtet der Verf. hier über fen 
Fahrten und Wanderungen im Littorale und auf den Infeln 
der iftrifchen und dalmatinifchen Küfte, einem Landftriche, der in 
jüngerer Zeit erhebliche Veränderungen erfahren hat und mit 
diefen noch wenig bekannt geworden iſt. Die Umreife beginnt 
von Zrieft aus und erſtreckt fi zunächft über Pirano, Cap 
d’Iftria und das fo anziehende Poia; dann über die Infeln dit 
Quarner » Kanals, Dfero, Cherfo und Veglia nah Yium 
Rah diefer Durchforfchung Iſtriens befuchen wir mit ihm Jarı 
in Dalmatien, Sebenico, &palato, Salona, Lefina, Curzoela, 
die Bocche di Eattaro und ſchließlich Raguſa und Gravoſa 
Menfıhen und ihre Sitten, die Ratur und ihre Reize, die 
Städte und ihre Bedeutung in ber alten Beit wie in der Gr 
genwart kennen lernend. Durch diefen Wechſel der Bazuͤge, 
den der Verf. geſchmackvoll zu handhaben weiß, erhält er un 
fer Interefie an feiner Wanderung wach und rege, und mit 
danten ihm eine Fülle von Belehrung, die er auf anmuthige 
Art an uns abgibt. Er ift ein belefener, achtfamer und durch 
aus unbefangener Reifender, ein Führer, dem wir ſtets gern 
rolgen, weil er überall etwas Bebeutenbes zu lagen und das 
Unbebeutendere gehörig unterzuorbnen verftcht. Über die Rul 
nen von Pola, die der Forſchung noch fo reichen Sto barbie: 
ten, ift er zunaͤchſt vollfländig beichrend. Die herrliche Arm 


nimmt unter biefen bie erſte Stelle ein und unterfcheibet na 
von ihrer Schweiter:Arena in Berona befonders durch ihre fa 

velftändige Erhaltung in den äußern Iheilen, wodurch fie dem 
Eoloffeum ähnlich wird. Die Porta aurea, Triumphthor des 
Sergius, auf die Schlacht von Actium bezüglih, ift nun völ- 
lig aufgededit; der Auguftus: und der Julien Zempel zeigen fi 
jegt wieder auf das vortheilhafteftes alle diefe Tehrreichen Nefte 
fiyern dem Meinen Orte den Befuh der Archäologen. Bon 


bier wendet fi) der Neifende nach Auffin piccolo und Luſſin⸗ 


grande, die er in dem flürmifchen Quarner » Kanal (il carni- 
voro, ber Menſchenfreſſer, zubenannt) nicht ohne Faͤhrlichkeit 
erreiht. Diefe blühenden Beinen Infeln an der Küfte Iftriens 
haben ein merfwürdiges tropifches Elima: Citronen und Limo: 
nen, Saroben, ungeheure Feigenbäume, felbft Palmen kom⸗ 
men bier unbefhügt fort, unter 44’, Grade der Breite, und 
Ne Myrte dient zum Brennholz; auch Ricinus wird gebaut. 
Die Städte find anmuthige Peine Handelsorte und sonen 
blüht Luffirf- piccolo. Die Infel Oſero macht auf ein hohes Al⸗ 
tertbum Unfpruch, indem fie befanntlih bei Vielen für das 
Ziel der Urgonautenfahrt gilt. Die Sache ift mehr als zwei- 
felhaft. Zwar fcheinen der alte Name Abfyrtium und die Stadt 
Cherſo ihre Anſprũche zu belegen; inzwifchen Pönnen auch ſchon 
die Römer hierüber einem Irrthum gehuldigt haben. Dfero 
enthält einen großen Binnenfee, der in der Landesfprache Se: 
fero Heißt; vermuthlich ift dies der Quell de Namens Cherfo, 
und mit diefem Namen brachte dann eine alte Volksſage die 
Argonautenfahrt raſch in Werbindung, indem ſich leicht ein 
Fleck für den Dianentempel, für den Drt, wo Medea den klei⸗ 
nen Bruder zerftüdte u. f. w., fand, während Alles dagegen 
fpriht, das alte Kolchis hier zu fuchen. Die Umreife auf der 
Infel, auf der man nie einen N agen fah, wird und anmuthig 
geiiltert; ven den Höhenpunften fchweift der Bli über das 
Meer hin bis Ancona und Benedig, und beherrfcht die male: 
riſche Küfte. Die alte Vorhut Venedig, die Infel Beglia, 
der alte Lehnsbefig der Frangipani, mit feinen Gaftellen und 
Schleſſern gegen Die uzkokiſchen Seeräuber, gewährt ein nicht 
minder anziehende® Gemälde. Merkwürdig ift die treue An⸗ 
bänglichfeit diefee Infulaner an ihre alten Herren, die Fran⸗ 
gipani, welche Benedig hier in einer Nacht ohne allen Rechts: 
grund entführen und ihres Beſitzes berauben lief. Fuͤr die 
Veglianer iſt die Geſchichte feit jener Zeit wie gar nicht vor: 
handen; Fe glauben noch an den Löwen von ©.: Marco und 
gehen feit der Entführung ihrer Herren in ſchwarzer Tracht. 
tume und das reizende Gaftell Zerfatto mit feiner herrlichen 
Fernficht, auch ein Frangipani'ſches Schloß, ine der Familie 
Rugent gehörig, machen den Beſchluß der iftrifchen Reiſe. 
Das Dampfigiff entführt den Reifenden nach Zara, der Haupt: 

fadt Dalmatiens, deffen wachfende Bevölkerung jetzt über BUUU 
Seelen beträgt. Die marmorreihen Kirchen, die Umgebungen 
und die bedeutenden Männer, die der Verf. bier Eennen lernt, 
— den Philoſophen Zommafeo, Italiens Kant —, werden uns 
geſchildert. Gebenico mit dem nahen Wafferfall des Kerkafluf: 
ſes, Spalato, das ganz In den Mauern des gewaltigen Pala⸗ 
ſtes des Diocietian eingehäuft liegt, mit feinem Reichthum an 
alten Jerwelreſten, dem Jupiter: und Dianen-Zempel, und hier 
näht das alte Salona, jett ein ſtilles Dörfchen, Salona, auf 
derielben Stelle, wo einft die berühmteften Purpurfärbereien 
und Waffenfabrifen des Wltertbums, ein von Schiffen win: 
meindes Geftade, und wo bie fyönften und muthigften rauen 
der alten Welt ihren gBohnfig hatten, werden uns in anzies 
henden Bildern vorgeführt. Salonas Zerflörung fällt in das 
J. Jahrhundert und erfolgte durch die Avaren; jegt kann man 
den dieſem Weinsberg des Alterthums jagen: Etiam periere 
zuinae! Denn nicht ein einzige feiner alten Denkmale ift uns 
erhalten; Zempelfimfe, Torſos, zertrümmertes Geftein ift Alles, 
was fih von feiner alten Pracht erhalten hat. Mahebei ift 
Kiffa, dad Andetrium des Dio, eine Bergfefte, die dem Fiber 
jahrelang wiberftand. Lefina, Liffa, die Infel Eurzola, Mes 
leda und die Bocche di Eattaro, öftreichifh Albanien, werden 


uns fobann im raſchen Überblick vorgeführt; Ckeagliari, das 
durch feine Armuth zum Spruͤchwort geworden ift, Bubua und 
die vier Grafſchaften ber Zuppa, Bundesgenoſſen der Montes 
negriner, geben zu weitern anziehenden Bildern Stoff und ver- 
anlaflen ben Reilenden zur Mittheilung poetifcher Bruchftüde, 
bie uns ein Verlangen nad größern Proben der balmatinifchen 
Dichtkunſt erwecken. Gin Gedicht von Giovanni Babitſch: „Das 
Höhfte der Schöpfung”, und mit den Worten beginnend: 

Über Bott ik Bein Gebieten, 

Über die Roſe keine Blume; 

Kein Metall ik über Bold, 

Kein Gehuͤlfe über den Wruder, 

Über des Waters Beine Freundſchaft, 

Über Mutterliete keine. 


erinnert an Berwandtes in ber fpanifchen Lyrik und ſtrotzt von 
Gefühl und Eräftigem Ausdrud. 

Bir enden unfern Iehrreichen Ausflug feließlich in Gra⸗ 
vofa, dem Hafen, und in Ragufa, dem Hauptort gegen das 
türkifche Gebiet bin, ſchon im geregelten Karavanenverkehr 
mit dem Drient, das ultima Thule der europätfchen Gultur, 
wo fid) Meifterwerfe von Sanmicheli und Zintoretto neben tür: 
kiſchen Bazars, die Gusli (Zitter) neben dem Pianoforte; So⸗ 
nette neben barbariſchen Flintenfchüffen zufammenfinden; Lurz, 
wo das Alterthum, Die moderne Eivilifation und die orientalifche 
Barbarei einen engen Bund im Leben eingegangen zu fein 
feinen. Hier _verlaffen wir den Verf. und empfehlen fein 
vollkommenes Wert, dem ſich feine Skizze von Montenegrien 
an diefer Stelle anfchließt, dem Genuſſe des Lefers.*) 19. 





Betrachtungen über ben politifhen Zuftand des ehemali- 
gen Polms und über die Geſchichte feines Volkes. 
Don Joahim Lelewel. Deutfche, mit Anmer- 
fungen bed Verfaffere vermehrte Ausgabe. Brüffel, 
Muquardt. 1845. Gr. 8. 2 Thlr. 


Aus der ältern Geſchichte Polens find es nur einige Glanz: 
punkte, welche das allgemeine Interefle in Anſpruch nehmen; 
diefes findet erft mit dem Verfalle des Landes größere Rah: 
rung, und es ift in ber Ihat ein eigenthümlicher Fall, daß ein 
Boll in feiner Größe und Macht den Freund ber Gefchichte 
weniger zu feſſeln vermag als durch feine Auflöfung und feinen 
Untergang. Die polnifgen Verhältniffe der frühern Zeit find 
auf das übrige Europa nur felten von bebeutendem Ginfluffe 

ewefen ; feine innern Kämpfe, das Zreiben feiner Parteien 
Önnen, aus der gerne gefehen, niemals großartig erſcheinen 
und machen faft immer einen unangenehmen Gindrud. Das 
Confufe der Berfaffung , das Diffidentenwefen, die Verkehrt⸗ 
beiten der Großen, die Unterdrüdung und viehifche Roheit der 
untern Volksclaſſen: alles Dies zeigt uns kinen Staat, wie er 
nit fein fol und von welchem nur negativ zu lernen iſt. Erft 
mit der Serftüdelurg des Reichs treten edlere und anziehendere 
Erfcheinungen hervor, erwacht ein befferer Geiſt in der Nation; 
und erft in ihrem Unglüd erregt fie Sympathien, welche fie in 
ihren befiern Tagen nicht zu verdienen wußte. 

Dies vorausgefhicdt, werden wir mit wenigen Worten fa 
gen koͤnnen, was Lelewel's jüngftes Werk dem größern Publi⸗ 
cum gewährt. Es enthält auf 35) Seiten Betradhtungen über 
die Geſchichte Polens bis zum Jahre 1674. Auf zwei Seiten 
find die Drangſale des Landes von 1674 — 1717 geſchildert; 
wiederum auf zwei Seiten wird der Liaͤhrige Zeitraum von 
1717 — 95 abgethan und damit fchließt das Buch. Gewiß wird 
ber Geſchichtsforſcher in den erften 350 Seiten gediegene Ke⸗ 
flerionen, auch manche wichtige, bisher weniger berückſichtigte 


9 Über bie neuerdings erſchienenen Lieferungen ber „„Keifen und 
Laͤnderbeſchreibungen“ berichten wir fpäter. D. Reb. 


finden, obgleich dem MWerf., wie er mit Beſcheiden⸗ 
en in feinem gegenwärtigen Wohnorte (Brüffel) nur 
ſchwache rinnerungen und ungenügende Quellen zu Gebot 
fanden. Daß aber gerade der intereffanteften Periode der pol 
niſchen einige icht mehr als zwei Seiten gewidmet wurden 
und daß die Seit nach 1795 gang unerwähnt blieb, charakteri⸗ 
firt das Buch ald ein ſolches, dad, außer den Hiftorifern von 
Fach, nur wenige Lefer befriedigen Bann. 
Lelewel’s Darftelung iſt Mar und frei von der Seidenfchaft- 
lichkeit, welche die Polen zu ergreifen pflegt, wenn fie fich über 
ihr Land äußern; bier herrſcht überall verftändige Ruhe, die 
fogar am Schluffe des Buches in eine Refignation übergebt, 
weiche Staunen erregt und als etwas durchaus Unpolniſches 
erfcheinen muß. Der Verf. fagt: „Man darf nicht erwarten, 
daß die Vorfehung bei Meranlaffung jene außerordentlichen Maͤn⸗ 
ner fende, welche eine im Verfall begriffene Ration zu retten 
vermögen. Die RMenſchheit hat ihre Urſachen und Folgen, ihre 
Phaſen, welche die Greigniffe unmwidereuflih erfüllen. . Ganz 
gewiß bewirkte die Schuß der Nation den Verfall und vellen- 
dete den Sturz, aber in dem Gange ihrer Irrthümer und Feh⸗ 
ler begaben die Veränderungen ſich außerhalb ihres Willens 
und wandelten ihre Lage um. Greigniffe kamen dazwiſchen, die 
von allen Seiten beranftürmten , fie uͤberſchwemmten und in 
den Abgrund riffen. Indem fie unterlag, folgte fie dem Loofe 
anderer Völker.” Diefe vollftändige Entfagung fteht mit dem 
noch thatkräftigen Patriotismus Lelewel's in fo directem Wi⸗ 
derſpruch, daß mar an der Aufrichtigkeit feiner Worte zweifeln 
und in denfelben einen ganz eigenthuͤmlichen Sinn finden muß. 
Sedenfalls haben die neueften polnifhen Bewegungen gezeigt, 
daß Lelewel's Landsleute noch nicht darauf verzichtet hatten, 
wo nicht außerordentliche Männer, fo doch außerordentliche Er- 
eignifie zur Rettung ihrer Mation hervorzurufen. Und trog 
des übeln Ausgangs jener Infurrectionsverfuche iſt die Mehr: 
zahl der Polen noch weit entfernt, den Untergang ihrer Ratio: 
nalität als unsobDerru fh zu betrachten, und nochmals fagen 
Fr ‚ daß die angeführte Stelle die auffallendfte des ganzen Bu: 
es ift. . 





Miscellen. 


Als in der Kicchenverfammlung zu Zrident 1551 die 
Frage zur Sprache Fam: Auf welche Art und Weile Chri— 
im Sacramente Des Ubendmahls gegenwärtig fei? und 
wie bei der Xransfubftantiation das Brot der Leib, und 
der Wein das Blut Ehrifti werde? entftand hierüber zwifchen 
den Dominicanern und Beancisconern ein heftiger Streit, wel: 
der, da er mehr auf Spisfindigfeiten als auf ein fruchtbares 
Ergebniß Yinauslief, zeigte, daß die Streitenden felbft nicht 
recht wußten was fie wollten. Die Dominicaner behaupteten 
naͤmlich: von Ehriftus heiße ed, er fei wirklich gegenwärtig 
im Ultarsfacramente, richt, weil er anders woher, wo er vor: 
der gewefen, dahin komme, fondern weil die Subſtanz des 
Brots in den Leib Ehrifti verwandelt werde, fodaß er nun da 
jet, wo vorher das Brot war, ohne den Weg dahin gemacht 
zu haben, indem die ganze Subftanı des Brot durchaus ver: 
wandelt werde in bie Subſtanz bes Leibes, ber Stoff Des Brots 
in den Stoff des Leibes und die Geftalt des einen in die Be: 
flalt des andern. Das Heiße eigentlich Zransfubftantiation. Man 
mäffe alfo eine boppalte Art des Daſeins Chriſti annehmen, 
wovon jebe ein wirkliches, wahres und felbftändiges Dafein fei. 
ach der einen diefer beiden Arten fei Ehriftus im Himmel, 
wohin er von der Erde nach der Himmelfahrt zuruͤckgekehrt 
wäre; nad der andern fei er im Sacramente, wofelbft er fich 
befinde an der Gtelle, wo vorher Die in ihn nun verwandelte 
Subſtanz des Brots und des Weins geweien. Iene Urt des 
Dafeing heiße die. natürliche, weil fie allen Körpern gemein 


Chri 


ſei; legtere Art hingegen ſei eine ganz beſondere, wofür Keine 
Benennung ſich auffinden laſſe, wie fie der andern zukommt. 
Denn „ſacramental“ koͤnne mar dieſes Daſein nicht nennen, 
weil man ſonſt in Gefahr geriethe zu glauben, daſſelbe ſei nicht 
ein wirkliches, fondern gleichſam nur ein ſinnliches, da das 
Sacramant nichts Unteres fei ais ein heiliges Bildliches Zeichen 
von einer an ſich unförperlihen Sache, es wäre denn, daf 
man unter facramentaler Gegenwart eine thakfächliche Art und 
Weife des Dafeins verfteben wollte, welche allein dem Altarz⸗ 
farramente eigen ift und keinem andern. Die Frantiscaner 
Dagegen behaupteten: in Folge der Allmacht Gottes Eine 
Leib wirklich und feldfländig an mehren Drten zugleich 
fein, und wenn folder Leib irgend einen neu eingenommenn 
Drt inne habe, fo fei er daſelbſt, weil ex fi an ſolchen bege: 
ben, aber ohne fucceffive Veränderung (fo naͤmlich, daß 
den früher tingenommenen Plag verläßt und dafür den andern 
einnimmt), fondern ın Folge einer auf der Stelle geſchehenen 
Veränderung, vermöge deren er ben zweiten Plag einnimmt, 
ohne den erften verlaffen zu haben. Gott babe es fo einge: 
rigtet, daß da, wo Chrifti Leib fei, die Subftanz eine ar 
dern Dinges nicht bleiben Pönne, fondern aufhöre Gubftanz zu 
fein, ohne deswegen in Richts aufgelöft zu werden, weil an 
ihre Stelle Chrifti Subſtanz trete; daher habe eigentlich die 
Zransfubftantiation ihren Namen, nicht weil Eines aus tem 
Undern wird, wie die Dominicaner behaupten, fondern weil 
Eines in Die Stelle des Andern tritt. Denn die Art und Weiſ 
wie Ehriftus im Himmel ift, unterfcpeide ſich von der Art un 
Weiſe wie er im Sacramente ift, nicht der Subftanz nad, 
fondern allein der Quantität nad. Im Himmel nehme fü 
in Großheit ausgedehnter Leib einen dem Berhältniß feint 
Größe angemeflenen Raum ein; im Sacramente aber fi er 


fubftanticl da, und nehme gar. Beinen Raum ein. Jede de‘ 


beiden Arten des Dafeins fei alfo- ein wahres, wirkliches und 
felbftändiges Dafein und, fo viel die Subſtanz betrifft, auf 
ein natürlies; in Anjehung der Quantität aber fei die It 
und Weile des Dafeins im Himmel eine natürliche, die Art 
und Weife des Daſeins im Sacramente hingegen eine wun⸗ 
derbare; und beide unterſchieden ſich nur darin, daß dad De⸗ 
fein der Quantitaͤt nach im Himmel die Wirkung der Duanki: 
tät fi) aneigne, im Sacramente aber dic Befcaffenheit der 
Subitanz annehme. Jedem der ftreitenden Theile gehel ſeine 
Meinung fo wohl, daß er verjicherte, Die feinige fei deutlil, 
Mor und für Jedermann verftändlid, und daß, wer einet aw 
dern zugethan fei, in zahlloſe Ungereimtheiten verfalle. Dit 
Kurfürft von Köln aber, welcher mit Johann Groper (propt 
und Arhidiafonus zu Köln, einem eifrigen Gegner der Fra 
teftanten) diefer gelehrten Erörterung von Anfang bis zu End 
beigewohnt, fol gefagt haben: die Einwendungen, die ein Tha 
gegen den andern hervorbringe, Tießen fich allenfalls noch % 
ten; was aber die pofitiven Behauptungen, die ein jeder mad 


anlange: fo komme es ihm vor, daß Keiner die Sache, vondt 


er mit fo vieler Zuverſicht fpreche, recht verftehe, fondern Auf 
leeren Schulmuft auskrame. j il 


Thomas Pedro Inghirami, nachmals Bibliothekar der * | 


ticanifhen Bibliothek in Rom, erhielt den Namen Fedro 
Phaͤdra wegen eines auffallenden Beweifes feiner Talente und 
feiner Geiftesgegenwart. Ss er nämlich mit einigen gel" 
ten $reunden vor dem Gardinal Riario das Irauerfpiel 2 
Seneca „Hippolytus“ aufführte, in welchem er bie Role de 
Phadra übernommen hatte, und zufälligerweife die Berrüttun 
der Maſchine das Schaufpiel auf kurze Zeit unterbrad, tut 
er hervor und unterhielt die Zufchauer, bis Alles wieder I 
Drdnung gebracht wurde, mit lateiniſchen Werfen aus IP 
Stegreif. Alles klatſchte ihm Beifall zu umd rief ihn Di 
Kamen der Phädra, den er von biefer Beit an in feiner Dr 
terfägtift ſich zueignete. 2 


Brrantwortliger Herauögeber: Beinrich Wrodtans. — Druck und Verlag von F. X. Drockhaus In Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 


6. Augufi 1846. 





Die jefuitifhe Reaction und der ideale 
Katholicismuß, 
( Beſchluß aus Mr. 9.) 


Wir haben in der Überfchrift diefes Auffages der 
jeſuitiſchen Reaction den idealen Katholicismus gegen⸗ 
übergeftellt. Die Schrift Nr. 7, welche uns zu biefer 
Gegenüberſtellung Veranlaffung gab, rührt von einem 
würdigen, für das Reich Gottes, das mit bem Jeſui⸗ 
tismus Nichts gemein hat, feurig begeifterten Priefter 
ber, dem in feinem Baterlande (Oſtreich) ftatt Anerken- 
nung Verfolgung ward und der fein mühevolles, in 
Dunkelheit und Entfagung zugebrachtes Leben in den 
legten Tagen des verfloffenen Jahres im münchener 
Spitale ſchloß. Die Überzeugungen, denen er Bahn zu 
brechen wünfchte, bat er in biefe, feine legte und ein 
paar Flugblaͤtter abgerechnet, einzige Schrift niedergelegt. 
In der römifch-katholifchen Kirche aufgewachſen und mit 
ihrer Gefhichte und Literatur vertraut, aber zugleich ge⸗ 
nähıt dur das Lefen der Alten und der größten Den⸗ 
ter und Dichter der Neuern, bildete er ſich ein Seal, 
dachte er eine Mirche bie nie vorhanden war, einen Kle⸗ 
us von dem die Wirklichkeit Nichts weiß, und glaubte 
an die Möglichkeit, dieſe Gedankenweſen mit Kleifh und 
Blut zu umkieiden und ins Leben einzuführen. Das 
Leben würde iin, fürchten wir, ſchmerzlich enttäufcht ha⸗ 
ben, — doch iaſſen wir den edlen Todten ſelbſt reden, 
denn auch die Irrthümer eines kraͤftigen, redlich ſtreben⸗ 
den Geiſtes find belehrend; und überdies enthalten die 
Stellen, welche wir auswählen, fo manches fihöne und 
wahre Wort, dag wir gewiß find, durch die Mittheilung 
berfelben den Dank unferer Leſer zu verdienen: 

Die katholiſche Geiſtlichkeit iſt in die volle Stellung der 
Apoſtel eingetreten. Sleichwie diefe den krankhaften Stoff, der 
ſich im geſellſchaftlichen Organismus ihrer Beit fo fehr ange: 
häuft und verbreitet hatte, daß legterer einer ſchmerzlichen Auf: 
Ifung entgegenging, aus der Welt außzufcheiden und die ge» 
Rundgebliebenen Elemente zur Grundlage eines netten und Te 
fern Geſellſchaftskorpers zu vereinigen unternahmen, fo ift es 
auch der unabweisliche Beruf der heutigen Geiftlichleit: Das 
derworrene Chaos, in dem die bivergirendften Anfichten und 
Interefien der Gegenwart, die gährenden Leidenfchaften des 

ed, die Umkehrung der wichtigften Begriffe und der höch⸗ 
SGrundfüge, und die theilweife Werhältnißlofigkeit der Stände 
Wucheinander liegen, kraft überwiegender Intelligenz, bewußten 


——————— ——— — — — — — — 
— — — —— — — — — — — — EV 


und beharrlichen / Feſthaltens an bewährten praktiſchen Princi⸗ 
pien und eines hochſtehenden Charakters, wie ein ſolcher die 
geprieſenſten Heroen der Geſchichte ziert, zu entwirrens die un⸗ 


tern und mittlern Claſſen der Geſellſchaft aus dem verwickel⸗ 
ten Labyrinthe der Zweifel, in deſſen Iergängen fie ohne lei 
tenden Baden fich hoffnungslos verloren haben, zu erlöfen; und 

dem namentli in proteflantifchen Ländern mit GBrundfag ber: 
vortretenden und dem allgemeinen Socialverband mit Zerftö- 
rung brobenden Individualismus, infofeen diefer in Einfeitig: 
Beit befangen ift, mit patriotifcher Energie entgegenzumirken. 
Einer folhen mit Klugheit und Überlegung begonnenen un 
mit Muth und Ausdauer fortgefegten Entgegenwirkung, von 
der die blühendfte Zukunft des europäifchen Weſtens bedingt 
ift, werben fich allerdings von Geiten fowol des demofratifchen 
als des ariftoßratifchen Radicalismus faft unüberpinbliche Schwie⸗ 
rigfeiten entgegenthürmen. Denn Serufalem und Babylon, der 
ethifhe und der politifche Staat, werden in ewigem Wech⸗ 
felfampfe miteinander begriffen fein. Es gab felten eine 
Beit, wo nit die Rechte und die Interefien Aller mit den 
ausſchließlichen Anſprüchen einer ſchlauen Minderzapl in bie 
beftigften Gollifionen gelonmen find. Diefem zweifachen Ra» 
dicalismus ein hemmendes und paralpfirendes Gegengewicht zu 
halten, ift nun die Aufgabe der Kirche, weldhe die über das 
2008 des Schwächften wie über das des Gtärkiten wachende 
Borſehung als einen fcheidenden Damm zmwifchen Net und 
Macht aufgeführt bat. Iener Damm, der zwifchen zwei fo 
gewaltigen Yotengen fteht, wird zwar periodifch von den anftür- 
menden Wogen bald des einen bald des andern Radicalismus 
mächtig überbrauft, bat aber, fo oft man ihn unter der bran⸗ 
denden Strömung für immer begraben wähnte, feine unbeſchaäͤ⸗ 
digten Granitwände, von denen das tobende Gewäfler nur den 
durch die Länge der Beit angelegten Schlamm abfpülte, wieder 
imponirend emporgetaudt, während die nunmehr demüthigen 
Wellen almälig fich verlaufen und mit gebrochener Kraft fid 
in ihr altes Bett zuruͤckziehen. Um dem verföhnenden Social⸗ 
principe des Ghriftentbums unter Bölkern, Ständen und In⸗ 
Dividuen allgemein anerkannte Geltung zu verfchaffen; um 
den Inhalt richtig verftandener Offenbarungsiehre fo klar und 
fruchtbar zu entfalten, daB er auch gegenwärtig noch die durch 
eine hohe und umfaflende Zeitbildung mädtig erweiterten 
Geifter und Gemüther anziehe, ausfülle und befriedige, und 
die getrennten ausländifchen Völker und Gonfeffionen wieder mit 
einem fefteen Bande cordialer Einheit umfchlinge: muß die Geift- 
lichkeit, wenn jie je im großartigen inne der Upoftel wirken 
will, das mannidhfaltige und unermeßliche Erdreich, das fie 
einmal zu bearbeiten unternommen bat, wit beinahe chemifcher 
Genauigkeit Eennen lernen und die verfchiedenartigften Einflüffe 
des Klimas, der Jahreszeiten, der Iemperatur und Witteru 

zu beurtheilen willen, um, wie ein erfahrener Gärtner, na 

demfelben ihre Ausfaat zu bemeflen. Der Geift der Zeit, wie 
fi diefer in der herrſchenden Literatur, den abminiftrativen 
Gruntfägen, den eingewurgelten Gewohnheiten und Borurthei- 


Ien, dem Seſchmack und Ton ber Unterhaltungen, den theils 
‚offenbaren , theils verfchleierten Tendenzen ber verfchiedenen 
Staͤnde und endlich in dem möglich vertheilten Maß der Kräfte, 
‚die jedem Gtande zu Gebote ftehen, ausfpricht, bildet jenes 
dornige und unzufammenhängende Terrain, das der katholiſchen 
Geiftlichkeit, um felbes in einen geebneten und mit gefunden 
flanzen und fieblihen Blumen aller Gattung außgeftatteten 
— —— umzuwandeln, von Gott angewieſen iſt. In 
dem Grade, als die drotanwiſenchaften ſeit drei Jahrhunder⸗ 
ten in den civiliſirten Ländern Europas einen unverhaͤltniß⸗ 
mäßigen Vorſprung vor der Batholifhen Sheologie gewonnen 
haben und in formaler Ausbildung felbft den claffifhen Wer: 
gen des Alterthums nicht weit mehr nachſtehen, wurde au 
die katholiſche Geiſtlichkeit Hinter jene Stände, die in fo aus⸗ 
gebildeten Faͤchern, wie Gefchichte, Politik, Jurisprudenz, Ma: 
themotit, Raturkunde, Gtaatsötonomie und Technik fußen, ge 
waltig zurüdgefchoben. Die Ramen eines Robertfon, Hume, 
Gibbon, eined Montesquieu, Heineceius und Zachariä, eines 
Rewton, Kepler und @uler, eines Linne, Haller und Boer⸗ 
haave, eines Adam Smith, Lift u. U. diefer Größe, haben den 
Ctaatsmänrern , Iuriften, Technikern, Taktikern, Arzten und 
Kabrifanten eine imponirende Macht verlichen, die fie einmal 
in den unbeftreitbaren Vordergrund der neuern Gefchichte ftelt. 
Sehen wir mit unparteiifchem Auge auf die Eulturgefchichte 
der drei abgelaufenen Jahrhunderte zurüd, fo dürfen wir kei⸗ 
neswegs mit Neid auf genannte Stande, die num ımfere ehe: 
malige Stellung in Europa eingenommen haben, hinüberbliden. 
Saͤhrend auf ımferer Seite Iefuiten und Janfeniften fi) über 
die Subtilitäten der Gnade flritten, haben die Realiften, indem 
fie fchlaflofe Nächte, Aufopferungen aller Art, Gefahr des Le 
bens und die Reize momentaner Vortheile geringachteten, das 
ganze Feld erobert und das gefammte Yublirum in ihre Hand 
gebracht. Selbes if allmthalben von ben in der obenftehen: 
den Seitliteratur und Bildung dominirenden Grundfägen, An« 
ſichten und Borftellungsarten angefült. Werfen wir einen 
Bid auf Deutfhland! Der Geiſt Windelmann’s, Kant's, He 
ges, Schlofler's, Gfroͤrer's und Alexander v. Humboldt’ ſtroͤmt 
in täglich fi) vermehrenden und erweiternden Kanälen unauf 
haltfam in die bildungsfähtgere Abtheilung ber Deutfchen aus. 
Ihr Beift wird über Burg oder lang der Geift der ganzen Nation 
fein. Giner aus ſolchen Quellen fidy bildenden Ration, einem 
jenen Geiſt athmenden Yublicum fleht eine verhaͤltnißmaͤßig herab- 
gekommene, gedruͤckte, geſchwaͤchte, von ihren eigenen Repräfen- 
tanten oft verleugnete, von der Literatur und der Adminiftration 
beinahe zur Ehrlofigkeit verurtheilte Geiſtlichkeit gegenüber: mit 
dem Bewußtfein ihrer vormaligen Größe und Bedeutung; mit der 
unabmweisbaren Aufgabe, unter den berrichenden Staͤnden eine 
angemefiene und wurdige Stellung einzunehmen; mit dem nie 
aufgegebenen Rechte, ihr altes Zerrain, wenn aud in mobifi- 
cirtem Berhättniffe, wieder gu exobern; mit der bewährten Hoff: 
nung, ed werde —— Kräften und wiederbelebter Thaͤ⸗ 
wzee ein gekroͤnter als angemeſſener Preis bereitet warten. 
itternacht iſt vorüber: die Morgenröthe hat begonnen. Er⸗ 
ſcheint auch der katholiſche Klerus in der Geſchichte der Gegen⸗ 
wart noch nicht als einer der Hauptfactoren der Beit, fo muͤſſen 
wir bedenken, daß wir in neuelten Decennien gar Weniges, 
das welthiſtoriſcher Erinnerung würdig ift, als Stand geleiftet 
haben. Es fehlte zwar allerdings ein —— &reigniß .... 
Uber bloßes Negiven und Ignoriren einer Macht, die fo fichte 
bar, als die Mittagfonne am entwölßten Simmel, dafteht, und 
die wir, im, ausſchließenden Gegenſate mit fteifer Hartnaͤckig⸗ 
Seit verharrend, nie vermi werden, bringt uns nicht nur 
um Peine Linie vorwärts, fondern macht uns im Gegentheil 
in den Augen der Gebildeten und des Volkes lächerlich und 
an verächtlich, beraubt uns noch des legten Reftes von dem 
ntlihen &influffe, den wir, wie Mandye fagen, auch nur 
der Gnabe oder dem Interefle der Regierungen verdanken, umd 
würde und endlich, falls Die feit zwei Decennien auf usferer 
@eite hier und da herrſchend gewordene Procedur fortbauerte, als 


einen ſchmaͤhlichen Bobenfag, gleich den obfoleten Rabbinern des 
Judentums, an den ftolgen Shürfchwellen unferer Beſieger ab: 
fegen. Zwar das wiedererwachte Selbſtgefühl der katholiſchen 
Geiſtlichkeit ſcheint eine beſſere Zukunft zu verſprechen. Die 
Gährungen, in denen Spanien, Frankreich, England, Deutſch 
land, Italien und Ungarn begriffen find; die täglich überhanb 
nehmenden pofitifchen und yeltgißfen Spaltungen; die Rivalität 
der Stände, ‘der Schulen und Gelehrten; der auf die Epik 
getriebene Vernichtungskampf zwifchen fogenannten Cenſervati 
ven und Rabdicalen; ber in verfchiedenen Abftufungen thei 
durch legale Formen verfchleierte, theild als Syſtem bed Tages 
ausgefprachene Eommunismuß; die Greuelfcenen, die nad dem 
Zeugniffe der Romanfchreiber und der Reiſenden in gemifen 
Nefidenzftädten ihr diabolifches Spiel treiben; endlich die ent: 
menfchte Barbarei, der man gegen wehrlofe Elafien dır Se 
fellſchaft freien Lauf läßt: — alle dieſe die Weltgeſchichte und 
die Gefchichte- des auf Eultur und Humanität fo ſtolzen Eurem 
füllenden Erſcheinungen ſtellen an die Kirche, diefeß älteſte dl: 
ler MenfchHeitsinftitute, die mit Entfchiedenheit ausgeſprochene 
Aufgabe: die ganze Fülle ihrer moralifchen Kraft wieder zu 
entfalten; fi, wie vormals, mit dem Glanze der hödften I: 
torität an die Spige einer kranken und zerriffenen Zeit hin: 
ftellen ; Die getrennten Gemüther wieder zu verföhnen ; die wer 
ten Luͤcken, die von einer zweideutigen und ſchlaͤfrigen Adu— 
niftration, einer koſtſpieligen, langfamen und bei aller Quöl: 
rei hoͤchſt unfihern Nechtöpflege, und einer oft engherzigm 
und menfchenfeindlichen Policei offengelaffen werden, auszufüle: 


die menfchliche Geſellſchaft wieder auf das innere Heiligthun 
‚der Seele und auf die feften Fundamente geläuterter und ch 


ter Neligiofität zurüdzuführen und in die kalte Profa dei Ze 
ges wieder einige Lebensfunken erfrifcgender Poche einſalu 
e laſſen. In dem Grade, in welchem die katholiſche Geiſllih 
eit nun bie leeren Stellen der Geifter und Gemüther auf 
füllen, die Bebürfniffe der Menfchheit zu befriedigen, die Koth 
fel der Zeit zu tbfen, die Stürme und Gaͤhrungen der Gegm: 
wart zu befhwichtigen, und den politifchen Gewalten und dem 
Yublicum, anftatt Mistrauen, Achtung und Ehrfurcht einzu 
flößen verfteht, wird fie auch von Zag zu Tag an Popular 
tät, allgemeiner Anhänglichkeit und reeller Macht gewinnen 
und eine wahrhafte Vermittierin zwiſchen Gott und Renſchen 
n. 


... Ein unermeßlicher Vorrath wiſſenſchaftlichen Gteftd, 
eine ausgebildete, bewegliche und reiche Sprache, eine der gr 
fligen Vollreife mit beflügelten &chritten entgegeneilende Ir 
tion, und endlich die Geburtsfihmerzen einer neuen dat ® 
ten der katholiſchen unaufgefodert die herrlichſte ee 
den hoöchſten Standpunkt ihres völkerumfaflenden Beruled, m 
in den goldenen Perioden, die vormals über ber Kirche | 
ten, mit Weisheit, —A und Thatkraft einzunehrer 
und eine wuͤrdige und hohe Stellung der dominirenden, g'0 
Welt gegenüber zu erobern. Jene vorerft nur Literarifhe 
facultative Stellung wird fie über kurz ober lang berühlget 
riiden den politiichen Gewalten und den ungufriedenen 

ern, die duch ein fonderbares Verhaͤngniß einander gefpass 
und feindfelig gegenüberflehen, als verföhnende Schiederichtren 
aufzutreten; die ehemalige und jept in den Hintergrund 2 
drängte tribunizifhe Mittelmacht herzuſtellen, un fi 
unverjährbareß Recht der völkerihägenden Mitregentichaft, ft 
lich dem befieen @eifte der Zeit gemäß, wieder in geziemenden 1° 
fpruch zu nehmen. war wenn wir einen Blick auf bie gu 
wärtigen @ährungen Deutfhlands werfen, wo uns überal 
tirende Beriplitterung bed Raticnalgeifkes, kädherlidhe und I 
allgemeine Wohl unergrabende Kafteneiferfucht, bie & 

precaire Stellung der Geiſtlichkeit dem Beamtenſtande gear 
über, die Gebundenheit bes @eifte® an den Bıwang, dıb mir 


fenben Buchſtabens und Abgetragener Borm , — 
ornehmthuerei, journaliſtiſche Bay eit, Pan 


weit LK 1 
den en ber locken ur Enporkömmnlinge aller DW 





u 


ben, wobei auch Unſchudige, biod weil ſie dieſen oder jenen 
Mod tragen, leiden müffen, in ihren —— entgegentre⸗ 
ten: ſo ſcheint auf einem ſo bewachſenen en allerdings die 
Sufunft, von der wir bie Erfuͤllung unſerer Doffnungen er⸗ 
warten, noch von einem dichten Wolkenſchleier umhuͤllt zu ſein. 
Das Rod der Zeit nimmt aber manchmal einen ſchnellen Um⸗ 
ihwung. In der Weltgefchichte berühren ſich nicht felten die 
äußerften Extreme. Die Borfehung hat ſchon das Unglaub- 
liche gewirft ... . Bu 
..... Rur wenn unfer Stand fich zu einem einzigen 
hochgeſteckten Ziele, wozu jedoch Pharifdisnus und Epikuraͤis⸗ 
mus keineswegs die leitenden Pfade find, vereinigt und, von 
dem völferbelebenden Geifte eined Mofes, Samuel und Esdras 
ergriffen und -befeelt, ein neues Volk Gottes aus der ſeufzen⸗ 
den Erde ruft: — nur in diefem und in einem andern Kalle 
if eine fihere Garantie zu hoffen, daß... . dad dritte Rom 
weit glängender und mächtiger, als das erſte und zweite war, 
fh erhebe und ſich an bie eifige und moxaliſche Spige der 
Nationen ſtelle; und daß die Geri he und reiche Geſchichte des 
urkraͤftigſten Menfchenftammes und des gebildetften aller Welt: 
theile den verlorenen. Faden wieder aufnehme und nicht am 
Ende, wie eine proſaiſche und burleske Iheaterpofle, in lauter 
Kafernen, Kramläden und Schreibftuben terminire. 


€. yirig. 





Schloſſer und Gervinus. 


Beide gelten Etwas als Hiſtoriker und werden nach Ber⸗ 
dienſt gelobt. Sie urtheilen anders als Andere und widerlegen 
dadurch an ihrem Theil die alte Sage von einer feſten und 
i ebung der Nachwelt für Vergangenes, die felbft 

ihre iſt als eine ſpaͤtere Mitwelt, und ebenfo vielftimmig. 

Beide Männer haben eine gründliche Ubneigung gegen 
Eleganz, zarte Gefühle, Bornehmbeit der Geſinnung, welde 
zwar oft mit Oberflächlichkeit, Ziererei, Gleichgültigkeit 
Volkswohl verbunden fein Ponnen, aber mit ihnen doch nicht 
Eins und Daſſelbe find; — ungefähr wie eine kecke Jugend 
ſchlecht befriedigt wird durch feine Gefellfchaftscirkel, und bar» 
um zwanglofen Jubel, fogar Roheit, als etwas Geifibewe 
des vorgeht, oder wie Goethe findet, daß die gute Geſellſchaft 

you Uemften Gedicht Leine Gelegenheit gebe. Doch entipringt 
die Eigenthümtichheit jener Hiftoriter nicht ans Poefie ud 
Hauer, wie etwa Swift Bettlergeſellſchaften auffuchte, fondern 
Re ift der Autdruck gerabfinniger ſich felbft vertrauender Profa, 
welche das Laͤtige der Außerüchkeit verihmäht, ohne Hoͤflich⸗ 
keit und Anſtandſorge duch die Welt und in nmel 
will; welde das Zeine fiugerbaft fehilt, das Grobe befler ach⸗ 
tet, und befonderd für die Gefchichte, wie einft Schlöger, Preis 
finnigfeit und Wahrheit in den Mantel der Derbheit einhüll. 
Run mag allerdings einem echten Naturfohne etwas ſchiimm 
zu Muthe werden in Zimmerluft des Hofes: er fehnt fi) hin⸗ 
aus in die Berge und deren rauben Luftzugs er will lieder, 
geich dem Ziroler, zu jedem Menſchen Du fagen, ſtatt Ercel: 
long und Durchlaucht; ja er Bann ſich im Gegenfap zu Höf: 
lingen mit einer felbftgenügfamen Originalität ſchmeicheln, 
melde von diefen fogar zuweilen anerkannt und geduldet wird. 
Allein der Begenfag als folder ift doch kein zen des Wer: 
the, und Ungefchliffenheit im Vergleich zur verfeinerten und 
überfeinesten Sitte noch nicht ſchlechthin eine Tugend. Gerade 
an Geſchichtſchreiber fol die Welt nehmen wie fie ifl, jede 
Seftaltung derſelben in Ihrer Berſchiedenheit gelten taflen und 
würdigen, was nad richtigem Sinn unter dem Ramen bet 
Dbjectivität verlangt wird, wenngleih fubiective Vorliebe für 
Tiefeb oder Jenes nie ganz ſich verleugnen kann und berleug: 
et zu werden braudt. Namentlich rüge und Ungerechtigkeit 
felen nicht verfchleiert, Wahrheit und Net nicht gleihgklfig 
geahtet oder als ein Xraumbild verhöhnt werden. Gibt es 
berhaupt Dbjestivität ohne ihren Gegenbegriff der Subjecti⸗ 


virdt? Ein ebener Spiegel zeigt jene, rin vielſeitig geſchliffe⸗ 
ner, erhabemer, gehöhlter, 3. fubjective Menge —8 
kleinerung und Vergroͤßerung. Dem Hiſtoriker gebuͤhrt der 
Reihe und glede Ewpfänguicheein— 

eiche und gleiche pfänglixhkeit alfo für Thaten des 
Lebens und Werke det Bücherwelt fei Demjenigen eigen, der 
beide ſchildert, der Vergangenes und Gewordenes in. ben Kreiß 
der anſchaulichen Gegenwart sieht, Gutes und Böſes, Schön» 
heit und Misgeftalt kenntlich macht, treu und ohne Voruriheü 
Undere fehen läßt, was er felbft ſah. Er fei Bein Hofſchranze 
im fhöngetäfelten Prunffgal, aber auch Bein ungariſcher Lands 
wirth zwiſchen befläubten WBirthfchaftsgebäuden und ſchmutzi⸗ 
gem Sefinde ; kein zahmer Stubenmenſch und kein wilder Jü» 
ger. Uber was denn? Gin gemüthlicy Marer Poet der Wirk 
lichkeit, welcher Hofſchmuck und Landwirthſchaft, Stubenleben 
und Waldieben fi) gefallen läßt, und "ihre Eigenthümlichkeiten - 
börwürdig erzählt. Iſt doch alle Geſchichte eine Poefie der 
Wirklichkeit, Das Heißt, Rachbildung des Vorgebildeten, Ver: 
fhlingung des Einzelnen in ein Ganzes, Zeichnung der Glie⸗ 


‚der und des Leibes, dem fie zufommen. 


, „Hierfür nun zeigt fi) bei den Dbengenannten ein Mangel 
Sie kennen die Wirklichkeit fehr gut, haben fidy in ihr bewun⸗ 
dbernswürdig umgeſehen, aber es fehlt eine Poeſie derfelben, 
eine nadpbildende, Segliches in feiner Art kenntlich mächende 
Geſtaltung. Wie geden zuvörderfi Neigung und Abneigung 
Fund, loben weniger als fie tadeln; namentlich, wa8 in der Bü 
824— ihrem Geſchmack misbehagt, wird ſchonungslos in 

atten geftellt, und es behagt den Präftigen, mit Seit und 
Vorzeit etwas überworfenen Bännern nicht viel, worüber wir 
— ſelbſt auf manche Urt unzufrieden — mit ihnen gewiß nicht‘ 
rechten wollen. Wenn aber dem einzelnen, felbftändigen Cha⸗ 
raßter in feinen Lebensverhältniffen geftattet ift, Misfälliges 
von fih abzulehnen oder unmwillig zu verfchmähen, worüber er 
das Zerwuͤrfniß mit Anbersdentenden zu tragen und audzus 
fechten bat: fo ziemt dem Hiftorifer ein gewiegtereß Benehmen, 
tine größere Duldung, weil feine Aufgabe ift, Gefallen und 
Misfallen den Sachen unterzuordnen, welche man durch ihn 
kennen zu lernen wuͤnſcht, um das eigene Urtheil fih zu ent 
wideln, weshalb große Befchiehtfchreiber mehr ſchildern als ur⸗ 
theilen und nur felten ihre Gefinnung als ein Ergebniß der 
Sachen durchſchimmern laflen. Ganz befonders fchadet ein ra⸗ 
ſches Dervortreten der Neigungen bei. Darftellungen der Lite: 
ratur, weil die Darſteller in deren Kreife ftehen, und was fie 
felbft befigen, gern erheben, was fie entbehren, dagegen geringer 

u fchägen geneigt find. Es geht ihnen oft wie den Selbſtzu⸗ 
friedenen, die es im Leben zu Etwas gebradjt, und weiche um 
Alles, wozu es Undere bringen, fih wenig befümmern. 


Weder Schloffer noch Gervinus hat Poeſie; . man darf 
fogar zweifeln, ob fie je einen Vers gemacht; doch find fie 
verftändige, fcharffinnige Männer in einer naturmücdhfigen Profa, 
die bei reichlicher Haltlofigkeit fih am Ende wieder zurecht⸗ 
findet. Proſaiſchen Raturen ift eigen zu gehen und zu Reben: 
das Springen, Laufen, Fliegen, widerfpridt ihrem Wefen; fie 
nähren fi von einfacher kraͤftiger Koſt, das Rein» Zugerichtete 
mit Gewürz Verfegte, in Beinen Gaben Dargebotene, ift Ihnen 
uwider; fie koͤnnen wol ein Homerifches Epos verbauen, aber 
ein Sonett. &ie verftehen beftige Leidenfchaften, überwältis 
gende Affecte; aber zarte Klänge des Herzens, leiſe Rührung 
der Gefühle, man möchte fagen, die weibliche Seite des innern 
menſchlichen Dafeins, bleiben ihnen. fremd. Die Poeſie nun 
übt außer dem Gehen und Stehen auch das Springen und 
Fliegen, nährt fi außer vom Einfach: Kraftigen auch vom Fein» 
und Künftlich : Bereiteten, herbergt außer dem Heftigen auch 
das Bartefte und Leifefte der Empfindung, außer dem Männ» 
lichſten auch das Weiblichſte. Lie ift dadurch reicher und man» 
nichfaltiger als Profa, und erfindet fi neben ſchlichter Sprach⸗ 
weife der Teptern kunſtvollen Schmud der Worte und bes Vers⸗ 
maßes. Eine verftändige Profa wehrt fich auf ihrem Felde mit 
Recht gegen Einbrüche en Getreibes; nur ſoll fie nicht 





wöhnen, die Poefle meiftern und bemeiftern zu dürfen, unb 
unzuläflig ober abgefhmadt zu nennen, was ihr felbft un: 
ahnlich i 


Shut fie dennoch das Leptere, fo müflen die Folgen für 
ganze Reihen der Literatur eintreten. Zuvoͤrderſt widerſteht 
ihr eine vollendete Ausbildung der Form, fein —— 
Tracht und Bewegung; Proſaiſten wie Addiſon, Voltaire, En⸗ 
gel oder &turz gelten wenig: man findet ihre Darftelung zu 
gebürftet, zu wigig, zu fließend, Gibbon zu forgfam. abgewogen 
und gerundet, Robertfon nur für oberflachliche Gefhichtsleer, 
Soh. Müller zu abfihtlih mit feinem Glanz und Rachdruck 
dagegen Swift zu glanzlos in feiner fiharfen Ironie, Pope zu 
fein und ruhig, NRouffeau au warm une überfchwenglich, Burke 
zu ungleich u. f. w. Nur Wenige find genehm, etwa Leffing, 
deſſen Sauberkeit jede Raturprofa fih zum Mufter nehmen 
ſollte, und deſſen kritiſcher Verſtand Verftändigen zunächft ein: 
leuchtet. Dichter aber, welche Sprache und Vers leicht beherr- 
fen, ohne Starkes und Gewichtvolles zum Vorwurf zu neh⸗ 
wien, wie Hagedorn, Wieland u. A., fallen von felbft in die 
weite Grube. 

Zweitens misfaͤllt das Entgegengeſetzte — die Yormlofig: 
Beit der Humoriften. Aller Humor ift fpringend oder fliegend, 
zwiſchen Ernft und Scherz, (Ehrlichkeit und Ironie, weicher 
Empfindung und Spott, ohne geregelte Übergänge, mit freier 
Vertaufhung des Nehmens und Abweifens, mit eigenthümlidher 
Luft am wunterliden Spiele, über fi felbft hinausreichend 
zum Größten, unter ſich felbft herabjteigend zum Kleinften, ge: 
feglich geſetzlos, ärgerlih über Thorheiten und felbftzufrieden 
mit den eigenen. Die darin unftreitig liegende Poefie unge: 
bundenfter Auffaflung des menſchlichen Lebens nehmen nun eh⸗ 
renfeſte Ersprofaiften ald Hohn gegen ihren Verftand, gleich 
wie Schlofler ihn den „deutſchen Humoriften von Hamann bis 
auf 3. P. F. Richter” ſchuld gibt, und Sterne vorzieht, der 
ihn vor feinem britifchen — nicht wagen durfte — aber 

ugleich „weniger Streiflichter echter tiefer Poeſie zeigte‘. 
ie fo® Jene Deutſchen, heißt es, find „dunkel und verwor⸗ 
ren”, — aber do in „wenigen Stellen verftändlih”. Warum 
in fo wenigen? Weil ein proſaiſcher Verſtand nicht raſch ger 
nug folgt, mit dem phantaftifhen Wechfel ſich nicht befreundet, 
und aus bem Zugänglihen auf das Richtzugängliche fchließen 
ſollte, ftatt Legteres zu verbammen. Sean Paul ift. ein Dichter, 
der keinen. Vers machte, und ein Profaift, der Beine proſaiſche 
Daltung gegen das Leben nimmt; Schloffer ift ein Proſaiſt, 
der gleichfalls Peinen Vers machte, dem eine poetifhe Haltung 
gegen daß Xeben fremd blieb, der aber doch bei einzelnen Be: 
vehungen fie abndet. Nur gehört zu ſolchen Beziehungen nicht 
ad Sanft : fhwärmerifch »Empfundene, dem fi) Humoriften oft 
mit Borliebe hingeben, und dem Sterne in feiner „Sentimental 
journey” ungetheilt fi überließ. 

Am ivenigften nämlich behagt unfern genannten Hiftori- 
fern das Weich: Verfchrvimmende, welches männliche Gemuͤther 
feltener al& weibliche berbergen, und defien fortgefegte Pflege 
in Heinliche Sentimentalität oder Empfindelei ausartet. Schrift« 
fteller ſonach, welche die zarte Gefühlfeite des Lebens gern zu 
der ihrigen machen und fie fildern, erfahren Feine Gunft, wie 
denn überhaupt unfer Beitalter von einer frühern Vertiefung 
in deren Dämmergänge ſich losſagte. Herder und F. H. Ia: 
cobi — ungeachtet ihrer fonftigen Verſchiedenheit hierin einan» 
der aͤhnlich — werden hart beurtheilt: zwiſchen ihrer Lebens: 
poefie und ber hiſtoriſchen Lebensprofa ift Beine Gemeinfchaft; 
je leifer und elegifcher der Ton, defto weniger genehm; je feiner 
und auf leichterregte Herzensſchlaͤge hindeutend, defto weniger 
derftanden und gewürdigt. Es mag Menſchen und Menfchen: 
gefhlechter geben, denen die Seufzer eined Petrarca unbegreif: 
lich find und thöricht dünken: allein fie waren vorhanden, ha: 
ben in rührenden Liedern ihre Eigenthümlichfeit verkündet und 
verdienen in ter Literatur ihren Ghrenplag, wenngleich Ries 
mand der Rachwelt gefonnen fein follte, nadhzulieben und 
nachzuſeufzen. 


Berantwortlicher Herausgeber: 


Sleichwie indeffen ein proſaiſch⸗geſunder Nenſchenberſtand 
bei Auffaffung von Kunſtwerken der Malerei, Bildnerei und 
Zonfügung in feinem Misvsrhältniß und daraus erwachſenden 
Tadel oft ein ganz Richtiges bemerkt und rügt: fo werden 
au Urtheile der Profaiker nicht immer ohne Wahrheit und 
barum von poetifchen Seelen nicht ganz geringzufdägen fein. 
Sorgfältige Ausbildung der Form kann übergeben in Gehalt: 
lofigfeit und leeren Prunf, bumoriftifches Spiel in wilde Ver⸗ 
worrenbeit, get: Empfindung in unnatürlihe Reizbarkeit und 
baardünne Sophifterei. Hierin die Grenze des Richtigen und 
Unrichtigen, des Erlaubten und Unerlaubten genau zu beflim: 
men, ift eine ber fchwerften Aufgaben, und vielleicht mit al: 
gemeiner Geltung für den Ginzelnen kaum möglich. Immer 
aber wird ein profaifches Urtheil mehr die Fehler finden dl 
die Zugenden, weil es für jene Fangarme, für diefe keine Yhan: 
tafie der Erkenntniß befist. . 2. 


Biblisgraphie. 


Urpentigny, 6. &. d’, Die Chirognomonie, oder An: 
leitung, die Richtung des Geiſtes aus den Formen der Hand 
zu erfennen. Rad dem Franzoͤſiſchen bearbeitet von W. Schrais: 
huon. Stuttgart, Becher. Gr. 8. 18 Nor. 

Briefe von Goethe und deſſen Mutter an F. Freih. v. 
Stein. Rebft einigen Beilagen. Herausgegeben von 3. 3. $. 
Ebers und A, Kahlert. Leipzig, Weidmann. Gr. 12. 24 Rar. 

Hillebrand, I., Die deutliche Nationalliteratur feit dem 
Anfange des 18. Jahrhunderts, befonders feit Leffing, bis auf 
bie Gegenwart, hiſtoriſch und aͤſthetiſch⸗kritiſch dargeftellt. Iter 
Theil. Hamburg und Gotha, %. und U. Perthes. Gr. 8. 
2 Thlr. 16 Ror. 

Müller, 3., Zeugniß von Ehrifte und von dem Wege 
zu ihm für die Suchenden. Predigten. Breslau, War un 
Comp. 8. 1 Thlir. 17%, Near. 

Saint:Hilaire, EM. v., Geſchichte der Kaifer: Garde. 
1a Stuftrationen. Ifte Lieferung. Leipzig, Weber. dm. 4. 

gr. 

Schlegel’s, A. W. v., Oeuvres 6crites en frangais et 
publises par E. Böcking. Tome I. Podsies. — Fauis phi- 
los. et historiques etc. Leipzig, Weidmann. 8. I Thlr. 

Steinhart, E., Kunft und Leben. Gin Gefpräd, vor: 
gefragen im literarifhen Verein zu Raumburg. Naumburg, 

eber. Gr. 8. 8 Ror. u 

- Ulriei, H., Das Grundprincip der Ppilofophie, kritiſch 
und fpeculativ entwidelt. ter heil: Speculative Grundie 
gung des Syſtems der Philoſophie, oder die Lehre vom Willen. 
Leipzig, Weigel. Gr. 8, 2 Thlr. 





TZagesliteraftur. 


Bülow:Eummerow, Das Bankweſen in Preußen mil 
Bezug auf die Gabinetdordre vom II, Aprit 1946. Berl, 
Bet u. Comp. Gr. 8. 21 Ngr. 

Hofer, Das gute Recht der vereinigten Kirche ber Pfal. 
Ein Wort der Berfändigung an ihre Freunde, hervorgerufen 
durch die offenen Briefe der Herren Daläus und Schiller. 
Landau, Kaußler. Er. 8, 6 Nor. 

Köppen, ., Ein Paftoral: Votum über Kirchenreform 
an die jept verfammelte General: Synode in Berlin. Reihen 
bad, George. 8. 3%, Nor. 

Prince-Smith, J., Über die englifche Zarifceform und 
ihre materiellen, fozialen und politifhen Folgen für Europe. 
Berlin, Springer. 20 Rear. 

Hubert, W., Predigt zur dritten Säcularfeier deb 
Todes Dr. Martin Luther's. Zerbſt. Gr. 8. 2%, Rgr. 

Bolterftorff, J. A. G., Die rationale Theologie. Kur 
dargeftellt und gegen die evangelifche Kirchenzeitung forwie mil 
befonderer Rüdfiht auf Hrn. Prediger Kämpfe vertheibigt 
Wolfenbüttel, Holle. Gr. 8. 20 Rar. 


Geinrich Wrodjans. — Diud und Berlag von F. WM, Brockhbans in Leipzig. | 








» Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 


em Nr, 219, TE 


7. Auguſt 1846. 





Auguft Lewald. 

Gefammelte Schriften von Auguſt Lewald. In einer Aus: 
wahl. Ein Menfchenleben. Zwölf Bande. Leipzig, Brock⸗ 
baus. 1844 — 46. 12. 12 Thlr. 

Es könnte faft fcheinen, als wollte Lewald feine bis- 
herige ſchriftſtelleriſche Thaͤtigkeit nach allen Seiten bin 
abſchließen; denn faft in derfelben Zeit, wo uns bie 
Verlagehandlung bie gefammelten Schriften zur Beſpre⸗ 
Hung fandte, vernahmen wir aud die Kunde, daf Le 
wald das Ruder ber Zeitfehrift „Europa, welches er feit 
fo vielen Jahren fchon geführt hatte, in andere Hände 
übergeben habe. Ob der Schriftfteller damit andeuten 
will, dag er fein literarifches Wirken als ein abgefchlof- 
jenes, vollendetes Ganzes anſieht; daß er die Fäden, an 
welchen er feine fchriftftellerifche Thaͤtigkeit nach allen 
Seiten hin auseinander lenkte, für abgelaufen hält, um 
fie zum vereinigenden Knoten zufammenfügen zu fönnen; 
oder ob er blos mit der Vergangenheit als folcher ab» 
{liegen will, um fich zu neuen Schöpfungen, auf neuen 
Bahnen zu verfuchen? Das wollen und können wir nicht 

undedingt entfcheiden; jedoch hezweifeln mir das Legtere, 
denn Lewald ift bereits ſchon ein Yunfziger, und aufer- 
dem iſt feine ganze Natur in ihrer Entwidelung mehr 
duch ein ruhiges, gleihmäßiges, ftille® Wormärtsfchreiten 
beftimmt, als daß fie durch innere bedeutende Ummäl- 
zungen von einer Stufe zur andern gewaltfam fortge- 
drängt werden und in neue Phafen eintreten koͤnnte, die 
von dem frühern fehr verfchieden ober gar im Gegenfage 
zueinander wären. Seine Thätigkeit ift fortwährend in 
denfelden Beleifen geblieben, und alle feine Werke tragen 
fo ziemlih einen und denfelben Stempel: mag an dem 

Schriftſteller das Schlacht » und Siegsgefchrei der Frei- 

heitsfriege vorübergezogen fein, mag er die ſchwere Luft 

der Reftauration und Reaction geathmet haben, oder mag 
die heife Juliſonne auf fein Blatt gefehienen, und mö- 
gen rings die Gemüther in gewaltiger politifcher Auf- 

regung ſich erhigt haben; der weiße Polenadler fiel im 

Sften unter feinen Augen; im Welten fchlug ein Volt 

fih einen neuen Königsthron auf, und ein anderes 

mächtigeres hieß die alten Erben der Krone biefe in 
feine Hände nieberlegen, nur durch eigene Macht und 

Kraft an ein anderes Gefchlecht fie zu vergeben. Die 

Eindrücke, melde diefe Ereigniffe auf bie Zeitgenoffen 


hervorbrachte, ziehen ber Entwidelung Lewald's nur in 
der Ferne vorüber; wie durch einen Gasfchleier kann 
man zwar hier und da nad bdenfelben aufbliden, aber - 
immer liegen fie in tiefer Perfpective, oftmals in ganz 
unflarem verſchwommenem Hintergrunde. Seine Thätig- 
keit fließt fo ruhig, ſtill und ungetrübt unfern Blicken 
vorüber, wie ein Wieſenbach, den kein fcharfer Stein 
zu wildem Toſen aufreizt, über deffen Spiegel ein ftets 
heiterer, blauer Himmel ſchwebt; mögen auch am Hori- 
zonte hin graue, dichte Gewitterwolken emporfteigen und 
der flammende Blig ziſchend auf die Häupter ber Berge 
niederfchießen. 

So ehr auch diefe Ruhe in den Werten Lewald’s 
wohl thut, fo oft fie eine Zuflucht bietet, um darin die 
Schmerzen der eigenen Bruft und der Zeit felbft auf 
Augenblide zu vergeffen: ebenfo fehr beleidigt fie übri- 
gend hinmwiederum auch, wenn man da, wo man Mit- 
gefühl für allgemeine Intereffen, Sympathie für politi» 
[he und fociale Fragen der Zeit erwartet, Indifferen- 
tismus und Gleichgültigkeit finde. Zum Glück ift aber 
die fogenannte Belletriftit jegt größtenteils fo fad und 
mager geworden, daß ihre hervorftechendften Wertreter, 
zu denen wir auch Lewald zählen, durch Feine Mittel 
mehr im Stande fein werben, das Intereffe ihrer Lefer 
zu fpannen; und wahrlich! dies ift auch der erfte Schritt 
zum Beſſern, wenn man es überhaupt einen Schritt 
nennen will, Daß das Volk fich nicht mehr mit ſolchen 
Sachen und Saͤchelchen feine Zeit vertändelt, und dar⸗ 
über vergißt und verträumt, was ihm vor Allem noth 
thut. Die Zeit und mit ihr das deutfche Volk ift ern- 
fler geworden, das Leben im Staate und die Entwide- 
lung in demfelben zur Freiheit nehmen nad) allen Sei— 
ten bin fehr die Kräfte in Anfpruch, flählen in dem 
fortdaueruden Kampfe mit der Reaction die Gemüther: 
fodaß eine ſolche Literatur, die allen dieſen Beftrebungen 
fremd bleibt, eine RKiteratur, beren ganzer Zwed bios 
darin beſteht, den Leſer auf eine leichte heitere Weiſe zu 
unterhalten, ohne den Anfoberungen der Kunft zu ge 
nügen, durchaus nicht mehr felbft einem zum Theil noch 
nicht gebildeten Yublicum zufagen wird. Denn alle 
Kunft und alles Kunftbebürfnig haben nur ihre wirk⸗ 
liche Grundlage in dem Leben felbft: durch daffelbe er- 
halten fie ihre Stoffe ſowie auch ihre Formen. Da nun 


874 


die Gegenwart — wir meinen ben Abfchnitt von 1830 
an — von ganz neuen Factoren zur Bewegung ange- 
trieben war; ba in bderfelben nicht allein die Verhältniffe 
im Staatsleben als einem großen Ganzen, fondern auch 
die Familie felbft in ihrer Berechtigung dieſem gegen- 
über, fowie bie religiöfen Zuftände zur Unterfuchung fa« 
men und diefe Erfcheinungen faſt das charakteriftifche 
Merkmal der ganzen Epoche abgaben and die Gemüther 
lebendig anregten und bewegten: fo mußte und konnte 
auch jene ftoffliche Erweiterung in ber Literatur durch 
die politifch - focialen und philofophifch « Doctrinairen Ele⸗ 
mente als berechtigt erfcheinen und als wahrer Ausdrud 
der Zeit, fomit auch als wahre Kunft gelten, voraudge- 
fegt nur, daß der Stoff ſich auch freie völlig künſtleriſche 
Form zu bilden im Stande fein wird. Die Literatur 
hat feitdem begonnen fih mehr an das Leben anzuſchlie⸗ 
Sen; fie hat flatt jener feherzenden, kindiſchen, phantaſti⸗ 
fen, oftmals Täppifhen Maske ber zwanziger Jahre 
eine ernfte, männliche, tönenbe vorgebunden ; und das 
Bolt hat fih in feiner Mehrheit den Vertretern diefer 
als feiner eigenen Richtung angefchloffen und’ alle Jene, 
deren Namen zum Theil mit vielem Ruhm umgeben 
aus jenen Jahren auf uns überliefert wurden, verlaffen, 
ignorirt und vergeffen, und fi) den Männern der neuern 
Richtung, der neuern Gefinnung und That zugewandt. 
Wis fehr und herb Haben Dies die überlebenden Roman- 
titer empfunden! aber wie viel mehr noch warb diefe 
Misachtung und Vernadhläffigung von Seiten des Publi- 
cums kund bei Journalen und Zeitſchriften! die doch im- 
mer nur die Träger des zunäcfl gegenwärtigen Bebürf- 
niffes find. Hunderte entftanden, aber ebenfo fchnell 
gingen fie auch wieder zu Grabe; und nur Diejenigen 
waren im Stande, für die Dauer ſich zu erhalten, welche 
das wahre wirkliche Zeitinterefje erfannten und es ver: 
traten; nur wenige als Vertreter der alten fogenannten 
Belletriſtik fchleppen fih noch ſterbend und keuchend in 
unfere Zage herüber; und „Europa” felbft, das Or- 
gan Lewald's, wie war fie tobesmüd und intereffeloß ge- 
worden, ſodaß es in ber That gut ift, daß bie Redac⸗ 
tion in die fräftigern Hände des Hrn. Kühne übergeht, 
ber gewiß das mattgeworbene Nervenſyſtem der alten Jung- 
frau neu zu beleben und zu erweden verfiehen wird. ° 

Lewald befigt eine große Gabe zu beobachten und zu- 
gleich diefe Beobachtung unter bem richtigen Punkte an- 
zuftellen, fobaß die Beobachtung bei ihm zur Darftellung 
wird. Faſt alle- Schriften, die bisher von ihm erfchienen 
find, waren folche Beobachtungen aus ber Welt, die ihn 
umgab, Wahrnehmungen wie die Zeit fie ihm darbot. 
Aue diefe zerftreuten Sachen hat er nun in den oben- 
angezeigten zwölf Bänden zufammengeftellt, als Reful- 


tat eine® Menfchenlebens. Die Ergebniffe des Lebens 


nad) der literarifchen Seite haben aber die eigentlichen 
innern Erlebniſſe und Kämpfe in den Hintergrund ge 
drängt, und nur zumeilen leuchtet bier und ba aus den 
Schriften ein ſchwacher Strahl hindurch. Wir werden 
daher diefe Schriften keineswegs in die Kategorie ber 
Dentwürbigkeiten bringen können, benn hierzu gehört 


die Darſtellung des inneren Lebens in Verbindung mit 
dem äußern: die Übergänge in der Entwidelung, bie im 
wandjung in ber Gefinnung, die Motive zur That mil: 
fen unfern Bliden fi) darbieten, wenn wir Intereffe an 
einem Leben nehmen follen; und in biefem Ginne ft 
au ber Ausſpruch des großen Mannes zu verftchen, 
auf den Lewald in der Vorrede fich bezieht: daß auch 
der umnbebeutendfte Menfh dem Publicum fi gefällig 
machen koͤnnte, wollte er feine Denkwürdigkeiten heraus- 
geben. Wir wollen zwar gern zugeflchen,- daß in fämmt: 
lichen Schriften Lewald's fein „eigenes Ich überall in 
ber vorberften Reihe” erfcheint, d. h. daß man in ben 
felben feine ihm eigene Methode, diefelbe Anfchauung 
und Darftellung wahrnehmen kann; daß aber ein inne 
rer Zufammenbhang, eine, fortfchreitende Entwidelung fei- 
neswegs unfern Blicken ſich darbieten will, denn die An- 
[hauungen der Mannesjahre und der Sünglingsperiodt 
find ebenfo wie die Darjtellung faft ganz biefelben; da 
die Anregung zu diefen Stoffen aber in einer frühern 
oder fpätern Zeit empfangen ift, Das bleibt an und für 
fih ganz gleih, wenn damit nicht ein tieferer Blid in 
das geiftige Leben felbft geboten wird. Man kann zwar 
aus der Behandlung eines Stoffs zu verſchiedenen Zeiten 
von bdemfelben Wutor die Ummandlung und den Jo 
ſchritt feines Geiftes, bie Ermeiterung feiner Anſchauung, 
die größere Tiefe feines Gefühle kennen lernen, eben 
wie Dies ber Fall ift, wenn auch ſchon etwas ſchwieriget, 
bei wirklihen aus der organifchen Entwickelung be 
Schriftftellers hervorgegangenen Werken verſchiedenta 
Stoffs; wenn aber die Verhältniffe ſich fo ſtellen, daß 
zwar der Stoff, die Anregung aus einer frühen Zeit 
herſtammt, die Bearbeitung aber in eine ſpaͤtete Pe 
riode fällt, fo läßt fi daraus für die Entwidelung dei 
Lebens weiter Nichts refultiren, als daß man fagen kann: 
der Stoff wurde in jener Zeit empfangen, und nun dat 
ipn der Schriftfteller mit Diefen vorliegenden Kormen 
verarbeitet. 

Wir erflären und demnach den Titel „Ein Menſchen— 
leben”, der als gefammte Überfhrift für das ganze 
gilt, nicht fo, daß wir etwa darin die inneren und äußern 
Ereigniffe eines Menfchen, feine Kämpfe mit feiner kei⸗ 
denſchaft, die Erweiterung feines geiftigen Lebens, I 
Stellung der Welt und ihren Ereigniffen gegenüber, de⸗ 
zeitweiſe Einwirken dieſer auf die Bildung feines Lehe 
kurz den Proceß und die Summe feiner ganzen geiltige 
Errungenfchaft kennen lernten: fondern in dem Gin 
daß wir den größten Theil einer fhriftftelerifhen IP" 
tigkeit vor Augen haben, die während eines Menſchen 
lebens fich erzeugte; dies „Menfchenleben‘‘ würde hiernach 
alſo mehr die Zeit angeben, gewiſſermaßen eine quant 
tative Beſtimmung enthalten, flatt auf bie qualitait 
Eigenfchaft eines menfhlihen Lebens ſich zu beieh 
Das ganze Werk ift nad einem dhronologifchen Plan 
georbnet. Zuerft kommen wirkliche, wahre Notizen aus 
den Knabenjahren, denen fich die Jünglingsjahre U 
das Mannesalter anfchliefen. Der Verf. betrachtet di 
eigentlichen Mittheilungen, die beimeitem mehr Intereſſ 


835 


haben würden, wenn fie ausführlicher wären, blos als 
turze Ginleitungen, denen er dann ausführlichere Schil⸗ 
derungen folgen fäßt, welde fi auf die verfchiedenen Le 
bensalter theils beziehen, theild auch das darin nur ober- 
flichlich Berührte beffer zur Anfhauung zu bringen ſu⸗ 
hen. Die Eindrüde, bie er alfo in den verfcdiedenen 
Perioden empfangen hat, werden als Novellen, Skizzen, 
Genre, Reifebilder, ohne Rückſicht auf ihre fpätere Ent- 
fiehung, da eingefchoben, mohin fie gerade vermöge ih⸗ 
ter ernften Anregung gehören. Alle Ereigniffe der Zeit 
und des eigenen Lebens, die ihm imponirt hatten, ma⸗ 
hen ſich "zwar duch feine Darftelung Luft, aber 
überall ſucht er die Zeit erft in gewiffen einzelnen Ge- 
flalten zu firiren, und fie gewiffermaßen in einzelne No- 
vellen zu überfegen, um fie ſich begreiflicher zu machen. 
Von einem eigentlichen Erfaffen bes Gedankens, der diefe 
Zeit bewegt, iſt keine Rede: Lewald geht zu fehr dem 
Maleriſchen nah, das heißt, er ſucht von den Ereig- 
nifien blos Das in fih aufjunegmen, was er fidh affı- 
miliren, was er wieder felbft in Kunſtform ausftrömen 
laffen kann; alles Andere fcheidet er gleich als Fremd⸗ 
artige® aus, Läßt es umbeachtet liegen. Daher kommt 
zwar ein gefülliges, behagliches Element in fein Wefen, 
oder um mich richtiger auszudrüden, fein eigenes Weſen 
auf die Dinge nur ihrem gefälligen und behaglichen 
Elemente nad) an; aber ein Dichterherz reift nur durch 
ein ganzes Verſenken in den gebotenen Begenftand, nur 
durch eine lebendige Aufnahme und ein frifches Zühlen 
der Begenfäge, der Stürme, die das Leben treiben und 
bewegen. Jene behagliche Ruhe, die aus weiter Kerne 
auf ihre Gegenftände berabblidt, bie fich diefelben zu- 
recht rückt, biß fie in ein günftiges Licht kommen, wählt, 
ausiheidet und dann erſt firirt, wird nie von fich ruͤh⸗ 
men koͤnnen, daß fie die Fülle des Lebens und ber Poe- 
Re erfaffen könne. 
(Dee Beſchluß folgt. ) 





Bibliographie der Freimaurerei und ber mit ihr in Der 
bindung gefegten geheimen Geſellſchaften. Syſtema⸗ 
tifch zufammengeftellt von Georg Klo. Krank: 
furt a. M., Sauerländer. 1844. Br. 8. 2 Thlr. 
10 Ror. 


Bon freimaurerifchen Werken haben öffentliche Blätter bis: 
der nur felten Notiz genommen. Der Freimaurer wie der 
Rihtmaurer hielten fi im Allgemeinen zu einer ſolchen Rund» 
pebung nicht berufen: der Erſtere, weil er leicht in den Fall 
ommen konnte, Pflichten zu verlegen; der Andere, weil der 
Gegenſtand ihm mehr oder weniger fremd bleibt. Das vor: 
‚ hegende Werk ift nicht als ausfchließliches Eigenthum des Frei: 

maurerbundes zu betrachten, und gewiß auch eben deshalb nicht 
als ein folches auf dem Zitel bezeichnet. Es ift ein fo wichti⸗ 
ger Beitrag zur Kenntniß der Literatur, daß es feinem Freunde 
derſelben, Seinem Bibliothekar, keinem Hiftorifer fremd bleiben 
darf, und mit Recht ſagt der Verf. im Vorwort: daß es ſowol 
den Zeitgenoffen als auch den fpätern Geſchlechtern nicht gleich 
ya fein Eönne, die Materialien kennen zu lernen, welde feit 

Zahren aus den Bauhütten hervorgegangen find. Der 
Sreimaurerbund fowie feine Leiftungen find der Tulturgeſchichte 
der Menſchheit überwiefen, die ihr früher oder ſpaͤter in lei⸗ 


denſchaftloſer Würdigung den Standpunkt und den Einfluß zu 
erkennen wird, welchen er in der Bildungsgefhichte unferer 
Beit ſchon ein enommen hat. Er hat laͤngſt in Deutſchland 
das erite Jahrhundert feines Beftehens zurüdgelegt, und fewol 
in feinem Mutterlande jenfeit des Kanald, als in Deutichland, 
rankreich, Holland u. f. w., find feit 1723 Drudfceiften er⸗ 
hienen, weldye über fein Thun und Laffen Bericht erftatten. 
Hierin, und da das Bud, fo viel Ref. bekannt, bis iegt eine 
öffentliche Anzeige nicht erfahren hat, liegen Gründe genug, 
ben Treſor des Verf. in dieſen Blättern, foweit ſolches von 
allgemeinem Interefle fein kann, zu eröffnen. 

‚Die Gefammtzahl der in vorliegender Bibfiographie: nach⸗ 
gerviefenen Drudichriften zeigt zwiſchen 5{ILV und GN) Nummern, 
größtentheild im Befige des Berf., welcher zunaͤchſt für hifto- 
riſche Zwecke eine lange Reihe von Jahren eifrig fammelte, 
und deshalb Berbindungen nad allen Seiten bin antnüpfte, 
Die Freimaurerei an ſich macht wol wenig Unfprüce auf die 
Hülfe der Preſſe; ältere Borfchriften unterfagen fogar eradezu 
alles Schreiben, Druden u. f. w. Doc ſteilte ſich ſchon fehr 
früh das Bedürfniß der Schrift Heraus, welches denn auch zum 
Theil in jener menſchlichen Reigung wurzelte: ruhigen, ftillen 
Leuten doch einmal in die Kenfter zu ſchauen. Sodann aber 
bedarf die Freimaurerei im Allgemeinen dann und mann eineß 
klaren Überblids von ihrem Berhältniffe zu Demjenigen, was 
man den Geiſt der Zeit zu nennen pflegt, um den Standpunft 
gehörig zu beflimmen oder eigentlich nur nicht aus dem Auge 
u verlieren, welchen fie Dabei ſtets feſtzuhalten hat, und hieran 

üpft fi denn auch ihre Geſchichte. Diefer aber ift damit 
ein großes Feld angemwiefen. Die mit der Breimaurerei in Ber 
bindung gejegten geheimen Gefellfchaften, deren Zudringlichkeit 
fe fih in einem Grade mußte gefallen laſſen, daß noch heute 
bei nicht Wenigen fi) ein unhaltbares Urtheil über die Frei⸗ 
maurerei feftgefegt hat, überſchwemmten biefelbe mit arößern 
und kleinern Drudwerten, namentlich während der zweiten 
Hälfte tes vorigen Jahrhunderts, mehrentheils fo eigener Urt, 
daß man nicht felten verſucht wird, an eine eigenthümliche Gei⸗ 
ftesepidemie zu glauben, welche vielleicht berufen war, dem 
gleichzeitig aus allen Fächern dev Wiſſenſchaft und Kunft hell⸗ 
aufleuchtenden Lichte als Folie zu dienen. Es müffen daher 
nunmehr Werke in den Kreis der maurerifchen Kiteratur gezo⸗ 
gen werben, welche ihr in der aufgedrungenen Beziehung fern 
liegen, übrigens. aber ein gutes Mittel abgegeben haben, den 
Geſichtspunkt zu erweitern und es Mar vor Augen zu ſtellen: 
daß einem Bunde, dem in fittlicher Beziehung mehr‘ als irgend 
einer Berbindung der Erdball angehört, nichts fremd bleiben 
dürfe. Hier alfo bat er Baum irgendwo eine Grenze, und jere, 
welche ihn von geheimen Ordensverbindungen alles Art trennt, 
ift bei der Ipftematifchen Einrichtung bes vorliegenden Werks 
dem Unbefangenen leicht erkennbar. 

Betrachten wir nun diefe fpftematifche Einrichtung. ine 
folche. bietet kaum bei einem andern Literaturzweige mehr. 
Schwierigkeiten. Theils berühren nicht wenige Werde fo ver- 
ſchiedenartige Gegenftände, daß der Bibliograph um den an« 
gemefienften Play für Diefelben in Verlegenheit gerathen muß; 
theils aber find der Borarbeiten nur fehr wenige und meiftens 
für ein Geſammtwerk unzuläffig. Das Freiberger freimaures 
rifhe Taſchenbuch“ auf die Jahre 1816 und 1817 ift das Ein- 
ige, welches in einer „Rachricht, die allgemeine Bibliothek ber 

eimaurerifchen Literatur betreffend“, einen fehr umfaflenden 
Plan des im 3. 1843 rerftorbenen Neſtors der Freimaurer, 
Friedrich Mofdorf, darlegt. Moßdorf beabfichtigte einen rai⸗ 
fonnirenden Katalog,- alfo auch mit eigener Kritik verfehen. 
Hierin wird wol bauptfächlich der Grund des Nichterfcheinene 
dieſes Werkes zu fuchen fein, und bie feit 1777 von dem un« 
ermüdeten Sammler zufammengetragenen Materialien find un⸗ 
beugt geblieben. Ob fie gegenwärtig noch vorhanden find, iſt 
dem ef. zur Beit nicht bekannt. Zum Theil mögen fie bei 
Lenning’s6 ,, Encyflopädie der Freimaurersi” (3 Bde., Leip⸗ 
zig 1922 — 28), einem Werbe, dem eine neue Auflage 


876 


fehr wänfihenswerth ift, mit verwendet fein. Im Vorworte 
ber bortiegenben Bibliographie wird S. vı gefagt: die von 
Moßdorf beabſichtigt geweſene intheilung koͤnne dermalen 
noch nicht vollſtaͤndig zur Ausführung gebracht werden. Dieb 
iſt allerdings inſofern richtig, als uns ein großer Theil der 
außerdeutſchen Literatur noch fremd iſt; als felbft Der Benutzung 
von Bibliotheken bei einzelnen Logen und Brüdern in Deutfd: 
land Hinderniffe entgegenftehen, und von den wenigiten derfel- 
ben Kataloge ausgegeben worden find, fodaß alfo noch manche 
Impressa, 3. B. in den Bibliotheken zu Leipzig, Dresden, Ha- 
nover, feibf dem aufmerkfamften Eifer bis jegt entgangen fein 
mögen. Gleichwol darf es nicht zurüdgehalten werden, Daß 
Moßdorfs Schema im Allgemeinen einen großen, der Überficht 
forderliden Raum gewährt, und wenigftens in einzelnen Sub: 
divifionen wol benugt werden fonnte. Nehmen wir jedoch das 
Syftem, in weldem, was bei dem Moßdorf'ſchen weniger der 
Fall ift, der Hiftorifche Gefichtöpunkt vorwaltet, wie es gege: 
ben if. Wir finden 43 Haupt:, ebenfo viele Unterabtheilun« 
gen und zwei Rachleſen. In diefem Reg ift die franzöfifche 
Literatur, deren Reichthum wir bier zum erften Male Pennen 
lernen, größtentheild von der übrigen getrennt. Ref. ift der 
Anſicht, daß in diefer Beziehung zwei Wege vorlagen: entwe⸗ 
der Eonnte die ganze Literatur überhaupt nad) den verfchiede: 
nen Ländern geordnet werden, wie ſolches auch rüuͤckſichtlich der 
reinbiftorifhen Schriften unter XII, 6—Il, geſchehen ift; oder 
aber ein einzelnes Land durfte Beine theilweife Abfonderung er⸗ 
fahren. Der erfte Weg fcheint der angemeflenfte: denn wenn» 
gas die FZreimaurerei überall diefelde ift, fo bleibt Doch die 

barakterverfchiedenheit der Völker auf fie ebenfo wenig ohne 
Einfluß, wie 3. B. auf irgend ein Blaubentfyitem. Der fpa- 
nifhe Katholik ift ein anderer al& der franzöfifche, und ficher 
auch der Freimaurer. Vorzüglich aber würde eine ſolche Grup» 
pirung die Überficht der Literatur eines Landes weſentlich er: 
leichtert haben. Auch wären noch mehre Abtheilungen wün: 
fchenswerth, fodaß z. B. die unter den Abtheilungen V, VIII, 2 


u. f. m. zerftreuten Schriften über manche Nachahmungen und 


Abnormitäten der Freimaurerei, unter Anderm über den Ro⸗ 
fenorden, die Eentraliften, Harmoniften, Wbeliten, Ritter des 
beffern Zeitalter, Wmicitier und Andere ,. fogleih vor Augen 

lägen. Unter der Abtheilung XII fehlen fodann auch die, frei⸗ 
Nlich dem Deutfchen zur Zeit nicht eben leicht zugänglichen Werke 
über Gefchichte der Freimaurerei'in Dänemark, Schweden und 
Norwegen. 

Die Abtheilung V: „Schriften für, über und wider die 
Freimaurerei”, ift die ftärffte und gewiß eine der intereflan- 
teften, da überhaupt bei einer einmal angeregten Frage Ieder 
gern feine Stimme abgibt, und das Für und Wider auch Ridt: 
maurern zu allen Zeiten Gelegenheit geboten hat, und wol 
ferner bieten wird, ihre Federn in Bewegung zu fegen. Die 
Abtheilung VI: „Zreimaurer:Reden und » Arbeiten‘, veranlaßt 
Ref. zu der Bemerkung, daß der Vorfteher der Bibliothek des 
Archivs einer einzelnen Loge den bei vorliegender Bibliographie 
zu Grunde liegenden größern biftorifchen Maßftab meiftens nicht 
als Norm betrachten darf. Die hierher gehörigen Druckſchriften 
Tnüpfen fih zum großen Theil an beftimmte Logen, weshalb, 
um eine biftorifche Überficht jeder einzelnen Loge zu gewinnen, 
der Bibliothefar dergleichen Drudichriften nach ben einzelnen 
Logen ordnen wird, anitatt nach allgemeinen Hiftorifchen Beit- 
abfehnitten. Zu Abtheitung XII, 2 bemerkt Ref., daß bie Lite: 
ratur über Steinmegen aus Hormayr's „Taſchenbuch für die 
vaterländifche Geſchichte“ (1844, ©. 424 fg.) noch einige Be: 
reicherung erfahren wird. 

Manche in den Kreis der maurerifchen Literatur gehörige 
Schriften hat Ref. nicht verzeichnet gefunden. Da eb jedoch 
bei vorliegender Anzeige nur darauf anfommen kann, auf ein 
Werk aufmerffam au machen, welches als das erfte diefer Art 
in Europa und fiher noch weiterhin angefprochen werden muß, 
und dabei nur ‚Einiges von allgemeinerm Intereffe anzudeuten : 


fo zieht Ref. ed vor, dergleihen Schriften dem Verf. für ein. 
Hoffentlich bald zu erwartende neue Ausgabe feines Werkes un: 
mittelbar anzuzeigen, und fpricht zugleich den Wunfch aus, def 
dem Berf. von allen Seiten her die freundliche Unterftügung 
F Hülfe kommen möge. Denn wenn auch dem Verf. welde 
em vorliegenden Werke 15 Jahre lang den fleißigften Eifer 
widmete, in Kenntniß der maurerifchen Literatur Wenige gleich 
fommen mögen: fo liegt es doch in der Ratur der Cache, daß 
überhaupt dem Ginzelnen Manches fremd bleibt, und nament: 
Lich ift Dies bei der maurerifchen Kiteratur fo leicht möglich, de 
fie überhaupt eines eigentlihen Mittelpunftes entbehrt, die Auf: 
lage eined Werkes meiftend nur in einer geringen Anzahl von 
Eremplaren erſcheint, und manche Druckſchrift von, hiſtoriſchen 
oder intellectuellem Werke oft nur in einem befchrankten Kreiſe 
fih verliert. Auch der nidtmaurerifche Literaturfreund, His: 
tiber, Bibliothekar muß ſich dem Verf. zu befonderm Dank 
verpflichtet erachten, daß ihm nunmehr ein Leitfaden geboten 
tft, welcher ihn gegen fo manche unrichtige VBorftellungen ſichert. 
Der Biftorifer namentlich, wenn er es feiner Aufgabe ange 
meflen findet, geheime Verbindungen in den Kreiß feiner Dar: 
ftellung zu ziehen, kommt gar leicht in ben Fall, der Freimar— 
rerei, melche bekanntlich Feine geheime Verbindung ift, Erſchei 
nungen zu vindiciren, die ihr durchaus fern liegen, und damit 
den Verdacht auf ſich zu laden, daß er von Dingen rede die 
er nicht Senne. Sie kennen zu lernen, bietet die vorliegent: 
Bibliographie reiches Material. Möge es der‘ Freimaurerei zu 
gute fommen im Urtheile des Richtmaurers über eine Int: 
tion, die der Angriffe von innen und außen fo viele erfahre: 
mußte, daß ihr Kortbeftand gegenwärtig wol für ihre innere 
Züchtigkeit zeugen darf. 1W. 





eiterariſche Notiz aus Frankreich. 


. Bon dem fehr beachtenswerthben Werke „Cours d’stndes 
historiques”, von P. €. F. Daunou, find neuerdings Ban) 
Il und 12 erfchienen. Band Il enthält eine Anaglyſe von 
XRenophon's verfchiedenen Werken, Band 12 die beiden Ge 
ſchichtſchreiber Polybius und Diodorus von Sicilien. Te: 
mit fchließt die Reihe der großen Schriftfteller, welde die alten 
Annalen befonders von 
13 und die folgenden werden uns in die römifche Geſchichte 
einführen, wozu Dionyfius von Halikarnaß und Titus kivirs 
zu Grunde gelegt find. Ban wird in der Beurtheilung dei 
Diodorus von Sicilien eine beredte Schilderung von Alerander 
dem Macedonier finden. Herr Daunou folgt der Anſicht &: 
neca’8 über diefen gewaltigen Eroberer und bekämpft mit 91% 
Ber Energie die Lobfprüche, welche Montesquieu, Boltaire, DE 
Schottländer Gillies und andere Neuere ihm gefpendet haber- 
Nachdem er im Kluge an die vornehmften Thaten, melde di 
Laufbahn von Philipp’s Sohn auszeichneten, erinnert hat, ruft 
er aus: „So may diefer Alerander durch Die Unzahl feiner nuf' 
lofen Eroberungen berüdfihtigt bleiben! mag er gelobt werden 
für einige mit vielem Gepränge gewährte Wohlthaten, mitten 
unter dem Unglück Einzelner und dem Elend des menſchlichen 
Geſchlechts! — was uns betrifft, die Nichts für rühmlich er- 
kennen ald die Tugend, nichts für heldenmüthig ald Das Gute, 
welches man den Völkern thut —, wir fagen: daß der Man, 
welcher feine beften Freunde tödtete, blühende Städte verbrannt, 
Beine Idee von einer heilfamen Einrichtung faßte, über die Fü: 
blicität der Schriften feines Lehrers Ariftoteles zürnte, Ni 
durch die Schredien der Waffen, nur durch die Lügen der Pr! 
fter und die Unwiffenheit des Volkes regieren Fonnte und If 
verbeerten Welt nichts Anderes hinterließ als die blutige Zwie 
tracht feiner Nachfolger: daß er den Ramen «der Große» blo⸗ 
durch die ungeheuern Übelthaten, welche er unter feiner kurz 
Negierung verübt, bat verdienen können.“ 3. 


Berantwortliäer Deraudgeber: Heinri Brockans. — Drud und Verlag von F. E. Brockhans in Leipzig 


riechentand verfaßt haben. Band 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


8. Auguft 1846, - 





Auguft Lewald. 
(Beſchluß aus Nr. 319.) 

Wie Lewald nun bei Auffaffung und Darftellung 
in Novellen - oder Genreform ſtets die Teichte, die be- 
queme Seite in feiner Weife ſich berauszubilden verſteht: 
fo ift er ebenfo in Beurtheilung von Verfonen und Zu- 
fländen ftets mild, vermittelnd, entfchuldigend, fo Tange 
no eine diefer Seite fi, herauskehren läßt. Daß na- 
türlich hierdurch, namentlih wenn es zur Methode oder, 
wenn man will, zum Stile wird, oftmals eine gewiffe 
Oberflächlichleit dem Urtheil fi beimifcht; dag die Schtl- 
derung die Charaktere nur wie mit Gtreiflichtern über- 
zieht und folche nie ihrem ganzen Umfange nad) mie 
dererbliden und nie in lebendigen Formen vor unfern 
Augen heraustreten läßt, ift ebenfo gewiß wahr, als es 
dem Schriftfteller viele Freunde gemacht hat, fowol 
Bleihgefinnte, welche die Art und Weife feines Urtheile 
biligten, als auch gerade Diejenigen, welche er zum Ge⸗ 
genftande feines Urtheil® gemacht hatte. Es ift richtig, 
eine Kritik, die feindfelig, fhonungslo® auf lebende Per- 
fonen und gegenwärtige Zuftände ſich ftürzt, wird nie, 
auch wenn fie ihren Hauptbeftandtheilen nach berechtigt 
und wahr if, eine große Wirkung bervorbringen, fon- 
bern höchftens nur Berbiffenheit, Rache erzeugen oder 
auch die legten guten Keime vollends erſticken. Aber dar- 
aus folge nun keineswegs, daß jede Kritit eine aner- 
ennende fein müffe: die Kritit muß ihren Gegenfland 
ſeiner Zotalität nach erfaffen, feinem Organismus nad) 
begreifen lernen; Härten im Urtheit, die bei einer ober- 
fählihen Betrachtung zu häufig vorfommen, fallen ba- 
durch weg, weil der Kritiker immer zu unterfuchen hat: 
ob die einzelnen Seiten der Gefammtidee wefentlic) 
und nothwendig angehören und fich fo herausbilden muß- 
ten? ift Dies einmal richtig erfaßt, fo fällt alle Bitterkeit 
und Schärfe weg, und der Gegenftand erfcheint in ſei⸗ 
nem wahren Lichte Was bei Lewald die. oftmals ein- 
feitige, wenngleich liebensmwürdige Milde in faft allen 
feinen Urtheilen hervorgebracht hat, findet feinen Grund, 
außer der ihm von Natur eigerren Gutmüthigkeit, in fei- 
nen vielen Reifen und Erfahrungen: das Reiſeleben 
[hleift das Edige und Kantige der einzelnen Erſchei⸗ 
nung ab, verwifcht die grellen Punkte und milbert das 


Urtheit durch die gebotene Wergleichung vieler Gegen- 


fände miteinander und beruhigt fi) damit, daß hier und 


bort noch größere Mängel vorhanden, dag man ander- 
wärts fchon fhlechtere Zuftände angetroffen habe. Le⸗ 
wald bat die Manieren eines feinen Weltmannes, der 
felten und nur vorfichtig und milde tabelt: wer möchte 
ihm daraus einen Vorwurf machen? zumal wenn man 
bedenkt, daB gerade die eigentliche Kritik feine fchmächfte 
Seite zu fein fcheint. Aber Das können wir ihm zum 
Vorwurfe machen, baß oftmals dieſe Manieren etwas 
an fchaufpielerifche Ziererei grenzt, die perfünlich betrady- 
tet, liebenswürdig erfcheint, aber gebrudt ftet® einen 
wiberlihen Eindrud hervorbringt. 

Wenn Lewald fih 5. B. einen „Ariflofraten des gu- 
ten Geſchmacks“ nennt, fo mag Das als Scherz genom- 
men wol hingehen; aber eine Ariſtokratie in der Litera- 
tur kennen wir ebenfo wenig, als unſer heutiges Staats- 
leben damit nody Etwas zu thun haben will. Einen Ari« 
flofraten der Gefinnung und des Charakters koͤnnten 
wir noch eher hinnehmen, d. h. einen Mann, der ftolz 
darauf tft, eine fefte Überzeugung zu haben, die das 
Wohl feiner Nation bezwedt, und biefelbe mit aller 
Energie des Willens und aller Feftigkeit des Entichluf- 
ſes durchzuführen fucht: Das wäre doch wahrlich ein gu- 
ter Geſchmack! Oder follten wie den Ariſtokraten bes 
guten Geſchmacks vielleicht gar falſch verftanden haben? 
Dezöge ſich diefer gute Geſchmaͤck etwa auf foldhe Sa⸗ 
hen, wie fie in der „Stalienifchen Reife” fogar häufig vor- 
fommen, fogar fehr in den Vordergrund treten, auf gute 
Safthäufer, delicate Speifen und feine Weine?! Nun! 
wenn Dies wäre, fo ginge die Sache uns weiter Nichte 
an, da bie Literatur mit den ausgebilbeten Gaumen 
Nichts zu thun hat. 

Der Stil Lewalb’s ift einfach und gefällig, die Säge 
fließen ruhig und ohne Sprünge über bie Lippen; er malt 
immer und fchildert, wo Andere vieleicht ein Raifonne- 
ment angewandt hätten; er beobachtet, rückt die Gegen⸗ 
ftände felbft in ben Wordergrund , ohne daß er feine 
Schilderung durch fubjective Gefühle und Empfindungen 
beeinträchtigte: fo eine Lewald'ſche Novelle läge ſich 
prächtig vorlefen, und gern wollen wir ihm das Verbienft 
zuerkennen, daß er den eigentlichen Gonverfationston 
meifterhaft zu handhaben verfteht. Seine der Erzählung 
eingeflochtenen Dialoge find nicht weitfchweifig und breit, 
fondern dem Bange der Entwickelung angemeffen, abge 
rundet, fo recht aus Einem Buffe, lebendig und charak⸗ 








- 1 


’ 


teriftifch,, ohne gerade großartig zu fein. Er fagt von 
fih felbft, und damit erfennt er auch feine Hauptſtaͤrke 
an, daß er fi nicht zur großen Kunft des Fresco ver- 
fleigen könne, daß er ſtatt deffen bie verwandte, doch un⸗ 
gleich kleinere Art, die aber ebenfe friſch und ſchnell fer« 
tig iſt, anfpruchslofer erfcheint und ZTagesereigniffe, Na⸗ 
turbilder Mar und wahr wiedergibt, für ſich erwählt habe. 
Mit Vorliebe behandele er deshalb „die lebendige, helle, 
treue Aquarelle”, die ebenfo in der Literatur wie in der 
Malerei ihre Freunde zähle. 
Das der neueften Literatur vorzugsweife zukommende 
Reiſebild, jene eigenthümliche Mifhung zwiſchen erzäh- 
lender und befchreibender Dichtung mit einem Schmud: 
wer? von raifonnirenden und fentimentalen Ergüffen, hat 
Lewald mis Glück bebaut. Er ift zum Unterfchiede von 
Deine, der mit fentimentalen, ironifhen Streichen fein 
Bild überzieht, mehr der artiftifche Touriſt und der 
praktiſche Publiciſt. Die Kunft nad) allen ihren Zweigen, 
in allen ihren Erfcheinungen, ift fein Vorwurf bei folchen 
Schilderungen; die Darftellung der Sitten und Gewohn⸗ 
beiten bes Volkes, in feinem Privat« wie öffentlichen Le- 
ben, gelingen ihm nicht minder. Nur denke man bei Le 
tem nicht daran, daß Lewald etwa wie Gans unb 
Beurmann das „Meifebild ” zu dem gröfern Rahmen 
der politifchen Nundfchau ausgedehnt habe: nein, er ftellt 
feine Genreftüde einzeln für ſich hin, ohne weiter den all» 
gemeinen Boben zu betrachten, auf bem fie zur Erfchei- 
‚nung famen; das eigentliche politifche Leben, das Leben 
im Staate läßt er neben ſich liegen; blos wo das ein- 
‚seine Genreſtück oft fo dicht mit dem allgemeinen zu⸗ 
fammenhängt, baß er es nicht wiedergeben fönnte, wenn 
er es von feinem Hintergrunde loslöfen wollte, fucht er 
auch nad jener Seite hin feine Anknüpfungspunkte. 
Freilich find dies immer nur einige leichte, lofe Striche, 
da das politifche Keben für Lewald wenig Anziehung zu 
enthalten fcheint. 
Es mag wahr fein, daß die Erzählungen, Novellen 
u. ſ. w., welche in diefen Bänden zufammengeftellt find, 
zwar an Krifche verloren, zumal gerade fie für Männer 
der Literatur den Reiz der Neuheit nicht mehr haben; 
aber dennoch könnte man nicht fagen, daß fie den Lefer 
intereſſelos ließen, und gewiß werden fie für manchen 
Lefer noch viele heitere Stunden bereiten, wenn er von 
ihnen gerade nicht erwartet, in ben Novellen befon- 
dere pfochologifche Tiefe und in den Skizzen eine ge- 
wife Gründlichkeit zu finden. Sie find, wie Lewald 
ſelbſt befennt — und das ift ein großer Vorzug bei ihm, 
daß er felbft einen klaren, vorurtheilslofen Bli über 
fein eigenes Zalent hat — , wenn fie weiter auch 
feine tiefere Bedeutung in Anſpruch nehmen wollen, 
treue Wahrnehmungen aus der Zeit, die der Verf. felbft 
durchlebte; fie find — wir führen bier Lewald's eigene 
Worte an, die aber nur in dem bereits oben angedeuteten 
Sinne ausgelegt werden können — Ergüffe eines Her- 
send, das für die Freuden und Schmerzen feiner Zeit, 
ur ihre hoͤhern Regungen wie für ihre bittern Taäͤu— 
Hungen im warmen Mitgefühl ſchlug, das fich dem 
Edeln uud Schönen ſtets Hoffend anſchloß und fich feibft 


3 


treu blieb trog aller äußern Stürme und Anfechtungen. 
Lobend wollen wir hier noch in Bezug auf die Reife. 
bilder eine negative Seite erwaͤhnen, d. b. eine Seite, 
von der bei Lewald in den Productionen dieſer Art 
Nichts zu finden iſt. Es war durch das eigenthümliche 
Genre ber Weifebilber bei vielen felbft hervorftechenden 


"Autoren Gebrauch geworden, daß fie einestheild ein Sa⸗ 


longeſchwätz, ein ſeichtes Raifonniren über Fragen der 
Zeit, für Literatur uns aufdringen wollten, anberntheils 
aber auch eine Ekel erregende Goquetterie mit ihrer ei: 
genen Perfon trieben, die ſtets als Brennpunkt ber ein- 
seinen Strahlen erfcheinen mußte und oft dadurch das 
Licht dem darzuſtellenden Gegenftande felbft entzog; und 
was das Schlimmfte war, daß ein wahrer Unrath gr: 
häffiger Perfönlichkeiten und Klatfchereien in die Liter 
tur hereingegogen wurde, die auch denjenigen Lefen, 
welche fonft mit Wohlmollen der neuern Richtung -folg: 
ten, bie Sache verleidete. Davon hat fich Lewald frei 
gehalten, und fein Urtheil über literarifche Perfönliczkeiten 
ift fletd von einem ungeheuern Wohlmollen geleitet; abıt 


es läßt fih auch nicht verkennen, daß er gar oft dit 


Außerlichkeiten hierbei als Hauptſache in den Border 
grund drängt und das eigentliche Wefen hintanfegt. Mi 


“einer Reihe von Erlebniffen, mit eimeinen Apersus und 


Anekdoten über die Perfonen ift der Charakter noch nicht 
erfannt; allein Lewald weiß recht wohl, baß bies fein 
Weg ift, und oft ſchlägt er benfelben. wie bei ber Sci 
derung von Heine gefliffentlich ein, oder er bedient fid 
diefer Methode, da er einmal weiß, daß dieſe ihm am 
meiften mundgeredht if. Zum Belege wollen mir 
eine Stelle aus dem fünften Bande hier anführen, wo 
Lewald Heine und Börne nebeneinanderftellt, die zugleich 
über das äußere Leben beider Männer einige intereffante 
Notizen darbietet, aber zugleich auch als Beweis dient, 
wie Lemald den allerdings im Leben und Wirken zwi⸗ 
fhen Heine und Börne beftehenden Gegenſatz, alſo den 
innern polarifchen Unterfchied, auf äufere Weile zu m 
Hären und Beide zu fhildern ſucht: 


. Heine, der Poet durch und durch, und Börne , der Richt 
vom Dichter in fi) verfpürtes Heine, der finnliche, lebensfrohe, 
der fi allen Genüffen willig bingibt, welche die Welthaupf 
ftadt fo wilfährig ihm bietet; Börne, der aͤngſtlich zug 
an den Haͤuſern binfchleicht und oft wochenlang feine Wohnung 
nicht verläßt und nur wenig umter Leute geht; Seine, ber a8 
Ber jeiner Migräne, die felbft noch in Bweifel gegogen werdet 
Bann, friſch und gefund if, gut ißt und trinkt und halt 
Nächte in Soireen zubringt; Boͤrne, der einfam ift mitten 12 

aris und höchitend den Thee der Madame Balentin belebt 

ine,‘ der ſtill und —— wohnt, im Hofe, in den oben 
Regionen, wie ein deutſcher Junggeſelle; Borne, der fih gem 
mit Behaglichkeit umgibt und. darin weniger deutſch ift. Us? 
nun erft, welche Thaͤtigkeit erfüllt Börne, welde Heine! 
Börne ging im 3. 1832 auf den Dont: Martre, um zu det 
ſchen Schmieden und Schuhmachern zu fprethen, und hielt Ir 
den in der Paffage du Saumon; während Beine im Stillen 
Darüber lächelte und fich überall entfernt hielt, wo es Bam 
eben konnte. Börne iſt mehr der Mann der That als Hein. 
eine fiylendert tagelang in dolce far niente umher und fin 
auf fhöne Lieder. Ä 


Es kann unfer Zweck nit fein, die verfehiebenen 
einzelnen Novellen, Dramen und Skizzen genauer zu be 


nn 


Imdhten ober gar zu Fritifiven, ba zum Theil dieſelden 
ſchon früher befproden worden find und es bier uns 
blo6 dasauf ankommt, nach einem charakteriſtiſchen die 
ganze Thaͤtigkeit Lewald's umfaffenden Bilde hinzuſtre⸗ 
ben, worin die Einzelheiten in der Maſſe verſchwinden 
müffen. Blos auf die „Aufzeichnungen aus Münden”, 
bie den elften Band füllen, wollen wir noch einige 
Blide werfen. Auch in diefem Bande beweift Lewald 
feinen richtigen Blick für Beobachtung, fofern ſich die⸗ 
felbe nur auf oberflächliche, äußere Erſcheinungen bezieht; 
diefe Seiten faßt er trefflich auf und gibt fie in gefälli- 
gen, gerundeten Formen wieder. Nur fiel es uns bei 
diefen ganzen Schilderungen ftörend auf, daß Lewald 
fortwährend Parallelen mit andern Städten, aber vor- 
zugsweiſe mit Paris anftelle; dadurch wird nothwendig 
ein unrichtiger Masftab angelegt; die vergrößerten Ver⸗ 
hältniffe der Metropole Frankreichs, dieſes Herdes der 
Revolution, auf die erſt wachfende, unter Ludwig füch ge- 
faltende Stadt an der Iſar, Münden, übergetragen, 
Iaffen diefe in zu geringem Lichte erfcheinen; fie zeigt 
überall, gegen ben parifer Maßſtab gehalten, daß fie zu kurz 
fommt. Um ein Bild von Münden zu entwerfen, hatte 
Lewald durchaus nicht nöthig, Parallelen zu ziehen, fon- 
dern nur feine Beobachtungen ohne Seitenblide und 
Rückblicke aufzuzeichnen : dadurd wäre das Bild fpre- 
hender gervorden, und mandyes Urtheil, das zum heil 
damals auch wahr fein mochte, fept aber ſchon nicht 
mehr gilt, wäre dadurch weniger hart und ſcharf gemor- 
den. Wir wollen gern zugeftehen, daß mitunter ein 
Dergleih mit zur Erkenntniß und Darſtellung beiträgt, 
au muß man den ber eigentlichen Betrachtung fremden 
Segenftand auf Koften diefer nicht zu weit erheben oder 
rielmehr ihn gar nicht erheben, fondern ruhig die ent- 
ſorechenden Verhaͤltniſſe nebeneinander ſtellen. Solche 
Verſchiedenheiten aber, wie München und Paris, koͤnnen 
nur nad) eigenem Maffiabe gemeffen werden. Werden 
etwa dadurch, daß man bei jedem Gchritte die Verhaͤlt⸗ 
niffe Muͤnchens mit denen von Paris vergleicht, jene 
ſelbſt klarer? Wir glauben im Gegentheil, fie kommen 
nur in ein fchiefes Licht, werden in einen Brennpunft 
gerüdt, deffen Radien viel zu groß für Münden find. 
Auch hat ſeitdem, namentlich was die äußere Phyfioguo- 
mie der Stadt betrifft, fih fo Vieles in München geän« 
dert, es find fo viele neue Gebäude und Anlagen ent- 
ſtanden, daß man in diefer Beziehung gegenwärtig firh 
nur fehr vorfichtig auf das Lewald'ſche „Panorama“ be: 
jiehen darf. Zwoͤlf Jahre für eine Stadt wie München 
unter dem Schirme eines fo unternehmenden Könige ! 
Wie haben ſich die Verhältniffe geändert? Gebäude find 
ans der Erde gewachfen mit einem wahren Säulenwalbe; 
alte Straßen find verfhwunden, Nifchen ausgefüllt und 
Dentmale gefegt. Der Vorwurf, den Lemald der Ludwigs⸗ 
ſtraße macht, daß fie nur Beine unanfehnlihe Haͤuſer 
Häble, die mit denen am Boulevard nicht zu vergleichen 
fien, dürfte wol jegt entträfter fein, wenn Lewalb bie 
ungeheuern geftredten Façaden bes Minifterlums, der 
Bibliothek, der Uniperfität und zahlreiche andere Neu 
bauten gefehen hätte, bie faft eine halbe Stunde lang 





—————— — ——— — — — — — —— — — — —— — — — —— — — — — ——— — — nn nn nn — — — 


zu beiben Seiten bie Ludwigoſtnaße Abden. Im Übrigen 
enthält dieſes, Panorama von Mündhen”, das in feinem 
frühern &rfcheinen bereite zwei Auflagen erlebt hat, To 
viele® Gelungene, fo manches prächtige Genrebild, daß 
wir nicht umbin fonnten, beim Schluffe diefes Artikels 
auf daffelbe aufmerffam zu machen. Ä j 

' S. Gegenbaur. 


Neue Deutung der „Divina commedia”. 


Man weiß, wie die Italiener fi) mit der Allegorie bes 
großen Gedichts herumquälen, wie fie Deutung nach Deutun 
erfinnen und nicht felten auf die feltfamften Annahmen verfal⸗ 
len, denen man zwar oft nicht abftreiten Bann, daß fie finn- 
reich find, bei denen man indeß noch öfter bedauern muß, daß 
ihre Berfaffer Geiſt und Gelehrfamkeit nicht auf Befferes und 
Nüglicheres verwandt haben. Nicht der allgemeinen Allegorie 
des Gedichts bloß ift e8 fo ergangen: über einzelne Perfonen, 
einzelne Verſe find Abhandlungen, ja Bücher gefdhrieben wor: 
den. Ich brauche nur an den Veltro zu erinnern, und an die 
Arbeiten Zroya’s, Pepe's, Tommaſeo's und Anderer, welche 
fämmtlich nicht geringen Werth haben, wenngleich fie zu kei⸗ 
nem Refultate fuhren und eigentlich nicht dazu führen können: 
@iner der feltfamften Berfude, die „Divina commedia” auf 
neue Weife zu erklären, ift vor nicht langer Zeit in der zu 
Foflombrone im Urbinatifchen erfcheinenden Zeitfchrift „Anto- 
login’ gemacht worden. Der Verf. geht Davon aus, daß det 
Titel det Gedicht6 in den der „Monarchia di Dio’ umgeändert 
werden muͤſſe; der Veltro ift der Herrſcher, welcher zwiſchen 
dem Bließ des Widders und der Haut des Stieres (tra feltro 
e feltro; Div. com., Inf., I, 145) ſteht, d. h. der ben Reichthum 
feines Landes auf Aderbau und Viehzucht gründe. Er wird 
dann in Jeſus Chriftus umgewandelt, welcher fih von der 
Kraft des Vaters, der Weisheit des Sohnes, der Liebe des 
Heiligen Geiſtes nährt. Der Hügel, welden der Dichter er: 
fteigen will (Div. com., Inf., I, 13), ift der Galvarienberg. 
So geht es fort mit diefen Erklärungen, in denen zum Theil 
ältere wieder auftauchen. Der Kern der Deutung aber ift die 
Grläuterung der gefchichtlich » bürgerlichen Allegorie, welche in 
den Gefängen verborgen liegen fol, und bier finden wir aller: 
dings ein völlig neued Gebäude Aufgeführt. Dieſer verborgene 
Segenftand des Gedichte ift nämlich das Priorat oder die Würde 
eined der Prioren (Vorfteher) der Zünfte, welche Dante be 
Sanntlih im 3. 13U0 übertragen ward, in demielben Jahre, 
in weldem das Jubiläum durch Bonifaz VIII. geftiftet wurde 
und der Dichter ald Botfchafter nah Rom ging. Es ift diefe 
Würde, von der er fagt, daB alle feine Misgeſchicke und Lei⸗ 
den in ihr dem Urfprung yebabt haben. Die neue Deutung 
fagt nun: die Neife des Dichters beſchraͤnke ſich auf feine Va⸗ 
terftadt Florenz und deren nädfte Umgebung, beginne mit 
Santa-Groce und ende mit Santa» Marta del Fiore (Dom); 
auf dem Wege dahin Durchfihreite der Dichter den Stadttheil 
(Sesto — Plorenz war damald in Sechstel getheilt) von S.⸗ 
Piero maggiore und trete in &.-Piero Sörraggio ein, die einft 
neben dem Palaſt der Prioren gelegene Baftlila, um bort daß 
Banner der Priorenwürde gu empfangen. Man wird fragen: 
wie der Eommentator es anfange, um Dante's Wanderungen 
in diefen engen Eadre einzufügen? Er macht es fo: Um von 
Santa⸗Croce nach dem Dom zu geben, verläßt der Dichter die 
Stadt und fpaziert nad) dem Gafentino, dem in der -,, Divina 
commedia‘' oftgenannten Thale, deffen Grenze, beiläufig gefagt, 
an 30 Meilen von Florenz entfernt if. Dort verirrt er nr 
Nachts im Walde, Tehrt am folgenden Morgen nach der Stadt 
zurüd, und bleibt am Thore in der Rähe von &.:Ambrogio 
(Porta La Eroce) ſtehen, um die Fuhrt durch den Arno anzu 
ſchauen, die in der Nähe der Rubaconte-Brüde (Ganta-Maria 
delle grazie) war. Bei Santa: Eroce findet er den Hügel, auf 
dem er ausrubt, und will dann über den Plat (,‚la piazze 
diserta”, Inf., I, 29) vie Wanderung fortfegen, wird aber 











durch drei feiner — Sri Spimi, Roſſo della Toſa, 
Corſo Donati (Vanther, Löwe und Bolfin — vergl. Inf., 1, 
32, 45, 49) gewaltfam aufgehalten. Da kommt ihm Birgit zu 
Huͤtfe, der bier gleihfam die Stelle Brunetto Latini's, Feines 
Lehrers, vertritt, feßt ihn von Corſo's Bosheit in Kenntniß 
und von den Schlimmen, die fih ihm angefchloffen (‚gli ani- 
mali a cui s’ammoglia”, Inf., I, 100), und deren Babl no 
größer werden wird, bis ein Gatalane (catalar inter lanam — 
„U veltro — — tra feltro e feltro”) ihm ein Ende zu ma⸗ 
Gen kommt. Birgit erbietet fi fodann, ihn auf anderm Wege 
nad der Stadt zu Leiten: fie verlaffen diefelbe bei Santa-Eroce, 
treten wieder ein durch Porta S.Piero und begeben ſich nad) 
der Piazza dei Signori (vor dem Palaſt der Prioren). De 
wird Dante zum Prior gewählt („ratto dall’ Aquila al sommo 
Consistoro”) und von Birgit nach dem Hochaltar von S.⸗Piero 
Scheraggio (Spige des PYurgatoriums) geführt, dort das Prios 
satöbanner zu erhalten. Won dort leitet ihn dann Beatrice 
ur friedlichen Driflamme der Jungfrau in Santa » Maria dei 
iore, naͤmlich zum Paradieſe. | 

Dies ift der allgemeine Sinn der myſtiſchen Reife; einige 
Einzelheiten mögen bier noch folgen. Die „Sciaurati che mai 
non fur vivi” (Inf., Il, 64) find das arme Volk am St. 
Hetersthore, auf deſſen Architrav die berühmte Infchrift des 
dritten Gefanges fland. "Der diefem Thore nahegelegene Palaft 
der Grafen Guidi erinnert den Dichter an die &hibellinen von 
Arezzo, deren Niederlage zu Campaldino er einft felbft mit 
beimohnte. Diefe find die feigen Seelen, welche „diverse lin- 
gue e orribili favelle” (Inf., III, 25) erfhallen ließen. Durch 
die „guerra del cammino” wird angedeutet, daß der Dichter 
dur die von den feindlichen ſchwarzen Guelfen am dichteften 
bevolferten Stadttheile zu gehen hatte; die „„guerra della pieta‘ 
ift der Weg zum Altar der Iungfrau. Die „cittä roggia”, 
die „malebolge‘, die „alte torri” find das Spital von Santa- 
Maria nuova, damals von dem befreundeten Geſchlecht der Por 
finari gegründet, der Palazzo del Bargello (Wohnung des Hä« 
fherhaupfinanns) und die Ihürme des Drmaneo Foraboschi 
(bei dem Palaſt der Prioren), der fpäter in dem „vermo reo 
che il mondo fora“ dargeftellt wirt. Die „genti attuffate in 
un pantano‘ find die Bagnefi, „gravi cittadini“ die Medici, 
die „frondi di fosco calore’’ deuten auf Brunone Foraboschi, 
die „landa che rimuove ogni pianta“ ift Piefia Yrescobaldi 
im Oltrared. Wo es heißt: man müfle „torrere un poco la 
via” wird auf die Bisdomini von Torcicoda (Parad., XVi, 
112) angefpielt. In denen mit „cappe con cappucei bassi‘ 
find die Caponſacchi (Parad., XVI, 121) dargeftellt; in den 
„rormentati da sete” die Sizi (Parad., XVI, 102), in den 
Sündern, die verwandelt werden, die Cambi — lauter floren« 
tinifche Geſchlechter. Anteo ift Guido dell’ Antela; die vor 
Kälte Zitternden find die Belfredellis die Thraͤnen, welche „il 
coppo del. ciglio” füllen, ſprechen von Lippe Aldobrandini. 
Auf den Namen der Guidi fpielen an die Worte: „guardai e 
vidi, a riguardar mi diedi” u. f. w.; ihr Zitel findet fi im 
Berfe, der endet mit: „le cose ti fien’ conte”. Charon, der 
zu. Schiffe daherkommt (von Poppi herab), iſt Guido Guidi, 
der mit dem Ruder die Unverftändigen fchlägt (batte — folli), 
bie es fi in feiner. Barfe zu bequem machen wollen: denn 
Guido Guidi war Graf von Poppi in Battifolle! Die weder 
Thätigen noch Betrachtenden in dem Bor: Parabiefe find Die 
Slorentiner, welche dem Bau des Domes aufaben, der unter 
Arnolfo's Händen emporftieg; die Zeitverderber. in dem Bor: 
Begefeuer hingegen find Iene, die auf Piazza de’ Signori ſpa⸗ 
zieren gingen. An den Dom aber knüpfen fi, im Paradiefe, 
eine Menge der allerbedeutfamften Dinge. &o wird die Bagade 
durch den Mondhimmel bezeichnet, das Veftibulum durch den 
Mercurbimmel, das Mittelihiff duch den Benushimmel, dab 
Chor durch die Sonne, dad Querſchiff dur den Marshimmel, 
tie Stufen durch den „scaleo eretto in suso’ im Saturnus⸗ 
Himmel. Die Mufire endlich find der Jupiterhimmel. 

Dies zur Probe der ertravaganten Deutung. Auf ſolchem 
Wege, naͤhme man die Sachen ernflich, wie fie doch wol gemeint 


Fand, würde freilich immer dichter und undwrdpfilhtiger „il velame 
deli vorsi stran!”. 101. 





Bibliographie. 

Afton, Louife, Wilde Nofen. Zwölf Gedichte. Berlin, 
Moeſer und Kühn. 8, 10 Nor. | 
: Bibliothek der gesamten deutschen National-Literatur 
von der ältesten bis auf die neuere Zeit. IMter Band: 
Flore und Bianscheflur. Eine Erzählung von Konr. Fieck, 
heransgegeben von Emil Sommer. Quedlinburg, Basse. 18%. 
Gr. 8. Thlr. 

Dresden und bie Dresdener, oder &piegelreflere aus Dres: 
dens Gegenwart. Prescogemälde und Bebergeithnungen in nit: 
berländifher Manier. Leipzig, D. Wigand. 8. 2Thir. UNE. 

‚ Würftedler, 2, Die Sötterwelt der Alten oder volflae 
dige Darftellung der Mythologie der alten Griechen und Ri: 
mer, nebft einem Anhange, enthaltend eine kurze Schilderung 
der Sitten und Gebraäuche diefer Völker und die Mythologie 
der alten Deutfchen. Peſth, Hartleben. Gr. 8. 1 CThlr. 

Bueride, 9. E. F., Handbuh der Kirchengeſchicht. 
Öte vermehrte und verbefierte, zum Theil umgearbeitete Auflage. 
dter Band: Neuere Kirchengefchichte. Keipzig, Gebauer. Gr.3. 
1 Ihlr. 14 Nor. 

Bammer, 3., Stadt» und Randgefchichten. Zwei Bande. 
Altenburg, Pierer. 5. 2 Thir. 

Zahn, D., Die bellenifhe Kunſt. Eine Rede. Gerrit 
wald, Dtte. Gr. 8. 6 Rear. 

Keppel, 3. &., Das neue Gefangbuch der proteftanti: 
[hen Kirche in Bayern. Zur Drientirung auf dem Gebiete 
der kirchlichen Hymnologie. Bayreuth, Grau. 1845. 3. 15 Kur. 

Nedepenning, ©. R., Drigenes. Eine Darfteluny kt: 
nes Lebens und feiner Lehre. 2te Abtheilung. Bonn, Bde. 
&r. 8. 2 Ihr. 5 Nor. 

Schmidt, J. H., Die Reform der Medicinalverfassuug 
Preussens. Berlin, Enslin. Gr. 8. I Thir. 10 Ngr. 

Schwarz, T., Der warnende Hausgeift. ine ſchwedi⸗ 
fe Prediger » Idylle. Leipzig, Nein. -8. 18 Mar. 

— — De Portbeiſt. Ein epiſches Jdyll. Leipis⸗ 
Hein. 8. 1 Thlr. 15 RNgr. 

St. Nelly, Lucilie oder der Ring des Kaifers. Zwei 
Bände. Leipzig, Wiendbrad. 8. 2 Thlr, 22%), Rot. 

Tegners, E., Frithiofssage. Herausgegeben von 6- 
v. Leinburg. Urschrift und Überwagung in Prosa. Frak- 
furt a. M., Brönner. Gr. 8. 1 Tbir. 10 Ngr. 





Zagesliteratur. 


Adreffe der Mitglieder des unter dem 20. April 1816 
durch Cabinetsordre aufgelöften bürgerlichen Artillerie Cor 
in Rendsburg an Se. Maj. den König von Dänemark. Rendt 
burg, Oberreih. KL. 8. 3%, Rgr. " 

Baumeifter, H., Drei Artikel über fummarifchen Pre 
io in Hamburg. Hamburg , Perthes Beſſer und Mask. 

r. 8. 9 Nor. 


Carus, H., Spiegelbild des Johannes Ronge. Lust 
burg, Schmid. 8. 5 Nor. IL 
Zähner, C. &., Der geiftlihe Todtſchlag. Eine wahrt 
Begebenbeit aus der Geſchichte des Ehriſttathoiizimus, neh 
Mittheilungen über das Weten der alt=lutherifchen Gemeint! 
in Liegnitz. eiegnit. 8. 5 Rgr. 
Prifac, W., Die Zeichen der Zeit im illuſtrirten der 
tungsberichten. tes Heft: Die Fortſchritte der Köiniſchen Ser 
tumg auf dem Wege der Dekatholificung und Entchriſtlichunz— 
Neuß, Schwann. Gr. 8. 6 Rear. 4. 
Nee, X, Aufruf zu einer raſchern Foͤrderung ber u 
— en im Vaterlande. Hamburg, Geber. 
r. . 2 gr. FR 
Schmidt, F., Eine Predigt und: Deren Denundafiit- 
eiegnig. Br. 8. 5 Rgr. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockans. — Drud und Verlag von F. WE. Wrodpans in Setpzis- 


Blatter 


fur 


literarifſche Unterhaltung. 





Sonntag, 





Georg Ehriſtoph Lichtenberg. 
Georg Chriſtoph Lichtenberg's vermilchte Schriften. 

Reue vermehrte, von Weflen Söhnen veranftaltete Driginal: 
ausgabe. Sechs Bände. Göttingen, Dieterih. 1844— 15. 

16. 2 Zr. 

Die vermifhten Schriften Lichtenberg's, deren 
neue, bequeme Ausgabe wir hiermit anzeigen, fchlie- 
fen die wiffenfhaftliden Schriften aus und ebenfo 
die Erklärung von Hogarth's Kupfern, weldhe em 
Bert für ich bildet. Sie enthalten aber einen Schat 
von Heinern Auffägen verfchiedenfter Art, dem wir 
von ganzem Herzen aufmerkfjame und denkende Le- 
fer wünfhen. Daß fie diefe wirklich finden werden, 
und zwar in großer Anzahl, wagen mir nicht mit Zu- 
verfiht zu behaupten: wo -nähme die Maffe der Lefen- 
den Zeit und Sammlung genug ber, um mit einem 
Autor fi zu befchäftigen, welcher nicht von den Wogen 
der Tagesberuhmtheit emporgetragen wird, der, fo leben- 
dig und gehaltwoll er für den Denkenden ift, doch dem 
nach leichter Unterhaltung Lüſternen troden erfcheinen 
dürfte? Lichtenberg felbft war in diefer Beziehung nicht 
allzu ſanguiniſch: 

Es ſchiken wol wenige Menſchen Bücher in die Welt, 
ohne zu glauben, daß nun Jeder ſeine Pfeife hinlegen oder fie 
anzünden werde, um fie zu leſen. DaB mir dieſe Ehre nicht 
zugedacht iſt, fage ich nicht bloß, denn Das wäre leicht, fondern 
ih glaube es au, welches fchon etwas fchiwerer ift und er: 
lernt werden muß. Autor, Seger, Eorrector und Eenſor mö: 
gen es leſen, vielleicht auch der Recenfent, wenn er will: das 
And alfo von taufend Millionen gerade fünf. 

Aber auch von Denen, welche Aufmerkfamfeit und 
Rachdenken nicht fcheuen, mögen Viele von Lichtenberg's 
Schriften fich abwenden: weil ihnen die Art dieſes Schrift: 
ſtellers nicht zufagt; weil fie ſich nicht genug gemüthlich 
von ihm angefprochen fühlen; weil fie Wis und Laune 
nicht lieben und ben planen, voiffenfchaftlihen Vor⸗ 
tag dem humoriſtiſchen vorziehen. Wir Deutfche wer: 
den immer mehr ein fo gar ernſtes ober ernfithuen- 
des Volt, oder wenn wir dem Ernſt einen Augenblid 
entfagen, fo flürgen wir uns in das andere Ertrem; 
aber eine fich gleichbleibende gemäfigte Temperatur ber 
Saune, wie bei Lichtenberg, behagt nur Wenigen. Aller- 
dings find feine vermifchten Schriften der Art, daß fie 
fh weniger eignen, in Einem Zuge fort, wie ein No— 


9. Auguft 1846. 


man — etwa „Triſtram Shandy” — gelefen und ver- 
fhlungen zu werben; aber von Zeit zu Zeit find fie ein 
treffliches Cordial, auch wenn man mit feinen Anſich- 
ten nicht- durchaus einverftanden ift. Wegen ihrer gro- 
Ben Mannichfaltigkeit läßt ſich hier Feine genügende Über- 
fiht davon geben; wir verfuchen aber den fchriftftellert- 
[hen Charakter und bie Bedeutung Lichtenberg’6 für bie 
deutfche Literatur in der Kürze anzugeben. 


Mit dem tüchtigen Mathematiker und Naturforicher, 
der viele Jahre lang eine Zierdbe und ein Stolz der 
Univerfität Göttingen war, haben wir e8 hier. nicht zu 
thun; aber ed muß daran erinnert werden, ſofern unter 
Umfiänden eine literarifche Wirkſamkeit und Berühmt⸗ 
heit eine um fo folidere Brunblage hat, wenn fie mit 
anerfannten Leiftungen auf einem wiffenfchaftlihen Ge⸗ 
biete Hand in Hand geht. Dies beruht freilich zum 
Theil auf Borurtheilen, als ob der Schriftfieller, blos 
als folcher, doch nicht ein ebenſo nüglicher und achtba- 
rer Mann fei oder fein könne als der vom Staat an⸗ 
geftellte, befoldete und mit Ziteln gefhmüdte Gelehrte; 
aber es ift einmal fo, und wir find überzeugt, Lichten⸗ 
berg hätte als Schriftfteller zu feiner Zeit kein folches 
Anfehen genoffen, wäre er nicht zugleich angefehener Uni» 
verfitätsiehrer gewefen, obgleich er im Wefentlichen ein 
ebenfo trefflicher Schriftfteller hätte fein können, ohne 
fi) in der Mathematit und Phyſik auszuzeichnen und 
fih darin einen Ramen zu machen. Bortheilhaft jedoch 
mag eine ſolche Stellung auch für ben fchriftftellerifchen 
Charakter fein, indem fie nicht blos Vertrauen zu dem 
Autor bei Bielen erweckt, fondern aud fein Selbſtver⸗ 
trauen erhöht; und jedenfalls ift es ein Zeugniß von 
der DVielfeitigkeit "und Energie eines Manned, wenn & 
neben einem mit Eifer und Auszeichnung erfüllten wiſ⸗ 
fenfchaftlihen Beruf noch Luſt und Kraft in fich findet, 
in der Literatur aufzutreten. Auch fein Fachwiffen kam 
Kichtenberg, neben feinen andern Kenntniffen, fehr zu 
ftatten, und mit Recht fagt Goethe: es habe ihm eine 
ganze Welt von Wiffen und Berhältniffen zu Gebote 
geftanden, um fie wie Karten zu mifchen und nad) Be⸗ 
lieben ſchalkhaft auszufpielen! 

Lichtenberg’ Kebensverhältniffe waren im Ganzen 
einfach, wie bei den meiften beutfchen @elchrten und 
Schriftſtellern, zumal in frühern Zeiten: fie hielten ſich 


2 67} 


in der Mitte bes bürgerlichen Lebens, ohne weder in 
den Bereich bes Abenteuerlihen berunterzufinten, noch 
in die Sphäre ber Vornehmheit emporzufteigen. Den 
größten Theil feined Lebens, faft 30 Jahre — er ftarb 
im achtundfunfzigfien —, brachte er in Göttingen als Pro⸗ 
feſſor zu, wo er auch fimdirt Hatte. Aber er wurde boch 
mit der Welt und den Menſchen beffer bekannt, als die 
meiften Profefforen und Gelehrten: Göttingen war da- 
mals die erfte deutſche Univerfität, und bie Lehrer an 
berfelben hatten vielfache Gelegenheit und Auffoberung, 
den Kreis ihre® Umfangs und ihrer Bekanntfchaften zu 
erweitern. Einflußreich war befonders die Verbindung 
son Hanover mit England: auf einer Reife nach Lon⸗ 
don war Lichtenberg vom König von England, der zu- 
gleih Kurfürfl von Hanover war, ausgezeichnet und 
zum Profeffor in Göttingen ernannt worden; und einige 
Jahre fpäter machte er eine zweite Reife dahin, wo er 
befondere den großen Schaufpieler Garrid ftudirte. Er 
jagt, er habe in England bald wie ein Lord, bald wie 
ein Handwerksburfche gelebt, woraus man fchon auf bie 
Mannichfaltigkeit feines Umgangs fchliefen kann. Auf 
diefe Weife wurde Lichtenberg nicht nur mit ben aus» 
gezeichnetften Gelehrten feines Faches in Deutfchland, 
fondern au in England, überhaupt aber mit Menfchen 
ber verfchicdenften GElaffen bekannt; unb er fheint, ob- 
glei) nicht von: einer vortheilhaften äußern Perfönlich- 
feit unterſtützt — er war verwahfen —, Neigung und 
Talent zum gefelligen Umgang gehabt zu haben, wäh- 
rend ihn Krankheit oft wieder lange Zeit in der Ein- 
ſamkeit zuruckhielt. Kichtenberg war Raturforfcher nicht 
blos feinem Fach und Berufe nad, fondern er behnte 
die Beobachtung, auf weicher alle Korfchung beruht, fei- 
ner Innern Natur und Neigung nach auf ale Erſchei⸗ 
nungen des menfchlichen, des gejelligen Lebens, auf Cha- 
raftere und Künfte aus, und diefe Eigenthümlichkeit be» 
dingte großentheils feine Literarifche Thätigkeit. Er war 
glücklich verheirathet, und die vorliegende Ausgabe fei- 
ner Schriften ift von zmei Söhnen beforgt. Ex war 
geboren 1742 und flarb 1799. 

Lichtenberg’s Leben fiel in eine Periode, wo die Na⸗ 
turwiffenfchaften wie die Literatur große Nevolutionen 
esiitten. Bon den erſtern haben wir bier nicht zu ſpre⸗ 
den; in’ Bezug auf die leptere ſtand Kichtenberg zwi⸗ 
fen dem Ulten und Neuen — follen wir fagen ver- 
mittelnd, ober getheilt® Altes und Neues find relative 
Begriffe: fie find nicht durch eine. Linie voneinander 
abgefchnitten, fie gehen unmerklich und auf vielen Punk⸗ 
ten, zidzadförmig, ineinander über, und Leffing iſt ein 
Neuerer, während er felbft wieder Goethe als ein Ver⸗ 
Meidiger des‘ Altern halb gegenüber ficht. Lichtenberg 
Hatte es nicht. an der kecken Entfchloffenheit gefehlt, es 
mit bem Neuen zu halten, wenn es auch etwas lär- 
mend und revolutionnair auftsat; und er wäre in ber 
Mitte der fiebziger Jahre auch noch jung genug gewe⸗ 
fen, um füch der enthufiaftifchen. Jugend anzufchließen, 
wenn micht bei ihm der Verſtand den Enthuſiasmus 
überwegen und ibm bei der ungeflüm neuernden Jugend 


882 " - 
‘ " , 


mehr tolle Hige, @itelteit, Unvernunft, als wahres Ge⸗ 
uie und Geiſteskraft gezeigt hätte. Nachdem er einmal 
fo feine Stellung in der Literatur mit Entſchiedenheit 
genommen, war es ſchwer fie wieder zu ändern, befonders 
in fpätern Jahren, wo man nicht leicht eine zumal der 
Begründung nicht ganz ermangelnde, nur einfeltige und 
zu fchroff ausgeſprochene Anficht als irrig zurücknimmt, 
wo vielmehr das zuerft noch dehnbare und bildfame Ur⸗ 
theil gar zu oft zum Vorurtheil erſtarrt. So trat Lid: 
tenberg als einer der Hauptfämpfer und Spötter gegen 
die Driginalgenied der fiebziger und fpätern Jahre auf, 
ja gewiffermaßen als ein Berächter der deutfchen Litera- 
tur überhaupt, weil er doch auch zu viel Geſchmad 
hatte, um an den ältern deutfchen Productionen großes 
Wohlgefallen zu finden. Waren ihm die neuen zu 
überfhwänglich, zu enthufiaftifh, zu toll und zu leer, fo 
mußten ihm dagegen die ältern zu nüchtern umd unge 
Ihmadt fein; und daher wandte er fich mit feinem äfthe 
tifhen Bedürfnig und Sinn mit Borliebe ben Englän- 
bern zu, bei welchen er Verwandtſchaft mit feinem eig 
nen Velen, Beobachtung, Menſchenkenntniß, Humor 
und Wig fand, und nad; melden er fich wol auch, be 
mußt oder unbewußt, bildete. Milton und Shakſpeare, 
Swift, Sterne und Fielding waren ſeine Lieblingsſchrift⸗ 


“fleller; aber wenn er in der Vorliebe für Shakſpeare 


mit den jüngern beutfhen Dichtern zufammentraf, fe 
waren es doc andere Seiten und Eigenſchaften des 
großen Dichtergenies, welche ihn anzogen, als diejeni⸗ 
gen, weiche von den jugendlichen Genies am meiften de 
wundert wurden: für Lichtenberg war er ein unübe:- 
treffliher Kenner und Beobachter ber menſchlichen Ra 
tur, der die Charaktere ebenfo fidyer im Ganzen anlegte 
als bis in die einzelnften Züge hinaus indivibualifiit; 
während poetifchere Gemüther fich mehr an ben Rid- 
thum ber Phantafie, an die Poefie der Sprache des 
großen Briten hielten, welcher von fo verfchiedenen Sei⸗ 
ten der unerfchöpfliche Gegenftand des tiefſten und frudt- 
barften Studiums werden fann. Die Art, wie Chef 
fpeare in Deutfchland hin und wieder bewundert und 
nachgeahmt wurde, rügt Lichtenberg in feinen Briefen 
aus London, wo er ganz erfüllt ift von der Größe del 
Dichters und des ihn der Anſchauung vergegenmärtigen 
den großen Schaufpielers Garrid: 

So handeln wie Barrid! und fo fihreiben wie Shakſpeart, 
find Wirkungen von Urfachen, die fehr tief liegen. Sie wer: 
den freilid) nachgeahmt — nicht fie, follte man fagen, fonder 
das Phantom, das fih der Nachahmer nach Maßgabe fein 
Kräfte von ihnen ſchafft ... Richt jeder Schriftfteler, der ein 
paar fogenannte Heimlichkeiten der menfchlichen Natur, in e 
ner altoäterifchen Profa, und mit Prunfjchnigern gegen Sprat 
en Ron Sitten ausplaudern gelernt hat, ift deswegen ein 

akſpeare. 

Lichtenberg war gewiß der Mann dazu, auch das 
Große an Shaffpeare zu würdigen; er preift bie Eng: 
tänder glücklich, daß fie einen folhen Dichter befigen: 

Shakſpeare ift auf diefer Inſel nicht berühmt, fondera 
heilig; man hört feine Sittenfprüde überall. Sein Rame 
verwächft mit den ehrwürdigften Ideen; man fingt aus ihm 
und von ihm; und daher lernt ihn ein großer Theil der eng 





ifen Jugend cher Pennen als das UBE und ben Pontius 
ilatus 


vilatus; ir _ 

aber daneben fludirte er ihn auch mit der Schärfe des 
alfeitigen Beobachters und fand aud in dieſem Sinne 
nicht mindere Freude und eine nicht ee Ausbeute 
in ipm; fo fehreibt er in dem Auffag über. Phyſidgnomik: 

Shakſpeare, der die entfernteften Begriffe, und die ſich 
iclleicht nie in einem Menfchenkopf begegnet find, zu feiner 
Abfiht zu verbinden weiß... ift fehr arm an eigentlich phy⸗ 
fiognomiſchen Bemerkungen ... Bingegen ift er voll der herr: 
üchten pathognomiſchen Beobachtungen, auf die gluͤcklichſte 
Beife außgebrüdt. 

Er wünſchte, daß Einer eigens über Shaffpeare's 
Pathognomik ſchriebe, aber der müßte auch 
tiefe Kenntniß der englifchen Sprache, hauptfächlih der Na⸗ 
tien, des Menſchen und feiner felbft befigen. Ohne einen ho⸗ 
ben Grad von allen vieren läßt fih zwar Shakfpeare nody im⸗ 
mer wit Vergnügen lefen, aber man wird gerade Daß verlies 
m, was ihn zu einem fo ungewöhnlicden Dann macht ... 
Es könnte Jemand fo wenig von den obigen Erfoderniflen zur 
Lefung des Shakſpeare mitbringen und fo wenig Begierde 
haben, in ſich felbft zu erwachen, daß er am Ende wol Nichts 
verflände als feine Boten, feine Fluche und einige feiner aus» 
ſchweifendſten Metaphern. So wird es aber bis an jenen Zug 
allen großen Seiftern ergeben, die mit tiefer Einfiht über den 
Menſchen ſchreiben. Solche Werke find Spiegel: wenn ein 
Affe hineingukt, kann fen Apoftel herausſehen. 

Der große praktiſche Verſtand ſagte ihm bei dem 

engliſchen Dichter, neben der Poeſie, ſo ſehr zu, und 
zog ihn ebenfo auch in den Werken der andern genann⸗ 
ten Autoren, fomwie eines Chefterfield, eines „Zunins’ 
(des Berf. der unter diefem Namen berühmt geworde- 
nen Briefe) an. Ahnliches hatte freilih damals bie 
deutſche Literatur wenig oder nichts aufzuweiſen: entive- 
der fehlte Die rechte, vielfeitige Erfahrung, die vealiftifche 
Belt und Menfchenkenntniß und Auffaffung, die Kraft 
des Stils oder ber gute Geſchmack. Leiling kommt 
in dieſen Punkten den Engländern am nädften, und 
ihm reiht ſich auch vielfach Lichtenberg zunaͤchſt durch 
feine Eigenthümlichkeit an, obgleich er feinem Alter nad) 
den jüngern Dichtern, Goethe namentlich, näher fland. 
Aber er war gegen das „Genie unferd jungen Anfluge”, 
gegen bie „moberne, drangmäßig kühne und fraftvolle” 
Jugend unheilbar eingenommen; er fann nicht leugnen: 
kin Mistrauen gegen den Gefhmad der Zeit fei viel- 
lädt zu einer tabelnswerthen Höhe geftiegen. 

Zaͤglich zu ſehen, wie Leute zum Namen Genie kommen, 
wie die Kellerefel zum Ramen Zaufendfuß, nicht weil fie fo 
viele Füße haben, fondern weil die Meiften nicht dis auf vier: 
zehn zählen Bönnen, bat gemacht, daß ich Keinem mehr ohne 
Früfung glaube. 

- (Die Sortfehung folgt.) 


— — — — —— — — — — 


Unterhaltungsliteratur. 

I. Kerker und Kirche. Ein Roman. Frei nah H. v. Sten⸗ 
dahl's „Chartreuse de Parme”. Drei Bände. Dresden, 
Arnoid. 1845. 12. 4 Thir. 

Ein Buch voll der eigenften Abenteuer und Intriguen, 
gut gehalten umd erzählt. Der Held deſſelben, Fabrizzio bei 
Dongo, der mit feinem Leben Nichts anzufangen weiß, verläßt 
«6 junger Menſch heimlich das Schloß feines tyranniſchen Ba: 
ters mit dem Berjag ein Held zu werden. Wirklich macht er 


— — 


auch die Schlacht von Waterloo mit, ohne davon zu wiſſen, 


fommt dann wieber nach ‚Italien, wird in Fri era 
verfiricht, in deren Folge lange Gefangenſchaſt fein Loos i 

Dan glaubt, das Beſte für ihn werde der geiftliche Stand 
fein, und wirktid wird er, der von Theologie und kirchlichen 
Berhältnifien nicht das Mindefte weiß, Coadjutor des Erzbis 
ſchofs von Parma. Indeflen flört Dies feine Liebesangelegen« 
heiten nicht, und biefe muͤſſen nothwendig die ernfteften Foigen 
herbeiführen, ſodaß Fabrizzio del Dongo die. von Rom erfolgte 
Beſtaͤtigung der erzbifchöflihen Würde ablehnt, fein ganzes 
Bermögen der Mutter überläßt und fig in die Karthaufe von 
Belleja zurüdzieht, wo er nad) zwei Jahren flirbt. Das Buch 
verfolgt nicht eigentlich eine befonders hervorſtrebende Grunde 
idee, allein es darf immerhin ſchon zu den beflern Erſcheinun⸗ 
gen ded Tages gerechnet werden; und mande Partien, 5. 8. 
das Hofleben zu Parma, werden den Lefer freundlich anfpres 
hen, ſodaß er das Skizzenhafte, nirgend Verweilende der Darı 
ftelung über dem reichen Wedifel der Situationen vergißt. 


2. Der Prophet von Florenz. Wahrheit und Dichtung von 
Johannes Scheer. Drei Bände. Stuttgart, Franckh. 
1845. 8. 4 Zhlr. 
Ganz beftimmt zu fagen, welchem Zwecke das Buch dienen 
fol, it dem Berf. nicht gelungen, und cin Tendenzroman fol 
e6 Doch wol fein. Indem der Verf. „Zum Eingang’ daß erſte 
Gapitel des Evangeliften Johannes gut genug hält, umſchrei⸗ 
bend das Papſtthum anzugreifen, geht er „Zum Schluß” von 
der Freiheit des Geiſtes zu politifcher Freiheit über, ohne die 
eine oder die andere fcharf zu beitimmen. Luther wird als 
befangen bezeichnet, „ohne Ahnung vom Angelpunft des neus 
zeitigen Bewußtfeind und der Souverainetät des Volkes”. ‚Die 
deutihen Bauern verftanden das Evangelium beffer, als bie 
wortflaubenden Neformatoren.” „Tiefer als Luther fah und 
riff Zwingli.“ „Gegenwärtig tft für den Geiſt Peine Hüffe, 
eine Erlöfung, als in (matertellem) Hunger. Die Roth wird 
der Erkenntniß die That gefellen und den Sargdedel des er⸗ 
warhenden Rieſen auffprengen. Der Erxlöfer wird aufftehen” 
u. f. w. Ein Mpoftel religiöfer und politifcher Freiheit wer 
der „Prophet von Florenz“, Geronimo Savonarola, von dem 
wir nur wiffen, daß er unter Lorenzo Medici, vorzüglich aber 
nad) deffen Tode, in die pofitifche Geſtalt von Florenz re 
Predigten und in andern Wegen fo erfolgreih einwirßte, 
die Serrfchaft der Ariftofratie dem Bürger für längere Zeit 
weichen mußte. Das ware ihm vielleicht zu vergeben gewefen 
allein er griff auch den Papft, die Kirche an, und der Schei⸗ 
terhaufen machte feinem Leben ein Ende. Wir willen fo wer 
nig von Savonarcla, daß jedes Urtheil gewagt ericheint: den» 


noch mörhten wir ihm die Ahnung des neuzeitigen Bewußtſeins 


mit mehrem Mecht abfprechen, als der Verf. fi) Das bei Luther 
erlaubt bat. Wenn ein Kirdyenreformator auch den Staat in 
den Kreis feiner Beſtrebungen zieht, fo muß er auch ein Krie 
ger fein wollen ıwie Mohammed. Mit Predigten iſt gegen das 
Papſtthum in Itatien felbft fiher Nichts auszurichten. Doc 
genug! Der vortiegende Roman iſt gewiß recht gut gemeint, 
nur darf er nicht, wie etwa Daniel Leßmann's „Savonarola”, 
ald Roman als poetifches Kunſtwerk betrachtet werden. Er 
ſchwankt zwiſchen hiſtoriſchen Relationen, Erzählungen und Exr⸗ 
clamationen. Wie ſich das meiſtens von ſelbſt verſteht, wirt 
in die italiſchen Wirrſale auch ein biederer Deutſcher verfloch⸗ 
ten, dem es gar ſchwer gemacht wird, ſeine Geliebte zu erwer⸗ 
ben und wieder nach Deutſchland zu kommen. Er wird Uhland 
genannt und ſoll ein Vorfahre des Dichters geweſen ſein. 


3. Weiße Sklaven, oder die Leiden des Volkes. Ein Roman 
von Ernft Willkomm. Fuͤnf Theile. Leipzig, Kollmann. 
1845. 8. 7 Thlr. 15 Ror. 

Das Proletariat hat in unferer Zeit manche Weber in Be» 
weyung gefeht, und die wiederkehrenden Arbeiterunruhen 
in England und Frankreich, zulegt auch in Deutfchland, müſ⸗ 
fen nothwendig die Aufmerkfamfeit auf den Grund diefer Er⸗ 
ſcheinung und die Mittel ihrer Abhülfe mit jedem Tage drin 





8834 


‚gender hinlenken. Das Waſchinenwefen hat den Schwindel⸗ 
und Schleudergeiſt hervorgerufen; wer nicht fallen will, muß 
toncuiriren, und meiftens weiß er Fein anderes Mittel aufzu⸗ 
treiben, als Herabdrudung des Arbeiterlohnes. Der Urbeiter 
will leben, denn er bat das Recht dazu, wie jeder andere 
Menſch; er wird die Beute, der SHave newinnfüchtiger Fabrik: 
männer, da dieſen gar viele Mittel zu Gebote ftehen, den Ar: 
beiten an fein Snterefie, d. h. an die Maſchine zu fefieln. Auf 
diefem Wege hat ſich eine Leibeigenfchaft Herausgebildet, wel: 
de meiftend noch drüdender ift als jene an die Scholle bin: 
dende, denn fie nagt zugleich wie ein fohleichendes Gift am 
Körper. 
ruhen in Schlefin, mögen den vorliegenden Roman gewedt 
haben, deffen Zerram die Laufig if. Der Verf. beginnt ſchon 
früß, nämlich etwa zur Zeit der franzöfiihen Revolution von 
1789, wo die wendifchen Landbewohner der Lauſitz noch Leib⸗ 
eigene waren , und legt in eine Familie von Boberftein den 
Sundftoff großen und langjährigen Unheils. Die Boberfteiner 
ſchicken Mn in die Zeit: fie verwandeln fih in Herren am 
Stein, die auf den Trümmern der Ariftofratenburg eine Fa⸗ 
hrik anlegen. Uber auch in dieſer Stellung ift ihre Neigung 
zum Satrapenleben nicht gewichen, fondern erſcheint nur in 
anderer Form. Ein Baulwurfsfänger wandelt von Anfang zu 
&nde durch das ganze Buch als LKaufcher, Helfer, Ablenker, 
Ausgleicher, Störer u. f. w.; er ift, wie eine Figur im Ta⸗ 
rockſpiel, uͤberall zu gebrauchen und wird auch fo benugt; er ift 
aus vielen englifhen Romanen ind Deutſche überſetzt. Nach 
mancherlei Noth, nach Blutſcenen, Mord und Brand entfchei- 
det endlich ein waderer ſeemänniſcher Boberftein: die Arbeiter 
erhalten befiern Lohn, zugleich Antheil am Gewinn der Fabrik; 
er, und mit ihm die Beſſern, Guten kommen zu Slüd und Ruhe. 
Es ift ein Einlenken zur Verwirklichung communiftifcher Ideen. 
Die Anlage des Buches ift zu weitläufig, um fie hier näher 
zu entwideln. Da daflelbe Tagesfragen behandelt, fo werden 
Tagesleſer fi) angezogen finden, vorzüglich da Vieles in den 
Kreis der nadten Wahrheit gehört; und in dieſer Beziehung 
mögen auch andere Kejer an mande Erfcheinung der Gegen: 
wart erinnert werden, wenngleih die Korm des Buches fie 
wicht anzieht. Der Verf. weiß recht gut und anjchaulich Land: 
haften, Scenen, Perfonen darzuftellen, dagegen kann er die 
tegtern nicht veden laffen. In dem ganzen Bude iſt kaum 
irgend ein Dialog, von dem ſich fügen ließe: er fei wahr; und 
vorzugämweife gilt Die von den Außerungen und Gelpräden 
der geringen Leute. 


4, Aus dem Leben eines Abenteurers. Bon Julian Chow— 
nig. Zwei Theile. Um, Nübling. 1345. 8. 2 Ihlr. 32/, Rer. 
- Die Abenteuer follen nad der Dedication der ftrengften 
Wahrheit gemäß fein, und wirklich Hat auch Ref. eben Nichts 
funden, was der gewöhnlichen Wahrheit widerſpräche. Das 
iſt fo ungefähr das Lob, welches dem Buche gegeben werden 
mag. Es ift nur bedauerlich, daß mit diefer Wahrheit eben 
Nichts gewonnen wird. Vielleicht ift der Verf. felbit der Held 
feines Buches, der Abenteurer: es kann daher von einigem 
Interefie fein, das Schul: und Soldatenieben deſſelben anzu« 
fehen. Außerdem gewaͤhrt dad Buch einige Blicke in ungari- 
fe Zuſtände. 
5. Muntere Lebensbilder von Karl Spindler. Zwei Bände. 
" Stüttgart, Hallberger. 1845. 8, 3 Thir. 7%, Nor. 

Sn der neuen Folge jämmtliher Werke des Berf. bilden 
diefe ‚‚KXebensbilder‘ den festen und fiebenten Band. Das 
Buch gibt als Principale die Erzählung „Die Erben des 
fteinernen Gaſtes“; ein Märchen und zwei Erzählungen find 
eingereibt. Saͤmmtliche Perſonen diefer „Xebensbilder‘‘ gehö⸗ 
ven in die große Familie der feltfamen Geſellen und fehr gut 
gehalten. Die Compofition, namentlich die der Haupterzählung, 
iſt nicht frei von einer Willfar, melche der Berf. vor dem 
Nichterftuhle der Kunft vertreten mag fo gut er Bann. Indeflen 
begegnen wir überall gar ergöglichen Situationen, und da ber 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Wrodpans. — Drud und Verlag von F. ®. 


Diefe Betraptungen, verbunden mit den Weberun⸗ 


Verf. nach dem Titel des Buches kaum mehr geben wollte, fo 
werden ſich die Freunde des Komifchen und heiterer Unterhal⸗ 
tung ſchon befriedigt finden. 18. 


Literarifhe Notiz. 
Zur Geſchichte der Ruſſen. 

Bei dem Byzantiner Konft. Porphyrogenneta (De adni- 
nistr. Imper., cap. 13, Ed. Bonn., p. 51) werben die Ruflen 
(of ‘Poss), und die füdlichen Slawen überhaupt, mit ihren gu: 
ten und ſchlechten Eigenichaften zum erften Mal auf das Welt: 





theater gebracht und pfychologiſch, kurz, aber Eennbar gefdildert. 


„ine unerfättliche, unausfülbare Gier nad Geld fei das 
allen ſcythiſchen Volkern von der Ratur aufgebrüdte Merkmal; 
fie fegen Ulles in Bewegung, ringen und haſchen nah Alm, 
und doch fei ihrer Begehrlichfeit Bein Ende und wachſe das 
Berlangen mit dem Beſitz. Fuͤr geringe Leiſtungen fodern fi 
unverfgämten Lohn. Unter allen am bettefhafteften und zudring- 
lichſten aber feien die Ehafaren, die Ungarn und bie Rufe, 
die in einem fort nach KRonftantinopel fommen, um ſich unte 
nichtigem oder unerbeblihem Borwande geſtickte Gewaͤndet, 
Kronen und andere Zoilettenartikel aus der Laiferlichen Garde 


zubitten.“ So Tautet die 


tobe, oder gar das eh des gricchifchen Feuers an: 


aus dem Drient”, Bb. 2, ©. 403). Nach der Zeit hat fiä 
die Begehrlichkeit und Zudringlichkeit der Nuffen andere Er 
genftände aus dem Welttheater, als geſtickte Gewaͤnder un 
andere Zoilettenartikel, gefucht und gefunden. 3. 





Literarifhe Anzeige. 
Durch alle Buchhandlungen und Poftämter ift zu beziehen: 


| | geitih rift 
hiſtoriſche Theologie. 


In Verbindung mit der von E. F. ZIgen gain 
beten hifterifch«theologifchen Geſellſchaft zu Leipzig heraus 
gegeben von " 


Dr. € W. Niedner. 


Jahrgang 1846. 
Gr. 8. Preis 4 Thlr. 


Inhalt des erften Heftes. 
Die Hiftorifch:theofogiiche Geſellſchaft zu Leipzig, im Ynfany 
des Jahres 1846. — I. Vorlefung ur afaderifihen Gedaͤcht 
nißfeier Luther's an feinem dreihundertjährigen Zodestage am 
18. Feb. 1346 in der, Univerſitaͤts- Aula zu Leipzig. Yan 
Herausgeber. — II. Über einige Denkmäler ber koͤnigl. Ru 
feen zu Berlin von religionsgefchichtlicher Bedeutung. Ein Bar: 
tcag, gehalten im wiſſenſchaftlichen Kunftverein zu Berlin 16. Feb 
1846, von $. Piper. (Mit einer Steindrudtafel.) — 
III. Bictor Coufin über die erfte Periode der Scholaſtik. Dem 
wefentlichen hiſtoriſchen Inhalte nach mitgetheilt von 3. @. 8. 
Engelhardt. — IV. Beiträge zur Gefchichte der dänifchen Kircht 
im Mittelalter, nach ungedruckten Urkunden aus den paͤpſtlichen 
Archiven. Bon H.R. Elaufen. — V. Kirchengeſchichtliche Rit 


e Stelle bei Ballmerayer (‚Fragment 


cellen. Kraftworte aus dem Re ormationdgeitalter. Mitgetheit 


von C. U. Peſch 


Diefe Zeitſchriſt erſcheint jet in meinem Verlage in vierleljühruen 
hGeſten, von denen dns erfie focben ausgegeben wurde. 


Reipstg, im Xuguft 1846. 
SF. A. Brockhaus. 


Vrockhans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterbaltung. 





Montag, 


— Nr, 222, — 


10. Auguft 1846. 





Georg Ehriſtoph Lichtenberg. 
( Bertfetung aus Nr. 221.) 

Zudem Mistrauen, zu der Verſtimmung Lichtenberg’6 
gegen das junge Geſchlecht der Literatur mochte Das beitra- 
gen, daß Lavater, deffen „Phyſiognomik“ ihn fo verbroß 
md herausfoderte, mit der genialen jungen Welt in 
engem Verhaͤltniß ſtand. Wir wollen, um Lichtenberg's 
Berhältnig zu den literariſchen Richtungen feiner Zeit, 
d. h. befonders der fiebziger, auch noch der achtziger 
Jahre, mo er fi) darüber am meiften und lebhafteften 
ausſprach, zu veranſchaulichen, Einiges aus feinen Schrif- 
ten ausheben. In Dem, was hier mitgetheilt wird, be⸗ 
fonders in den literarifchen und äfthetifchen Bemerkungen, 
find nicht fehr viele Urtheile über deutfche Schriftfteller 
und Dichter enthalten, fondern mehr über beutfche Lite⸗ 
ratur und ihren Charakter überhaupt oder einzelne Ar- 
tm; doch fehlen auch jene nicht ganz. Mit dem meiften 
Beifall wird Leffing genannt: mit ihm hatte Kichtenberg 
den lebhaften Sinn für das Theater und beſonders auch 
für die Mimik gemein; und der ſcharfe Verftand, der 

ſchlagende Yusdrud, nur bei Leſſing durch prägnante, 
nadte Kürze ausgezeichnet, bei Lichtenberg durch einklei- 
denden Wiß noch verflärkt, deutet auf eine nahe Geiſtes⸗ 
verwandtihaft; von Leffing, und ebenfo von Möfer, wird 
gerühmt, dag er feiner verfteddenden Hüllen bedürfe, daß 
er die Entkleidung vertragen könne; während felbft Wie⸗ 
land und Goethe doch „ganz andere Menfchen gewefen, 
ehe der Eine fi in Farcen, der Andere in Mercurab- 
bandlungen entkleidete. &onft aber wird der von Lef- 
fing fo ſehr verfchiedene Wieland ungemein gelobt, — 
was er ohne Zweifel. feiner Satire und feinem welt 
mönnifhen Zone, forie feiner glücklichen Analyſe der 
Empfindungen zu danken hat. Er ift ein großer Mann, 
und Lichtenberg wundert fi) nur, daß er fih für „Aga⸗ 
thon intereffirt und jede feiner Alltagsempfindungen Durch 
fo feine Theorien zu adeln gefucht habe; er fagt: Wie- 
fand habe zuerft die Sprache für die unausfprechlichen 
Erſcheinungen der Liebe gefunden, und fpreche Empfin- 
dungen fo aus, daß fie augenblidtich wieber Empfindun- 
gen werden, und ftellt „Oberon” dem Höchften glei. Ne: 
ben ihm werden Gleim, Sacobi und Thünmel gelobt. 
Borthe wird felten genannt; mit „Werther ift Kichtenberg 
gar nicht zufrieden, und fagt darüber: „Die fchönfte 


Stelle im „Werther ift die, wo er den Haſenfuß er- 
ſchießt.“ Schiller's Namen fanden wir nicht; dagegen 
ift von Herder, aber nicht mit großer Gunft, die Rede; 
Mägbde, welche fih über die Literatur fehrauben, erwäh- 
nen feiner Abhandlung über den Urfprung der Sprache, 
und unverkennbar ift er in folgender Stelle gemeint: 

Das Stümpern in böhern Wiflenfchaften ift, wenn es mit 
einigem Witz und einer gewiſſen Duplicität de Ausdrucks ge 
ſchieht, Dad, was niedere @laflen für hohe Weisheit halten; 
der Dann, der von dem Rache ift, worin hier geftumpert wird, 
lächelt über die Thorheit. Herder in feinen „Ideen zur Phi⸗ 
lofophie der Geſchichte der Menfchheit” ift ein Stuͤmper an 
vielen Stellen. 

Klopftod und dem „Meſſias“, der religiöfen epifchen 
Poeſie überhaupt, ift er nicht hold: 

Sowie wir eine „Meffiade” und ein „Berlorenes Para⸗ 


"dies" haben, wo alles Goͤttliche menfchlich zugeht, fo koͤnnte 


ein Bauer eine „Henriade“ fchreiben, wo Alles, wie in feinem 
Dorfe, nur idealifirt vorginge; 

und ebenfo wenig der Barben- und Druiden » Poefie, 
welche ihm mit der Schmärmerei und mit ber Sucht 
der Driginalgenied zufammenhing. Über dieſe läßt er 
ſich bei jeder Gelegenheit mit bitterm Ingrimm und 
Verdruß aus. So fchrieb er: „Parakletor, oder Troft- 
gründe für die ‚Unglüdlichen, die feine Originalgenies 
find”, worin er über die vermeintlichen Originale fpet- 
tet, welche fluchen und ſchimpfen wie Shaffpeare, leiern 
wie Sterne, fengen und brennen wie Swift, oder pofaunen 
wie Pindar, welche Lieder und Romanzen fingen, die «6 
mehr Mühe Loftet zu verftehen als zu machen. Nament- 
lich fegt er fie gern Shakſpeare entgegen, auf ben fie 
pochten, der aber nicht auf Dffenbarungen gepaßt habe, 
fondern ftudirt, — London nämlid (denn in England 
thue das Genie nicht Alles, wie in Deutfchland); er 
Magt, daß es 

wimmle von geniefüchtigen Driginallöpfen, wie fie fi nennen, 
die ihr Halb» Ausgedachtes Halb gefagt bei jeder Gelegenheit 
darbieten, ihren jungen fhwärmerifchen Anbetern zum Wonne⸗ 
gefühl, allein dem eigentlihen Denker, dem ihr Schwal von 
Sötterprofa nicht ein Körnchen Nahrung zuführe, zum Abſcheu. 

Bon ber fchönen, von der poetifchen Literatur der 
Deutfchen fpricht Lichtenberg häufig mit auffallender Ge- 
tingfhägung: 

Alles, was unfere Schriftfteller noch zu fhildern vermögen, 
ift etwas Liebes und auch diefe wiſſen fie nicht in die etwas 
entfernten Berrichtungen des menſchlichen Lebens zu verfol- 
gen... Das Studium der Raturgefchieste if nun in Deutih- 


838 


Die Perfonen der Tragodie find: Gott der Bater, Eva, 
Abel, Seth, Kain, Adam, Jeuffel. Mehre Töchter Adam's 
werden zwar im Spiele felbft eingeführt, ohne daß ihnen jedoch 
der Dichter beftimmte Worte in den Mund legte. Den Anfang 
macht ein „Prologus”, in welchem der Swed des Dramas ent« 
widelt, und ein „Argument oder inhalt”, in welchem nad da⸗ 
mals gebräuchliher Sitte der Dichter erzählt, was in dem 
Drama vorfommen fol. 

Im erften Act erfcheint Gott der Vater mit feinen En» 
gen; er will fehen, was die Menſchen, „das allerlichft gefhöpff 
mein”, und ihre Kinder freiben; e8 dauert ihn, daß fle in Folge 
des Gündenfalles in fo ſchlimme Lage gerathen freien; er will 
fie tröften. va fieht von ungefähr aus dem Fenfter und wird 
gewahr, daß der Herr kommt. Sie erfchridt, weil fie noch 
nicht alle Kinder gervafchen hat, und heißt Kain und die uͤbri⸗ 

en, welche noch nicht gereinigt waren, fih in das Stroh ver» 
edlen; zu den andern, welche ſchon gepugt find, fagt fie: 
Ir aber, welch ich gwaſſchn hab rein, 
Sollen wol yüdtig ſtehn vnd fein, 
Den HErren grüßen züctiglich, 
Reichen ewer hand feuberlic. 
Den bel insbefondere ermahnt fie, zum Herrn zu gehen, ihn 
w grüßen und feine Lehre wohl zu merken. Darauf geht fie 
ott entgegen und beißt ihn willkommen, ihre Freude daruͤber 
ausſprechend, daß Gottes Majeftät ſich herablaſſe, zu ihnen 
Derabaufeiaen. Gott verfpricht ihr, daß er ſtets ein gnädiger 
ott fein und ihnen in ihrem Elend allen Troſt gemähren 
würde, worauf Abel und Seth kommen und den Herrn grüßen. 
„Daffelbige fagten auch die andern ſchweſter“, fügt der Dichter 
erzäblend Hinzu. Gott freut fih über der Kinder Froͤmmig⸗ 
Leit und lobt die „ua ſchön“, daß fie ihre Kinder nicht blos 
am Leib geziert, fondern fie auch in „zucht und ehr“ auferzo: 
en babe. Das fei aber nur der Anfang; nun müffe fie die: 
eben auch lehren, daß fie zu Gottes Erkenntniß vornaͤmlich 
geboren und ausermwählt feien, fein Wort in der Welt zu pre: 
digen; fle ſolle denfelben fagen, was der Tod fei und was Die 
rommen und die Böfen im Pünftigen Leben zu erwarten hät: 
En Eva verfpriht, Dies thun zu wollen, und fügt binzu, 
fie gedenke ihres „grauſamen“ alles und erkenne bie Gnade, 
die Gott den Menſchen ohne ihr WVerdienft trogdem angedeihen 
laſſe. Deshalb bemühten fie fi, ihre Kinder zu frommen 
und gerechten Menfchen zu erziehen, damit fie Gott nicht er 
zürnten. Sie wife wohl, welche große Pein und Roth bie 
Kinder tre würde, wenn fie von ihm abfielen. Deshalb gü» 
ben fie fi alle Mühe, die Kinder mit Gott bekannt zu ma: 
hen, ihnen zu zeigen, was Gott haben wolle und daß es das 
ewige Leben gelte. Aber, fährt Eva fort (®. 317—324), 
Abr lieber Bott, woͤl felber fie 
Graminirn, fo börftu, wie 
Bad was fie nu gelernet han, 
Auff das du fie Eönft auff die ban 
Mit deine heilgen Wortes geift 
Bringn, vnterweifen allermeift, 
So etwas ift, welchs fie nicht recht 
Gelernt habn, oder vergeffen ſchlecht. 
Run ruft Gott Abel herbei und heißt ihn, feines „glaubens 
artidel”' herfagen. Abel gehorcht und erwähnt in 131 Verſen 
329 —520) die wicdhtigften Punkte des Katechismus. Ich glaube, 
agt er, daB Gott allmächtig, weife, fromm und gerecht ift, 
und daB er die ganze Welt erfchaffen, daß er alle feine Werke 
wunderbar geordnet, den Lauf des Himmels, ſowie die Verän: 
derung der Zeiten und Jahre beftimmt und den Kräutern ihre 
Kraft gegeben habe, damit dies Alles bezeuge, daß die Welt 
nicht von fich ſelbſt entftanden fei. Den Menfchen habe Gott 
Muth und Sinn gegeben, damit fie ihn verftünden und bag in 
ihrem Gemüthe wie in einem feinen Bilde die Erkenntniß Got⸗ 
tes ſei. Auch Habe er den Menfchen Verftand gegeben, weldyer 
ihnen angeige, was er haben wolle und welche Werke ihm wohl⸗ 
gefällig feien und welche er nicht leiden wolle. Vorzeiten babe 


Gott feinen Ültern ein Gebot gegegeben , ihrem Gchöpfer ge 
Ds zu Ks ; wenn fe u de — ſo Büren die 

nigen nt em To eben fein un ihre 
Sünden wären von ihnen gewichen. Aber der Teufel, no 
von Herzen bafle, habe, um Gottes Werke zu Schanden zu 
machen, die Altern betrogen und fie in große Noch gebract, 
fie mie folfhem Math verbiendet, daB fie vergeflen, was fe 
Sott ſchuldig feien und ihn dadurch erzümt hätten. Gott habe 
die Menfchen nicht fündbaft geſchaffen, fondern die Sünde fü 
durch des Teufels Rath, durch des Menfchen Willen und bil 
That in die Welt gefommen, woraus der Tod erfolgt fei. Deqh 
habe Gott das Menſchengeſchlecht nicht ganz verderben wollen, 
bamit auf Erden Leute wären, die ihn lobten und liebten. E 


babe daher der Mutter mit einem Eid gelobet, er wol iht 


„ein famen geben’, durch welchen wir felig werden follten, und 
um deſſen willen er den Menſchen gnädig fein, fie erhören, dır 
ewigen Seligfeit theilhaftig machen, ihnen einen Maren Be: 
ftand, Gerechtigkeit und Weisheit verleihen wollen. Die Schlange 
aber haſſe diefen Helden, werde ihn in die Ferſe beißen m) 
alle feine Anhänger graufam zerfleifhen. Indeß der Held werte 
der Schlange Haupt zertreten, denn in dem Samen werten 
götttige und menfihlice Katur vereinigt fein; er werde dem 

od flürzen und feinen Keind, die Schlänge, in unausſptehh 
lihe Plage und Pein verwerfen. 

Er glaube ferner, daß die Opfer, welche der Vater Bett 
bringe, ein Bild des Samens feien, welcher fi auch für die 
Menichen opfern und Bott verfühnen würde. Denn Gott würt: 
ihnen gnädig fein, wenn fie glaubten, daß er ihnen nicht di 
Opfers wegen, fondern um des Samens willen verzeihe. In 
obgleich der Tod und anderes Unglüd bei dem ſterblichen Kür: 
per verbliebe, fo werde doch ein neues Leben bei Denen begin: 
nen, bie ihr Zeben lang an Gott glauben und durd Chrifm 
gehorfam find, der am Ende kommen werde, alle Belt zu 
richten, die Gläubigen zu belohnen, Die aber zum Feuer un 
zu ewiger Pein zu verbammen, die Den Samen fepmähen und 


verachten. Er glaube, es feien alle Menſchen berufen, N 


Wunder Gottes gu feiner Ehre außzubreiten, damit Gottes 
Ehre, Zorn und Gnade immer mehr befannt, gefürdtet un. 
hoch gepriefen würden und die Menfchen in den Himmel Bi: 
men, welche fih durd Beine Gefahr von Gott abwendig ma 
chen Laffen follen. Denn immer werde Gottes Reid Verkün⸗ 
diger haben, wenn ſich auch der Teufel noch fo fehr dawider 
feßte; denn Gott würde den Frommen im Kampfe beiftehen. 
Deshalb rufe er diefen Gott an, der uns um bes Samen⸗ 
willen die Seligkeit verbeißen habe; et fürchte ihn, bete zu ihn 
und bitte ihn, daß er fein Auge auf ihn wende, ihm gnädi 
ei, ihn auf der guten Bahn behalte. Cr glaube aud, d 
ein Gebet um des Samens willen, welcher allein Gottes Zert 
illen önne, erhört werde. Auch bitte er zu Gott, derſelbe 
wolle unter den Menſchen die rechte Erfenntniß erhalten un 
mehren. Und, fließt er: 

Vnd dieweil er und bad lebn gibt, 

Setreid, Eorn, kleider und alled mit, 

Bit ih, daß er und hinfuͤrder wil 

Erhalten, gebn gut, nicht zu viel, 

Grhaltn mein gfunden und jungen leib, 

Mein Stern und all man vnd weib, 

Kür all mein lieben Eltern fehr, 

Auff dab und nicht gebrech an lehr, 

Auff daß fie und Regiren thun 

Und lernen Gottes forchte nun. 

Bit aub, bad er mein brüder all 

Vnd meine ſchweſtern allyumal 

Regiren wil, auff dad fie recht 

Gottfuͤrchtig leben, from vnd ſchlecht, 

Bu Gottes lob vnd feinem preis, 

Zu ehr dem globten ſamen weis. 


(Der Beſchluß folgt.) 


Berantwortliger Herausgeber: Heinrich Brockzand. — Drud und Werlag von F. BF. Wrodhaus in Reipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 


11. Auguft 1846, 





(Bortfetung aus Nr: 222.) 


Das Angeführte genügt, um Lichtenberg’s Urtheil 
und Stimmung über die beutfche fchöne Literatur feiner 
Zeit und zugleich feinen Geſchmack überhaupt im Allge⸗ 
meinen zu erkennen. Es zeige fi in Allem ein fehr 
fHarfer und klarer Verftand, ein ſelbſtgebildetes, unbe 
ſtechliches Urtheil, ein gereiftes Nachdenken und eine 
große Gonfequenz; aber im Ganzen ift doch feine An- 
fiht, fein Geſchmack nicht ganz befriedigend, nicht frei 
genug. Zwanzig oder breißig Jahre früher hätte er mit 
feiner Geringſchaͤzung der deutfchen Literatur noch eher 
Recht gehabt (Daffelbe gilt auch von der berühmten 
Schrift Friedrich's des Großen über die deutfche Litera- 
tur); aber daß er fo urtheilen konnte in den Jahrzehn- 
den, wo die deutſche Poefie und Literatur ihren ſchön⸗ 
fen Aufihwung nahm, beweift: daß er fie entweder 
großentheild ignorirte ober dag ihm der eigenthümliche 
Einn fehlte, um ihre Vorzüge zu faffen; und man wird 
behaupten dürfen, daß Beides theilmeife der Fall war. 
Sein Mistrauen gegen fie gefteht Lichtenberg felbft zu, 
und mit den Jahren mag dieſes noch geftiegen fein; zu- 
mal da die urfprüngliche Verftimmung gegen die Schmwär- 
merei, gegen die Geniefucht, die ihm noch lange in ber 
deutſchen Literatur fortzugähten ſcheinen mußte, fehwer- 
lich mehr ganz in ihm überwunden werben konnte. Das 
volige Ignoriren Schillers ift in diefer Hinſicht charak⸗ 
teriſtiſch. Aber auch der höhere Sinn für das Poetifche 
fehlte ihm zum Theil. Das Größte freilich in ber 
Pocfie, Homer und Shakfpeare, wußte er fehr gut zu 
ſchäten; ja, er glaubte diefe Dichter beffer zu verftehen, 
rhtiger zu würbigen als die Meiften; er befaß einen 
gefunden Geſchmack für das Wahre, das Verftändige, das 
Große, und durfte fich bdeffen wohl rühmen gegenüber 
känflihen und ſchwaͤchlichen Schöngeiftern, welche wie 
Hmetterlinge nur an den Arabestenblumen, den leich⸗ 
en Blüten der Poeſie nafchten und fich beraufchten; 
© war auch nichts weniger als gleichgültig gegen bie 
Khöne Form, fondern legte auf fie, auf gedrängte und 
ooncife Sprache einen hohen Werth: aber bie Regionen 
der Phantafie, des Derzens, des Gemüthes waren ihm 
nicht ebenſo zugänglidy und heimiſch; und bei einer nicht 


in dem Grabe realiftifhen und verfländigen Poefie, wie 
er fie wünfchte, witterte er fogleich Schwaͤrmerei, klagte 
über leere Enpfindfamteit, Hohlheit, Unmännlichkeit. 

Unfere bramatifhen Dichter und Romanfcpreiber erzählen 
und Nichts als Empfindungebezeugungen. Deswegen haſſen 
wir die Geſellſchaft ihrer Helden, wie die von Schulfnaben. 

Für einen fo pofitiven und praktiſchen Geiſt wie 
Lichtenberg war nicht nur die phantaftifhe Poefie (ohne 
Beimifhung von Satire und Humor), fondern eigent- 
lich auch die Igrifche Poeſie unſchmackhaft: er erkannte 
darin nur ein willkürliches und nuglofes Sichentfer- 
nen von der Naturwahrheit, Ideenarmuth, ein müßiges 
Spiel leerer Köpfe. Das Epos und das Drama, leben 
dige Darftellungen von Charakteren, von Thaten und 
Ereigniffen der Wirklichkeit, waren für ihn; und je mehr 
veales Leben und Berftand ihm darin begegneten, befto 
mehr bewunberte er fi. Damit war er allerdings da⸗ 
vor gefihert, je etwas Keeres und Nichtiges zu loben; 
aber ohne Zweifel überfchägte er oft jene Eigenfchaften 
und verkannte andere poetifche Tugenden. Wie unge 
bührlich Hoch ſtellt er Fielding's „Tom Jones“ und wie 
ungebührlic, geringfchägig fpricht er von Goethe's „Wer 
ther“! Sophofles und Afchylos haben wir bei ihm nicht 
erwähnt gefunden; wir zweifeln ob ihm biefe hohe, ideale 
Poeſie zugefagt Hätte; aber der Satiriker Horaz, der 
feine, verftändige Hof- und Weltmann, war ein Lieb⸗ 
Iingedichter von ihm. Von dem englifchen Dichter Pope, 
dem Verfaſſer eines Lehrgedichts und fatirifcher Gedichte, 
bat er die Lebensbefchreibung nach Sam. Zohnfon gegeben 
und ihn höchlich gepriefen. Philoſophiſche Lehrgedichte 
wünfchte er auch von Deutfchen verfucht. Damit mehr 
Stoff in die Literatur käme, follten Gelehrte ſich mehr 
darauf legen, Empfindungen und Beobachtungen zu Buche 
zu bringen. Mit einem Worte, ben Einfluß der Er- 
fahrung und Beobachtung des Lebens auf die Literatur 
findet er mit Recht viel bedeutender bei ben Englaͤn⸗ 
bern, welche er nach feinem Weſen weit den Deutfchen 
vorziehen muß, weil fie mit gefunderm realiftiihem Sinn 
die Dlitte treffen zwifchen pebantifchem Bücerwiffen und 
Schulgelehrſamkeit und fentimentaler oder geniefüchtiger 
Überfchwänglichkeit. 

Wir geben jegt zu Lichtenberg’6 eigenem Charakter 
als Autor und, fo weit es nöthig iſt, ale Menfch über, 


290 ü ’ 
% 


eboch im Bieherigen ſchon deutlich auege 
355 ſ80 jeber Se Ein ſcharfer Beobachter, 
bat Lichtenberg biefe Babe auch in Bezug auf feine ei» 
gene Perfon bewährt, und den „Charakter einer mir be⸗ 


annten Perſon“ geſchildert, woraus wir einige Züge. 


ausheben: n 
Ihr Körper ift fo beſchaffen, dag ihn auch eim ſchlechter 
Zeichner im Dunkeln beſſer zeichnen würde; und fände es in 
ihrem Bermögen, ihn zu ändern, fo würde fie manchen Thei⸗ 
Ien weniger Relief geben ... Er bat die Babe, ſich gefunde 
Tage zu Nutze zu Marken, in einem Hohen Grade. Beine 
Einbiſdungskraft, feine treuefte Gefährtin, verläßt ihn albdann 
nie. Geliebt bat er nur ein oder zweimal; dad eine Mal 
nicht unglüdlih, das andere Mal aber glüdlih. Er gewann 
5108 Munterkeit und Leichtſinn ein gute Herz... Bon 
der Religion hat er ale Knabe fchon fehr frei gedacht, nie 
aber eine Ehre darin gefucht, ein Freigeiſt zu fein, ep wenig 
sis darin, Alles ohne Ausnahme zu glauben Gr kann mit 
Inbrunft beten, und bat den Wften Pfalın nie ohne ein erha> 
benes, unbefchreibliche® Gefühl Lefen Fonnen. Kür Aifembleen 
find fein Körper und feine Kleider felten gut, und feine Geſin⸗ 
nungen felten . . . genug gewefer ... Leſen und Schreiben ift 
für ihn fo nöthig als Eifen und Trinken. An den Tod denkt 
er fehr oft und nie mit eu; er wünft, daß er nur Al 
led mit fo vieler Gelaffenheit denken könnte, und bofft, few 
Schöpfer werde bereinft fanft ein Leben von ihm abfodern, von 
dem er zwar Pein allzu öfonomifcher, aber doch Bein ee 
Befiger war ... &...n, deflen vortreffliches Herz immer für 
die menfchliche Ratur einen gehörigen Rabatt rechnet, würde 
zu vertbeilbeft von mir urtbeilen: und ich wollte, Jeder: 
mann daächte von mir fowie er, fo würde ich, ohne be 
wundert zu fein, bon Jedermann hochgeſchätzt werden ... 
Schon in meinem achten Sabre wurde ich tur des Glafers 
®.... Knaben auf die NWorftelung von ber Seelenwande⸗ 
vung geleitet ... Mein Glaube an die Kraͤftigkeit des Gebets; 
mein Überglaube in vielen Städen; Knieen, Anrühren der 
Bibel und Küffen derfelben; guide Anbetung meiner heili⸗ 
gen Mutter; Unbetung der Geifter, die um mich fehwebten.... 
thun mir viele Sachen we, die Uindern nur leid tdun... 
Sqh wuͤnſchte, ich wäre in meinen Bemühungen, daB menfchliche 
Gerz Eennen zu lernen, minder glücklich gewefen. ... Ich babe 
die Hypecondrie fubirt, mid) fo recht .darauf gelegt. Meine 
ypochondrie ift eigentlich eine Wertigkeit, aus jedem Vorfalle 
es Lebens Die groͤßtbeliche Quantität Gift zu eigenem Ge: 
Brauche auszufaugen ..... Giner der merfwürdigften Rüge in 
meinem Gharakter ift gewiß des feltfame Aberglaube, womit 
ich aus jeder Sache eine Borbedeutung ziehe und in Ginem 
e hundert Dinge zum Orakel u —* Kriechen eines 
nſekts dient mir zur Antwort auf eine Frage über mein 
ckfal. Iſt Das nicht fonderbar von einem Profeffor der 
PEMER...... Ich ſehe die ganze Welt als eine Rafchine m, 
bie da ift, um mich mein en nn meine —— u * 
dali ‚geeife au laffen. Ein ogiſher Egoift! 
rs ift ein } F auriger Zuſtand. a —5— iſt in 
on zur andern Ratur .. Sc war zuweilen nicht 
26. eh Meine 





—— wurde 
ſchriftli 





w es 
Bean | be 
Amer fühle, was Jumeilen der Fa if, 28 Ge ri zu 
5 ——— 
areen meinen Schipfer maochte mich naeh. ruhiger. DI Mer fa. 


Abtei) vom vollen Monde erte 


fterben Eönnte!... Ich finde faft gar Peine , 
als dur meinen eigenen Kopf, der immer beſchaͤ igt iR. 34 
merke ſehr wohl, daß mich Geſellſchaft aufheitert; ich vergefe 
mich da, oder vielmehr mein Kopf empfängt, ftatt zu fdhaffen, 
und ruht Daher . . . 2. war im Derzen gut, nur bat er fih 
Richt immer die Mühe genommen, es zu ſcheinen. Mein groͤp 
ter Fehler, der Grund von allem meinem Verdruß. Cine da 
fultorifche Lecture ift jedergeit mein größte® Vergnuͤgen dene 
fen .... Wenn nur der Scheidepunkt erſt überfchritten ware! 
Mein Gott! wie verlangt mich nach dem Augenblick, wo bie 
Beit für mich aufhören wird, Zeit zu fein: wo mid) der Schoos 

ed mi en und Ri en wird, in dem ih 
damals fchlief, als der Haynberg angefpült wurde; als Eyikur, 
Cäfar, Lurrez febten und fchrieben, und Spinoza den größten 
Gedanken dachte, der noch in eined Menſchen Kopf gekommen 
ft... Dim ift nie icher, als wenn uns ein ſtarket Ge 
fühl beftimmt, nur in diefer Welt zu leben. Mein Un 
glüd ift, nie in diefer, fondern in einer Menge von mög: 
hen Ketten und Berbindungen zu eriftiren, die ſich mem 
Hhantafie, unterftügt von meinem Bewiffen, fdaflt... 36 


Bann den Gedanken nicht los werden, daß ich geftorben mar 


ehe ih geboren wurde und durch den Tod wieder in jenen du: 
ſtand zurüdlehre . - . Sch habe oft ſtundenlang allerlei Pen 
tafien nachgebängt, in Seiten, we man mi fir ſehr beidäf: 
tigt hielt. Ohne dieſe Phantafiensur wäre ich nicht fo alt 
geworden. 

Diefe von Kichtenberg ſelbſt aufgezeichneten Zug 
deuten auf eine ganz eigenfhümliche geiftige Organiſa— 
tion Hin, und Derfenige würde ihn ganz falſch auf 
faffen, der ihn, als einen Satiriker, aus einem em 
nenten Verftande, aus einer fcharfen Beobadtungk 


gabe für die Schwächen und Thorheiten der Menſchen 


und einer „gehörigen Dofis von Bosheit confluirea 
wollte. Won Bosheit und Schadenfreude ſcheint kich⸗ 
tenberg gerade, als Menſch, ganz frei umd vielmehr fehr 
wohlmollend, menfchenfreundlih und aufrichtig gemein 
zu fein. Cr befaß ein Iebhaftes und flarfes Gefühl 
für das Nechte und Gute, wie für das Schöne und 
Wahre; er war aber auch ber tiefften Empfindungen 
fähig, beim Sonnenaufgang 3. B., wo er oft Thräne 
weinend nieberfniete und fein Herz die ihm theuerſten 
Weſen umfaßte. Er fpricht von dem Eindruck, den auf 
ihn die Worte: „Che deun bie Berge wurden, und dit 
Welt gefchaffen worden, biſt du‘ Bott von Ewigkeit zu 
Ewigkeit“, die ex fich ſelbſt vorfagte, in der Weſtminſter 
Abtei machten: 

Über mir die feierlichen Gewölbe, wo der Tag immer in 
einer Heiligen Dänmmerung trauert; unter mir die Refte zum 
—— — Pracht, der Staub der Koͤnige; und um 
her Arophaͤen des Aodes! 


Er Hänge in London beim Mondfihein in der Kar 
lichteit des Abends feinen Liehlingsbefchäftigungen mil 
wollüfliger Schwermuth nad; er hört von einer Or 
ben: -vortrefffihen Choral fpiefen, ſodaß ihn ein unit 
ſchreiblich andächtiger Schauer überläuft; und er ſchließt: 

Bor mir lag das majeftätifche Gebäude (die Meftminfter 
uchtet; es war Abend vor Oſtern 
hier zu Diefem Wenfter flieg Karl hinaus, um bie vergängliät 
Krone mit der unvergänglichen zu vertaufgen! — Gott, med 
ift weltliche Größe! 

Durchaus nicht Beichtfertigkeit, Boewilligkeit, Frivoli⸗ 
tät war es alſo, was ber Satire, dem Wig und Pr 


1 


mer Lichtenberg’ zu Grunde lag; wol aber mochte ihm 
eine duchdringende Menſchenkenntniß viele Illuſionen, 
bie der gutmüthige Optimift fein Lebelang hegt, zerſtört, 
iha mißtrauiſch und vorfidgtig gemacht Haben; und das 
im ihm llegende, bei manchen Veranlaffungen hervorktre⸗ 
tende tiefe Gefühl warb für gewoͤhnlich uͤberwogen durch 
eine verfländige Nüchternbeit, bie ihm theils natürlich, 
theils auch für feine reisbare und ſchwaͤchliche Organifa- 
ten beilfam war, weil fie weniges bie Kräfte verzehrte. 
Geoßer, raſcher Berfiund und treffende Beobachtungs⸗ 
gabe waren allerdings die hervorſtechenden Züge ſeiner 
Ratur; aber bemerkenswerth iſt, daß er dabei doch weit 
mehr ein innerlicher als ein auf das Außere gerich⸗ 
teter Menſch war, wie man von einem ſatiriſchen Schrift⸗ 
fieller voraussnfegen verfucht fein könnte. So gefund 
größtentheils Pichtenberg’®_ Anfichten, fo kraͤftig und 
männlich fie ausgeſprochen find, dürfen fie doch nicht 
geradezu als bervorfprudelnd aus der Quelle eines aus⸗ 
achmend klaren "und fiharfen Verſtandes und eines den 
Beſther beglückenden Wiges betrachtet merden. Ohne 
Zweifel fiel Die Production derfelben dem feinorganifir- 
ten Manne nicht immer fo leicht: oft mochten ihn die 
Meinungen, die Handlungen, die Schriften und Abſich⸗ 
ten Anderer Herb verlegen, verflimmen, reisen, ehe er 
duch die Reaction feines Witzes dazu fam, mit Spott 
und Satire dagegen aufzutreten; und was der freie Er⸗ 
gaß der heiterſten Laune fchien, war wol nicht felten 
dem trüben Mismuth eines tief bupochondrifehen, aus 
aben Dingen Gift für fich felbft faugenden @eiftes ab- 
gerungen. Meiſt fchrieb er über Dinge, die Ihm fehr 
am Herzen lagen, und ber Brund von Ernſt verleugnet 
ſich felten Dabei; wodurch freilich, was er fchrieb, um fo 
mehr Werth Bekam. Hauptſachlich darf hier an feine 
Chriften über und gegen Phyfiognomik erinnert werben, 
we unter der glücklichen fcherzhaften Behandlung ebenfo 
feht der wiffenfchaftliche Unmille über ein unwiffenſchaft⸗ 
liches Irriben als die moralifche Gereizheit und Ent-« 
räflung über ein Beginnen hervorleuchtet, das angeblich, 
die Beförderung ber Menfchenliebe beabfichtigte, in ber 

Faber zux größten Ungerechtigkeit Anlaß gab. Ge- 


wis waren häufig Lichtenberg’6 anſcheinend heiterfte, | 


glanzende migige Einfälle urſprimglich trübe, abe 
duch feinen fcharfen Berftand, durch Nachdenken, Hin 
und Herwenden, und eine treffende Sprache geläuferte 
Gindrüde; oder «6 wurbe Das, was er als ganz unbe 


Yeilgter Beobadyter autzuſprechen ſchien, gefcharft Dec | worenf Gott isr 


aus ihrem Verſteck im Stroh berbeisurufen, um auch diefe an- 


ein geheimes Gefühl des Mangels, ber Unzufriedenheit 
mit ſich ſelbſft. So ſchildert er z. B. mit größter Be⸗ 
wunderung Garricks Spiel und leitet deſſen Vortreff⸗ 
lichteit zum Theil vom feinen körperlichen Borzägen ab: 


Seine Gliedrnu das gefälligfte Ebenmaß und d 
ganze Aım " u oe ln beifammen. Es if | 


@ ihm krin dem geübteften Auge fichtbared Gebrechen, weder 
m den Theilen, noch in der Bufenmmenfegung, noch in der Be: 
wegung. In der Legtern bemerkt man mit Gntzüden immer 
den reichen Borrath vom Kraft. Man fühlt fich ſelbſt Leicht 
m wohl, wenn man bie Stärke und Sicherheit in feinen Be: 


maungen ſieht, und wie afigegenwärtig er im den, Muskeln 


| ordentlich” geantwortet Hätten. 


| altwiffend gehalten habe. 


andern Loͤchter 





feines Körpers ſcheint. In feinem Geſichte fisht Jedermann, 
ohne viel phyfisgnomifches Raffinement, den glüdlichen ſchoͤnen 
Geiſt auf der peitern firn, und den wachlamen Beobachter 
un ge Kopf in dem ſchnellen, funkeinden und oft fchalf: 

Und von ber Tänzerin Bacelli fehreibt er: 

Was das für ein Vergnügen ift, zu fehen, wie auf das 
Signal einer bezaubernden Mufik fh das Gewuͤhl figuricender 
Zuftfpringer wie eine ce bricht, um dieſe iunge Venus zu 
einem Solo hervorſchweben zu laflen, — wenn man Das Seio 
nennen kann, wo taufend Herzen mithüpfen. 

Ganz gewiß fprieht bier der geübte, glüdliche Be⸗ 
obachter, mit offenftem Sinn für fhöne Formen begabt; 
aber gewiß mußte bei ihm dies Vergnügen an der fchd- 
nen Drganifation Anderer, an ihrer Kraft und Fülle, 
zuerſt von einem ſchmerzlichen Gefühl des ihm in biefer 
Beziehung Verſagten begleitet fein, und mußte erſt bies 
Gefühl übermeiftern und nieberfämpfen, ehe es ganz 
rein und unvergällt in ihm waltete und fich ausfprad. 
Minder geiftesträftige und minder edle Naturen würden 
fih dagegen leicht von dem Anbli folder Schönheit 
und Bolltonmenheit mit bitterm Neid und Verdruß ab- 
gewendet ober ihnen boch nicht den Tribut der entzück⸗ 
ten Bewunderung dargebracht haben. 

. (Die Zortſedung folgt.) 


Hand Sahfen ungleide Kinder Ev und 
eine frühere Bearbeitung des Stoffes. 
(Beſchluß aus Mr. 292.) 


Wir haben Abel's Rebe fo ausführlich mitgstheilt, damit 
man die Überzeugung gewinne, daß die Erzählung Melanchtkon's 
fo zu fagen wörtlig mit der Erzählung unfers Dichters über: 
einttimmt, fobaß Eine den Andern nothwendig gekannt 
haben muß. Es läßt’ ſich aber wol ah annehmen, doch Eno 
flinus Meianchthon's Brief an den Grafen von Wied zu Grunde 
gelegt habe, da er fi fonft gemiß auf ihn berufen, ba er, dee 
arme unbetannte Student, gewiß ſchon durch den Ramen bed 
hochverehrten Mannes feinem Gedicht Bedeutung zu geben ges 
fucht Haben würde. el eher laͤßt fich voraus ſezen, daß ke: 
lanchthon den Namen des unbedeutenden Studenten als unwer 
fentlich verfhwiegen be. 

Bir gehen zur weitern Gntwicdelmg bes Ganges ber 
ZTragodie zurüd, wollen und hierbei aber nur anf die wich⸗ 
tigften Momente befchränten. 

Nachdem Abel vollendet, ruft Gott den Geth auf, wit: 
cher in Bürzerer Rede den Inhalt des von bel Gefagten vier 
derholt, woranf Gott die beiden Knaben tobt, daß fie fo „fein 

h * vezmahnt jr num, auf dem 

ten e zu beharsen und ihren Altern geborfem zu fern. 
dus 5* wwied gelobt, daß fie ihre Kinder fo gut —2— 
befiehlt, den Kain und bie andern Toͤchter 





ören, wobei er ihre Vorwürfe macht, daB fie ihn nicht für 
* Eva heißt nen Mn —* den 
Kain holen und entſchuldigt ſich bei Gott, daß fie ihn und 
die Undern verftedt Habe: fir feien nicht gewaſchen geweſen, 
daher fie nicht gewagt babe, fie vor Gottes Un treten 
zu laſſen. Gott möge ihr aber ihre Sünde vorzeigen, fie wolle 
Fünftighin gläubiger fein. Unterdeflen waren Kain und bie 
mmen. „Cain gehet hinzu, ftehet wie ein 


vnflat, grüffet Gott nicht, fpricht Sein wort, ſihet grewlich 


| und bengt im das har vol ſtro.“ Auf Gottes Geheiß fagt er 


nun aud feinen Glauben her, der aber ſehr gottlos ausfällt. 


Cr fagt: 





— 


Ich glaub, das ein Gott fen, der hat 
AUmechtig gwalt wol fruͤ vnd ſpat, 
Gin Sqhoͤpffer dieſer groffen welt, 
Der als erhelt, wies im gfelt. 

Ich halt, das man in ehren fol 
Dit opffer, darumb er auch wol 
Gebdeien vnſerm ader gibt. 

Aber ob wir von jm geliebt 

Derdn ober nicht, ob er mit icht 
VBnſer Gebet erhoͤrt oder nicht, 

Ob er bie fünb auch mir vergeb, 
Dieweil ih hie auff erben leb, 

Da zweiunel ih an gantz vab gar; 
Vnd fürdber, 06 es auch ſey war, 
Dos man mir fagt vom Ewign lebn 
Im Bimelreih vnd freud baneben, 
Wil ich wol ſehn, wenn ich von hin 
Aus dieſem leben ſcheiben bin. 

Ich halt abr, dad man zuͤchtig wol 
Des gmeinen friedes halben fol 
Leben auff erden, dad müg fein 
Eindracht, frieb vntern Ieuten fein. 


Über dieſe gottlofen Reden erzürnt Gott und ermahnt Kain, 
fi zu beſſern. „Weil ihr”, fagt er, „berufen feid, des Men- 
ſchengeſchlechts Bäter zu fein, fo folltet ihr auch mit gutem Beiſpiel 
vorangehen.” Die Schlange würde den Kindern noch weher 
thun, als fie bereit den Altern getbans aber Denen, die an 
ihn und fein Wort glaubten, würde der verheißene Held Schlange 
und Tod überwinden helfen. Und da er wolle, daß das menſch⸗ 
liche Sefchleht nad feinem Worte regiert werden folle, wolle 
er die dazu erfoderliche Einrichtung treffen. Deshalb laͤßt er 
Abel vortreten, legt ihm die Hände auf und weiht ihn zu ei⸗ 
nem Priefter, wobei er ihm die Wichtigkeit dieſes Berufs ein» 
dringlich ans Herz legt. Den Seth macht er zum König, er: 
mahnt ihn, die Lehren feines Bruders zu befolgen und zu be: 
fügen, Ale zu tödten, die falfche Lehren verbreiteten. Kain 
aber füllte ihr Knecht und Diener fein und durch Furcht vor 
Sefegen, Strafe und Pein geziwungen werden, recht zu leben; 
worauf er Eva nochmals kürzlich ermahnt, ihre Kinder in Got⸗ 
tesfurcht zu, erziehen. Diefe jammert über ihren unglüdlichen 
Fall, der fo traurige Folgen für fie und ihre Kinder habe; 
Gott tröftet fie und wiederholt die Berheißung von einem fünf: 
tigen Heiland, worauf er fie nochmals fegnet und dann gen 
Himmel fährt. 

&o weit geht Melanchthon's Erzählung und der erfte Act 
der Tragödie. Im zweiten Act kommt Adam zu Eva, die ihm 
erzählt, was in feiner AUbwefenheit vorgegangen fei. Adam 
erkennt darin Gottes fortdauernde Liebe, wofür man ihm dan» 
Ten und opfern müffe. In der zweiten Scene tritt Kain auf, 
fih über Gottes Ungerechtigkeit beflagend. Doch wolle er ihm 
opfern, damit er feinem, Korn Gedeihen gebe und ihn nicht 
noch mehr vermaledeie. Übrigens glaube er, daß fein Bruder 
Gott gegen ihn gereizt habe. Er wolle es ihm gedenken und 
die Driehterf aft folle ihm theuer zu ftehen kommen. In der 
dritten Scene ſpricht Abel in einem Monolog feinen Dank gegen 
Gottes Güte aus. 

Der dritte Act beginnt mit einer Anrede Adam's an 
feine Kinder, denen er feine Abfiht, Gott ein Opfer zu 
bringen, befannt madt, worauf er das Opfer beginnt und 
F Gott betet. Sodann bringt Abel fein Opfer, wobei er in 
einem Gebet insbefondere Gott anfleht, er möge Kain's Herz zum 
Buten wenden. Als nun die Reihe an Kain kommt, fagt biefer: 
Sie da, HErr, iff vom korne mein! 

So bu wilt, lad dirs gfellig fein; 
GBib meinem korn hierumbe bit fehr, 
Gedeien und viel gerften mehr. 

Aan dich nicht viel hoffiren thun; 
&o dirs gefelt, entzuͤndes nun. 


Witte, Sott, nicht, fo las es Arte, 
"Sa -tolt au) wei bald bauon gefe. 


Da Sott inımel herab, N | 
ruft ihm vom Himmel her ee 


- würde er ihn an Leib und Geele fir 


Herrn an, er möge Kain ein ihm wohlgefälliges Herz geben 
und Verſtand, daß er dad Gute erkenne. 

Im vierten Act fpricht Kain feinen Entſchluß aus, ſich an 
Abel zu rächen. Run kommt der Zeufel und fucht ihn in kr 
nem — zu beſtaͤrken, indem er ihm lebendig ausmalt, wie 
ungerecht Gott gegen ihn fei und was er für ein ungladiige 
Leben zu gewärtigen babe, da er feiner Brüder Knecht fein 
mäüffe. Kain fragt ihn, wer er feis ber Zeufel entgegnet, er 
% vormals eberffals ein Himmelsbewohner gewefen, fei abe 
ortgegangen, weil er gefehen, wie ungerecht es dort zugeht. 
Er babe Mitleiden mit ihm und rathe ihm, feinen Feind aus 
der Welt zu Schaffen; und endlich verfpricht er ihm, ſich feiner 
anzunehmen, ihn zu einem großen Herrn zu machen, wenn € 
es thue. So wird Kain noch mehr gereizt, und da fein Bu: 
der (zweite Scene) kommt, erfchlägt er ihn. In der dritten 
Scene kommt Gott und verfludt den Brubermörder. Da er 
greift ihn Todesangſt: er fürchtet, daß wer ihm begegne, ihe 
erſchlagen würdes worauf Bott erwidert, daß Abel’ Zod ir 
benfady an feinem Mörder gerächt werben würde. Die Ber 
fhen würden ihn fürdhten, ihm aber Fein Leid anthun. Kam 
foricht nun feine Verzweiflung aus (vierte Scene), worauf det 
Zeufel Bommt und feine Freude darüber ausbrüdt, dag Kam 
fi habe verführen iaſſen; und fo wie Abel, fo ſolle es künftig 
allen Pfaffen ergeben. - 

In dem „Epilogus oder fehlußrede” macht der Dichter die 
Bubörer auf Lie Wahrheiten aufmerkfam, welche in der Arage 
die enthalten feien. | 

Daß auch der legte Theil mit der Komödie von Hans Sad 
vielfältig übereinftimmt, obgleich Melanchthon's Erzählung nicht 
mehr zu Grunde liegen Tonnte, wird man fon aus unſern 
kurzen Inhaltsanzeige erſehen; in einzelnen Punkten geht dieſt 
Übereinftimmung bis in das Heinfte Detail herab. Ob Hanf 
Sachs unfern Enoftinus gekannt, oder ob Beiden eine und di: 
felbe Quelle zu Grunde gelegt haben, welche ihnen den Be 
ſchon ganz vorgezeichnet, koͤnnen wir unmöglich beftimmen, da 
uns alle Angaben fehlen, die darüber Auskunft ertheilen Et 


nn nn — — — — 


Literariſche Notiz aus Frankreich. 

Kuͤrzlich iſt in Paris erſchienen: „Description geogtr 
phique, historique et archeologique de la Palestine”‘, ven 
Munk. Das intereffante Werk beftcht aus fünf Büdem: 
das erfte ift dem phyſiſchen und topographifchen Zuftand FR 
fäftinas gewibmets das zweite den derſchiedenen heidniſchen 
Bevoͤlkerungen, welche vor der Invafion der „Hebraer unik 
Zofuah das Land bewohnten 3 das dritte der Seſchichte de 
Hebräer von Abraham bis zur Babylonifhen Gefangenihaft; 
das vierte fchildert den fittlichen, focialen und wiffenfaftlihe 
Zuftand der Hebräer bis zu der Beit, da fie einen befondern 

Staat bildeten; das fünfte Buch endlich macht uns bekannt 
der Gefchichte Palaftinas von der Babylonifchen Befangenfhif 
bis zu Zerftörung des Tempels durch Titus. Gin Anhang Me 
fert ein überfichtliches Gemälde der Begebenheiten, die ſich ven 
Jeruſalems Zerftörung bis auf unfere Tage in jenem Lande zu 
etragen haben. Der Verf. verbindet die Kenniniß des Hebrar 
chen und anderer orientalifchen Sprachen mit feiner Kenntniß del 
Englifhen, Deutfchen u. |. w. und hat im Drient Reifen de 
macht. Demnach hat ihm Michts gefehlt, um eine genaue Kennt 
niß von Wörtern und Sachen zu ermerben.. Hinßchtlich de 
Anfichten und Glaubensmeinungen gehört der Berf. der jüdt 
ſchen Religion an; doch eignet er gewiſſen Theilen der Heiligen 
Schrift einen andern Charakter und einen andern Urfprung zu 
als es die jübifchen und chriſtlichen Traditionen thun. 


ne nn ⏑ —— —— 
Berantwertliger Heraudgeber: Heluri Wrodyans., — Drud und Verlag von F. X. Wrodhans in Beipzig. 





Blätter. 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwod, 





Georg Chriftoph Lichtenberg. 
(Bortfegung aus Wr. 723.) 

Lichtenberg's intellectuelle Begabung, bie jebech von 
feiner Gefammtorganifation und von feinem gemüthlichen 
und fittlichen Charakter nicht zu trennen ift, muß vor- 
zugsweife ald eminenter Verſtand bezeichnet werden, und 
als glücklichſter Wig, in engfter, gegenfeitiger Durch. 
dringung, — als verſtandvollſter Wig oder wigigfier 
Verſiand. Sein Verftand war nicht blos jener mathe⸗ 
matiſch⸗ logiſche, welcher gegebene Begriffe ober Größen 
ſchnell und richtig auffaßt, oder Urfahen und Wirkun- 
gen mit fiherm Blick verbindet; fein Wig war nicht 
von der Art, wie man ihn wol bei nicht fehr verfländi- 
gen Menfchen findet, nicht ein zufälliges Würfeln mit 
Begriffen und Worten, wobei nicht felten ein erwünſch⸗ 
tee Paſch fällt; fein Verſtand oder fein Denken hatte 
neben Dem, daß er das Begebene richtig und fcharf auf- 
faßte oder das Geſuchte leicht fand, auch bie natürliche 
Richtung oder den Trieb, feinen Begenftand auch noch 
auf gend eine Weiſe zu veranfhaulichen, durch ein 
Bid, eine Vergleihung, einen Contraſt, durch einen 
verfinnlihenden Ausdruck. Sehr merkwürdig ift in die⸗ 
fer Beziehung, was er von fich erzähle: 

Schr früh Habe ich mir Dinge unter Bildern gedacht, die 
ih Andere entweder nicht unter bdiefen Bildern denken, ober 
wenigftens mir dem Bleiftift auszudrüden nicht in ſich felbft 
erwacht genug find. Ich habe Bilder von Wochentagen ge: 
zihnet... Der Zifh wird noch in D. vorhanden fein, auf 
den ih vor fapt zwanzig Jahren das Bild mit Tinte zeichnete, 
das ih mir von dem halbfreien, wochehalbirenden und zwiſchen 
Freiheit und Zwang felbft wieder getheilten, wohlthätigen Mitt« 
wochen machte. 

Er fegt hinzu, er mache ſich wenig aus den Schlüſ⸗ 
fen, die ein feinerer Kopf als ber feinige hieraus auf 
feine übrigen Fähigkeiten ziehen möge. In feinen Schrif⸗ 
ten kommen mehre Beifpiele von ſolchen baroden Ver⸗ 
fmnbildlichungen von Begriffen vor; und ohne eine ſolche 
könnte man nicht wol begreifen, wie er ein Gedicht auf 
den leeren Raum einer großen Erhabenheit fähig glau⸗ 
ben konnte. Lichtenberg's großer Verſtand beruht auf 


ober ift begleitet von einer lebhaften Einbildungstraft 


der Anfchauungsgabe: ſtatt bed einfachen, baroden 
Artheils ſpringt ſogleich ein Compler von Urtheilen der 
Anſchauungen hervor, worin der Faden des Verſtandes 





deutlich erkennbar, aber von Combinationen jeder Art, 
ergötzlich und verſinnlichend, umflochten iſt. Er dachte 
ſehr viel und wußte ſehr viel, und da an ſeine Gedan⸗ 
fen immer witzige Bilder, Vergleichungen u. f. m. an⸗ 
ſchoſſen, wurde ihm durch Ubung das wigige Denken 
zur andern Natur, ohne daß dadurch deſſen Schärfe be⸗ 
einträchtigt worden wäre; aber Phantafıe in einem hö⸗ 
bern Sinne hatte — ein Dichter war er nicht. 
wol hätte er fein wigziehendes Denken zum abftracten, 
reinen, philofophifchen Denken zu läutern vermocht — 
wie Dies mande feiner Säge und Bemerkungen beur- 
funden —, ale daß feine Kinbildungstraft ſich zur 
wirklichen poetifchen Production hätte concentriven ober 
gar einen Aufflug zum Idealen, als höhere Phantafie, 
hätte nehmen können. Wenn ihm auch das Ideale an 
fih nicht fremd fein mochte, fo fchnitt ihm doch gerabe 
fein wigiger Verftand die Zugänge dazu gleichfam ab, 
Schöpferifches Hatte er nichts in feiner Natur: er war 
ein höchſt geiftreicher und wigiger Dialektiker, aber kein 
fomifcher oder humoriftifher Dichter. Ihm fehlte die 
unaufhaltſam ftrömende felbftändige Aber, fo viel Geiſt 
und Wis fih an fein Naifonnement anfegte. Lange 
trug er fih mit dem Plane, einen Eomifchen Roman zu 
fchreiben, führte ihn aber nie aus, ja machte nie ernft- 
lich Anftalt dazu, obgleich er einige Bemerkungen über 
Beitandtheile befjelben nieberfchrieb. Der Helb follte 
ein doppelter Prinz fein, d. h. ein zufammenmwachfener, 
Mit wie vielen wigigen Einfällen und komiſchen Zügen 
ihn auch Lichtenberg hätte ausflatten mögen, wir zwei⸗ 
fein, ob er hätte ganze Charaktere fchaffen können: Dies 
fcheint uns fein Talent übderfliegen zu haben. Nicht 
blos an feiner Indolenz ſcheiterte der Plan: er hätte fi 
fetbft nimmermehr genügen können. Auch ein fatirifches 
Gedicht beabfichtigte es einmal zu fehreiben. In feinem 
Zagebuche heißt es: 

Begenftände der Satire in nieinem Gedicht: Moden und 
Trachten, fchlechtes Theater, ausländifches Recht, Mangel an 
Ehrerbietung gegen die Alten, Phlegma der Juftigpflege, Af: 
fectation der Studenten, Kriechen der Profefforen vor reichen 
Studenten, Preflerei, Zwangsehen, Unehelichkeit der Kinder 
außer der Ehe, Mesalliance, Empfindelei, Romane, Mondma⸗ 
nie, geringfügige Urfahen ber Kriege, Soldaten, ſchlechte Heer⸗ 
ſtraßen, Bazarbfpiels, Bergeflung der urfprünglichen Gleichheit, 
Zitelprun® in den Zeitungen, Kanonifationen, Unwiffenheit ber 





* =. 
32 . 


Klöfter, Möncherei, ausfchließende Rechte des Abels zu hoͤhern 
mtern, Anglomanie in den Gärten, Inquifition, Aberglaube 
des Pobels. 


Auch hier blieb es bei dem Vorſatze. Wenn man 


bie Vielfeitigkeit von Lichtenberg's Intereffe bewundern. 


muß, fe kann man fi) dach auch nieht verhehlen, daß 
ein fatirifihes Gedicht, das al dieſe Gegenfkinde be⸗ 
handelte, unmäßig lang werden und die Menge der 
angefchlagenen Saiten den einzelnen Ton wieder fchwä- 
hen müßte. Dom Faden des Gedichte, woran alle jene 
Themata gereiht werden müßten, findet ſich nirgend eine 
Spur. Der einzige poetifche Verſuch Lichtenberg’s HE 
das Gedicht über die fchwimmenden Batterien, mit wel: 


«den Gibraltar erobert werten follte. Dies Gedicht (im- 


Ton und Versmaß von Blumauer's traveftirter „Aeneis‘) 
ſcheint uns wenig. Werth; zu haben, treg mancher wißi« 
ger Einzelheiten. Schon der Gegenſtand iſt nicht glück⸗ 
ich gewählt, denn das Ereigniß ifl bach, mochte der Ge⸗ 
Dante dazu noch fo chimaͤriſch und lächerlich und die 
ſtolze Zuverfiht auf das Gelmgen des Spottes werth 
fein, an fi mehr traurig und grauenvell als‘ komiſch; 
und eher fland die Berhöhnung des Unternehmens bem 
Sitegesſtolz und Triumph ber Engländer zu als dem 
Dabei nicht betheiligten Deutſchen, — felbft wenn ein 
yaar Bataillone Hanoveranez die Ehre gehabt hatten, 
den Fels für England mit. vertheitigen zu helfen. 

Nicht die freie, fehöpferif de Komik, fondern der be 
gleitende und beleuchtende Wit war Lichtenberg'3 Stärke. 
Er war der Mann dazu, den Begriff und die Aufgabe 
des Erklärere und Commentators zu adeln und zu po 
tengiven durch feine geiftvolle Laune, in Verbindung mit 
klarſtem Verſtande. Daher hat er ſich auc fo berühmt 
gemacht durd feine „Erklärung ber Hogarth'ſchen Kupfer⸗ 
flide”: eine Aufgabe, die für feinen Genius die aller- 
glaclichfle genannt werden muß: — ein gegebener Fa⸗ 
den, um Daran feine Gedanfen und Einfälle anın- 
reiben; ein Stoff, welcher bei einem Manne von feinem 


Geiſt, feiner Beobachtungsgabe und feinem Kunftfinn 


eine Menge: Ideen erweden mußte, und zwar Ideen der 
allermannichfaltigſten rt, beſonders aber folche, bie 
fich auf Dlenfchentennmiß beziehen; und das Werk eines 
genialen Künſtlers, mit deffen ſprechenden Bildern in 
geiftvoller und wigiger Sprache zu wetteifern für ihn 
ein fpemnender Reiz fein mußte. Bier Eonnte er fi 
ftei genug bewegen, ohne doch auf eigene ſchoͤpferiſche 
Selbſtaͤndigkeit angeriefen zu fein; und er bediente fich 
biefer- Freiheit fo, daß er gefleht, in den Bildern Diam- 
ches gefehen und- erklätt zu haben, deſſen fich der Künſt ⸗ 
ler felbſt vieleicht niche fo bewußt: gewefen; beruft fich 
aber darauf, baf der Dichter und Künfkler gar Vieles 
unbemuſt ober Halbbewußt in: fein Merk aufnehme. 
Vermuthlich viet früher fchrieb er: 

Bas für ein Werk ließe ſich nicht über exe, Do; 
grih und Garrid Pr in —* —* in en 

: anfchauende Kenntniß des Menſchen in allen Staͤnden, 
Andern burg Worte, ben Grabftichel‘ und Geberden verftänd: 
lich gemacht; 
und. man darf bedauern, daß er dies Werk nicht ſchrieb, 


984: r a: 


zu welchem a, kann man fagen, fo treffliche Vorarbei— 
ten gemacht hat. Denn außer den Erklärungen zu ie 


| garth fehrieb er in Briefen von London aus eine hoͤchſt 


geiftoolle und anfchauliche Charakteriſtik Garrid’s; und | 
gewiffe Seiten Shakſpeare's würde er, wie vicht leich 


‘ein anderer Menſch, erklärt und beleuchtet haben, — 


diejenigen, welche der Pſychologie im meiteiten inne, 
ber Menſchen⸗ und Weltkenntniß, dem pragmatifhen 
Verftande zugänglich find; und der poetifche Duft und 
Nervenäther bleibt ohnehin. beffer unerklaͤrt und der un- 
mittelbaren Empfindung, dem Gemüth und der Phantaſi 
eines Jeden überlaffen. Und wie würde Shakſpeate 
Derftand, Geift und Wig die fprühenden Funken von 


Lichtenberg's erregbarem Geiſt hervorgelodt haben! Er 


hatte, was er zum rechten Verſtändniß ſolcher Männer 
fodert, „zu der gewöhnlichen Erleuchtung noch fein age 
nes Lichtchen mitgebracht”; aber er Pannte auch voll. 
fommen das Schwierige foldger Werfuche, wie er Die 
bei @elegenheit ber Charakterifirung eines engliſchen 
Schaufpielers ausſpricht: 

Es iſt zwar ein Vergnügen, den Totateindruck, ben der 
Anblick eines ſolchen Wundergefchöpfes auf Einen macht, in 
feine Beftandtheile zu zerlegen und Empfindungen zu Bude 
zu bringen; aber die Abficht, einem Andern ein ähnliches Der: 
gnügen zu verfchaffen, wird meift verfehlt, weit die unvermeid 
iche Unvollſtändigkeit der Zahl diefer entwickelten Gefühle dem 
Lefer bei ihrer Herabftimmung: zur: Marheit Raum genug übrig 
läßt, neben dem Endzweck deb-Berfaffers vorbetzufgleicen, 
oder noch fhlimmer ihm den Vorwurf zu machen: er habe ju 
viel gefehen. 

(Die Kortfegung folgt.) 





Clelia Eonti. Von Ida Graͤfin Hahn⸗Hahn. Ber 
lin, % Dunder 1846. 8, 2 Thle: 7’. Ngr. | 
Seit mehren Jahren erſcheint Fein Buch der Gräfe Sehr 
Bahn, das nicht auf: bitterfte angefeindet, von der Kritt Io 
allgemein verworfen wird. Nichtödefloweniger iſt die Grün 
Hahn = Hahn eine Schriftftelerin, die viel geleſen wird. Died 
wird fie vielleicht über die Keindfeligfeiten, die fie zu erleiden 
bat, tröften, may ihr als Beweis dienen, daß ihre „Baden“, 
wie die Buchhändler fagen, nicht unbemerkt vorübergehm, 
—J fie aber auch aufkkaͤren über Das, was ihre Stellung IM 
er Literatur fo ſchwierig macht. Wir, die wir das ſchoͤn 
Zalent der DVerfafferin aufeichfig bewundern, es immer mil 
Bedauern angefehen haben, wann: bedeutende Männer mit Bib 
terfeit und Parteiſucht Kritifen über fie in die augkburgtt 
„Allgemeine Zeitung” fandten, alle Stimmen gegen fie wart 
feine für fies wir, die wir Feiner Partei angehören, form 
einen ifolirten unabhängigen Standpunkt haben: wir glauim 
fügen zu koͤnnen, was diefe Feindſeligkeiten und Ungerehti 
Beiten hervorruft. Es iſt nicht Reid, nicht Eiferſucht und Do 
gegen die Ariftoßratie, welche Beſprechungen wie die 3.2. bt | 
vorrufen, bie vor anderthalb Jahren von Zallmerayer über ME 
„Orientaliſchen Briefe‘ erſchien. Es ift die Merf: ſelbſt, m 
ihrem bochfahrenden, ertlufiven Weſen, die herausfodernd wirft, 
und flatt Werftändniß und Rachficht zu weden, zu Reibumgt 

manderied Art Anlaß gibt- Und dies 5 ende Mel 
fpricht ſich am meiften, am entſcheidenſten in der Gleichgültig 
keit aus, mit der bie Gräfin Hahn Hahn jeden Einwurf dei 
Yublitums oder der Kritik aufzurmehmen ſihtint. Gicht M 
nicht: aus, als wollte fie mit etwas aufgehobenem, vornchze® 
Uintlig fagen: „Mas gebt: mich euer Geſchrei, med gehen 

euere: Bectnfionen aut. Wei ice nicht Wed beſſer als Ihe 








lung mit jedem Sabre peinlidger mad 
Schwähen auch ihrem Talente. Jedes ihrer Bücher wird der 
Unparteiifche mit Vergnügen leſen; in jedem wird er die Le 
bendigkeit der Auffaſſung, die Neflerionsgaben und poetiſchen 
Bilder der Verf. anerkennen, in. jedem ſedoch bedauern, daß 
dies Zalent, Seinem Fortſchritt unterworhen. fi$ immer und 
immer in den enggezogenen Kreifen des Salonlebens dreht, 
nicht aus ſich felbft herausgeht und mit Heftigkeit und Gigen: 
finn den Meinen Weg verfolgt, den es nun einmal nicht ver- 
laſſen will, und kaͤmen auch die ei des Himmels und die 
Damonen der Unterwelt und befhwören die Verf., fih in an» 
dern ald ariſtokratiſchen Sphären zu verfuchen. 

VWäre die Gräfin Hahn » Hahn ein befcheidenes Talent, 
gewönne fie e8 über ſich, ſelbſt feinpfeligen, parteilfchen Ta⸗ 
dei nicht unbeachtet zu laffen: zu weldher Höhe häfte fie ſich 
aufihwingen, wie reich entfalten koͤnnen! ber fie hört auf 
Riemand, blickt nicht um fig, vergleicht nicht. Sie iſt nun 
einmal die hochgeborene Gräfin Hahn» Hahn, fie will in ihrer 
Eigenthümlichleit leben und’ fterben: Deswegen auch ändert 
Be ihren Seit nicht, framgöfltt fort und fort, fagt „Eme- 
tiansbedirfnig"‘, „deſolat“, und wie Die felffamen Worte alle 
beißen, weiche ſich Gott Lob nur in ihrem Lexikon finder; bes 
wegen ſchildert fie ſarke Frauen und ſchwache Männer, arifte- 
kratiſche Richtungen und vornehme Liebeshändsl. Blickte fie 
um ſich; fähe fie nur einmal, nicht auf deutfche Schriftftellerins 
nen — die haft fie ſammt und fonders nicht für zurechnungs⸗ 
fähig —, aber auf die Starl oder die George Sand: fie müßt 
doch trog allen Eigenfinns, eingeftehen, daß biefe Zalente exfter 
Größe ſich anders als fie entwickelt habem Mit welcher Ge⸗ 
wißenhaftigfeit bereifte die Star Deutſchland, um über diefe 
terra incognita zu fihreiben! wie gern lieh fie ihrer geiftrei- 
Yan Umgebung ein dankbares Ohr, ließ fich unterrichten und 
auftlaren, nahm Rüdficht, verglich, verarbeitete ganz hetero» 
gem Steſſe, mwiderlegte und ließ fich widerlegen, ſchrieb nicht 
mmer Rome oder Reifebriefe, fondern auch Abhandlungen 
über dieſen und jenen abftracten Stoff, kurz, verfuchte fi; bald 
in Diefer, bald in jener Megion! ünd was bie Statt that, 
hut heutzutage die dach auch adelig geborene und, wie man 
best, ſogar aus deutſchem Fürfkemgefihlecht ſtammende George 
Sand, der jede Einſeinigkeit fremd iſt, die den Tagesfragen 
mt Mopfendem Herzen folgt, ihrem Jahrhundert im gewaltigen 
dertfhritt mit al’ ihrer Gefinnung, Kraft und ihrem Gtreben 
gehört. Zuerſt freilich ſchrirb auch fie Wemane, welche die ariftor 
kratiſhe Sphäre einrahmen, in denen aber gleich eine höhere 
Idee obwaltete; dann aber bald fchrieb fie über Das, mas bie 
det brachte und nahm: über Seligien, Politik, Sotialismus, 
Eommunismus, über Mufil, Literatur, über Suflände im Volke, 
wu ihre legten Werke: „Le péché de Mr. Antoine” und 
„ua mare au diable”’ gehören, bie framzöfifche Dorfgeſchichten 
m zauberhafter Einfachheit md. Sie die Stakl mid« 
un der Gräfin Hahn: Hahn zeigen, wie fi ein Talent ent⸗ 


Lj den will. Es Hat uns oft gefchtenen, 
daß die Verf. ihre Aufgabe nice erafk genug befradtet. Sihar 
fie in ihrer Borrede uns glauben madıen n: es fe 
ie beim Hinblick auf iher ſchriftſtelleriſche Z it ganz 
„feierlich ums Herz; wie haben aber nicht umhingekonnt, das 
„Amen, weiches fie ausfpridgt, für etwas frivol zu halten. Dem 


ber 


alein für fich, zu ihrem Bergnügen, ſondern auch zum Rutzen 
Iahrhundert 


fit: wie ihm wolle, gerreg IM: deß «6 wanſchenewerrh var 
wollte binfe aikerbings reich begadte Gchriftfteilerin ſich von Ir 
rer Subjertioität Ioßteißen, fich mehr mit den Sntereffen deb 
Yublicand als mit ihren eigenen Gefthäftigen, neue Stoffe und 
undere Xerraind wählen. Die Seat, welche jie auf urfprüngs 
licherer Erde faͤen wehrbe, müßte herrlich gedeihen; denn dB 
fehlt ihr weder ar Begabung, noch an Urtheil: es mangelt ihr 
nur der Wille und die Bielfeitigkeit. 

„LElelia Conti” ift ein Buch, welches das Yublicum dankbar 
als geiftreichen Zeitderkreib hinnimmt; es binterfäßt aber feinen 
nachhaltigen ang. Die Behandlung iſt vortrefflihs der 
Stoff iſt verbraucht. Clelia Conti ftellt als Ausnahme von 
egel ein Wefen dar, welches um ber Liebe willen Alles 
thut, leidet, mie urtheilt, fondern immer liebt und durch 
das Leben Wenig, aber durch das Gefühl Alles weiß: ein 
Stück Suliette in „Leone Leont”, cin Stüd Indiana u. f. w. 
Aber in dieſem allerdings oft berrugten Stoff, In welchem dic Verf. 
Beine große Brfindungsgabe Fund thut, der unter „Lect” 
und unter „Bauftinc” fteht, hat fie doch wieder jenes innere 
Leben zu hauchen gewußt, das, weil e8 aus der tiefften Werk: 
ftatt des Herzens ſtroͤmt, die Herzen rührt und bewegt. Wenn 
uns Glelia o über die Grensen der Wahrheit binauszugehen 
fdeint, wenn Achatz ein durchaus unnatürlicher, in Kine 
Staͤrke zu ſchwacher, ein unmoͤglicher Charakter ift: fo iſt ber 
Kampf, der fih im erften Abfchnitt zwifchen ihm und &iefla 
entipinnt,, fo feifeind, Daß die auf die Spige getriebenen Bus 
fände Dadurch anfcheinend wenigftens ihre Schroffheit und Uns 
natur verlieren. Auch kommen uns nicht während des Leſens, 
fondern erft hinterdrein, die fritifhen Bemerkungen. Im Au⸗ 
genbtid ift man überftürzt, oft atbemlos: ein Beweis, daß das 

alent der Verf. groß genug ift, um über ihre Fehler die 
biendenden Schleier des nthufiasmus zu werfen: aber aud 
ein Grund mer, ihe in die innerften Falten des Gemuͤths auf 
inquifitorifhe Weiſe zu dringen und fie verantwortiih für ihre 
Handlungen, Anfihten und Glaubensmeinungen zu machen. 

Clelia muß in den Augen Bieler für unmoralifch, für den 

ehen zumider handelnd gelten. Viele werden fagen: „Da 
fe Aday heirathete, gehörte fie ihm, mußte fie fi ihm unter 
werfen.” Auch wir Batten Augenblide, wo wir Das fanden, 
wo uns die Handlungsweife Clelia's unmotivirt erfhien; in» 
deß ift fie es mer bid zum Moment, wo fie fi als Mutker 
von Sundaccar's Kinde zeigt. Von diefem @reigniffe an if 
ihre drohende Stellung, Achatz gegenüber, nothwendig und ges 
rechtfertigt; obwol diefe Heirath mit ihm, 24 Stunden nad 
Gundaccar's Verſchwinden, tief derlegend ift und Clelia lie 
bee fterben ats ihre Scheinehe vollziehen Taflen mußte. Diefe 
einmal vollzogen, verfühnen ihre Leiden, die Ausdauer und der 
unerfchütterlihe Staube, welcher Berge verfept. Schade, daB die 
Berf. nicht eine andere Situation beim Wiederfeher der Lie 
beiden als dieſes romanhafte Zufammentreffen und Entflichen 
auf der Heerftraße erfand. Schade au, daß Gundaccat acht 
Jahre recht gut ohne Elelia beflchen und fie dann wie ein 
Mondfüchtiget ats die Frau eines Andern, ohne die gefingfe 
Erörterung, blos durch den magnetifchen Zug der Liebe gelel- 
tet, entführen konnte. 

Unftreitig ift die zweite Partie des Romans, „Ein feliges 
Leben”, beffer als die erfte: es ift mehr pandlung mehr 
Wahrheit und Nerv darin: Elelia's Charakter entwidelt ſich 
praftifher. Sie hat die Leidenshälle, die Bitwenſchleier ab» 
geftreift, Iebt und handelt. Dagegen ift Gundacar ein Mann, 
der, ganz unthätig, Mitleid, Beine Theilnahme einflößt; der we⸗ 
der von ber Liebe, noch vom Unglüd begeiftert, trinkt, weil 
ee in der Armuth unglücklich ift. Wir geftehen, daß dieſes 
Detail uns vwiberlid war. Wenn Gundaccar fälle oder mor: 
bett, läge doch Energie batin: aber ſich betrinten! . ... pfui 
über diefen in Weingeiſt getauchten, charakterloſen Menſchen, 
der Weib und Kind verhun und ſich von feiner rau er» 
nähren läßt! Die Verf. hätte daran die Reflerion Enüpfen 
können: web für- teawsige Nefultate die ſogenanaten adeligen 


en meiftens haben; und wie ber Bauer. und 
Erben zu oft in feiner ſchlichten, ‚naturgemäßen Im 
$ungsweife über der Ariftofratie und ihren verbrehten Ge⸗ 
fühlsorganen ftcht. Allein mit dergleichen „fecialiftifden” Bra 

gibt fie fi nicht ab, fondern fie ſchildert ihre Sphäre wie 
k ift, fagt aber niemals wie fie fein koͤnnte oder follte. 

Sehr hübfch und poetifch ift das Bild der ruhmbefrängten 

Clelia, der heranwachſenden Tranquillina, der liebliden Billa 
und ber fchastenreichen Beranda; beruhigend und verfühnend 
der Tod Elelia’s, die ein fo friedliches Scheiden nad einem fo 
dmeitih bewegten Leben verdiente; denn wir en voll» 
ommen mit der Verf. überein, die eine kurze Lebensdauer, ei⸗ 
nen glorreihen Namen und eine unfterbliche Liebe als Gaben 
bezeichnet, die nur den Begnadigten des Himmels zu Theil 
werden. Das Schickſal Tranquillina's will uns aber gar nicht 
bebagen. Uns dünkt, daß die Tochter Elelia’s, vom ſchützenden 
Geiſte ihrer Tiebenden Mutter ummeht, eined beſſern Geſchickes 
als jenes werth war, das ihr die Berf. an der Geite ihrer 
Karren alten Großmutter bereitet. 

Schließlich machen wir noch folgende Bemerkung. Warum 
wählt die Berf. beftändig Namen wie Glelie, Tranquillina, 
Bundacar, Euphemia, Tosca, Unica u. f. w.? ine größere 
Einfachheit, mithin auch ein gelichteter Geſchmack würde ihrem 
Talent au in dieſer an und für fi unbedeutenden Eigen⸗ 
heit beffer fiehen. Sie denke nur an Goethe, deſſen weibliche 
Figuren unendlich tiefer aus dem Borne des Lebens gefhöpft 
waren und die doch nur die fchlichten Namen: Charlotte, Dt: 
tilie, Mariane, Eugenie, tragen. 4, 





Bibliographie. 


Kofegarten, 3. ©. 2., Rachricht von der Entſtehung 
und erften Defgaffenbeit der Stadt Greifswald. , Greifswald, 
Otte. Br. 8. 5 Nor. 

Koffan, ©. ©., Gedichte ernften und launigen Inhalte, 
oder: Der Gratulant, nebft einem Gejellfchafter von vielen andern 
Gedichten zur Belehrung und Unterhaltung. Küftrin. 8. 1 QHlr. 

Rulmann, Elifabeth, Sämmtlihe Gedichte. . Heraus: 
gegeben von 8. F. v. Großheinrich. Mit dem Leben, Bild 
niß und Denkmal der Dichterin. Ate und einzig vollitändige 
Ausgabe. Zwei Theile in einem Bande. Leipzig, D. Wigand. 
Ler.:8. 3 Thlr. IO Nor. . 

Moltke, M. Graf v., Uber die Einnahmequellen bes 
Staates. Hamburg, Perthes⸗Beſſer und Mauke. Gr. 8. 2 Zhlr. 

O'Keill Daunt, W. 3., Heilige und Sünder. Eine 
Erzählung aus der Neuzeit. Überfegt von 8.5. Zwei Bände. 
Augeburg, Schmid. 8. 1 Thlr. 12 Nor. 

Hfeiffer, Ida, Reiſe nady dem flandinavifchen Norden 
und der SInfel Island im 3. 1845. Zwei Bände. Peſth, De 
denaftl. Sr. 12. 2 Zhlr. 

Redslob, G. M., Die alttestamentlichen Namen der 
Bevölkerung des wirklichen und idealen Israelitenstaats ety- 
mologisch betrachtet. Hamburg, Meissner. Gr.8. 25 Ngr. 

Roſenkranz, K., Die Modifilationen der Logik, abge: 
feitet aus dem Begriff des Denkens. Leipzig, Brauns. 8. 
I Zhir. 10 Nor. 

Selgfam, K., Der Geiſt der Jacototſchen Methode in 
Beziehung auf den erjten Unterriht. Gin Vortrag. Breslau, 
Aderhol;. 6 Ngr. 

Siddur. Gebertbudh für Ifraeliten. Mit Angabe der ein- 
ſchlagenden geſetzlichen, bisher noch nicht gedrudten Beftimmun: 
gen von Pri Megadim und einem neuen Kommentar von 
C. Landshut über die Abfaffungdzeit Der einzelnen Gebete, 
deren Erwäßnung, im Zalmud und den andern rabkinifchen 
Schriften sc., mit Anmerkungen verfehen und herausgegeben von 
pirie Edelmann. Königsberg, Samter. 1845. Gr. 8, 
Thlr. 6 Ror. 


Zimmermann, B., Der Weg zum Yarabies. Gin 
Beleudhtung der Haupturfachen des phyſfifch⸗moraliſchen Verfallt 
der Eulturvölker, forwie naturgemäße Borfchläge, diefen Berfet 

fühnen. ?2te veränderte und vermehrte Ausgabe. Ducdlin: 
urg, Bafle. 8. 15 Rgr. 


TSagesliteratur. 


Althaus, S., Die preußiſche Generalfgnode und der Be 

Fr vr evangelifhen Kirche. Bremen, Schünemann. Gr. 8. 
2 Nr. 

‚Bauer, ES., 23 Predigten beim beutfch katholiſchen Got 
tesbienfte gu Leipzig, Dresden, Dahlen, Chemnit, Unnaben 
und Slauchau. Meißen, Klinkicht und Cohn. Gr. 8. UNE 

Braune, 8., Sittlich ift die Miffionsfhätigkeit und de 
Theilnahme daran. Miffionsfeftpredigt in Demi! über &pe: 
ſtelgeſchichte 22, 1T— 22. Grimma, Gebhardt. Gr. 8. IRr. 

Die feierliche Cinführung des Pfarrers Dr. Eduin Baur 
und der neu gewählten Älteſten in bie deutſch⸗ katholiſche Gr: 
meinde zu Dresden am 31. Aug. 1845. Rebſt den an diem 
Zage vom Prof. Wigard und Dr. Bauer gehaltenen Keden 
Meißen, Klinliht und Sohn. Er. 8. 5 Rgr. 

Samper, W., Peſtalozzi's Idee von der Wohnſtube 
Zuͤrich, Orell, Yüßli und Comp. Gr. 8. 7 Nor. 

Grotefend, ®., Zwei Predigten. Hannover, Hahn. 
8 6%, Nor. 

Haid, 9., Zwei Sermonen: 1. Zch babe einen guten 
Kampf gefämpft, vorgetragen zum Wiährigen Subiläum er 
Chorſchweſter Maria Eäcilia, geb. v. Adam. 1. Das Op 
feiner felbft, vorgetragen zur Profeß der Chorſchweſtern Rr 
vis Klothilde Schwarz und Aloyfia Krska Haͤckel im Kofe 
her en zu Dietramödzel. Landshut, Thomann. 

r. 8. r. 
‚ Domöopathüihe Haubecheln. Alt und new für Freund und 
Beine. Don einem Ramenlofen. Iena, Frommann. ®t 
gr. 

Koffan, €. ©., Drei wichtige Betrachtungen, oder: die 
weltlichen Bergnügungen. Was thut dem Volke noth? und: 
die Gnadenwahl Gottes. Küftrin. 8. 3%, Rgr. 

Krüudmann, 3. €. H., Rede über Baterlandsliche. Gi⸗ 
ſtrow. 8. 3 Rgr. 

Krüfi, H., Poetiſche Gabe auf den 100. Geburtstag Pr 
ſtalozzis. Zürich, Drel, Füßli u. Comp. 8. Nor. 

Medienburg wie es if und werden kann. te Auflage. 
Leipzig, D. Wigand. Gr. 8. 15 Wer. 

Protokoll der erſten Konferenz des — Sonden 
bundes abgehalten den 13. und 14. Herbitmonat 1343 im Bede 
Rothen bei Lugern. Herausgegeben von K. Herzog. Bm 
Kifher. 8. 3 Rear. 

Rofenhauer, M. H., Der proteftäntifchen Kirche get 
teödienftliche Gebäude und Zeiten, mit Hervorhebung beftehen: 
ber ube ftände gefchildert. Annaberg, Rudolph und Dieter. 

. r. 


Schaffner, M., Antrittsrede, und Einſegnungsrede 00% 
J. J. Biſchoff. Baſel, Schneider. 8. 3% Nur. 

Springer, A. H., Die geschichtliche Malerei in der 
Gegenwart. Kine Kunstbetrachtung bei Gelegenheit de 
Ausstellung des Columbus von Ch. Ruben. Prag, Haar 
Söhne. Gr. 8. 8 Ngr. - 

Stockmeyer, 3., Antrittöpredigt, und Einſegnungkrede 
von I. Burkhardt. Nebſt den Gefängen. Bafel, Schnei 
der. ©r. 8. 4RNgr. 

Tarnow, J. Reformationspredigt über 1. Cor. 3, I. 
Augleih ein Wort für Die Kieglice Bewegung umferer IAt. 
Guſtrow, Dpig u. Eomp. Gr. 8. 3 Star. 

Vineas, H., Die Mäßigkeitö- Vereine, eine Welterfbet 
nung. Didenburg, Stalin, 8. 7Y, Nor. 


Verantwortlicher Herausgeber: Seiurich Beoddant. — Drad und Berlag von F. E. Brodtans in Leldzig. 








Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerdtag, 





13. Auguft 1846. 





Georg Ehriſtoph Lichtenberg. 
(Bortfegung aus Nr. 224.) 

Der Gegenpol des die Vorzüge eines Autors ober 
Kimſtlers beleuchtenden Commentators ift der polemifi- 
rende oder parodirende Kritifer, und auch in biefer 
Role hat Lichtenberg feine Meifterfchaft bewährt. Mit 
den furhtbaren Waffen des fchärfften Verſtandes, des 
beißendften Witzes ift er namentlich gegen die Phyſiog⸗ 
nomit, oder vielmehr gegen ihre Anmaßungen, aufgetre- 
ten. Die AUuffäge über biefen Gegenftand gehören wol 
zum Werthvollften diefer Sammlung und bilden: ein, zu- 
femmenhängendes Ganzes, während fehr Vieles vom Übri⸗ 
gen nur Fragmente, Materialien find. Lichtenberg be- 
kampfte die Phyſiognomiker, Lavater insbefondere, nicht 
weil er von Phyſiognomik überhaupt Nichts hielt, fonbern 
weil er mit Vorliebe fi mit phyſiognomiſchen Beobach⸗ 
tungen befchäftigt, eben daraus aber gelernt hatte, ſich 
zu befheiden, und weil er nun über die Unwiffen- 
ſhaftlichkeit rand Anmaßlichkeit der Phyſiognomiker ent 
voftet war. Er fchreibt: 

Sn meiner erften Jugend an waren Geſichter und ihre 
Deutung eine meiner Lieblingsbefhäftigungen. Ich habe mich 
und Undere gezeichnet, ehe ich die geringfte Abſicht fah. Ich 
babe nicht einzelne Blätter, fondern Dugende von Bogen voll 
Gefihter gefrigelt und ihre Bedeutung nach einem dunfeln Ge» 

(darunter gefährieben... Im 3. 1765 und 1766 las ich drei 
Ahandlungen öffentlich vor, die ich aber nachher unterdrüdte. 
Sie enthielten viel Phyfiognomiſches. Im 3. 1770 ſowol als 
und ITTS ſtellte ich in England mit großem Eifer phyſiog⸗ 
nomiſche Beobachtungen an, die oft fo gefährlich waren, wie 
die über die GBewittereleßtricität, und einmal hätte nicht viel 
gefehlt, fo wäre ich ein phpfignomifcher Richmann *) geworben. 
Ich habe dort Männer geſehen und geiprechen, berühmte und 
berüßtigte durcheinander, die mit unter die merkwuͤrdigſten 
der neuern Zeit gehören, und deren Werth und Unmerth durch 
das Urtheil der beften Köpfe von Petersburg bis Madrid längft 
entſchieden ift... Allem was war am Ende das Refultat aller 
meiner Bemühungen? Nichts als ein wenig nähere Bekannt⸗ 
Haft mit dem Menfchen und mir, und dann ein Mistrauen 
gen alle Phyfiognomik, das einen fo gänzlichen Bruch zwi: 
fen ihr und mir veranlaßte, daß ich fürchte, zu einer Aus 
befierung deffelben würde mehr Zeit nöthig fein als ich zu 
ben hoffen Par. 

Einige der Hauptgedanten find folgende. Jeder 


*; Wurde bekanntlich ein Dpfer feiner Verſuche mit der Eieftrichtät 
ubdem Big Bielleicht wagte ſich Lichtenberg, feiner pipfiegnomifhen 
Berfage stil, üh bie Dieböherbergen und Lafterböhlen. Londons. 


RMenſch bat von Natur Geneigtheit zur Phyſiognomik 


in weiterm Sinne: .er fegt die Möglichkeit voraus, von 
dem Außern, befonders dem Gefiht der Menfchen ihr 
Inneres errathen ober darauf fchliefen zu können. @e- 
wiß ift, daß man im Geſicht und in den Geberden vice 
Affecte und Gemüthsbewegungen leſen Tann, aber die 
Sertigkeit hierin wird richtiger und genauer mit bem 
Worte Pathognomik bezeihne. Die Phyſiognomik da⸗ 
gegen will aus ber ruhenden Form und Beſchaffen⸗ 
heit der äußern Theile des menſchlichen Körpers, haupt⸗ 
fächlih des Geſichts, die Beichaffenheit des Geiftes und 
Herzens finden. Gegen die Legtere nur kämpft Lichten- 
berg. Zwar aud, fie verwirft er nicht abfolut: er gibt 
zu, daß fi) Inneres in Außerm ausprägen möge; aber 
er findet es fehr gefährlich, hier Etwas behaupten und 
eine Wiffenfhaft aufbauen zu wollen, wo man theils 
viel zu wenig beobachtet und verglichen habe, unb wo 
jedenfalls der Zufammenhang zwifchen Urfache und Wir- 
fung immer unbegreiflid) bleiben müffe. 

Leute von großer Weltkenntniß find die beften Phyſiogne⸗ 
men, und Die, die am mwenigften von den Regeln erwarten... 
Man kann nicht vom Leib auf ein Weſen fihließen, deſſen Ber: 
bindungsart mit ihm uns unbelannt if, und überhaupt nicht 
auf den Menfchen, auf diefe Welt von Chamäleonism mit 
Zreiheit... Was für ein unermeßlicher Sprung von der 
Oberfläche des Leibes zum Innern der Seele! Hätten wir ei« 
nen Sinn, die innere Befchaffenheit des Körpers zu erkennen, 
fo wäre jener Sprung noch immer gewägt. 

Eher ließe fich eine Meteorologie aufftellen, und dar⸗ 
aus die Witterung mweisfagen, als eine untrügliche Phy⸗ 
fiognomit —, denn hinter den Wetterseränderungen fledt 
doch fein freies Wefen. Außerdem aber: 
gehört denn unfer Körper der Seele allein zu? oder ift er nicht 
ein gemeinfchaftliches Glied fich in ihm durchfreuzender Reihen, 
beren jedes Geſet er befolgen und deren jeder er Genuͤge leiſten 
muß? So fteht unfer Körper zwijchen der Seele und der übri— 
gen Welt in der Mitte, Spiegel der Wirkungen von beiden. 

Die Phyſiognomik muß einerfeit® daran fcheitern, 
dag die Selbftbeftimmung der Seele durch äußere Um- 
ftände eingeſchränkt wird, und andererfeits daran, daß 
fie oder die Freiheit natürliche Neigungen überwinden 
und verbeffern kann. Sagt man nun, die Phyſignomit 
gehe nur auf die Anlagen, nicht auf die wirklichen Ei⸗ 
genfchaften, die Vorzüge oder after, fo wird dadurch 
jedenfalls alles praftifcher Nugen derſeiben zu nichte: In 


a ⁊ 
* — 
J * 888.: € 
“ . . 


der Beleuchtung der Abfurdität, der: Ungerechtigkeiten 
und Graufamkeiten, welche aus den Behauptungen ber 
Phyſiognomik folgen müßten, ift Lichtenberg unerſchoͤpf⸗ 
lich an beißenden und fihlagenden Wigen: 

Wen: die Myſtagnomik Das Wird, Was Lavater won ihr 
erwartet, ſo wirt man die Kinder aufhängen, che fie die Tha⸗ 
ten gethan haben, die den Galgen verdienen... Wenn Se 
mand fagte: Du handelft zwar wie ein ehrlicher Mann, id 
febe aber aus deiner Figur, du zwingft dich und biſt ein 
Schelm im Herzen; fürwahr, eine ſolche Anrede wird bis and 
Ende der Welt von jedem braven Kerl mit einer Ohrfeige be: 
antwortet werden. 

Lichtenberg erfah freilich darin feinen Vortheil, daf 
ee annahm, die Phyflognomik Habe es vorzugsweife auf 
bie Erforfchung bes moralifchen und nicht ebenfo auch 
des intellectuellen Menſchen abgefehen, umd in legterer 
Beziehung fallen manche Einwürfe weg ober werden 
wenigſtens ſchwaͤcher; aber Lavater felbft hatte dazu 
durch den Titel ſeines Werkes Veranlaſſung gegeben. 
Der überſchwaͤngliche, oft bombaſtiſche Stil Lavater's 
in ſeinem großen phyſiognomiſchen Werke wird noch be⸗ 
ſonders von unſerm Autor in dem Fragment von den 
Schwaͤnzen aufs muthwilligſte parodirt und perſiflirt. 

Beachtenswerth find die philoſophiſchen Gründe, 
mit welchen nad) dem Dbigen Kichtenberg die Phyfiogno- 
mit bekämpft, fofern fie dem Syſteme des Spinoza, ale 
beffen Anhänger man ihn frhon bezeichnet hat und den 
ex wirklich fehr hochſtellte, offenbar widerfprechen. Lich⸗ 
senberg flelt die Seele dem Körper entſchieden gegen- 
über und beruft fi auf die menfchliche Freiheit, wodurch 
bie natürliche Anlage mobificirt werben koͤnne, während 
Spinoza die. Seele nur als die Idee, bie Entelehie, den 
Begriff des Körpers faſſen kann und die Willensfreiheit 
leugnet. Unfer Verf, fagt: „Wir wiffen mit weit mehr 
Deutlichkeit, daß unſer Wille frei ift, als dag Alles, 
was geſchieht, eine Urfache haben müffe”; und ex ſchlaͤgt 
heshalb vor, das Argument umzukehren und zu fagen: 
Unfere Begriffe von Urſache und Wirkung müffen fehr 
unrichtig fein, weil unfer Wille nicht frei fein koͤnnte, 
wenn fie richtig wären. Ginzelne feiner Außerungen 
feinen ebenfo andern Hauptpunkten der Spinoza’fchen 
Philoſophie zu widerfprechen und im @egenfag zu der- 
ſelben bie Annahme. der Verfünlichkeit Gottes unb ber 

dhönfung vorauszufegen; boch darf man aus einzelnen 
ußerungen, Die oft mehr populaie und accommedis 
rend gebraucht. und nie in der ganzen Schärfe des 
Begriffes gemeint find, nicht allzu viel fchließen. Manche 
Eiger Lichtenberg’s. tinnm im Sinne Spinoza's gebew- 
det: werden, fo der oben angeführte von der Rückkehr in 


- das AU und Nichts; und Irgendwo fagt er, was überhaupt 


ein wichtiges Licht auf feine ganze Art zu denken wirft: 
DOSE zumelfen eine falfche Hypotheſe der richtigen vorzu⸗ 
tehen fei, ficht man aus der Lehre von der Freiheit des Men 
—6* Der Menſch iſt gewiß nicht frei, allein e& gehoͤrt ſehr 
en Dhabi, ver. Philofephie dagu, na bare, dieſe Vorſtel⸗ 
** en y Gar bie Beil und Geht, und une 
n, e haben, kaum Einer den Ge . ei 
Fuge eigentlich die: bequemfte Form, ſich die Gage zu. dm 


ten, und wird auch allegeit die üblidhe bleiben, 

een a a ereit ie übliche bleiben, da fie fo fc 
Aber ein eigentliches, confequentes, ſtreng zufammen- 

bängendes philofophifches Syſtem wird man überhaupt 


“bei ihm nicht nachweiſen können: er war kein Philoſoph 
"vom Fa; er beſchaͤftigte fich met den epacten Wiſſen 


ſchaften; und wenn er auch in femen Fragmenten haͤuftz 
zeigt, daß er im reinen Denken einer großen Schärfe 
und Abftraction fähig war: fo mifchte fich do, warn 
er einen Anlauf zum Philofophiren nahm, gar gem 
die Einbildungsfraft in feine Gedanfen und vermandete 
fie im geiftreihe philofophifche Einfälle und gelegentih 
in. Grillen. Er mußte es felhft recht gut, wie bie Ein 
bildungsfraft fih in die vermeintlih reinften und ab 
ftracteften Gedanken und Begriffe ſchon durch bie Spra- 
he einſchleicht, und welche gefährliche, fubtile Feinde dr 
Wahrheit die Worte oft find. Seine Jugend fiel noch 
nicht in die Blütezeit der philofophifchen Syſteme, und 
fo nahm er auch für Feines mit. Entfchiebenheit Partıi; 
beobachten und dann mit möglichfter Schärfe urteilen, 
das war fein Syſtem. Charakteriſch ift folgendes Wort 


* die Mathematik zur Ubung! Wer kann uns in andere 
iten der Weltweisheit unfer Erercitium corrigiven? 
Ein praktiſcher Pſycholog, mie Lichtenberg, wird 
immer mistrauifch fein gegen die gleichſam von oben 
herab bauenden philofophifchen Syſtematiker. Warnend 
ſagt er: 

Beſcheidenheit und Behutſamkeit in der Philoſophie, zumal 
in der Pfychologie, geziemt uns vorzüglich. Was ift Make 
ſowie fie ſich Der Pſychologe dent? So Etwas gibt es vielleicht 
in der Ratur nicht; er koͤdtet bie Materie,. und ſagt 
def fie todt fei.- 

Unb: anderswo: | 

Das Wein, das wir am reinſten aus den Händen de 
Ratur empfangen und das ums zugleich am nächſten gem 
wird, find wir ſelbſt; und doch: or ſchwer iſt da Alles md 
wie verwickelt! Es ſcheint faft, wir ſollen blos wirken, om 
uns ſelbſt zum Gegenſtand der Beachtung zu. machen. 

Er war Zeuge von bem großen Ummfhrsung in det 
Philoſophie, welchen Kant bewirkte, den er felbft weil 
fludirt zu Haben ſcheint, und äußerte ſich fehr treffend 
über einen heil von beffen Schülern: 

Ih; glaube, daß, fowit die Anhänger des Herrn Kost 
ihren Gegnern immer vorwerfen, fie verländen ihn nicht, I 
auch Manche glauben, Kerr: Kant: habe Recht, weil Re ihe 
verſtehen. Gene Hangkavt: if neu und weit voi 
der gewöhnlichen fehr ab; und wenn man mun auf cine 
Ginfibt in: dieſelbe erlangt, fo if man auch ſehr a 
für wahr zu halten, zumal da er fo viele eifrige yet 
Fr jr ot ab Ir or ebenen daß dies gr 

enen in ‚es te wahr zu halten: 
glaube, daß die Meiften über der Freude, ein fehe abſtrottes 





md dunkel abgeſaftes Gyſtem zu verſtehen, geglaude 
haben, e6 fi —— " A ceo 
Mit Kant ſtimmte Lichtenberg zufammen, vermuth⸗ 
lich che er deſſen Syſtem fannte, in ber Übergeugung 
von der Unzulänglichkeit der Beweiſe vom Daſein Gottes. 


fagt: 

Alles Schließen auf einen Urheber der Welt ift immer 
Intbropomorphtönnne. 

Und anderswo, vielleicht halb im Scherz: 

Ih glaube Baum, daß es möglich fein wird, zu erwelien, 
top wir das Merk eined hbödften Weſens und nicht vielmehr 
um Beilverfreib von einem ſeht unvollkommnen zuſammenge⸗ 
fegt werden find. 

As eine Art Vorläufer der idealiſtiſchen, Sein 
und Denken gleichfegenden Syſteme ericheint Lichtenberg 
im folgender merfwürbiger Außerung: 

Euler fagt, e8 würde ebenſo gut donnern und bligen, 
wenn auch Fein Menfch vorhanden wäre, den der Big erſchla⸗ 
gem Fonnte. ESs iſt ein gar gewöhnlicher Aubdruck, ib muß 
aber geftehen, daß es mir nie leicht geweſen ift, ihn ganz zu faf 
fen. Bir fommt ed immer vor, als wenn der Begriff Sein 
Etwat von unferm Denfen Erborgtes wäre, und wenn es Feine 
anpfindenden umd denfenden Wen mehr gibt, fo tft auch 
Kihts mehr. So einfältig Dies Minat, und fo fehr ich verlacht 
werden würde, wenn ich fo Etwas öffentlich fagte: fo halte ich 
bveh, fo Etwas muthmaßen zu Fönnen, für einen des 
größten Borzüge, eigentlich für eine der fonderbarften Einrichtun⸗ 
gen des menfehlichen Geifted. Diefes hängt wieder mit meiner 
Serlenwanderung zufammen. Ih denke oder cigentli ich 
empfinde hierbei feyr viel, da® ich nicht anzubeuten im Stande 
bin, weil ed nicht gewöhnlich menfchlich und daher unfere 
Sprache nicht Dafür gemacht ift. Bott gebe, daß es mich nicht 
einmal verrückt macht! 

Aber auch ausbrädich ſpricht er ihm das Wort: 
als Knabe zwar lächle man über die Albernheit deſſel⸗ 
ben, etwas fpäter finde man die Vorſtellung artig, wigig, 
verzeihlich. Bei reifen Jahren finde man ihn zwar finn- 
wi, aber ime Ganzen doch kaum eier Widerlegung 

wert und der Natur wiberfprecdhend; 
aber weiterhin bekommt er, bei ernftlichem Nachdenken und nicht 
ganz geringer Bekanntſchaft mit menſchlichen Dingen, eine ganz 
unüberwindlihe Stärke. Denn man darf nur bedenfen, wenn es 
auch Segenflande außer uns gibt, fo können wir ja von ihrer 
objertigen Realität ſchlechterdings Nichts willen. Es verhalte 

Ale, wie es wolle, fo find und bleiben wir doch nur 
Jraliften, ja wir Eonnen fchledterdings nichts Unteres fein. 
Dran Alles kann uns ja nur durch unfere Vorftellungen gege⸗ 
ben werden. Zu glauben, daß diefe Borftellungen und Em- 
bindungen durch äußere Gegenftände veranlaßt werden, ift ja 
weder sine Vorſtellung. Der Ibealismus ift ganz unmöglich 
im widerlegen. Sowie wir glauben, daß Dinge ohne unfer 

außer uns vorgeben, fo koͤnnen auch die Vorftellungen 
davon ohne unfer Buthun in und vorgeben. Die Urfache, 
warum fo viele Menſchen Dies nicht fürdten, iſt, daß fie mit 
dem Wort Borſtellung einen fehr unvollftändigen Begriff ver: 
binden, nämlich den von Traum und Phantafi.e Dan muß 
af eins werben über Das, was man unter Vorftellungen ver: 
ſeht. Sie find fiherlich: von verfchiedener Art, aber keine ent: 
hit ein deutliches Zeichen, daß fie von außen fomme. Im, 
Was iſt augen? Was find Gegenſtäͤnde praeter nos? Ras 
wil bie Praͤpoſition praeter fagen? Es iſt eine blos wienfchliche 
Crfndung, ein Rome, einen Unterſchied von andern Dingen an⸗ 
iMeuten, die wie nicht praster nos nermen. Alles find Gefühle: 

Aber deshalb war doch der Idealismus nicht das 
Eeſem Lichtenberg’s, oder wenigfiens abſttahirte ex von 


bemfelben als beobaditenter Phyſtket ganzlich. Mas 
Schoͤpferiſche, die Befugniß zu conſtruiren, ſprach er ber 
Philoſophie entſchieden ab: 

Philoſophie iſt immer Scheidekunſt, man mag die Sache 
wenden wie man will. Der Bauer gebraucht alle Säge der 
abfteucteften Philoſophie, nur eingewidelt, verfiedit, gebunden; 
wie Der Phyñker und Chemiker fagt; der Philoſoph gibt und 
die reinen Saͤtze. 

Daher warnt er auch in bes Philoſophise vor ber 
Verwechſelung und Gteichflellung des Erkennbaren umd 
des Denkbaren, des Erfannten und bes nur Gedachten. 
Gegen die Kant'ſche Lehre von ber Befchränftheit der 
menfhlichen Erfenntnig wirft er die Frage auf: 

Sollte ed denn fo ganz ausgemacht fein, daB unfere Mer: 
nunft von dem Mberfinnliden gar Nichts willen fünne? Boll 
nicht der Menſch feine Ideen von Gott ebenfo zweckmaäßig 
weben koͤnnen, wie die Spinne ige Reg zum Wliegenfang ? 

(Der Beſchluß folgt. ) 





Eine merkwürdige Irrenanftalt in England. 


Eine Icrenanftalt, in welcher die Kranken durch ihrer 
Hände Urbeit nicht blos fi) und das ganze Inftitut erhalten, 
fondern auch am (Ende des Rechnungsjahres einen baaten Uber» 
ſchuß liefern, — wie da unfere Arzte aufhorchen und die Köpfe 
fhütteln, Plus lieberide Finanzmaͤnner auffhauen, die Ohren 
fpigen und neugierig fragen werden: Wo ift die Anftalt? — In 
Englant, zu dienen. — Immer in England! — Sa, in England, 
und Heißt Zorrington» Hall; und wer mehr davon zu willen 
wünfcht als zur Mittheilung in d. Bl. fi eignet, verfihreibe 
und lefe: „„Torrington Hall; being an account of two days 
in the autunn of the year 1341, passed at that magnifi- 
cent and philosophically conducted establishment for the 
insane‘, von Arthur Wallbridge (London 1845). Torrington⸗ 
gel liegt 12 englifhe Meilen von Bath und hat feiren 

amen nad einem Hrn. Eduard Zorrington in London, wels 
cher infofern Stifter der Unftalt heißen Fan, als er der Erfte 
war, der auf den betreffenden Plan des jegigen Vorſtehers, 
eines Dr. Leth Burford Elötree, mit Eifer einging und minde⸗ 
ſtens den zehnten Theil des erfoderlihen Anlagecapitals vors 
ſchoß. Das Hauptgebäude enthält einen großen Krankenſaal, 
zwei prächtige Speifefäle nebft Küchen, ein Geſellſchafts⸗ und 
ein Billardzimmer, einen Bal» und einen Concertfaal, eine 
Bibliothek und ein Leſezimmer, laffenftuben für verfchiederien 
Unterrit, ein Auditorium zu Verlefungen, ein Theater zu dra« 
matifchen Vorſtellungen, eine Suite Badeftuben, ein Gewaͤchs⸗ 
baus, Vorrathskammern und für Jeden ein Wohn: und ein 
Schlafzimmer mit Garderobe. An das Hauptgebäude flößt eine 
zierliche Kapelle, in welcher der Kaplan nah Vorſchrift der 
anglicanifchen Kirche Gottesdienſt Hält. Diffentirende oder Ron: 
conformilten verfammeln fi in Betfälen, und einige Gehilfen 
des Vorſtehers miniftriren. Der Berf. obiger Brofchüre be⸗ 
ſchreibt das Ganze als ein ſchoͤnes, großartiges Bauwerk auf 
einem fanft aus der Ebene anfteigenden Hügel mit reigender 
Bernfiäht, In zweckmaͤßiger Entfernung befinden ſich Fabriken, 

erkftätte, Ateliers, Waſchhäuſer, Scheunen, eine Mahlmühle. 
Der Raum zwiſchen diefen Gebäuden und dem Hauptgebaͤude, 
dem Mittelpunfte des ganzen Terrains, füllt ein Blumengar⸗ 
ten. Darüber hinaus liegen die zur Anſtalt gehörigen Felder 
und Wiefen. Denn neben dem Zwecke, die Kranken zu hei⸗ 
Ien, ſteht dee, fie binfichtlich ihrer Lebensbebürfnifie von ber 
Außenwelt möglihft unabhängig zu maden. In — ih⸗ 
rer Behandlung ſagt der Verf. — er redet mit ber Bunge 
des Dr. Elötree — : 

Bas nun die Aufnahme anlangt, fo erfoderte deren Zu⸗ 
laſſung im Anfangs unfers Berfuchs bles die Empfehlung eis 
ned Wetionawich. Well indefien die Zahl auf TOO befspränft ifk, 


erfobert fie jegt vor Allem die Erledigung einer Stelle, und 
dann gibt ed immer eine Menge Bewerber. (Gleich nach fei- 
ner Ankunft wird der Irre in den Krankenſaal gebracht, 
theils damit die Kraft früherer Einflüffe aus dem Umgange 
mit Gefunden ſich allmälig fchwäche, theils damit der Arzt 
Beit gewinne, Gorftitution und fonftige Buftände kennen zu 
fernen. Sobald es rathſam, wirb ber Irre aus dem Kranken: 
faale in die Privilegien, Pflichten und Gebraͤuche der Unftalt 
eingeführt. Diefe zielen insgefammt darauf ab, alle Faͤhigkei⸗ 
ten des Menſchen, foweit es fi thun läßt, in harmoniſche 
Wechfelwirtung zu fegen: unftreitig das geeignetfte Mittel, 
Diejenigen, welche aus bem Raturtakte gefallen find, wieder bin» 
einzubringen und dadurch gefund zu machen. Wer nit im 
Krankenfaale fein muß, waͤhlt fi ein medanifches Gewerbe. 
Außerdem werden die Männer zum Garten: und Ackerbau 
verwendet, die Frauen beim Kochen, Waſchen und andern 
häuslichen Angelegenheiten befchäftigt. Abends vereinigen fie 
fi in dem geräumigen, warmen, gut erleudteten Befellichafte: 
immer, oder im Concert⸗ oder Ballfaale, oder im Auditorio. 
Disweilen gibt es dramatifche Borftellungen, denen fie beiwoh⸗ 
nen, oder fie vertreiben fi die Zeit im Lefezimmer, fpielen 
Billard, bleiben wol auch auf ihren Stuben, allein oder mit 
Bekannten. Alle Mahlzeiten werden in den Speifefälen zu be: 
Be Stunden gemeinfchaftlich genoflen. Die Kranken fie: 
en zeitig auf und gehen um 10 Uhr zu Bett, wo bann 
ämmtliche Lichter außgelöjcht werden. Cine hinreichende Zahl 

ufwärter und Gehülfen unter Aufficht des Dr. Elötrec haben 
das Nöthige zu beforgen und find für die Sicherheit der Kran⸗ 
gen verantwortlich. . . .” 

„Es war halb 4 Uhr”, fährt der Verf. in feinem Be⸗ 
richte fort, „als von einem Zhurm im Mittelpunfte des 
Hauptgebäudes eine ſtarke Glocke läutete. Dr. Elstree ſagte 
uns, fie rufe die Irren von den Feldern, aus den Gärten, 
Ateliers und Werkftätten, oder wo fie ſich eben befänden, und 
eige ihnen an, daß in einer halben Stunde Effenszeit fei. Da 
Bryant und ich uns vorher beredet, in allen Stüden den Ge: 
wohnbeiten bes Inftituts zu folgen, baten wir um Erlaubniß, 
mit den Übrigen zu fpeifen. Wir wurden demgemäß auf die 
während unfer8 Aufenthaltes und beftimmten Zimmer gewie: 
fen, uns mit Seife, Waſſer und Bürften zu erfrifchen. Die 
Bimmer fließen aneinander, und nachdem ih den Staub der 
bather Landftraße von meinem Rode gebürftet und mir dic 
Hände gewafchen hatte, ging ich zu Bryant. «Nun, Freund», 
fagte ie «was meinen Sie zu Zorrington:HalY» «Meinen?» 
tief er, «fo wahr ich Lebe, ich weiß nicht, waß ich dazu meinen 
fol. Es iſt ja hier Alles ganz anders als was ich mir biß: 
ber unter einem Aſyl für Geiſteskranke vorgeftelt habe. Ich 
begriff recht gut, wie Sie mir erzählten, daB es bier Beine 
finftern Zellen gebe, Beine Stroblager, Peine Ketten, Feine Kar: 
batfchen und was weiß ich Alles. Uber, Xiebfter, Befter, wir 
find ja bier in einem Palaſte. Ich habe mir mehr als einmal 
Bedlam betrachtet, warn id vorüberging, — troß des hübfchen 
Gartens vor der Fronte eine traurige Affaire. Was ich je: 
doch nun mwiffen möchte, ift mit einem Worte: wer alles Das 
bezahlt?» «Das Inftitut ift eins, das ſich felbft erhält», er: 
roiderte ih. «Mas die Felder, Gärten und Wiefen erzeigen, 
und was in den Fabriken und Werkftätten gefchaffen wird, das 
{ft der Reichthum, der ale Bedürfniffe beitreitet, direct durch 
Conſumtion und indirect durch Zaufchhandel.» «Bo, for, ver: 
feste Bryant, anun ich denke, Darüber wird nach Tiſche Nähe: 
red zu erfahren fein. Jetzt müflen wir hinunter, obſchon ich, 
aufrichtig geftanden, mich gar nicht fehne, mit irrfinnigen Män: 
nern und Frauen in fo nahe Berührung zu fommen.»' 
„Wir fanden das Gefellihaftszimmer vol Männer und 

Frauen, fämmtlid über die Jahre des Wachsthums hinaus; 
ein anderes Zimmer, worin Abends getanzt und welches Mit: 
tags als Berfammlungszimmer benugt wird, war, wie Dr. Els⸗ 
tree verficherte, gleichmäßig vol. Die mir zu Geſicht kamen, 
unterfchieden ſich aWerdings durch Manier und Yußeres, hatten 
U U U U 0y 5 


dee indg einen Anſtrich von und nichts Ge⸗ 
meines. Gie waren nett und einfach gekleidet, Schnitt und 
Zarbe nach Jedes Wahl und Geſchmack; denn, wie ic fpäter 
von Dr. Eistree erfuhr, es war ihr regelmäßiges Tagewerk für 





bie Anftalt beendigt und bis la die Zeit 
ie... Bum Cpteden fehlte DIE Gelsgenbeit"da wi I 





nad fünf oder ſechs Minuten auf das ellen einer Glode 
uns in den Speiſeſaal begaben. Ein ganz hübſches Mid: 
chen vertraute fi meiner güprung- Bryant wählte eine Us: 
dere. Sämmtliche Männer boten den Frauen den Arm, und in 
fo gutem Stil, als wären wir auf Belgrave- Square, gingen 
wir zu Tiſch. In der ganzen Länge des Saals ftanden drei 
parallel Laufende -Zafeln, die mittlere etwas größer als die a: 
dern, und am obern Ende ein hober Armftuhl. Diefen nahm 
Dr. &lötree ein. Bryant und ich faßen ihm zu beiden Geiten 
Ale übrigen, die Irren fowol als die Gehuͤlfen, fegten ſich, wie 
fie wollten, auf bequeme Stühle, theils zu unferer Mitteltofel 
theil& zu einer der zwei andern. Es waren ihrer zufemmen 
340. Während wir in unferm Speiſeſaale unter Aufficht di 
Dr. Eiötree operirten, that eine gleiche Zahl daflelbe in dem 
zweiten Saale unter Auffiht des Kaplans. Die Speifen mo 
ven vollauf und trefflich zubereitet; es gab aber weder gewürzt 
Gerichte, noch Wein: das Reglement des Jnſtituts verbietet 
alle geiftige Getränke und macht zu Gunſten darnach lüͤſteran 
Fremden Feine Ausnahme. Statt perlenden Champagners hattın 
wir frifches, perlendes Wafler, und diefes heiljame Getranl, 
das in elegant gefchnittenen Glaskrügen längs der Tafel fand, 
ſah fo verführeriih und ſchmeckte fo kalt und rein, daß mi 
ung nichts Befferes wünfchen Eonnten. Cine heitere Stimmung 
—5 vor, ein allgemeiner Wunſch, gefällig zu fein und Se 
alligkeit zu erfahren. In lautem Gefumme ſchwirrte das Ge 
fpräch und mitten durch Hang mäßiges Lachen.” N. 





— J— 





Miscellen. 


Johann Fauſt, der berüchtigte Schwarzkuͤnſtler, geborm 
zu Anfang des 16. Jahrhunderts ward, nach der Gage, un 
41. Zahre feines Alters vom Teufel, mit dem er ein Bünbaif 
auf 24 Jahre gefchloflen, gewaltfam getöbtet. Umſtoͤndlicher 
ſpricht hiervon Joͤcher im „Gelehrten-Lexikon“ (2%. 2 
S. 531). Gigentlich ſcheint diefer Kauft ein fertiger Taſchen 
fpieler geweien zu fein, der die Ränder durchzog und fich ren 
feinen Gaufeleien nährte. Da er zur Beit der Reformaktit 
febte, wo der Glaube an Hererei und Teufelei noch die Küpk 
beberrfchte, fo war es kein Wunder, daB er für einen AN 
felßbanner galt, der feine Künfte nur durch Hülfe der böft 
Geifter hervorzubringen vermöge. Dieſes Vorurtheil madttt 
fich in der Folge Andere zu Rug, indem fie unter Fauf’s 8 
men allerlei Zauberbücher ſchmiedeten, welche fie Leichtglärbi 
gen fehr theuer verkauften. Eines der berüchtigteften darun“ 
ift „Der Höllenzwang “, welcher noch vor mehr als 50 Jah 
ven mit 100 Thalern bezahlt worden if. Adelung hat dicke 
Teufels» und Geifterkefhwörungstractat in dem 1789 heran: 
gekommenen fiebenten Theile der „Geſchichte der menſchlichtn 
Rarrheit” (S. I6h408) wieder abdrucken laffen und dadurth 
feine Seltenheit vermindert. 


- Roc im 17. Jahrhundert war ed in Rom verboten, © 
ben in lateinifcher Sprache herausgegebenen Büchern ſich N 
Wortes „fatum‘ zu bedienen. Diefem Verbote ſuchte eu 
Schriftfteller dadurch zu entgehen, daß er in feinem Buche Fin 
Zerte „facta”, am Schluſſe aber unter den Eirratis dru 
ließ: facta leg. fata. Umgekehrt ereignete fich der 3.0, 7, 
in einem Buche fehlerhaft gedruckt war: „Virgo fata eat ot ı 
wozu der inquiſitoriſche Cenſor am Rande bemerkte: „Pro 
sitio haeretica, nam non datur fatum.“ 


Berantwortliher Herausgeber: Geinrich Brodpand — Drud und Berlag von F. X. Brodhans in Beipzig 


Blaͤtter 


für 


literariſche unterhaltung. 





Freitag, 





Georg Chriſtoph Lichtenberg. 
( Beſchius aus Mr. 236.) 


Daß Lichtenberg von Jugend an über die Religion 
ſehr frei gedacht, haben wir von ihm ſelbſt gehört; 
aber ex fuchte nicht den Ruhm eines ſtarken oder Frei⸗ 
geifted; und noch mehr war er zu befonnen, zu verftän- 
dig, um je ein Fanatiker der Srreligiofität zu werben. 
Er fühlte fi wohl gemüthlic zur Religion hingezogen, 
aber nicht geneigt, Etwas anzunehmen, zu glauben, was 
m gegen die Bernunft zu fein fchien; ein Dann von 
der reinſten Wahrheitsliebe und der feltenften Aufrich- 
tigkeit gegen ſich felbft, prüfte er die Beweiſe für das 
Chtiſtenthum aufs ſchaͤrfſte und beleuchtete namentlich 
die Uerzeugungskraft der Wunder; ein zu confequenter 
Denker, ale daß er hätte in feinen Forſchungen und 
Folgerungen ftille ftehen follen, ehe er bei dem legten 
Rejultate angelommen, war er doch andererfeitd ein zu 
taftlofer und die verfchiedenen Seiten und Momente ei- 
wr Gache unpärtelifch ermwägender Geift, als daß er 
fich eigenfinnig in einer Anficht feſtgerannt hätte; und 
er war ganz gewiß von Stimmungen und Gefühlen ab» 
bängig, und Faßte unter verfchiebenen Einflüffen die Ge⸗ 
genftände in verfchiedenem Lichte auf, obgleich er ben 
eigentlihen Skeptiker zu fpielen fich nicht einfallen ließ. 
Über Chriftenehum und Vernunftreligion fpricht er fich 
änmal fo aug: 


Ih glaube von Grund meiner Seele und nady der reif: | 


fen Überlegung , daß die Lehre Ehrifti, vom Pfaffengeſchmiere 
geſäcbert und gehörig nach unferer Art fi außzubräden ver: 
den, das vollfommenfte Syſtem ift, das ich mir wenigftens 
denken kann, Ruhe und GBlüdfeligkeit in der Welt am ſchnell⸗ 
fien, fröftigften, ficherften und allgemeinften zu verbreiten. Yllein 
ih glaube auch, daß es noch ein Syftem gibt, das ganz aus 
der seinen Vernunft erwächft und eben dahin führt; allein es 
M nur für geübte Denker und gar nicht für den Menfchen 
überhaupt; und fände es auch Eingang, fo müßte man doch 
die Lehre Chriſti für die Ausübung wählen. Chriſtus hat fi 
ingleih nady dem Stoff bequemt, und Dies zwingt felb dem 
Ateiften Bewunderung ab. Wie leicht müßte es einem folchen 
Geifte gewefen fein, ein Syſtem für die reine Vernunft zu er 
denken, das alle Philofophen völlig befriedigt hätte? Uber wo 
ind die Menfchen dazuk Es wären vieleicht Jahrhunderte 
den, wo man es gar nicht verflanden hätte, und fo Et⸗ 
wos follte dienen, daB menſchliche Geſchlecht zu leiten und zu 
lenken und in ber Tedesſtunde aufzurichten? Fr 


nicht die Jeſuiten ‚aller Beiten und aller Bölker daraus ger 
macht baben ? 

Wir müffen es uns verfagen, auf die pfochologifchen, 
moralifhen, politifhen Bemerkungen u. f. w. Lichten- 
berg's einzugehen: fie find freilich alle aus Einem Geifte 
entfprungen, find die Anfichten eines tiefen Denker, eir 
nes ſcharfen Beobachters, eines umfaffenden, geiftvoll 
und wigig combinirenden Kopfes; aber wenn man dar⸗ 
aus, als aus Moſaikſtücken, ein Syſtem zufammenfegen 
wollte, würde man, falls e8 auch ſcheinbar gelänge, doch 
dem Sinne des Verf. Unrecht und Gewalt anthun, weil 
er alle diefe Dinge nicht als ein Syſtem zufammenge- 
dacht, fondern, feine Ideen und Gedanken in einzelnen 
Richtungen verfolgend, diefe Säge als ein Mittelding 
zwifhen Denkrefultaten, Eingebungen des Augenblicks, 
der Stimmung und Hypotheſen, aufgeftelt hat. Man 
würde wenig nad Lichtenberg's Sinn handeln, wenn 
man diefe Säge auf feine als eines fcharfinnigen, tief 
dentenden und wisigen Mannes Autorität hin anneh⸗ 


men und nadfprechen wollte: in feinem Geifte ift es 


nur, wenn man fie ald Stoff und Problem des Nace 
denkens und der Prüfung behandelt. Klage er doch 
felbft fo fehr über den Mangel an Selbſtdenken, Prü⸗ 
fen, Beobachten in Deutfchland: 

Durch die Gewohnheit, immer füße Lehre leicht zu empfan: 
en, erſchlappt bei den Meiften das Talent, felbft zu fuchen. 
ie ſehen daher in allen Dingen gemeiniglid nur, was fie 
bon wiflen. Empfehlung vertritt die Stelle von eigener Pruͤ⸗ 
ung, Rarhichlagen von Nachdenken und Unfehen von. Würdig⸗ 

keit... Ohne ſich und Andere zu beobachten und zu kennen, 
und das Erkannte fo beftimmt fagen zu lernen, daß man bie 
Wohrheit, Neuheit und Individualität der Bemerkung auch 
durch Das abgefchliffenfte Wort erfennt, dürfen fie einen An⸗ 
ſpruch machen auf wahren Ruhm . . . machen. oo 

Dies find Worte aus einem Auffag, morin er ben 
Dramen » und Romandichtern genaues Studium und in- 
bividuelle Darftellung der Charaktere empfiehlt und ih⸗ 
nen einige Modelle von Bedienten vorführt. Berner 
enthält die Sammlung zwei Lebensbefchreibungen von 
Coot und von Kopernicus, Mar und einfach gefchrieben, 
und einige kleinere fatirifche und polemifche Auffäge, fo 
wie zufammengeftellte Lefefrüchte, Bemerkungen darüber 
und bergleichen. 

Noch wäre Etwas über Lichtenberg’s Stil und Sprache 


‚ wab würden | und insbefondere über feinen Wig zu fagen, aber hier⸗ 





Fe 


N € 
über wollen wir uns kurz faffen. Daß fein 
kraͤftig, bündig, treffend, feine Sprache Mar und einfach 
ft, Hat man wol aus ben angeführten Proben zur Ge⸗ 
nüge erfehen. Er prunkte nicht mit Worten, ſondern 
fegte den Werth der Darſtellung darin: Wahres,⸗ wo 
möglich Neues, jedenfalls aber Selbſtzedachtes, Selbſt⸗ 


%, 
2. 


? 


Ausdruck 


beobachtetes oder Selbſtgepruftes fo verſtaͤndlich, fo kurz 


und fo einfach gefällig als möglich zu ſagen. Daher 
war er in der Regel kein Freund vom Wortwig, wel 
cher mit der fehönrebenden Phrafendrechfelei” nahe ver 
wanbt‘ift. Sein Witz liegt faft immer in den Sadıen, 
in den Gedanken. Über die Quelle deffelben wäre es 
wol etwas Beftimmniee ſagen zu wollen; er ließe 
ſich vielleicht nad) einigen Merkmalen in befondere Claſ⸗ 
fen bringen; aber damit wäre weder deffen Entſtehung 
in Lichtenberg’s Geift genügend erklärt, noch eine An⸗ 
leitung gegeben, es ihm nachzuthun. Nur Das bemer- 
Zen wir, daß fein Wig überall von der größten Ber- 
ftandesfhyärfe und Klarheit zeugt, nichts Schiefes und 
Schielendes hat, und daß er eim ausgebreitetes Wiſſen, 
eine große Lerture in den verfihiedenften Fächern, ſowie 
das Gegenwärtigfein eines reichen Stoffe, man möchte 
füft fagen, deſſen Vorüberziehen an feinem Gifte, vor- 
ausſeßt. Unter ben wisigen und fatirifchen Einfällen 
und Bemerkungen, und ben wisigen unb komiſchen Aus⸗ 
drüden und Vergeichungen if allerdings Manches, das 
gerade nicht die firenge Probe hält; aber Lichtenberg 
Bat Dies nur flüchtig niedergefchrieben, noch nicht verar- 
beitet, und in der Abhandlung über die Phyfiognomtt 
iſt jedes Wort fhlagend, jeder Wiß treffend. „Es gibt 
für mich keine gehaͤffigere Art von Menſchen, als bie, 
welche glauben, daß fie bei jeder Gelegenheit ex officio 
wigig fein müßten”, fchreibt er, und ohne Zweifel hielt 
ee fi) auch danach. Er war meit entfernt vom leicht⸗ 
finnigen Wigbold; er mochte, bei feiner feinen Empfäng- 
lichkeit für den Wig, ihn oft auch da finden, wo gröbere 
Drganifationen ihn gar nicht oder nur in gar ſchwacher 
Dofis zu wittern vermochten; aber im Ganzen fehlt fei- 
nem Mige nie die Folie der ernfien Wahrheit; und 
manchmal gemahnt er faſt wie die außerordentliche aber 
glückliche Anſtrengung eines von den -Mühen und 
GSechmerzen bes Lebens bei einer allzu zarten Organifa⸗ 
sion angegriffenen und gebrüdten Geiftes, fidy über ben 
Mellen und im Gleichgewicht zu erhalten. Wir fchlier 
fen mit einem Wert Goethe's: 

Lichtenberg'’# Schriften konnen wir und ald der wunder 
barften Wünfhelruthe bedienen: wo er einen Spaß macht, 
Viegt ein Problem verborgen. 33. 


* 





Ruffifhe Literatur. 


3. Petſcharia, ober: Bin Dell im Kaufafus. Aus den Ya- 
wieren: eined vufüihen Dffisier6 Bernuägeg 
mentem, Frankfurt a. M., Literaxiſche Unftelt. 1345. 8, 
ı Xhlr. 727, Ror- 

Als Forſter's Dtahaitier im parifer Yflanzengarten eine 
Ime feiner Heimat erblidte, umarmte er den Baum voller 
En ganz en dich Gefühl ınisvergmügter Ent- 

tiufung mag in. manchem Lehre das nannte 
vorbringen. Bon einem Schriftfieller eines Volkes, das von 


diſche 


Mury ein mit pfochofogifcher Beinkeit 
den von 8er: | wä T 


% .,"* ’ 


ganz anderer Abſtammung ift als wir, das in ganz anderer 
Umgebung und unter ganz andern Bilbungsbebingungen, als 


Dhe abendländifchen Völker, in die Höhe gewachſen if, werden 


Biele auch ein Werk erwarten, daß in feinem Charakter, in 
feiner Färbung fo fehr von unferer Literatur abflicht, wie die 


öde Steppe, Die kaum erſt fi der Roheit entwindende Cultur 
und die A gugekehete Welt Rußlands von den belebten und 
mannnichfache Ubwerhfelung "bietenden Gefilden und der tagfen 


jährigen Gefittung des Abendlandes. Bei diefer Vorausſezung 

vergißt man aber, daß die ruſſiſche Literatur auf ganz anderm 

Boden entftanden ift als die ded übrigen Europas. Zepter 

fteht in beftändiger Berührung mit bem Volke und fchöpft aus 

den Gedanken und Empfindungen deſſelben den Stoff zu ir 
von peetifhen Geſtaltungen. Sie, die felbftiebendigen, wecken 
auch wieder im Bolfe Leben, welches dann, wie der Baum 
feinen ZJahresring, wieder einen neuen Gedankenkreis anſeht, 
aus dem fidh der Keim einer neuen BT der Literatur ent 
widelt. Anders if es in Rußland. Hier Helfen Volk und ge: 
bildete Geſellſchaft zwei getrennte Schichten dar. Erſteres hat 
feine Literatur in zahlloſen, von Mund zu Mund gehenden 
fhönen Volksliedern, die aber nicht falonfähig find. Dir ger 
druckte Literatur, die auf das Wolf fon wegen feiner Unnik 
fenbeit nicht wirken kann, ſtanmt aus der feinen Geſellſchaſt, 
die überall Nichts mit der Rationalität zu thun hat und fob 
mopolitiſch ift, weswegen fie ſich aud; gern „bie Welt” nennt 
Den Ruſſen erſchien wegen ihrer fpäten Sittigung das Katie 
nale als ber Segenfag der Bildung; fie bezogen ihre Cultu 
direct von dem Auslande und gebahrten fich dabei ziemfich mie 
die Wilden, wann fie europäifchen Schmud in Die Hände be 
fommen. In der Haft, den Europäern gleich gu werden, ie 
bängten fie fih oßne Auswahl mit allerlei fremdem Ehmud 
und Sand: mit deutfchem, franzoͤſiſchem und englifchem. Do 
aus einer ſolchen, nur aus europaifdsen Elementen, ohne Hinzu 
tritt eined einzigen vollschämlichen, entflandenen Bildung auf 
nur eine Literatur entfichen konnte, die ſich vom ber abemblär 

ifchen ee durch den faſt allgemeinen Mangel an inner 
Driginalität nur wenig unterfcheidet, Liegt auf der Hand. Kur 
der verarbeitete Stoff iſt zuweilen ein anderer, bie Anfhauung® 
weife und die Technik des Kuͤnſtlers bleiben im Ganzen dieſelben 
Daher darf ed derm nicht Wunder nehmen, daß wir in dei 
ruſſiſchen Literatur diefelben Typen wi den, wie in bet 
abendlaͤndiſchen, nur mit dem Unterſchiede, daß wir und um 
mindeftend zehn Jahre zurückverſetzt fehen, wie ja auch die 
Dame in der Provinz heute in derfelben allerneucften Mode 
herumſtolzirt, die in der Hauptſtadt fon feit einem Sabre der 
Betrgeſſenhett anheimgegeben if. Go tritt uns denn arch IM 
Petſchorin noch der Lang todtgeglaubte Kerrifiene eatgt 
gen, der feit Byron durch alle Literaturen des Übendlandes 
fpufte: derſelbe fchöne, blaſſe, interefiante und fehs coquelit 
junge Mann, dem „das Unglüd feinen Stempel anfgenrägl 
bat’; diefelbe Blafırtgeit, weiche die Schuld ihrer eigenen un 
begrenzten Gelbftfuht gern mit hochtrabenden Phrafen dem 
Schickfal in die Schuhe fehiebt; Burg: die Romantik der Sal 
in ndſchuhen und Frack, diefelde, weiche früher als Rt 
ter· und Räuberromentil im Harniſch und: mit dem Humpen ef 
trat. Nur der Stabscapitain, der treuberzige, ein Rors 
Maxiwitſch ift eine originelle Figures fon finden mir dieſch 
ben Typen wieder, die ums in ber europäifchen Geſellſchoſt 
begegnen. Demungeachtet iſt der Romen anziehend. Das Ark 
teuer mit der. tſcherkeſſiſchen Furfientochter iſd poetiſch und zart 
in Grfindung und Yusführung; die Bebensgefihichte des Züri 
außgefühetes Geringe 
wälde, deſſen büftese Schatten durch die leiſe Zronie des me 
ſchenkundigen Weltmannes gehoben werden. Dev Reſt Wü 
nicht viel bedeuten. 

3. Die todten Seelen. Ein fatiriih-Fomifihes Beitzemäfde HMM 
Ritokai Bagel. Mus dem Wuffifchen übertragen, mi 
Unmerlangen vesfehen and Beuorwortet von Ph. Löbenfri® 
Leipzig, Ph: Retiam. 1546. 8. 1 Mir, 15 Ryr. 

. Der Überfeger verfühert uns, Daß die Rovelle „Die todie⸗ 


Geden” in Nußlenb ein Anuitähuc fei, welches nicht wenigen 
Lulichen gemacht babe, als in Brankreich. „Die Geheimniſſe 
von Paris”. Gr weint damit wol bioß, dag das Much unter 
den gebildeten Staͤnden allgemein verbreitet ſei; denn wie ein 
Kuh in Rußland, wa dus Wolk wicht lefen kann, cin Molls- 
tuh werden kann, begreifen wir nicht. eine Popularität 
mag es in Rußtend den Borzügen verdanken, bie es auch und 
wiereffant machen. Der Stoff ift nanz aus Dem Volksleben 
gegriffen und mit vielem Humor behandelt. Der Swiripalt 
mifhen ruſſiſcher Bildung und ruſüſchem Bolkeleben, auf den 
wir oben hindeuteten, wird bier ganz natürlich durch Den ſati⸗ 
then Standpunkt, den des Berk feinem Stoffe gegenüber 
cmimmt, verföhnt: Der Gang der Erzählung ift in Kurzem 
folgender. Gin Herr, nicht ſchoͤn und nicht haͤßlich, micht zu 
die und nicht zu mager, nicht alt und auch nicht mehr jugend» 
lich, kommt in einer rulfifhen Provinzialſtadt an. Gr bat 
nichts Eiligeres zu thun, als fi den Henoratioren des Ortes 
as Collegienrath und Gutsbeſiger Cſchitſchikow vorzuftellen. 
Blatt, ſchmiegſam und fügſam weiß er ſich batd die ganze Stadt 
und die Gutöbefiger der Umgegend zu Freunden zu machen. 
Bas aber ift der eigentliche Zweck feines Reife? Das erfah⸗ 
ten wir bald bei Gelegenheit der Beſuche, die er feinen neuen 
renden, den Bandedeileuten, auf ihren Gütern abftattet. Er 
will todte Seelen kaufen, nämlich geflosbene Leibeigene, die 
aber auf den Reviſionsliſten noch als lebendig aufgeführt find! 
Dabei erhalten win Schilderungen des Lebens der Heinen ruſ⸗ 
fihen Edelleute, mit niederländifcher Ausführlichkeit gemalt, 
und lernen die originellften Sharaktere kennen, wie in der dra⸗ 
fl wirkenden Beshandlung mit dem Gutsbeſiher Sabakowitſch, 
der, um feine hohe Foderung für die todten Seelen zu recht⸗ 
fertigen, von ihnen ruhmt, daß fie Bein Ausfchuß, fondern lau: 
ter geſchickte Handwerker und tüchtige Landleute jeien. Später 
fahren wir, daß Aſchitſchikow ein entlafienes Beamter ift, 
der feine zuinieten Wermögendumftände dadurch verbeſſern will, 
dab er die gekauften todten Leibeigenen bei dem Pupillencolle 
gium vernfändet. Ob ihm Das gelungen ift, erfahren wir nicht. 
da der Meinen Stadt aber, in die er nach feinen Ausfluye 
auf das Land zurückkehrt, verbreiten fi in Folge feines Han 
deid mit todten Seelen die abenteusrlichften Gerichte, und die 
derotatieren meiden ihn jegt ebenfo fehe, wie fie ihn fruͤher 


en. Das veranlaßt ihn die Stadt zu verlaſſen und in 


cam andern Gouvernement nad) todten Seelen auszuziehen. 
Damit jhliet der Roman, dem allerdings, wenn man ihn als 
Kunſtwert betrachten will, namhafte Gebrechen, hauptfächlich 
ne ungeſchikte Entwidelung des Hauptcharakters, vorzuwer⸗ 
fen find; der aber wegen ber minutiöfen, doch nicht ermuͤden⸗ 
den ESchilderung eufiicer Band» und Gtabtjitten, wegen der 
Ootise, die nicht eben fein, aber immer treffend und won Wir: 
bmg if, und wegen der oft bvaftifchen Komik der Charaktere 
und ionen, ein intereffanter und unterhaltender Beitrag 
HE Fenntaiß der rufhfchen Literatur genannt werden muß. 
Der Überfeger ruͤhmt die Kühnheit der Satire, die fich ſelbſt 
nicht fheue, der Meyierung manche bittere Wahrheit ins Bes 
X zu fagen. Bir können Dem nicht beiftimmen. Gogol 
geißelt fa nur fociale —— , die Auslaͤnderei der Gebil⸗ 
deten, die Läcperfichkeiten der Kleinftädter und Ahnliches, und 
verfeigt ſich im feiner politiſchen Satire nur bis zur Beſtech⸗ 
lichkeit der Beamten, die er noch dazu faft wie ein fhöne La: 
fer, eine angenehme Schwäche behandelt. Was er über weib: 
Ihe Erziehung fagt, paßt nicht bis aufRußland. Cine gute 
Erjiehung erhaͤlt man, wie befannt, in Penfionen ; und in Pen⸗ 
haar en drei Wen Fr ie — eiler 
ler menſchlichen Tugenden: die franzoͤñſche Syrache, unum⸗ 
ganglih nörhig für das Häusliche Slück; Pianoforte, um dem 
Gatten angenehme Augenblickt zu verſchaffen; und endlich ber 
agentliche wirthfchaftfiche Theil, das Striden und Sticken von 
en und andern libersafhungen. 
3 Ammalat: Beck⸗ Eine Ersäßlung aus dem Kaukaſus von 
Uerander Märlinsti. Uns dem Ruſſiſchen von Ph. 
Libenftein. Reipzig, Spomas. 1845. 8 K Zur . 











4.. ui » Rear: Bine Gulhlung aus un Baulafns vom 
Alsrander RariinsPl, Aus dem Rufülden. von Ph. 
Löbenfein. Leipzig, Xhomas. 1845 8. Kyle. 74, Net 

9. Skitzen aus dem Kaulafus von Ulerander Marlinski. 
Rach der dritten Auflage aus dem Ruſfijchen von Ph: Lör 
benfein. Leipjig, Shomas 1845. 8. 1 Splr. IV Ren... 

Der Kaukaſus iſt für die Ruſſen ber Lig der Romantik, 
aber nicht jener liebllchen Jungfrau mit ſchwärmeriſchem Auge 
und walendem Saar, bie auf weißem Zelter durch den klingra⸗ 
den, fingenden Wald ſirriſt: die zieht überhaupt er aim, 
wenn bie Aüchterne Siviliſation ale tomantifchen Geluͤſte mit 

Policei und Gensdarmerie Ausgetrieben Hat, und iſt nur WE 

geweihten Auge des Dichters fichtbar. Im Kaukaſus, wo bie 

Givilifation ihre befruchtenden Furchen, die Straßen, noch nicht 

genogen hat, wo noch Peine englifchen Miffes, mit Sonnenfhient, 

heekeſſel und geologiſchem Hammer bewaffnet, die Erhaben⸗ 
heit der Natur nach Vorſchrift ihres Reiſehandbuchts bewun⸗ 
dern, iſt Wirktichkeit und Romankik noch Cine. Gtarr und 
öde, nur unwegfamen Wald oder Lahlen Fels zelgend, nur be⸗ 
wohnt vom Adler und vom Raubwild, ober von halbwilden 

Menſchen, die noch räuberifcher und grauſamer find, fteigt daB: 

Gebirge in die Höhe. Auf halsbrecheriſchem Pfade zieht wohl⸗ 

bewaffnet und ſtahlgeharniſcht, begleitet von feinen ARudım, 

dev Tſcherkeſſenhaͤuptling sum befreundeten Aul, oder allein 
und mit verhälltem Unt w zur Blutroche. Oder von ellenden 

Beten getragen geht der Saͤbel, wie in den ſchottiſchen Hoch⸗ 

landen das blutige Kreuz, von Hütte zu Huͤtte, die Bevölke⸗ 

rung zum Kämpfe gegen den ruſſiſchen Erbfeind auffodernd. 

Da beicbt fi) das öde Gebirg. vorher nur der Wolf 

ſchlich oder der einfame Räuber, da ziehen jegt zu Tauſenden 

die Tſchetkeſſen hinab ins feindliche wohlhabende Thal, wm 

Rachedurſt und Beuteluſt zugleich zu befriedigen. Mit ver 

Schiauheit und Gewandheit des nordamerikaniſchen Indimers 

fchleihen fich die Vorderſten an die feindliche Vedelte und der 

arglofe Koſack finet vom Pferde, getroffen vom wunfihtbaren 

Feinde. Dann flürzt die wilde Schar, wie ein Strom dei 

beimifchen Gebirge, auf die Dörfer, trägt Überall Brand und 

Verwüftung bin, und zicht beutebeladen wieder nach der un⸗ 

nahbaren Älpenſchlucht zurüd. Das ift noch ein Stud leben⸗ 

diger, greifbarer Remantik mitten unter der platten Alltags⸗ 
cuitur, wie auf wnabfebbarer, ebener Steppe noch ein riefiger 

Granitblock, den ein anderes Erdalter Hier zuruckgelaſſen, ver⸗ 

einfamt, aber flaunenerregend daliegt. 

Mitten unter dieſe Gebirgsvoͤlker mit allen Nugenden und Fehe 


lern naturfräftiger Barbaren verfept uns Martinsti’s erfte Ro 
velle: „Ammalat ˖ Beck.“ Marlinski if berfeibe Beſtutſchef, der in 
die Verſchwoͤrung von 1825 verwickelt, erſt zum Tobe verutt heill 


und dann als gemeinet Soldat nach dent Kaukafus geſchickt, Fr 
von einer tfiherkeffifchen Kugel getroffen, feinen Tob fand, | 


nen altberühmten Ramen Beftutfchef verlor er durch kaiſerlichen 
Machtforuch; tm feinen neuen wob er feibft tinen Glanz, der den 


Kubm feines alten bald überftrahlte: Aus Allem, was wir bis 


| jege von ihm zu fefen Gelegenheit fanden, tritt uns eine echte 


Dichternatur entgegen: ſelbſt da, wo der blafirte &pott des 
genußfatten Eavalters durch die Hlühende Naturſchwaͤrmetei des 
Poeten hindurchblickt. berall fpüren twir in ihm ſelbſt Etwas 
von der Blut und Tiefe eorientaliſcher Leidenſchaft, bie er im 


den Charakteren feiner Rovellen fo treffli und fo dramatiſch 


darzuſtellen weiß. Ammalat⸗Bech ift eine ſolche Geſtalt, in de⸗ 
ren rakter nichts Halbes, kein grauer, unentſchiedener Tem 
u finden iſt. Bon den Buflen gefangen genommen und durch 
ben Dberſt Werhowsti vom ſchmachvellen Tode errettet, feffelt 
ihn Dankbarkeit mis leidenſchaftlicher Treue an den väterlichen 
Freund. Durch ihn wird er mit den Bundern bee 38 
Civiliſation bekannt gemacht, und fein reichbegabter Grißt 
wirft ſich mit raſtloſer, heißer Begler auf bie Durchforſchung 
der neussöffncten Belt. ion aber er er * 
benmüthig und kindiſch, üthig und argli 
—— at in — und 2 ein Rates 


| 


meldes. bie blaffe Gemütplickeit und, bad agrfländige, 


getmättig »tühle Mefen feines Freundes nicht begreifen Fann. 
Hhnedies kann er ja in der neuen Gedankenwelt, die fein Freund 
vor ihm aufthut, nicht recht heimiſch werden. Bald ſchwaͤrmt 
er jubemd und freubeberaufcht wie ein Kind durch den Sauber 
garten vol wunderbarer Blumen, bald wieder läßt er zagend 
ab von feinem Beginnen, denn die Unendlichkeit des niegeahn⸗ 
ten Willens zeigt ihm nur das eigene Selbſt in demüthigender 
Kleinheit; und das Hart Licht der Erkenntniß zerflört alle Illu⸗ 
fionen des Raturkindes, veröbet feine alte Heimat, ohne ihm 
eine neue zu geben. Das europäifche Weſen wird ihm zuwi« 
der; das Heimweh lockt ihn nach den Bergen zurüd, und noch 
mehr die. Liebe zu Seltaneta, der Tochter des ruffenfeindlichen 
Sultans Achmet Khan. Ammalat möchte fliehen, doch Wer: 
chowsti, dem er fein Leben verdankt, bürgt für fein Bleiben. 
Endlich entfcheiden den langen Kampf zwiſchen den Foderungen 
Der Liebe und der Dankbarkeit die tudifchen Einflüfterungen 
Ahmet Khan's, der Ammalat überredet, Werchowski wolle ihn 
verrathen.. Die frühere ſchwaͤrmeriſche Freundichaft jchlägt ur: 
ylögli in wilden Haß ums als Preis des Abfalls lockt Sel⸗ 
taneta’8 Befig, und von Liebe und Rache zum Wahnſinn ger 
bracht, erfchlägt Ammalat den Oberſt und flieht in die gr 
zurüd. Erſt da erfährt er, daß man ihn getäufcht. Und wäh: 
rend ihn die bitterfte Neue verfolgt, wird er aud von feinen 
Stammgenofien als ein Frevler am heiligen Gaſtrecht verftoßen 
und bis an feinen frühen Tod wie Kain gemieden. 
Marlinski's zweite Novelle: „Mullah⸗Nur“, verfegt uns 
auf ein ganz anderes Terrain, an den füdliden Abhang des 
Kaukaſus unter die dagheftaner Zataren. Dort liegt Der- 
bend, auf Rußlands Befehl vom Zeufel in einer Nacht erbaut. 
‚Der Teufel bauete im Finitern und eilig; er Enetete mit fei- 
nen Zagen Die Steine, fpaltete fie, befpudte fie dann, warf 
ein Haus aufs andere, maß die Straßen nach feinem Schwanze: 
mit der Morgendämmerung ftand Derbend da. Doch die Mor: 
genröthe ädhzte vor Beftürzung, als fie den erſten Blid darauf 
warf: Das war ein Strom von Steinen und Schmug, mit 
Spalten ftatt der Straßen, in denen fich felbft der ehrenwerthe 
Erbauer am hellen lichten Tage nicht zurechtgefunden hätte. 
Aue Häufer kamen blind zur Welt; ihre Schädel waren von 
der. Höllenferfe abgeflacht; fie Prachten vor Enge, fo einge 
Hemmt waren fie zwiſchen zwei hoben, ungemein langen Mauern; 
daB Ganze glich einer ungeheuern Schlange, die unter den 
Schuppen der Häufer fih von den Bergen bis in die Ebene 
dehnte, deren zadiges Haupt das Schloß Rarün bildet und be: 
ren :Schweif fih im Kaspiichen Meere verliert.” Derbend ver: 
ſchmachtet yon einer furdhtbaren Dürre: die Felder find ver» 
brannt, die Vorraͤthe aufgezehrt, und eine Hungersnoth droht. 
Kein Gebet will helfen, der Himmel bleibt wolkenleer und kein 
Troͤpfchen wit fallen; da kommt ein frommer und angefehener 
Schriftgelehrter der Stadt aufden Gedanken, nach altem Brauch 
einen an Leib und Seele reinen Jüngling den Gipfel des 
Schagdag befteigen zu laflen, damit er dort einen Krug voll 
ewigen Schneed hole, der ind Meer gefhüttet nad der Sage 
Regen berbeibringen fol. Run ift zwar Derbend eine fehr 
fromme Stadt, aber ein reiner Juͤngling ift trog aller Gott: 
feligkeit unter der glübenden Sonne des Drients ſchwer zu finden, 
mal da die Zungen in Derbend fehr fpig find. Endlich aber 
alt die ‚Wahl des Volkes auf Iskender: Bed, einen ſchoͤnen 
und Priegerifhen Züngling,: der aber gerade deswegen auf dab 
Kramervolf ber Derbender verächtlich herabblidit und auch von 
ihnen wegen feines Stolzes nicht eben geliebt wird. Doc, die 
Noth ift dringend und Zetich- Ali, der Wite, der den Mugen 
Rath :gegeben, foll die Botfchaft ausrichten. Jskender erklärt 
fih zu dem gefahrvollen Wagftüd bereit, denn Fetſch⸗Ali lockt 
ihn mit dem trügerifchen Verſprechen: ihm feine Tochter Kitſch⸗ 
. eng, die Fakender liebt, und um die er bereits vergebens ge:. 
worben, ar Yattin zu geben, wenn er wirklich durd feine 
Apgt. der. Dürze ein Ende mache. Auf der gefahrvollen Reife 
teißt.. Zskender mit Mulap-Rur aufammen, einem gefücchteten 
Mäuber oder. mehr Ritter vom Gtegreife,. einem Beſchuͤtzer der 


Schwachen und einer Zuchtruthe übermärkiger Reicher. Unſer 
Held kaͤmpft tapfer mit dem Räuber: und erwirbt ſich feine 
—— ‚ die ihm ſpaͤter, als Fetſch⸗Ali treulos dab gege⸗ 
ene Verſprechen nicht halten will, obgleich, wie der Jüngling 
ben Schnee in das Meer fegüttet, der erfehnte Regen beginnt, 
fehr zu ſtatten kommt. Denn Mullah:Rur befreit ihn von fer 
nem Rebenbuhler, einem mohammedanifchen Pietiften, und ver 
einigt daB junge Paar. In kuͤnſtleriſcher Hinſicht ſtellen wir 
„Nullah⸗Nur“ höher als „Ammalat⸗Beck“: erftere Rovele iſt 
abgerundeter, bie Darſtellung maßvoller; die Charaktere find 
mannichfaltiger und mehr abgeftuft: das Lyrifche uͤberwuchert die 
epifche Grundlage nicht fo fehr, wie hier und da in „Amme 
lat⸗Beck“. Nur der Schluß: das Zufammentreffen bes ruff- 
ſchen Reifenden mit dem Näuber, flört die Harmonie des Gar- 
zen unangenehm. Er ift ganz überflüffig und hinkt, fo zu fe 
gen, dem eigentlichen Schluſſe nad. Iskender in feiner tüd 
tigen, frifchen Natürlichkeit ift eine fehr liebenswürdige x: 
fheinung. Am ergöglichften aber ift Juſſuf, Ielender's Be 
gleiter auf der Fahrt nach dem Schagdag: cin echter Falſtaf, 
aber ein orientalifcher, reig in der Gefahr, großſprecheriſch che 
fie da ift und wann fie überflandenz aber dabei ſchlau, witig 
und vol feldftverfpottender Ironie, wo die Maske des Helden 
nicht mehr täufchen will. Auch das Klatſch⸗ und Philifterleben 
ber frommen Krämerfeelen von Derbend wird uns mit vielem 
Humor vorgeführt. Meifter der Darftellung iſt Marlinski vor 
nehmlich in der Schilderung großartiger und wilder Gebirge 
fcenerie und bed Kampfes der empörten Elemente. 

Rur no wenige Worte über den dritten Band. Er be 

innt mit einer Erzählung der Abenteuer eines ruffifchen Ge⸗ 
angenen bei den Tſcherkeſſen; wie möchten fie cher eine etime 
graphiſche Skizze nennen, in der Mamnichfach : Belehrendes an 
Perfönlih:Erlebtes geknüpft if: Das zweite Stüd: „Er wurde 
erſchlagen“, offenbart uns die Leiden eined Dichterherzens in 
fo blafirter, affieirt gebifdeter und innerlich doch roher Umge 
bung wie die ruffifche feine Welt, von der uns die petersbur 
ger Salonfcene ein greilbeleuchtetes Bild gibt. „Der Abſchied 
vom Kaspifchen Meere’ ift der hwanengefang des Dichter, 
eine Igrifche Rhapfodie, die er kurz ehe er fiel niedergefchrieben. 
„Ein Abend in den Faubafiichen Bädern” bringt Schauer: ımd 
Spukgeſchichten, nit allzu originell, aber piquant gen. 
Die UÜberfegung ift fließend, bis auf einige hHartnädig wieder: 
kehrende Verftöße gegen die Grammatik. Mit dem Kriegshand 
werk fcheint übrigens ber Überfeger nicht beſonders vertraut ja 
fein. Daß die Ifcherkeflen mit Windbüchfen audgerüftet fen 
follen, ift wol nur Folge eines Misverftändniffes des ruſſiſchen 
Wortes; auch werden Kanonen nicht mit dem Bergrößerung® 
glafe gerichtet (1, &. 262), obgleich vieleicht dadurch eine bit 
jetzt noch unbekannte Genauigkeit des Bielens erreicht werden 
koͤnnte. Vorzüglich Tcheinen die Kartätfhen Hrn. Loͤbenſtein 
große Roth gemacht zu haben. Einmal wird die Piſtole damit 
geladen, andere Male follen Mauern damit erfchüttert und nie 
dergeftürgt werben! - 6, 





Literarifhe Anzeige. 
Bei F. U. Brockhaus in 2 i b i 
eins und In alın —E u ertalten : erde 


Briefe 
Rofeph’s des Zweiten. _ 
Dritte Auflage. | 


Beitgemäß eingeleitet und erklärt 
von 
Franz Schuſelka. 


Gr. 12. Geh. 1 Thlr. 15 Nor. 


Bi ae Heruubgeber: Helnrich Wesddant, — Drud und Verlag von F. E. Wro@pans In Leipzig. 





Blätter 


fir 


literariſch e Unterhaltung. 





Sonnabend, — — Nr. 227. 


15. Auguſt 1846. 








Allgemeine Paädagogik. In drei Büchern. "Won 
einrich Gr afe. Zwei Theile Leipzig, Brock⸗ 
baus. 1845. Gr. 8. 4 Thlr. 
| So unmblih wichtig auch das Schulweſen fowol 
für das Privat⸗ ale auch für das Staatsleben iſt: es 
zeigt fih im Publicum weder das Intereffe für bie 
Schule noch die Bekannkſchaft mit deren Literatur und 
. Driganismus, wie fie für beide wünfchenswerth und nüg- 
lich ſin würde. Erft in neuefter Zeit hat die Jour⸗ 
naliſtik ihren Blick auch auf das Schulweſen fallen 
faffen, wodurch fie diefem unmittelbar zwar wenig ge⸗ 
nugt hat, hingegen bie mittelbaren Folgen fehr groß fein 
koͤnnen, ſobald die politifche und wiffenfchaftliche Jour⸗ 
naliſtik fortfährt, die Michtigkeit der Schulanftalten für 
das bürgerliche und politifche Reben fcharf und ſchlagend 
herauszuftellen. 

Die Urfache diefer Lauheit und Unbefanntfchaft des 
Yubliums mit der Schule liegt aber nicht ſowol in 
diefem, als im den Vertretern ber Schule, welche fich, 
veihen fie viel abgefchliffener, gewandter und meltlich 
gefinnter als Früher find, doch noch zu fehr in dem Kreis 
ihrer Schulwelt eingefperrt halten und lieber zur vor- 
nehmtäuenben Beamtenclaſſe als zum Wolfe binüber- 
treten. Geſchrieben wird von den Lehrem mehr benn 
zu viel, aber aus biefen Chaos von Schulfchriften taucht 
felten eine empor, weldye einen allgemein intereffiren- 
dien Standpunkt feftzuhalten fucht, um auch den Laien 
det Schulweſens verftändlich und lefenswerth zu werben. 
Aber gerade diefe Methodenjagd, diefes ftarre Fefthalten 
am Dogma bes Meifters, d. b. bes Lehrbuche, ift der 
gewaltige Zopf, welcher den meiften Schulmännern un- 
ter dem faſhionablen Frack hervorgukt. 

Wenn ich nicht irre, ſo hat die Realſchule, welche 
fi, zuerſt entfchloffen auf den Allen gemeinſamen Bo⸗ 
den des bürgerlichen Lebens ftellte, den erſten Anſtoß 
au einer Vermittlung zwiſchen Schule und Leben, Leh⸗ 
za und Publicum gegeben; in ihr ift die Schule ber 
Gegenwart fo auf den Hals gerüdt, daß fie um fo we- 
niger ignorirt werden kann, da viele Realſchulen Anftal- 
ten von Gommunen find. Um fo erfreulicher ift es Rec. 
in dem Werke eines Directors einer Realſchule, in Graͤfe's 
„Päbagogit ein Buch anzuzeigen, welches eine rühm- 
ide Ausnahme wiacht mb‘ wol geeignet tft, auch das 


größere Publicum zu intereffisen und es über Unterricht 
und Erziehung zu belehren, da es bie Schranke durch⸗ 
bricht, welche die Schule vom Leben und ben Lehrer⸗ 
flerus vom Laien trennt. | 


Bon diefem Standpunkte bed allgemeinen Nutzens 
werde ich auch in d. Bf. die genannte Schrift anzeigen, 
da fpeciele Punkte über Methode u. dgl. in einer Schul⸗ 
Kung befprochen werden follen. Sch nenne aber bie 

efprehung über Graͤfe's Bud, eine Anzeige und keine 
Kritik, weil ich, obſfchon von einem andern Standpunkte 
als der Berf. ausgehend, mich undankbar und ungerecht 
zeigen würde, mit ihm über die Verſchiedenheit feiner An⸗ 
fiht von der meinigen zu ftreiten. Ungerecht würde ich 
fein, weil ich nicht das Necht habe zu verlangen, daß 
der Berf. meiner Anficht fei, und weil wir über did 
wefentlichften Punkte doch einig find, da wir biefelbe 
Sache meift nur mit andern Worten zu bezeichnen und 
nur auf verfchiedenen Wegen zu demfelben Refultate zu 
fommen ſcheinen; undantbar würde aber ein folche® 
Streiten um Redensarten fein, da ich dem Buche viel 
Genuß, Belehrung und Erhebung zu danken habe, 
Außerdem weht durch das ganze Buch ein ſo milder, 
verföhnlicher Geift, hat der Stil einen fo aufrichtigen, 
treuherzigen Zon, daß man dem Verf. nicht zürnen 
fann, wenn er auch hier und ba Gedanken ausfpridt,; 
denen man nicht beiftimmt, ober wenn er fi gar auf 
die feindliche Seite ftellt, wie er es dem Ref. gegenüber 
gethan bat, den er wegen feiner Schrift über das We⸗ 
fen der Realſchule den Hegelianern beisählt, womit er 
ihm keineswegs ein Compliment machen will, da er von 
diefer „abfoluten Philofophie” Feine günftige Meinung 
hat und fie namentlih für unpraltifch für das Schul» 
und Erziehungsmefen halt. Aber Dies fol mich um fo 
weniger abhalten, Graͤfe's Wert dem Yublicum recht 
dringend zu empfehlen, al® die Unzufriedenheit bes Verf. 
mit jener Philofophie zum Theil daher zu rühren ſcheint, 
daß er ihr nicht nahe genug getreten ift und vom theo⸗ 
logifhen Standpunkt herunterzutreten nicht gewagt hat. 
Denn um nur Eins zu erwähnen, fo macht ihn meine 
Vorausfegung der Einheit von Wiffen und Glauben 
ſtutzig. Dies ift jedoch nicht aus Feindſchaft gegen das 
Chriſtenthum gefchehen, fondern weil ich mir es gar 
nicht anders denken kann, als daß die techte Wiſſenſchaft 





der —* 
# 


ze! 


mit dem wahren Glauben flets Hand in Hand gehen. wire cheofogifcher Streitfragen hindurch helfen muß, ſo 


werde: daß der Glaube ſich Nichts aneignen und feſt⸗ 
halten werbe, was bie Wiffenfchaft nicht vorher oder 


hat man aud das Recht, jeden Theologen nad fei- 
nem Paß, d. 5. nach feiner Logik, zu fragen, che man 


nachher als vernünftig, d. 5. als wahr bemwiefen hat, die | feine Bibelcitate als Autoritäten Tann pafficen laffen. 


eben durch dieſes Ber des Glaubensinhalts höher 
als biefer Steht, ſowie fa ber Prediger als Wiſſender 
über feine glaubende Gemeinde geftelle werden muß. 
Wenn Ref. alfo dennoch trog feiner UÜbereinftim- 
mung mit dem Verf. tadeln will, fo fann fein Tadel 
nur die äußere Anordnung des Materials treffen. Graͤ⸗ 


fe's Bud ift eine Einleitung ‚in die Pädagogik und folk 


vorzüglich zu „wiffenfchaftlich-padagogifhen Studien an- 


4 Wenn der Berf. aber trogbem einer firengen. 


foftematifchen Anordnung des Stoffs entfagt hat, fo 
glaubt Ref. den Grund in Graͤfe's Streben, auch das 
geöfere Publicum auf dem Felde der päbagogifchen Li⸗ 
teratur zw orisntiten, fachen zu müffen. Gräfe hat fich 
barauf beſchraͤnkt, feinen Stoff in. eine beliebige Anzahl 
Theile zu zerlegen, wogegen er ihn fi aus fich felbft 
erzeugen und organifch gliedern mußte. Doc genügt 
es für die meiften Lefer, bie Bedeutung, Schwitrigfeit, 
Abwege und Nebenmwege einer Frage kennen zu lernen; 
es genügt, ihnen eimen Faden zu geben, der fie durch 
das Gewirr ſich widerfprechender Meinungen leitet. Ohne 
Einfluß ift freilich die gläubige Philofophie, wenn ic) 
fie fo nennen darf, welcher der Verf. zugethan ift, nicht 

eblieben, wie Dies befonders aus feiner Polemik gegen 
die pſychologiſche Grundlage der Padagogik, die er bei 
jeder Gelegenheit ergreift, klar hervorgeht. So wenig 
wir dem Verf. fein Beltreben, die Paͤdagogik zu einer 
chriſtlichen zu machen, verleiden wollen, darf ihm doch 
nicht verfehwiegen werden, daß er den Begriff der Phi⸗ 
lofophie viel zu fehr verengt, weil er fich unter diefem 
Namen fogleih nur bie Hegel'ſche denkt, deren unerbitt- 
liche Strenge allerdings Manchen ſchon gegen fie in 
Harniſch gebracht Hat. Obſchon die Vädagogik die Be- 
antwortung ihrer weſentlichſten ragen bei der Philofo- 
phie zu holen, der Verf. felbit alfo faft immer zu phi⸗ 
lofophiren genöthigt ift, fo bas er fi) doch feltener di⸗ 
zect an bie Philofophen um Aufſchluß gewandt, fondern 
meift an die theologifchen Dogmatiker, die fih am Ende 
doch wieder an irgend eine philofophifche Schule anleh⸗ 
nen, um durch deren Hülfe in das Verſtändniß der Bi⸗ 
bei einzubringen. Hierdurch wirb aber zugleich eine 
Beige paͤdagogiſcher Gefepe in ein falfches Licht geſtellt, 
weil fie, als rein philofophifche Begriffe, mit der wan⸗ 
delbaren Dogmatit Nichts zu thun haben, am mwenigften 
von ben Lehren ber: Theologen abhängen. Daher will 
es wir auch fiheinen, als wären bie Bibelftellen, welche 
der Verf. anführt, infofern überflüffig, ale die rechte Be⸗ 
deutung und die Ausgleichung fich wiberfprechender Stel⸗ 
Ion erſt aus dem Zuſammenhange Klar wird. Da aber 
bekanntlich über die Erklärung vieler Bibelftellen großer 
Streit herrſcht, fo betritt die Pädagogik in der Dogmatik 
und Bibel wenigfiens einen ebenfo unfichern, angefoch⸗ 
tenen Boden als in der Philoſophie. Da man fi alfe 
gm Ende doch nur vermoͤge des Denkens durch das Ge⸗ 


Doch genug hiervon! 

Der Verf. ha 

von denen das erſte „Entwickelung und Bildung“, dat 
zweite „Erziehung und das dritte „Pädagogik“ über⸗ 
ſchrieben if. Daß fi der Verf. bei den zahlreichen 
Unterabtheilungen diefer Bücher bier und ba wiederhelt 
bat, gefteht er zwar felbft ein; doch möchte wol bezwei 
felt werben, daß er auch bemerkt habe, wie ber Grund 
biefer Wiederholungen in der Eintheil ſelbſt liegt 
Wenn er 3. B. in vier verfchiebenen Gapıteln die Fri 
heit, die Beſtimmung des Menfchen, fein Biel, feine 2 
benszwecke und feine fittliche Natur befpricht, fo muken 
biefe vier Fragen nach meiner Anfiht in Cine zufam- 
menfallen: weil die Beftimmung des Menfchen, fein did 
und Lebenszweck, biefer aber in feiner fittlichen Natur liegen 
muß, melde eben die Freiheit ifl. Jede andere Stufe 
folge der Entwidelung ber Begriffe muß zu Tautologi 
und da zu rennenden Spaltungen führen, mo verbun 
den werden muß. Zwar nimmt der Verf. jene Begrift 
weiter als ich fie zunaͤchſt im Sinne habe: aber dii 
weitere Faſſung, für Die ich ihm Herzlich danke, da fi 
namentlich eine klare Überſicht der verfchiebenen Auffaſ 
fung der aufgeftellten Begriffe gibt, mußte ſich erft nah 


und nad vom Begriffsfiamme abzweigen, um eben alt 


lebendiges Gewächs, nicht aber als zerfägte Stüce de 
jelben vorgezeigt zu werben. Überhaupt bin id de 
Meinung, daß der fiherfie Weg der hiſtoriſche gemelen 
iſt, wie ihn der Verf. auch mit großem Takt und 
Sicherheit verfolgt, weil er die Entwidelung eines Br 
griffs nah Völkern und Individuen darſtellt und in 
dieſer Darftellung bie verfchiedenen Beſtimmungen dei 
Begriffs felbft entwickelt. Denn jeder Begriff tritt zu— 
nächft einfeitig auf, aber feine Krititen geben ihm nad 
und nach Bielfeitigkeit; und ein Buch, welches dieſe we 
Ihiedenen Beflimmungen eines Begriffs in ihrem orga 
nifchen Zufammenhange darftellt, wird nicht nur durh 
diefe gefchloffene Maffe eine entfcheidende Macht, fonden 
auch gegen jede einzelne Erſcheinung gerecht fein, ini 
fern es diefelbe innerhalb ihres Lebenskreifes, d. i. ihre 
Zeit, würbigt, 

Zunaͤchſt behandelt ber Verf. das yhyſiſche Leben di} 
Menſchen, belehrt uns über die Subſtanz des Körper, 
zählt die Thaͤtigkeit der verſchiedenen Organe auf, ihrm 
Zuſammenhang, Wahsthum und Ginfluß auf das ge 
flige Leben, welches er nad, feinen Gutwidelungsfufes 
unter bie Rubriken: „Sinnliche Anſchauung“, „Ci 
bildung“, „Berftand und Vernunft” eintheift und hie 
namentlich die weltverklaͤrende, goͤttlichmachende Kraft 
der Vernunft beredt und faßlich darſtellt. Aber bie 
Geiſteskraͤfte haben im Gefühl, im Gemüth zum Thal 
ihre NRahrungsquelle, zum Theil erhalten fie dort ef 
ihre ſittliche Beipe und Wirkung; weshalb der Ber 
das Weſen ber: Gefühle und ihren tiefen Zuſammm 


hat fein Merk im drei Dücher getheilt, 


| 


bang mit dem 73 Leben nachweiſt, Indem er ſie 
unter vier, den Gelſteskraͤften parallele Geſichtspunkte 
beingt und fie hiernach „Sinnlicdhe, aͤſthetiſche, intellectuelle 
und mozalifche" nennt. Beſonders erfreulich iſt Mef. ber. 
Ernft gemefen, mit dem Gräfe auf Ausbildung bes Ge⸗ 
mäthe und auf nachhaltigere Einwirkung anf den Wil. 
len und die fittlihen Gefühle der Jugend dringt, 

An diefe angegebenen Punkte knuͤpft ber Verf. die 
Darſtellung ber geiftigen Entwickelung des Menfchen in 
feinen Ulteröftufen an, Indem er diefe Entwickelung ſelbſt 
in zwei Momente zerlegt, in „Evolution und Involu- 
tion, welche die Zotalität der Entwidelung ausmachen”, 
da fih „ein Weſen durch Evolution aus der Einheit zur 
Mannichfaltigkeit entwickelt, weil es nur dadurch fi 
äußerlich barftelle, wogegen es durch Involution in ber 
Dannihfaltigkeit die Einheit feftzuhalten fucht, weil in 
diefer fein individuelles Sein begründet iſt“. 

Hierauf werben bie allgemeinen Entwidelungsgefepe 
aufgeſtellt: das des Parallelismus, der Stetigkeit, ber 


Stufenfolge, ber Verhaͤltnißmaͤßigkeit, der Bieichförmig- |. 


keit, der Mannichfaltigkeit, der Erregbarkeit, der Selbft- 
thätigkeit, ber Begrenzung und der Abweichung. In 
allen biefen Naturgefegen findet Gräfe jedoch nur einen 
Beweis, daß des Menfchen innerſtes Weſen die Freiheit 
fei, welche daher von jedem Erzieher erfannt und gefördert 
werden fol. Gräfe findet fie realifirt im freien Willen, 
indem er fie als die Macht ded Menfchen definirt, „durch 
welche der Menſch wollen kann, weil er will“. Hier⸗ 
durch ift jeboch dem Misverſtaͤndniß einer blos formellen 
Sreiheit nicht genug gewehrt. Am meiften kommt ber 
Berf. jedoch mit der Theologie ins Gebränge, da er 
dech die menfchliche Freiheit neben ber göttlichen unter 
beingen muß. Er findet nun das Charakteriſtiſche ber 
menfhlihen Freiheit darin, daß fie „dem Hufe Gottes 
folgen, aber auch nicht folgen kann“. Es wird die Frei- 
beit aber dadurch eine Art Willkür, ein beliebiges Ent- 
fliegen; wogegen die wahre Freiheit nur die ber ſtreng⸗ 
Ren Notwendigkeit fein kann: Die wahre Freiheit muß 
dem Rufe Gottes folgen: fie kann nicht andere; aber 
fie zwingt fich Hierzu felbſt durch ihren eigenen Willen, 
und dadurch wird dieſer Seibſtzwang eben Freiheit. 
Daher ift die Freiheit mit der Wahrheit nach einer 
Seite Hin identiſch. Wer dem Rufe Gottes nicht folgt, 
iſt unftei, weil der Menſch Gott folgen fol und Dies 
in feinem eigenen Begriffe liegt. Freiheit kann baber 
auch befinirt werben als Freifein ven der Unwahrheit 
oder Selbftbefreiung vom Unmwahren, Ungöttlicken; wes⸗ 
halb der Verf. ganz richtig bemerkt, „daß der Menfch 
nit frei iſt, fondern frei wird“. 

Die Prarie der Freiheit ift nach Gräfe bie Liebe, 
ſodaß alfo bie Beftimmung bes Menfhen In ben Be: 
griff der Liebe fälfe, da fie allein den Menſchen zu wah⸗ 
ter Sortähnlichkelt erhebt. Und in ber That liegt In 
der Liebe das tiefe Geheimniß des Ehriftentbume; denn 
bie Liebe iſt die free Dahingabe bes einen Subiects an 
ein anderes, ein Austaufch der Geifter, eine tiefgemäth- 
fie Einheit in ber Vielheit, und darin iſt es ein Hin- 


wegräumen ver Scheanken zwifchen dem Sueete md‘ 
ber Welt. Durch bie Liebe voisd ber: Menſch ein freier 
Menſch, weil ex im Andern nur fein Bcbft. wieber⸗ 


finder oder weil er fein Bild im Andern ſieht, alfo bie 


Verwandtſchaft mit demſelben erkennt, ſodaß er zwiſchen 
fich und ber Welt keine Schranke, keinen fremden Wir. 
en mehr zu uͤberwinden hat. Natürlich muß atın das 
Ideal und Ziel. ber Freiheit die Wahrheit fein, meehalh 


auch das Streben bes Menſchen auf bie Wahrheit ge» 


Achte fein muß. Wenn Ref. Dies auch freudig aner⸗ 
kennt, fo fieht er doch nicht ein, warum der Hoͤhenpunkt 
dieſer Wahrheit als religiöfe Wahrheit hervorgeheben 
wird, da fich hier ſehr leicht ein Misverſtäͤndniß ein⸗ 
ſchleichen kann. Denn eigentlich iſt jede Wahtheit reli⸗ 
gios, weil fie eben göttlichen Inhalts iſt, und man. 
follte daher auch nur zwifchen böhern und niebern Wahr: 
heiten unterfcheiben, ſodaß unter ben letztern die ſinnli⸗ 
hen, temporairen verftanden werben, z. B. daß 24224, 
daß der Regen naß macht u. dergl. 


Da die Wahrheit aber, fährt der Verf. fort, entwe⸗ 
ber Product des Erkennens ober ber ſinnlichen Erſchel⸗ 
nung ober endlich des Willens fein kann, fo wird fie 
Biffen, Schönes und Tugend. Das Wiffen heißt, 
je nachdem es fi anf die Natur oder auf den Men- 
fihen oder auf Gott richtet, Natur-, Menſchen⸗ und 
Gotteswiffenfhaft. Der Willen hingegen wird zur Tu⸗ 
gend, wenn er fein Ziel in den Gehorfam gegen Gott 
fegt. Um aber das Willen, das Schöne und bie Tu- 
gend zu realifiren, betritt der Menſch den Boden der 
Wirklichkeit, den Staat, wo bie Natur des Menſchen 
fih zus Sittlichkeit IAutert, welche die Selbſtſucht In fig 
befämpft und allgemeinen Zwecken fih zumende. 

Um aber zu bdiefem hohen Ziel der Menfchheit zu 
gelangen, um in ber geiftigen Welt des Staats feinen 
Plag behaupten zu können, bebarf ber Menſch ber Bit. 
dung, den biefe iſt " 
bie durch den freithätigen Geift geleitete Entwickelung, damit 
der Menſch feine Beftimmung annähernd erreichen Fönne. - 

Das Berhättniß zwiſchen der Entwidelung und Bildung 
it nun von felsft Mar. Die Gntwidelung entfaltet in der 
Sphäre des Sinnlichen die Einheit zur Mannichfaltigkeit, bie 
Bildung aber gibt-der Entwickelung eine höhere Richtung, in« 
bem fie aus der Einheit des geiftigen Lebens und feiner Ber 
fiimmung bie Mannichfaltigkeit darſtellt. Die Enkwickelung 
erfolgt unbewußt, die Bildung beruht ganz auf Bewußtfein 
und Breigeit. Die Bildung fegt die natürliche Entwickelung 
voraus; fie beginnt nicht dann erft, wann die Entwickelung 
vollendet ift, aber Doch nachdem dieſe begonnen Bat. 

Jede Bildung iſt aber ihrem inneren Wefen nad 
Selbſtbildung, welche auf mannichfache Weife erreicht 
und gefördert werden kann, fi Im Allgemeinen aber 
auf folgendes Gefeg zurüdführen Täßt: Erreiche durch 
die Bildung die Beflimmung deines Lebens in jeber 
Hinſicht, d. h. bilde harmoniſch, bilde dich für das Le 
ben, nad deiner Individualität, und endlich natur⸗ 
gemäß. | 

(Der Befchluß folgt.) 


Siebenbürgen und feine Bewohner von U. de Gerando. 
. Aus dem Sranzöfifhen von Julius. Seybt. Zwei 
Theile. Reipzig, Lord. 1845. Er, 8. 4 Thir. 
Bei dem unferer Zeit fo beſonderß eigenthümlichen Stre⸗ 
ben der Völker nad Entwidelung der Rationalitäten — au 
wenn diefes Streben bin und wieder nicht das rechte und felbft- 
bewußte, fondern mehr ein gemachtes, von außen erzeugted 
Streben tft — haben bie übrigens in mancher Hinfiht gegen 
frühere Seiten noch beſonders erleicdhterten Reifen und die Eat. 
derungen dieſer Reifen eine um fo größere Wichtigkeit und eis 
nen um fo größern Reiz. Das wirb ein Jeder an ſich felbft 
erfähren haben, der mehr oder weniger Reifebefchreibungen ge> 
Tefen Hat, wenn nur fonft die letztern die nationale Seite Der 
Boͤtker, mit denen fie fi) befchäftigen, und alles Das ins Auge 
Saffen, was auf Belebung und Entwidelung des Nationalfinns, 
auf Geltendmachung und Anerkennung der, Rationalität ſich 
bezieht. Namentlich ift Dies da der Fall, nid diefe Nationalis 
töt im Verhältniffe zu frühen ‚Zeiten in einem Zuftande der 
Unterbrüdung, der Kichtanerkennung fi befindet und demge⸗ 
mäß im Streben, im Kampfe um eine gewiſſe Selbitändigkeit 
und Anerfennung begriffen ift. Alles, was in dieſen Besiehun: 
gen dem Kefer in dem Xeben der Nationen entgegentritt, auch 
wenn e8 nur Anfänge eines ſelbſtbewußten nationalen Strebens 
find, hat einen eigenthümlichen Reiz, ebenfo und in dem nämlichen 
Berhältniffe, wie daß erwachende Leben des Frühlings anziehender 
iſt als die über die Fluren verbreitete Erftarrung ded Winters. 

Zu ſolchen Betrachtungen und Bemerkungen ift Rec. auch 
durch dad Lefen der vorliegenden Neifebefchreibung von Bies 
benbürgen veranlaßt !borden, und er findet in Ddiefen Be: 
teachtungen zugleich das Intereſſe ausgefproden,, welches 
ihm die Reifebejchreibung im Allgemeinen und vorzüglich in 
einzelnen Iheilen gewährt hat, die das Leben der verichiedenen 
Voͤlkerſchaften Siebenbürgens in ihren nationalen Beftrebungen 
und Kämpfen berühren und darftellen. Die Geſchichte und die Ge: 
genwart des Landes bürgen für das Intereffe, welches diefe Reife: 
befchreibung durch Siebenbürgen auch Andern gewähren wird, die 
nit demfelben theils nicht ganz unbefannt find, theil® e& in jeinen 
einzelnen Beziehungen näher Eennen zu lernen wünfchen. Der 
Berfi des Buchs felbft hat das Land beivohnt, welches er hier 
beichreibt; er bat die Sitten deflelben beobachtet und feine Ei: 
vilifation fludirt; er hat den hiftorifchen Greigniffen, deren 
Schauplag es geweien ift, nachgeforſcht; und er bat Necht, 
Das auf der Karte Europas auch noch fo Beine Siebenbürgen, 
welches aber wichtig ift Durch den Reichthum feines Bodens, ur 
Die Phyfiognomie und den Charakter feiner Bewohner wie dur 
die Erinnerungen, welche fih daran Inüpfen, und durch die 
Einrichtungen, welche das Land bewahrt hat, Denen, dic ed nicht 
kennen, zu befchreiben und zu fchildern. Er bat dazu um fo 
mehr Recht, als der gegenwärtige Augenblick bazu befonders 
geeignet ift, Ungarn und Siebenbürgen find. jept im Bortfchritt 

egriffen: fie find in Die Bewegung bineingegogen, welche jetzt 
„die Bölker nach einem gemeinfamen Biele treibt; und nament⸗ 
lich verdient auch Siebenbürgen. gerade jet, wo es die erften 
Shritte thut, die Aufmerkjamkeit des Auslandes. Man kann 
übrigens Siebenbürgen von Ungarn nicht trennen; beide haben 
faft ftet8 die nämlichen Bahnen verfolgt, und wenn auch in 
dem erftern Lande der Unterfchied zwiſchen den einzelnen Na⸗ 
tionalitäten viel ſchaͤrfer al in Ungarn ausgeprägt ift, fo gel- 
ten doch beide, da fle.von denfelben Stämmen bewohnt werden, 
als zwei Schwefterländer, wie fie denn die Ungarn felbft als 
ſolche bezeichnen (I, 23). Der Einfluß jener einzelnen Ratio: 
nalitäten (der Ungarn oder Magyaren, der Sachen und Szek⸗ 
ler, welche legtern von den Kriegern Attila’8 abftammen) tritt 
und bei der innern Verwaltung und Verfaſſung Siebenbürgens 


befonders wirkffam entgegen, und namentlich find bie lutheri⸗ 


fhen Sachſen in Siebenbürgen, bei denen fi gewiſſe aus 
Deutſchland ſtammende Gebraͤuche erhalten haben, eine merk⸗ 
wuͤrdige Erſcheinung. Sie finden auch bier, theils in ber 


Darſtellung der ——8 Sebentargen⸗ (wobei der 
vornehmlich zeigen, wollte, welche Rolle daffelbe unter —3— 


ſchaft einheimiſcher Fürſten geſpielt Habe und unter melden 
Umſtaͤnden ed an DOftreich gefallen ſei), theils in der Schilder 
rung der gegenwärtigen Berfaflung des Landes wenigſtent im 
Allgemeinen ihre gebührende Anerkennung, und fie erhalten 
auch dort das deutfche Element verdientermaßen bei Ehren 
Die geſchichtlichen Ramen, die und hier aus der Vergangen: 
heit Ungarns und &iebenbürgens entgegentreten, und die Er: 
innerungen an jene Beiten, wo die Magyaren fagten: Hunge- 
ria domina gentiaum, fihern dem Rande auch noch jeht ei 
gewiſſe politifche Wichtigkeit. Neben dee Geſchichte diefer Ver 
gangenheit fchildert der. Verf. die verfchiedenen Nationen, welde 
Siebenbürgen bewohnen, ebenfo ausführlich als das Land felbk 
und die Orte, welche entweder durch die an ihnen haftenden 
Erinnerungen oder wegen ihres NRaturreihthums irgend einer 
Art erwähnenswerth find. . Bildet das ergiebige und inter 
fante Rand felbft gleichſam den Mittelpunkt des Ganzen und 
den Rahmen des Gemäldes, fo find auch die einzelnen Bilder, 
welche hier aus dem gegenwärtigen bunten Leben der einzelnen 
Bölkerfchaften fowie von ihren Sitten und Gebräuden dem 
Lefer vorgeführt werden, ebenfo mannichfach als intereffant. 
Denn bald find es topograppifchrlocale Schilderungen, bald fe 
tiftifche Notizen, bald gefchichtliche Darftellungen, bald Wü: 
theilungen über die Magyaren, Sachſen, Szekler, Baladır, 
Bulgaren und Bigeuner, womit der Verf. den Xefer unterhält 
und worüber er ihn beichrt; bald erzählt er uns von dem 
trefflichen Weflelönyi und andern befonders wichtigen Erſchei 
nungen in der (Gegenwart des öffentlichen Lebens des Boll, 
bald von Firchlich -religiöfen und andern geiftigen Zuſtänden 
und Berhältniffen beffelben: aber Alles weift im Allgemeine 
darauf hin, daB auch dort ein neues innered Leben in den 
Hauptelaffen des Volks aufgegangen fei, deffen Regungen und 
Beftrebungen der theilnehmende Lefer mit Aufmerkfamkeit ver 
folgt und beachtet, auch wenn Niemand das Kiel kennt, zu 
welchem fie einjt führen werden.. Allein gerade von dieſer Seite, 
gerade in Beziehung zu biefen nationalen Beſtrebungen m 
pfiehlt ſich das vorliegende Buch über Siebenbürgen, und dr 
fonder8 in diefer Hinficht will auch Nec. daffelbe hiermit allem 
Denen empfohlen haben, die mit ihrem Blicke nach außen und 
mit ihrem Intereffe am Leben der Völker nicht bios an due 
nächfte Nähe ſich halten, vielmehr mit Beidem etwas über die 
Scholle hinausreichen, an der fie hängen. 1. 








Hiftorifhde Miscelken. 


Karl Theodor, Kurfürft von Baiern, äußerte einmal bit 
der Tafel den Wunfh Namur zu befommen. Als die Anwe⸗ 
fenden hierüber ihre Verwunderung bezeigten, erHärte er: 
‚Weder um die Graffhaft Namur, noch um die in derſelbte 
liegende Hauptſtadt gleiches Namens ift es mir eigentlich m 
thun,.fondern um die freien Reichöftädte, deren Anfangsbud> 
flaben in dem Worte NAMUR enthalten find, nämlich: Rum 
berg, Augsburg, Memmingen, Um, Regensburg.” Nadia 
nem zu Anfang des Jahres 1799 erfolgten Tode gab eb ct 
Seit, mo dieſer Wunſch für feinen Nadfolger volftändig ı8 
Erfüllung gegangen war. 


Johann Iſaak Pontanus war Doctor der Medicin zu Dr 
fel und zufegt Profeſſor der Phyſik und Mathematik zu Am 
fterdam und Harderwijk, wo er 8693 ftarb. Er war Hein om 
Statur, bünfte fih aber groß als Dichter, Denn er hatte um 
ter Anderm (1634) ſechs Bücher lateinischer Gedichte heraus 
gegeben, welche jedoch für eine mislungene Arbeit erfannt wor: 
den find. Daher fagte ihm Scriver auf das vorgelegte Rh; 
fel über das Lh: 

Die mibi quid mulus fiat, quo plurima demas? 


die Wahrheit: 


 Pontano demas opcmina „.maior erit. 2 


Berantwortlier Herausgeber: Heinrih Brockdaus. — Drud und Belag von F. WE, Vrockhaus in Beipzig. 


Blätter: 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 





16. Auguft 1846. 





Allgemeine Paͤdagogik. In drei Büchern. 
Heinrih Gräfe Zwei Theile. 


(Beſchluß aus Pr. 27.) 


Kit einer Hiftorifchen Überficht des Bildungsganges 
der Menſchheit fehließt der erfte Theil, um zur Er: 
ziebung, zue Praxis der aufgeftellten Theorie überzu- 
gehen. Erziehung ift nach Gräfe die abfichtlihe Ein- 
wirkung gebildeter Menſchen auf noch nicht gebildete, 
wodurch diefe in ihrer Selbftbilbung unterftügt werden. 
Diefe Erziehung ift theils pofitiv, theil® negativ, und 
kann nad ihren verfchiedenen Zwecken eine verfchiedene, 
eine private oder öffentliche fein. Sehr lehrreich find 
Gräfe's Worte über formale, materiale, ideale und reale 
Eriehung. Jede Erziehung kann aber nur wirkfam 
ſein, wenn ſich ihre verfchiedenen Elemente im Geiſte 
des Lehrers vereinigen; denn dieſer Erziehungsgeift ift 
es alein, „welcher die erziehliche Thätigkeit mit Kicht, 
Birme, Leben und Geift erfüllt und fie geſchickt macht, 
m den Zögling einzugehen und in deſſen Innern bie 
deadſichügten Wirkungen hervorzubringen”. Diefer Geift 
ſol aber der Geift der chriftlichen Liebe fein, die auf 
Kr ubern an Chriftus und das Erlöfungswert 


du den Mitteln diefer Erziehung rechnet der Verf. 
bie Pflege, die Zucht und den Unterricht; die‘ Syſtema⸗ 
tik und den belebenden Organismus ber ganzen Er- 
ziehung legt er aber in die Methode, welche man bis- 
Ya falſchlich nur auf den Unterricht angewandt hat. 
Sie verarbeitet die Mittel der Erziehung, ſodaß ber 
Zigling „ben Innern Gehalt derfelben von allen Hüllen 
frei machen und in fih aufnehmen, fi ibm hingeben 
kann“. Die Methode fondert fi) aber in. den Er- 
ziehungsgang, in bie Ersiehungsferm, in die Erziehungs- 
weiſe und in den Erziehungsgeift, beren Eigenthümlich- 
kiten Gräfe auf Mare, ergreifende Weife auseinander 
it. Der Kampf gegen. die pfochologifhe Paäda- 
gegit, welcher befonbers in biefem Capitel fehr lebhaft 
und, iſt nicht ohne Ausfiht auf baldigen Krieben. 
em wenn man den Menfchen erziehen will, fo will 
man vor Allen feinen Geift bilden; um Dies zu Fönnen, 
mu man das Weſen des Geiſtes kennen. Da diefer 
Ceiſt aber das Göttliche-im Menfchen ifi, fo will der 


philofophifche Padagog auch nur das Böttlihe im Men- 
ſchen pflegen und weden; Daffelbe will unfer Verf., ber 
ed aber „das Chriftliche” nennt: mithin find beide Par- 
teien im Wefentlihen einig, wenn fie nur bie Stich⸗ 
wörter vertaufchen. 


Der legte Theil des befprochenen Buchs behandelt 
die Wiffenfchaft der Erziehung, die Pädagogik, deren 
Inhalt, Hülfswiffenfchaften und gefhichtlihen Entwide 
lungegang. Wenn Gräfe's Darftellungstalent ſchon öf- 
ter lobend hervorgehoben wurde, fo verdient ed in die⸗ 
ſem Theile vorzüglih Anerkennung; denn Gräfe gibt 
bier nicht nur die Srfahrungen feiner eigenen, reichen 
Lecture in anfprechender Kürze, fondern weiß den Leſer 
auch zugleich mitten in die lebendigen Bewegungen ber 
pädagogifchen Literatur zu verfegen, weiß ihn dort fo 
leicht zu orientiven, indem er ihm bie verfchiebenen 
Richtungen und Dogmen der päbagogifchen Parteien 
zeigt, daß gerade dieſe Partie. ein liebevolles, forgfälti- 
ges Studium verdient. Gerade bier drängt ſich eine 
Fülle von Gedanken zufammen, die fi) aber keineswegs 
wie ein wirres Chaos über den Lefer herſtürzen, ſondern 
in lichtvoller architektoniſcher Ordnung aufgeftellt find, 
wie die Statuen und Bilder eines Kunftcabinets, in 
welchem jedes Stud fein volles Licht und den ihm zufommen- 
den Platz erhalten bat. Durch diefe Geſchichte der Pä⸗ 
dagogik und die überall eingeftreuten Citate erfegt der 
Verf. dem Lefer faft eine halbe pädagogifche Bibliothek, 
was ihm Ref. um fo mehr zum Lobe anrechnet, ald «6 
bei der täglich breiter anfchwellenden Buͤchermaſſe nur 


wenigen Lefern möglich fein wird, Alles zu beachten, 


Alles fogleih an den rechten Drt zu ftellen und im 
Getümmel des Kampfes die Streitmaffen und ihre Stel⸗ 
lung zu überfeben. 

So günftig alfo im Ganzen das Urtheil über ben 
Verf. auögefallen ift, fo muß doch beſonders noch die 
große Wichtigkeit hervorgehoben werden, welche &räfe's 
Buch nicht blos für ſich, fondern für die Erziehungs- 
literatur im Ganzen haben wird. Indem fid Gräfe 
zwifchen die freitenden Parteien ftelt, muß fein 
Princip, der Vermittlungspuntt derfelben, zunaͤchſt frei⸗ 
lich das Schlachtfeld werden, wo fie ihre Sache aus⸗ 
kämpfen. Die nächfte Zolge wird freilich fein, daß 
nicht alle Gegner des Verf. fo friedlich gefinnt find wie 


j % 
% 


Nef., fondern daß alle auf Gräfe losſchlagen werben, 


weil er dem Orthodoxen nicht orthodor genug, dem Ra⸗ 


tionaliften zu wenig rationaliftifch fein wird. Aber wann 
die erſten Stürme werdeneausgetobt haben, wird fich 


dev. Horigont aufklären und beide Parteien werden zu 


ihrer nicht geringer Verwunberung bemerken, daß fit in 
der Dige des Kampfes auf Gräfe’d Standpunkt getre⸗ 
ten und fich da verfchangt haben; worauf fie aber Frie- 
den fliegen werden, weil es kein beftreitbares Terrain 
mehr gibt, nachdem fie ihr eigenes aufgegeben haben. 
Der Frieden wird aber gefchloffen werben unter dem 
Präfidium der Kriftlihen Liebe, des lebendigen 


Glaubens an den Beift Gottes und Die Böttlichkeit des - 


Menfhen. _ 

Und fo begrüßt Ref. in Gräfe’ Buch nicht nur ein 
für Lehrer und Erzieher, für Magiftrate und Familien⸗ 
väter Ichrreiches Buch, nicht nur ein Buch von päbdago- 
. gifcher "Bedeutung: fondern ein gefchichtlich wichtiges 
Buch, mit welchem die Pädagogik felbft einen Schritt 
vorwärts thut; in welchem Schule und Leben, Erziehung 
und Weltgeſchichte ſich vereinigen; in welchem die Gchule 
die Gegenwart eingeholt hat, um fortan Hand in Hand 
mit ihr zu gehen, oder, wenn Dies misverftanben werden 
fote, ihr auf den Fußſtapfen zu folgen. Möge Gräfe 
viel Rahahmer finden und auch ber -Lehrerftand: feine 
Sturmfahne aufpflanzen, um die er fi) zum Kamp 
für die Wahrheit und ihre göttliches Hecht ſcharen fol! 
Denn die Schule erleidet jegt harte Angriffe von den 
Ultramontanen und Rabicalen, und waffnen muß fi 
ber Lehrer, daß ihn das Froͤmmlerheer nicht aus feinem 
Wirkungskreiſe verbränge, um die Schule zum Boll- 
wert ber Beiftestnechtfchaft zu machen. Es Tümpfen 
nicht nur in Frankreich und in der Schweiz Jefuiten 
‚um das Monopel der Erziehung: auch im proteflanti- 
Shen Deutfhland haben fie Verbündete und Nachahmer! 
Alſo mwachet, betet und kaͤmpfet! F. Körner. 


— — 


Seutſche Mythologie von Jakob Grimm. Zweite 
Ausgabe. Zwei Bände. 
1844. Gr. 8. 6 Chir. 


Ein Werk, dem fon längft und allgemein das ruhmvolle 


Göttingen, Dieterich. 


‚SBerbienft zugefprochen worden iſt, die Wiſſenſchaft einer beut- 
fihen My ie gegründet u haben, in feiner :zweiten Aus⸗ 
‚gabe dem deutfchen. Bolke wieder anzupreifen, würde nicht nur 


überhaupt eine Ilias post Homerum fein, fondern insbefondere 


auch den Schein erwecken, als bebürfe e8 einer neuen Anre⸗⸗ 


gung, um das deutfche Volk an die Schuld der Dankbarkeit 

egen den berüßmten Berf. zu erinnern. Dem ift nicht fo. 
Bol aber hat der Verf. fein. Werk mit fichtlicher Liebe fortge⸗ 

flegt, durch fortgefegte Studien neues Material zu Tage ge: 
‚fördert und auf dieſe Weife die von ihm gegründete Wiſſen⸗ 
ſchaft theils erweitert, theil in ihrem Innern mehr ausgebaut: 
‚die dem Werke beigegebenen Rachträge liefern den Beweis da» 


von. Es iſt übrigens bereits eine anerkannte Thatſache, d 
Alle Diejenigen, —8 deutſch· mytholggifche nd * 


faßt haben, auf Grinim's Schultern ſich zu ſtellen genoͤthigt 
‚gewefen find; und wie groß auch das Verdienſt fein möge, 
welches Wilhelm Müller in feiner „Geſchichte und Syſtem der 


altdeutfchen Religion‘ (Göttingen 1844) für fi in Ynfprug 
nehmen darf: ausgemacht bleibt es für jeden Unparteiifgen, 
bag Müller’ 6 Werk ohne Grimm's Forfchungen und Refultate 
nicht möglich war, und daß der Erſtere in der Mythologie des 
Zegtern mehr als eine bloße Materialienfammiung erkennen 
mußte, wenn er nicht undankbar fein und fü ſelbſt oͤberſchäten 
sollte. 


Bei der Eigenthümlichkeit aber, welche Grimm's mythe 


logiſches Werk an ſich trägt, ift es nun nicht blos ein Bm 
bienft, auf dem Grunde beffeiben fortzubauen, fondern es muf 
fhon für verdienftlih und für nothwendig zugleich erachtet 
werden, die Ergebniffe deffelben in weitern Kreifen zu verbtei⸗ 


ten und dieſen dad MWefentliche verftänblich vorzulegen. Dem 


daß die Wilfenfchaft erft dann ihren wahren Werth, ihre c- 
gentlige Bedeutfamkeit zu entwickeln vermag, wann fie in den 
Kern des Volkes eindringt, deflen Ideenkreiẽ erweitert, berich 
tigt und veredelt, deſſen Sittlichkeit hebt und nady würdigen 
Erundſaͤtzen beflimmt, und endlich feine Lebendthaͤtigkeit mar 
nichfacher welt und zur DVerfchönerung und Veredelung db 
Gefammtlchens anregt: Das ift bereits zu einer fo allgemeinen 
Anerkennung gelangt und findet in unferer Zeitrichtung und 


Entmwidelung fo Ihlagenbe Beweife, daB es einer befondem 


Darlegung gar nicht bedarf. Nun ift aber Grimm's „Motte: 
logie” ruͤckſichtlich der Sprache, der Darftelung und der Suhe 
eine eigenthümliche Erſcheinung: diefe Eigenthuͤmlichkeit ift nur 
für den Gelehrten im eigentlihen Sinne des Wortes über: 
windlich und vermag nur diefen son dem Studium des Ber 
kes nicht abzuhalten. Soll nun daffelbe Die Bruchtbarkeit, welde 
feinem Kerne innewohnt, zum Segen der deutfchen Geſammtbib 





dung und ihrer Zöglinge entfalten, ‚fo bedarf es in der That 


gewiffer Dollmetſcher. Und diefer Beruf fällt Denjenigen aw 
heim, welche bie Gefchichten, die Eultur und Literatur des ger: 
manifchen Volkes barftellen: Grimm's mythologifche Borfhun 
gen ‚müflen nad) ihren Refultaten in folhen Werken einen Pl 
finden. Wir fagten aber abfichtlich ‚foeben: „des germanifhen 
Volkes, indem Grimm's Unterfuhungen ein Verwandtſchafts⸗ 
verhältniß zwifchen Volfsftammen nachgewiefen haben, die in 
Laufe der Jahrhunderte und ihrer Ercigniffe von dem Boll: 
koͤrper, welcher den Namen des Deutfchen zu Dem feinigen mechte, 
politiſch und geiftig fo weit getrennt worden jind, baf die Ge 
meinfamkeit der Abftammung und der ihnen gemeinihaftid 
gebliebene Lebensnerv nur von dem mit der MWiffenfhalt be 
waffneten Auge deutlid erkannt werden Fönnen. Die Stan 
dinavier, fo eigenthuͤmlich auch ihr Weſen in Staat, Kirche, 
Literatur und Sprache geworben fein mag, find gleichwol ur 
fere natürlichen Brüder; fie find aus einem und bemfelhen Be 
terhaufe mit uns, hervorgegangen, aber lange nach und, Kt 
ältern Brüdern. Darum ift aber auch die Erinnerung an ih 
ren Buftand im Vaterhauſe noch nicht fo verwifcht als bei un, 
und die beutfche Mythologie muß wiſſenſchaftlich in der ſkandi⸗ 
naviſchen das principium et fons anerkennen. 

Legen wir uns bie Frage vor, wie Grimm's,, Mythologie 
eine Möglichkeit geworden fei, „jo werden wir dieſe unbeftel 
bar dahin beantworten müflen: daß bie Sprachforſchung ühr 
haupt und insbefondere das vergleichende Studium ber altge 
manifchen Dialekte die vorzüglichften Unterlagen und Mater 
lien zu jener Wiſſenſchaft theil$ unmittelbar geliefert, theilk, 
wann fie andesweither entiehnt waren, nach ihrem Werthe un) 
ihres Brauchbarkeit beurtheilt und ihnen diejenige Stelle angemicien 
haben, welche ihnen in dem neuen wiſſenſchaftlichen Gebäude # 
gebühren ſcheint. Während aber jene Sprachfludien in ihrem 
Verhältniffe zur „„ Deutfchen Mythologie” nur als Mittel um 
Zweck erfcheinen, iſt diefe legtere wiederum bie Weranlaflun) 

eworden, daß die erftern vermöge der Erkenntniß ihres Um 
anges und ihres Werthes zu einer .abfoluten Bedeutſamkeit, 
zur Höhe. einer .felbftändigen Wiſſenſchaft gelangt find: deutſch 
mptbologifche Forſchungen und germanifche Sprachfiudien ſtehen 
in einer nothwendigen Wechſelwirkung : Grimm felbft darf al) 
instar omnium angefehen werben. Gr. würde weder in di 


9 


Rythen⸗ noch in.der' farkduung fo "gut gezeichnet fein, 
wenn er es nicht in beiden Beziehungen zugleich wäre. 
Berfen wir t i i 


Mi endiag noch einen flüchtigen Blick auf die 
age, 


welchem iſſe bie deutſche und die. fogenannte 
daffiihe Mythologie zueinanter ftehen, fo haben fie als Wif 
fenfchaften allerdings das Bemeinfchaftliche: daß fie namentlich 
auf die vorgefchichtlichen denkeln Zeiten der betreffenden WBöl- 
ker ein wenn auch nur ſchwaches Licht werfen und die erſten 
Anfänge ihres individuellen Eulturlebens offenbaren. Wie weit 
jedoch bie tiefſten und älteften Wurzeln diefes Culturlebens 
faufen, Das mit einigen Sicherheit zu erkennen, if insbeſondere 
ber griechifchen — zur Seit befriedigender gelungen 
ds der deutſch⸗ſtandinaviſchen Mythenkunde. Darin aber geht 
das antife Mythenſyſtem von dem germanifchen weit und we⸗ 
fentlih ab: während jenes mit dem urfprünglidden Wells 
geiſte ſelbſt erft völlig abflarb und ebenfo feinen Einfluß auf 
Bellsglauben, Euftur, Kunft und Poefie mit Diefem Abſterben 
erſt gänzlich verlor, warb das germanifche Mythenthum ſchon 
überwältigt, bevor dieſes ſowol felhft als das germanifche Bolt 
zur vollſtaͤndigen Entwidedlung kam. Someit daher unfer hi: 
ſteriſches Bewußtſein reicht, Mingen mit Ausnahme des ſkan⸗ 
dinavifhen Rordens nur ſchwache Töne aus der germaniſchen 
Rythenzeit zu und herüber. Und nur die Wiflenfhaft und bie 
Poefie leihen jenen Zönen noch ihr Ohr; Volksglaube, Cultus 
und Kunft end längft taub für fie gemefer. Es lag im Plane 
der Weltregierung, die Germanen durch den Beift des Ghrk- 
ſtenthums zu ihrer Weltbeftimmung zu erziehen. Wenden wir 
uns jept zu einigen &tellen Der intereffanten Worrede, womit 
der Berf. fein mythologiſches Werk einleitet. 

Mag man die einzelnen Epochen der Gefchichte der Menich: 
heit oder der einzelnen Völker, deren Gefhichten uns bekannt 
geivorden find, ind Auge faffen: Beine derfeiben wird den Ger 
nius der Menfchheit und die Güte der Weltregierung gänzlich 
verleugnen, Beine eine völlige Dumpfheit oder Abgeftorbenheit 
des menfhlichen Geiftes verrathen, Feine von jeder Quelle 
menſchlichen Glücks entblößt fein. Der Ausdrud „Barbarei’ 
it ein relativer Begriff, den die Eulturzeit als einen Maßſtab 
erfand, um ihm nicht felten mit mehr Stolz als Gerechtigkeit 
an das Reben und Thun der Vorzeit zu legen. Wie freigebig 
war man nicht früher, jegt weniger, mit Ausdrüden, welche 
das Rittelalter als finfter und barbarifch bezeichneten! Die hi: 
ſtoriſche Wiffenfchaft hat diefes Urtheil vielfach ats falſch er» 
wiefen. Und Grimm verdient gewiß die vollfte Buftimmung, 
wenn er in der Vorrede Folgendes fagt: „Wir wiberfteht die 
boffärtige anficht, das leben ganzer jahrhunderte fei durch⸗ 
durchdrungen gewefen von dumpfer unerfreuender barbarei; 
Idon der liebreichen güte Gottes wäre das entgegen, der alten 
zeiten feine fonne leuchten ließ, und den menſchen, wie er fie 
außnerüftet haste, mit..gaben des leibs und der feele, bewußt: 
fein einer höheren lenküng eingoß: in alle, auch die verfchrien: 
fin weltalter wird ein frgen von glüd und Heil gefallen Hg 
der edelgearteten voͤlkern ihre fitte und ihr recht bewa 
Ran braucht nur die milde und tüchtige gefinnung unſeres 
höheren alterthums in ber reinheit und Eraft der volksgeſetze, 
oder die angeflanımte fähigkeit des 13. jahrhunderts in feinen 
ſprachgewaltigen, befeelten Dichtungen zu empfinden, um für 
ſage md mythe, die in ihnen noch wurzel gefchlagen hatten, 
gerecht geftimmt zu fein.” 

Belanntlich ift die Literatur über die Heren und Heren: 
proceſſe außerordentlich reichhaltig, und Grimm bat (S. 1022 
—23) mit feiner befannten Belefenheit ein reiches Verzeichniß 
davon geliefert. Das Befte, was die Neuzeit über die Ge⸗ 
ige ber Herenprocefie geliefert hat, ſchrieb Soldan 1843. 
Auch unfer Verf. zolli diefem Gelehrten das verdiente Lob. 
Doch widerfpricht er ibm, und wir glauben mit Recht, in dem 
Punkte, das er den Bufanımenhang der Heren mit der deut- 
hen ie ableugnet und alles dämonifche Weſen von 
Griechen und Hömern abzuleiten geneigt if. Grimm fagt des⸗ 
helb: „Die ahnlichkeit der norflellungen des mittelalters mit 


rte. 


ſchmuͤcken.“ 


TEUL atban B auf, d 
sunehmen Icheint, Deutichland 3 Das’ übrige —X * Eu 


vopa felen vor ihrem frühen jufammenftoß mit jenem entweder 
ohne zauberei und geifterglauben geweſen oder dieſer auf eins 
mal erlofchen. Die Walburgisnacht follen römifche lares prae- 
stites, jelbft den gebrauch des lehnausbietens floralien und 
averruncalien, den biljenfchnitt dad fruges excantare verans 
laſſen; warum rührt nicht auch unfer e& von id, unfer auge 
von oculus, unfer zehn ven decem her? in folder Weiſe 
wäre Wuſtan unbedenklich auf Jupiter, Holda auf Diana, ber 
alp auf den Genius, die gefammte deutfche mythologie auf rö« 
miſche zurückbringen, und eb bliebe uns nichtE eigenthümliches 
als der Fable boden, ber die fremde lehre in fi) empfing.” 

Geftägt auf die Nachrichten der Alten über die Verbrei⸗ 
tung ber @elten in Wefteuropa, fowie aus ſprachlichen und am 
tiquarifchen Gründen, ıfl neuerdings die Meinung mit einer ge 
wiffen Zuverſicht ausgefprohen worden : daß namtentli das 
füdliche. und fuböftliche Deutfchland vor den: Germanen von 
Selten bewohnt geweſen fei; Der gewaltige Voͤlkerſtamm, der 
von Dften nad Weften feit dem 4. Jahrhunderte ging, habe 
die Selten, namentlich biesfeit des Rheins, theils vernichtet, 
theils zum Rückzuge auf die Hauptmaſſe in Gallien genäthigt. 
Kuh Grimm iſt ım Allgemeinen diefer Anficht, wie fich aus 
folgenden Worten erfennen läßt: „Zu gunften coltiſcher ſprach⸗ 
und fagenforihung if eine heilſame reaktion eingetreten, die 
darauf befteht, daß diefem zurüdgebrängten Volke, das vor⸗ 
eiten breite ſtrecken Deutſchlands einnahm, fein recht wider 

hre; keineswegs arm an denkmalen befigt es in der lebenden 
armeniichen, welſchen, fchottifchen und iriſchen Sprache auß- 
heifende Mittel. Roc aber gehen die pfade unficder und ſchlü— 
pfrig, und was wir den Selten „JugeRehn, fol im entdeckungs⸗ 
eifer nicht wider uns ſelbſt gekehrt werden; auf den beruͤh⸗ 
rungspunkten hat auch die deutſche eigenheit ihren anſpruch 
zu wahren.‘ 

Wie rüftig und gelehrt in neuefter Zeit von flawifchen 
Schriftſtellern über die Urgefchichte und Mythe ihres Volkes 
gefrieben und geforfcht worden ift, dürfen wir als allgemein 

efannt vorausfegen. Als claffiiches Werk führen wir nur an, 
weil es bier von befonderm Interefle ift: „Die Wiffenichaft 
des flawilchen Mythus“ u. ſ. w, von Dr. Hanufd) (Wien 1342). 
Rach ihm ift im flawifchen Mythus ein indifches und perfi- 
ſches Glement deutlich fihtbar: jenes ift mehr auf die Erde, 
dieſes dagegen mehr nad dem Himmel gerichtet. Das gleich⸗ 

ig von dem Ruſſen Kaftorsfi über denfelben Gegenſtand ge⸗ 

riebene Werk it und nicht genauer befannt worden. Auch 
Grimm bringt den flawifhen Mythus zur Sprache; wir thei⸗ 
Ien feine Außerungen im Weſentlichen mit: „Wie gegen We» 
ſten von den Gelten werden wir gegen Dften von den Slawen 
umfchloffen, und gleich celtiſchen Haben ſlawiſche Schriftfteller 
luft, da wo flawifcher und deutſcher glaube aneinander rühren, 
von flamwifhem grunde ber zu deuten, was ebenfo tool von 
ben unſern aus erllärbar if. Im ganzen ift wol die ſlawi⸗ 
ſche Mythologie noch um einige flufen wilber und finnlicher 
ale die deutfche, doch manches wird ſich anders ausnehmen, 
fobald einmal ſlawiſche volksſagen und märchen getreuer und 
reicher gefammelt find, und auch der deutſchen Forſchung gro» 
Ber gewinn daher erwachſen.“ | 

Der Sage vom Tel, die in den jüngft verfloffenen Jah⸗ 
ren fo vielfach wiffenfchaftlich unterfucht worden iſt und deren 
neuefte Literatur wir bei einer andern Gelegenheit zufanmen» 
geſtellt und dabei bewiefen haben, wie das bi orifhe Moment 
diefer Sage immer mehr ſchwindet, fpricht auch Grimm die’ ge⸗ 
ſchichtliche Wirklichkeit mit den Worten ab: „Die Zellfage er» 
zäblt keinen wirklichen vorgang, aber unerbichtet und ungelo⸗ 
gen ‚ift fie echtmythiſch im (doßr. der Schweiz neu aufgeftie 

n, um ein das volk aufs innerfte ergreifendes ereigniß zu 

Daß der griechifche und roͤmiſche Eultus bei der Entwide: 

lung der Fatholifägen und orientalifchen Kirche von bedeutendem 





912 


Enfluſſe geivefen fei, deffen Jolgen noch jetzi ſichtbar find, lei⸗ 
det Beinen” Broeifel. ee * dritten Ranges 
der alten Griechen und Römer werden in jenen chriſtlichen 
Kirchen durch die Heiligen beiderlei Geſchlechts repräfentirt. 
Auch unfer Verf. befpricht diefe eigenthümlidhe, wiewol am 

de recht wohl erflärlihe Erfcheinung, Enüpft aber daran 
noch die intereffante Bemerkung: ‚Die Kirche verftand in ih⸗ 
ven heiligen und heiligfprechungen ein maß einzubalten, und 
das unmaß ergibt fih am baarften daraus, daß die Thaten 
und wunder des Heilands und feiner apoftel durch die der 
Heiligen im einzelnen überboten find. Wer diefe forfchungen, 
wie fie es verdienen, weiter pflegen will, wird vorzüglich 
Darauf zu achten haben, welche heilige im volföglauben jedes 
Landes zuerft auftaudten, und weiche in den getichten und 
fegensfprüchen ftufenweife an den plag der alten götter ein- 

ten. ' Ä 

Bir fprachen fchon oben davon, daß die germanifche My⸗ 
thologie unentwidelt geblieben fei, daß ihr die Lebenswurzeln 
frühzeitig abgefchnitten worden; daß Das germanifche Boll durch 
das Ehriftentbum, welches dem heidniihen Mythenthume feine: 
lich entgenentrat, feine Durchbildung empfangen babe; und daf 
endlih darum das griechiiche Mythenſyſtem Überlegenheit an 
feinern und anfprechendern Zügen offenbaren müſſe. Das muß 
zugeftanden werden. Allein die Ziefe des Gemuͤths, ein Grund» 
zug des germanifchen Charakters bis auf diefen Tag, die hohe 
Achtung vor den Banden, welche die Ratur jelbft geſchaffen bat, 
die Verehrung der Frauen und der Beachtung ihrer Rathſchlaͤge, 
Die man fogar für höhere Eingebungen anzufehen geneigt wat, 
find Charakterzüge, die an der germanifchen Mythologie deut⸗ 
Ti) hervortreten. Unfer Verf., der competentefte Richter, fpricht 
fi darüber folgendermaßen aus: „In unferer heidniſchen my: 
tbologie treten vorftellungen, deren das menfchliche ber; haupt: 
faͤchlich bedarf, an denen es fich aufrecht erhält, ſtark und rein 
bervor. Der höchfte gott ift ihm ein vater, altvater, groß: 
vater, der lebenden heil und fieg, fterbenden aufnahme in feine 
wohnung gewährt. Tod ift heimgang, rückkehr zum vater. 
Dem goft zur feite fteht die Höchfle göttin als mutter, alt 
mutter, großmutter, weife und weiße ahnfrau. Der gott ift 
hehr, die göttin leuchtend von fchönheit, beide ziehen um und 
erfcheinen im land, er den krieg und die waffen, fie fpinnen, 
weben, fäen lehrend; von ihm gebt das gedicht, von ihr Die 
füge aus. Dem alten recht hat ſich diefelbe vatergemwalt tief 
eingeprägt; er legt den neugebornen john auf feinen ſchoß 
und erkennt ihn; aber vielleicht galt allgemein, was wir nur 
in einigen der alten volksrechte lefen, daB den. Frauen ur: 
fprünglich höhere, doppelte. compofition zukam; deutfche Frauen- 
-verehrung hat Schon Tacitus eingefehen und die geſchichte zeugt 
davon auch im mitfelalter. Das rohe wäre aus dem heidni⸗ 
ſchen glauben, wenn er länger angehalten hätte, gefchwunden, 
bon der raubheit aber dennoch viel geblieben, wie in unferer 
ſprache etwas rauhes, unausgearbeitetes ſteckt, was fie nicht zu 
allem untüchtig macht, zu mandem befähigt; deutfcher art an: 
gemeſſen ift ein finniger ernft, der fie dem eitlen entführt und 
. auf die fpur des erhäbenen leitet.’ 

An die ſoeben mitgetheilte Schtußbemertung nüpft dann 
der Verf. die Beobachtung, daß der Germanismus um feiner 
eigenthbümlichen Beſchaffenheit willen aud) den Grund und Be: 
den enthalte, auf dem der Proteſtantismus allein entftehen und 
gedeihen konnte. Und die Gefchichte rechtfertigt diefe Anficht 
ebenfo gut als die, daß der Proteſtantismus foweit herrſchen 
würde als das germanifche Wefen reicht, wenn nicht auslän- 
difche Lift und Gewalt ihm die Lebenswurzeln zu verderben 
bis auf dieſen Tag bemüht gewefen wären. 

Wir ſchließen unfere Anzeige mit dem Belenntniffe erneu⸗ 
ter Dankbarkeit gegen den Verf. und verbinden damit den 
Wunſch: daß es ihm vergönnt fein möge, fein treffliches Werk 
berienigen Bollendung noch entgegenzuführen, Die feinem thaͤ⸗ 
tigen Geiſte vorſchwebt. Karl Zimmer. 


15 99 
20 
5 
2 
G 


Bibtioagraphie. 

Anthes, J. C., Allgemein⸗faßliche Bemerkungen zur Be: 

beſſerung des evangeliſchen Kirchengeſonges. —** Ir: 
drich. Gr. 3. 3%, Nor. 

— — Die Tonkunſt im evangelifchen Cultus, nebft einer 

en Geſchichte der kirchlichen Muſik. Ein Handbug 

r Ge liche , ar ßen, Dorfänger und Lehrer. Wiesbaden, 

4. r 


Friedrich. Ihlr.. 

‚ Bamberg, %., ‚Über ben Einfluß der Weltzufände af 
die Richtungen der Kunft, und über die Werke 9. Hebbıli. 
Hamburg, Hoffmann und Gampe. 8. 10 War. 

Bolt, E., Geognoſie der deutſchen Dftfeeländer zwilden 
Cider und Oder. Unter Mitwirkung von &. U. Brüdae 
verfaßt. Neubrandenburg, Brunslow. Gr. 8, 1Thlr. 15 Rgr. 

Briefwechsel zwischen Leibniz, Arnsuld und dem Laud- 
grafen Ernst von Hessen-Rheinfels, aus den Handschriften 
der königlichen Bibliothek zu Hannover herausgsgebeu von 
€. L. Grotefend. Hannover, Hahn. Gr. 8, Thlr. 
Carlen, Emilie, Die Braut auf dem Dmberg. Is. 
ven Schwediſchen. Bwei Zheile Berlin, Marin. 8. 1X. 

r 


Die Epigonen. er Band. Leipzig, O. Wigand. Gi.— 
1 at. 25 Bgr. 8 s 

Ficker, A., Grundriß der Weltgeſchichte. Iſte Abtheilunz 
Olmũtz, Hoͤlzel. Gr. B. I Thlr. 10 Rear. 

Unſere Gegenwart und Zukunft. Herausgegeben von Karl 
Da rmann. dter Band. Leipzig, Mayer. Gr. 8, 1 Xhlr, 
gr. 
Geſprache aus der Gegenwart über Staat und Kirk. 
2te verbefferte und vermehrte Auflage. Stuttgart, Behr 
Kl. 8. 1 Ihlr. 15 Rer. | 
Haft. Eine Sammlung perfiiher Gedichte. Nebft por: 
Ihen Zugaben aus verfchiedenen Völkern und Ländern. Vor 
2. 8 Daumer. Hamburg, Hoffmann u. Campe. 8. I 2hlı. 

gr. 

Lever, C., Odonoghue. Roman, Aus dem Engliihen 
überfegt von C. Richard. Drei Bärde. Aachen, Mavrr. 
12. 4 Thlr. 15 Nor. 





Reifebilder und Novellen aus der Vergangenheit und Ge 
genwart. Gefammelt von t. Drei Bände. Braunſchweig, 
. &. €. Meyer sen. 9. 2 Thlr. 

" Steinmann, F., Pauperismus und Communismus, ihtt 
Urſachen und die Mittel zur Abhülfe. viſtoriſch, ſtaatswirth⸗ 

fhaftlih, ideal. Solingen, Amberger. 12. 12 Ragr. 
Weinbolz, A., Die Ihaten Friedrich's des Großen, fr 
fungen. Leipzig, Voigt und Fernau. 8. 1 Thlr. 10 Nor. 


zZagesliteratur. | 
Die neuen Bonkverordnungen in Preußen. Unmaßyeblids | 
Votum eines Finanzmanned, Hamburg, Bogel. Gr.8. 15 KR 
Fairplap, 3., Aufjeihnangen des ewigen Juden übe 
die Sefuiten und ihre Gegner. Deutfch mit zahlreichen Retm 
von 3. A. M. Brühl. Schaffhaufen, Hurter. 8. 20 Ryr. 
Lind : Würmer. Satyrifch : parodirendes Quodlibet no6 
Schiller, von Jemandem. Hamburg, Berendfohn. 12. 3%, Rt. 
Yaulla, P. M. da, Gegen die Irrlehre der Deutſh 
katholiken. An dad gegenwärtig verfammelte Concil auf dem 
Berge Sarınel, unter dem Vorfige ded Alten vom Berge. Bir 
terthur, eiterarifches Comptoir von Hegner. 8. 12 Rgr. 
Tholuck's — Amtöfubiläum den 14. Mai 186 

Erinnerungsblätter für Freunde. Halle, Mühlmann. 8, 8 Rat. 

Über die Nothwendigkeit, den Eifenbahnen eine allgeme: 
nere Anwendung zu verfhaffen, und die Möglichkeit dies durh 
Dferdeförderung Fi tbun. Von M. F. ©. Preiberg, Ent 
hardt. Gr. 8. 6 Nr. 

Zarbl, 3. B., Zrauerrede auf den Tod Gregor's KM. 
Regensburg, Manz. Gr. 8. 3%, Nor. 


Berantwortliser Herausgeber: Helusih Wrodtauns. — Drud und Berlag von F. X. Brockhans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariide Unterhaltung. 








Englifhe Zuftände. 

weiter und legter Artitet.‘ 

1. England. Bon I. Venedey. Drei Theile. Leipzig, 
Brockhaus. 1845. Gr. 12. 6 Ahlr. 

2. England in feinen focialen und commerciellen Inftitwtionen. 
Bon Leon Bauer. Aus dem Franzoͤſiſchen von J. Seybt. 
‚Brei Baͤnde. Leipzig, Lord. 1346. &.8. 4 Thlr. 

. Der Ya us ın England in legislativen, adminiſtra⸗ 
tiven und ftatiftifchen Beziehungen. Nach amtlichen Quel- 
len bearbeitet von €. Th. Kleinfhrod. Mit zwei Ab⸗ 
bildungen und vier Tabellen. Regensburg, Manz. 1846. 
&. 8. 1 TIhlr. 20 Nor. 

Benn wir und in dem erften Artikel mit den hiſto⸗ 
afhen und politifhen Zuftänden Englands befchäftigt 
haben, fo foll Diefer Dagegen vor allen Dingen die ſocia⸗ 
in Entwickelungen und Verhältwiffe des merkwürbigen 
Inſelxeichs darflellen. Wenn Venedey unübertrefflich iſt 
in feiner hiſtoriſchen Auseinanberfegung, in feiner demo» 
fratiihen Geſchichtſchreibung, fo übertrifft ihn ‚dagegen 
Faucher in feiner ſocialen Kritik; und die Studien, welche 
er über England gemacht hat, bringen auf diefem Felde 
oft ganı andere Reſultate als Diefenigen Venedey's. Cine 
Ergänzung des Einen durch den Andern oder eine Ver- 
gleihung zwifchen Beiden und eine Prüfung ber beider- 

igen Principien wird manchen intereffanten -Auffchluß 
gewähren können. 

Man braucht nur die Ginleisung zu leſen, - welche 
daucher feinem Werke voranfegt, um fich zu überzeugen, 
daß er nicht minder berechtigt ift als Venedey, uͤber 
Cugland zu ſchreiben. Sie iſt ein Meiſterſtuͤck von 
Schärfe: fie-malt das ganze England in leichten, aber 
fern Strihen. In den Hauptpunkten ſtimmt bier 
der Franzoſe mit bem Deutſchen überein: Beide treten 
mit großer Achtung vor bie englifche Nationalität bin; 
eide anerkennen die auffallende Originalität der engli- 


3 


Men Inflitutionen; Beide finden in dem englifchen Natio- | 


nalcharakter einen Nriftotratiemus von unten hexauf, 
eine Neigung zur Abſchließung und zur Sfolirung be- 
rundet. Während aber Benebey in feiner englifchen 
Geihictfchreibung dem deutſchen Volke eine Lehre ge- 
ben will und Häufig auf die Eine Wurzel deutſchen umd 
eglifhen Weſens hindentet, :Fhlt der Franzoſe ſich ge- 
withigt, zu erklaͤren: 
* Berl. den erſten Artikel im Nr. 20H BL D. Red. 


Montag, — Nr, 229, —— 





IT. Auguft 1846. 


—— — — 





Wenn. eb. aber einen: Staat gibt, nach dem ſich Frankraich 
nit ungeftraft ‚bilden Sonn, fo ift .«6 Rn ohne 
Widerſpruch: ich kenne nicht zwei Völker, welche fo ſtark von⸗ 
einander abweichen oder deren Charakter entſchiedener in Op⸗ 
pofition gegeneinander ſteht. Nicht vergebens hat der Antago⸗ 
nismus zwiſchen Frankreich und England-acht Jahrhunderte lang 
beſtanden: dieſer Kampf. wäre ein Unfien, wenn er mit einer 
Bexſchmelzung, alfo mit einer Vernichtung des. einen Xheils 
aufhören. ſollte. Frankreich und England ſtellen zwei Princi⸗ 
pien dar, welche feit dem Urfprung der Gefellfchaft nebenein- 
ander beftehen, die aber ſicher nicht dieſelbe Zukunft ‚haben: 
das demokratiſche und das ariftsfratifche. — Ihre Ken⸗ 
denzen find fo verſchieden wie ihre Ausgangspunkte. Das eine 
wie das andere iſt noch nüglich für den Fortſchritt der civili⸗ 
firten Welt; aber jedenfalls darf man fie nicht miteinander 
vermengen: Frankreich darf nicht England und England nicht 
Buankreich werden. Eine tiefgehende Unverträglichkeit beſteht 
zwiichen der Cinilifation, . welche Alles .generalifirt und ber, 
welche Alles fpecialifirt, zwifchen dem Genie für das Age 
meine und uorzugäweife humane und dem der Abfchliefung. 

Der Nationalfranzoſe blidt aus dieſen Zeilen hervor: 
bie Nationalität ift für ihn ebenſo eine Schranke mie- für 
Denedey. Der Ausbau bes politifhen Englands iſt 
allerdings ein. ganz anderer als der des politifchen Frank⸗ 
reiche: der Kanal trennt zwei politifche Sphären, aber 
nicht zwei verfchiebene Weltkörper. Unter dem politi- 
ſchen Frankreich regen fich diefelben ‚Elemente wie unter 
dem politifhen England: für fie eriftirt nicht mehr. der 
politifhe Antagonismus; fie rechnen nicht non alten 
Zeiten an, ſondern von geſtern, von heute. ‚Das politi» 
ſche Frankreich läßt fi) allerdings noch begeiftern durch 
ein „Jamais, jamais les Anglais ne regneront en France”; 
aber das arbeitende, das darbende, das focialiftifche Frank⸗ 
reich hat fich von diefem, Antagonismus befreit; und ebenfo 
fingen bie englifchen Chartiften nicht mehr ausfchließ- 
lid) „Rule Britannia”, fondern auch, ohne allen Fran⸗ 
zoſenhaß: 

Heroic Vrance! enshrined .in ‚glory, 
For ever bonoured be thy name! 

And,.oh! may England, from thy atery, 
-Cherish bright Frreedom’s sacred flame. 

Give man but the unfetter’d mind, 
Let: Freedom’s banners float unfurled: 

: Feir :Eranos. and England, then , combined, 
May. rule, protect and: free the .world. 

Aud till the work:be done, 

Think ye as Julius Caesar thought: 

- The work is. but begun! 


9a 


Und mit dem Chartismus find wir noch nicht einmal 
auf dem reinen Boden ber neuen Bewegung angelangt! 
Faucher hat Recht, wenn er das politifche England dem 
politifchen Frankreich entgegenftellt, aber ex ift im Un- 
recht, wenn er biefe nationalen Gegenfäge auf alle 
Ewigkeit überliefern und nicht anerkennen will, daß. fie 
vor einem neuen Elemente zufammenfchlagen werden ; 
wenn er die Miffton Frankreichs als eine für immer 
humane, die Englands als eine für immer abfchließende 
bezeichnet. Faucher ift ebenfo wenig wie Venebey über 
den Nationalismus hinausgefommen. Frankreich fol 


die humane Miffion Haben: Frankreich foll die Welt‘ 


glücklich machen! Wie Frankreich der Welt mit den 
Waffen in ber Fauſt bie politifche Zreiheit, den Despo- 
tismus ber Revolution aufzwingen wollte: fo fol Frank⸗ 
reich auch berufen fein, die Welt focial zu beglüden. 
Das ift ganz wie Louis Blanc gefprodhen. Diefer 
franzöfifche Nationalismus Faucher's ijt weit Bleinlicher 
als der deutfche Venedey's: der franzöfifche anerkennt 
eigentlih nur Frankreich und kommt überall auf Frank⸗ 
teih zurück; der deutfche fucht fich in jede Nationalität 
unparteiifh, hiſtoriſch und kritiſch zu verſenken und dar- 
aus „eine Lehre für das eigene Volt zu ziehen”, wie 
Venedey es mit dem größten Ernſte und Eifer ge 
than bat. , 

Wir haben oben gefagt, die fociale Kritik Faucher's 
fei fchärfer als diejenige Venedey's. Venedey hat fich 
mit der politifchen und mit ber hiftorifhen Welt, mit 
der nationalen Entwidelung derfelben fo unaufhaltfam 
befchäftigt, bag ihm der neue Boden, welcher ſich allınd- 
lig gebildet hat, ziemlich unbekannt geblieben iſt. Er fegt, 
wie wir fehen werden, dem gefellfhaftlihen Bankrotte 
unferer Zuftände, wie er in England am bdeutlichften 

ervortritt, Faum etwas Anderes als „das Gefühl der 
fühe” und die „Nächftenliebe’’ entgegen. Raucher 
dagegen ſteht in mitten ber alten politifchen und der 
neuen focialen Bewegung: er hat von Beiden fein 
Theil; er erkennt die focialen Conflicte und fieht eine 
politifche Löfung; er fleht mit, Louis Blanc in einer 
Kategorie, aber er hat ebenfo wol mehr Geiſt als Gründ⸗ 
lichkeit. Er ift ein politifcher Socialiſt oder ein fociafi- 
ftifcher Politiker, noch befonders eingeengt durch fein 
franzoͤſiſches Nationalgefühl; und dennoch geräth diefer 
traßitionnelle Nationalismus in die Brüche, wenn er am 
Schluffe feiner Einleitung ausruft: 

Gibt es alfo vielleicht zwei verfchiedene und felbft ent: 
gegengefegte Eivilifationen? Das Menfchengefchlecht geborcht 
in feinem Fortſchritte durch Jahrhunderte einer demokratiſchen 
Bewegungs und ber Kreis der Uufflärung, des Wohlftandes, 
der gefeplihen Droͤnung vergrößert fih von Tage zu Lage. 
Iſt England von diefem allgemeinen Gefege ausgenommen? 
Schorht feine Entwidelung eigenthümlihen Bedingungen ? 
Gewiß nicht! Das kann nicht fein! Der Dualismus ift ebenfo 
wenig in Der gefchichtlicdgen wie in der moralifchen Welt vor« 
handen; und wenn es uns auch ſchwer wird, mit ber Civiliſa⸗ 
tion die Richtungen gu verfühnen, welche Großbritannien eigen» 
thümlich find, fo beweift Das nur: daß die Philofophie der Be» 
ſchichte noch eine neue Wiflenfchaft ift und daß fie eine Beſtim⸗ 
mung bat, deren Geheimniß wir noch nicht gefunden haben. 


Wo bleibt Hier der Franzoſe? wo hier der Antape- 
nismus zwiſchen Frankreich und England, ben Fauder 
anfangs für alle Zukunft verewigt wiffen wollte? Der 
Geiſt der neuen Bewegung ftegt hier über die Befpen- 
fter der alten Politik, felbft über eine franjöffhe Ra 
tionaleitelkeit. Die Philoſophie dee Gefchichte ift nicht 
fo neu, wie Faucher glaubt und wie fie es ihm if. In 
Deutfhland hat fie einen immer kühnern und einſamern 
Flug genommen, während Frankreich und England prof, 
tifhe Geſchichte zu machen und bie Gonfequenen de 
alten Welt zu erfüllen ſuchten. Faucher ift nicht con- 
fequent. Er Hat infeitigkeiten, er hat Vorurtheile, 
aber er bat auch wieder fo viel natürliche Witterung 
und fo viel Beift, um mit bdenfelben in Widerfprud 
zu gerathen. . 

Wir wollen mit den Specialftubien Faucher's begin 
nen, welche den erften Band füllen und ein überaus 
reiches Material zur Kritik der englifchen Volkszuſtoaͤnde 
und überhaupt zur Kritik der ganzen mobernen menfd- 
lichen Gefellfchaft, fowie der Principien, von denen ſie 
ſich leiten läßt, liefern. London, diefes moderne Bakıl 
ift es vor allen Dingen, welches unfer Intereſſe in Ir: 
ſpruch nehmen wird. Faucher fagt: 

Rah dem Außern Anfcheine müßte London vor allem Xn: 
bern das Aſyl der Demokratie fein. Gleichförmige Haufe, 
Straßen, die einen unterfcpeidenden Charakter haben; wenig 
oder Feine Palaͤſte; nicht ein Haus, welches höher als das ar 
dere wäre, überall eine regelrechte Mittelmäßigkeit der Ari 
teftur, die man nur einer- Bevölkerung von Chinefen für an 
gemeflen halt. Denke man ſich dazu noch, daß die verfihier 
nen Quartiere Londons nicht miteinander verknüpft eriheinen, 
wie die verfchiedenen Theile eines Ganzen. Es find nebenein 
ander liegende Städte, welche verfchiedene Beftimmungen fr: 
füllen und verfchiedene Bebürfniffe haben, und die man, wie 
entlegene Landftreden, durch Dmnibus, Dampfer od duch 
Eifenbahnen durch die Stadt, wie bie von Bladwol nah 
Greenwich, verbinden muß. Man begreift, daß Cobbet in Ik: 
ner republitanifhen Mifanthropie London mit einem unge 
beuern Geſchwür vergleichen Eonnte. 

Faucher charakterifirt nun die Quartiere biefer Belt: 
die Stadt ber Matrofen, der Hafenarbeiter, ber Lab 
träger, Kärrner und Fuhrleute; die City, dieſes Compteit 
Englands; die Stadt der Theater, der Mufeen, ber Mod 
der Gafthöfe, ber Freudenmäbchen und der Gauner; dam 
das Quartier der Ariftofratie. Wer Nichts als das BA 
ende fieht, würbe London ohne Zweifel die fchönfte un 
gefündefte Stadt der Welt nennen; aber London ift ti 
Stadt der Gegenfäge: neben einem Reichthume, de 
jedes Vergleiche fpottet, entdedt man bie entfepliht 
und zugleich erbärmlichfte Armuth; und 
biefelbe Stadt, welche die tadellofen Häufer, die ſchmucn 
Straßen und die grünenden Squares, das Weftende, in ſich fü 
enthält auch in ihrem Innern balbzerfallene Baraden, unge 
pflafterte Straßen ohne Beleuchtung und ohne Schleufen; Pk 
auß denen weder die Luft noch die Gewäfler einen Ausg 

nden, und pefterfüllte Cloaken, welche jedes andere Volken 
ewohnen würde und die zur Ehre der Menfchheit fi and" 
wärts nicht finden. 


Faucher führt uns nun in bie Proletariatsdiſtüick 
Londons. Die drei Quartiere Spitalfieldse, Be 
Green und White-Chapel bilden in London eine Ir 





95 


von celtifeher Stadt: franzoͤſtſche Wrbeiter, nach bem 
Widerruf des Edicts won Nantes aus ihrer Heimat 
getrieben; irländifche Proletarier, alljaͤhrlich durch Hun- 
gersnoth aus Irland gejagt, und Juden aus allen Punk⸗ 
ten Europas bilden mit der englifchen Bevölkerung ben 
Stamm ber Derbannten. Zwifchen Spitalfields und 
Bethnal » Green ift Montags und Dienftags zwifchen 
6 und 7 Uhr Kindermarft: die Altern bringen dorf ihre 
acht» bis neunfährigen Kinder jedes Gefchlechts zu Markte, 
um fie zu vermiethen. Liegt der Handel bdarnieder, fo 
trifft man auf biefem Markte oft 300 Peine Arbeiter; 
nimmt die commercielle Thätigkeit wieder zu, fo findet 
man nicht mehr als 50 — 60 auf einmal dort verfam- 
melt. Sobald ber Vertrag abgefchloffen ift, macht der 
Abmiether aus dem Kinde was er will: einen Arbeiter 
oder einen Ausläufer oder einen Bedienten: das Kinb 
gehört ihm ausſchließlich 12—15 Stunden täglidy; denn 
die Altern verlangen für biefe Unglüdlichen Feine andere 
Erziehung als die der Dienſtbarkeit. So macht bie 
moderne Gefellfchaft das Kind des Armen, fobald es 
nur eben auf feinen Füßen ftehen und die Arme be- 
wegen ann, zu einer Lohnmaſchine. Faucher fagt, Die 
häusliche Arbeit eben fei es, welche die unerträglichfte 
Tyrannei begründe. 

Die Arbeit auf dem Zelde hat den Vortheil, daß fie nicht 
die jüngften Glieder der Familie befchäftigt, daß fie die Arbei⸗ 
ter nicht zu fehr anftrengt und fie nicht aus dem väterlichen 
Laufe verweifet. Die Arbeit in den Fabriken ift durch fefte 
Seftimmungen über das Alter und die Arbeitszeit befchränft; 
ber empörendfte Misbrauch findet bei der häuslichen Arbeit 
fatt, in jener vielfach zertheilten Induftrie, welche der Ein: 
wirfung der Gefege entgeht, ohne von der milden Einwirkung 
der Liebe gemäßigt zu werden, und die den jungen Arbeiter 
durch das einzige Band des Interefied an eine Familie knuͤpft, 
welche nicht die feinige ift. 

Taucher fagt, es gebe in Europa keinen Ort aufer 
London, wo noch etwas Ähnliches möglich wäre. Man 
Tonne den Markt von Bethnal-Green nur mit den Ba⸗ 
zars vergleichen, wo Sklaven zum Kauf ausgeboten 
werden; und doch müffe man bis in die Mitte von 
Aria gehen, um Völker zu finden, bei denen die SHa- 
ven von ihren eigenen Altern zu Markte gebracht wer- 
ven. Aber die Sklaverei ber Kinder ift ein Charakter⸗ 
zug der induſtriellen Gefellfchaft, und fie muß natürlich 
fi in England am ftärkften zeigen, weil eben in Eng- 
land der Reihthum und die Induſtrie auf einer hohen 
Stufe angelangt find. Bon den Wohnungen in Bethnal- 
Green ſagt Faucher: 

Bann dieſe Hütten, wegen der Gefährlichkeit, fie zu be: 
wohnen, von den Miethern verlaffen worden find: fo findet 
fh immer, ehe man fie niederreißt, irgend eine irländifche Fa⸗ 
mie, die Beinen Miethszins bezahlen kann und wie eine Heerde 
Bilder Thiere hier einen Zufluchtsort ſucht. In einem Stadt: 
theile, wo die Straßen bei regnichter Witterung zu einem Mo» 
safte werden, hauchen dieſe verpefteten Trümmer alsbald Fieber 
erregenbe Dünfte aus. . 

Eine genaue, aͤußerſt intereffante Schilderung enf- 
wirft Zaucher von White⸗Chapel. Er beginnt, indem 
u fagt: 

* gibt Quartiere in London, welche eine groͤßere Anzahl 


von Armen beſitzen; aber es gibt keinen un de 
nen, in dem — * mehr Dpfer Ha Br vera * * 
lebenden in einer ſchlechtern Lage zurückgelaſſen werden. 

Das Fieber hat hier die Bevoͤlkerung decimirt, und 
erſt jegt kommt bie Verwaltung zu dem Entſchluſſe, 
Schleufen in den Hauptſtraßen zu bauen; aber der Keh— 
richt und Mift wird alle Woche nur einmal aus ben 
elenden Gäßchen und noch elendern Höfen weggefhafft. 
Jede Familie befigt Hier nur ein Zimmer zur Wohnung, 
zuweilen haben auch zwei Familien ein Zimmer. im 
Beiig. Eine von Lord Sandon angeftellte officielle Un⸗ 
terfuchung hat gezeigt, daß nur von 929 Familien jede ein 
Zimmer "für fi allein hatte und daß in 623 Fällen 
die ganze Familie auf ein einziges Bett befchränkt war. 
Unter der balbnomabifchen Bevölkerung von White-Chapel 
find die Juben die Herren des Drtes. Diefes Biertel 
ift ihr Ghetto in London. Die Irländer White⸗Chapels 
fiehen noch tief unter diefen Elenden. Don zwei Kin— 
dern flirbt in White - Chapel eins, faft ebenfo wie in 
Liverpool und Mancheſter. Die mittlere Lebensdauer, 
welche im Weftende 26 Jahre für Arbeiter und Dienft- 
boten ift, ift blos 22 in White-Chapel und fogar bloß 
16 in Bethnal- Green. Die mittlere Sterblichkeit in 
London ift 1 Bewohner von 40; aber während fie in 
ben weitlichen Stadttheilen das Verhaltniß von I zu 
44,60 erreicht, finkt fie im DOften auf das von I zu 38,53. 
Jaͤhrlich flirbt 1 Frau von 57,05 in dem Kixechfpiel 
Saint » George, welches am äuferfien Ende bes ariflo- 
kratiſchen Stadttheils liegt, und 1 Frau von 28,15 in 
White-Chapel, Diefer Stadttheil, deffen Bewohnerfchaft 
fih wie 7 zu 100 der Bevölkerung der ganzen Haupf- 
ftadt verhält und der 9 zu jedem 100 von öffentlicher 
Unterftügung lebender Armen liefert, zeigt in den Kran- 
ten ein Verhaͤltniß von 17 zu 100. Dazu muß no 
bemerkt werden, daß ſich das PVerhältnig in White 
Chapel noch höher ftellt, je ernfter die Krankheiten wer- 
den. Bei 5692 Tophusfällen kamen auf diefen Diftrict 
1505, alfo 26% auf 100. Bethnal- Green, White 
Chapel und überhaupt die ärmern Quartiere des Oſtens 
find in London als die Werkſtatt zu betrachten, wo das 
Fieber erzeugt wird. Und was thut die Regierung ? 
Man höre Faucher: 

&o lange die beftändig inficirten Quartiere außerhalb dem 
allgemeinen Verkehre Londons ftehen, vernadhläffigt und ver: 
gift man fie. Die Leiden ihrer Bewohner find nur den Kirch- 
jpieldbeamten und den raten bekannt, welche den Muth ha⸗ 
ben, die Kranken oft mit Lebensgefahr zu befuchen. 

Deffenungeachtet erklärt Faucher, daß fih die Maß⸗ 
regeln der englifhen Behörden. zu Gunften ber öffent 
lichen Gefundheit viel weiter erftreden als in Frankreich: 

In Frankreich glaubt man ſchon viel gethan zu haben, 


"wenn man die Breite der Strafen und die Höhe der Häufer 


beftinmt; an die Größe der innern Höfe, auf welche der größte 
heil der Wohnungen fieht und welche einathembare Luft und 
Licht geben follten, denkt man gar nicht und legt dem Geiz, 
mit dem die Cigenthümer biefen für die Gefundheit und fogar 
für das Leben fo notwendigen Raum abmefien, Beinerlei Baum 
an. Die Straßen unferer Städte hat einer Operndecorg- 
tion: fie haben eine glänzende Borderfeite, welche von außen 





916 


wet und gefältt, ‚aber Hinter dieſem Beihein ift weder Luft, 
noch Licht, noch Raum. 

Durch das Gefeg vom Sept. 1844 verfucht man 
in England die Wohnungeverhaͤltniſſe zu reguliren. "Aber 
was gefchieht damit? Zwar enthält das Geſetz eine 
Claufel, in der direct auf das Wohnungselend der Pro- 
letarier Nüdficht genommen wird; aber was Tann eine 
ſolche Clauſel machen? $. 53 verbietet den Hausbefigern 
vom 1. Juli 1846 an die Bermiethung - von unterirdi⸗ 
ſchen Kammern oder Kellern, wenn fi in denfelben Fein 
Kamin befindet, wenn das Fenſter nicht 9 Fuß Quadrat⸗ 
fläche hat und auf einen offenen Raum ſfieht, deſſen 
Fußboden 5 Zoll unter bem Niveau des Zimmers fein 
muß und der nicht wenigſtens 5 Fuß fang und 2/4 Fuß 
dreit iſt. Nach Faucher kann fast keiner der jept von 
Arbeitern bewohnten Keller diefe Bedingungen erfüllen, 
%. 53 ift alfo Nichts als ein Verbot, die untern Stock⸗ 
werte in den Häufern ber Armenquartiere zu vermie- 
then; es lege in ihm ein Befehl zur Auswanderung. 

ber wohin? Darum kümmert fi) das Gefeg nicht! Es 
glaubt mit- feiner paffiven Verfahrungsmeife alles Moͤg⸗ 
iiche gethan zu haben! Gewiß haben die Arbeiter Beine 
beſondere Vorliebe für ftintende Keller und Kammern, 
am dort mit ihren Familien aufeinander gefchichtet zu 
leben: fie flüchten fi) eben nur dahin, weil fie Fein an- 
deres Obdach Haben. Diefen Punkt laßt das Gefeg 
‚ganz beifeite: hinter feiner ſcheinbaren Mitleidigteit und 
Fürforge ift alfo eine nene Grauſamkeit verborgen. Aller: 
dings Hat fi in London unter dem Vorſitze des Lord 
Aſhley, bes Lord Morpeth und bed Lord Normanby eine 
Geſellfchaft zu dem Zwecke gebildet, gefunde Xrbeiter- 
wohnungen zu bauen; aber das Übel ift über einen zu 
Raum verbreitet als daß ſich ein Erfolg für bie 
Beltrebungen von Individuen oder Gefelffchaften ermar- 
ten ließe. „Der Negierung liegt es ob, ſich hier einzu- 
mifchen”, meint Faucher, und weiterhin fagt er: 
" Im Weftend zielt Alles darauf Hin, die Dauer des menſch⸗ 
lichen Lebens zu verlängern; im Oſten trägt Alles dazu bei, 
es zu verkuͤrzen: ſodaß in derfelben Stadt ein Menſch, je nad» 
dem er reich oder arm ift oder in dieſer oder jener Straße 
wohnt, doppelt fo lange ald der andere oder bloß halb fo lange 
lebt. Wenn die feciäle Ungleichheit bis zu ſolcher Berachtung 
der menſchlichen Natur getrieben wird, wird fie. nicht "dann 
eine Empörung .gegen die Vorſchung, zu einer gottedläfterlichen 
Dandlung? 

Alfo an die Regierung und an die Vorfehung hat Fau⸗ 
‚der appelliet! Aber er appellirt noch ‚anders wohin, — 
man rathel — er appellirt an die engkifche Ariſtokratie! 

‚Die englifhe Ariſtokratie hat den Namen, die: Macht und 
den Reichthum der Nation auf einen ‚hohen Standpunkt ge 
bracht. Mag die Quelle ihres Rechtes Ufurpation oder Ber: 
trauen des Volkes fein: fie hat fih würdig gezeigt, das Volk 

u regieren. Möge fie alfo im Befige ihrer Macht bleiben! 
Das Srundvermögen gehört ihr allein ans fie hat nur für eine 
Zeit die öden Stellen der Städte abgetreten, um fie fpäter mit 
Häufern bedeckt wieder zu erlangen. Die Errichtung von Fa⸗ 
triten, welche den Wrrtd ber benachbarten Grundſtuͤcke verbop: 
gelte, "bat faſt überall ihr Einkommen verdoppelt. Möge fie 
diefen großen Vortheil in Frieden genießen; Das kann nody in 
einem Lande gefiheben, wo der Ehrgeiz nur felten die Geſtalt 
des Reides Aber es genügt wicht, einem Lande 


Macht zu geben: man muß auch das Wort gluͤcklich machen. 
ine ariſtokratiſche Negterung it vielleicht diejenige, welche am 
wenigften einer egoiſtiſchen Politik grhorcht. Sie muß im Zr 
tereſſe der -Maflen verwalten, um dad Recht En baben, fie von 
der Regierung auszufchlisgen. Jede Ariftokratie hat ihren Plag 
in der Geſellſchaft, wie das Herz im menfchlichen Körper, um 
daſelbſt die Circulation des Blutes zu unterhalten und das fe 
ben zu entwideln. -Abforbirt :fie :die ſociale Subſtanz, anfatt 
fie in .alle lieder zu vertheilen, ſo wird fie.zu einem Gegen 
flande des Argernifies und zu einem Keime des Todes. 


Was hilft es, wenn er hinterher auch die englilhe 


Ariſtokratie als erſchoͤpft und ermattet darſtellt ? Er läft fie 
einmal die politiſche und ſociale Berechtigung. einer Ariſt⸗ 
kratie gefallen. Er iſt fo wenig conſequenter Socialif, 


daß er ſagen kann: „ich laſſe die äͤußerſte Contentrirung 


und die kleinſte Theilung des Eigenthums zu”; und all 
Politiker, welcher in der Ariſtokratie Hülfe und Rettuy 
ſehen kann, bleibt. ex weit hinter dem Demokraten Bau: 
dey zurüd. Man fieht, Faucher has feine grofen 
Shwäden: Faucher hat die Schwächen ber ſocialiſü 
fhen Dalbheit; in Venedey findet man bie Fehler da 
firengen politifchen Conſequenz. 
(Die. Aortſetung folgt.) 





Miscellen. 
„Riemand”, ſagt Sokrates — kennt den Tod, un 
Niemand weiß, ob derſelbe fuͤr den 
Gluͤck iſt.“ Als ein ſolches, als ein wohlthaͤtiges Geſchenk der Ratır 
haben Weiſe nicht blos der alten, ſondern auch der neuern Zu 
den ihnen nahenden Tod betrachtet. Aus mehren hinlän 
betundeten Beifpielen hier nur ein paar ber anziehenditm: 
Dienyfius Petavius, Jeſuit und Bibliothekar in dem Col 
ium zu Paris, ein bekannter Schriftfteler im Fach ter Gr 
chichte und Ehronslogie, ftarb 1652. Drei Tage vor feinem 
ode machte ihm fein Arzt, Guido Patin, - bekannt, daß et 
nur Burze Beit noch zu leben habe. Diefe Nachricht ufült: 
den Kranken fo mit Freude, daß er fi aufrichtete und ei 


'&remplar von feinem „Rationario temporum ” fich bringen 


ließ, in welches er. mit den Morten: „Debeo .evangeliae” di 
Widmung verzeichnete: „Guideni Patinio, medico carissine 
König Friedrich. II. von Preußen pflegte, bei. zunehmender Kr 
perſchwaͤche, zu jagen: „Le plus beau jour de la vie est ® 
lui, oü on la quitte.” SJohann Philipp Dftertag, Profeſſor und 
Rector am GSynmaſium zu Regensburg — ein Mann, der dan) 
feine treffliche Lehrmethode, noch mehr aber durch fein freund 
liches, einnehmendes Wefen die Liche feiner Schuͤler in hohe 
Grade fih zu erwerben gewußt und durch feine gediegen 
Schriften, beſonders durch feine werthvollen Überfegungen mi 
rer der vorzüglichften römifchen Proſaiker einen unvergm’ 
lichen Ramen in der gelehrten Welt fich gefliftet Hat —, fort 
u Ende des Jahres 1801. Wenige Stunden vor feinem Hi 
Npeiden äußerte er: „Ich habe ein großes Werk zu vollenden: 
meine Augen fehen das Land .der Freiheit.” Und bald od 
ber hörte er mit den Worten zu leben auf: „„Zegt bin ich frei: 


Daß. Könige alter und neuer. Beit mit Poefie ſich viel Dr 


ſchaͤftigt Haben, mit und ohne Glack, iſt eine. befannte Sach 


Ein Beifpiel eingig in feiner Art aber dürfte-es fein, daß en 
König mit LXertesberichtigung eines Claſſikers fi aba 


sat. :Diefer König iſt der ünyptiige Piolemäns Goergeied U 
’ 


welcher zu ‚Homer’s ,Dbyflee”, 3, eine .Gonjertur Br 
ſuchte, de uftathius auf ebalten bat, und welche bios db: 


‚wegen eine Erwähnung verdient, weil es wabhrfcheinlich die s ‘ 


und letzte Conjectur iſt, die ein König gemacht Hat. 


Berantwertliier Derauögeber: Heinrich Brockzans. — Drud und Verlag von F. WE. Vrockhans in Reipzie. 


enſchen nicht das allergröße 


Blätter 
für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienſtag, 


— Nr. 230, — 


18. Auguſt 1846. 





Englifhe Zuftände. 
Bweiter und legter Artikel. 
. (Bortfegung aus Nr. 229.) 

Eine vortrefflihe Schilderung liefert Faucher von 
Saint-Giles, diefem berüchtigten Quartiere Londons, 
welches hauptſaͤchlich von irländifchen Bagabunden, Freu⸗ 
denmädchen ber niedrigften Claffe und Dieben von Pro» 
fellion bewohnt wird. „ Diefes Kirchſpiel mag ungefähr 
90—95,000 Menfchen beherbergen: 

Ihre öftlichen Grenzen find die Mauern von Newgate und 
Old-Bayley, ihre weftliche das Centralbureau der Policei in 
Bow-Sireet; und fo befindet es fich, angezogen durch .eine in- 
ſtinctmaͤßige Wahlverwandtſchaft, zwiſchen der Policei und dem 
Kerker. Ebenfo ift ed in Paris, wo Die verwegenften Bandi⸗ 
tn in den krummen Straßen der Eite leben, einige Schritte 
von der Policeipräfectur und den Gerichtölocalen, als wollten 
fe von größter Nähe aus der menfchlichen Gerechtigkeit eine 
freche Herausfoderung zuwerfen. | 

Saint⸗Giles hat zwei Arten von Bewohnern: eine 
fefte Bevoͤlkerung, beftehend aus Meinen Kaufleuten, 
Bimmervermiethern, Diebeshehlern u. f. w.; und eine be» 
wegliche Bevölkerung, deren Kern die Kreudenmädchen 
und die Bauner find. Diefe fehen als Ziel die Genüffe 
des Lebens, jene den Gewinn. Saint⸗Giles ift nicht 
bloß der Sig aller Herumtreiber in der Metropole, fon- 
deen auch das Hauptquartier bes Diebſtahls für das 
ganze vereinigte Königreih. Dan kann Gaint- Giles 
als Typus der Bereinigungen von Menſchen betrachten, 
welche mit den Sitten und mit den Gefegen im Kriege 
liegen; mit Recht fragt Faucher: 

Belches find Die Wirkungen dieſes Kampfes auf den Bu: 
Rand der Geſellſchaft ? Hat London beſſer ald die andern Haupt: 
ſtaͤte Europas den auflöfenden Elementen widerftanden, welche 
jede Hauptftadt in fi ſchließt? Stellt jener Theil der fittlichen 
Zuftandes eines Volkes, den man aus den officiellen Zahlen der 
Armuth und des Verbrechens kennen lernt, unfere Rachbarn 
über oder unter und? 

Bir erhalten hier ſehr fihägenswerthe Nefultate und 
Vergleiche; zuerft über die Armuth. Raucher fagt, 
vor einigen Jahren habe London noch weit weniger 
Arme als das übrige Königreich gehabt. Man ſah we- 
nig Bettler, die Arbeitshäufer waren nicht gefüllt; das 
Leiden der Weber von Spitalfielde und Bethnal« Green 
wurde rein als oͤrtliches Phänomen . betrachtet. ber 
London ſinkt ſchnell: 


Eine Reihe unglücklicher Jahre hat Bedürftigkeit in die 
Familien gebracht; dem Handel wurde ein Theil feiner Abſatz⸗ 
wege abgefchnitten, und die Arbeiter, die er nicht mehr oder 
feltener befchäftigt, fallen dem Kirchfpiel zur Lafl. In demſel⸗ 
ben Maße wie die Handelsbewegung abnahm, verſuchte diefe 
Bevoͤlkerung, deren Woge tägli noch ſteigt, fich neue Huͤlfs⸗ 
quellen zu eröffnen; und fo iſt London unmerklid zu einer Fa⸗ 
brifftadt, wie Paris, geworden: Das hat ed denfelben Rad’ 
theilen ausgeſezt, unter denen Birmingham, Mancheſter und 
Glasgow leiden. 

Folgende Zahlenverhältniffe find erſchütternd: Ende . 
1843 befanden fih in Londons Armenhäufern nicht 
weniger als 25,000 Arme. Außerdem wurden mehr 
ald 100,000 Hülfsbedürftige in ihren Wohnungen um 
terfuht. Die von ben Kirchfpielen jährlich. ausgege- 
benen Summen beliefen ſich auf nicht weniger als 15 
bis 16 Millionen Francs. In dem Theile von London, 
der zur Graffchaft Dlibdlefer gehört, hatte fich die Zahl 
der von öffentlicher Unterftugung Lebenden, die 1840 
blos 49,814 betrug, 1841 bereitd auf 73,815 gehoben. 
Noch ſchlimmer ald mit dem Wachsthume der örtlichen 
Armuth und dem regelmäßigen Almofenbudget fieht es 
mit der Armuth aus, welche von einem Orte auf den 
andern überflutet, warn eine Stabt oder Landgemeinde 
ohnmächtig wird, die Bürde zu tragen. Dies zeigt ſich 
feit einigen Jahren in London. Ein Heer von halb⸗ 
nadten Jammermenſchen, vom Hunger aus den Acker⸗ 
baudiftricten, den Städten in Lancafhire, in Schottland 
und Irland vertrieben, hatte bie Straßen ber Haupt⸗ 
ftadt überſchwemmt. Auf den Liſten einer einzigen Union, 
denen ber City, ift ber Kortgang diefer furchtbaren Über 
ſchwemmung zu verfolgen. Im 3. 1838 betrug Die 
Zahl ber Armen, welche blos gelegentlich Unterftugung 
foderten, nur 356: 1839 war fie 2403, 1840 11,203, 
1841 26,703 und 45,000 im 3. 1842! Welch entjeg- 
liche Zunahme des londoner Elends! \ Ä 


Und was iſt gefchehen? Die Zeitungen hatten fig 
einmal ber arbeitenden Glaffen angenommen: bie „Ti- 
mes’ hatten großen Lärm gemacht, daß in London, in 
der Mitte der reichflen Gtadttheile, unter ben Fenſtern 
des Herzogs von Wellington, einige Schritte von dem 
Palaſte, melden die Königin bewohnt, Menſchenmaſſen 
die feuchte Octobernacht auf feuchter Erde ohne Obdach 
bivowaquirten. Die Reichen wollten Etwas thun. Die 








918. 


Geiſtlichkeit der Hochkirche ftelite ſich an die Spige ber 
Bewegung; die Ariftofratie bes Handels, der Bank, der 
Holitit trat Hinzu; man hielt Zufammenkünfte, biscutirte 
viel, gründete unter dem Vorſitze bes Bifchofs von Lon⸗ 
don die Monfter-Gefellfhaft, welche fehnell über 21,000 
f. St. verfügte, vertheilte 1844 ungefähr 7008 Pf. 
t. und legte im Angefiht der 14,000 Unglüdlichen, 
welche im Kicchfpiel Bethnal-Green der Bekleidung er- 
mangelten, die Erſparniſſe von 14,000 Pf. St. in 
Stwatspapieren an! Das thaten die Reichen für die 
Armen! Und was thut das Geſetz? Es fagt:- 
Zede Perfon, welche im Freien herumftreicht oder fi auf 
den Straßen, auf den öffentlichen Fir auf der Landftraße, 
in den Durchgängen oder in den Höfen aufhält, um Almofen 
au fodern oder zu empfangen, kann auf die Ausſage eines ein: 
sigen Zeugen zur Bivangsarbeit in einem Correctionshaus auf 
eine Zeit von hoͤchſtens einem Monat verurtheilt werben. 
Das Gefeg ift rein negativ. Es fagt: Du folft 
aicht — ober ich frafe! Du ſollſt nicht flehlen, nicht 
betteln — ober ich fperre dich ein; du follft bich nicht ob⸗ 
bachlos im Freien umbertreiben, wenn bu fein Obdach 
haſt. Man fieht, welch ein Widerfpruch zwiſchen der 
politifchen Gefeggebung und den focialen Verhältniſſen 
des Landes ift, und, wie natürlich ein folches Gefeg in 
Feiner Meife dem Übel abheffen kann. Die politifche 


Geſetzgebung zeigt fih an bem Pauperismus ebenfo un⸗ 


zureihenb wie bie ariftofratifche Wohlthätigkeit. In 
Folge dieſer Unzufänglichkeit hat fih nun in London 
feit einigen Jahren eine Geſellſchaft gebildet, welche fchon 
etwas beffer als der Geſetzgeber die Rolle zu begreifen 
fheint, welche der Regierung in diefem Falle zukommt. 
Sie verfolge mit dem größten Eifer die Unterbrüdung 
des Bettelns und übergibt der Policei alle Bagabunden, 
welche von Mitgliedern der Gefellfhaft auf der Strafe 
bettelnd gefunden werden; aber fie unterflügt auch bie 
Armen, welche nad einer Prüfung ihrer Lage „der 
—— werth“ ſcheinen, indem fie ihnen entmeber 
seid oder Rebensmittel gibt ober ihnen Werkflätten 
öffner. Freilich wird auch das Thun diefer Geſellſchaft 
unzulängfich bleiben. 

Da Beitelei und Proftitution ſich nahe berühren, 
fo gehen wir mit Raucher zum Betrachtung der legtern 
über. Ihre Ausbreitung in London wird wahrhaft 
furchtbar geſchildert. Im Anfang biefes Sahrhunderts 
fhägte ein. Policeibeamter, Colquhoun, die Zahl der 
Proftituirten in London auf 50,000; neuere Werke neh⸗ 
men 80,000 an. Der Verfaſſer eines officiellen Be⸗ 
richte, Chadwick, ſetzt die Anzahl auf 7000 in dem 
Rayon herab, über den fich die Thätigkeit der Metro: 
politanpolicei erftredt: was mit Hinzufügung Derjenigen, 
die ich in der City aufhalten, eine Xotalfumme von 
ungefäße 40,000 Freudenmaͤdchen für eine Bevölkerung 
von wabe an 2 Millionen voramsfegen liefe. In ge 
weiten Stabttheilen Londons fleht Bordell an Bordell, 
Beaint · Giles t auf einem Raume von 300 Yards 
im Umkreiſe, Rookery genannt, 24 verbächtige Haͤufer, 
m jedem 10 Freudenmädchen. Dazu wun noch bie 
heimliche Proftitution, von der. Courttiſane und der 


femme entretenue bis zu ber Elenden herab, welche ſich 
in den Umgebungen ber Schiffe, ber Caſernen, ber Ge 
fängniffe aufhält. Bier wird jede Berechnung un- 
möglich. | 

Faucher erflärt, daß London in biefer Hinfiht-fid 


feines ſittlichen Übergewichts über die großen Gtäbte 


des Feſtlandes und über Paris insbefondere rühmen 


dürfe. Aber die Zahl der Freudenmädchen beweift noch 
nicht nothwendig bie Entfittlihung eines Volkes Die 
füdlihden Länder Europas, die nur wenige oder gar feine 
Sreubenmädchen befigen, find in gefchlechtlicger Hinſicht 
am entartetften. Mit Recht ſagt Faucher: „Die Ausdeh- 


nung ber SProftitution richtet fih nad der Größe ds 


Luxus und ber Tiefe bed Elends: der eine erfchlafft die 
Begierden, denen ſich das andere, durch feine Bebürfniffe 


genöthigt, hingeben muß. Diefelbe Urfache, melde die 
Männer zum Verbrechen treibt, wirft die Frauen dm 
Lafter in die Arme: Diebftahl oder Profkitution; jet 


Geſchlecht plündert die Geſellſchaft mit den Waffen, 
welche ihm von der Natur gegeben find.‘ 

Schon deshalb muß unter fonft gleichen Verhältniſ— 
fen in London die Proflitution ausgedehnter Ai als in 
Paris, weil, nach Faucher, in erfterm bie Gelegenheit, 
Arbeit zu finden, für junge Mädchen befchräntter if 





In England. verrichten, außer in ben Spinnereien un 
Webereien, deren Mafchinen duch Dampf getrieben 


werden, die Männer einen Theil der Arbeit, weiche ben 
Grauen zufallen follte: fie ftehen der Näherarbeit vor, 
figen in den Gomptoit der Magazine mie der öffentl: 
hen Orte. In Frankreich aber haben fich die raum 
umgekehrt eined Theils der Arbeiten bemächtigt, die ei 
gentlich den Männern zulommen: fie tragen Laſten, trei- 
ben Bandel, find Commis, Buchhalter und Schriftiegr. 


Die fchlechte Bezahlung der weiblichen Arbeit iſt int 


der Haupfquellen der Proſtitution. Die Naäherarbeit 
wird in London fo gering bezahlt, daß die jungen Mid 
chen, welche ſich derfelben widmen, nur mit großer Mühe 
3 — 4 Schilling die Woche mit 16 — 18 Stunden 


Arbeit den Tag verdienen können. Dennoch ziehen 


manche dieſer Unglüdlichen ben Selbſtmord der Profi 


tution vor; und man kann nichts Mührenderes, nichts 
Sittlih-Schöneres lefen als den Brief, welcher von einet 
armen londoner Näherin, Mary Alloway, kurz vor iß 
rer Seldfivergiftung gefchrieben worden war. Fauchet 


theite ihn (Mb. 1, ©. 83—84) mit. 

Unter dem Vorſitze Lord Afhley's hat fich eine Ge— 
ſellſchaft gebildet, welche fich bemüht, die verlaffene Claft 
ber jungen Ürbeiterinnen in Schug zu nehmen. 
Zwei ift: Beihäftigung Denen zu verfchaffen, melde 
keine haben; Geldunterfügung Denen zu geben, welch 
in Roth find; und durch Aufnahme in die Gefehfhaf 
oder durch Ratbfchläge es dahin zu beingen, daß dit 
Arbeitszeit nicht Länger als 12. Stunden täglich und 
nicht bis zum Sonntag früh in ben Mobe- und Wiſqh 
magazinen daure. Die Gefelifchaft hat zwar Mandel 
gethan, aber bis heute bat ihre Verbeſſerung einen a8 
individuellen Charakter: fie ift mehr: ei gegebened Dei 





feiel als eine ausreichende Hälfe. Als Elaſſe betrachtet 
t fich das Schickſal der Mrbeiterinnen in ber Haupt⸗ 

t durch fie nicht verändern können. 

Was die Folge der Proſtitution, bie Ausbreitung 
der Syphilis betrifft, fo fagt Faucher: 

Die englif Schamhaftigkeit widerf 
licher —— aller aͤrztlichen Controle von der Art, wie 
he in — gebraͤuchlich iſt, wo ſie beigetragen hat, ſeit meh⸗ 
ren Jahren die Verwüſtungen einer Krankheit ohne Namen zu 
mindern. Gin Syſtem des unbedingten Gebenlaffens herrſcht 
in diefee Sache, und kein anderer Damm, um bie Anftedung 
aufzuhalten, ift vorhanden als die Vorficht des Einzelnen. 

Die Proflitution in England trägt überhaupt, nach 
Faucher, einen abftofendern Charakter, beginnt in einem 
zarten Alter und fleht im einer engern Verbindung mit 
dem Verbrechen als in Frankreich. In dem Berichte 
eines engliſchen Miffionnaird, des Hrn. Logan, heißt es: 


ſich mit unbeſieg⸗ 


einem unſerer Hospitaäler fand ich fünf junge Mädchen, 


In 
behaftet mit einer ekelhaften Krankheit, von denen das eine 
13, das andere 12, das dritte I), das vierte 9 und das fünfte 
8 Jahr alt war. Die Mutter lag auch im Hospital, ange 
fett von derfelben Krankheit. Drei diefer jungen Mädchen 
woren im Haufe ihrer Mutter verführt worden und zwar nicht 
durch Kinder. 

Laſter und Krankheit im vollen Beſitze vieler Ge⸗ 
fhöpfe, ehe der Verfland und die Körperfraft ſich ent- 
wideln Eönnen! Welche Generationen entwideln fi im 
Schooſe des reichen, bes ftolzen, des fo oft beneideten 
Englands! 

Beraten wir nach der Proftitution bie Merbre- 
hen. Die Verbindung ber Proflituirten in London mit 
den Verbrecher ift eine allbefannte Thatſache. Keine 
Anfammlung von Menfchen in der bekannten Welt, mit 
Ausnahme vielleicht von Liverpool, Mancheſter und Glas⸗ 
gom, begeht, nad Faucher, fo viel Verbrechen wie die 

eölterung von London und feiner Bannmeile. Es 
kommt ungefähr eine Zotalfumme von 76,545 Berbaf- 
tungen für das Jahr heraus, was für die Hauptſtadt 
1 Derhaftung auf 25 Eimmohner ergibt. Allerdings 
wird in England Manches ale Verbrechen betrachtet, 
was anderswo nicht als ftrafbar gilt. Rechnet man 
aber von der Criminalbilanz Londons alle ſolche Ber: 
gehen ab, die anderswo nicht ftraffällig find: fo läßt fich 
die Zahl vom ungefähr 78,000 auf 45,000 Berhaftun- 
gen teduciren; und es wird dann immer noch 1 Ber: 
haftung anf 40 Einwohner fommen. Im J. 1842 
wurden von den Verhafteten 15,533 zum Tode, zur 
Deportation ober zur Einferkerung verurteilt, alſo kommt 
I Verurtheilung auf 120 Einwohner. In London ver- 
mindern ſich die Werhaftungen, in Paris nehmen fie zu. 

über fagt Faucher: 

Dos beweift nicht eine Neigung zur Berbeſſerung des 
ſittlichen Vasen Aut eine Größere une der 
Rpreffiomaßregeln; der Schrecken, den die londoner volicei 
emföf, verhindert die Bermehrung jener leichten Vergehen, 
—— durch Serafloſigkeit —*5 in Paris freien Lauf 


‚ Sauer liefert mun aus dem 3. 1841 eine hoͤchfſt 
intereffante Bergleichung zwifchen den in London und den 


in Parts begangemen Vergehen und Verbrechen. Zuerſt 
Berbrechen und Vergehen gegen Verfonen: London (ohne 
die Gity) 7777, Paris 3449. Darunter Morb oder 
Verfuh zum Mord: London 123, Paris 24; Sodomie 
oder Verſuch dazu: London 35, Paris 0; Nothzucht 
ober Verſuch zur Nothzucht: Londen 53, Paris 335 
Bigamie: London 28, Paris 9; u. f. w. Dann 
Verbrechen und Vergehen gegen das Eigenthum: Lon- 
don (ohne die City) 15,545, Paris 4076, Darun- 
ter: qualificirter Diebftahl, Hauseinbruch u. f. w.: Lon⸗ 
don 277, Paris 360; einfacher Diebftahl, Gaunerei, 
Dieböhehlerei u. |. w.: London 13,880, Paris 3390; 
Faͤlſchung und Falfhmünzerei: Kondon 1024, Paris 82, 

Wir Haben bier fehr wichtige Daten für die fittlichen 
Zuftänbe der beiden größten Städte der civilifirten Welt. 
London erfcheint jebenfalls entfittlichter ald Paris. Nimmt 
man auf bie Zahl der Einwohner Rüdficht, fo iſt das 
Verhaͤltniß immer noch wie 3 zu 2 in ben Verbrechen 
gegen bie Perfonen und nahe wie 3 zu 1 in den Ver⸗ 
brechen gegen das Eigenthum. Faucher fagt: 

Die Bevöllerung von London erfcheint zugleich als gemalt 
thätiger und verderbter als die von Paris. Mord, Rothzucht, 
Sodomie, Widerjeglichkeit gegen die öffentlihe Macht, Prüge 
leien, mit einem Worte alle Frevel, welche zügellofe Leiden⸗ 
ſchaften vorausfegen, ftehen in voller Blüte. Die Unmäßigkelt 
bringt bier diefelben Wirkungen berver wie anderwärts das 
heiße Klima. Zu gleicher Zeit bemerft man in ihrer ganzen 
Entwidelung die Verderbniß, welche freien und gewerbfleißigen 
Bölfern eigenthümlich if. Mehr als 16,000 Fälle des ein» 
fachen Diebftahls und der Gaunerei (mit der City) in einer 
einzigen Stadt! 961 Yale der Falſchmunzereil Man fieht deut⸗ 
lich, daß das Geld der Gott diefer Geſellſchaft iſt. Bemer⸗ 
kenswerth ift es, daß die Verbrechen gegen das Eigenthum im 
London ihren Hoͤhepunkt erreicht zu haben fcheinen und ihre 
Zahl feit fieben Jahren fi wenig verändert. Die Verbrechen 
und Bergehen gegen die Perfonen dagegen zeigen eine immer 
deutlicher werdende, auffleigende Bewegung. | 

(Die Bortfegung folgt.) 





Unterhbaltungsliteratur. 


1. Balgowe. Hiſtoriſch⸗ romantifhes Gemälde. Bon F. B. F. 
2 ji erowetl, — — Altenburg, Helbig. 1844. 
r. 


Die Zeit der hiſtoriſchen Romane iſt als geſchloſſen zu be⸗ 
trachten, und bie Bilder aus einer Belt, welche von manchen 
&eiten her nur darum romantifch genannt wird, weil wir von 
ihr fo viel wie Nichts wiffen, finden nur bei den wenigen als 
ten 3 Fouque· Freunden vielleicht no Aufnahme· Das 
vorliegende Buch ſoll jene Zeit uns vergegenwärtigen, wo das 
Chriſtenthum den heidniſchen Preußen aufgedrungen wurde; 
und der Verf. zeigt im Xert wie in Roten, daß er ſich bemüht 
habe, jene Beit ſich möglihft anzueignen. Indeſſen geht doch 
aus dem Ganzen nicht viel mehr hervor, als daß einmal eine 
Seit war, wo das Chriſtenthum in Preußen eingeführt wurbe. 
Balgorve iſt übrigens der Name einer alten Preußenburg im 
Rordoften des Friſchen⸗Haff, weldhe in der eriten Häffte bes 
I. Sahrhunderts in das Drdenshaus Balga umgewandelt wurde 
und jegt in Ruinen zerfallen iſt. 

9. Dttofar von Faltenburg. Sin hifterifcher Roman von 8. Leh⸗ 
nert. & GStrempel. 1844. 12. 1251r. 22%, Mar. 
Durch die Kämpfe der Huffiten und Katholiken zieht 

eine Lichesgefigichte des Huffiten Ditofar und ber 
Cacilie. ie find mungen Gefahren ausgeſetzt, da nicht Kord 


⸗⸗ 


und Brand allein, fondern auch Liſt, Züde, Berrath fie 
deoben. Am Ende jedoch fiegen die Huffiten und mit ihnen 
Die treue Liebe. Anſpruͤche macht das Bud nidht: es mag 
daher ungehindert im Strome ber, Unterhaltungsartifel mit 
ſortſchwimmen. 


3. Novellen, Memoiren und Gedichte von J. M. Xoqquerol. 
Leipzig, Weygand. 1845. Gr. 12. 20 Nor. 
Eine unbepolfene, gutgemeinte Überfchwenglichkeit zieht fich 
durch Novellen und Memoiren. Die Gedichte find ebenfalls 
utgemeint, legen jedoch ein hoͤchſt unvortheiljaftes Zeugniß 
—* die Verskunſt des Verf. ab. Durch welche Gründe ſodann 
Derſelbe jih veranlaßt fieht, die „Mythe” in eine „Miethe“ 
zu verwandeln, ift fo wenig erfichtlich, als die übrigen Abwei⸗ 
dungen von der Orthographie. Die beiden auf die „Weihe“ 
des Berf. folgenden Strophen, anfangend: „Leife zieht durch 
mein Gemüth Tiebliches Geläute”, find nur mit einem 9. unter: 
zeichnet. Bekanntlich ift Heinrich Heine Verfaſſer derfelben. 


4. Die Baftardbrüder, oder Geheimniffe von Altenburg. or 
man. Aus dem Nachlaß eines Griminalbeamten. Zwei 
Theile. Altenburg, Helbig. 1845. 8. 1 Thlr. 

Eine geheime Gefchichte ift an jedes Dorf, jeden Weiler 
gefnüpft ‚ oft gewiß bedeutender, inbaltreicher, als die eines 
abinets, eined Hofes. So hat denn fiher auch Altenburg, 
eine Refidenz, nad) welcher eine Eifenbahn führt, Geheimniffe, 
von denen fich reden läßt, oder auch, von denen nicht geredet 
werden Bann. Das vorliegende Bu fpricht von ſolchen Din: 
gen, bie nie und nirgend als Geheimniß betrachtet worden 
find, indem es nur einige Gaunerftreiche, fogar einen Mord 
erzählt, ohne dieſe Criminalſachen jedoch mit der Gefchichte der 
feindlihen Brüder organifh und Bunftgerecht zu identificiren. 

Übrigens ift das Buch ftoffreich und erzählt leicht und fließend, 

wenn auch mitunter flüchtig: berührt einige Seitfragen, 3. B. 

die Spielbanken und dergleihen. Es mag außerdem dem al« 

tenburger Yublicum leicht Gelegenheit bieten, die Originale zu 
ben im Buche auftretenden Perſonen herausfinden zu wollen; 
und. was die Menſchen in diefer Weife wollen, Das gelingt 

Denn auch wohl oder übel. 

3. Die dunkeln NRofen. Roman aus der Zeit der franzöfifchen 
Revolution von Julius Dornau. Drei Bände. Leipzig, 
Neichenbach. 1845. 8. 3 Thlr. 15 Nor. 

Die dunkeln Roſen find zwei bairifche te von Bra: 
denburg, die, um für ihre, fpätern Schickſale gehörig einge 
ſchult zu werden, zuerſt im Böhmerwalde den Händen von 

Raubmördern mit vieler Noth entgehen müflen. Dann haben 

fie Die Blutfcenen der franzöfifchen Revolution von 1739 durch⸗ 

umachen, um in einem erflürmten Schloffe der Vendée daß 

de ihrer Leiden zu finden. Der Berf. ift u reih an Stoff, 
als daß Möglichkeit, Rothwendigkeit, Charakteriſtik und über: 
haupt alle Anfprüce, die man nun einmal an einen Roman 
macht, ihm Sorge machen follten. Der Kreis ſolcher Lefer, 
dem neue und immer neue Scenen willfommen find, hat übri- 
gens befanntlih eine große Ausdehnung: weshalb es dem 

Bude nicht an Lefern, namentlich nicht ſoichen fehlen wird, die 

Kriegs⸗ und Kampficenen lieben, und nebenher in leichtefter 

Weile gern noch einmal die erfte franzöfifche Revolution reca⸗ 


pituliren möchten. 
6. Der beigifche Graf. Bon Heinrih Laube. Manheim 
Hoff. 8 1.Xhle. 10 Kar.” beim, 

‚„. Burd die „Zeitung für die elegante Welt“, welche, wenn 
nicht den ganzen Roman, doch den wefentlichten Theil deffelben 
feüber ſchon mittheilte, ift das Publicum bereit mit dem In⸗ 
Halte des Buches bekannt geworden. Der ercentrifhe Graf 
Anton v. Horn, durch einen Liebeseinfall nach Paris gezogen, 
wird in die Schwindeleien des bekannten Law verwidelt, wel. 
her unter ber Regentfhaft des Herzogs von Orleans Frank⸗ 
re mut Papiergeld beglüdte; verlegt den Regenten und b’Ar: 
genlon, auf das tiefſte; durchbohrt einen Geldfchuft und wird 
gerichtet. Des Berf. Darftelungsweife ift bekannt: fie ver 


be 


folgt mit diplomatifchem Gleigmuth ihr Biel und gewährt de: 

durch felbft folhen Scenen den Schein ber Ruhe und Mike, 

welche von äuferfter Leidenfchaft, ſelbſt von Grauen und Ent: 

— getragen werden. Die Geſchichte ſelbſt koͤnnte auch heute 

fehr gut 6 begeben: es fehlt uns nit an Bärſenſchwinde 

lien, an Liebesintriguen, an Policeigöttern umd Policeigögen. 

Wahrſcheinlich ift fie aus dem Grunde gefchrieben, zu zeigen, daf 

es nichts Neues unter der Sonne gebe, wo es ka um dab 

Schlechte, Berdorbene der menſchlichen Ratur handelt; und 

Das ift eine Wahrheit, gegen welche ſich kaum Etwas einwen: 

den läßt. 

1. Die Tochter des Frömmlers. Ein Beitrag zur Gittenge⸗ 
fhichte unferer Tage von George Heſekiel. Altenburz, 
Helbig. 1846. 8. 1 Zhlr. 

Gegen den widerwärtigften und verbderblichften Egoismus, 
die Pietifterei, ift fchon manche Lanze eingelegt, ohne andere 
Ergebniß, als Beftätigung der alten Erfahrung, daß der Heud- 
ler unverbefierlih fei._&8 muß alfo noch immer nicht dab 
rechte Wort gefunden fein, dieſen bartnädigften Feind de 
Menſchengeſchlechts zu vertilgen; und felbft Biſcher in Zubin- 
gen bat mit feiner 5 derben als wahren Beichnung eines Fir 
tiften Nichts bewirkt, als daß er eben eine Zeichnung auf: 
geftellt bat, die wer will als Mogelfcheuche betrachten fann. 
Die Romanfchreiber haben ſich ebenfalls des allerdings danlı 
baren Stoffes längft bemädhtigt, und bei der praktifcen Ri: 
tung der Gegenwart kann es nicht auffallen, daß aud cn 
Schriftfteller diefes Thema verfucht, welcher dem Yublinm 
ſchon mande auf Thatſachen geftüpte Romane gegeben hat 
und fiher noch mehre darbieten wird. Der Froͤmmler ift em 
Sardehufarenlieutenant außer Dienft, der einmal auf bekam—⸗ 
tem Wege ein Bürgermäbdchen unglüdfih machte und nun in 
ländlicher Burüdgezogenheit fein Gewiſſen dur Betübungen 
zu betäuben ſucht. Er findet bald einen Kreis Gleichgefinnte, 
namentlich unter habfüchtigen Paſtoren; und der Raffinirtefe 
derfelben geht darauf aus, die Tochter zu verführen, bie in ih 
rer Unſchuld feine ekelhaften Zaͤrtlichkeiten für &manationen 
des Heiligen Geiftes hinnimmt. Damit er zum Ziele komme, 
muß fie heiraten. Daß fie ſich und den jungen Gemahl ur 
glüdtih macht, dafür weiß der Pfarrer ſchon zu forgen. Ir 
deffen entfcheidet doch endlidy ein Duell fo glücklich, daß hie 
jungen Leute fi) finden und erfennen. Das ganze Bud bat 
es nur mit Außendingen zu thun; und allerdings ijt es auf 
ein fchwieriges Thema, Herzen und Seelen zu entfalten, welche 
foihen Verkehrtheiten und Leidenfchaften, wie fie das B 
vorausfegt, hingegeben find. Für das Rechte, Wahre, Gut, 
Schöne ift damit eben Nichts gewonnen. 18. 





Literarifche Anzeige. 
Preisherabfegungen. 


Alle Freunde der Literatur werden aufmerkfam gemacht, dab 
eine große Anzahlintereffanter und wichtiger Werke aus dem 
Verlage von F. A. Brockhaus in Keipzig 


zu bedeutend herabgesetzten Preisen 


zu beziehen find. Die Verzeichniffe dieſer Artikel, von bene 

das eine die ſchönwiſſenſchaftlichen und hiſtoriſchen, di 

andere die wiffenfchaftligen Werke enthält, find in allen Bud: 
bandlungen gratis zu erhalten. 


Diefe Preisermäßigungen gelten bis 34. Der.2.}. 
und nadı Ablauf viefes Zermins treten die frühern Laden: 
greife wieder ein. Bei einer Auswahl von LO £hir. wir 

no ein Rabatt von 10° bemilligt. "EEE 


Berantwortlicher Heraubgeber: Heinrich Wroddans. — Drud und Verlag von F. X. Drockhaus in Reipzig- 


Blätter 


für 


literariſche Unterbaltung. 





Nittwod, 





19. Auguft 1846; 





Englifhe Zuftände. 
weiter und legter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 280.) 


Früher lieferten bie englifchen Verbrecher der Geſell⸗ 
[Haft regelmäßige Schlachten. . Haben fie nun auch auf- 
gehört, Dies zu thun und verlieren ſich ihre großen 
Traditionen auch immer mehr, fo find fie beffenun- 
geachtet gefährlich geblieben. Sie find unter fi voll- 
fommen erganifirt. Die Frauen nehmen in London 
grofen Antheil an den. Verbrehen. Man zählt, ohne 
die verhafteten Kreubenmäbchen, 17,686 Frauen unter 
63,124 im 3. 1842 verhafteten Perfonen: ein Verhält- 
nis von 28 zu 3005 in Paris überfleigt das Verhaͤlt⸗ 
nis nicht 14 — 15 Procent. Mit der Demoralifation 
des Weibes bricht natürlich auch der fittlihe Zuftand 
der Familie zufammen: baher dann wieder die Menge 
der jugendlichen Verbrecher, welche bie Hauptfladt Eng- 
lands aufzumweifen bat. Hier ift gar fein Vergleich mit 
Paris mehr möglid. Die parifer Bevölkerung zählt 
ungefähr 1 jugendlichen Verbrecher unter 400 Menfchen, 
in London aber I unter 100. Das gewöhnlichfle Ver⸗ 
brechen, welches dieſe Rinder begehen, ift der Diebftahl, zu 
dem fie fortwährend, abgerichtet werden. Es beftanden im 
London fogar Gewerbſchulen für Diebe. Folgender Ver⸗ 
gleih enthält unzweifelhaft viel Wahre: - 

Der Gamin non Paris ift Vagabund aus Gewohnheit 
und Dieb aus Gelegenheit; daß Lafter drüdt auch ihm feinen 
Stempel auf, aber es nimmt ihm nicht alles menfchliche Ge: 
fühl und feine Fruͤhreife geht nicht fo weit, ihn von aller- 
fruͤheſter Kindheit an in alle Ausfchweifungen des männlichen 
Uterd einzuweihen. In London gibt es Peine Kindheit für 
den Verbrecher; ein junger Dieb bat weder die Eigenſchaften, 
noch die Fehler feines Alters; mit 9 oder 10 Jahren ift er 
[dm ein geiftig reifer Mann, ebenfo geſchickt wie die erfah⸗ 
renften Diebe, ebenfo entfremdet jedem fittlihen Brundfaße 
und jedem Gefühle, ihr Macheiferer in der Ausfchweifung, ihr 
—* Kaltblũtigkeit, mit einem Worte: ein fruͤhgeborenes 
In feine Abhandlungen über die Cityverfaffung und 
uber die englifhe Bank fünnen wir Faucher nicht fol- 
gen, jo gründlich fie auch gehalten find, fo lehrreich die 
Sufommenftelung des Materials auch werben tönnte. 
Die Bankfrage anrühren, hieße fich auf Fragen und 
Entwickelungen hinwenden, welche ber Raum dieſes 
Auffages nicht geftattet. Wir finden vielleicht ein ander 


Mal Gelegenheit,” auf biefe vortzefflichen Faucher'ſchen 
Deductionen und zugleich auf Das zurückzukommen, was 
unfer beutfcher Beobachter Venedey über bie Geſchichte 
ber englifhen Bank, diefes Grundſtocks der engliſchen 
Mittelftandsmacht, gefagt Hat. 

Für jenes in focialer Beziehung fo wichige Mate 
rial, welches wir oben nad, Faucher mitgetheilt haben, 
bat Benedey gar Fein Auge gehabt; dagegen werben 
wir nun fehen, daß fich beibe Beobachter auf andern 
Gebieten theils ergänzen, theil widerlegen. Was Bes 
nedey über ben Charakter Liverpools fagt, find im Gan« 
zen nur Einzgeleindrüde: er geht in die Kicche, ind Mu⸗ 
feum, in die Dods, ins Theater, an bie Börfe, bemüht 
ſich aber nicht um eine Totalauffaffung: 

Ich habe nichts Rechtes bier zu thun. Liverpool iſt eine 
große Stadt und eine Handelsſtadt; Das ift Alles: groß und 
Handel. Ich Habe fie in die Kreuz und. in die Quer durch⸗ 
ftriden, mir die armen wie bie reihen Biertel angefeben. 
Jene tragen den irländifchen Charakter, diefe find blos kosmo⸗ 
politifher Natur. Was fol ich machen 7 

Faucher gibt Dagegen eine vortrefflihe Specialcharak⸗ 
teriftit Liverpool® und feines Diſtriets. Die Graffchaft 
Lancaſhire ift gewiffermaßen das. Armen» oder vielmehr 
das Arbeitöhaus Englands geworden. Die aderbauende 
Bevölkerung ift dort fehr gering und beträgt blos 9 Pro⸗ 
cent von der Zahl fämmtlicher Einwohner. Kein Theil 
von England ift fo burchfchnitten mit Straßen, Eifen- 
bahnen und Kanälen. Und inmitten diefer Wunder ver- 
einigen Liverpool und Manchefter fie alle in fih und 
find wie die beiden Seiten eines und beffelben Gegen⸗ 
ftandes. Liverpool® Handel iſt eng mit der Inbuftrie 
Manchefters verknüpft: krankt das eine, fo Tann fi 
auch das andere nicht halten. Die beiden Städte, welche 
die menſchliche Induftrie auf ihrem höchften Gipfelpunkte 
zeigen, würben jede ohne die andere unmöglich fein. Nie 
würde Liverpool® Handel feine Höhe erreicht haben, Hätte 
es nicht Manchefter hinter ſich gehabt;. und nie würbe 
Mancheſters Induftrialismus fo hoc, geftiegen fein, hätte 
es nicht an Liverpool feinen Welthafen gefunden. Die 
Urfache des ſchnellen Wahsthums von Manchefter, fagt 
Taucher, ift in dem niedrigen Preis der bewegenden 
Kraft und in der Nähe der großen Handelscentralpuntte 
zu ſuchen. Die modernen Städte, fagt ex ferner, laffen 
fi) auf drei Haupttypen zurüdführen: Hauptftäbte, 


. 
. D 922 


Handelspläge und Fabrikplaͤze. Jede diefer drei Arten 
bat einen andern Einfluß auf das Wohlbefinden, auf 
die Tätigkeit, auf den geiftigen und fittlihen Zuftand 
des Dienfhen. London, Liverpool und Mancheſter ver- 
treten dieſe drei Typen in England. Die Charakteriſtik 
der Hauptftade haben wir erhalten; fuchen wir nun auch 
- die des großen Handelöplages Xiverpool und dann bie 
der großen Fabrikſtadt Manchefter zu gewinnen. 
Bor 200 Jahren mar LKiverpool noch ein Fifcher- 
fleden; 1700 hatte die Stadt noch nit 6000 Ein- 
wohner; 1760 war bie Bevölkerung auf 25,787 Men- 
ſchen geftiegen; jegt umfaßt Liverpool 280,000 Einmwoh- 
ner. Seine Docks nehmen jährlih 15,000 Schiffe auf; 
die ftädtifhen Einnahmen belaufen fi auf nicht weni: 
ger ale 8 Millionen Francs, und dekr Nettoertrag ber 
von ber Megierung dort erhobenen Zölle ‚gibt nahe 
an 100 Millionen. Ein einziger Hafen von Grafbritan- 
nien, fegt Faucher Hinzu, trägt alfo dem Staate mehr 
ein als fämmtliche Häfen Frankreich zuſammengerechnet. 
Indem Faucher das Wahsthum Liverpools hiftorifch 
entwickelt, weift er nach, wie viel die Einrichtungen ber 
Docks dazu beitragen; vorzüglich aber ift der Grund 
dieſes fchnellen Wachstums in der außerordentlichen 
Geſchicklichkeit zu ſuchen, mit ber die Bewohner Liver- 
pools fich beftändig in die Umftände zu ſchicken und fie 
zu benugen wußten. Sie find echte Handelsleute. Um 
die Moral kümmern fie fi) dabei wenig. Im 18. Jahr- 
hundert, als London und Briftol ben Colonialhandel 
in den Hänben hatten, legten ſich die Kaufleute von Li⸗ 
verpool auf ben Sklavenhandel und verfdifften von 
1750— 70 mehr als 300,000 Sklaven, mit einem Ge⸗ 
winn von 200 Millionen Francs. Will man ben Be- 
fhuldigungen glauben, von benen bie englifche Preffe 
wieberhalfte, fo find Liverpooler Capitaliften noch heute 
bei dem Sklavenhandel betheiligt, der unter brafili- 
fher und portugiefifcher Flagge getrieben wird. Die 
Ziverpooler zogen den Hanbel mit den Vereinigten Staa- 
ten an fich, den fie jegt monopolifiren. Endlich befindet 
fih der Handel Englands mit Irland feit der Union 
faſt ganz und gar in den Händen Kiverpools. Die 
nähere Charakteriftit bes liverpooler colonial« nordameri⸗ 
kaniſchen und irländifchen Handels ift bei Faucher ein- 
zufehen. Während ber ſchottiſche Landbau London er- 
nährt, ernährt Irland Lancafhire: eine wenig fruchtbare 
Gegend, welche bie Natur für Fabriken beftimmt zu ba- 
ben fcheint, indem fie ihr Nichte gab als Steinkohlen- 
lager und fließendes Waffer. 

Liverpoold Reichtum rührt befonders von der Baum- 
wolle ber. Diefer Gegenftand ift die Grundlage feines 
Verkehrs mir Irland und den Vereinigten Staaten; die 
Baummolle verfhafft ihm feine zahlreiche Elientelle von 
-Konfumenten im In» und Auslande. Liverpool ift der erfte 
"Baummollenmarkt, nicht blos für England, fondern für 
ganz Europa. Im. 1833 kamen bei einer Sefammtein- 
fuhr von ungefähr 930,000 Ballen auf Liverpool 840,950, 
auf London 40,350, auf Glasgow 48,913. Das Ver⸗ 
Haltnig iſt feitdem immer geftiegen; man vergleiche bie 


fpecielen Angaben und Tabellen bei Faucher. Es heift 
dort als Refultat: 


Der Ausdehnung und der Solidität der Fabrikinduſttie, 
welche die Bafiß feiner Handelsoperationen bildet, verdankt Ki: 
verpool das Gluͤck, daß fein Gedeihen nie unterbrochen worden 
ift. Sein Reichthum ift gewachfen, felbft als der Handelsver⸗ 


kehr Englands ſich verminderte. 


Venedey gibt in feinem dritten Bande einen Heinen, 
aber vortrefflihen Auffag über die Entwidelung de 
englifchen Nationalötonomie, namentlich über das Prin- 
cip der jegt herrfchenden Nüglichkeits- und Reichthums 
theorie; er fagt barin.unter Anderm: 

So lange England einem andern Gedanken folgte, war 
e8 nicht reicher, im Gegentheil unendlich viel ärmer, aber 
ebenfo unendlich viel glüdlier: „Merry England”. egt liegt 
ein undurchdringlicher Nebel auf allen Geiftern. Sie haben 
das Geheimniß verloren, das einft ihre Väter zu dem erſten 
Volke der Welt machte: fie haben Das gefunden, was fie zum 
reichften erhob. Es ift als ob ein böjer Geiſt neben Denn 
en die den Wunſch des Gemeinreichthums zuerft aus: 
prachen. Es wurde erhört und von da an fihreibt fi tus 
goldene Zeitalter Englands. 

Indeß ein wehmüthiges Zurückſchauen in die Zeiten 
des „Merry Old England” ift unerfprießfich: England 
muß ein Princip erfüllen. Sa, reicher ift England ge 
worden, aber nicht glückliche. Im 9. 1801 hl 
England und Schottland 10,942,646 Einwohner, 1841 
war die Bevölkerung auf 18,535,786 Seelen geftiegen. 
Nah Mar⸗Culloch belief fi) der ausmärtige Handel 
Großbritanniens mit Inbegriff der Aus» und Einfuhren 
zu Anfang des 18. Jahrhunderts auf nicht mehr alt 
12,000,000 Sf. St. jährlih: 1841 war er bie af 
118,000,000 Pf. St. geftiegen! Kein anderes Lund 
bat einen ſolchen Reichthum aufzumweifen wie England, 
aber auch keins ein ähnliches Elend. 

Dem reichen Kiverpool fteht das arme Liverpool ge 
genüber. Faucher gibt davon Nachricht in feinem Auf- 
fage „Die Policei von Liverpool”. Vie Arbeiter weh 
nen in Höhlen, welche feine Fenſter haben: Licht und Luft 
dringen blos durch die Thüren hinein, derem oberer Theil 
gewöhnlich auf gleicher Höhe mit der Strafe liegt. Pie 
verpeftete Luft in den elenden Winkeln erneuert fid fl 
niemals. Der Schmug und das Elend ber irländijgen 
Einwanderer macht fich überall geltend. Oft find 50 
Perfonen in einem Raume des Nachts zufammengehäuft, 
der kaum fire 8 oder 30 Perfonen genug athembare Luft 
enthält. Die untere Bevölkerung Liverpools ift wenig 
ftationnair: Liverpool ift ein Durchgangsort, wo die Flut 
ber Einwanderer ab⸗ und zuſtrömt und die untem 
Schichten der Gefellfchaft nicht Zeit haben, ſich fefſtzu⸗ 
fegen; wo, genau genommen, weder der häusliche Herd 
noch die Familie vorhanden ifl. Die Zahl der Verhaf 
tungen und der Verbrechen waͤchſt. Der düfterfte Zug 
des von Raucher genau entworfenen Gemäldes ift der 
Umftand, daß auf 6202 wegen fihwerer Verbrechen vor 
Gericht Geftellten 2197 von 18-SJahren und daruntet 
waren; fowie, daß die Frauen 35 Procent der Verbre⸗ 
cher bilden: ein Verhaͤltniß, welches größer als in Eon 
don unb doppelt fo groß als in Paris ift. London iR 


noch micht die Bühne, wo fi) das Verbrechen mit ber 
größten Macht und ber größten Freiheit entwickelt. 

Baucher entwirft ein genaues Bild von ber durch 
Peel organifirten Policei. Er nennt fie „ein Meifter- 
ud ber Verwaltungspolitit von Sir Robert Peel“ und 
fieht hier in directemm Widerfpruche mit Venedey. Fau⸗ 
her iſt als Franzoſe der Eentralifation geneigt; Venedey 
wünfht als Demokrat die Gemeindethätigkeit, welche 
duch die neue Policeiorganifation beeinträchtigt wird, zu 
erhalten. Ohne einem franzöfifhen Gentralifationgfy- 
fteme zu buldigen, fliehen wir bier doch mehr auf 
Faucher's als auf Venedey's Geite ; die policeiliche 
Grmeindethätigkeit mochte zu ben Zeiten des „Merry 
England” genügen: feitbem aber ein ungeheurer .Um- 
ſchwung in allen ſocialen WVerhältniffen des Volkes und 
ded Landes flattgefunden hat, reichte fie nirgend mehr 
au6; das Vergehen und das Verbrechen entwidelten fi 
refig 3. B. in London unter ihrer Alterfchmwäce; und 
erft durch die centralifirende, die Gemeinden burch die 
Regierung beſchränkende Policei Peel's konnte mehr Ener- 
gie entwidele und mehr Sicherheit gewonnen werden. 
Venedey hat bie Policei Peel's, blos vom politifchen 
Standpunkte als „bevormundend” und nie in Ruͤck⸗ 
ht auf die focialen Zuftände Englands betrachtet. 

(Die ortfegung folgt.) 





Ludwig Berger, ein Denkmal. Bon Ludwig Rell- 
tab. Berlin, Trautwein. 1846. Gr. 8. I Thlr. 


Der Berf. gibt uns in ber vorliegenden Schrift, anknü⸗ 
piend an eine Darftellung der äußern Lebensſchickfale Berger's 
eine Charakteriſtik deffelben als Künftter und Menſch, zuge 
eine Beurtheilung der vorzüglichften feiner Werke. Diefer Auf 
gabe fih zu unterziehen, war der Verf. vorzugsweife berufen, 
da er durch viefjährigen Umgang, zunächft als Schüler, Gele: 
genbeit erhalten Hatte, nicht allein die Individualität feines 
trefflihen Lehrers und fpätern Freundes kennen zu lernen, 
fondern auch Zeuge der Entftehung mehrer der bebeutendern 
Ipätern Eompofitionen deffelben zu fein; und die Freunde Ber: 
ger & hatten darum ſchon feit Jahren der jegt erſchienenen 

tft mit Verlangen entgegengefehen. Hr. Reüftab hat in 
der That feine Aufgabe, wenigftens was die eine @eite der 
Cage betrifft, gast gelöft, fobaß wir die Schrift gern empfeh⸗ 
len: fie ifk mit einer liebenswürdigen Wärme und Verehrung 
für den Dahingefchiedenen in geiftreicher, lebendiger Sprache 
gefhrichen, und gibt ein gelungenes Bild feines künſtleriſchen 
und perfönlichen Treibens. Allerdings ift dies die vorzüglichfte 
Beite der Schrift; beimeitem weniger befriedigt das eigentliche 
Ruffaliihe derfelben, ſowol die Befprehung der einzelnen 
Berke, als auch, und Dies befonders, die allgemeine kuͤnſtleri⸗ 
de Verthſchärung Berger’s. Der Verf. hat gu wenig an 
den Bewegungen der neuern Beit auf dem Gebiet der Ton⸗ 
kunſt innerlich heil genommen, als daß feine Anſichten für 
die Begenwart befriedigend fein Eönnten: es ift im Ganzen 
eine ziemlich befchränkte Anſchauung ber Kunft und der Kuͤnſt⸗ 
ler, die wir als Hintergrund erblidten; und fo gefchieht es, 
daß er allerdings Berger's Leiftungen weit überfhäpt. Er 
überträgt Die fubjective Bedeutung, die fein Lehrer und Freund 
für ihn hatte, auf die Sache felbfl. Nehmen wir hierzu, daß 
et fi überhaupt noch auf dem jept fo ziemlich überwundenen 
Ctandpunkt fubjectiver Kunftanfhauung und Beurtheilung be 
megt, fo erhellt was zu geben er nicht im Stande war: eine 


‚den Lefer, und man ift geneigt, 


Würdigung Berger's im Bufammenhange ber Kunſtentwicke⸗ 
lung und eine Beurtheilung nach objertivem Maßſtab. Ins 
beffen, die Liebe und Pietät des Verf, die fi) überall aus 
fpriht, wirft — fo felten in der Gegenwart — wohlthuend auf 

die Mängel wenigſtens auf 
Augenblicke zu vergeffen. 

‚ gubwig Berger war geboren zu Berlin im I. 1777. In 
feiner früheften Jugend waren die Amtsverhältnifie feines Va⸗ 
ter, eines Architekten, die Veranlaffung, daß er Berlin ver 
laffen und feine Knabenzeit in dem Landftäbtchen Zemplin, 
acht Meilen von Berlin Entfernt, und feine Jünglingsjahre in 
Brankfurt an der Dder zubringen mußte. Obwol er fchon von 
feiner früheften Kindheit an ein die Aufmerffamktit erregen: 
des muſikaliſches Talent gezeigt hatte, jo befaß dies doch nicht 
fo fehr den Charakter der Fruͤhzeitigkeit, daß es hätte Urfache 
werden Eönnen, ihn in eine andere, feinen Neigungen ange» 
meflenere, Umgebung zu verfegen. So blieb er längere Zeit 
an diefem Drte, ‚wo die Anregung für Muſik nicht jr groß 
fein konnte, Entſchloſſen entiich, fi ganz der Muſik zu wid: 
men, ging er 1799 nah Berlin. Da ſich bebarrlicher Fleiß 
bei ihm zum Zalent gefelte, fo entwuchs er feinem dort ge: 
wählten Lehrer bald, und begann in den Kreifen der Kunft: 
verftändigen, insbefondere als Virtuos auf dem Pianoforte, 
fi die größte Achtung zu erwerben, obgleich er ſchon damals 
nicht zu einer feinen Zalenten angemeffenen öffentlichen Aner⸗ 
Tennung zu gelangen vermochte. Gereift in jeiner Kunftfer: 
tigkeit und in feinem Talent, begab er fi 1801 nad Dres: 
ben, um unter Naumann's Leitung die legten Studien zu ma⸗ 

en. Statt jedoch fein Schüler zu werden, Eonnte er nur 
eine Pflicht der Pietät gegen denfelben erfüllen, indem er cine 
Zrauercantate zur Sodtenfeier befielben fegte, Die ſich des aus 
ßerordentlichſten Beifals der Kenner erfreute. Rach Verlauf 
einiger Zeit ging er nach Berlin zurüd. 

Da kam 1804 Giementi nad Berlin. Clementi börte 
Berger - in einer Gefelifchaft, Werke eigener Eompofition vor: 
tragen. und erkannte darin fihnell die Anlage beffelben für 
Eompofition und das Talent für wahrhafte, wenn auch noch 
nit kunſtſchoͤn ausgebildete Virtuofität, und ſchlug ihm baher 
vor, fein Reifegefährte gu werden und unter feiner Leitun 
weiter zu ſtudiren. &o wurde Berger jegt Clementi's Beglei- - 
ter auf einer Kunftreife nad Peteröburg. Angefpornt durch 
ben Beifall eines mit Recht fo berühmten Meifterd, componirte 
er Vieles, unter Anderm ein Bariationenwer?, das er au in 
feinen fpätern Jahren noch als fein beftes bezeichnete. Die 
Reife geſchah langſam, da man unterwegs, namentlich in Kurs 
und und Liefland, Eoncerte gab. Gntli in Peteröburg an» 
gelangt, war für Berger ein ſchnell gewonnener Beifall die 
Folge von Elementi’s Teblung. &o dauerte diefer ange: 
nehme Aufenthalt ſechs Jahre. Berger verheirathete fi), ver 
lor aber feine ‚Gattin im erften Wochenbette und nicht lange 
darauf auch das Kind: ein Verluſt, den er nie ganz hat ver⸗ 
fhmerzen Eönnen, und ber auf fein übriges Leben, auf bie 
Seftaltung feines Charakters und feine Fünftlerifche Producti- 
vität von wefentlihem Einfluß geweſen ift und vorzugsweife 
jene Hypochondrie hervorgerufen bat, die feine fpätere Thaͤtig⸗ 
keit laͤhmte. Berger verlieh Petersburg 1812, weil der allge: 
mein fi manifeftirende Haß und Verdacht gegen bie Fremden 
ihn forttrieben ; er vermochte fih nur durch Bermittelung maͤch⸗ 
tiger, wohlwellender Freunde zu entfernen, die ihn mit einer 
Depefche als Courrier nad) Finnland fendeten. Mächtige Geg⸗ 
ner batten fogar fein Leben bedroht. Er erreichte — 
Schweden, machte dort die Bekanntſchaft der Frau vd. Stat 
und U. W. v. Schlegel’s, und gab mit großem Beifall Con⸗ 
certe. Nachher ging er nach London, fuchte Glementi wieder 
auf, gab mehre Eompofitionen in Drud, und verweilte dort 
einige Jahre, wo er in den höchften Kreifen die ehrenvolifte Auf: 
nahme fand. Betrieben von der Sehnſucht nach der Heimat, 
nad vieljähriger Abwefenbeit, kehrte er endlich nach Berlin zu: 
rüd, wo er über 20 Jahre bis an feinen Tod, ber im Fe⸗ 


bruar 1839, wäßrend er Unterricht erfheilte, erfolgte, als aus⸗ 
eicgnetfter Lehrer, dem auch Rendelsſohn⸗Bartholdy einen 
Se feiner Bildung dankt, geblieben iſt. 

Hier in Berlin madte unfer Autor Berger’s Belannt- 
— und von bier an find deshalb auch feine Mittheilungen 
Die reihhaltigften, obſchon das Leben des Künfllers fortan ehr 
einfach bahingefloffen ifl. Er beflagt es tief, daß Berger; in 

olge der dargeftellten Lebensverhäftnifle, nie in Die rechte 
elung zur Welt gefonmen tft und nicht, als es noch Zeit war, 
freuntinet Entgegentonmen und angemeffene Zhätigkeit gefun- 
en hat. Berger iſt nach dem Urtheile unfers Berf., wie fchon 
bemerkt, eine Der bebeutendften Erfcheinungen der Reuzeit auf 
dem Gebiet der Mufik, ſowol als Birtuos wie als Componiſt, 
bier insbefondere im Fache des Liebes; und wenn berfelbe nie 
eine feiner ihm beigelegten Bedeutung entfpredgende allgemeine 
Geltung zu erlangen vermochte, fo findet er die Urfade in 
diefen widrigen Lebensſchickſalen und dem dadurch noch mehr 
b figten, wo ed auf Geltendmachung anfam, von Haus aus 
ungüinftigen Nature. Berger war in fpätern Jahren nur 
mit ober Mühe zu bewegen, ein Werd feinee Gompofition 
u ediren; und ſchon in den heitern Zeiten bes Sünglingsalters 
efchränkte er fi auf die Anerkennung im Kreife der Raͤch⸗ 
en, ohne confequent und mit Energie barüber Dinaueguftze: 
en. Energiſches Handeln war überhaupt nicht feine Sache: 
die Verhältniffe mußten ihn treiben und floßen und feine 
Thaͤtigkeit beftimmen. 

Allerdings find alle diefe Umſtaͤnde wefentlich beftimmend 

gewefen, und wir würden unter andern Verhältniffen über 

ang andere ungen u berichten haben. Auch Ref. Ihägt 
Berner ſehr Hoch: die Ziefe und der Ernſt feines Wefens, die 
Feäftige, männliche Sefinnung bei aller äußern Paſſivität, auch 
in politifcher Hinficht, die trefflichen Eigenſchaften defielben als 
Menſch find ed, die ihn hoch emporheben über fo viele durch 
äußern Glanz verherrlichte kuͤnſtleriſche Erfcheinungen der Neu: 
zeit. Bei alledem.aber koͤnnen wir dem Verf. den fhon oben 
Außgefprochenen Tadel wegen Überfchägung und befangener Be⸗ 
urtheilung nicht erlaffen. 

Berlin ift nicht Dee Boden, wo ein bedeutender, ſchaffen⸗ 
der Tonkuͤnſtler gedeihen fann: Berlin iſt mehr der Pflege 
und Ausbildung ber Wiſſenſchaft guͤnſtig. Es iſt Alles viel 
zu abftract, viel zu wenig Anregung bietend für die Phantafte, 
viel zu fehe ohne unmittelbares Leben und ohne einen fubftan« 
tiellen Kern des Volkes, als daß das warme, bewegte Ge⸗ 
müthöleben des Künftlere dort allfeitige Sympathien, allfeitige 
Anregung finden koͤnnte. So bat Berlin vorzugsweife Re: 

erionstalente erzeugt, die Warbenfrifche*der Phantaſie aber 
ei Künftlern wo fie vörhanden war abgebleiht und Das 
warme, unmittelbare Leben erdrüdt. Berlin ſteht an der 
Spite der norddeutfchen, der des frohern Wien entgegengefegten 
Mufifrihtung, einer Richtung, beren Charakter Nbftraction, 
‚Mangel an Pünftlerifher Sinnlichkeit ift. Alles Dies findet 
feine volftändige Anwendung auch auf Berger, und es ift Dies 
ein wefentliher Geſichtspunkt für die Charakteriſtik bdeffelben. 
Auch Berger ift ein Reflerionstalent, nicht in dem Sinne zwar, 
als ob er genöthint gewefen wäre, feine Gcöpfungen zu ver: 
arbeiten, als ob der Verſtand bei ihm die ingebungen der 
Phantafie erft hervorgerufen habe: Das keineswegs; wol aber, 
wenn man darunter ein borherrfchend verftändig » Mares Be: 
wußtfein beim Schaffen, welches fi) minder den unmwillfürlichen 
Gingebungen der Phantafie bequemt, wenn man darunter einen 

eringern Reichthum der Phantafie und eine Darftellung ver- 
—*— die nur das zum Ausdruck des Gedankens und der Em⸗ 

findung unmittelbar Erfoderliche gibt, nicht wie die größern 
Som oniften der wiener Schule verſchwenderiſch eine Fülle, ja 

berfülle der Phantaſie zur @rfcheinung bringt. Berger ift 
etwas karg und nüchtern in feinem Ausdruck er zeigt eine 
gewiſſe Magerkeit, die, verbunden mit dem großartigen Exnfte, 
welcher bei ihm vorherrſcht, zur Folge hat, daß feine Compo⸗ 


fitionen weniger wohlthnend wirten, echeitenn 
wärmen; im Gegenfas bieri 


tere Behaglichkeit, Lebensfrifche und Wärme dem Innern dei 
Hörerb foglei eine wohlthuende Richtung gibt. 

Das find einige der wichtigften Einſchraͤnkungen, une 
denen Ref. die Mittheilungen des‘ Hrn. Rellſtab gelten lafın 
kann; es war nöthig, dieſe Einſchraͤnkungen zu geben, da, us 
Ber den naͤchſten Freunden bes Sefeierten, Riemand jenen Yub 
drud unbegrenzter Verehrung würde gelten laſſen wollen, und 


- das Bud demzufolge insbefondere bei Denen, welche Berger 


icht kennen, eine der b i 
— DE an 


Literarifhe Rotiz aus Frankreich. 
Geſchichte der alexandriniſchen Schule. 


Eine neue wichtige literariſche Erſcheinung iſt Jule 
Simon's „Histoire de léÄ'ole d’Alexandrie” (2 Wie.). 
Dieſe Gefchichte iſt einer der vor nehmſten Gegenftände 
der Vorleſungen, welche Herr Simon als Gtellvertretn 
Coufin's auf dem Lehrſtuhl der Geſchichte und der alten 
Philoſophie feit 1840 in der Sorbonne gehalten hat. Die 
Schule von Ulerandrien bat vom Ende des 2. Zahrhundert 
der chriſtlichen Zeitrehnung bis zum Anfang des 6. gedauert 
Sie ſtellt uns durch die Ideen die Widerftandspartei ded Ye: 
lytheismus gegen das Chriftenthum vor Augen: darum ift fe 
aud von den Kirchenvätern häufig bekämpft worden. Rad 
‚dem Berf. diefes Werkes ift die philofophifche Schule von Alesan: 
drien die erfte eBlektifche, die erfte muftifche und die erfte yan 
theiftifche Schule gewefen. Das Buch zeichnet ſich mehr durh 
eine gruͤndliche Schägung des Werthes ihrer Lehren an fid, 
dur bie Erforfhung ihres Zuſammenhanges und ihrer Ber 
bältniffe zu der Philofophie des Alterthums aus, als durch das 
Sorfchen nach Dem, was diefe Schule ben verdrehten chriſtlichen 
Ideen hat entlehnen müffen, und nad dem Einfluß, den fie 
auf gewifle Härefien ausgeübt hat. Der Plan bes Werkes m 
leichtert und das Urtheil über deſſen Charakter und Wichtigkeit. 
Das erfte Buch, ‚„„Origines de Pécole d’Alexandrie” überfhrie 
ben, enthält vier Eapitel: Von der griechifchen Philofophie bb 
auf Plotinus, Philofophen und Polygraphen des I. und 2. Jahr 
bunderts n. Chr.; Eklektiſismus; Entflehung und Fortſchritte 
des Chriſtenthums; von dem Mufeum und den literarifchen und 
philofophifchen Inftituten Alerandriens. Das zweite Buch handelt 
in elf Eapiteln: von Plotin’s Leben (vom 3. 203—269 n. Ehr.)i 
von der Dialektik, von der Dreieinigkeitslehre des Plotinus; 
von dem Urfprung ded Dogma von der Dreieinigkeit in der 
Schule Alerandriens und defien Verhältniffe zu dem chriſtlichen 
Dogma; von der allgemeinen Theorie der Emanationen; von 
ber Materie und dem Weſen; von den allgemeinen Gefegen 
der Welt; von der Vorfehung; von den verfchiedenen Gattun⸗ 
gen der Wefen und insbefondere der menſchlichen Natur; ven 
dem Bermögen der Seele; von der Theorie des Wiſſens und 
der Sittenlehre. Der zweite Band beginnt mit dem dritten 
Buche, welches die Geſchichte der Schule Alexandriens von 
Porphyrus bis zum Kaifer Iulianus umfaßt. Die ſechs Gapitel 
‚Diefed Buches enthalten: den Stand der philofophifchen Fragen 
nach Plotinuss Erenius, Drigines, Longinus, Amelius und 
Porphyrus; Lehre des Porphyrus; Lehre des Jamblicus; Iun: 
ger und Nachfolger des Jamblicus. Im vierten Buche, mo 
diefe Geſchichte von dem Kaifer Julianus bis zu der Schul 
von Athen fortgefegt ift, beurtheilt der Verf. den Kaifer Iu: 
lian, fein Leben, feine Renierung, feine Lehre. Das fünfte und 
legte Buch ift der Schule von Athen in ihren Beziehungen zu 
der Schule von Alerantria gewidmet. 31. 


— — 


Derantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdans. — Druck und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 





Blatter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Englifhe Zuftlände. 
Bierter und legter Artikel. 
( Kortfegung aus Nr. 3. ) 


Wir wenden uns jegt von ber Handelsſtadt Liver⸗ 
yool zu der Fabrikſtadt Mancheſter, dem zweiten Theile 
des großen Ganzen, Hier ift die Wiege des Manufat⸗ 
tutſyſtens; hiet feiert es feine höchften Triumphe; bier 
zeigt es zugleich aud) feine tiefſten Schäden. Die Ent- 
widelung des Manufacturfuftems in Lancaſhire ift bei 
Fancher einzufehen. Venedey gibt auch über Manchefter 
mehr nur fubjective Einbrüde, obgleich er nicht umhin 
kann, einen Blick auf allgemeine Zuftände zu werfen, 
fie darzuftellen und feine Meinung darüber zu fagen. 
Auch Engels Hat in feinem Buche „Die Rage der ar- 
beitenden Glaffen in England” ein reiches Material 
I Zenheſter insbefondere zufammengetragen. Vene⸗ 

y jagt: 

Die Straßen in Manchefter find meift breit und ber Cha⸗ 
takter derſelben fteigt von dem des höchften Reichthums, der 
fohzeften Säulenhäufer, bis zu dem nadten Elende ber Dunkeln 
Schermohnungen herab. Die Boutiquen, die Bank, das Athe⸗ 
nam, die Börfe und viele Hotels und Privatbäufer in den 
Hauptftraßen erinnern an Paris und London, die Armenviertel 
on dad Bfendefte was ich in Dublin fah.. 

Und Faucher: 

Rancheſter zeigt weber das Straßenleben Liverpools, noch 
daB Londons. Während des größten Theils des Tages ift bie 
Stadt ſtill und ſcheint faft verlaffen. Die Boote gleiten ge- 
rauſchlos auf den Kanälen bin, aber nicht längs Paläften wie 
in Benedig, ſondern zwiſchen zwei hoben Reiben Spinnereien, 
die unter ſich Luft, Waſſer und Feuer theilen. Wagenzüge 
tolm auf den Eifenbahnen babin und fchaffen Zaufende von 
Drt zu Ort wie früher Einzelne. Man vernimmt Nichts als 
den Athem der Mafchinen, der aus hoben Efien hinauffchießt, 
ald ob er als Buldigung die Geufzer der Urbeit, welche Gott 
dem Menſchen auferlegte, zum Himmel fchidte. 

Die Verbrechen gegen bie Perfonen find feltener als 
in Liverpoof, die Vergehen gegen das Eigenthum aber 
mmdeftens ebenfo zahlreih. Die Frauen tragen in 
Mancheſter weniger zu den Verbrechen bei ald in Liver⸗ 
pool. In letzterer &tabt begehen die Frauen 33 von 
100 Verbrechen, tn Mancheſter 30 von 160. Der Un: 
terihied wird noch fühlbarer, wenn man fi an bie 
ſchweren Verbrechen hält. Die Frauen Eragen in Liver- 
pool 35 Proctut zu den Fällen bei, welche wor. bie Aflifen 


fommen, in Manchefter aber nur 23 Procent. Ein 
ähnliches Verhältnis macht ſich in Bezug auf jugenb- 
liche Verbrecher geltend. Faucher meint, wenn Frauen 
und Kinder in Fabrikſtaͤdten weniger vor Gericht kommen, 
fo rühre Dies lediglich daher, daß fie mehr befchäftigt 
find. In den Baummollenfabrifen find die Frauen und 
Kinder 57 Procent von der Befammtzahl der Urbeiter. 
Es gibt Webereien, wo man nicht einen einzigen Mann 
erblickt, und Cardir⸗ und Hufbreitungsfäle, wo nur Kin- 
der befchäftigt find. Die Fabritanten ziehen Frauen er- 
ſtens wegen des geringern Lohnes vor, den fie erhalten, 
und zweitene, weil fie ſich geduldiger in eine tyrannifche 
Diseiplin fügen, der fich die Maͤnner häufig durch mäd- 
tige Verbindungen zu wiberfegen fuchen. 

Faucher behauptet, daß bie Proftitution in ben Fa⸗ 
britftädten nicht die Frechheit und Dffentlichkeit zeige, 
wie in den Hauptfläbten und in den Häfen. Gr mag 
Recht Haben, was bie fihamlos - öffentliche Proftitutien 
betrifft, fhwerlih aber auch im Punkte der heimlichen 
Proftitution, denn man weiß, daß unter den Fabrikar⸗ 
beiterinnen die Keufchheit nur noch eine Ausnahme iſt. 
Die Proftituirten der Hauptftädte und Häfen leben von 
ihrer Schande; die Proflituirten der Fabrikſtädte verfal- 
len ber Schande, weil es ihnen nicht möglich ift, von 
ihrer Arbeit zu leben. Die Concubinatsvechältniffe der 
Fabrikſtädte find nicht befier als die Proflitutiontzu- 
flände der übte und Häfen. Das Fabrikſyſtem 
entwidelt bie gefchlechtliche Reife, che Alter und Er⸗ 
ziehung das fittliche Gefühl ausbilden konnten. Faucher 
fagt felbft: 

Die Fabrikmaͤdchen konnen die m nit. e Sprache 
it roh kn oft on: wenn — —— —— 
ſchließen fie unerlaubte Verbindungen, die fie noch mehr ver: 
derben als jene frühen Ehen. In den arbeitöfreien Zwifchen: 
ftunden begegnet man häufig in der Umgebung der Stadt oder 
in abgelegenen Straßen Paaren von Arbeitern und Arbeiterin⸗ 
nen, welde die Laune des Augenblicke gufammengeführt bat. 
Zuweilen gehen fie miteinander in die Schenken und gewöß: 
nen fi) fo an eine doppelte Ausſchweifung. 

In den aderbauenden Diſtricten find allerdings die 
unchelichen Kinber ger als in ben Yabrikftähten, 
allein Dies kann Nichts für die Sittlichkeit der Tegtern 
beweifen. In ben Ackerbaudiſtricten empfangen bie 
Frauen leichter und häufiger; wo dagegen ber geſchlecht⸗ 





+ 
* 


liche Verkehr zu früh beginnt, nimmt die Fruchtbarkeit 
ab. Unter ſolchen Verhaͤltniſſen ſind in Mancheſter die 
Familienbande weder ſehr eng, noch ſehr feſt geknüpft. 


Das Fabrikſyſtem und die Übel im Gefolge deſſelben 


mörffen- bie Aufloͤſung der Familie herbeiführen: am 
Tage iſt die Frau in diefer, der Mann in jener Fabrik; 
die Kinder find entweder ſich ganz überlaffen oder auch ſchon 
bei Mafchinen beſchaͤftigt; des Abends ift der Mann in der 
Kneipe, die Frau auf der Baffe, fo lange es geht, durch 
Proftitution ihr „fünftes Viertel Tagearbeit“ verdienend. 
Die Erziehung der Frauen aus der arbeitenden Klaffe 
ift überall vernachläſſigt, aber nirgend fowie in Eng- 
and. Raucher harakterifirt diefen Zuſtand folgender- 
maßen: 

Um den Mann anı heimischen Herd feftzuhalten, bringt 
die Deutfche ihre Kenntniffe und die Schmiegfamkeit ihres 
Sharakters mit; die Italienerin eine Phantafie, die ſich auf 
das Schöne und den äußerlichen Glanz wendet; die Franzöfin 
Wirthſchaftlichkeit und Xebhaftigkeit des Geiftee. Uber bie 
Engländerin weiß bei al ihrer Schönheit und ihren foliden 
Eigenfdaften weder zu verwalten, noch zu gefallen. Unmwiffend 
und linriſch tritt fie die Hauswirthſchaft an, Bann oft weder 
einen Knopf annähen, noch Brot baden, und fieht Entbeb: 
zungen, wo eine Andere noch Überfluß zu haben glaubt. Wie 
fol es auch anders fein? Man weiht die Frauen nicht in das 
häusliche Leben ein; fie wachfen felten unter den Augen ihrer 
Mütter auf; man erzieht fie nicht für die Familie, fondern für 
die Fabrik, nicht um Befährtinnen, fondern um Rebenbuhle⸗ 
rinnen der Männer zu fein, um ihnen bie Arbeit freitig zu 
mahen. Das junge Mädchen bringt gehn Jahre ihres Lebens 
damit zu, die Baummollenfäden zufammenzubnüpfen und bie 
Raſchinen zu beauffitigen, die der Dampf in Bewegung ſetzt. 
Kommt die Beit zu beivatben, fo iſt fie für bie Induftrie ge: 
bildet, in der fie Erfahrung hat und die ihr einen Lohn ver: 
bürgf; aber fie hat Richts von Dem gelernt, was fie willen 
muß, um ihre Kinder zu erziehen und ihren Haushalt zu füh: 
ten. Auch wählt fie dee Mann mit Rüdfiht auf ihren Ver⸗ 
dienft, mehr um ibre Einkünfte als ihre ickſale zu theilen. 
Wenn dann Kinder Eommen: oder Krankheiten ſich einftellen, 
beginnt der Lohn der Frau zu ſchwinden und die Wirthſchaft 
gebt rückwaͤrts. Bald gibt es einen heimatlichen Herd und 

ine Familie mehr; die Frau bat die ganze Laſt zu fragen 
und entwidelt jegt jene Kraft im Dulden, bie das engiiehe 
Bolk im Unglüd auszeichnet. Der Mann figt in der Schenke 
und betäubt fih im Rauſche. 


Ahr, die ihe gegen den Socialismus fchreit: er wolle 
die Familienbande auflöfen; wenn ihr ehrlich fein wollt, 
müßt ihr bekennen: daß eben durch das Syſtem, durch 
das Princip, dem ihr huldigt und das euch vielleicht mit 
Glücksgütern überfhüttet, die Familie aufgelöft wird, 
ohne daß etwas Beſſeres, ohne daß etwas Anderes als 
allgemeine Berderbtheit an ihre Stelle gefegt worden waͤre. 


Das Branntweintrinten hat in Manchefter eine furcht- 
bare Ausdehnung erreicht. Die Frauen geben fich ber 
viehiſchen Trunkſucht vielleicht noch mehr hin als die 
"Männer: man fieht Mütter, bie wahnfinnig oder ent- 
artet genug find, von dem Gifte ihren Rindern zu ge- 
ben, ‚welche das Gift mit der Muttermilch einfaugen. Die 
Fabrikanten begünftigen zum Theil den Branntweinge- 
nuß, indem fie den Arbeitern in Schenkhaͤuſern ihren 
*. aunapien laffen! und mit Recht ruft Faucher ent- 
suftet aus: £ 


>» 1 


Befoͤrderten nicht auf dieſelbe Weiſe die Völker des Ulter 
thums die moralifche Geſunkenheit der Sklaven? aus Yurdt, 
ihre Vernunft würde erwachen und fie anregen, nad der Frei: 
beit zu ſtreben! 
De Yortfesung folgt.) 





Joſeph Addiſon. 

„«The life of Addison» von Lucy Aikin iſt der Ber: 
fafferin nicht fo gut gerathen als ihr früheres Werk („Me- 
moirs of the reign of. James’ L.“): fie war mit dem Zeitalter 
nicht binlänglicy vertraut und hat eine Arbeit zu Stande ge 
bracht, die von Fehlern wimmelt.” &o. äußert fich Darüber der 
Berichterftatter im „Edinburgh review“. Derfelbe bat jedech 
die Gelegenheit benugt und. in. der genannten Zeitſchrift ein 
Überficht des Lebens Addiſon's geliefert, woraus daß Folgende 
ein Auszug i 





Joſeph's Vater war der Geiſtliche Lancelot Addiſon. Lan 


celot's Gefchichte iſt kurz dieſe: Er kam als ein armer Etu: 
dent zu Drford ind Queen's⸗College zur Beit der Republik und 
wurde, wie die meiften feiner Mitfchüler, ein wüthender Roy 
Lift, verfpottete die Häupter der Univerfität umd mußte auf den 
Knien Abbitte thun. Rach beendeter Studienzeit friftete er ſein 
Leben kuͤmmerlich damit, den wibderfpenftigen Squires, der 
Landfige in der Wildniß von Buffer zerfireut Tagen, die Eitur 
ie der gefallenen Kirche zu lefen. Nach der Meftauration wurde 
Fine Loyalität durch die Kaplansftelle bei der Barnifon zu Die: 
Birchen belohnt. Duͤnkirchen wurde an Frankreich verkauft und 
Zancelot verlor feinen Poſten. Eben damals war Zanger ar 
Gngland gekommen. Lanselot wurde nad Zanger gefchidt; em 
elende Eriftenz hatten dort die armen Coloniften, aber ihr X 
plan gewann Eins: er fludirte die Geſchichte und die Gitten 
der Juden und der Mohammedaner; und als er einige Jahte 
fpäter nach England zurückkehrte, gab er ein intereffantes But 
heraus über die Politif und Religion der Berberei, ſowie em 
anderes über die Sitten und Bräude der Hebräer und den 
Zuſtand der rAbbinifchen Gelehrfamkeit. 
in feinem Fache und wurde zum föniglichen Kaplan, zum Tottet 
dee Theologie, zum Archidiakon von Salisbury und zum Dekan 
von Lichfield ernannt. Er würde, meinte man, nad) der Fe 
velution auch Bifchof geworden fein, wenn er nicht durch hart: 
nädige DOppofition gegen die liberale Politik Wilhelm’s und 
Zillotfon’s in der Eonvocation von 1689 die Regierung gest 
ſich aufgebracht Hätte. . . 
Jofeph Addifon wurde nicht lange nad feines Vaters Ruf: 
kehr aus Danger am 1. Mai 1672 zu Milfton in Wiltibirs 
wo Lancelot damals Pfarrer war, geboren. Bon feiner Kl: 
heit ift wenig befannt. Die Knabenftreihe, welche von ihm 
erzählt werden und ihn als einen kecken und unternehmend 
Gefellen darftellen, ftimmen wenig zu dem fhüchternen Weſer 
und der äußern Unbeholfenheit, die ihn durch fein ganzes Raw 
nesleben begleiteten. Aber fleißig muß er gewefen Fein, Er kom 
im 15. Sabre auf die Univerfität und brachte dahin ſchon ein 
Neigung für die claffifchen Studien und eine Menge von Kent: 
niffen mit, die einem Magister artium Ehre gemadht hätten 
Er war erft einige Monate in dem Queen’sEollege zu Orſoch 
als dem Dekan des Magdalen⸗SGollege, Dr. Lancafter, lateinifdt 
Berfe von ihm in die Hände fielen und mit Bewunderung ff’ 
füllten. Bon ®tunde an wurde Dr. Lancaſter Addiſon's Br: 
fhüger und verfchaffte ihm Aufnahme in das Magdalen⸗Col⸗ 
iege, damals die reichſie Stiftung dieſer Urt in (Europe 
Addifon blieb in diefem College zehn Jahre, erft als ſegt 
nannter Demi (Halbpenftonär), fpüter als eigentlicher Fellow. 
Er ftudirte mit der größten Sorgfalt die fpätern lateiniſchen 
Dichter von Lucrez und Catull abwärts bis auf Claudian und 
Prudenz. Diefen ahmte er nad) und brachte ed darin zu eine 
Meifterfchaft. Die Lateinifche Versmacherei war damals Mode, 
und wer damit am Beften umzugehen wußte, war der Ausge 
zeichnetfte. Die Dichter des goldenen Zeitalter® ber roͤmiſchen 


Er erwarb fh Mi 


weniger und-am weniaflen dis Pro⸗ 


fiteratus lanate Addiſon weniger 

ſaiker; auch fehrieb er nie eine guie lateiniſche 
Kenntniffe im Sriechifhen können nur unbebeztend gewefen fein 
und er bat die griechiſchen Dichter wol kaum gelefen; Dies be: 
weifen feine gelehrten Eitate in allen feinen Schriften, da fie 
durhgängig nur aus ben fpätern lateinifhen Dichtern geſchöpft 
ind: jo in den Roten feiner Überfegung des dritten und bier 
ten Buches der „Metamorphofen”, in feinen „Stalienifchen Reis 
in”, in feinem „Essay on the evidences of Christianity”. 
Seine lateiniſchen Gedichte aber waren in Oxford und Kam» 


bridge hoch bewundert, maß, ce fein Rame in den Kaffee⸗ 


haͤuſern um das Drurylane Iheater gehört wurde.“ 

In feinem 22. Jahre wagte Joſeph als Dichter in engli⸗ 
iher Sprache vor dem Publicum aufzutreten: - Er verfaßte ein 
Lobgedicht auf Dryden, der es damals endlich fo weit gebracht 
hatte, fich als die hervorragendſte Erfeheinung der Zeit auf li: 
terariſchem Felde geachtet und gefeiert au fehen. Dryden nahm 


fi des jungen Zalents an; er war es vermutblich, der Addi⸗ 


fen bei Eongreve .einführte, und Eongreve ſtellte den Süngling 
dem damaligen Kanzler des Exchequer und Zührer der Whig⸗ 
partei im Unterbaufe, Charles Montaigue, vor. Addiſon ſchien 
üb damals ganz der Poeſie widmen zu wollen: er gab eine 
Überfegung des vierten Buches der „Georgica” heraus, Verſe an 
Kinig Wilhelm und andere Dichtungen von gleidem Werthe, 
d.h. von Peinem. Aber das Yublicum war damals von feinen 
Sachen entzückt. Das fogenannte heroifche Eouplet (Diſtichon 
von fünffüßigen gereimten Iamben) war das beliebte Maß: es 
if erft fpäter durch Pope zu derjenigerr mechanifhen Vollen⸗ 
dung gebracht worden, welche es jedem einigermaßen Bildungs: 
fähigen Menfchen leicht macht, in glatten und wohlflingenden 
Serlm zu fehreiben; aber in den Zagen Wilhelm’s ITE. war 
felche Geſchicklichkeit etwas Seltenes, und ein Reimſchmied, der 
nd darin fo gut es ging bebelfen konnte, galt für einen gro: 
ßen Poeten. Wddifon würde daher nur auf gleicher Linie mit 
einem Duke, Stepney, Granville, Walſh und andern Berfe: 
machern diefer Art ftehen, wenn er nicht durch fpätere Leiftun- 
gen her anderm Gebiete fih feinen dauernden Ramen begrün= 
et hatte. 


Die Zeit war für Abdifon gekommen, einen Beruf zu waͤh⸗ 


im. Alles ſchien ihn zu dem geiſtlichen Stande hinzudraͤngen: 
kine Sittenſtrenge, feine Orthodorie, die Ausficht, duch Ber 
mitelung des College fihnell befördert zu werden, die &tel: 
lung und der Wunſch feines Vaters, und wie es fcheint, auch 
fein eigener Borfag. Uber Montaigue zog ihn in den Staats: 
dienſt. Montaiguse, der felbft zuerſt ſich darch Verſe bekannt 
gemacht hatte, war der Poefie, für welche er in der That kei⸗ 
nen wahren Beruf hatte, bald untren und ausgezeichneter Fi⸗ 
nanzfundiger, Parlamentsredner, Hofmann, Parteiführer ge: 
worden. Er hatte noch immer eine Vorliebe für poetifches Ta⸗ 
int und warb gern der Mäcen Derer die welches befaßen. 
Er ſuchte überhaupt literariſche und wiffenfchaftliche Beſtrebun⸗ 
gen aufzumumtern, und bierin fand ibm der fähigfte und tu- 
gendpaftefte feines Gollegen, Lord: Keeper Somers, fleißig bei. 
Dieie beiten Männer hatten außer ihrer Liebe zur Literatur 
auch einen politiihen Grund, junge literarifche Zalente an ſich 
wu ziehen. Die Revolution hatte das ganze Regierungsſyſtem 
geandert. Vorher war die Preffe durch Cenſoren contrelirt ge: 
wien, und das Parlament hatte in acht Jahren nur zwei Mo⸗ 
nate geſeſſen. Jetzt war die Preſſe frei und hatte begonnen, 
anen Einfluß, von dem man früher Beine Ahnung gehabt, auf 
die öffentliche Meinung auszuüben. Das Parlament verfam: 
melte ich alle Jahre und ſaß lange. Das Unterhaus hatte die 
mie Macht im Staate an ſich gebracht. Unter diefen Um⸗ 
Binden mußten literarifche und oratorifche Talente im Werthe 
in Eine Regierung, welche diefeiben vernacdhläffigte, lief 

‚ von ihnen über den Haufen geworfen zu werden. Es 
war daher eine weiſe Politik, welche Montaigue und Somers 


fie Talente für die Whigpartei zu gewinnen und- 
Dankbarkeit 


dur die ſtaͤrkſten Bande des Intereſſes und ber 


— 


roſa. ine: |. erreicht hatte, entſchied ſich feine Lukunft. 


an ſich zu Fetten. Im 2.1699, als ui eben fein 27. Jahr 

t. Seiner politifchen 
Meinung na war er fon Damals, was er [An ganzes Lehen 
blieb: ein gemäßigter Whig. Er hatte: dic gefeilteften und 
Bsäftigften feiner frühen Verſe an Somers gerichtets an Mon« 
taigu ein lateinifhes Gedicht im Birgil'ſchen Stil über den 
Ryswijker Frieden. Beide Männer hätten ihn gern fogleich im 
diplomatifhen Dienfte verwendet, aber es fehlte ihm an Si⸗ 
herheit in ber ranzöfifihen Sprache; man gab ihm eine Pen: 
fion von 300 Pf. ©t. und fchidte ihn auf den Eontinent. Die 
Leiter des Magbalen » Gollege erhoben noch einige Schwie⸗ 
rigkeit, weil fie ihn. dem Kirchendienſt erhalten wollten;. aber . 
ber Kanzler ſchrieb in den Fräftigften Ausdrücken an Hougb. 
Der Staat, ſchrieb er unter Anderm, koͤnne zu dieſer Beit 
Männer wie Addifon nicht für Die Kirche auffparen; nur zu 
viele hohe Stellen feien ſchon mit Abenteurern ohne Geift un® 
Bildung befegt; ed fei eine Rothiwendigkeit geworden, aus ei» 
ner ganz andern Claſſe für den, Staatsdienft zu werben, aus 
derjenigen Claſſe, die Addiſon reprafentire. „Ich“, fo ſchloß Mon: 
taigue's Brief, „werde ein Feind der Kirche genannt; aber ich 
werde ihr gewiß nie einen andern Schaden thun als den, daß 
ih ihr Mr. Addiſon entziche.” 

Im Sommer 1699 verlieh Addiſon fein liebes Orford, ohne 
feine Fellowſchaft aufzugeben, fchiffte von Dower nach Calais 
und ging von dert nah Paris, wo er von dem neuen Ge⸗ 
[andten am franzöftfchen Hofe, einem Berwandten Montaigue's, 

em Earl Charles von Mancheſter, fehr zuvorkommend aufge: 
nommen wurde. Ludwig XIV. war damals devot geworden; bie 
fervile frangöfifche Kiteratur war feinem Gefhmad gefolgt und 
es erſchien kein Buch, das nicht nach Heiligkeit roch. Racine, 
der eben geftorben war, hatte den Schluß feiner Lebentzeit da⸗ 
mit bingebradht, biblische Dramen zu fihreiben, und Dacier 
fuchte im Plato die Athanafianifchen Myfterien. . Addifon ſchil⸗ 
derte dieſen Zuftand in einem Burgen, aber lebendigen und an⸗ 
mutbigen Briefe an Montague. Bon Paris ging Addiſon nad 
Blois, wo, dem allgemeinen Rufe nach, das Kranzöfifche in 
ber größten Reinheit gefprochen wurde und kein Engländer an⸗ 
zutreffen war. Er brachte dafelbft einige Monate angenehm 
und nüglich hin. In Paris gefiel er ſich, nach feiner Rückkehr, 
in der Gefellfhaft von Philoſophen und Preten: ein Brief Ad» 
diſon's an. Biſchof Hough aus diefer Zeit enthält einen Bericht 
über Geſpräche, bie der Berfaffer mit Malebranche unb Bei: 
leau gehabt. Es trat aber bald ein Ereigniß ein, welches den 
Aufenthalt in Paris unangenehm für jeden Engländer und na: 
mentli für einen Whig machte: der Zod Karl's II., der m 
feinem legten Zeftamente Philipp von Anjou, den zweiten Schn 
des Dauphin, zu feinem alleinigen Nachfolger eingefegt hatte; 
die Abreife Philipp's nad Spanien und der Stolz der Fran⸗ 
ofen über diefe Ereigniffe. Die Eonverfation der Franzoſen, 
chreibt Abdifon, beginnt ganz unerträglich zu werden; fie wa⸗ 
ren immer ſchon die eitelfte Ration, ſetzt geht es über alles 
Mob. Er fah voraus, daß es nicht lange mehr Friede zwi: 
(hen Frankreich und England bleiben würbe; er verlich das 
Land und ging nad Italien. 

Im December fchiffte er fih in Marfeille ein, erlitt um 
terwegs einen Sturm und mußte bei Savona landen, von 
wo er auf unbetzetenen Bergpfaben fich nach Genua durchfchlug- 
Bon Genua, Das noch feinen Dogen hatte, ging er nad Mai: 
fand und von da nad Venedig, damals der Iufligften Stadt 
in @uropa, wo er die luſtigſte Zeit des Jahres, dad Earneval 
unter Masten, Taͤnzen und Gerenaden, verbrachte. Gr fah 
auf der Bühne vwunderliche Sachen, denn der italienifche Ge: 
fhmad war zu biefer Zeit der ſchlechteſte, unter Underm aber 
ein Stück, das ungeachtet feiner Läderlichleiten doch Ein⸗ 
drud auf ihn gemacht haben muß: «8 war Cato's Tod. Mb: 
difon begann um diefelbe Beit feinen „Gato‘ gu Dichten, und 
braite don diefem Zrauerfpiele ſchon vier Acte fertig mit nach 


LE feine Wege von Venedig nach Rem konnte er dem 





9383 


Wirlangen nicht widerſtehen, ein wenig feitab ja reifen, um 
die —* Negublik San⸗Marino zu —22* ——32 — ein 
gutmuthiges Fächeln nicht unterdruͤcken über die einfachen Sit⸗ 

ur In und Binrichtun en diefer feltfamen Gemeinde; aber eb ent 
‚ging ihm auch die Bemerfung nicht, daß der arme Bergdiftrict, 
x diefe Republik einnahm, mit einer redlichen, gefunden und 
ufriedenen Bauernfchaft dicht bevölkert war, während die frucht⸗ 
bare Ebene, welche den alten Mittelpunkt weltlicher und geift- 
fiher Tyrannei umgibt, kaum minder wüft und öde lag eis 
die ungelichtete Wildnif Amerikas. Er beſuchte Rom, Neapel, 
und reifte abermals über Rom dem Norden zu. Ale, was 


ei in Italien vom Leben der Menſchen fah, diente dazu, ihn 


in den politiichen Meinungen zu beftärken, welche er & Haufe 
angenommen hatte: oft empfahl er nod in fpäterer Zeit das 
Meifen als das befte Heilmittel wider den Jakobitismus. Nach 
kurzem Aufenthalt in Florenz erreichte er dad Land, weiches 
der Krieg erft eben vermwüftet hatte, und in weldem die Be: 
voͤlkerung no ſchrecklicherm Zufammenftoße bang entgegenfah; 


® 


benn fiyon war Eugen von den Rhätifchen Alpen herniederge⸗ 


fliegen, um Eatinat die reiche Ebene der Lombardei ftreitig zu 
machen. Der Beherrfcher von Savoyen zählte fi) noch zu eud⸗ 
wig's XIV. Bundesgenofien. England hatte Frankreich den 
Krieg noch nicht wirklich erflärt; aber Manchefter hatte Paris 
verlaffen, und die Unterhandlungen ; weldye die große Allianz 
egen das Haus Bourbon zum Zwecke hatten, gingen ihren 
ang. Unter folchen Umftänden war es für den reifenden Eng» 
länder wunſchenswerth, in Bürzefter Zeit neutralen Boden zu 
erreichen. Addiſon beſchloß über den Mont Cenis zu gehen; 
es war December, und noch gab es Feine foldye Straße, mie 
fie jegt den Reifenden an Napoleon’ Größe mahnt; indeſſen 
wor der Winter mild und der Übergang für damalige Zeit 
wicht ſchwierig. Auf den Alpen ſchrieb Addifon feine „Epiſtel“ 
an feinen Freund Montague (nun fchon Lord Halifar), ein dar 
mals weitberühmtes Gedicht, das jept fo gut wie vergefien iſt, 
aber abgeſehen von poetiſchem Berdienfte, dem Charakter fei⸗ 
nes Verfaſſers Ehre machte: denn Halifar konnte Richt mehr 
für feinen Freund thun, war gefallen, in Anklageſtand verfegt 
amd ohne Ausficht, je wieder zu hohen Amtern zu gelangen. 
Mancheſter war inzwifchen Staatsſecretair geworden und 
vergaß feinen jungen Freund nicht! er dachte ihm eine Mif: 
"Kon nad) Italien zu; aber der Tod Wilhelm's III. fchnitt ihm 
Möglich alle Ausfichten ab. Unna war der Whigpartei abge: 
Reigt, und Addiſon's Weichüger verloren ihre Amter. Nun 
wurde Addifon Begleiter eined jungen enylifchen Reifenden und 
veſuchte mit diefem, wie es feheint, einen großen heil der 
Schweiz und Deutſchlands. In dieſer Beit fchrieb er feine 
haͤbſche „Ubhandlung über Medaillen”, die erſt nad feinem 
Bode veröffentlicht wurde. In Holland, wohin er fich zunaͤchſt 
begab, erhielt er Rachricht von dem ode feines Waters und 
kehrte gegen Ende des 3. 1703 nad Englanı zurüd. Seine 
Freunde empfingen ihn mit Herzlichkeit und führten ihn in ben 
Kit:Eat:Eiub ein: eine Gefelfchaft, welche alle Talente und Her: 
vorragender Männer der Whigpartei in fich vereinigte. Addiſon 
war in der erften Zeit in Verlegenheit wegen feines Auskom⸗ 
‚mens, aber feine politifchen Freunde konnten bald Etwas für 
-iön thun. Cine wichtige politifche Veränderung, die ſich im 
Stillen vorbereitete, war im Fortfchreiten begriffen. Die Land⸗ 
befiget und die Beiftlichen fahen fi in den Erwartungen ge: 
taͤuſcht, welche fie von den neuen Ratbgebern ber Krone ge⸗ 
hegt Hatten. Lord Godolphin und Marlborough verfolgten den 
"alten Weg des Whigminiſteriums. Die eifrigen Tories ent: 
fremdeten fih der Megierung: fie brauchten jept die Stimmen 
der Whigs; um diefe zu gewinnen, mußten Sonceffionen ge: 
macht werden. Durd den Sieg von Blenheim (13. Aug. 17U4) 
hob fi die Sache der Whigs noch mehr: fe triumppirten und 
bie Tories mußten ſchweigen, da fie über ein für ir Land fo 
giorwürdiges Ereigniß doch nicht jammern durften. Godolphin 


erinnerte fi) um diefe Zeit auch des Bortheild, welchen bie 
frühere Regierung fi durch Beförderung literariſcher Talente 


"market. 


verſchafft Hattes und fo wenig er von Siterätur verftand, konme 
ed ihm nicht entgehen, daß die Gedichte auf den Sieg von 
Blenheim, weiche veröffentlicht wurden, fammt und fonders 
ae zu elend waren. Er zog SHalifar zu Rathe, ber aber mit 
Feine Mathe zurücdhielt. „Ich wüßte wol den rechten Bann“, 
fagte er, „ben blenheimer Sieg zu feiern, aber neimen werde 
ich ihm nicht." Godolphin drang natürlich nun defto mehr in 
Halifar, und diefer nannte endlich Addiſon. Addiſon mohnte 
damals in einem Dachſtübchen drei Treppen God auf Hay 
Wie erftaunte er eines Morgens, als Riemand Se: 
ringered zu ihm eintrat als der Right:Honorable Henry Boyle, 
damals Erchequer » Kanzler, nachmals Lord Eharleton. Wodifon 
nahm mit Freuden den Auftrag an, das Gedicht zu machen; 
als es zur Hälfte fertig-war, theilte er 6 Godolphin mit, der 
davon entzückt war und dem Dichter fogleih ein Gommiffioner: 
fhip mit 200 Pf. St. jährlich gab, Auch das Publicum nahm 
das Gedicht (‚The campaign‘) mit großem Beifall auf. W: 
difon war darin von dem herrfchenden Geſchmack, moderne Fed: 
herren zu Howrreriſchen Helden oder zu Paladinen zu mathen, 
gaͤnzlich abgewichen und ruͤhmte Mariboveugh wegen der Kr: 
genden, die ex befaß-*) on 
(Die Kortfegung folgt. ) 





Miscellen.- 

Eine Regel der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche ift es: Kcoleei 
non sitit sanguinem. Die Eriegerifchen Bifchöfe aber feit dem 
8. Jahrhundert fuchten diefe Megel, der gemäß fir Feine ſolda 
tiichen Waffen tragen durften, dadurch zu umgeben, daß ſe 
im Kriege fich einer Keule ftatt des Schwertes bedienten, m 
zwar mit gutem Grfolge, wie Wilhelm Brito, welcher in du 
erften Hälkte des 13. Jahrhundett eine Geſchichte des Köniz 
Philipp Auguf von Frankreich in Werfen unter dem kl 
„Philippis‘ gefchrieben hat, von einem Biſchof von Bela ın 
den Berfen meldet: 

Sic pleresqus alios clavs sternebat esdem, 
Militibus super hoc titulum palmamque resignans, 
Accussretur operam ne forte sacerdus 

Gevsisse illicitam, cui nunguam talibus inter 
Esse licet, ne caede mawus eculosque yrefanet. 


Friedrich Conov, Director der Schule zu Zangermünk 
(geft. 1638), erinnerte Diejenigen, welche bei ihm Privatſten 
den nahmen, an das Honorar durch die in feinem Studie 
zimmer, in welchem er linterricht ertheilte, Jedermann lebst 
gemachte Auffcprift: Gratis poenitet esse diligentem. 





Hugo Graf von Blankenburg aus Rieberfachfen ging wm 
das Mofter St.-Wictoris zu Yarid, woſelbſt er als Auguftnm: 
mönd Hugo de St.⸗Victore genannt, 1140 ftarb. In dee 
auftinus Schriften war er fo bewandert, daß er „Augusau 
lingua‘ geheißen wurde. Er war aber andy ein für dad Jar 
Hundert, in welchem er lebte, fehr fruchtbarer Schriftſteller 


‚im theologifchen Wache befonders, und mit der aftrömifipen f 


teratur vertraut. 





*, Die Vergleihung Marlbordugh's wit dem Engel. der der 
Sturm segient, hatte beim erſten Erſcheinen das Publicum weht 
baft elektrifiet; man wußte ſich bicfe Wirkung bed Sleichniſſes wi 
terhin nicht zu erklaͤren; aber ber Referent im ‚Hdindargh rerier' 
macht bie feine Bemerkung, daß nicht von einsm Sturme überhaut. 
fondern von dem Sturme die Rede fei, und zwar mit dem Zuft: 
„auch as of late o'er pale Britannia pass\W, alfe von bem fit: 
baren, unerhoͤrten Starm oder beffer Orkan im Nevember IB. 
ber noch aufs lebendigſte Im Gebaͤchtaiß Aller war. - Überall Im 
noch Truͤmmer in ben fühlihen Sraffchaften; Hunderte von Familun 
maren noch in Trauer; London und Briſfſtol waren wie nah ein 
VBeſchießuag a 


Berantwortlicder Herausgeber: Heinrich Brockhans. — Druck und Berlag von F. WE. Drockpans in Leipzig. 


Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 


Engliſche Zuftände. 
gweiter und legter Artikel. 
( Bortfegung aus Nr. 282.) 


Man kann ſich nicht mundern, wenn die Sterblich- 
feit die verfchiebenen Claſſen der Einwohner in Manche: 
fer in ungleihem Verhaͤltniſſe triff. Die mittlere 
Lebensdauer ift 38 Jahre für die höhern Klaffen; 20 
Jahre für die Kleinkrämer, die enger zufammen und 
häufig in den ärmern Quartieren wohnen; nur 17 Zahre 
für die Fabrifarbeiter und Tagelöhner. Wer wirb nicht 
die Unnatur diefes Zuftandes begreifen?! welcher dem Fa- 
brifanten ein noch einmal fo langes Leben gibt als dem 
Arbeiter, deffen Dafein ohne Mannes- und ohne Grei⸗ 
fenalter und gewöhnlich blos die’ Schwelle der Pubertät 
erreihend nur durch Generationen von Kindern erhal- 
ten wird. Der Anblick ſtraft die Reſultate der örtlichen 
Stariftit nicht Zügen. Faucher fagt: 

,„ Die Arbeiter von Mancheſter find blaß und ſchwaͤchlich: 
ihre Phyfiognomie befigt nicht die Belebtheit, welche das Zei⸗ 
Gen von Kraft und Gefundheit iſt. Die Schönheit unter den 
Frauen verſchwindet, und an die Stelle der abnehmenden Kraft 
bei ten Männern tritt eine fieberhäfte Energie. Nach der 
Ausſage der Recrutirungs» Offiziere koͤnnen die in Lancafhire 
ausgehobenen Regimenter Peine Beſchwerden ertragen. Die 
Race verſchlechtert fich fichtbar. Die Arbeiter felbft fühlen die 
Entartung ihres Geſchlechts. 
Welch ein Willensernft aber deſſenungeachtet noch 
in diefen Leuten ftedt, entnehmen wir einem Zeugniffe 
Venedey'ß. Er fchildert eine Arbeiterverfammlung in 
Mindefter, die von den Webern zur Widerlegung ei» 
ner Menge erlogener fatiftifcher Nachrichten im „Man- 
chester Guardian”, dem abritantenblatte, abgehalten 
wurde. Diefes Journal hatte behauptet, daß in den 
sabriten mehr Männer als Weiber feien und daf der 
Arbeitslohn nur um ein geringes vermindert worden. 
In der Verfammlung fprach ein Arbeiter Folgendes: 

Ich arbeite von 5%, Uhr Morgens bis 7Y, Uhr Abends. 
Das hat mich nicht verhindert, in den letzten Zagen nach voll» 
brachtem Tagewerke, jeden Abend noch viele Meilen zu laufen, 
um von Fabrik zu Fabrik die Thatſachen zu fammeln, die die 
Sratiftit der Fabrikherren widerlegen. Die Iehte Racht kam 
ich erſt um II Uhr heim und ſetzte mich zum Ordnen der Ma⸗ 
trialien, die ich gefammelt. Um 1 Uhr wachte ich auf, den 
Kopf auf dem Lifche, und nur mit Mühe konnte ich die letzte 

d anlegen. Dennoch mußte ih um 5%, Uhr wieder her: 
Ws und um 6 Uhr an Die Arbeit. 


ö Nr. 233. 


21. Auguſt 1846. 


nr 





Venedey Hat fih, in Bezug auf die induftrielle Vera 
hältniffe Manchefters, vorzugsweife von Fabrifanten un- 
terrichten laffen; zwar fühlt er felbfl, daß er es mit den 
Angaben einer Partei zu thun habe und daß er nicht 
unbedingt glauben bürfe; allein nichtsbeftoweniger fcheint 
er, einmal vorzugsweife politiſch und nicht focial orga- 
nifirt, den Quellen bes Elends, den Folgen des Indu⸗ 
ſtrialismus nicht auf den Grund gehen zu wollen. 
Hr. Grey, an der Spige bes Comité ber manchefter 
Sabrifanten ftehend, mit dem Venedey bekannt wurbe 
und der ihm feine Tabellen mittheilte, eben die, gegen 
welche die Weber proteftirten, behauptet, daf die Fabrik⸗ 
arbeiter glüdlicher find als alle andern in England. 
Sein Argument ift: „Wer zwingt die Leute vom Lande 
in bie Fabriken zu kommen? Sind fie nicht frei, fie zu 
verlaffen? Und wenn fie doch kommen und bleiben, fo 
ift Das ein Beweis, daß fie ſich wohler fühlen als an- 
derswo!“ Als anderswo! Venedey fühlt die Härte die⸗ 
fe6 Argumente und fept hinzu: „Anderswo — verhun- 
gern fie!” 

Faucher führt uns in die „Fabriken auf dem Lande‘; 
auch Venedey befucht mehre bderfelben, namentlich bie 
des Hrn. A., „eines ber ausgezeichnetften Fabrikanten 
von ganz Lancafhire”. Er bezeichnet Hrn. A. als einen 
Quaͤker, als einen unbebdingten Anhänger des freien 
Handels, der freien Induſtrie und der unbebingten Con⸗ 
currenz. Aber wir wollen zuerſt Faucher's allgemeine 
Nefultate kennen lernen, um dann Venedey's Einzel⸗ 
beobachtung damit zu vergleichen. Faucher tritt als 
Gegner der ſtaͤdtiſchen Induſtrie auf, die immer von 
Zuftänden begleitet ift, welche „der Sittlichfeit wie der 
Befundheit des Arbeiter gleich nachtheilig werben”. Es 
fol deshalb dahin geftrebt werden, die Berührung der 
Babrikarbeiter untereinander zu vermindern und die Fa⸗ 
briken zu zerſtreuen, welche ſich gegenfeitig burch ihre Nähe 
betheiligen. Er meint, die Erleichterung des Verkehrs 
durch die Derbefferung der Land» und Waſſerſtraßen 
mache Die Decentralifation der Fabriken ebenſo möglid 
wie wünſchenswerth. Faucher nennt die Eigenthümer 
der Landfabriten „die aufgeflärteften und humanften 
Männer, und ihre Benehmen gegen ihre Arbeiter in einer 
Zeit, welche fo viele politifche und commercielle Krifen zu 


| leiden bat, ift vielleicht die Thatſache, welche am meiſten 


0 
% 


zur Ehre ihres Vaterlands gereicht”. Faucher rühmt 
die Fabriken auf dem Lande ſehr: ſie ſcheinen allerdings 
vor den ſtaͤdtiſchen Fabrikanlagen manchen Vorzug zu 
verdienen; im Ganzen aber ſtürzen ſie das Princip nicht 
um, und ber Induſtrialismus tritt in ihnen. mehr pa⸗ 
triarchaliſch und philanchropifeh auf. Das Fabrikſyſtem 
ſucht die Wunden, welche es fehlägt, theilweife zu ver 
decken, theilweife zu heilen; ber Grund des Ubels bleibt 
derſelbe. Dan richtet Sonntagsfchulen, Abendfchulen 
‚ ein; dabei macht fich Häufig das Truckſyſtem "geltend. 
Die Arbeiter wohnen in den Cottages ihrer Herren wie 
die Leibeigenen des Mittelalters in dem Eigenthunt ih: 
zer Feudalherren; das Verhaltniß der Fabrikarbeiter auf 
dem Lande iſt viel gebundener als das derjenigen in 
den. Städten; der Induſtrialismus ſucht ſich durch die 
Fabriken auf dem Lande gegen die immer mächtiger 
werbenden Arbeiteraffociationen zu fichern. Das Wlles 
Überfiche Hauer. Er rühmt der Spinnerei von Quar⸗ 
rybank nad, daß fie hauptſächlich Lehrlinge aus dem 
liverpooler Armenhaufe befchäftige, fegt aber, freilich 
ganz unbefangen, hinzu: „reg wählte anfangs Kna⸗ 
ben; jegt zieht er Mädchen vor, bie fich leichter leiten 
baffen.” Dean verftehe wohl: „die fich leichter leiten laſ⸗ 
fen”, und die jedenfalls auch weniger Koften machen. Der 
Induſtrialismus hat, wenn er philanthropifh auftritt, 
immer eine arriere - pensee. Im Wefentlichen bleibt 
Alles Daffelbe; die Gewalt des Fabrikherrn ift nur noch 
mächtiger als in den Städten: er ift ein wahrer Feudal⸗ 
Herr geworden. Faucher berührte einen fehr empfindli- 
hen Punkt, indem er an Hrn. Aſhton in Hyde 
die Frage richtete: Ob die Arbeiter feiner Fabrik Nichte 
zurücklegten? Br. Aſhton muß mol etmas überrafcht 
worden fein; er antwortete ganz im Allgemeinen: „Welche 
Claffe in England macht Erfparniffe von ihren Einkünf- 
ven?! Venedey befuchte die Fabrik deſſelben Herrn 
und fagt: 

Unter ben Fabrikarbeitern des Hrn. Aſhton in Hyde mar 
ren einzelne, die mehre Hundert, einer, der ein paar Tauſend 
Pfund erfpart hatte. Die Regel aber ift auch hier, daß auf 
zehn Familien ſtets nur eine Etwas zu fparen fucht; die neun 
verzehren Alles bis auf den legten Heller. 

Sucht! Wir fragen: Kann? Iſt Der, welcher ein 
paar Zaufend Pfund erfpart hat,'ein wirklicher Fabrik: 
arbeiter®: Pflegen bie Fabritanten nicht auch die Fa⸗ 
britmeifter, Mafchinenmeifter u. f. w., kurz ‚Alle, die 
beffer bezahlt werden müffen, unter bie Fabrifarbeiter zu 
vechnen, fobald ‚es gift, nachzumeifen, wie viele Männer 
fie befihäftigen. und wie viel ein Arbeiter bei ihnen ver- 
dienen Tann? Uber felbft wenn in einem glüdtichen 
alle ein. Fabritarbeiter einige Exfparniffe machen könnte: 
dieſer Ausnahmefall. kann: den gebrüdten, den wiberna- 
türfichen Stand feiner Claſſe nicht ändern. Baines 
und Ure baben das Leben in den englifihen Fabriken. 
als eine reizende Idylle dargeſtellt. Wird ſich dadurch, 
nad). den vorliegenden Thatſachen, noch irgend Einer täu⸗ 
ſchen laffen® Wird man glauben kannen, daß wir durch 
bie „Yabriten auf dem Lande’ ein fabricirendes Arka- 
bien euhalten: werben?: England hat baburch nur ein 


Fabrikanten » Feudalſyſtem erhalten. Venedey ſagt über 
bie Einrichtungen des Hrn. Aſhton in Hyde: 

‚Die Häufer, welche die Arbeiter bewohnen, gehören teil 
weife Hrn. Aſhton, theilweife feinen Paͤchtern, Freeholders, 
die ihm den Grund und Boden, ber ihr Sigentpum geworden, 
abgebauft Hatten. Eine folde Stellung wird zw einem neuca 
I der Mage vor Seiten ber Arbeiter. Sie fagen: 
Auf diefe Weiſe ift der Fabrikherr ſtets ficher, daß feine Häu 
fer befegt find: er kann Nichts an Miethe verlieren, denn er 
bat den Arbeiter in feiner Hand. 


Man hat Werth darauf gelegt, daß man bei ben 
„Fabriken auf dem Lande” den Arbeitern Land zur Dr 
wirthſchaftung gegeben habe. Hr. Aſhton fagt darüber 
felbft zu. Venedey: 

Wir haben den Leuten Gärten zu einem Spottpreife ab- 
gelaffen und zu jedem Häuschen ein Stüd Land gefügt. Aber 


wir haben bdiefelben nach und nady wieder zurüdnehmen müf- 
—* Das Klima iſt der Gartenarbeit nicht guͤnſtig, dann aber 
inden die Leute auch Beine Zeit zum Gartenbauen. 


Das Truckſyſtem fteht in wahrer Blüte in den Land⸗ 
fabriten. Der gemäßigte Faucher fagt darüber: 

Die Abgelegenheit einer Fabrik von Städten und Mürk 
ten kann fogar eine folhe Anwendung nothwendig machen; t# 
kann eine der Pflichten der Fabrikanten werden, der um ifa 
verfammelten Bevölferung Wohnung, Nahrung und Kleidung 
zu fihaffen, weil fie diefes nicht anderswo finden. Die Natır 
der Berhaͤltniſſe hat dies Syſtem entftehen laſſen; aber es gibt 


Beine, welches leichter. zu misbrauchen wäre. In Zeiten com 


mercieller Krifen kommt der Fabrikant zu leicht in Verſuchung 
den wirkfihen Preis des Lohnes, deſſen nominellen Sag tt 
unverändert läßt, zu vermindern, indem er den Preis der Bar: 
ren, welche die Arbeiter von ihm nehmen, erhöht. 

Die „Natur der Verhältniffe”! Sa, die Natur dei 
Induftrialiemus! Faucher fagt: 


Die Fabrik auf dem Lande, fowie ich fie mir denke, 


Fönnte eine wahrhaft induftrielle Gemeinſchaft werden, ein 
enge und dauernde Affociation zwifchen den Fabrikherren un? 
den Fabrikarbeitern. 


„Sorvie ich fie mir denke”! halb politifch, halb foctal; 
halb confervativ, Halb radical, — denkt Faucher. 
denkt an Richts „was den Plänen zur radicalen Reform, 
wie fie unfere Socialiften zu Tage fördern, ähnlich fühe". 
Wir aber denken, dag mit den „Fabriken auf dem Lande” 
durchaus Nichts für die Organifation der Induſtrie ge 
wonnen wurde. 

Da bier einmal von der Örganifation der Inbuftrk 
die Rede ift, fo müffen wir an einen Auffag anfnüpfe, 
den Venedey über „Fabriten, Fabrikarbeiter, Fabrikge 
feggebung” liefert und in dem er ebenfo wol bie that 
ſaͤchlichen Verhaͤltniſſe barftellt als feine Wünſche auf 
fpricht. Indem er eine Entwidelung bes Fabrikfoftens 
verfucht, welche wir bier nicht begleiten können, fieht et 
den großen Schaden darin, daß der auswärtige Handel 
für England eine foriafe; wenn nicht eine phyſiſche Roth- 
wendigteit geworben: iſt. Wir können ibm nit Um 
recht geben. Das richtige Verhältnig zwifchen ber Pro 
duetion und der Eonfumtion iſt geftört: England mu, 
um fich zu erhaften, über die ganze Welt feinen Handel 
ausbreiten. Die Arbeit mufi auf die hoͤchſte Kräften 
firengung.hinan- und gegen ben geringften Kohn hinabge 
fchraubt werben; fo lange Das noch nicht zur Eroberung 


9: 


ber Welt ausreicht, ift auch das Streben des Handels, 
der im Auslande feinen Mittelpunkt fucht, nicht erreicht. 

Dem Conturrenzhandel nach dem Auslande ift die Ar⸗ 
beit nie wohlfeil genug. Dieſen Punkt muß man ſcharf 
ins Auge faſſen, um das engliſche Fabrikweſen mit 
feinen empörendben Folgen richtig beurtheilen zu können. 
Die Sucht nach Wohlfeilbeit zur Ausfuhr ins Ausland 
zwingt die leichtere Urbeit Frauen und Kindern auf, und 
fodert dann von biefen meift eine Ausdauer, die über 
ale Manneskraft binausliefe und nur von willenlofen, 
unglüdlihen und ſchwachen Gefchöpfen zu erlangen if. 
Rah Venedey iſt ungefähr die Hälfte aller englifchen 
Jabritarbeiter unter 18 Jahren; zu den Altern find über- 
dies noch die Maſchinenmeiſter, Schreiber u. f. mw. ge 
rechnet. Venedey kommt im Allgemeinen zu benfelben 
Reſultaten, die wir bei Faucher im Befondern als fo 
äuferft lehrreich nachgewiefen haben. Dann aber fucht 
er au entwideln, was gegen die furchtbaren Wirkungen 
des Fabrikſyſtems in England geſchehen iſt. Dabei ſtellt 
er den Grundſatz auf: 

Die Fabrikherren find die natürlichen Vertreter der Fa⸗ 
brikkinder, und nur von jenen kann dad Heil diefer ausgehen, 
wie diefe ſtets am Wohle jener arbeiten. 

Der Fabrikherr der natürliche Vertreter des Fabrik⸗ 
arbeiter? Welche patriarchalifche Anſchauung bei un. 
ſetm Venedey! Der Fabrikherr fleht mitten in der Be- 
wegung bes furchtbaren Handelsprincips, weldes viel 
Arbeit und wenig Lohn vorfchreibt; der Arbeiter muß 
gemäßigte Arbeit und ausreichenden Lohn begehren: bie 
Intereffien der beiden Parteien find fi alfo durchaus 
entgegengefegt. Und fo zeigen fie ſich auch überall in 


der Wirklichkeit : die „Kabriten auf dem Lande” Tonnten | 


das wahre Vexhaͤltniß nicht verbeden. Venedey geht 
alfe von einem durchaus falfchen Grundfag aus. Die 
Verſuche der Fabrikantenpartei, ſich als „natürliche Ver⸗ 
treter der Fabri karbeiter“ zu benehmen, welche er ſchil⸗ 
dert, find durchaus unzulaͤnglich geblieben, da vor allen 
Dingen das Fabrikantenintereffe gewahrt werben mußte; 
oder wie wären fonft jene Zuftände möglich, welche wir 
oben gefchildert Haben? Ein Fabrikbeſitzer, der Water des 
Staatsmannes Nobert Perl, nahm ſich allerdings ber 
armen Fabrikkinder zum erften Male an; aber damals 
war das Fabrikſyſtem noch nicht fo ſcharf ausgefprochen 
wie jegt: es befand fich noch nicht in directem Gegen- 
füge zur Humanität. . Seitdem das Fabrikſyſtem immer 
mächtiger geruorden, hat e6 immer mehr ben Schein der 
Philanthropie aufgegeben; dagegen ift er auf bie durch 
daſſelbe arg bedrängte Ariftofratie übergegangen. . Die 
Fehnſtundenbill wurde von den Hochtoried erfunden und 
vertheidigt. Sadler war ber erſte Vertreter diefer. An⸗ 
fiht; nach feinem Tode wurden es Lord Afhley im Par: 
Iamente und Richard Daftler außer demfelben. Afhley 
ift eine der: edelften Erſcheinungen in der neuern Ge- 
ſchichte Engtands; er iſt ein hochherziger Tory; aber mit 
Recht ſagt Venedey: „Die englifche Ariſtokratie hat leider 
ihre Söhne meiſt unter den ſchoͤnſten Fahnen zu dem 
eigennutigſten Saurpfe gusgefendet, um fie mit vollen 


Taſchen, hochmüthig und überreich zurückkehren me I 
fm. Darum ſoll keiner den Tag Toben, che er rien 
iſt.“ Wir fragen nun: Sept Lord Aſhley, ganz uneigen⸗ 
nützig, Alles an die Sintereffen der Fabrikarbeiter? Mir 
antworten: Nein! denn es liegt ein fchlagendes Factum 
vor. Seit zehn Jahren kaͤmpft Aſhley für eine Zehn⸗ 
ſtundenbill; im neuerer” Zeit halfen Parteichnftüffe und 
zufällige Verwickelungen ihm, eine Mehrzahl im Parla⸗ 
mente zu finden, die feinen Grundfag halbwegs anera 
kannte; aber biefe Anerkennung brachte das Peel'ſche 
Minifterium in Gefahr, und Afhley opferte das Inte 
effe der Fabrikarbeiter ‘der Eriftenz eines Toryminifte- 
riums. Die Lehre davon ift: daß die Fabrikarbeifer 
Englands ſich ebenfo wenig auf ihre Fabrikherren ale 
auf die ihnen ſcheinbar geneigte Landariftofratie verlafe 
fon bünfen. Die englifhen Arbeiter ſtehen zwifchen 
wei Parteien, von denen die eine wohlfeile Arbeit und 
die andere theures Korn fodert: Beides ift' gegen das Ar⸗ 
beiterintereffe. Um Etwas zu fein im Kampfe der fi 
entgegengefegten Parteien, müffen fie alfo felbft eine 
Partei fein. 

Wie dentt nun Venedey über ben furchtbaren Con⸗ 
fliet, in welchen in England, zu aller Welt Beifpiel, das 
Proletariat und die Induftrie, die Arbeit und das Ca— 
pital, gerathen find. Wir wollen ihn hören: 

Diefe Ausföhnung Fann nur durch eine Bemeinfchaft der 
Intereffen zwifchen dem Capital und der Arbeit, dem Fabrik 
berrn und bem Fabrikarbeiter vermittelt werden. Das Ver⸗ 
haltniß Beider zueinander muß auf dem Bemußtfein der wech 
felfeitigen, höhern Pflicht des Einen gegen den Andern beru⸗ 
ben. Der Babribefiger muß in bem Bewußtſein handeln, daß 
er die Pflicht hat, für den Arbeiter und fein Heil und Wohl 
u forgen, fo weit feine Kräfte c6 erlauben; und ber Urbeiter 
Feinerfeits muß nie vergeflen, daß es eine Pflicht ift, für den 
Brotherrn zu fchaffen, fo viel er in Ehren kann. Die Näd- 
ftenliebe, die Pflicht des Meenfchen gegen den Menfchen, das 
ift für Ale, für die Gefommtheit die einzige Auflöfung bes 
Raͤthſels, das in allen gefellichaftlichen Verwickelungen liegt. 
Die Freiheit im Gedanken der Rächftenfiebe, der gute Wille 
der Einzeinen und Aller, der Bereinzelten und der Verbuͤnde⸗ 
ten, der Bürger und des Staats ift die Bürgfehaft, die eingige; 
des Heil und des Wohle Aller. Denn wo dieſer gute Wille 
lebt, da wird es wahr, was Der Prophet fagt: 

Was kein Berſtand bed Verſtaͤndigen flieht, 
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemuͤth! 
(Die Sortfegung folgt.) 





Joſeph Addifon. 
(Bortfegung aus Nr. 28.) 


Bald nach diefem Gedicht erſchien Addiſon's Beſchreibung 
feiner Reifen durch Italien. Diefe täufchte im erſten Augen 
bli® die Erwartung des Yublicums: man fand Beine Klatſch⸗ 
geſchichten, Leine politifchen Unekdoten in dem Buche; abeo 
bald änderte ſich das Urtheil und bie —— wurde fo ſtart, 
daß die legten Eremplare bee erften Auflage achen 


fand, verdankte es feiner angenehmen, fließenden Schreibart 
und den Bildern von eigenthuͤmlich milden, zartem Humor, 
worin Addifon unvergleichlich: ift. Was man darin vermißt, 
ift, außer der Bekanntſchaft mit andern Dichten des Witars 
thums als jenen fpätrömifcgen, beſonders auch jede Belunnt- 


fdyaft mit Des neuern italienifgen Literatur. Deu Meifen folgte 


ür den fünffachen 
Preis verkauft wurden. Den Beifall, welchen das Buch num: 


de muntere Dper „Rofamond“, die auf ber Bühne midftel, 
weit fie ſchlecht in Muſik gefegt war, aber nachher im Druck 
deſto mehr Beifall fand. . 

Während Addiſon diefen Ergögungen nachhing, wurden 
feine und feiner Partei Ausficgten immer glängender. Im Früh: 
fing 1705 Fam die Eoalition wirklich zu Stande, welche längft 
im Werden war; Eomper erhielt das Siegel, Somers und 
Halifar kamen in den Rath. Halifax wurde im Jahre darauf 
nad) Hanover gefendet, um dem Kurpringen die Infignien des 
Hofenbandorden® zu überbringen, und nahm Abdifon mit, der 
eben Unterftaatsfecretair geworden war. Der Staatsferretair 
unter welchem Addiſon fand, Sir Charles Hedges, war ned 
ein Tory; aber er wurde bald entlaffen und machte dem wü: 
gerafien Whig, dem Garl von Sunderland, Raum. In allen 

tern mußten bie Hodfirchlihen ihren Gegnern weichen. 
Am Schluffe des 3. 1707 machten die Tories noch einen Ber: 
ch, fi) wieder zu erheben, aber ungeachtet der Gunft der 
Königin vergeblich. Der Sieg der Whigs war vollftändig und 
die Wahlen von 1708 wurde ihre Macht im Unterhaufe 
unwiberfichlih. Noch vor Schluß des Jahres war Somers 
Lord : Präfident des Rathes und Wharton Lord: Lieutenant von 
Irland. Addiſon faß für Malmesbury im Unterhaufe; aber 
dies war nicht fein Feld: er war zu fehüchtern, um zu reden; 
einmal erhob er fih, aber er konnte feiner Angſtlichkeit nicht 
Herr werden, und hat nie wieder geredet.. Man follte denken, 
daß diefe Ungefchidlicgkeit ihm in feinem politifchen Anſehen 
geichadet haben müßte; aber Died war nicht der Kal. Ohne 
Nednertalent wurde er dennoch erfter Secretair für Irland und 
Staatsfeeretair. Adbifon, der Mann ohne hohe Geburt, ohne 
Bermögen, trat in ein Amt, das Herzöge, Das die Häupter 
der großen Familien Talbot, Ruffel und Bentind auszufüllen 
fi) zur Ehre fhägten. Ohne bie Lippen in bee Debatte auf: 
ae gelangte er zu einem often, welcher in der That der 
; fie war, den Chatham und Zor jemals erreichten, und 
ar als er noch nicht neun Jahre im Parlament gefeflen. &o 
och wurde ein Mann damals, ald die Schranken der Preffe 
feit kurzem erſt gefallen waren, durch fein literarifches Zalent 
gehoben: dieſes Zalent war damals von noch größerer Bedeu: 
tung al& das rednerifche; die Parlamentsreden wurden damals 
noch nicht durch die Schnelljchreiberei und die Tagespreſſe fo 
raſch verbreitet; fie wurden faft nur von Denen vernommen, 
welche fie hörten. Die Feder war in jener Zeit eine furdt: 
barere parlamentarifche Waffe als die Zunge; die Pampplet: 
ſchreiber richteten mehr aus al& die Redner im Parlamente. 

Addifon ſetzte fih aber nicht nur Durch fein literarifches 
Zalent, fondern vorzüglich durch feinen Eharakter in Achtung. 
Die Welt ift ſtets bereit, von politifhen Emporkoͤmmlingen 
das Schlechtefte zu denken, fah ſich aber hier geziwungen, eine 
Ausnahme zu machen. Selbſt der Parteihaß konnte nicht leug⸗ 
nen, dag Addifen unter allem Gtüdswechfel ftet5 feinen Mei: 
nungen und feinen Freunden treu geblieben, daß feine Recht: 
fhaffenheit unbefledt war, daß fein Betragen unter allen lim» 
fländen einen feinen Takt für das Schickliche verrieth; daß 
auch in der größten Hige des Streits fein Eifer jederzeit durch 
Ruͤckſicht fuͤr Wahrheit, Menfchlichkeit und Anftand gemäßigt 
wurde; und daß er Feine andern Fehler hatte als ein au gro⸗ 
Bes Bartgefühl und eine Vefcheidenheit, die an Berfchämtheit 
grenzte. Er war one Zweifel einer der populairften Männer 
feiner Zeit, und vielleiht bat er Biel von feiner Popularität 
gerade der Schüchternheit verdankt, die feine Freunde fo ſehr 

eklagten. Diefe Schüchternheit verhinderte ihn oft, allen Bor: 
theil, ber möglich war, von feinen Talenten zu ziehen; aber 
fie beſchuͤtzte f; 

Rufe und bei feinem fchnellen Steigen fonft ſchwerlich entgan- 
gen wäre. Das Yublicum hat keine größeren Lieblinge als Die 
jenigen, ‚welche, wie Addiſon, zu gleicher "Seit Bewunderung, 
Achtung und Debauern erwedien. Gern Privatumgang ward 
von Allen gerühmt, welche denfelden genoſſen; fein Geſpraͤch 
fol feine Schriften nody- weit Aberboten haben. Die glänzende 


n zugleich vor dem Neide, dem er bei feineg 


Mary Montague, die mit den begabteften @eiftern der Seit be— 
Fannt war, nannte Addiſon's Geſellſchaft Die befte in der Welt; 
ber ſcharfzuͤngige Pope war gezivungen, einzugeftehen: daß in 
Addiſon's Geſpraͤch ein Zauber läge, der ſonſt bei Riemanden 
zu finden wäre; Swift räumte ein, als er am beftigften gegen 


die Whigs entbrannt war, daß ſich mit Peinem Menfchen fo 


gut leben ließe wie mit Addiſon; Gteele, ein vorzüglicher Rid- 
ter über gefellige Gaben, fagte: Addiſon's Unterhaltung fei die 
hoͤflichſte und beiterfte die fich denken ließe, Addiſon fei Ze 
ven; und Catull in Einer Perſon, und noch darüber ein ge 
—9 auserleſenes Etwas, Dad eben nur Addiſon ſelbſt und 
allein feis Young, der ſich auf ernfthafte Unterhaltung trefflich 
verftand, verfiherte: wenn Addiſon fich recht geben ließe, f 
entftrömte ihm eine Fülle von Gedanken in der edelften Sprache, 
die jeden Hörer feffeln müßte. Aber vor zahlreichen Berfamm: 
lungen verbarg Addiſon feine Gaben. Trat er in eine große 
Geſellſchaft, ſah er ein unbekanntes Geſicht, fo waren feine 
Lippen verfiegelt. Wer ihn nur in foldden Verſammlungen fah, 
konnte in ihm fchwerlich den Mann vermutbhen, der wenige 
Freunde oft vom Schluſſe des Schaufpield an, bis die Thurm 
uhr von St.⸗Paul in Coventgarden Bier fchlug, horchend und 
lachend um ben Zifch gefeffelt hielt. Und doch auch an folder 
Zafel zeigte er fi noch nicht in feinem vollen Ganze. Um 
feine Unterhaltung ganz zu genießen, mußte man mit ihm ab» 
lein fein und ihn, wie er ſich felbft auszudrücken pflegte, laut 
denken hören. „Nichts“, pflegte er zu lagen, „geht über cin 
rechtes Geſpraͤch, aber nur zwiſchen zwei Perſonen.“ 

Durd feine Schüchternheit verfiel Addiſon in die beiden 
größten Fehler, die man ihm vorwerfen Bann. Er fand, daf 
Wein die Zunge löfte,- und gab fi dem Bebrauche vieles it: 
tel& mit zu großer Willfährigkeit hin; übrigens galt Übermaf 
im Trinken felbft bei den gefegteften Männern in jener Zeit 
für die verzeihlichfte von allen Beinen Sünden, und wurde ſo 
wenig als ein Merkmal von ſchlechter Erziehung angefchen, da 
es vielmehr zu dem Charakter eines vollkommenen Gentleman 
gehörte. Der andere Zehler war, daB Addiſon zu viel Ber 
gnugen daran gewann, fi don einem Bleinen Cirkel von Be 
mwunderern umringt zu. fehen, denen er für einen König, eder 
beffer, für eine Gottheit galt. Schmeichelei fonnte einen folden 
Kopf nicht verrüden, ein folches den nicht verderben; aber 
leugnen laͤßt es ſich nicht, daB Addifon Die Untugenden annahm, 
denen eine Perfon, welche das Unglüd hat, zum Orakel eine 
Eleinen literarifchen Coterie zu werden, kaum irgend entgeher 
ann, 

(Die Kortfegung folgt. ) 





Literarifhe Anzeige. 


In meinem Verlage ift neu erfchienen und durch alle Bud 
bandlungen zu begishen: 


Zeiten und Sitten. 
Lcwvin Hhüding. 
Gr. 12. Geh. 


I. Die Zitterbartigen. Roman. Drei Theile. 4 Thlr. 
. r. 


II. Eine dunkle That. Roman. 2 Thlr. 


Im Jahre 1843 erfchien von dem Verfaſſer bei mir: 
Ein Schloß am Meer. Roman. Zwei Teil. 
Gr. 12. Sch. 3 Thlr. 


‚Reipgig, im Huguft 1946. 





$. A, Grockhaus. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heiurich Wrodtans, — Druck und WBerlag von F. WE. Mroddans in Reipzig 


Blätter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


MM Nr. 234. 





22. Auguft 1846. 





Englifhe Zuftände. 
Zweiter und legter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 283.) 


Wie feltfam! Venedey, der auf dem polififchen Ge⸗ 
biete für die gleiche Berechtigung Aller mit gründlichen 
Gifer kämpfte, muß fich, wo es eine fociale Löfung gilt, 
zum Princip der Bevormundung bekennen! Aber fo gehe 
et unfern Politikern, den abftracten ſowol wie den hiſto⸗ 
rihen. Venedey hat fih fo gründlich in Altengland 
vertieft, daß es ihm faft unmöglich wird, Neuengland 
zu verfiehen. Er bringt es zu einem Widerwillen ber 
englifhen Geldwirthſchaft, aber nicht zu einer Erfennt- 
niß ihrer Quellen und Folgen; er hat Mitleid mit dem 
Armen, aber Bein Recht für ihn. Der Fabrikbefiger fol in 
dem Bewußtſein handeln, daß er die Pflicht hat, für den 
Arbeiter zu forgen! Wenn Einer fagte: die Bureaufratie 
fol in dem Bemußtfein handeln, daß fie die Pflicht hat, 
für die Unterthanen zu forgen — Venedey würde nicht 
befriedigt fein. Politiſch verlangt er self- government, 
ſocial fpriche er der Bevormundung das Wort. Nächften- 
liebe, Pfliht — und zulegt gar das Schiller’fche „Eind- 
lihe Gemuth⸗ — weiche Worte in einem Kampfe, wie 
der vorliegende ift, in einem fo furchtbaren Gonflicte! 
In der That! wir brauchen auf eine fpecielfe Entgeg- 
nung nicht einzugehen; aber wir möchten Venedey bei- 
nah ironifh fragen: Kann die Pfliht Arbeit, wenn 
fie nicht vorhanden ift, fhaffen? Kann die Rächftenliebe 
Arbeit aus der Erde flampfen? Kann die Nächftenliebe 


neue Märkte erobern? Kann fie die Confumtion ver⸗ 


größern, um die Arbeit erweitern zu koͤnnen? Kann fie 
die Sonjuncturen beherrfchen, die.einen blühenden Fabrik⸗ 
zweig lähmen $ | 

Benedey hat Fein Auge für bie focialen Verwicke— 
lungen; Alles was er zur Röfung zu fagen weiß, heißt: 
„Liebet euch untereinander!" Er anerkennt noch nicht 
iinmal den Gegenfag, in dem Kabritherren und Fabrik. 
ürbeiter zueinander ftehen; und wenn, fo glaubt er, daß 
eine Verſohnung durch bloße Moralbegriffe möglich fei. 
Biel weiter geht Faucher: bei ihm ift die Organifation 
der Induftrie weientlih. Er bleibt zwar aud im Hal- 
dm und glaubt aus dem Beftehenden heraus die In⸗ 
duftrie organifiren zu können, aber er fieht unendlich 


weiter als Venedey. Er will, dag jede Function be« 


‘zahlt werde, daß der Fabrikbefiger ſich ebenfo gut eine 


Beſoldung ausfege wie jeder Arbeiter einen feften Lohn 
erhalte; er fucht die Verſohnung nicht mehr bei der ab- 
ſtracten „Menfchenliebe”, fondern nur durch eine prafti- 
(he Ausgleihung der Intereffen. Und fo fagt er denn: 

Die Misbraͤuche entftchen aus der Trennung der Inter: 
eflen: fie porn nur durch, einen Vertrag zwiſchen den beiden 
Glaffen auf, welche zur Arbeit mitwirken. Die Theilnahme 
der Arbeiter an dem Ertrag der Fabrik vereinfacht die Schwie: 
rigkeiten, an denen die gefehgebende Macht gefcheitert ift; dies 
ift das Mittel, zum VBortheil der Arbeiter zu wenden, was ib: 
nen zum Schaden gereichen könnte. Aber auch vorausgejeht, 
daß dadurch die innere Ordnung und der Frieden der Fabriken 
gefihert würde, fo bat man deſſenungeachtet noch die Wir: 
kungskraft der Erſchutterungen zu unterfuchen, welche von 
außen kommen. . 

So gerathen‘ wir denn jegt an die induftriellen Kri- 
fen. Und was hilft bei ihnen Venedey's allgemeine 
Menfchenliebe und das Gefühl der gegenfeitigen Pflicht ? 
Die englifche Induftrie, welche nicht für den heimifchen 
Bedarf, fondern für den ‚ausländifhen Markt arbeitet, 
bat eine durchaus bewegliche und veränderliche Opera⸗ 
tionsbafis: fie ift einem fo großen Conflicte von Zufäl- 
len preisgegeben, daß fie fi) nur retten kann, indem ſie 
beftändig ihre Combinatioh erweitert und erneuert. Dies 
ift der Knoten der englifhen Induſtrie und ebenfall® der 
englifhen Politit. Ein ausbrechender Krieg oder felbft ein 
verändertes Zoligefeg kann ihr mit einem Schlag ein gan- 
zes Bolt von Conſumenten entziehen. Eine Geldkriſis 
kann ihr in einem Augenblid die Mittel ihrer Thätig- 
feit wegnehmen. Se Loloffaler ihre Operationen find, 
je mehr bat fie die Erfchütterungen, welche fie treffen 
fonnen, zu fürchten. Der Aderbau, der in Frankreich 
zwei Drittel der Bewohner befhäftigt, nimmt in Eng: 
land nur 22 von 100 in Anſpruch. Die Fabrikation 
und Danbel treibenden Grafſchaften, deren Flaͤchenraum 
faun den dritten Theil des Landes bildet, faffen mehr 
als die Hälfte ber Bevölkerung in fih (54 Procent). 
Bor allen Dingen ift aber die Baummolleninduftrie vom 
Auslande abhängig, alfo namentlih Mandefter. In 
der englifchen Ausfuhr bilden Baummollengarn und 
Baummollengewebe die Hälfte 24,000,000 Pf. St. 
von 49 Millionen. Bon fieben Ballen Garn oder Ge⸗ 
webe, weldje wir fabriciren, fagt Aſhworth, ift ein ein- 


ziger für den innern Verbrauch beflimmt. Daraus folgt 
denn natürlich, daß die Baummollenfabrifanten und Baum- 
wollenfabrifarbeiter für ſechs &iebentheile ihrer Arbeit 
vom Auslande abhängen. 
Krifen. Faucher fehildert fie folgendermaßen: 

Dann zeigt Th in den Manufacturbifiricten ein Phaͤno⸗ 
nen, welches jetier Convulſionen der Ratus in den’ Antillen 
ähnlich ift, wo der Orkan Himmel und Erde einhuͤllt und wo 
der Boden erbebt, während der Sturm feine Oberfläche mit 
Trümmern bebedt. Die vorausverfündenden Zeichen ded com⸗ 
merciellen Unwetters zeigen ficy vorerft in den Ereditverhält- 
niffen. Die Banken vermindern ihre Eirculation und beſchraͤn⸗ 
Een ihre Dikcontirungen. Die Fabrikanten fegen Die Zahl der 
Arbeitöftunden herab oder fchließen ihre Zabriten. Die De: 
taiffrämer verlieren, indem fie ihre Runden verlieren ober auf 
Borg verkaufen müffen. Die Arbeiter, jest arbeitslos gewor⸗ 
den, zehren ihre Bärglichen Erfparniffe auf, bergen auf Pfün- 
der und fallen zuletzt Der öffentlihen Wohlthaͤtigkeit zur Laft. 
Die Armentare verdoppelt und verdreifacht fih in dem Augen: 
blidde, wo der Reichthum ſchwindet. Die Arbeiter, welche aus 
den Aderbaubiftriesen ausgewandert waren, werden ohne Barm: 

igkeit in ihre Kicchfpiele zurüdgeichiett. Um der Unzufäng: 
lichkeit der Gemeindeunterftügungen abzubelfen, eröffnet man 
überall Subferiptionen ; und Boten der Barmherzigkeit dringen 
in die elendeften Winkel, um mit dem Almofen einige Worte 
des Troſtes zu fpenden. Die Fabrifunten verfammeln ſich in 
den Städten und forfihen nach den Urfachen des Ubels. Die 
Arbeiter, verhungernd und verzweifelnd, regen ſich auf biß zur 
Emeute. Die Petitionen regnen im Unterhaus und Antrag 
folgt auf Antrag: dad Parlament fegt Unterfuhungscemmiffio: 
nen ein; die Königin beftehlt Gebete der Geiftlichfeit. England 
ift ein Kranker, der fich vergebens auf feinem Schmerzenslager 
bin: und herwaͤlzt. 

Seit einem BVierteljahrhundert hat die Baummollen- 
induftrie drei große Krifen zu erleiden gehabt, die von 
1819, die von 1829 und die von 1841; bie legte 
dauerte noch im Anfange 1844 fort. Nach Engels 
wächft die Intenfität der Krifen mit jeber Wiederholung, 
und nach feiner Anficht müßte die nächfte, welche fpäte- 
ſtens 1847 eintreten. würde, noch dauernder und hefti- 
ger fein als die von 1842. 
werfen furchtbare Bilder von dem Elend ber arbeiten- 
den Glaffen zur Zeit einer folchen Kriſis. Faucher fagt: 
, Die Induftrie, welche ihre Erzeugnifle zur Ausfuhr be 

flimmt, befigt in fich felbft meter ihre Grenze noch ihr Maß; 
durch eine ihrem inneren Beſen entflammende Eoncurrenz über: 
Schaut fie grenzenloſe Räumes fie ift für Eroberung ober min: 
deſtens für. Die Invafion organifirt. Das: Capital häuft fich 
immer an; die Bevölßerung fließt über. Die Production muß 
daher unaufhörlich zunehmen. Dad Gefeg des Fortſchritts ift 
nirgendwo unbarmberziger. An den Zage, wo die Inbduftrie 
ihren Gipfelpunkt erreicht haben wird und die Arbeit Beine 
Ausficht auf weitern Wahsthum mehr dat, an diefem Sage 
wird England zu finfen anfangen und dem aufblühenden Gluüͤck 
einer andern Ration Plag ma müffen. 

Engels dagegen meint, dag wahrſcheinlich die nächte 
Krifis 1846 oder 1847 die Charte bringen werde. Was 
für revolutionnaire Bewegungen die Charte veranlaffen 
werde, fiche zu erwarten. Über bis zu der dann fol- 
genden Krifis, die nad) ber Analogie der bisherigen 
1852 oder 1853 eintreten müßte, durch die Abfchaffung 
der Getreidegefege verzögert, wie durch andere Umftände, 
auswärtige Goncurreng u. ſ. w., befchleunigt werben 
könne: bis zu diefer Zeit werde das englifche Volk es 


Hiernach erklären fi die | 


Faucher wie Engels ent⸗ 


wahrfcheinlich überdrüſſig fein, zum Vortheil der Capi⸗ 
taliften fi ausbeuten zu laffen und, mann die Capi⸗ 
taliften feiner nicht mehr bebürfen, zu verhungern. 

Die Specialabhandlungen, welche Faucher über die 
„Kinder in den Fabriken’, über Leeds, über die „In 
duftrie in Birmingham‘, über die „Stadt der Schloffer", 
über das „Aderbauptoletariat” u. f. w. liefert, körmen 
wir bier nur bei ihrem Zitel anführen, um dann auf 
fie felbft zu vermeifen. Auch in Venedey findet man 
manches intereffante Material über die englifchen Col 
nien, Leeds, Hubdersfield, Bradford, St.-Helens u.f.w. Der 
Stoff über englifhe Fabrik - und Induſtrieverhältniſſe 
liegt bier und da; wir hätten gewünfcht, bag Venedey 
denfelben fo organifch durchgearbeitet hätte wie die hifte 
rifhen. Gewiß würde er dann zu Confequenzen fom- 
men, die er jegt glaubt abweiſen zu koͤnnen. 

Die Gefege und Inftitutionen, mit denen der Staat 
die Armuth, den Pauperismus zu befchränfen fucht oder 
ihnen gegenübertritt, läßt Faucher ziemlich unerwogen; 
Dagegen bietet über diefen Punkt Venedey und die dritte 
oben erwähnte Schrift ein reihhaltiges Material. Das 
neue Armengefeg ift die That der „freifinnigen Whigt: 
in ihm liegt eine offene Kriegserflärung der Bourgeoiſit 
gegen das Proletariat. Malthus mit feinen Anſichten 
über die Population liege ibm aum Grunde Dit 
Hauptrefultat diefer Zheorie if: die Erde fei fi 
übervölfert, daher müffen ſtets Noth, Elend, Armut 
und Unfittlichkeit berrihen. Es fei das Loos und die 
ewige Beflimmung ber Menfchheit, in zu großer Zahl 
und deshalb in verſchiedenen Claſſen zu erifliten, von 
denen die Einen mehr oder weniger reich, gebildet, me 
ralifh und die Andern mehr oder weniger arm, elend 
und unwiſſend fein. Hieraus folgt denn für die Pr 
xis: daß Wohlthaten und Armenkaſſen eigentlich Unfinn 
feien, da fie nur dazu dienen, die überzählige Bevölte 
tung, deren Concurrenz den Lohn der andern drücke, auf- 
recht zu erhalten und zur Vermehrung anzureizen; daf 
die Beichäftigung von Armen durch die Armenverwal 
tung. ebenfo unfinnig fei, indem, da doch nur eine be 
ftimmte Quantität von Arbeitderzengniffen verbraudt 
werden könne, für jeden brotlofen Arbeiter, der beſchif⸗ 
tigt wird, ein anberer bisher befchäftigter brotlos wer- 
den muß und fo die Privatinduſtrie auf Koften der Ar 
menverwaltungsinduftrie Schaden leidet; baf es ſich alfe 
nicht darum handelt, die überzählige Bevölkerung zu 
nähren, fondern fie auf die eine ober die andere Beil 
möglichft au befchränten. Diefe Grundfäge find in dem 
neuen Armengefege realifirt. Das alte Armengefeg, das 
noch auf der Acte von 1601 beruhte, ging von dem 
Princip aus: daß es die Pflicht der Gemeinde fei, fir 
den Lebensunterhalt der Armen zu forgen; bie Bour 


geoifte, als fie 1833 durch die Reformbill zur Herrfhaft 


gelommen war, wußte es umzuftoßen und fing an, durd 
ie Malthufianifhen Commiffaire, die Armuth als cin 


rbrechen nad) der Abfchredungstheorie zu behandeln. 
An: die Stelle der Unterflügung in jeder Gemeinde foltt 


ein Armenhaus treten, an bie Stelle der Verwaltung 





des Armenweſens durch die Gemeinden eine Gentral« 
ngierungeemmilflen. Die Grundfäge, nad denen die 
Armenverwaltung in Zukunft handeln follte, waren: 

Aufhebung aller Allowances (Beldzufchüffe, um dem unzu⸗ 
reihenden Tagelohne nachzuhelfen); Vernichtung des Rechts der 
Magiftrate, Unterflügungen außer dem Armenhaufe zu verord: 
nen; Übertragung einer weiten Gewalt an die Centralcommiſ⸗ 
fion; Bereinfahung der SHeimatserflärung ; Zwang für die 
Mutter, ihr uncheliches Kind zu ernähren, und Aufhebung des 
Rechts, durch Schwur den Vater zu bezeichnen und zur Unter: 
haltung des Kindes zu verpflichten. 

Abfhredung von der Unterflügung und hierdurch 
Beſchränkung und Verminderung der Geldauslagen für 
die Armen war die Abficht des Geſetzes. Zu dem 
Ende wurde das Armenhausfgftem durchgeführt. . Eine 
beftimmte Anzahl von Gemeinden wurde zu einer Union 
verbunden, die ihr eigenes Ürbeitshaus hat. Das Ar- 
menwefen der Union wird durch ein Board of guardians 
verfehen; dem Armenhaufe fteht ein Auffeher vor. Die 
ganze Verwaltung, Oberauffiht, Organifation, Befteue- 
tung der Gemeinden und die Detailgefeggebung kamen indie 
Hände einer Gentralregierungscommiffion von drei Mit- 
gliedern. Die Abficht, Abſchreckung der Armen und Ver⸗ 
minderung der Armenfteuer, wurde theilweife erreicht. Die 
Summe der legtern fiel von 8,289,348 Pf. St. im 
3.1835 auf 5,412,938 Pf. St. im J. 1837 herab. 
Ben da an trat aber wieder ein Steigen ein, das 1842 
die Summe wieder bis auf 6,711,771 Pf. St. hin⸗ 
aufgetrieben hatte. 

(Die Kortfegung folgt. ) 





Joſeph Addifon. 
(Bortfegung aud Nr. 233.) 


Grom Ende des 3. 1708 wurde Wharton Lord-Rieutenant 


von Itlaad und nahm Addiſon als eriten Gecretair mit. Ad: 
difen Rand jich jet auf mehr als 200 Pf. St. jaͤhrlich. Whar⸗ 
fon und Addiſon hatten Nichts gemein als ihren Whigismus. 
Der Lord: Beutenant war ein liederlicher, verberbter Menſch, 
dabei unverihämt , grob: alſo gerade das Gegentheil von fei- 
nem Secretair. Die parlamentarifhe Laufbahn Addiſon's in 
Idard ift von feinen Biographen gar nicht beachtet worden; 
aber er mar im Sommer 1709 erwähltes Mitglied für den 
Boreugb Cavan und hielt hier fogar Reden, vermuthlic weil 

ihm diefe Aeinere Verfammiung weniger Urfache zur Ängſtlich⸗ 
‚ Pet gab. Während Modifon in Irland war, entftand in Eng⸗ 
land ein Unternehmen, dem Addifon feinen großen und dauern» 
den Ruf unter den britifchen Schriftftelern verdanken follte- 
Stel kam im Frühling 1709 auf den Gedanken, eine perio- 
diſche Schrift nach ganz neuem Plane zu begründen. Es wa: 
ten fihon feit längerer Zeit periobilche Blätter in London er» 
ſchienen, meiftens politiſche Zeitungen, die aber zum Theil auch 
meraliiche Fragen und Gegenftände des Gefchmades und ber 
Liebescafniſtik erörterten: Blätter von fehr geringem literari: 
ſhem Berdienft und jegt felbft dem Ramen nad) vergefien. 
Run Hatte Sunderland Steele zum Zeitungsfihreiber gemacht, 
Du es beißt, auf Addiſon's Rath; und fo hatte Steele die po- 
litiſchen Nachrichten ſchneller und authentifcher als es Damals 
dm gewöhnlichen Zeitungsſchreibern möglich war fie zu erlan⸗ 
en. Dies man ihn auf den Plan feinet neuer Zeitung ge: 


haben. Sie follte an den Tagen, ar welchen die Poſten 


von London ins Land gingen, am Dienſtag, Bonnerätag und 


Sonnabend, erfgeinen; die auswärtigen Nachrichten, Berichte 
über Theatervorſtellungen und literariſche Reuigleiten, außer; 
dem Bemerkungen über Gegenftände des Zagesgefpräche, Com⸗ 
plimente an Schönheiten, Pasquille auf anerfannte Schelme und 
Kritifen. über populaire Predigten enthalten. Iſaac Bickerſtaff 
Esq. der Aftrolog, war eine imaginaire Perfon, welche Swift ge: 
gen den Kalendermacher Partridge aufgebracht hatte und welche 
dann damals fo bekannt und zur ſtehenden Figur getvorden war, 
wie in unfern Zagen Mr. Paul Hry oder Mr. Pickwick. Im April 
1709 fündigte Steele an, daß Iſaac Bickerſtaff Esq. der Aſtrolog 
eine Beitung herausgeben werde, genannt „Tattler” (Schwäger). 
Addiſon war, bei dem Unternehmen nicht zu Rathe gezogen 
worden; aber kaum hörte er davon, fo nahm er fih vor, es 
zu unterjlügen. „Es ging mir”, fagt Steele felbft, „wie ei: 
nem unglüdlichen Fürſten, der einen mächtigen Nachbar zur. 
Hülfe ins Land ruft. Ich wurde unterjocht ven meinem Bun- 
desgenoſſen. Als ich ihn einmal gerufen hatte, Eonnte ich nicht 
mebr unabhängig von ihm beſtehen.“ „Die Zeitung‘‘, fagt er- 
an einem andern Drte, „kam in der That vorwärts; e6 wurde 
mehr aus ihr als anfänglich beabfihtigt war.” In feinen 
Beiträgen zu dieſem, Tattler“ und fpäter im „Spectator’’ ent: 
widelte Addifon nach und nach den ganzen Reihthum feiner 
glänzenden GErfindungsgabe, feiner Kenntniß von Menfchen, 
Charakteren, Shwädhen, Eigenheiten, Zugenden und Laftern, 
feines Wiges, worin er fih neben Cowley und Butler ftellen 
fonnte, feiner Feinheit im Entwerfen von Charakteren, feines 
unvergleichlichen,, leichten, zarten, Pöftliden Humors. Bor als 
len Satirikern zeichnen ihn die Grazie, der Adel, die fittliche 
Reinheit aus, welche Alles durchdringen, was aus feiner Feder 
fam; und nie vor ihm war das Engliſche fo füß, fo anmuthig, 
fo leicht gefchrieben worden. Addiſon verjagte die legten Über: 
refte jenes verwilderten und unfittlidden Sinnes, der Genie 
von Schamiofiigbeit nicht zu trennen wußte. Er zeigte der Ru: 
tion, daß Frömmigkeit und Moralität eines Dale oder Tillot⸗ 
fon im Bereine beftehen Pönnten mit einem Wie glängender 
als der eined Gongreve, und einem Humor reicher als der 
Vanbrugh's. Mit ſolchem Erfolge kehrte ex den Spott, der 
bis dahin immer gegen die Tugend gerichtet worden war, ge⸗ 
gen das Lafter, daß man fagen kann: er bat es bewirkt, daß 
von feiner Zeit an in England offene Verhoͤhnung der Schick⸗ 
lichkeit immer für das fichere Kennzeichen eined Verrüdten ge: 
golten hät. Und diefe Ummwälzung, die größte und heilfamfte, 
welche ein Satiriker je bewirkt bat, vollbrachte er, muß man be- 
denken, ohne eine einzige perfönliche Verfpottung. Während 
der Yarlamentsfigung von 1709 ſcheint Addiſon in London ge: 
wefen zu fein. Der „Tattler‘ war fo populair geworden, wie 
nie zuvor eine Zeitſchrift. Man mußte, daß Addifon für das 
Blatt arbeitetes aber man wußte nicht, daß Alles was gut 
darin war von ihm berrüßrte. Bon den SU oder 60 Num⸗ 
mern, die feine Beiträge enthalten, ift jede mehr werth ale 
die WU Nummern, an denen er Beinen Theil hatte. 

Gleich darauf trat der Sturz der Whigpartei ein. Sache⸗ 
verell war in Anklageftand gefegt worden, und die Unterfuchun 
tief einen Sturm des äffentlihen Willens von unerhörter Hefe 
tigkeit hervor; alle Tories, Kandedelleute, Landgeiftlichkeit und 
die Maſſe in den Städten ftanden plöglich auf Einer Seite: die 
Wahlen, wenn welche ftattfanden, mußten für die Tories aus⸗ 
fallen. Marlborough wurbe nicht mehr gebraudt, alfo Eonnte 
man ihn bei Seite fchieben. Die Königin entließ, von Harley 
geleitet, Sunderland und Godolphin, und löfte das Parlament 
auf. Unter den Whigs war Niemand, der bei dem allgemei: 
nen Schiffbruch mehr verlor als Addifon: er hatte feine Fellow⸗ 
fehaft eben aufgegeben; feine Amter wurden ihm genommen; 
eine große Dame, die ihn mit ihrer Gunſt beehrt hatte, 308 
fih von ihm zurüd: es fchien Alles verloren, nur nicht fein 

uter Muth. Lächelnd fagte er feinen Freunden, fie möchten 
eine Philoſophie bewundern: ein einziger Gchlag entriffe ihm 
Vermögen, Amt, Beriefiz, Geliebte, und er wurde wol wie: 
der Hofmeiſter werden müflen;s allein er fühle fidy fo heiter 





wie immer. Indeffen war er der Einzige, welcher feine Popu⸗ 

Larität nicht eingebußt hatte. Er wurbe wieder ind Parlament 
ewaͤhlt. Swift fchrieb darüber an Steele: „Addiſon's 

Hi iſt leicht und ohne Widerſpruch durchgegangen; ich glaube, 
wenn er Luft hätte, König zu werben, würde man es ihm ohne 

Unftand bewilligen.” Während der Wahlen gab Addifon ein 

politifche& Sournal, „The Whig Examiner”, heraus, welches 

wiederum von feinem Talent das größte Zeugniß gab und be: 
gierig gelefen wurde. Das Anfehen, in welchem er auch bei 
den Zoried noch immer ftand, wiewol er ihnen nicht die ge: 
ringfte Sonceffion machte, benußte er nur, einige feiner Freunde 
aus dem allgemeinen Schiffbrud der Whigpartei zu retten. 

Bu diefen gehörte Steele. Zeitungsſchreiber blieb Steele na⸗ 
türlih nit, aber er hatte noch einen Poften: er war Com- 

missioner of stamps; diefen Poften ließ man ihm, wobei es 

fi verftand, daß er Nichts gegen die neue Regierung ſchrei⸗ 
ben durfte. Länger als zwei Jahre blieb Steele, von Addifon 
dazu angehalten, dieſer Verpflichtung ziemlich treu. Iſaac 

Bickerſtaff ſchwieg daher uͤber Politik und brachte nur noch 

Aufſaͤtze über Bücher, Gegenſtaͤnde der Moral und Volksfitten. 

Endlich entſchloß fih Steele, den „Tattler“ eingehen zu laſſen 

und eine neue Zeitfchrift nach einem erweiterten Plane zu be: 
gründen. 

Das neue Blatt wurde angekuͤndigt; es follte täglich er- 
einen. Allgemein hielt man daß Unternehmen für zu Fühn, 
ir unausführbar; aber der Erfolg rechtfertigte vollkommen 
das Bertrauen, welches Steele auf Addifon’s ruchtbares Ge⸗ 
nie gefegt hatte. Am 2. Jan. 1711 erſchien die legte Nummer 
des „Tattler”; am 1. März die erfte einer unvergleichlichen 
Reihe von Blättern, welche die Beobachtungen eine fingirten 
Zuſchauers („Spectator“) über Leben und Literatur enthielten. 
Zuerft fhilderte Addifon die Perfon des „Spectator‘ felbft: er 
fchilderte fih. Des „Spectator“ Freunde ffizzirte Steele nicht 
ohne Geſchick; Addifon führte die Skizzen weiter aus und fügte 
einige treffliche Züge hinzu; die beften Figuren find Sir Roger 
de Eoverley und der Will Honeycomb. Der Plan diefer Zeit« 
ſchrift war originell und ſehr glücklich. Jeder Auffag läßt 
fih beſonders leſen und liefert ein ergögliches Bild; aber die 
5600 Auffäge zufammengenommen bilden ein Ganzes, wel« 
ches das Interefle einer Novelle darbietet. Es gab damals 
noch keine Rovellen, welche das Leben und die Sitten Eng» 
lands fchilderten: Richardſon war Somponift, Fielding nahm 
Bogelnefter aus, Smollet war noch nicht geboren; ter „Spec- 
tator“ weckte zuerft den Gefchmad an einfadhen, aus dem 2er 
ben gegriffenen, zufammenhängenden Geſchichten. So kunſtlos 
der Faden ift, welcher die Aufjäge des „Spectator“ zufammen» 
bielt, fo erkennt man doch, daß Addiſon fähig gewefen wäre, 
wenn er eine Novelle nach einem ausgedehnten Plane gefchrie: 
ben hätte, alle Rovellenfchreiber zu übertreffen. Der „Specta- 
tor‘ laßt fich fait ganz ald Addiſon's Werk anfehen: wol Drei 
Siebentel der Auffäge find aus feiner Weder, und die fchlechte: 
ften der feinigen überragen noch immer die beften feiner Mit: 
arbeiter, während die beiten an Bolllommenbeit reichen ; die 
Mannichfaltigkeit der Erfindung ift nicht minder bewunderns⸗ 
werth als die PVorteefflichkeit der Darſtellung. Seine Erfin» 

dungskraft ift unerfchöpflih und er wiederholt fi nie. Die 
ſchwaͤchſte Partie ift die literarifche Kritik; aber auch hierin war 

Addifon feinem Seitalter voraus: man verladhte damals nod) 

feine Vorliebe für die ſchönen alten Volksballaden, und erft 

eine fpätere Zeit hat hierin Addiſon's Geſchmack gerechtfertigt. 

Der Erfolg des „Spectator” war unerhört groß: 3000 Erem: 

plare wurden von Anfang an abgefegt, die Auflage wuchs aber 

bald auf 4UON; die Einführung des Beitungöftempeld (stamp- 
tax), welche vielen Journalen verberblich wurde, konnte dem 

„Spectator” nur wenig anbaben, fo feſt fland fein Ruf; er 
erhöhte feinen Preis auf dad Doppelte und warf für feine Her: 

ausgeber. wie für den Staat eine bedeutende Einnahme ab. 

Die einzelnen Auffäpe wurden gefammelt und in befondern 

Baͤnden abgedrudt; die Auflage.von 10,000 Eremplaren ver: 


riff ſich unverzuglich nach dem Erſcheinen jedes Bandes, und 

r die damalige eit war Dieb ungeheuer viel. Mit dem Gchluffe 
des Sahres 1712 hörte der „Spectator’“ auf, mit deſſen Cha: 
rafteren man vermuthlih das Publicum endlih zu ermüder 
fürdtete, und an feine Stelle trat der „Guardian“, der aber 
nicht das gleiche Süd machte. Addiſon lieferte Nichts zu den 
erften 66 Rummern, und erft fpäter einige treffliche Feine Auf: 
füge, fowol ernft als komiſch; daß addilon anfangs Nichts zu 
dem Unternehmen beitrug, kam wahrſcheinlich daher, daß cr 
damit befchäftigt war, feinen „Cato“ auf die Bühne zu bringer. 


(Der Beſcluß folgt.) 


| Bibliographie. | 

Körner, H. I. U, Vorfragen zu einer allgemein:hrif: 
lichen Glaubens⸗, Sitten: und Kirchenlehre. Giberfeld, Bi 
defer. 8. 1 Zhlr. 

Leibniz: Album, aus den Handihriften der koͤnigl. Bible: 
thek zu Hannover herausgegeben von E.2.Grotefend. Han: 
nover, Hahn. 2 Thlr. 

Marianne. Ein Weib aus dem Volke. Gemälde aus 
dem Volksleben in 5 Acten von Dennery und Mallian, deutsch 
von ©. Dräsier-Manfred. Darmstadt, Kern. 8. 15 Ner. 

Der Menfh und fein Gott in und außer dem Chriftn 
thum. Bon einem Weltlihen. Offenbach, Andre. 8. 8 Re. 

Möller, A., Das proteftantifhe Kirchenverfaffungsregt 
in Bayern in feinen doctrinellen und pofitiven Grundzügen dar- 
geſtellt. Ansbach, Gummi. Gr. 8. 5 Rgr. 

RNickel, M. U, Das neue Teſtament. Zweck, Plan und 
Zergliederung aller einzelnen Bücher und Hauptſtücke deſſelben, 
zur Erleichterung und Förderung des DVerftändniffes, der Über: 
fiht und der Behaltbarkeit, zunächft für Prediger und Katehe 
ten. Ifter Band. (Matthäus, Markus, Lukas.) Ifte Abtheilung. 
Regensburg, Manz. Gr. 8. 22%, Nir. | 

Delders, T., Jean Paul. Romantiſche Schilderungen 
aus der Jugend des Dichters. Ifter Band. Leipzig, Kleum 
8. 1 Thlr. TY, Near. 

Prifac, W., Die papftlichen Legaten Commendone und 
Cappacini in Berlin und ihre Aufgabe. Neuß, Schwan. 
Gr. 8. 24 Nor. 

Schaller, J., Denfwürdige Momente aus dem thaten⸗ 
reihen Leben ded Prinzen Auguft von Preußen. Berlin, Enk 
fin. 81.8 MU Nor. 

Schmid, U R., Kindheit und Ratur. Bilder aus dem 
Leben der Ratur und der Kindheit. Ausgabe mit Bildern. 
Leipzig, D. Klemm. Gr. 16. 15 Ror. 
bergänge vom Pofitiven zum Freien. In BR 
und Rede dargeftellt. 2te Ausgabe des Werkes: „Keime und 
Snoßpen einer Weltanfhauung.” Leipzig, D. Klemm 3. 

gr. 

— — Verſuch einer neuen Organifation des lementar: 
unterrichtes ald eines Theiles der Erziehung. Stark vermehrt 
Ausgabe des Werkchens: „Das Weſen der Erziehung im Ele 
mentarunterrichte. Mit einem Vorwort über Peſtalozzi. Leip 
zig, D. Klemm. Sr. 8. 10 Ror. 

Sporfhil, 3., Karl der Große, fein Reich und Tem 
Haut. Ifte—4te Lieferung. Braunschweig, Weftermann. Gr. . 
a 6 Nor. | 

Werner, B., Die Freierei im Polizeihaufe. Deutſches 
Original⸗Luſtſpiel ür sheiratpötuftige in 5 Akten. Darmfladt, 

gr. 


Kern. Gr. 12. 
— — Herrmann und Thusnelde. Driginal⸗Schauſpiel in 
4 Alten. Darmftadt, Kern. 1845. Gr. 12. 12 Nor. _ 
— — Die Erziehung des Volks zum Kriegerſtande, in 
Umriſſen. Darmftadt, Keen. Gr. 8. I Neger 
Wiedenfeld, K. W., Ihanatufie. Ein chrijtliches Weib: 
geſchenk in fünf Sefängen für Alle, die an den Gräbern ihrer 
Lieben ftehen. Solingen, Umberger. &r. 16. 20 Nor. 


Berantwortliher Heraußgeber : Heinrich BWrodpans. — Druk und Berlag von F. E. Brockhanus in Leipzig. 


222 





Blätter 


für 


literariibhe Unterhaltung. 





23. Auguft 1846. 





Bweiter und legter Artikel. 
(Kortfegung aud Nr. 33.) 


Kleinſchrod har in feinem Werke die ganze Organi⸗ 
jetion des englifchen Armenweſens ſehr überfihtlich und 
leherreich zuſammengeſtellt. Wer ſich über das Arbeite- 
ſyſten im Speciellen umterrichten will, ber verſaͤume 

es nicht, dieſe Schrift zur Hand zu nehmen; fie gibt ein 
reiches Material für die Kritit der engliſchen Wolke 
und namentlich der Armenverhältniffe; - fie zeugt von 
großen Sammalerfleife, aber, mir müffen es rund her⸗ 
aus fagen, von wenigem Urtheil. Der Verf. ift ein ent 
ſchiedener Vertheidiger des Workhoufefoftems. Indem 
er eine gedsängte Darftellung des emglifchen Armenwe⸗ 
fens, der Beranlaffung und der Principien der neuen Ge⸗ 
ſcagebung, dee Maſchinerie ihres Vollzugs und der 
Hauptergebniffe deſſelben feit deur jüngfverfloffenen De- 
cennium liefert, muß. man glauben, baf er ſich mit fei- 
vom te grisndlich befchäftigt habe; und dennoch kann 
rw lagen: 


Der engliſchen Armenpflege liegt das Princip der Huma⸗ 
nit auſchueßernd zum Grunde: nad) den drei Momenten der 
fütligen Befleruang,, der Erziehung und des linterhaltes ber 
Gererbsunfähigen, ohne ‚anderweitige Rückfichten; indem bei 
der Vorkhoufear beit nirgend auf beſtimmte Ertraͤgniſſe gerech⸗ 
net, vielmehr jede den Privaterwerb benachtheiligende Produc⸗ 
tion fergfältig vermieden wird und bie Workhoufes allenthal: 
ben und durch ſehr bedeutende jährliche. Zufchüffe aus dem Ar: 
menfonds beftehen. 


Was? Die reine Humanität? In der That ein fel- 
tenes Ereigniß in England! Aber ift es feine finanzielle 
Ridfiht, daß duch das neue Armengefeg die Armen⸗ 


feuer ermäßigt werden follte? Iſt es nicht ebenfalls eine 


finanzielle Mückficht, im Intereffe der Bourgeoifie, daß 
den Armenhäufern jede Concurrenz mit der Privatindu- 
frie genommen iſt? Die Kaften haben Alle zu tragen, 
den Vortheil hat die Bourgeoifie. Und nun in der gan- 
zen Organifarion ein Humanitätsprincip! Der Verf. 
muß beweifen, dag die Malthus'ſche Theorie cin Aus⸗ 
dru der reinſten Humanität fei, wenn er der englifchen 
Irmengefeggebung biefelbe vindieiten wil. Das Bolt 


es fich in diefe humanen Anftalten begibt, wo die Mal- 
thus ſche Theorie die Armuth wie ein Verbrechen ber 
handelt. Die Nahrung ift fehlechter als bie ber aͤrmſten 
befchäftigten Arbeiter, und dazu fehmerer: ſonſt wür- 
ben dieſe ja ben Aufenthalt im Armenhaufe ihrer elen- 
den Eriftenz da draußen vorziehen. Die Diät ber Ge- 
fängniffe ift durchgängig beffer, ſodaß die Bewohner bes 
Armenhaufes Häufig verfucht find, fich ein Vergehen zu 
Schulden kommen zu laffen, um nur ins Gefaͤngniß zu 
gelangen. Fleiſch, beſonders friſches, gibt es felten: 
meiſtens Kartoffeln, ſchlechtes Brot und Hafermehlbrei, 
wenig oder gar kein Bier. Wer fein Quautum Arbeit 
nicht thut, bekommt Nichts zu effen; wer herausgehen 
will, muß erft um Erlaubniß bitten; Taback ift verboten, 
ebenfo die Annahme von Gefchentm von Freunden web‘ 
Verwandten auferhalb des. Haufe, Die Arbeit iſt 
meiſtens nutzlos: die Männer Plopfen Steine, bie Kin- 
der, Weiber und Greife zupfen alte Schifftaue. Damit 
Die „Überflüffigen“ fi nicht vermehren, werben, wie 
Engels berichtet, die Familien getrermt: ber Mann wird 
in diefen, die Frau in jenen, die Hinber in einen drit⸗ 
ten Flügel geſchickt, und fie dürfen fi nur zu befinwmr- 
ten, felten wiederfehrenden Zeiten: fehen. 

Die Koft foll zwar geſund, die Behandlung menſch⸗ 
lich fein: aber mie will man bei einem geaufamen Prin⸗ 
cip eine graufame Praxis verhindern! Man lefe bei Em- 
gels von &. 313—347, um zu fehen, melde Humani⸗ 
tät in den englifchen Armenhäufern herrfht. Und dazu 
iſt jüngft die andoyer Angelegenheit gekommen, welche 
ein graſſes Licht auf: die Vorkommniſſe in den: engliſchen 
Arbeitshäufern und auf die Parteilichkeit der Regie⸗ 
rung bei den Unterfuchungen wirft. Hier hatte fi 
der Divetor des Arbeitähaufes die ſcheußlichſten Grau⸗ 
famfeiten und die gemeinfte Barbarei gegen bie feiner 
Aufficht anvertrauten „ hülflofen Armen” zu Schulden 
tommen laffen. Kann man ſich da noch wundern, wenn bie 
Armen lieber verhungern als in diefe Baſtillen gehen? 
Engels fagt, es feien ihm fünf Fälle befannt, mo bie 
Leute wirklich verhungerten und noch wenige Tage vor 
ihrem Tode, als ihnen die Armenvermaltung bie Unter 
flüägung außer dem Arbeitshauſe abſchlug, lieber in ihre 


nennt die Armenhaͤuſer Armenbaſtillen. Das Volk har |, Noch zurüd als in biefe Hölle gingen. Yon Newcaſtle 
an Grauen vor ihnen, ja es verhungert faſt lieber, che | bis nach Dover HE nur Eine Stimme der Empörmg 


= t 


über das neue Gefeg. Und in der That, die Bourgeoiſie 
bat in ihm ihre Meinungen über ihre Pflichten gegen 
das Proletariat fo deutlich ausgeſprochen, daß fie auch 
von bem Dümmften verftanden werben können. Darum 


hat dieſes Armengefeg ach fo weſentlich zur Befchleuni- 


gung der Arbeiterbewegung und namentlich zur Verbrei⸗ 
tung bes Chartismus beigefragen. j 

Nachdem wir nun bie Nothzuftände des englifchen 
Volkes kennen gelernt haben, müffen wir auch fehen, wie 
es dagegen reagirt. Ganz im Gegenfage zu Venedey, 
welcher das politifhe Element im englifhen Volke her- 
vorhebt, fagt Faucher: 

.  Dbgleih das Stimmrecht ſich fehr weit gulbehn und noch 
allgemeiner zu werben verfpricht, fo gibt es doch immer eine 
Claſſe, dic aus den Staatögefchäften einen Beruf macht und 
welcher die andern Claſſen der Geſellſchaft diefen Theil der 
Arbeit überlaffen. Allerdings machen die legtern von Zeit zu 
geit eine Demonftration, geben Zeichen des Beifall und der 
Unzufriedenheit; aber immer muß fie erft eine befonbere Ber: 
a 8 dazu bewegen. ine große Gefahr kann fie wach 
ex ten, eine fehlechte Verwaltung ihre Unzufriedenheit erre: 

en, aber diefe vorübergehenden Wallungen veranlaflen daß 
Bor weder zu einer regelmäßigen noch zu einer ernfllichen 

Ginwirtung auf Die Regierung bed Landes. 

Seit der Neformbill hat die vorübergehende Verbin⸗ 
dung der Arbeiter mit den Fabrikherren gegen bie alte 
Arifiokratie aufgehört. Die untern Claſſen trennen fich 
immer fehärfer von den die Gefellfchaft beherrſchenden 
Geſetzen und Interefien. Sie haben zu Keinem Ber- 
trauen, der nicht aus ihrem Kreiſe ift, und wollen kei⸗ 
nem fremden Banner weiter folgen. Lange vermifcht 
mit ber vadicalen Partei, haben fie es endlich verfucht, 
eine eigene Partei zu bilden, und fo ift der Chartismus 
entſtanden. 

Der erſte Schritt war die Organiſation einer Ar⸗ 
beitexverbindung (Working - men’s association), Die, 
1835 geftiftet, fhon in bemfelben Jahre 500 Zweig⸗ 
verbindungen zählte. Im Parlamente gab es feit 1830 
neben ben Whigs und Tories auch eine radicale Partei; 
diefer war es darum zu thun, auch außer dem Parla- 
mente Stügen zu finden: fie näherte fich der Arbeiter⸗ 
gefellſchaft. Roebuck, Hume, Leader, Bowring, Char: 
man, Greffort, D’Eonnell traten 1838 mit Vincent, 
Hetherington, Lowett u. A., den Kührern der Working- 
men’s association, in nähere Verbindung, und die Gefell- 
ſchaft felbft befam dadurch einen hoͤhern Aufſchwung. 
Die „Politiker“ brachten es zu einer Charte, zu einer 
Art Sonftitution, welche der großen Maffe Leben geben 
follte. O'Connell, Roebud u. A. bie Parlamentspartei, 
Lowett, Vincent u. U. bie Volkspartei vertretend, führ⸗ 
ten biefe ‚„„Charte” aus, und fo wurbe fie am 8. Mai 
1838 al6 „The people’s charter” veröffentlicht. 

Die Entwidelung des Chartismus, welche Venedey 
liefert, ift beimeitem organifcher und klarer als diejenige 
Faucher's; ber Kegtere verliert fich in Einzelheiten und 
Raiſonnements. Die Franzoſen haben nicht allzu viel 
Zalent im Organifiren. Wir halten uns deshalb an 
Venedey. Mit The people’s charter bekam die Arbei- 
tergefellfhaft einen durchaus neuen Charakter. In ben 


Statuten ber legten war bie Volkserziehung in den 
Vordergrund geftellt, in ber Charte ift davon keine Spur. 
Jener wollten den Zuftand der Arbeiter, ben politifchen 
und gefellfehaftlichen, durch die eigenen Beftrebungen der- 
felben beffern;, biefe dachte nur an hie Macht und bie | 
Herrſchaft im Parlament, an bie politifhen Rechte, 
Die frühern Führer wurden durch neue verdrängt. 
D’Connor, ein Irländer, ber alle böfen Eigenſchaften 
der alten „wilden“ Irländer in fich vereinte, trat an 
bie Spige der Chartiften und führte fie in den Strudel 
der wildeſten und gebankenlofeften politifchen Bewegung 
mit hinein. Birmingham wurde eine Zeit lang ber Mir- 
telpunkt des Chartismus, aber die chartiſtifche Bewegung 
wuchs den parlamentariſchen Leitern ebenſo gut wie den 
Arbeitern über den Kopf. Es kam zu gewaltſamen Auf: 
fländen, aber während Faucher die Schuld berfelben auf 
die Ehartiften wirft, fagt Venedey: 

Die Chartiften find für diefe Ausbrüche nicht allein ver: 
antwortlih. Das neue Armengefeg verlegte alle altengliſchen 
Gefühle, trieb die Armen felbft oft zur Verzweiflung. Die 
Hochtories machten diefe Gefühle zu einem Hebel für ihre Par: 
tei. Ihre Agitation blies in das Keuer, das die Chartiften 
vielfach angezündet hatten, und fo brachen in Wales wie in 
Dorfetfbire und Glaſsgow Aufftände aus, von denen jener mehr 
den chartiftifchen Charakter, dieſer mehr den bes empörten 
Elends der Fabrikarbeiter hatte. 

In Folge der Aufftände des J. 1839 verloren die 
Nadicalen, die Nachzügler der Whigs, ihren Einfluß auf 
die Shartiften; diefe machten von nun an mehr gemein 
fame Sache mit ben alten Zories, die eine demokratiſcht 
Richtung annahmen. Der Mittelftand hatte gefehen, 
dag die Ehartiften kein williges Element waren, und 209 
fi) deshalb zurüd. Bei den Wahlen 1841 flimmten 
die Chartiften überall für bie Hochtories; in Mancheſter 
richtete fich die Oppofition der Chertiften namentlich ge 
gen die Kreihändler. Das Volk fühlte heraus, ba freie 
Handel Nichts ald unbedingte Concurrenz heiße. Im 
Chartismus felbft ging eine große Spaltung vor. Zwei 
feiner Zührer in London, William Lomett und John 
Sollins, fagten fi von der Gewalt- und Kriegspattti 
des Chartismus los und fuchten in bie Bahn be 
Working - men’s assosiation wieder einzulenten. Si 
warnten vor der Zwitterverbindung zwifchen dem Boll: 
und der Ariſtokratie, und erklärten, dag nur Selbſthülfe 
rathfam fe. So entftand unter ihrer Leitung 134! 
bie National association, welche eine Art Kirche in dr 
Kirche der Chartiften bildet und die „moralifche, focialt 
und politifche Verbeſſerung des Volles durch geſeblicht 
und friedliche Mittel” zu erlangen ſtrebt. Venedey br 
fucht den Club diefer Partei und kommt darüber zu fol 
gendem Urtheil: 

England bedarf der Demokratie wie vor Zeiten Rom ihte! 
bedurfte; aber die Ariftofratie hat ihr das Mark fo aus allın 
Knochen gefogen, daß, wenn die Demokraten einft an die Hert 
fchaft kommen, fie, wie in Rom, die Kruͤcke des Abfolutiemus 
nicht werden entbehren koͤnnen. 

Während nun die National association ihre friedlichen 
Zwede verfolgte, erholte fih auch die chartiftifhe Gr 
waltpartei und ſcharte fih von neuem um O' Connor. 





Während der aus dem Volke hervorgegangene Chartis⸗ 
mus Nichts mehr von ben Zreihändlern und der Anti- 
cornlaw league wiſſen weilte, war D’Connor für bie 
Grundfäge des freien Handels. Die Yreihändler aber 
fuhten noch einmal in den Chartiften eine volksthüm⸗ 
lihe Kraft für ihre Zwecke: fie wenbeten fih in Man- 
hefler wieder an fie; es wurden gemeinfchaftliche Ver⸗ 
femmlungen gehalten. So fam es 1842 zum Aufſtande. 
Die Anhänger der League trieben die Arbeiter durch 
Schliegen ihrer Fabriken in die Straßen’ hinaus, um 
ine Demonftration gegen bie Megierung zu machen; 
ald die Bewegung ſtark geworden war, traten auch bie 
Chartiſten Hinzu. Venedey fagt: 

Der Stamm der Ehartiften befteht in den Handwerkern; 
die Fabrikarbeiter find in Maffe zu entnerot, zu unmwiflend, um 
felbft im Volke von Bedeutung zu fein; bie Handwerker dage: 
gen find aufgeklaͤrt und rüftig. Als fie fi) der Bewegung 
anfhloffen, nahm diefe dann auch einen ganz andern Charakter 
an, wurde chartiſtiſch, republikaniſch. 

(Der Beſchluß folgt.) 


2 








Joſeph Addiſon. 
(Beſchluß aus Nr. 384.) 


Die erſten vier Acte des „Cato“ hatten in Adbifon’d Pult 
ſeit ſeinet Ruͤkkehr aus Italien gelegen und er hatte fi nicht 
on die Bollendung gewagt: endlich gab er den Bitten feiner 
pelitiſchen Freunde nach, welche hofften, das Yublicum werde 
einige Ahnuchkeit finden zwiſchen den Anhängern Caͤſar's und den 
Zories, zwifhen Gempronius und ben abgefallenen Whigs, 
zwiſchen Eato, der für Roms Freiheit kaͤmpft und dem Häuf: 
kein der Patrioten, das noch um Halifar und Wharton geichart 
Rand. Das Stück wurde mit aller damals möglichen Pracht 
auf tem Drurylane » Theater gegeben und mit allgemeinem 
Beifall des überfüllten Haufes, mit dem Beifall beider Par: 
teien *) aufgenommen. Üte man den glänzenden Bericht 

„Guardian‘’ hierüber für parteiiſch Halten, fo findet man 
deh in dem „Examiner”, dem Drgan des Minifteriums, die: 
ſelbe Syrache. Die Whigpartei gab zwar den Tories durch 
ihr Benehmen bei dieſer Gelegenheit manchen Anſtoß, auch Urs 
ſache zum Opott; allein Wddifon wurde felbft von den bigigften 
Loryſchriftftelern als ein Gentleman von Geiſt und Tugend 
dargefteft, deſſen Freundſchaft viele Perfonen beider Parteien 
& zum Glüde fehägten, umd deſſen Rame nicht in das Par: 
teigegän? gemiſcht werden bürfte. Einen ganzen Monat lang 
(ungeadtet der vorgerüdten Jahreszeit: ed war April) wurde 
„Late“ vor überoollem Haufe gegeben; im &ommer ging die 
Drurglane : Gefellfchaft zum Jogenannten Act nach Drford und 
pielte die Tragodie dort. Wie wenig man ihr dauernden Werth 
beimeſſen kann (obwol fie in Betracht des Zeitgeſchmacks gar 
nicht zu verachten ift), trug fie doch noch mehr als „Tattler‘ 
und „Spectator” zum Ruhme des Verfaffers unter feinen Zeit⸗ 
genofien bei. Zwiſchen Addiſon und dem jüngern Pope hatte 
ſich ein freundfchaftliches Verhaͤltniß gebildet; Addiſon ſchaͤtzte 
Pepe, deſſen, Lockenraub damals ſchon erſchienen war, wegen 
feines Talentes; aber er misbilligte Pope's Heftigkeit und bie 
perſenliche Gereiztheit, welche er z. B. im „Essay on criti- 





*) Die Wendung, welche bie Toried ben politifhen Anfpielun: 
gen deb Städeb gaben, zeigt am beiten ber Einfall Bolingbroke's, 
der in einem ber Zwiſchenacte dem Schauſpieler Boot (Gato) in 
beffen Loge offen vor Aller Augen eine Börfe mit 50 Guineen über: 
reißen Tieg, zum Dante bafür, daß er bie Sache der Breiheit fo 
gut gegen einen perpetuellen Dictator (Caͤſar) vertheidigt habe; ber 
„Dictator⸗⸗ iſt natürlih auf Marlborough gemünzt. 


cism’’ —A Pope nahm ben Tadel übel und fand bald 
Gelegenheit‘ einer Misftimmung Luft Ju machen. Gin fehle: 
ter Scribent, John Dennis, ſchrieb gegen Wodifon’s „Cato” 
Remarks, die Abdifon zu beantworten verſchmaͤhte; aber Pope 
beantwortete fie in feinem „Narrative of the frenzy of Tal 
Dennis’, worin er unter bem Schein der Beeundfigaft für Ad⸗ 
difon dieſen felbft verBleinerte. Addiſon erklaͤrte öffentlich, dag 
er an biefem „Narrative‘ Beinen Antheil habe und ihn misbil: 
lige. Ob Pope gerade Hierdurch noch mehr gegen Addiſon ge: 
reizt wurde, laͤßt fih nicht erweifen; aber dab er Addiſon haßte, 
bat er ſpaͤter hinlaͤnglich bewiefen. 

‚Im September 1713 börte der ‚„„Guardian‘ auf zu er» 
feinen. Steele politifirte wie toll: er war Mitglied für Stod- 
bridge getworden und nahm fi vor, eine große Rolle im Par: 
lament zu fpielen. Der ungeheure Beifall, den „Teattler‘' 
und „Spectator”' erworben, hatte ihm den Kopf verrüdt. 
Eitelkeit, Egei, Parteiwuth riffen ihn zu den äraften Ber: 
ftößen gegen Vernunft und Takt bin; alle befonnenen Mitglie- 
der feiner eigenen Partei misbilligten und beklagten feine Thor 
beiten. „Der arme Di”, ſchrieb Addifon, „macht mir große 
Unrube; ich wünfde, daß fein @ifer für das öffentliche Wohl 
ihn nicht felbft zu Grunde richte; aber er bat mir fagen laf» 
fen, er werde vorwärts gehen, und ich Fönnte ihm rathen was 
ich wollte: ed werde in diefem Punkte Beinen Eindrud auf ihn 


machen.“ Steele unternahm eine Zeitfchrift, „The Kagliehman”, 


die Addifon nicht unterflügte und die gänzlich fehlfchlug. Durch 
diefes Blatt, fowie durch Fin Benehmen im Parlamente, brachte 
er die Torxies fo gegen fih auf, daß fie feine Ausſtoßung zu 
bewirken fuchten. Die Whigs ftanden ihm tapfer bei, konnten 
ihn aber nicht retten. Das Ausftoßungsvotum wurde von al: 
len Leibenfchaftlofen al& eine tyrannifhe Ausübung der Gewalt 
der Majorität angefehen; aber Steele hatte fi doch auch fei: 
nen politifhen Freunden durch feine Heftigkeit und Tollheit 
verhaßt gemacht; er errang auch niemals die Stellung wieder, 
welche er in der öffentlichen Achtung verloren hatte. Um dieſe 
Zeit Fam Addifon auf den Gedanken, dem „Spectator“ einen 
achten Band hinzuzufügen. Im Suni 1714 erſchien die erfte 
Nummer der neuen Folge und ſechs Monate lang wurden wö— 
chentlih drei Nummern ausgegeben. Welch ein Gontraft, der 
„Englishman” und der neue „Spectator”! Welch ein Eontraft: 
Steele ohne Addifon und Addifon ohne Stecle! Der „English- 
man‘ ift vergeffen; der achte Band des „Spectator” enthält 
vielleicht die fhönften Kasays im ernften und ſcherzenden 
Zone, die je in englifher Sprache gefchrieben worden. 

Der Tod der Königin Anna bradte einen großen Um: 
ſchwung in ben öffentlichen Angelegenheiten zumege. Die Zory: 
partei war durch innern Unfrieden zerriffen; Harley war zu: 
legt noch in Ungnade gefallen; man erwartete bie Ernennun 
Bolingbroke's zum erften Minifter: aber die Königin hatte au 
ihrem Todtenbette noch den weißen Stab mit ſchwacher Hand 
dem Herzog von Shrewsbury gereicht. Georg I. wurde ohne 
—— proclamirt. Ein Rath, in welchem die Führer der 
Sois⸗ Sitz hatten, übernahm die Leitung der öffentlichen An: 
gelegenheiten bis zum Regierungsantritt des neuen Königs; Die 
erfte Handlung ber Lords Justices war, daß fie Addifon zu 
ihrem Geeretaic ernannten.) Als Georg I. den Thron bes 
fliegen hatte, wurde ein neues Minifterium gebildet; die Par: 
famentswahlen fielen zu Gunften der Whigs aus; Sunderland 
ging als Korb >Lieutenant nad Irland und Addiſon mit ihm 
zum zweiten Mole als erfler Secretair. Swift lebte in Dublin. 
Swift und Addifon gehörten anfangs derfelben politifhen Par: 
tei an. Swift's Anwefenheit in Londen, als noch das Whig 
minifterium unter Unna beftand, und Addiſon's erſter Aufent: 


) Es gibt eine Irabition, dag Addiſon mit der Abfaſſung ei: 
ned Schreibens an ben König nit zu Stande kam, und baß ein 
gewöhnlicher Clerk zu Hülfe gerufen werden mußte. Gebr moͤglich: 
dergleichen Dinge haben ihre Ctiquette, mit der man Beſcheid wif: 
fen muß. 


u) 


biefen beiben merkmärbigen MWenſchen 
inlich miteinander bekannt zu were 
rgenfeilig: Swift ließ der feltenen un · 
feit widerfahren, die ſich unter Addi⸗ 
verbarg; und üddiſon erkannte viel 
Imollen unter dem ſtrengen Blick und 
ı der Zhat, der Swift von 1708 und 
aren zwei ganz verfhiedene Menſchen. 
ons Rebenswege lagen weit auseinan- 
der Partei überhäuften Addifon mit 
» Swift Iuden fie zu Tiſche ein und 
ihn. ein Amt verhinderte jie, mehr 
um er pass a on, Staatöbienft Fonnten fie ihm nicht jier 
hens"und Firchlid, befördern fonnten fie den Berfaffer des „Tale 
of a tab“ nicht wohl, ohne dem Publicum Anftoß zu geben, 
das ohnehin von ihrer Drthodorie Beine hohe Meinung hatte. 
Indefen Swift hielt fi für zurüdgefept, opferte der Rache 
Ehre und Gewiflen, ging zu den Zorieß über und wurde ihr 
furchtbarfter Rampfgenofie. Er fah nun bald ein, daß feine 
alten Freunde weniger, zu ſchelten geweſen, als er ſich einge: 
bildet hatte; die Abneigung der Königin und der Kirchenhäup- 
ter gegen ihn war unüberwindli; und nur mit äußerfler Mühe 
erhielt er eine geiſtliche Anftelung von geringem Ertrag und 
unter der Bedingung, feinen Wohnfig in einem Lande zu neh: 
men, das er Verebfehkute. Durch die jegige Berſchiedenheit ih · 
zer politifhen Meinung war zwiſchen Swift und Abdifon eine 
Kälte eingetreten. Sie fahen fi nur noch felten; aber zur 
Zeindfhaft Fam es zwiſchen ihnen nie. Swift, der gleich an: 
dern Renegaten Richts heilig zu halten pflegte, der gewöhnlich 
ein befonderes Vergnügen daran fand, alte Freunde anzugreis 
fen, bewahrte merfwürdigermeife für Addiſon ftets cin Gefühl 
der Achtung und der Zuneigun . In der Zeit, als Addifon 
nad Irland fam, war Swift 6 Stellung dort unleidlich gewors 
den. Die Thronbeſteigung des Haufe Hanover hatte in Eng ⸗ 
Iand dem Volke feine Freiheiten und in Irland der proteftan: 
tifchen Kafte die Herrſchaft gefihert. Diefer Kafte war Smift 
verhaßter al8 irgend fonft ein Menfd. Er war in den Stra 
$en von Dublin ausgehöhnt, felbft mit Koth geworfen worden, 
und Eonnte nicht wagen, ohne bewaffnete Diener am Strande 
feiner Seſundheit wegen fpagieren zu reiten. Wiele, denen er 
ehemals gedient hatte, überhäuften ihn ig mit Spott und 
Schmach. Wan hatte auch Addiſon den Rath gegeben, ſich 
von dem Dekan von St. Patricks gänzlich fern zu halten; aber 
er antwortete: &olchen, deren Treue gegen übte Partei ver: 
dächtig wäre, konnte c8 vieleicht zu empfehler. fein, ſich des 
Umganges mit politifhen Gegnern zu enthalten; aber Cinem, 
der id) feiner Partei auch in den feplechteften Zeiten landhaft 
anhängtich gezeigt, koͤnne es Beinen Verdacht zuziehen, wenn 
er in ber Beit des Triumphs einem alten Breunde, ber zu den 
befiegten Zories gehört, die Hand fchüttele. Addifon's freund⸗ 
liche Entgegenfommen that dem folgen, graufam verwunbdeten 
Seifte Swift 6 wohl, und die beiden größten Satiriker pflogen 
wieder freundſchaftiichen Umgang miteinander. 

Addifon blieb nicht fange in Iceland. Er erhielt 1715 ei» 
nen &ig im Board of trades. In demfelben Jahre wurde 
fein_2uftfpiel „The drummer” aufgeführt. Der Name des 
Berfaffer war nicht angezeigt worden; das Stuͤck wurde mit 
Kälte aufgenommen, und einige Kritifer haben mit Unreht 

jegweifelt, ob es wirklich von Addiſon fei. Nach Addiſons 
;obe wurde es wieder aufgeführt, und da man nun den Ber: 
faffer kannte, mit lautem Beifal begrüßt. Gegen Ende des 
3. 1715, während ber Aufftand noch in Schottland wüthete, 
gab Addiſon die erfte Nummer des „Freeholder” heraus, eir 
nes Journals, das unter feinen politischen Schriften den erften 
Rang einnimmt. Mit der Mäßigung, welche Addifon- nie vers 
leugnete, und der er auch in bdiefem Werke ungeachtet der 
herrſchenden Aufregung treublieb, war Steele unzufrieden und 
gab ein Blatt unter dem Kitel „The town talk“ heraus, 
weldpes ebenfo wie feine übrigen Sachen bald vergeffen war. 








Zwiſchen Pape und Addiſon wurde um biefe Beit bie 

immer ne Pepe glaubte fih in mehren Fällen Ar] 
fon gefränkt und hinterliſtig behandelt: einige Bemerkungen in 
einem —8 das man Abdifon h b, fladhelten üa 
vollends auf, und ev fandte ihm jene berupenten Berfe, Ira 
Grundlage eine in Profa ſchon früher entworfene Charakteriü 
des Atticus bildete, in denen er Addiſon's wirkliche und andere 
ihm angedichtete Shwägen abi machte. Addiſon er 
die Gatire Ku, und gegen Pope fo viele Mittel der Bade 
in Hänben hatte, vächte ſich Durch Richts weiter ala im „Erer 
Balder durch eine rühmende Recenfion des Vepe ſchen Sa 

erfegung , meige eben erfdienen war. 

Sn $ me Heiratpete Wodifon die verwitwete Gräfe 
Warwick, mit der er lange in einem Berhältnifie geftanden, 
das mit dem Glüd ober Unglück feiner Partei gejdwank m 
haben ſcheint. Addiſon war damals ein vermögender Mani 
er hatte einen Bruder beerbt, der in Wadrid geflorben war. 
Er zog nun nad Hollandhoufe, das die Gräfin id Kon 
bisher bewohnt hatte: einem Haufe, dad mehr in Literatur ud 
Politik ausgezeichnete Männer nach und nad zu feinen Ban: 
nern gehabt hat, als vieleicht irgend ein anderes Privathaus 
in Gngland. Dort fieht man noch jept Wodifon’s Portal: 
die Büge find angenehm, aber von feinem ſcharfen Geiſte sm 


.väth das Bild nicht viel. Richt lange nach feiner Berheite 


thung erreichte Addifon den Gipfel feiner Größe im bürzr 
lichen Lebens; nachdem Lord Gunderland aus der Cpaltung in 
Whigminifterium fiegreich hervorgegangen war, wurde Adi 
zum Gtaatsfecretair ernannt. (x lehnte das Giegel ab; ma 
nötpigte es ihm auf; man wußte, daß auf ihn als Redner nicht iu 
rechnen war: er verbankte feine Ernennung lediglich feiner gi 
Sen Popularität, feiner fledenlofen Recht ſchaffenheit und fein 
Üiterarifhen Rufe. Aber feine Gefundpeit wankte und nd 
mehren heftigen Kranfpeitsanfällen war ce im naͤchſten Zrir 
linge genöthigt, feinen Poſten nicderzulegen. Man gab ia 
eine Penfion von 1500 Pf. St., in welcher Form fogen fm 
Biographen nicht. Seinen ig im Unterhaufe gab er nidt af. 
‚Da ſich feine Gefundpeit einigermaßen wiererperzufils 
ſchien, hoffte er auf ein noch langes, tuhiges Lchen und rt 
warf den Plan zu mandjer Arbeit, zu einer Kragödie: „The 
death of Socrates”, zu einer Überfegung der Pfalmen und eint 
Abhandlung über bie Beweiſe für das Chriſtenthum. Ben m 
letztern Werke hat er auch einen Theil auögearbeitet. Aber die 
Krankpeit überfiel ihn bald von neuem, und häusliche und w 
litiſche Leiten kamen hinzu, um feine legten Lebenstage zu va’ 
bittern. Mit Steele gerieth er noch in einen Pamppletweihld, 
da Steele das Minifterium heftig angegriffen und Sunderin 
Addifon aufgefodert hatte, es zu vertheidigen. Wddifon's Krank 
heit ging in Waſſerſucht über; er gab alle Hoffnung auf, "® 
abfeiebete feine Arzte und bereitete ſich zum Tode. Die eryt 
für die Herausgabe feiner Werke übertrug er feinem Grande 
Die und dedieirte fie Craggs. Die Zueignung on Gap 
iſt das Letzte, was er efhetben hat. Seine legten Ui 
blicke waren vollkommen heiter. Er ſiarb den 17. Juni 110 
als er eben in fein 49. Jahr getreten war. u 





Riterarifhe Notiz. 
ur orientalifden Literatur. 

In Paris erfhienen vor einiger Zeit: „Les seances de 
Haidari”, hiftorifhe und elegifhe Erzählungen von dem Leben 
und dem Tode der vornehmiten mohammedanifchen Märtret, 
ein von dem Übte Bertrand, Mitgtide der Afiatifcpen Gefelidaft 
aus dem Hinduſtaniſchen überfegtes Werk, begleitet von da 
Elegie Bisfin’s, aus derfelben Sprache überfegt von Garn X 
Zafly. Diefes intereffante Buch enthält außerdem eine Überfiht 
der mufelmännifehen Geſchichte von Mohammed bis auf Huflain> 
Lob, eine Skizze über die mufelmännifhe Religion und ins 
Tondere über die Sekte der Schüten. 3 


BWerantwortlier Peraußgeber: Deinrich Wrodhans. — Drud und Verlag von F. MC. Weodhans in Leipgig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Montag, 


_— Kr, 236, ER 


24. Auguft 1846. 





Engliſche Zuftände. 
Zweiter und legter Artibel. 
( Beſchlus aus Nr. 235.) 


As der Aufftand in bie Hände der Chartiften 
überging,, entfegte ſich die Mittelclaffe, welche ihn ſelbſt 
veranlagt hatte. Zuerft hatten die Fabrikherren dem 
Bolle, das nur „fpielen“ folte, Brot, Fleiſch, Bier in 
die Straßen hinabgeſchickt; die Magiftrate Hatten thatlos 
wugefehen; jegt griff der Magiftrat zu den - firengiten 
Maßregeln; die Fabrikherren und die Meifter ber Arbei- 
ter ließen ſich als Specialconftables verpflichten; das 
ererutive Comite der Chartiften wurde verhaftet; bie 
Maffe des Volles wurde mit Velotonfeuer auseinander 
getrieben. Wer wüßte fi nicht aus diefen Vorgängen 
eine große Lehre zu ziehen? 

Dur) diefen Aufftand wurde der Bruch zwifchen 
ben Chartiſten und den Freihändlern immer größer. Die 
Leptern konnten noch große Summen zufammenfdießen, 
aber feine Maffen mehr zufammenbringen; ihre volks⸗ 
tsumlihe Grundlage ſchwand. Dagegen verlor aud) 
der Chartismus von feiner Volksnatur; er wurde das 
ariſtokratiſche Element in den untern Volksclaſſen. Ganz 
vortreffüich fagt Venedey: 

Die Führer der GShartiften kämpfen nicht mit dem Bolte 
für das Volk, fondern mit dem Volke für fih. Ich habe nicht 
wenige Unterleader der Ehartiften kennen gelernt, aber nicht 
Einen, der fein Anfehen nicht dazu benußte, fo raſch als möglich 
die Fabrif zu verlaflen, den Hobel oder Hammer beifeite zu 
legen und fi einen Kram anzufchaffen, meift einen Zeitungs: 
Tram, eine Kaffee: oder Theeſtube, und fich fo beſſere Tage zu 
Ahen. Sie treten auf diefe Weife in der That aus dem 
Kreife der Arbeiter heraus und in den der Krämer, der Shop: 
keepets ein. Oft leitet diefer Übergang zu einem weitern, und 
mehre der Ehartiftenführer wurden, einmal zu Krämern ge: 
worden, eher die Bundesgenofien des Mittelitandes als Die 
ergebenen Vertreter des Volkes. 

Erft 1844 kam wieder ein feflerer Organifations- 
plan zu Stande. Es war in Mandhefter eine National 
convention of the industrious classes zufammenberufen 
worden, die einen neuen Örganifationsplan der National 
charter association aufftellte. Danach ift es Zweck der 
Geſellſchaft: „Die Verwirklichung bes Volkscharter durch 
friedliche, gefeglihe und conflitutionnelle Mittel zu be- 
treiben.” Die Grundbfäge des Charter blieben biefelben; 
die Mitttel im Einzelnen find : öffentliche Berfammlun- 


gen, Petitionen, Verhandlungen, wohlfeile Schriften und 
Dreffe, ſowie Einwirkung durch Comitds auf alle Wah⸗ 
len. Es wurde ein efecutives Comité von fünf Leuten 


| gewählt, und darüber fagt Venedey: 


D’Connor wurde faft einftimmig gewählt; die Abweſen⸗ 
heit jedes bedeutendern Ramens der Chartiftenführer in dem 
Comite ift halbwegs Bürge dafür, daß auch diefe neue Ober⸗ 
bebörde die Sache der Ehartiften nicht fonderlüh fördern wird. 

Baucher fagt fogar: 

Bon der ganzen Bewegung ift Nichts übrig geblieben als 
eine anaschifche Aufgeregtheit, die im Schooſe der arbeitenden 
Claſſen gährt; und in der andern Elaffe der Befellichaft ein 
tiefgehended Mistrauen, welches diefelbe in Maſſe zurüd in 
die Reihen der confervativen Partei führt. Birmingdam, das 
eigentliche Baterland des Chartismus, Hat jest für Das Unter» 
haus einen toriftifchen Candidaten gewählt. 

In der Wahl eines torgflifchen Candidaten für Bir⸗ 
mingham fehen wir nun allerdings Nichte, was ben ln» 
teegang des Chartismus bewiefe: fie ift vielleicht gar 
eine That des Chartismus, denn in ber Agitation ber 
Fabrikfrage haben die Chartiften den Hochtories die Hand 


- gereicht; ebenfo in der Angelegenheit der Koblenberg» 


werte. Im Übrigen aber glauben wir au an - eine 
allmälige Auflöfıng des Chartismus: ein anderes Ele⸗ 
went nimmt ihm den Boden weg. So gut auch Die 
Organifation der Ehartiften ift, fo hat doch diefe Partet 
bis jegt faft noch gar keine Erfolge gehabt. Wir fehen 
im Chartismus die Ariftofratie des englifchen Proleta⸗ 
riats, und eben weil er fi ariftofsatifch fchließt, muß er 
fih ifoliven; die Handwerker, welche im Chartismus 
zahlreich find, haben eine Neigung zu den auffteigenden 
Glaffen; ihnen gegenüber entwidelt fih das immer grö⸗ 
fere Elend des Fabrik⸗ und bed Aderbauerproletariats, 

Und bier ift denn der ergiebige Boden für das neue 
Element, für den Socialismus. Miele Ehartiften gehen 
zu biefem neuen Princip über. Die Socialiften haben 
in Manchefter wie in vielen andern Stäbten ihre Hall 
of science. Venedey entwirft freilich ein ziemlich trüb⸗ 
feliges Bild von ihren Berfammlungen; aber wir wiffen 
einmal, wie er zum Socialismus fteht, und wenn er nichts 
Anderes zu tadeln weiß, fo tabelt er, daß die Leute Thee 
und ein bairifches Bier trinken. In Mandefter ift Hr. 
Watts Leader der Socialiften. In London hat die 
Lehre Fourier’s ihren erften Wertreter in Hrn. Hug- 
Doherty gefunden. Der Name verkündet den Irlänber. 


: 92. 


Er lebte fange in Paris und fland mit den Schülern | 


Fourier's in naher Verbindung. In London begründete 
er ein Blatt, die „London Phalanx‘, die aber wieder 
einging. Während bie franzöfifhen Fourieriſten Pan- 
theiften oder höchftens Deiften find und mit dem Chriften- 
thuure Michts gemein haben, wurde Fourier in Engkand 
ins. Ehriſtliche überfegt und Hr. Doherty begann damit, 
daß er fagte: „Wir find Chriften und glauben an — 
die Offenbarung.” Fourier muß fogar aufhören ein 
Franzofe zu fein, darum wird gefagt: „Fourier ifi kein 
Frapzoſe, denn die Franzoſen find gewöhnlich Ketzer, 
Undriften, Voltairianer, und Fourier ift ein — guter 
Chriſt.“ Was Venedey zur Wiberlegung des focialifti- 
ſchen Princips beibringt, glaube ic übergehen zu dürfen. 
Die forialiftifche. Agitation geht in England raſch vor- 
wärs. Wenn die Arbeiter fürs. erfie auch ihren Charter 
durchſetzen, fo werben fie bis dahin doc nod Manches 
gelernt haben. Die engliſchen Socialiften fobern, nach 
Engels, die allmälige Einführung der Gütergemeinſchaft 
in ‚‚ Deimatscolonien” von 2 — 3000 Menfchen, welche 
Induſtrie und Aderbau treiben, gleiche Rechte und Er: 
ziehung genießen, Erleichterung der Chefcheidung und 
Einführung einer vernünftigen Regierung mit volfftän: 
diger Meinungsfreiheit, und Abfchaffung der Strafen, 
die duch vernünftige Behandlung des Verbrecher er- 
fest. werden follen. Dies find die praktiſchen Vorſchlaͤge 
der englifchen Socialiften. Dieſe Socialiften find durd- 
aus zahm und friebfertig, und erkennen die befichenden 
Berhältniffe, fo ſchlecht fie find, doc infofern als ge⸗ 
rechtfertigt an, als fie jeden andern Weg als ben der 
öffentlichen Überzeugung. werwerfen. ‘Der englifche So⸗ 
eialisnnus, fagt Engels, ber in feiner Baſis weit über 
dan feanzöfifhen Communismus hinausgeht, in ber Ent- 
widelung aber hinter ihm zurückbleibt, wird einen Au⸗ 
geublid auf den franzoͤſiſchen Standpunkt zurüdgehen 
müſſen, um fpäter über ibn hinausyugehen. 

Man findet bei Faucher eine meifterhafte Charakte⸗ 
it der engliſchen Mittelclaſſe und ihrer Stellung. 
Indem er fie mit der franzöfifchen vergleicht, kommt er 
zu folgendem Refnktate: 

Die Macht der Mittelckaffe beruht in Frankreich zu glei 
Ger Zeit auf den Staͤdten und auf dem Sande; Der Jitel ih: 
v6 Befiges ift ein allumfaflender. Sie nimmtt die obern Claſ⸗ 
fen in ſich auf, ſodaß diefe fig nicht mehr von dem Wllgemei: 
nen abfondern, und fie fenkt ihre Wurzeln in die untern Clafs 
fen, bis man feinen Punkt de Zufammenftoßes, Feine Linie der 
Erenrung mehr bemerkt. In England bat die Mittelclaffe 
weder diefe Ausdehnung noch dieſe Macht; fie iſt ſtark, aber 
fie ift nicht die flärkfte, und die Regiesungögemakt zußt in an- 
dern Händen. Um diefe untergeordnete Stellung des engli: 
Nihen Mittelftandes zu begreifen, braudt man nur fein. Ber: 
haͤltniß zu den übrigen Elaffen näher ind Auge zu faflen. Un: 
zweifdhaft herrſcht er in den Städten und die Städte in Groß⸗ 
beisannien find zahlreicher, bevölferter, gemwerbfleißiger als in 
allen andern Ländern; aber die Bourgeoifte ift von dem offenen 
Lande audgefchloffen und halt alfo blos eine der beiden Seiten 
der geſellſchaftlichen Ordnung beſetzt. 

In dem Kampfe gegen bie Getreidegefege, in der 
Anti-cornlaw league hat der englifhe Mittelftand alle 
feine Kräfte congentrirt; die Geſchichte der League ift 


die neuefte Geſchichte des engliſchen Mittelſtandes. Und 
foeben fehen wir das großartige Schaufpiel ihres Sie⸗ 
ges! Die Folgen find noch unüberfehbar; die Arifis- 
fratie bat eine neue, große Schlacht verloren. Nach⸗ 


dem die englifche Bousgeoifie 40 Jahre hindurch die 


Parlamentsreformen verkungt, hatte, ſtrebte fie nun, bie 


- Handelsreformen - herbeizuführen; und nahm die Ab- 


ſchaffung der ©etreidegefege zur Grundlage derfelben. 
Nachdem der Mittelftand die Ariſtokratie in ihren poli- 
tiſchen Ginflüffen angegriffen Hatte, wendete fie ihr 
Streitkräfte gegen die materiellen Intereffen des grofen 
Grundbefiges und errang einen Sieg! 

Seit Faucher und Venedey über die. &ekreibegeickt 


‚und die Anti-cornlaw league gefchrieben, hat ſich der 


Stand der Frage alſo wefentlih verändert, und die 
Thatfache des Sieges fpricht flärker für Die Macht der 
englifhen Bourgeoifie als eine genaue hiftorifche Ent: 
widelung ohne ein beftimmtes Reſultat. Diefe Hifte: 
riſche Entwidelung ber Getreidegefegfrage ift bei Ve 
nedey und Faucher nachzuleſen, der Eine mit dem 
Andern zu vergleichen, ber Eine durch ben Andern zu er: 
ganzen. Wir glauben diefelbe, die Gefchichte und die 
Operationen ber League, hier fügfich übergehen zu din 
fen, da das Allgemeine derfelben unfern Leſern fchmer- 
ih unbefannt fein wird. Durch den Sieg der Baur: 
geoifie über die Intereffen ber alten Landariſtokratie if 
fie ſelbſt zu einer gefchloffenen Ariftofratie geworden, 
und Faucher bezeichnet diefen Übergang folgendermaßen: 

Die Drganifation biefer neuen Ariftofratie hat ſchon große 
Fortfchritte gemacht. Nicht allein daß ſich die Eapitalien im 
Hundel und in der SInduftrie bei @inzelnen Dergeftalt anſam 
mein, dag fie eine mit der Grundariſtokratie rivalifirende Stel 
lung einnehmen ; nicht allein, daß der Fabrikherr, der Banquiet 
und der Rheder ebenfalls ihre Elientelle von Bafallen haben, dic 
von ihnen duch die Arbeit abhängig find: fondern die In 
duſtrie Hat auch fo gut wie der Grundbeſitz eine religiöfe Wak. 
Während die anglicanifege Kirche ihre Einkünfte von dem Zehn 
ten der Bodenerzeugniffe bezieht, ftehen die Methodiften, ein 
andere als politifched Inftitut beftchende und ſtark organiiit: 
Kirche, im Solde der Fabrikperren. Während die anglicaniſhe 
Geifilichkeit jede naltation gegen die Getreidegefepe zurückweiſt, 
Bat die Geiftlichfelt der Methodiſten und Indepenbenten in &: 
ner Art von Eoncil, welches 1843 in Manchefler von mehr ai? 
700 Geiftfihen abgehalten wurde, dieſe Geſetze verdammt. 


. 


Ariſtokratie gegen Ariſtokratie und Altar gegen Altar: Dsit 


das Geheimniß dieſes Kriege. 

Beier als von Raucher iſt die englifche Ariſtokratie 
nicht Teicht gefchildert worden. Diefe Schilderung if 
einer der vortrefflichflen heile feines Werkes; er faft 
zuweilen diefelben Gedanken fcharf und bümdig zufam- 
men, von denen Venedey bei feinen Biftortfchen Studien 
geleitet wirb und die, feinen übrigen Betrachtungen ſo 
häufig den Ausfchlag gebend, hervortreten. Faucher ſagt: 

Nichts in England Beftehendes wird deutlich, wenn me 
von der Ariſtokratie abfieht, und die Ariftoßratie iſt der Schlüſ 
fel zu allen ſocialen Unemalien. Man muß von der Ungleid: 
beit, als allgemeinem Prineip ausgehen, um Gngland zu be 
greifen; ebenfo wie man, um Frankreich zu verftehen, niemals 
die Foderungen der Gleichheit aus dem Auge verlieren muß 
Im beitifihen Reiche fpringt die Ungleichheit zwiſchen den Fü 
rigveichen, aus denen es befleht, und in jedem Koͤnigreiche 30° 


ſchen den verfchiedenen Glafien der Benöllerung in die Augen. 


Die drei Minigreiche vertcedew drei verfchhdbene Ras 
cn, drei Gefellfhaften, drei Geſetzgebungsſyſteme und, 
man könnte faft fagen, drei Regierungen Das engli- 
fhe Volt, als das ſtärkſte, geographiſch am meilken 
begünftigte und zum Befehlen am meiſten geeignete, 


bat fich, wie Faucher fagt, den Löwentheil Bug der 


Schotte ift im dem Berein als‘ untergeordnetes Mitglieb 
und Hülfsarbeiter zugelaffen, Irland wird wie ein er⸗ 
obertes Volk betrachtet. Neben ben nationalen Unter 
fhieden beruht allerdings die Einheit des Meiche in den 
vom Parlament vertreterren großen Staatogewalten; aber 
diefe Gefege tragen nicht den Charakter der Allgemein: 
heit: fie geftatten Ausnahmen und Kategorien. Wan 
geborcht der Executivgewalt ebenſo in Schottland und 
Irland wie in England, aber dieſe Grerutiogeiwalt ve 
giert die drei Völker nicht im derfelben Form und durch 
diefelben Mittel. | 
Im Oberhaus figen nämlich bie engliſchen Pairs 
durch erbliches und perfönliches Recht; die 28 irländi⸗ 
ſchen Pairs find auf Lebenszeit gewählt; die 16 ſchotti⸗ 
fhen Pairs nur auf die Dauer einer Parlamentsſeſſion. 
Die englifche Pairie begründer alfo ihre Prärogatide in 
der Erblichkeit; Die fchottifche und irländifche geht dage⸗ 
gen aus der Wahl hervor. Die Pair von Schottland 
und Irland bilden alfe im Oberhauſe eine Art von 
zweiter Kammer: fie find nur mit einer von Anbern 
übertragenen Macht ausgefiatte. Die Bank der Bi: 
ihöfe ift ganz und gar für die anglicanifchen Prälasen 
befimmt. Die Presbyterialkirche Schottlands, eine Staats⸗ 
kirche wie die angficanifche, aber ohne Biſchoͤfe, alfo ohne 
Miſtokratie, iſt natuͤrlich vom Oberhauſe ausgefchloffen. 
Die katholiſche Kirche Irlands aber, eine lang geächtete 
Kirche, kann nicht, wie Faucher fagt, in das Parlament 
eintueten, ohne einen fremden oder gar gerflörenden De- 
ſtandrheil in die Eonftitution zu bringen. 
Im Unterhaufe find die Ungleihheiten nicht unbe» 
deutender. England hat bei einer Bewöllerung von 
15,000,008 Seelen 771,840 Wähler und 47: Parla- 


mentöntitglieder; Schottland aber bei einer Bevöttaung | 


von 2,630,448 Menfchen nır 47,772 Wähle md 53 
Parlamentsmitglieder; Irland endlich, welches am tief 
fin auf ber parlamentarifchen Stufe fieht, hat nur 
109,995 Wähler und 105 Parlamentsmitglieber bei ei⸗ 
ner Bevölkerung von 8,175,238 Menſchen. Würde eine 
grömäfige Yarlamentsrepräfentation zwiſchen den drei 
ändern eingeführt werden, während jegt die 158 Par 
lamentömitglieber für Irland und Schottland weit hin⸗ 
ter den 471 englifchen Parlamentsrepräfentanten zusüd- 
Bleiben, dann verlöre England allerdings bald feine Ober» 
derefchaft, weiche durch die Reformbill nur fehr wenig 
geihwächt worden ift. 

Zaucher verfolgt diefe Ungleichheit bis in die Be⸗ 
dingungen der Wählbarkeit, bis in die Exetutivgewalt 
und in das Juſtizfyſtem. Alsbann fagt er: 
„Während England bie beiben Königreiche , die mehr mit 
in fein Gchickſal hineingezogen ald damit vereinigt jind, aus: 
beutet, ſieht die oberfte Elaffe Englands in den unter ihr ſte⸗ 


benten Glaffen Nichts als nothivendige Werkzeuge ihrer eige⸗ 
nen Größe. Ä 


- . .er .. 


wo fie nur ihr Wennögen I mehren glaubt. 


gern Zweig entliehen werden. 


Und Dies bezelchner in Bahchett den Geandpunet 
Pd Be Br He Verbindung des’ 
geburts⸗ utiondrechte erhaͤlt fie ſtch 
—— in dem Beſihe des Bedens; ber Beſn In 
6 ihr politiſchen Einfluß und durch den 
politiſchen Einfluß wird es ihr Teicht gemacht, die jün- 
gern Söhne der großen Häufer zu verforgen, welche 
durch die Gefege von ber Immobiliarerbſchaft ausger 
fhloffen werden. Die Ariftokratie vergrößert ihre Macht, 
at der 
ältere Familienzweig Verluſte erlitten, fo wird R; Sude 
bald wieder durch Pfropfreifer ausgefüllt, die dem jün- 
ch eme glüͤcliche 
Ausnahme, ſagt Faucher, vereinigt die englifche Arifto- 
kratie im fich ſelbſt die beiden Elemente der Macht, die 
man fonft mer bei der Verbindung der Ariftofrafis mit 
der Demokratie findet: 





SEs wohnt ihr eine erhaltende und fortfihreitende Macht 
bei; fie bildet zu gleicher Zeit die unerſchüͤtterlichſten Schranken 
und die Macht, weihe ſich mit der größten Leichtigkeit erneuert; 
fie ift immer dieſelbe und ewig jung, kurz: die kraͤftigſte Orga⸗ 
nifation, die jemmis das politiſche Genie aus ſich beraus er: 
zeugt bat. 

Wenn Faucher fagt: 

‚ Benn die Ariſtokratie heute. unterginge und mit ihr die 
politifche Überlieferung und der politifche Seit, fo würde dem 
englifchen Volke immer nod der ſtarke und küchtige Charakter 
bleiben, den ihm die Ariftofratie gegeben hat. 
fo fließt er hier in einem directen Gegenjage zu Bene: 
bey, der bei feiner ganzen geſchichtlichen und pofitifchen 
Betrachtung Englands von dem Gedanken ausgeht: daß 


‚ber Ariflokratismus, ſowol von oben herab wie von un- 


ten herauf, bie Grunbkräfte der englifchen Nation beein- 
trächtigt babe. Wir wollen mit den Worten unfers 
beusfhen Demokraten fliegen : 

Ih kam mit einer großen Meinung über das englifche 
Volk in England an. Diefe Meinung änderte ihren Gegen- 
ſtand. Die englifhe Ration wurde in ihrer außern Gewalt 
und Macht (af noch größer als ich mir fie gedacht hatte, — 
das Volk aber in feinem inneren politifcgen und geſellſchaftli⸗ 
hen Leben und reiben Tank, je tiefer ich in feine Zuſtaͤnde 
bineindrang, von Stufe zu Stufe immer tiefer von des Höhe 
herab, aut ber ich ed’ zu finden hoffte. Daß politifce ; das 
officielle England, — die Ration, — ift groß, frei, maͤchtig 
und reich; das nicht politifche, nicht officielle England, — das 
Boll, — niedergedrudt, geknechtet, ohnmächtig und arm. 
A Ration ift im Staatsleben Englands Alles, das Bolt 
Ki 


t6. | 

Venedey bat bier ein Wort gefprochen, dem eine 
tiefere Bedeutung inneliegt als er vielleicht felbft zugeben 
möchte. Die Ration in England ift Alles, das Volk 
iſt Nichts. Das Volk ift nicht nur politifch ein Nichts, 
fondern auch focial ein ſolches Nichts, eine unberudfic)- 
tigte Maffel Über das Volk fängt am, nicht nur poli- 
tiſch, fondern auch focial ein Etwas werben zu wollen. 
Demjenigen, ber dieſe Thatſache kennt, prüft und ver- 
folgt, wird es nicht entgehen, daß England allmalig 
eine ganz neue Periode feiner Geſchichte vorbereitet. 
England hat in der Politik und im Induſtrialismus 
immer einen großen Borfprumg vor Guropa gehabt: 
wird es focial zurückbleiben können? Smmerhin mag 





man bie Abſchaffung ber ve ſchon ale einen 
Schneeball betrarhten, der fi) almälig und unaufhalt- 


fam zu einer donnernden Lawine vergrößert! Um den 
Untergang Englands ift und wenig bange. Ein fo grow 


fer Aufwand von Kräften unb eine fo ungeheure Ener⸗ 
gie kann für die wunderbare, geftaltenvolle Zukunft der 
europäifchen Menfchheit nicht verloren gehen! 28. 





Biblisgraphie. 


Bouché, J. B., Chriftus und der PYapft, oder das Evan: 
gelium und feine Diener. Deutſch von 2. Hain. Leipzig, 
Raumburg. Br. 8. 121% Rear. 

Boucher, A., Dramatifche und romantifche Gefchichte 
der Sefuiten von der Gründung des Ordens bis auf unfere 
Tage. Nah dem Franzoͤſiſchen. 2ter Band. Zübingen, Dfian: 
der. Gr. Beide Bände 2 Thlr. 15 Nor. 

Buß, Der Unterfchied der Fatholifhen und der proteftan- 
tiſchen Univerfitäten Deutichlands, die Rothwendigkeit der Vers 
ftärfung der dortigen 6 katholiſchen Univerfitäten gegenüber 
den 16 proteftantifcgen, insbefondere der Erhebung der ihrem 
katholiſchem Princip entrückten Univerfität Freiburg zu einer 
großen vein katholiſchen Univerfität teutfcher Nation. Keeiburg 
im Br., Herder. Gr. 8. 1 Thlr. 5 Ror. 

Büttner, 3. G., Die hochdeutiche veformirte Kirche in 
den Bereinigten Staaten von Nordamerika von ihrer Grün: 
dung bis auf die neuefte Zeit. Schleiz, Bockelmann. Gr. 8. 


20 Nor. 

aftenmößige Darftelung merkwürdiger Kriminalrechtsfälle 
aus der deutichen Schweiz, mit belehrenden Bemerkungen in 
rRuͤckſicht auf die Unterfuhungsführung. Vorzüglich bearbeitet 
für Unterfuhungsbeamte ıc. der deutſchen Schweiz und heraus: 
gegeben von K. Puffer und 3. 8. zur Gilgen. Züri, 
Schultheß. Br. 8. 1 Str. 121, Nor. 

Dumas, A., Denkwürdigkeiten eines Arztes. Deutſch 
von U. Diezmann. Ifter Band. Leipzig, Bereinsverlags: 
buchhandlung. 8. 10 Nor. 

— — Memoiren eines Arztes. Deutfh von F. W. Bruck⸗ 
42 9 Ifter Theil. Augéburg, v. Jeniſch u. Stage. Gr. 12. 


gr. 

— — Doffelbe Buch. Frei überfegt von A. Schneider. 

After and. Ifte und 2te Lieferung. Berlin, Sacco. RI. 8. 
r 


9 0 2 

Groß: Hoffinger, U. J., Das galante Wien. Sitten: 
gemälde. Zwei Bände. Leipzig, Hartknoch. 8. 4 Thlr. 

Hamäfa oder die äfteften arabifchen Volkslieder, gefammelt 
von Abu Temmäm, überfegt und erläutert von F. Rüdert. 
Ifter heil. Stuttgart, Liefhing. Gr. 8. 23 Thir. 5 Nor. 

Helfferich, A., Die Metaphysik als Grundwissen- 
schaft. Ein Leitfaden. Hamburg u. Gotha, F. u. A, Per- 
thes. Gr. 8. 1 Thlr. 

Henry, P., Das Leben Johann Calvin’. Gin Zeugniß 
fie die Wahrheit. Hamburg und Gotha, F. und U. Perthes. 
®r. 8. 2 Thlr. 4 Rgr. 

Ideen über die zweckmässigste Einrichtung von Ge- 
mälde-Gallerien und Cabinetten. Von einem Kunstfreundec. 
Prag. 1845. Gr. 8. 5 Ngr. 

Alter und neuer Katholizismus, oder Hhilofophie, Neligion 
und Gefellichaft. Aus den Papieren eined Prieſters. Winter: 
thur, Literariſches Comptoir. 8 Ir. 

Liefen, E., Gedichte. Leipzig, Voigt und Kernau. 8. 
I Thlr. 7%, Nor. , 

Marbeinete, P., Die Reformation, ihre Cntftehung 
und Verbreitung in Deutfchland. Dem deutſchen Volk erzählt, 
Berlin, Klemann. Kt. 9. 5 Nor. 

Novalis Schriften. Herausgegeben von 2. Tieck und 


eo, Bülom. ter. Theil.  Berkin, Reimer. 8 1 hl. 

er. 

Piper, %., über einige Denkmäler der koͤnigl. Rufen 

u Berlin, von religionsgefch Hticher Bedeutung. Ein Bortrag, 
erlin, Schroeder. Sr. 8. 6 or. 

Solms» Braunfels, C., Prinz zu, Zerad. Geſchi⸗ 
dert in Beziehung auf feine geographiichen, forialen und ubri- 
gen Berhältniffe, mit befonderer Rückficht auf die deutihe Er 
Ionifation. Frankfurt a. M., Sauerländer. &r.8. 1 Zhtr. 

Deutsche Sprach -Denkmale des 12. Jahrhunderts, zum 
erstenmale herausgegeben von TA. &. v. Karajan. Wien, 
Braumüller und Seide. 8. 1 Tkis. 10 Ner. 

Stulc, W., Erinnerungsblumen auf den Wegen des Le⸗ 
bend.. Aus dem Reucechiſchen übertragen von I. Wenzig. 
Prag, Ehrlich. 8. 20 Rear. 

WBangenheim, F. 2, Barguerite Mercier. Rovele 
aus der Griminalvechtöpflege in Frankreich. 1697 — IM. 
Braunfhweig, Meyer sen. 8. 20 Nor. 

Be odalen N. U, Geſchichte der Haupt-Brundgefege 
der Hamburgifchen Berfaflung. Iter Band. Anhang: Geihiät: 
des Entwurfs der Hamburgifchen Kirchenorbnung von 1710. 
Hamburg, Perthed:Beffer und Maufe. &r.8. 1 Zhfr. Mar. 


zagesdliteratur. 


Benfe y, R., Die Stellung des fortagfchrittenen Sun 
a ar freien evangelifhen Gemeinde. Halle, Kümmel. $r.3, 
ü 


gr. 

Böder, Über das Princip der Enthaltſamkeitsvereine ode 
was thut den Enthaltfamkeitövereinen noth? Ciberfeld, Bi 
defer. Gr. 8. 20 Nor. 

Brauner, R., Drei Predigten am 5. und 6. Gonntox 
nach Oſtern und am Himmelfahrtstage vor der beutfchkathob 
ſog Gemeinde zu Berlin gehalten. Berlin, Hermes. Gr. 3. 
‘ er \ 


Die Dresdener Deutichkatholifen haben die Lehren dr 
heil. Schrift geſchmaͤht. Nechtfertigung des Berichtes im jüh 
Bolksblatte (No. 42) über die Subilate-Srebigt des Hrn. Dr. 
phil. €. Bauer. Dresden, Raumann. 8. 2", Nor. 

Dreer, J. G., Über die Leiden der Kirche in unferen 3a 
gen Fünf Olbergs⸗ Predigten. Münden, Lentner. &r. 3. 

gr. 


— — Bind religiöfe Orden ein Bedürfniß auch unfere 


Zeit, und ift es insbefonderd der Drden der barmherzigen 


Schweftern? Eine Rede. München, Lentner. Gr. 8. 2 Kr 
— — Überdrei Sterne, die da leuchten als göttlide Bey 
weiſer zur himmliſchen Heimath dem bemüthigen Herzen. Yır 
digt. te Auflage. Münden, Lentner. Gr. 8. 2 Nor. 
Der Feldmarſchall Ruͤckwärts, Commandeur de ABC 
Schügen:Eorps. Dder der zum Schullehrer avancirte Unter: 
officier. I. Untwortfchreiben auf das „Sendſchreiben eines chei⸗ 
nifchen Schullehrers an feinen Eollegen in Schleſien.“ II. Ge 
dichte über den Unterofficier als Schullehrer u. f. w. Linz us 
Rhein. Sr. 8. 10 Rear. 
G. ©. Gervinus, die proteftantifche Geiſtlichkeit und du 
Deutfch » Katholiten.: Mit Bezug auf die unter diefem Zitl 
erfeyienene Schrift Dr. Schenkels. Freiburg, Emmerling. 8 


gr. 

Funk, Wein Glaubensbekenntniß, in unbefangener Hol 
digung der Wahrheit und des Lichts niedergefchrieben. Berge 
tragen in der neuproteftantifchen Gemeinde von Dr. Rupp n 
Königsberg. Leipzig, Friefe. 8. 4 Nor. 

Langenberg, E., Bur Biographie Dr. F. 4. B. Dir 
ſterweg s. Eiberfeld, Baͤdeker. Gr. 8. 10 Nur. 

y Riffionsfteeit. (SGedicht.) Regensburg, Manz. 13 
2 gl. J 

Schell, F. J., Die Prinzipien des Deutſch-Katholijib 
mus. Zwei Anreden. Frankfurt a. M., Koerner. Gr. 

er. 


VBerantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdaud. — Drud und Verlag von F. E. Drockhaus in Leipzig. 


Blaͤtter 


für 


iterarifbhe Unterhaltung. 





Dienflag,. 





Gedichte des Urſprungs und der Entwidelung des 
franzöfifchen Volkes oder Darſtellung der vornehm- 
fen Ideen und Karten, von denen bie franzöfifche 
Nationalität vorbereitet worden und unter deren 
Einfluffe fie fich ausgebildet hat. Bon Eduard 

Arnd. Drei Bände. 

Zweiter und lepter Artikel. *) 

Der erfie Band dieſes Werkes hatte die franzöfifche 
Geſchichte in den Momenten, welche den Verf. haupt: 
Mali befchäftigten, bis an ben beginnenden Ausgang 
des Mittelalters, den Anfang des fpätern Mittelalters 
und bi6 zu dem Erlöfchen der directen Nachkommen 
Hugo Capet's begleitet. Der zweite Band bat es mit 
der Übergangsperiode zu bem erften Abfchnitte ber 
neuern Zeit zu thun, was fich äußerlich mit der Ne 
gierung des .Haufes Valois abfchließt. 

Hier flellt der Verf. zuvörderfi dar, wie die Erhe⸗ 
bung der Seitenlinie Valois auf den frangöfifchen Thron 
duch, die Umflände, von denen fie begleitet worden, eine 

eit von großer Bedeutung geweſen fe. Er 
ſucht Dies zuvörberft in der, im Vergleich zu dem frü- 
bern Mittelalter, fhärfern und hauptſächlich bewußtern 

Individualiſrung der Völker, bie fi) für den Weſten 

Europas in den neu beginnenden langen Kriegen zwi- 

ſchen England und Frankreich ausfprah, Er zeigt, in- 

wiefern bis dahin das theokratiſch⸗feudale Syſtem den 

- Keim eines eigenthümlichen nationalen Dafeins in ber 
Blüte behindert, wie aber jenes Syſtem in Frankreich 
ſchon damals nur noch in feinen Formen und ale Echat- 
ten einer ſich zurückziehenden Vergangenheit beftand und 
das Königehum die vorberrfchende Korm des politifchen 
Lebens in Frankreich wurde. Das nationale Bewußt⸗ 
fan aber fonnte fi nur im Kampfe mit einem anders 
gearteten Volke entzunden. So erklärt wenigſtens der 

Berf. die Erfcheinung, daß eben in ber Zeit, wo ein- 

jelne Nationen anfangen, aus ihrer politifchen Iſolirung 

des MittelalterE herauszutseten und miteinander in Con- 
tact zu kommen, die Unterfchiede der Nationalität ſich 

Ihärfer herausftellen und zum Theil zum Nationalhaf 
igern. Wir meinen, bie Unterfchiebe find nicht nur 

ſhon früher vorhanden gewefen, wie auch der Verf. ans 


D. Red. 





) Bergl. den erſten Artikel in Nr. 1OR— 185 d. Bl. 


ertennt, ſondern fie waren flärker vorhanden und haben 
fh mitten im Kampfe vielfach abgeglicden; aber fie tva- 
ten erſt fcharf und deutlich hervor, als die Nationen, 
fid) gegeneinander ftellten. Auch läuft wol einige Ver⸗ 
wechfelung ber Nationalität im engern Sinne, naͤm⸗ 
lich des Volköthums, umd des Rationalintereffes- mit un⸗ 
ter. Die mehr durch die Schriftſteller verfchuldete. als 
wirkliche Armuth unferer politifchen Sprache, welche fe: 
Berfehledenes mit demfelben Wort beyeichnet und bie fo 
nöthige firenge- Unterfcheidung ber Begriffe erſchwert, iſt 
oft wahrhaft zum Verzweifein und‘ auch politiſch hoͤchft 
ſchaͤdlich. Der Verf. zeigt weiter, wie im 13. Jahrhun ⸗ 
bert in England und Frankreich, deren herrſchende Stände 
dis. dahin fo viel Verwandtfchaft gehabt, eine durchgrei· 
fende Anderung eingetreten if. In Frankreich zerſtörten 
die Könige allmälig das Recht des geiſtlichen umd des 
weltlichen Derrfcherflandes und zogen die Städte in ihren 
Kreis; in England dagegen befchränkten der Adel und 
die Kirche das Umfichgreifen der Krone, nahmen: aber 
zugleich die Städte in ihren Bund auf und dehnten 
überhaupt einen großen Theil ihrer politifchen Rechte und 
Freiheiten auf den dritten Stand aus. Der kleinere 
Adel begann in England mit dem höhern Bürgerflaube 
zu verfhmelzen und es ſchied fich eine Claſſe großer 
Barone aus. Das germanifche Element fam empor. 
Dies Alles zeigt der Verf. fehr richtig und bewährt ſich 
als ſcharfer politifcher Beobachter. Nur hätten wir das 
Barum diefer Unterfchtede gleichfalls erflärt zu fehen 
gewünſcht. Sie felbft find richtig und waren auch be; 
vorhanden, mo es fchien, als ob fo verfchiedene Wege auf 
dafſelbe Ergebniß geführt hätten: wie nämlich das englifche 
Parlament unter den Tudord und erſten Stuarts nit 
viel mehr bedeutete, als die franzöfifchen Reichöfbänbe. 
Der letzte Grund dürfte aber doch viel früher ale im 
13. Jahrhundert zu fuchen fein und ſchon ba beftanden 
haben, wie in den herrfchenden Ständen beider Linder 
noch fo große Ahnlichkeit war. Darin hat der Verf. 
Recht, daß England, eben weil es die Ariftofratie nicht 
brach und entkräftete, fondern fie zum Beſten des Gan⸗ 
zen benugte, bei dem Regierungsantritte ber Walois: im 
feiner innern Entwickelung weiter vorgefchritten war al® 
Frankreich. Noch andere Umftände begünfligten England. 
Es machte fi früber mit der neu auftauchenden Gelb⸗ 


946 ’ j 8 
v «+ 
m 


macht vertraut. Es bewahrte babei einen thatkräftigen. 


kriegeriſchen Sinn, und fihon damals zeigte ſich ber 
Charakter des Friegerifchen Handelsvolkes, diefer. Kartha- 
ginenfer der neuern Zeit, welche höher fiehen ale bie 
der Alten, weil. fie.höhere Zugenden und meil fie aud) 
die Freiheit mit. ihren Gaben und Richtungen verbin- 
den, —2— die Nachahmer Roms viel früher im ſei⸗ 
nen Sittenverfall zu gerathen fcheinen, als fie feinen 
Ruhm und feine Größe erftrebt Haben. 

Im Übrigen fing fi die Periode noch ganz fried- 
ih an, Eduard II. fam nad) Amiens und leiftete- für 
den Reſt der engliſchen Befigungen auf dem Feftlande 
die, lehnrechtliche Huldigung. Es war dies aber ber 
legte Act diefer Art, und ber Verf. macht mit Recht 
auf die, Erfhemung aufmerffam, daß die englifhen Kö- 
nige für Frankreich viel gefährlicher wurden, als dieſes 
faſt die. ganzen früher englifchen Befigungen auf dem 
Feſtlande erobert hatte, denn in der Zeit, ale fie die 
Hälfte von Frankreich befaßen. So groß war das Ge⸗ 
wicht der innern Vorſchritte. Wir übergehen nun in 
ber Hauptfache Alles, was fich auf die äußern Vorgänge, 
namentlid) der beginnenden englijch » franzöfifchen Kriege 
bezieht, und machen vornehmlich nur auf die beigemifch- 
ten Specialerörterungen aufmerffam. Das Schloß von 
Bincennes gibt ihm Anlaß, darauf binzudeuten, wie hier 
auch Philipp VI. den hoͤhern Abel an feine Nähe und 
feinen Hof. zu feffeln liebte: ein Verhältniß, das nur 
während der englifchen Kriege und ber finftern Regie 
rung Ludwig's XI. unterbrochen wurde; das übrigens, 
bei, aller politifchen Klugheit, doch ein mwohlthätiges in- 
nere® Band der Gefellihaft ſchwächte. Der unabhän- 
gige Landadel braucht nicht illoyal zu fein und ift doch 
viel nüglicher und vefpectabler als der Hofadel, Ubri⸗ 
gens, bei allem feudalen und ritterlichen Scheine, be⸗ 
griff doch Philipp von Valois das Königsthum in ern- 
ſten Berhälniffen als eine von der Lehnswelt völlig ver- 
ſchiedene, ihr urfprünglich überlegene Macht. Sein Ver- 
fahren aber war vielfach im Innern hart, nach außen 
treulos, fein Charakter eine Mifhung von Kraft und 
Lift, worin Gerechtigkeit und Milde nur geringen Raum 
einnahmen. Sn feiner Zeit beginnt das politifche Un- 
glück Frankreichs, welches ihm die Siege der Engländer 
bereiten und das fich dann zunädft in die Regierung 
feines Sohnes Johann verpflanzt. Diefer, von dem 
Adel geliebt und von dem Volke nicht gehaft, verdankt, 
fagt der Verf., diefe günftige Stimmung mehr feinen 
Fehlern als feinen Vorzügen. Er war von natürlich 
edlem Sinne, wenn ex auch, durch das Unglüd ber Zeir 
ten verbüftert, zumeilen zu Härte und Ungerechtigkeit 
getrieben wurde. Sein größter Fehler war ein gänz- 
licher Mangel an Feſtigkeit, Vorſicht und Klugheit. 
Maßlos freigebig und allen Bitten zugänglih, hat er 
Diel zur Verwirrung der franzöfifchen Finanzen und des 
sangen Staatsweſens beigetragen. Das außerordentliche 
Unglück feiner Gefangenfchaft drängte unter ber Regent. 
[haft des. Dauphin zu einer großen Reformmaßregel, melche 
an die frühern englifhen Vorgänge erinnert, aus denen 


die Parlamentsregierung hervorgegangen ift, die aber in 
Frankreich, obmol fi in manchen Einzelheiten erhaltend, 
im Ganzen zu Seiner dauernden Anwendung gebracht 
werden konnte. Sie ftand, bemerkt ber Berf,, mit 
den Grundfägen, auf melde die franzöfifche Nationalis 
tät geftellt worder, mit dem Geiſte ihrer bisherigen po⸗ 
litifchen Entwidelung in einem zu großen Widerſpruche. 
Sie fand, meinen wir, mit diefer ganzen franzöfiihen 
Nationalität in Widerſpruch, die wir nicht für abfolur 
royaliftifch ausgeben wollen, welche aber für eine würdig 
Belebung folcher Inftitutionen, wie England fie beit, 
nicht. geeignet iſt. DBezeichnend find die Borgänge in 
Paris, die politifche Rolle, welche auf einmal fein Bürger» 
ftand, wie fo oftmals nachher in großen politifhen Ver 
wirrungen, damals. unter Bortritt Stephan Marl 
fpielt; wie er doch das Bedürfniß eines Mannes und 
Kriegers von hoher Geburt fühlt; wie nun Karl der 
Böfe von Navarra, ungeachtet er feinen Beinamen vr: 
dient, eine Zeit lang das. Idol der Parifer wird; mie 
jegt auf einmal die momentane politifche Bedeutung br 
parifer Commune in die feudale und Tirchliche Gefel: 
[haft des 14. Jahrhunderts Erinnerungen an bie &e 
mofratifchen Formen Griechenlands und Roms einführt; 
wie bald alle Theile einander täufchen und bunte, gemalt 
thätige und treulofe Verwirrung einbricht ; mie aber nod bit 
Provinzen träftig genug find, um fich gegen das Treiben 
der Hauptftabt zu erheben; wie in diefe Wermirrungen anf 
noch der Aufftand des gebrüdten Landvolks, der Jr 
querie, fällt und endlich die Sache wieber ins alt 
Gleis kommt, als fei gar Nichts vorgegangen. DM 
endlich aus der Gefangenfchaft erlöfte König ward mit 
Begeifterung empfangen und hatte mol noch blutende 
Wunden, die das vorhergegangene Unheil gefchlagen, zu 
heilen, aber doc nicht eine völlige Anarchie zu ordnen. 
Auch er war perſoͤnlich muthig, vol Hang zu Gefahren 
und Abenteuern, edel, aber ſchwach und aller planvele 
Klugheit und Umficht entbehrend. Indeß, die Vorjehun 
beflimmte dem durch große Drangfafe erfchöpften Lande, 
dem noch größere bevorftanden, einen Halt- und Ruhe 
punkt, ohne welchen es vielleicht rettungslos verloren ge 
wefen wäre. Den gab bie Regierung Karl’s V., di 
Weifen. Körperlich gefchwächt, befaß er eine unerfhut 
terliche, nie ermüdende geiftige Thätigkeit, die mit Be: 
ftand geleitet ward. In Bertrand Duguesclin fand A 
den erften franzöfifchen Kriegsmann, welcher den Nam 
und Ruf eines Xeldheren verbient hat. Die Emm 
rung der franzöfifchen Macht erichien den Zeitgenoſſen 
wie eine Art Wunder, war aber doch in mander Be 
ziehung mehr fcheinbar als wirklich. Die Berarmung 
und Erfchöpfung des Volkes war mehr verhüllt ald be 
feitigt und die fittlichen Verhältniffe Hatten nicht wenig 
gelitten. Am Ende bdiefer Regierung zogen der Yaf 
fland der wider das Recht und ihre Wünfde mi 
Frankreich vereinigten Bretagne und das päpftlid 
Schisma als fhlimme Zeichen die Blicke auf fi. Im 
Übrigen, bemerkt der Verf., trat in Karl V. zuerit de 
Typus eines mohernen Königs hervor, und mir fonnen 





4 


ihm in Betracht der Züge Recht geben: daß Karl von 
kinem Gabinet aus vegierte, der Krieg ein Mittel für 
in wor, das Geld unter ihm’ eine große Rolle fpielte, 
ee immer den Umftänden nad) verfuhr, feine Werkzeuge 
zeſchikt zu wählen wußte, felten aber ſelbſt unmittelbar 
handelnd auftrat. Er erfcheint kalt, bedächtig und in 
finem ganzen Walten weder von einem politifchen noch 
von einem relögiöfen Glauben erfüllt. Letteres wirb doch 
heffentlich nicht zum Typus der modernen Könige ge 
hiren? Und ob e8 zum Typus der Könige überhaupt 
gehört, dag fie, wie der Verf. Karl V. nachrühmt, dank 
bar find? Dankbarkeit ift eine gar feltene Tugend, bei 
gurften wie bei Völtern! Der Verf. fagt nun (II, 70): 

Die Regierung Karl's VI. ift, die erſten Jahre der fran⸗ 
zöhichen Revolution vielleicht ausgenonmen, die Dramatifchfte, 
zugleich aber die unglüdlichfle Epoche in den langen und rei: 
Hm Annalen diefes Bolkes. Die größte äußere Beweglichkeit 
des gefammten Lebens, verbunden mit feiner größten innern 
Entkräftung, ift in der Gefchichte Diefes Landes nie mehr fo 
exſchienen. Das Land wurde dermaßen von allen möglichen 
Ubeln, einheimifchen Kriegen unter verfchiedenen Factionen, die 
um jo verbeerender wirßten, da Glieder des regierenden Haus 
ſes an ihrer Spige ftanden, und zugleich von einem fremben 
Eroberer heimgefucht, ſodaß fih eine Epoche ähnlicher Cala⸗ 
mitäten in Der Geſchichte keines andern Landes, Deutſchland 
im Dreißigjährigen Kriege abgerechnet, wieberfindet. 

Mir haben diefen meift äußerlihen Worgängen nicht 
iu folgen, heben aber hervor, daß ber Verf. an fchid- 
licher Stelle fih veranlaßt findet, eine Darlegung des 
ältern und neuen Charakters des burgundifchen Staats 
einzuſchalten; daß ihn ferner die Node, welche die pari⸗ 
fee Bürger auch diesmal wieder übernehmen, zu einem 
Bid auf den Tiers - Etat des 15. Jahrhunderts leitet. 
Hier fagt er (Il, 114): 

Diefer Ziers: Etat, der jpäter in Frankreich alle übrigen 
Caſſen theild in ich aufzunehmen, theild zu verwandeln be 
fimmt war, beftand im Anfange des 15. Jahrhunderts großen» 
theil aub einee unwiſſenden und unbegüterten Menge von 
Kramern und Handwerkern. Die unter ihnen, welde, vom 
Gluͤce begünftigt, zu größerm Wohlftande emporftiegen, kauf⸗ 
ten meift adelige Grundſtücke und traten dadurch, ohne ſich 
deöhalb ganz von ihrem Stande zu frennen, in eine nur ent: 
fernte Beyiehung zu demfelben. Andere wurden Beamte und 
Käthe der Krone, Mitglieder des Parlaments. Noch Undere 
traten in die Reihen der Kirche ein und ſchieden dadurch ganz: 
lich aus dem Tiers : Etat heraus. Was biefem blieb, war die 
Raſſe der Armern und Unmiffenden, und diefe wurde in Zeiten 
der Bewegung von einzelnen ehrgeizigen Häufern, dem Namen 
nah zu ihrem Stande gehörig, dem Weſen nad ihm fremd, 
im Intereffe einer der kaͤmpfenden Parteien, nur felten in dem 
des Rechts und der Ordnung geleitet, Hätte fich der Tier: 
Etat des 14. und 15. Jahrhunderts als ein durchaus eigener, 
unabhängiger, abgefonderter Stand, wie es bei dem Auftreten 
der freien Eommunen im 12. Zahrhundert das Anfehen hatte, 
ausbilden können, und- wie es einft die Plebejer in einer ge: 
wiſſen Epoche der römifchen Republik gethan; hätte er es ver: 
nocht, die zu Meichthum und Anſehen gekommenen Glieder def 
kiben in feiner Mitte feftzubalten, was absr der ganze Zu⸗ 
Hand des Staatd, befonders das Dafein der Kirche unmöglic 
machte: fo würde es ihm vieleicht möglich geweſen fein, fir) an bie 
Spige der gefammten Geſellſchaft zu ftellen und deren Geftalt 
dellkommen zu verändern. So aber beftand er aus einer mehr 
zahlreichen al8 mächtigen Claſſe, von der fih Alles, was vom 
Glücke begünftigt wurde, mehr oder weniger trennte. Diefe 


947 


dem Bürgerftande des 15. Jahrpunberts eigentbümlichen Ber: 
haͤltniſſe, die lange biefelben bleiben follten, erflären: warum. 
es ihm damals micht gelingen Ponnte, ungeachtet der Erſchütke 
rung des Beftehenden, das Ruder des Staats zu ergreifen; 
und warum er, trog des fortwährenden Sinkens der Kirche 
und des Adels, fo fpät dazu gefommen ijt, die Nation ſelbſt 
zu werden. ' 

Gilt nicht gar Manches in obiger Schilderung nod 
heute? Wie der Verf. zu ‚ber Zeit fommt, mo rauf. 
reich fo gut mie unter engliſcher Herrſchaft ftand, wirft 
er einen Blid auf das Leben der damaligen Firſten 
und Großen, der allerdings Manches erklärt: das Na- 
tionalgefühl rettete Frankreich, trog ber Schwächen ſei⸗ 
ner Führer und der vielfachſten Verwirrungen. Es fand 
ſeinen Ausdruck in der Heldenjungfrau von Orleans, 
deren Erſcheinung der Verf. recht gut erMärt. Mit 
Necht bemerkt er dabei (II, 156): | 
‚„. Bonderbar tritt bei ihrem Tode die Abneigung der Geift- 
lichkeit, und nicht blos der engliſchen, ſondern auch der fran⸗ 
zöſiſchen, gegen fie hervor. Die Prieſter ſahen die Meinung 
von den übernatürlichen Gaben der Jungfrau ald einen @in 
griff in die Rechte und Privilegien ihres Standes an und ber 
trachteten ihren Einfluß mit Mistrauen. Der Haß ihrer 
Beinde ift jedoch weniger befremdend, als die unerflärbare Gleich» 
gultigfeit nicht nur Karl's VII, fondern des franzöfifchen Bol: 
ed überhaupt, fowol gegen fie zur Zeit ihrer Gefangenfchaft 
als jpäter nad) ihrem Tode für die Ihrigen. So wird in ei 
ner Urkunde, in weldyer der König den Einwohnern von Dr⸗ 
leans für ihren während der Belagerung bewiefenen Much 
neue Rechte und Gunftbezeigungen gewährt, der Befreierin 
der Stadt mit Feiner Silbe gedacht, und lange Iahre nachher 
lebte die Mutter der Heldin in Orleans, der Stadt, die ihre 
Tochter gerettet hatte, im tiefften Elende. 

Mit Recht vergleicht dev Verf. weiterhin bie Jung» 
frau, foweit die einzige Erſcheinung eine Vergleichung 
zuläßt, mit Ludwig dem Heiligen. 


(Die Zortfegung folgt.) 








Kunft und Leben. Ein Gefpräck, vorgetragen im Litera- 
rifhen Verein zu Naumburg von G. Steinhart. 
Naumburg, Weber. 1846. Gr. 8. 8 Nor. 


Drei Freunde, weldye feit vielen Jahren getrennt waren, 
treffen auf dem Kaiſerſtuhl zufammen. Der eine, Hermann, 
ein Maler, hatte früh einen Kreis mitfirebender Genoſſen ge 
funden, in deren Bergen noch die Glockenklaͤnge jener rein» 
geftimmten Seelen nadyzitterten, welche im Anfange diefes 
Sahrhunderts, um ben herrlihen Züngling Novalis und den 
geiftvollen Tieck fi) jammelnd, aus den oͤden &teppen einer 
glaubensdürren und liebeleeren Gegenwart fich gern in das 
farbenreiche, buntbewegte, in der mannichfaltigften Berfihlingung 
feiner Kreife fih doch immer um Den unverrüdten Mittel» 
punft der Kirche bewegende Mittelalter retteten. Einen ganz 
andern Weg war Zheodor, ein Bildhauer und Gchüler 
Thorwaldſen's, gegangen. Rie mar in ihm die feurige Liebe 
zu den in ewig heiterer Klarheit und feliger Vollendung prans 
genden Geftalten der untergegangenen Griechenwelt erlofchen, 
die ein begeifterter Lehrer einft in fein Herz gelegt hatte; und 
mit immer wachfender Bewegung folgte er den Meiftern der 
Wiſſenſchaft zu ihren mühfumen Forſchungen und zu ihren 
überrafchend herrlichen Entdeckungen, durch welche das Alter: 
thum, gleich einer halbverfuntenen Stadt aus Schutt und 
Afche, wieder erftand und aufs neue lebenskräftig, wie vor 300 


Jahren, in unfere Gegenwart hereintzat. Noch anders war der. 


* 


948 


dritte, Friedrich, welcher fi ber Dichtkunſt und Mufil gewidmet 
e. Er erkannte Alterthum und Mittelalter an, aber bie 
gabe unferer Beit war ihm eine höhere, al& im ewigen 
eüten über bahin geſchwundenen Herrlichleiten nicht nur den 
iſchen und vollen Genuß der Gegenwart zu verſcherzen, fon- 
dern auch das freubige und thatkfräftige Wirken für eine nad» 
wachfende beflere, ihrer wahren Idee entſprechende Menſch⸗ 
Heit aufzugeben. Man wird nun fon ahnen, was bie 
eunde einandet zu fagen Haben werden. Der erſte ſucht das 
it in der Kirche, der zweite im Gtaate, während der dritte 
es von der Liebe erwartet oder, wie man fi jett gewöhnlich 
ausdrudt, von der Sefelltchaft. „Der Völker Herrſchaft“, 
fo läßt Friedrich Gott jelbft fpredden, „wird ein Dienft des Vol: 
kes werden, und der Staat wirb zum lebendigen Leibe erwach⸗ 
fen, in dem der Gefundheit friſche Kraft die Glieder unter ſich 
und wit dem Haupte zufammenhält, daß Alle ungeftört.in freier 
Lebensluft und im Zufammenklange der Eintradht ihr Werk 
verrichten und Alle nur zu meiner Ehre wirken wollen; die Ar: 
beit wird als feftes Band die ftarken Glieder vereinigen ; Fein Glied 
wird ferner müßig, üppig wuchernd der andern Lebensfäfte an 
fh ziehen; mit Liebe wird man das kranke Glied tragen und 
eilen wiffen, es nicht mehr vom Leibe ungebuldig und ge: 
waltfem löfen; erlahmten Gliedern wird die Liebe neuen 
Schwung und Raum und frifche Kraft zu neuer Arbeit geben.” 
Borbereitet aber werde die Liebe durch die Schönheit. So 
gehe im Alterthum die Kunftblüte bei Griechen und Juden 
der Erſcheinung des Socrates und Chriſtus vorher. Und 
auf die Kunft des Mittelalters folge Luther's Auftreten. 
Das wäre denn alfo das Verhaͤltniß von Leben und Kunft, 
womit ſich unfere drei Freunde legtlich zufrieden geben. Der 
Grundgedanke, ift Bein anderer als der fih ſchon in Schiller's 
„Briefen über die äfthetifche Erziehung des Menſchen“ außge- 
et findet. 42, 








Literarifhe Notizen. 


Dab Chriſtenthum und die Sklaverei. 


Eine gekroͤnte engliſche Preisſchrift: „The influence of 
christianity in promoting the abolition of slavery in Rurope“, 
von ©. Babington, unternimmt ed mit dem Aufwand großer 
Gelehrſamkeit und Belefenheit darzuthun, daß einzig und allein 
der Einfluß des Ghriftenthums die Aufhebung der Sflaverei 
zuwege gebracht. Dies ift eine fo geſchichts- und erfahrungs: 
widrige Auffaffung diefer Angelegenheit, daß nur katholiſche 
und proteftantifche Hyperorthodorie, welche letztere befonders in 
den englifhen Hochkirchenmaͤnnern Englands ftarf erfcheint, 
wagen darf, den offenkundigſten Thatſachen zum Zrog, einen fol: 
hen Beweis führen zu Fönnen. Die mit der Verftandesbildung 
tagende Einſicht in dies Weſen und in die Berhältniffe der freien 
Arbeit und ihres Begenfages zur Eklavenarbeit hat ganz allein 
die Umgeftaltung zu Stande gebracht. Bis herab zu dem lep- 
ten Bertrag über das Durchſuchungsrecht war die Sache flets 
eine Frage der Politif, d. h. der in den Zeitverhäftniffen lie⸗ 
genden Zweckgemaͤßheit für Staat und Geſellſchaft; Berufungen 
an Gefühle und Religion waren Aushängefilder; heute noch 
würde der „chriſtliche Staat” an diefem „geſchichtlichen Un: 
recht” ebenfo feithalten, wie an andern ähnlichen der Vernunft 
gleichfalls zumwiderlaufenden Einrichtungen ‚- wenn das Princiy 
der Brüglickeit nicht den Sieg davongetragen hätte: das Prin- 
cip, welches einzig und allein bei klarer Auffaffung alle großen 
und wahrhaften Berbefferungen in dem Buftande der Gefellfchaft 
noch entfchieden Hat und fortan entfcheiden wird. 


Schottifhe Zwergzeitung. 
‚WS eine Merkwuͤrdigkeit führen engliſche Blätter des Er⸗ 
ſcheinen einer Wochenzeitung in einem fchottifchen Flecken unter 


Dem zu „Pittenweem te A an, weil diefes Blatt das 
nfte im ganzen Sande fein Brei nehmen fie der 
Moßftab dabei na dem darchſchuittlichen Niefenformate der 
engliſchen Beitungsprefie. Denn wenn erzählt wird, daf di 
erwuhnte Zeitung aus einem Blatt Papier von 13 Zoll Höhe 
und der Breite einer gewöhnlichen Columne beftehe, fo wird 
man im Bergleih zu vielen der deutſchen Localblätter darin 
nichts Beſonderes oder Ungewöhnliches finden Finnen. Auch 
der Inhalt des fihottifchen „Miniaturblatted" ſtimmt zu dem 
Charakter unferer Ortswochenblatter, denn es witd gefagt, daß 
der Zweck dieſer Beröffentlichung der iſt: Die Bewohner von 
Pittenwweem und deſſen Umgegend über die Vorfälle dort in 
Kenntniß zu fegen und ihnen das Brieffchreiben zu erſparen. 
wann fie entfernten Berwandten oder Freunden die Drtsanpe 
legenheiten melden wollen. 


„Was ift des Deutfhen Vaterland?“ 
Iſt e8 Spott oder was fonft? wenn der Berichterfletter 


des englifhen „Athenaeum’' über das letzte Sängerfeft zu iin, 
wo er von der Ausführung des „Was ift des Deutichen Date: 


land?’ fpricht, bemerkt: es fei mit einem Geiſt gefungen wer: 
den, der bingereicht habe, die Zobten zu erwecken, und mit 
einer Lebendigkeit, in die jedes andere europäiſche Land ohne 
vorübergehendes Herzweh des Zornd oder des Neides (!) hatte 
einftimmen Fönnen. Freilich, wenn nur zehn Briten ihr „Rule 
Britannia” anftimmen, fo müffen die andern Völker, nametlih 
aber das deutſche, beſchaͤmt den Blid zur Erde fenken, fobal 
fie fid erinnern, was fie find und was fie fein konnten. Unſer 
Singen „Was ift des Deutfchen Vaterland 2’ macht Feinem an 
dern Volke „„Herzweh”', erregt Beinem „Reid! Die Frage it 
ja erft im Gedichte und auf dem Papiere glüdlich für die 
deutfche @inheit-und das deutfihe Selbftgefüht getäft: — ki 
der herbe Spott des Briten 
Schmeichelei! 


— 








Eiterarifhe Anzeige. 





Allgemeines 
Bücher-Zexikon «- 


Von 
Bilhelmn Beinfins. 
Neunter Band, welder bie von 1835 bie Ende 1841 
esfchienenen Bücher und bie Berichtigungen früh 
Erſcheinungen enthaͤlt. 
Herausgegeben von 
Otto August Schulz. 
Erfte bis achte Lieferung, Bogen 1-0 
(A — Hissale.) 
Gr. 4. Geh. Jede Lieferung auf Drudpap. 25 Far, 
auf Schreibpap. 1 Thlr. 6 Nor. 


Die erften fieben Bände des „Allgemeinen Bücher: Rerilon” 


von SHrinstus (1812— 29) find jegt zufammengenommin 
im herabg egeru Preiſe für 20 Ihe. zu erhalten; ad 
werben einzelne Bände zu verhältnigmäßig erniedrigten Preikn 
erlaffen. Der achte Band, welther die von 1828 bis Ent 
1834 erfhienenen Bücher enthält, Eoflet auf Druckp. 10 Ah. 
15 NRor., auf Schreibpap. 12 Ihlr. 28 Ror. 


Eeipzig, im Auguft 1846. 
S. A. Zrockhau 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Wrodjans. — Drud und Berlag von F. WE. Brockhaus in Leipzig. 





gilt Manchem vielleicht ſit sm 





Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Mittwod, 


26. Auguft 1846. 





Geſchichte des Urfprungs und der Eintwidelung bed 
franzöfifchen Volles ꝛc. Bon Eduard Arnd. 
Dra Bände. 


Zweiter und legter Artikel: 
(Bortfegung aud Nr. 287.) 

Nach der Abfchürtelung des englifchen Jochs — ei⸗ 
ner natürlichen Thatſache, da Frankreich unmöglich eine 
Provinz von England werden fonnte — hatte man es 
unähft mit den Nachwehen des Krieges, befonders mit 
den Söldnerbanden (Ecorcheurs) zu thun, an beren Stelle 
die Errihtuug regelmäßiger Regimenter betrieben wurde. 
Die kraͤftigen Schritte Karl's VII, der mit feinen Er⸗ 
folgen auch mehr Selbſtvertrauen gewonnen hafte, fein 
ausgefprochener Entfhlug, Ruhe und Orbnung in fei- 
nem Lande berzuftellen und die noch vorhandenen Neſte 
de8 Feudalweſens dem Gefege und ſich und feinem ober- 
ften Willen zu unterwerfen, erzeugten aber auch eine Un⸗ 
zufriedenheit des Adels, die man durch eine neue mili- 
tairifche Organifation befehwichtigte, durch welche feine 
Stellung doch eigentlih nur abhängiger wurde. Im 
Ganzen Hatte das Königthum unter dem anfangs fo 
ſchwachen Karl Vi. bedeutende Borfchritte in feiner 
Sache gemacht, wie Das eben in folder Zeit der äußern 
Dedrängnig, welche die Wichtigkeit bes Königthums für 
die Nation fo bedeutſam dargelegt hatte, natürlich 
war. Sn der Sicherheit, und Uppigkeit langen Friedens- 
flandes erzeugt fiy der Ubermuch am leichteften, der den 
Oppofitionstendenzen zur Nahrung dient; und in der 
Gefahr vergißt man Pleinliche Beſchwerden, vorſchnelle 
Wünſche, und erkennt das Bedürfnig der Einheit und 
den Segen ber Pflicht. 

Ludwig XI, zu dem ſich der Verf. nun wendet, war 
ganz der Mann, zu benupen und auszubilden, wozu die 
Zeit den Grund gelegt, wenn er e8 auch mehr durch 
äugerliche Mittel und für rein felbftfüchtige Zwecke that. 
Bir übergehen aber die intereffanten Angaben unb 
Erörterungen, welche ber Verf. an die Regierungsgefhichte 
diefes vielbefprodyenen Regenten knüpft, eben weil diefe 
Epoche ſchon fo viel beſprochen worden if. 

Die Jugend feines Nachfolgere, Karl VIII., gab den 
Großen, welche in dem gewöhnlichen Wahne fanden, das 
Product der Verhaͤltniſſe fei lediglich das Werk eines 
Mannes, neuen Anlaß zu widerſtrebenden Verſuchen; 


2 


aber was alle Lift und Grauſamkeit Ludwig’s XI. müh- 
fam aufgebaut hatte, Das erhielt die Regentin Anne, 
die Schwefter des jungen Königs, ungeachtet ihred zwei⸗ 
felhaften Rechtes, an die Spige der Regierung zu tre⸗ 
ten, ünter zum Theil fehr ſchwierigen Umftänden, mit 
Kraft und Thätigkeit und ohne Willlür und Härte. 
Mit Recht fagt der Verf. (II, 264): 

Sie hatte im Innern gegen die Unfprüche der Prinzen 
und Bafallen, weiche von der Jugend des Souveraind und der 
Berwaltung einer Frau Vortheile für ſich zu ziehen gedachten, 
und nad außen zu auf der Rordarenze gegen Marimilian 
von DOftreih und im Suͤden gegen Ferdinand von Aragonien 
zu Fämpfen. Ihres Berftandes und ihrer Feſtigkeit ungeachtet, 
würde fie den Buͤndniſſen und Angriffen ihrer Gegner wahr: 
ſcheinlich erlegen fein und ihre Stellung haben aufgeben muͤſ⸗ 
fen, wenn ihr nicht die öffentliche Meinung in der Ration, zu 
welcher ſchen jegt Alles, mit Ausnahme der Prinzen des Fönig: 
lichen Hauſes und einiger großen Lehnsmänner, gezählt werben 
muß, zu Hülfe gekommen wäre und ihr einen im Ganzen zwar 
paffiven, aber unter den vorhandenen Umftänden zureichenden 
Beistand gewährt hätte. Alle Stände, Adel, Geiſtlichkeit und 
Stäote fühlten fi) zwar durch den Zod Ludwig's XI. wie von 
einer drüdenden Laft befreit, waren aber vo nicht geneigt, 
fein vornehmftes Werk, das Ergebniß feiner ganzen Regierung, 
die Unterwerfung der (Großen und die Einheit des Staats, fin: 
fen und das Land von neuem ſich in den Kampf der nad) ei- 
ner localen &pouverainetät ftrebenden Prinzen und Bajallen 
verwideln zu laflen. 

Es kommt jetzt die Zeit, wo bie Conflicte mit dem 
Zaufe Oftreih, zunaͤchſt durch deſſen Verflechtung mit 

urgund, bald auch durch fein Zeftfegen in Spanien und 
vorübergehend durch feine Pläne auf die Bretagne be- 
gründet, an die Stelle ber Kämpfe mit England traten: 
ein Übergang, an welchem man gleichfalls einen intereffan- 
ten Gegenfag zwifchen dem Mittelalter und dem neuern 
Staatenſyſtem nachweiſen könnte. Es ift immerhin die 
fhönfte und würdigſte Periode Frankreichs, wie es am 
der Spige der Vertheidigung europäifcher Unabhängig- 
keit und Mannichfaltigkeit gegen die Pläne Habsburgi- 
ſcher Univerfalherrfchaft ftcht. Aber, als es geſiegt hatte, 
nahm es feldft den Plan auf, den es vereitelt! Die in 
nafürlichen Verhältniffen, wenn aud nicht in bem Juge 
des Volksthums, begründete Vereinigung det Bretagne 
mit Frankreich entjchied fi) bald und war ein Haupt: 
fhritt zur innern Einheit. In ihrem Befige und an der 

hwelle einer der Politit des Staatenlebens gewibnte- 


950 


- 


ten Zeit betrat Frankreich fofort die Bahn der fo lange 
verabfäumten Richtung nad) außen, wennfchon biefelbe 
zuerft in einem noch unbegründeten und eben deshalb 
vorübergehenden Unternehmen, in dem Zuge Karl’s VIII. 


nach Stalien, vorfpielte. Hier fagt der Verf. ganz rich 


tig (11, 277): | 

Das unrubige Überjtrömen der franzöfiihen NRationa: 
lität bat jederzeit eine große Bewegung in Europa verur- 
facht, die Mittel des Widerftands und Angriffs vermehrt, die 
Kunft der Iinterhandlungen und des Kriegs vervolllommnet; ift 
aber für Frankreich meift von einem weientlihen Bortheile 
geweſen und ihm mehrmats felbft gefährlidg geworden. Ratio 
nen hängen wie Individuen, manche äußere, wandelbare, auf 
der Dberfläche ihres Daſeins ſchwimmende Bedingungen abge: 
rechnet, vor allen Dingen von ihrem Charakter, von der in 
die Tiefe ihres Wefend bei deflen Entwidelung verfentten 
Subſtanz ab, die ab: und zunehmen, ſtaͤrker und ſchwaͤcher 
werden, fih aber nie ganz verwandeln Bann. Diefe bejondere 
Subſtanz des franzöfifhen Weſens ift aber ein Erbtheil der 
celtifhen und altgallifhen Welt, der volksthümlichen Indivi: 
dualität, die fi von Zeit zu Zeit wie ein wüthender Strom 
erhob und Alles zu verfchlingen drohte, gleichwol aber Fein 
Dauernded Refultat aus feinen Kriegen und Eroberungen zu 
ziehen vermochte. Die Gallier haben fpäter die Disciplin bes 
römifhen Genius, die Sprache, Sitte und Religion deflelben 
angenommen und find ihm, aller fernern Einflüffe und Schick⸗ 
fale ungeachtet, großentheild treu geblieben, haben durch fie 
ihrem nationalen Eharafter Maß und Gleichgewicht zu geben 
verſucht; ihre befondere Ratur aber ift, wie Dies auch nicht 
ander fein Tann, immer mächtig geblieben und von Zeit zu 
Zeit immer wieder mit dem alten Ungeftum und der angebo: 
renen Unruhe, dem planlofen, mehr zum Serftören als Schaf: 
fen geeigneten inne bervorgebrodhen. Was den Zranzofen 
immer gefehlt hat und immer fehlen wird, ift die Gemuths- 
kraft und Idealitaͤt ded germanifchen Charakters, deſſen aus 
dem Innern flammende und nicht für äußere Zwecke und Be- 
dürfniffe erfundene Methode des Dafeins und darum langfam 
fi entwickelnde Kraft dem galliſchen Ungeflüm vom Schidfale 
zu einer Schranke angewiefen wurde, die er zuweilen, obwol 
zulegt zu feinem Schaden, überfprungen, aber im an: 
zen nicht zu brechen vermocht bat. Bei der Verwandtſchaft, 
in der Frankreich zu den Völkern lateiniſchen Urfprungs fteht; 
und bei der Leichtigkeit, mit der es ſich diefer, wäre es ihnen 
allein gegenüber, bemächtigen und ihr Geſchick leiten würde, 
und bei der geringern innern Bildfamfeit des flawifchen Nor: 
dend, feinem Mangel an felbftändigem Gehalt und feinem 
Hange zur Nachahmung, würde Europa, wäre feine Mitte 
nit von Germanen eingenommen, wahrſcheinlich jedes Jahr⸗ 
hundert von Grund aus erfchüttert werden und ein politifches 
Chaos hereinbredhen. 


Karl VII. war übrigens, wie der Verf. bemerkt, 
obgleich er für die Regierung weder Kraft noch Einficht 
befaß, allen Ständen feines Volkes durch die große Milde 
feines Sinnes werth geworden. Sein und feines Va⸗ 
ters Minifter Comines fagt von ihm, daß er bie 
menfchlichfte und fanftefte Natur gewefen, welche man ſich 
vorftellen tönne: Fein geringes Lob für einen Fürften 
des 15. Schrhunderts und befonders einen foldhen, der 
einen Ludwig XI. zum Vater gehabt hatte. Ob nit 
eben dieſer Gegenſatz Etwas zu ſolchem Urtheil beigetra- 
gen babe? Dabei hatte Karl VIII. großen Hang zu den 
affen und perfönlihen Muth. Am Schluffe des vier- 
ten Buches noch feinen gewohnten Rückblick auf Paris 
werfend, kann der Verf. doch nur geringe DVeränderun- 


gen nachweifen, da die Kriege, Unruhen und Calamiti- 
ten aller Art wenig Ruhe zu frieblicher Entwickelung 
gelaffen. . 
(Die Fortfegung folgt.) 


— 





2 


Die Einwirkung des Chriſtenthums auf die althochbeut- 
fhe Sprade. Ein Beitrag zur Geſchichte der deut⸗ 
fhen Kirche von Rudolf von Raumer. Stutt⸗ 
gart, Liefhing. 1845. Gr. 8. 2 Thlr. 5 Nar. 


Wenn fonft der Fall öfter vorkommt, daB der Zitel eine 
Buches mehr verfpricht als das Buch felbft gibt, fo ift es hier 
umgefehrt: in dem Bude ftebt viel mehr als der Zitel an 
zeigt, denn da fpricht der Verf. erſtens (&. 3— 22) von „dem 
hochdeutſchen Sprachſtamme und deſſen frübefter Periode, dem 
Althochdeutfchen‘; zweitens (8. 23—145) von den Denkmälm 
der althochdeutfhen Sprache; drittens (S. 149— 269) von 
der Art „wie fib das Chriſtenthum der althochdeutſchen Ep: 
he bemädtigt hat” (eigentlich eine Gefchichte der deutihen 
Kirche); und dann erft fommt er (S. 273) His Ende zur Rab 
weifung der chriftlihen Beftandtheile in der althochdeutſchen 
Sprache. Allerdings ift für jedes Moment des Titels Eins 
da: althochbeutfche Sprache — Geſchichte der deutſchen Kirche 
— Einwirkung des Chriſtenthums; aber da der Titel beſagt, 
dag das Buch in den chriftianifirten Elementen nur einen Bei: 
trag zur Sefchichte Der deutfchen Kirche geben follte, fo gehört: 
die Geſchichte der deutfhen Kirche felbft nicht, wenigftend nich 
in diefem Umfang, hierher; Dafjelbe ift auch von der ausfüht: 
lihen Aufzählung der Sprachdenkmaͤler im Althochdeutſchen 
mit allem literarifchem Apparate zu urtheilen, und es müfle 
vorweg dieje beiden Erpofitionen als Luxus an dem Bude be 
zeichnet werben. 

Wo der Verf. im Anfange von dem Hochdeutſchen fpridt 
holt er ziemlich weit aus, nämlich er beginnt vom Urfprunge 
des Menſchengeſchlechts und gibt an — allerdings bios ın 
Zauftpinfelftricden —, wie die Sprache der „ebelften und in der 
Geſchichte am meiften hervorragenden Völker” zuerft in zwei 
große Familien, die femitifhe und indogermanifche, legtere ia 
Sriechiſch, Lateinifch mit den romanifhen Spraden, Keltiſch, 
Stawifh und Germaniſch zerfalle. Daß der Verf. Crmitin 
und Indogermanen fe ruhig als zwei Kamilien eines Bolt 
nennt, erklärt fi aus feiner Anſicht von den Religionsfdrifte 
des hebräifchen Volkes, darüber kann man ſchweigen; aber Dai 
mag gejagt fein, daß beim femitifhen Stamme nicht bios Zu: 
den (richtiger Hebräer) und Araber, fondern (da er jo nift 
blos von lebenden Sprachen redet, fondern überhaupt von dr 
nen der in der Gedichte am meiften hervorragenden Bälkt) 
auch Phöniker hätten genannt werden follen, diefe um fo mıht, 
da ihre Schrift die Grundlage aller Schrift in (Europa ge 
worden ifl. Dann mödte Ref. bemerken, daß, feitbem die u 

ehörigkeit des Slawiſchen und Keltifhen zum inbogermant: 
hen Stamme ermittelt worden ift, der Rame ‚„‚Indogermanild‘ 
nicht mehr paßt, weil er weniger bezeichnet als cr begeichnen 
fol, fondern man muß diefen Sprachſtamm „indoeurepäifh" 
nennen; denn daß im Dften einige finnifche und tatarifche Spt 
hen nah Europa hereinragen, und im Weſten auf cin 
Stelle noch ein unbefannter Sprachreft im Baskiſchen nike: 
ann gegen die Gtatthaftigkeit de Ramens Indoeuropäifh 
nicht ſprechen. 

Der Verf. bleibt nun bei den germanifchen Sprachen fr: 
ben und theilt diefe, nach örtlicher Rüdficht: in die nordijchen 
Sprachen mit dem Altnordifchen, Schwediſchen, Dänifchen, 3% 
ländifhen; in das Niederdeutſche mit dem Angelſaͤchfiſchen 
(woraus zulegt das Engliſche geworden), Altfächfifchen, Mitte: 
niederdeutſchen, Deittelnieberländifchen und Friefifchen; in das 
Hochdeutſche, und diefes nach zeitlichen Rüdfichten in Ur 


951 | ' 


Mittel» und Neubochbeutf. Bor biefe alle ſtellt er an bie 
Spitze das GBothifhe, und fagt: es überbiete „an Reichthum 
und Vollendung der grammatifgen Form alle jüngern Dia: 
lekte“ (als wenn die germaniſchen Sprachen bloße Dia⸗ 
lekte waͤren), und die Behandlung der deutſchen Sprachen 
werde überall auf das Gothiſche zurückgehen müſſen. Sehr 
richtig, wenn es nur immer geſchaͤhe, aber die meiſten Germa⸗ 
nologen ſagen es nur, und fangen mit ihrem lieben Althoch⸗ 
deutſchen an und ergeben ſich gemuͤthlich auf feinen weiten Auen; 
bliden fie ja einmal nad dem Gothiſchen zurüd, fo gefchieht 
es durch eine Brille, weiche fie in einer berühmten Handlung 
in Deutfchland gekauft haben, die alles in das Gebiet deut: 
ſcher Sprade, Gitte, Recht und Religion Einſchlagende als 
Monopol oder in eine Urt Yacht genommen betradhtet. . 

Gegen die Eintheilung der germanifhen Sprachen laßt 
ih im Wefentlihen Nichts fagen, aber es ift auch gar nicht 
Keues: ed ift von Undern, namentlih von J. Grimm in ber 
dritten Ausgabe der „„Deutichen Grammatik“, auseinandergefent, 
und es bleibt Hrn. v. Raumer höchftens das Verdienſt, jene 
Unterfuhungen populair gemacht zu haben. Ref. fehlägt fol: 
ches Berdienft gewiß nicht gering an, denn es ift gut und 
nüge, ja nöthig, daß die Deutichen außer der politifhen Ge⸗ 
ſchichte ihres Volles auch die Gefchichte der Sprade ihres 
Belfes kennen, dann würde das politifcye Interefle des Volkes 
an der Ration gefteigert werden; ja es wäre zu wünſchen, daß 
dadurch alle Germanen zum Bewußtfein ihrer Stammverwandt⸗ 
(haft gebracht, oder an diefelbe recht nachbrüdlich erinnert wür« 
den: dann würde mancherlei Brutalität der Gefinnung, Rebe 
und Shat nicht zu Klagen der Stammesgenoffen untereinan- 
der Anlaß geben. Alſo gut ift eine ſolche Popularifation ge> 
lehrter Unterſuchungen, allein Ref. fürchtet, daß fie in einem 
Bude diefed Ziteld nicht geſucht wird. j 

Am ausführlichiten fpricht der Verf. (8. 8 fg.) über das 
dochdeutſche und zeigt, wie es (nämlid) als Reubochdeutfches) 
als Schriftfprache ın weitern Grenzen gelte denn als gefprochene, 
gibt geographiſch dieſe Grenzen an und verfucht dann Die 
Art der Entftehung der Schriftfprache nachzumeifen. Er ſtellt 
bier zwei Anfichten als möglich auf, nämlich: entweder trennte 
ſich ſchon in ältefler Zeit, etwa ın dem 9. Jahrhundert, eine 
feftabgefchloflene Schriftiprache gänzlih von den Volksmund⸗ 
arten, und an dieſe Schriftfpradhe ſchloß fih dann in der gan: 
jen felgenden Zeit an, was in der gebildeten hochdeutſchen 
ae gefchrieben wurde; oder die Volksmundarten entwidel 
ten ſich nach den ihnen innewohnenden Gefegen, ohne von den 
geſchriebenen Büchern berührt zu werden, und der Schriftfteller 
gab treu die Mundart feiner Gegend wieder. Die dritte An- 
ſicht, nämlich die, daß der Dialekt eines Stammes, welcher 
ſelbſt überwiegenden Einfluß auf die verwandten Stämme übt, 
auch dadurch zur Schriftfprache des gefammten Volkes wird, 
ignoriet der Verf. ganz; dafür aber bildet er, da er obige 
beide Anfichten nicht vertreten mag, felbft eine dritte durch 
einen eigenthümlien Proceß: erſt fcheidet er einen Stand 
Derer, welche auf irgend eine Weife an ber Literatur Antheil 
nehmen (alfo wahrſcheinlich Schreibende und Lefende), und ei» 
nen Derer, welche blos reden (Legtere repräfentiren die Volks⸗ 
mundart)s febon hier in dem einzelnen Stamme geht aus dem 
Dialekt eine Bücherfprache hervor, die nicht blos durch perfön: 
liche Umgebung der Schreibenden, fondern auch durd die ge: 
friebenen Bücher beftimmt wird. Run wird diefe neue Spra⸗ 
he in die Mitte geftellt zwiſchen vie ſchon vorhandene ge- 
ſchriebene Literatur und die inzwifchen weiter entwidelten Volks: 
mundarten, und biefe Sprache ift e6, aus welcher dann weiterhin 
die Werke der eigentlichen Literatur hervorgehen. Wahrſchein⸗ 
lich Hätte es der Verf. fo gemacht, wenn er eine beutfche 
Schriftſprache zu bilden beauftragt worden wäre, daß er an 
feinem der Stämme ohne Repräfentation feines Idioms vorbei: 
gegangen wäre. Wenn ed übrigens dem Verf. nicht gelingen 
jolte, mit diefer @ntftehungstheorie der deutfchen —— — 
Gluͤck zu machen, ſo kann es ihm vielleicht zur Beruhigung 


dienen, daß Gaftiglione aus einer ähnlichen Coalition oder Co⸗ 
pulation der deutſchen Dialekte die gothifche Sprache entſtehen 
läßt, und wir empfehlen ihm deshalb zu leſen, was dieſer ita« 


lieniſche Gelehrte in einem Brief an Angelo Mai vor feiner 


Ausgabe des gothifchen zweiten Korintherbriefes (&. v) fat. 
Im Ginzelnen erlaubt fi) Mef. noch Folgendes ber Meinung 
des Bert. entgegenzuhalten: Er fagt, man könnte annehmen, 
daß fi (unter den germanifchen, in specie deutſchen &täm- 
men) bie bevorzugten Stände, Adel oder Priefterfchaft, ſich eis 
ner befondern Mundart (!) bedienten; Das kann man aber bei 
den Deutfchen nicht annehmen; zwar hat da, wo die Priefter- 
haft eine Kafte bildete, dieſelbe eine eigene Sprache geredet, 
wie 3. DB. in Indien, aber der deutiche Klerus ging aus 
dem Volke hervor, und feine liturgifche Sprache, Die lateini- 
Ihe, abgerechnet, hatte er Peine befondere ‚Mundart‘; und ob 
der Adel in der Zeit des Althochdeutfchen fo gebildet gemefen 
ift, daß er eine befondere „Mundart gefprochen hat, weiß Ref: 
nicht, aber auf Beinen Fall würde er das „Volk“ gegen dieſen 
vornehmen Genenfag mit feiner „Mundart“ in bie andere 
Wagſchale legen, fobaß ed fchon damals — um eine claffifcbe 
Bezeichnung zu brauchen — einen Unterſchied zwifchen einen 
tuftiten und urbanen Sprache gegeben hätte. Zwar ift es fo, 
daß bei den ftammverwandten Skandinaviern es eine befondere, 
nur den Skalden und deln bekannte portifhe Sprade gab; 
allein daß jo Etwas in Germanien gewefen, davon wiflen wir 
wenigftend Richt 5 und worüber wir Nichts wiſſen, müffen 
wir auch nicht mit Gewalt Etwas beftimmen wollen. Hypothe⸗ 
fen ohne irgend fefte Unterlagen Pönnen nie Glauben erhalten. 
Man konnte auch meinen, daß das Bothifhe für gewöhnlich 
nit fo vol und rein gefprochen worten fei, wie es gefchrieben 
worden; aber da wir aud gar feinen Grund haben, womit 
wir ed beweifen, fo müflen wir glauben, daß die Gothen ge 
rade fo geredet haben, wie ihre Bibelüberfegung gefchrieben ift 
u. ſ. w. Daß aber das Gefchriebene dem Geſprochenen aud 
in der althochdeutichen Zeit glei war, müflen wir aus den 
Beihten, Glaubensbekenntniſſen, Gebeten u. f. w. fließen. 
Und Leute wie Difried, Williram, der Verfaſſer der Überfegung 
ber ammonifchen Harmonie (Tatian) u. U., hatten gewiß zus 
nächft Beinen allgemeinen Leferfreiß im Auge, fondern blos ibre 
Stammgenofien, und ſchrieben alfe ganz in ihrem Dialekt, fonft 
würde doch Derfelben im Alterthum mehr Erwähnun geſchehen 
und ed würden mehr und an verſchiedenen Orten Abſchriften von 
ihren Büchern vorhanden fein. Dazu fehlten auch im alten 
Deutfchland Die Bindemittel unter den geographiſch und poli« 
tifch ſehr zerriffenen Stämmen. Gewiß es gab nicht eine Lin-- 
gua clericalis, wie es eine Ars clericalis gab, fondern Jeder 
ſchrieb, wie er ſprach. So ift es auch noch in der mittelhoch⸗ 
deutſchen Beit: man leſe nur Urkunden, Briefe und Dergleichen 
aus diefer Zeit. Allerdings gefchah es uber in diefer Beit, be» 
ſonders durch den Einfluß der Hohenftaufifhen Kaifer auf das 
Rei und den von Schwaben ausgehenden und ſich weithin 
in Deutichland verbreitenden Minnegefang, daß eine gemein: 
fame Bildung über Deutfhland Fam, und die Sprache des 
Minnegefangs war allerdings bie ſchwaͤbiſche oder alemannifche, 
aber wahricheinlich auch nur für den Minnegefang, wie 3. B. 
auch auf dem athenifchen Theater der doriſche Dialekt in dem 
lyriſchen Theil der Xragödie beibehalten wurde, deshalb aber 
nicht die attiſche Schriltfpradde war. Eine allgemeine hoch⸗ 
beutfche Schriftfpradhe gibt es erft feit der Luther'ſchen Refor⸗ 
mation, und weil der NReformator ein Oberdeutfcher und zwar 
ein Sachſe wars ferner, weil fein Werk audy in Niederdeutſchland 
viele Verehrer und Anhänger fand und feine Schriften gedruckt 
ſich verbreiteten, fodann auch wiffenfchaftlihe Werke in biefer 
Sprache gefchrieber wurden: fo fam es, daß die oberbeutfche, 
in specie fähhfifhe Mundart die deutſche Schriftfpracdhe wurde 
(&. 20). Und fie ift es geblieben s denn obgleich in der Zeit 
eine mehrfache Veränderung mit der Schriftſprache vorgegan- 
gen ift, fo find die. Anderungsmittel doch nicht aus andern 
ialekten, fondern überhaupt aus der Sprache gefchöpft wor: 








Yen. Auch hat unfere Schriftiprage dadurch Nichts an ih- 
ver Allgemeinheit verloren, daß Volkslieder, Volksſchaufpiele 
und Dergleichen in andern hoch⸗ und niederdeutihen Dialekten 
bis auf die neuefte Zeit gedichtet und gedruckt worden find, 
denn in Wiflenfchaft und Kunſt lebt nit der Provinzialismms 
und ber Dialekt, fondern die deutſche Schriftſprache. 

Was der Berf. für gar artige Gedanken hat, zeigt ſich in 
folgendem Sage (den er aufſtellt, wo er davon fpricht, daß die 
Bolksſprache von der Schriftfprache gänzlich verbrangt werben 
Fonnte, worauf von einer Rüdwirkung ber Volksſprache 
die Schriftfprache nicht weiter die Rede fein könne) ©. 17: 
„Doch dies ſchoͤne Ziel, die Ausrottung aller lebendigen Rebe, 
wird fi trog aller darauf verwandten Mühe wol nimmermehr 
eereihen laſſen!“ Wenn das nicht Ironie fondern bitterer 
Ernſt ift, fo fehlt Ref. der Ausdruck für diefen Gedanken. 
Dann fagt er (8. 22): das Althochdeutſche fei trog feiner 
minder reichen Literatur, dem Mittelhochdeutſchen und Neuhoch⸗ 
deutſchen an weltgejchichtlicher Bedeutung gewachfen, infofern 
nämlich die neuhschdeutſche Sprache noch heute an den Schid: 
falen hängt, welche fie in ihrem althochdeutſchen Zuftande durch» 

emacht habe. Aber was für eine weitgefchichtliche Bedeutung 
Bat denn das RNeuhochdeutſche? Welchen Einfluß hat denn bie 
deutſche Sprache als ſolche in der Weltgefhichte je nur auf 
Einige geübt? Dan könnte Das höchftens in gewifler Hinficht 
von der franzoͤſiſchen Sprache fagen. Wäre aber au wirklich 
die neubochdeutfche Sprache von foldyer Bedeutung, fo koͤnnte 
man Das nimmermehr von der althochdeutſchen Sprache fa: 
gen, obgleich aus ihr dad Reuhochdeutſche hervorgegangen ift; 
fie hat nur für uns Deutſche und zwar blos einen hiftorifcyen 
und ſprachlichen Werth, und wern das Reuhochdeutfche in 
fremde Länder gewandert ift, fo ift ed nicht als Sprache, fon- 
dern wegen feiner Literatur bingesogen worden, und infofern 
hat an biefer Bedeutung das Althochdeutſche gar keinen Ans 
theil, denn unfere Literatur wurzelt in Peiner Weife in der Li: 
teratur des Althochdeutſchen. Es fcheint aber fait, daß ber 
Verf. nur deshalb jo Eminentes von dem Althochdeutſchen prä 
bicirt, um fein Buch zu rechtfertigen. Indeß aud das Welt: 
biftorifche gehört bei unferm Verf. in die Kategorie unbeftimm- 
ter Ausdrücke, denn (©. 138) jinet jene welthiſtoriſche Bedeu: 
tung zu einer hoben oder (beitimmter ausgedrückt) wiflenfchaft: 
ligen Bedeutung herab. Diefer Werth des Althochdeutſchen 
für und wird nun näher angegeben: er beftebt erftens in der 
Grammatik; gut, aber wenn ber Berf. (S. 139) fagt, das Alt⸗ 
hochdeutſche bilde die Brüde, durch welche unfere jegige Spra⸗ 
* mit dem Gothiſchen und weiterhin mit den antiken (?) Spra⸗ 
en zufammenbhänge, und Dies fei durch I. Grimm's Forſchun⸗ 
n befännt geworben: fo it Das ein Misverftändniß; vielmehr 
t &rimm in der „Deutfchen Grammatik“ (S. 9, der britten 
Ausgabe) ausdrüdiid und zwar richtig gefagt, von dem hoch⸗ 
deutichen Ufer aut das gothiſche Gebiet fei uns die Brüde 
abgebrochen; bann in den einzelnen poetifchen Bruchſtuͤcken 
"welche die fehmale, aber tiefe Stelle bezeichnen, durch Die fih 
der Strom der alten Poefie. in die neuere Zeit herüberdrängt"; 
endlich in dem Einfluß, welchen das Chriſtenthum auf das Deut: 
ſche in feiner alten eit geübt hat, und Dies, daß es die Schreib: 
kunſt unter den deutfhen Stämmen verbreitete (der Verf. hätte 
bier lieber germanifche ſtatt deutiche Staͤmme fagen follen, denn 
die Skandinavier fehrieben früher; auch von den Gothen be⸗ 
tet ed W. Grimm, ben der Berf. als Gewährdmann an 

), daB buch daffeibe die lateinische Sprache auf einzelne 
ei unferer Grammatik Einfluß gehabt (dieſer vo ige 
Ausedruck fcheint aus dem grumdfäglihen Schweigen des Verf. 
über die, daß ich fo fage, chriſtlichen Beſtandtheile in der Gram⸗ 
matik hervorgegangen zu fein) und vorzüglich auf unfern Wort⸗ 
ſchat ein hat. 

Run wären wir denn da angelangt, wovon der Ti⸗ 
tel des Buches ſpricht. Sprache i iR bier in. uneigentlicher 
Bedeutung von Bortſchat zu nehmen. Freilich ſchlaägt der zu fc von Wortfhag zu nehmen. Freilich ſchlaͤgt ber 


er 


Verf. no eine meitabfährende Geitenpartie ein, wo er 
von der deutſchen a achte feine Lefer unterhält; doc 
dahin wollen wir nicht mitgeben. Dagegen erlaubt ſich Ref. 
eine Probe von des Berf. Beweisart zu geben. Raͤmih 

gilt ihm, gu zeigen, daß fon in der alten Zeit „das deut: 
3 Fühlen und Denken durch das SEhriſtenthum völlig umge 
ſtaltet war”. Das beweift er (S. 140 fg.) mit folgenden &i- 
gen: MBörter, wie Glaube, Buße, Zaufe, waren bem deutſchen 
Munde fo geläufig, wie — Mutter, Schweſter; Riemand 
dachte daran, daß jene Wörter einft eine andere (als die hrif- 
liche) Bedeutung gehabt; — fü gaͤnzlich war die deutfche Epro: 
che von chriſtlichen Einflüffen dürchdrungen, daß alle Erinne: 
zung an einen frübern andern Buftand laͤngſt verloſchen war: 
— die Deutſchen, früher Heiden, waren ſchon zur Zeit der Ho— 
benftaufen in ihrem religiöfen Glauben fo durch und dus 
czriſtlich, als hätten fie vom Urfprung ihres Volkes an mı 
eine andere Meligion gehabt; — das Heibdentgum wirkte nur 
unbewußt fort; benn Grimm konnte (zur Darftellung der deut 
ſchen Mythologie) Dasjenige, was fi in unmittelbare 3o: 
fammenhang mit dem Heidenthum bringen läßt, nur mit far 
nenswerther Gelchrfamdeit zufammenfuchen: — „das Als if 
der fchlagendfte Beweis, daß das deutfche Fühlen und Denke 
im Beginn des Mittelalters eine unglaubliche Umgeftaltung et 
fuhr. Nirgend aber finden ſich die Beweife diefer Umgefl 
tung unumſtoͤßlicher bargelegt, als in der Sprache des deut: 
fhen Volkes; denn Nichts bezeugt den Sieg einer Walter 
ſchauung fo ficher, ald wenn es ihr gelingt, die Sprache da 
efammten Volles zu durchdringen." Wenn der Berf. dieſer 
einen Beweife glaubt, fo fpielt ihm fein Glaube einen arge 
Poflen. Ref. wid nur feinen Vorderfag mit einer Frage a 
was berühren, und der Verf. fehe, ob diefer Sag feſtſteht un 
Alles, was er darauf baut: Muß man nothiwendig von eine 
Sache Durchdrungen fein, deren Ramen der Mund auch nd 
fo geläufig ausfpridht ? Ä 
(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Notizen. 


Ameritanifche Beitungs:Preßfreiheit. 
„Der freifinnige Beobachter”, ein baltimorer deutſches Be 
henblatt, veröffentlichte am 27. October 1838 Racitehentd 
gegen den damaligen Präfidenten der Vereinigten Staaten: 
„Folgender Auffag enthält Wahrheiten, die von al 
ftaatöflugen Patrioten anerkannt werden; lieſt man aber nut 
eine Zeile um die andere, nämlich die erfte, dritte, fünft: 
u.f.w., fo kommen ganz ſchnurrige Lügen zum Borjgein: 
V n⸗Buren iſt ein Mann, der reichlich verdient, 
daß alle Guten ihn haſſen, — der ſich nicht rühmen dal 
von feinen patriotifhen Mitbürgern geachtet zu wer. 
Sein Despotismus bedroht unlere Freiheit! - 
Er fuht tie Gewalt, welde ihm anvertraut kworben it 
nur ftet6 zu vergrößern, denkt aber keineswegs baren, E 
zum Glücke des Volkes zu gebrauchen. Seitdem er rezuk 
ſieht man in der Union Zwietracht und Unordnung; 
hat der Handel, — das eebensprincip dieſes Landes, — 
durch ihn gelitten, und die Gefahr für unjere Zreiheit ba 
beifpiellos zugenommen. Ban=:Buren's albelantt 
und verbaßte Despotie iſt unertraͤglich: kein Funke vor 
Liebe zum Volke zeigt ſich in feinen Handlungen!“ 





Daß Eubioig 


ſchaͤftigte, err Vorne fih mit literariſchen rbeiten 1 


te den Born feines Vater, Jakob Barıd, 
welcher in Fran rt am Main Werhfelgefhäfte trieb. Der 3 
ter als Banquier äußerte über den Sohn als Schriftſteler 
„Wenn er Etwas gelernt hätte, fo brauchte er feine —* 
zu ſchreiben!“ 


Verantwortlicher Herausgeber: aanworiiicher Deraußgeber: Beinrich Wrodbans. — Drud Brockhaus. — Drud und Verlag von F. E. Wro@pans in Leipzig 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





27. Auguft 1846. 





Zweiter und legter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 238.) 


Karl's VIII. Regierung war, feit er fie felbft über- 
nommen, von geringer Bedeutung für das Innere Fran: 
reihe geweien. Ludwig XII. übte auch auf dieſe einen 
bedeutenden Einfluß, ungeachtet auch unter ihm bie aus⸗ 
wärtigen Beziehungen mehr hervortreten und feine faft 
fortmährenden Kriege gegen Italien, Spanien, Deutich- 
land und England, auch ohne bedeutende Aufere Ent- 
ſcheidungen zu bringen, doch die Nation immer mehr 
auf die ihr nunmehr zufallende Rolle vorbereiteten. 
(Eine II, 303, vorkommende Auslaffung über bas 
Haus Habsburg dürfte der Verf., bei einem fpeciellen 
Studium der Geſchichte bdeffelben und mehrer Rüdficht 
auf defien eigenfte Verhäleniffe und Aufgaben vielleicht 
auch Hinfichtlich der Einzelnen befchränfen, ganz gewiß 
aber hinfichtlich des Ganzen zurücknehmen.) Unter Lud⸗ 

wig XII. verſchwindet die franzöfifche Nation, als ein 
jelbfidemußter Körper, faft ganz und nur Hof und Heer 
treten hervor. Die Verfammlung der Reicheftände, un- 
ter diefer Regierung einmal berufen, dauerte nur drei 
Tage und befhäftigte ſich ausſchließend mit der Auf- 
löfung eines Heirathsvertrages. Die Provinzialftände 
verpflichteten fich untereinander eiblich zur ftrengften Ge⸗ 
beimbaltung ihrer Verhandlungen. Das Iocale Leben 
des Mittelalters, wo jedes Territorium einen Mittel- 
punt, ein eigenes Leben und großentheile felbftändige 
Intereffen befeffen, war verſchwunden und bie modernen 
Hulfsmittel, durch welche die Bevölkerung eines weiten 
Reiches untereinander in Verbindung gefept wird, wa⸗ 
ten zum Theil noch gar nicht vorhanden, zum Xheil 
noh wenig entmwidelt. Ludwig XII. war der erfle fran- 
söffche König, gegen den die Großen keinen Widerftand 
verfügten, wie überhaupt die hohe Ariftofratie feit ih⸗ 
ten unglücklichen Kampfen mit Zubwig XI. wie gelähmt 
ſchien. Der leinere Adel fiand meift im Dienfte der 
Krone. Der Bürgerftand bekümmerte ſich nur um feine 
oͤttlchen und perfönlichen Intereſſen. Die Geiftlichfeit 
war in völlige Abhängigkeit von der Megierung gera- 
then. Die Parlamente befchäftigten ſich ausfchliefend 


mit der Verwaltung der Nechtöpflege. Übrigens errich- 
tete Ludwig XII. zwei neue Parlamente, ließ die Rechte 
und Gewohnheiten mehrer Provinzen ſammeln, bielt 
große Debmung in ben Finanzen, war fehr fparfam und 
ftellte mandye Beſchwerden ab, welche die frühere unre⸗ 
gelmäßige Bezahlung des Heeres verurfacht hatte. Dies 
und fein überaus milder und wohlwollender Charakter 
verſchaffte ihm den fchönen Namen: „Water des Volkes.” 

Unter Franz J., biefem ritterlihen König, der fo 
ganz den Übergang bezeichnet, der unter Formen und 
Reſten mittelalterlihen Weſens bereite fo entfchieden 
moderne Politik betreibt, übrigens hauptfächlic die 
ernfte weltgefhichtlihe Aufgabe der Oppofition gegen 
die Pläne, welche fi in Karl V. verkörperten, zu vertre⸗ 
ten hatte, geht auch im innern Volksleben jene große 
Dewegung vor fich, die auf alle Folgezeit fo einflußreich 
geworben if. In diefer Zeit und unter ber Pflege bie- 
fe8 Königs warb der franzöfifhe Genius des 17. Jahr⸗ 
hunderte empfangen. Uber trogdem daß aud in Frank⸗ 
reich der forfchende und prüfende Geift erwachte und 
von dem Königthum liebevolle und eifrige Förderung 
und Pflege fand, wies man doch eine der erften Gon- 
fequenzen beffelben, den Proteftantismus, ab; und ber 
Nerf. bemerkt mit Recht (Il, 346): 

Wäre er in diefem Lande als ein fo unabweisbares Be: 
bürfniß des Geiftes, wie in Deutſchland, aufgetreten und mit 
ſolcher Begeifterung empfangen und verbreitet worden, fo wür: 
den ihn die Verfolgungen, die er erfuhr, nicht zu ſchwaͤchen 
vermocht haben. Die Idee der Reformation ergriff in Frank⸗ 
reich Die Seele vieler Einzelnen mit einer wenigftens ebenfo 
geoßen Kraft wie anderswo, was die im Vergleiche zur Sahl 
ihrer Anhänger große Menge der Märtyrer beweiſt; aber fie 
vermochte es nicht, die Maſſe des finnlichen und leicht beweg⸗ 
lichen Volkes zu durchdringen, das von der Innerlichkeit und 
Unmittelbarkeit des Werhältniffes, in welches dieſe Lehre das 
Individuum zur Gottheit ftellt, zurüdigeftoßen wurde. 

Er fucht die Gründe hauptfächlih darin: bag bie 
Bölker lateiniſchen Urfprungs (2) der roͤmiſchen Kirche 
näher verwandt -gewefen feien, bie römifche Kirche das 
fie mit der alten Welt verbindende Glied bilde, in der 
ihr Dafein 'mutzelte; daß fie durch jene gegen die völ- 
fige Germanifirung gefchügt worden feien, fie als ihre 
Mutter und Pflegerin betrachtet hätten. Sie ſei von ih⸗ 
nen als eine nationale Snftitution, ale ein Zeichen ihrer 
Unabhängigkeit, der Proteflantismus dagegen, ber von 


+“ 
” 2 


dem Lande ausging, von welchem einſt ihre Vaͤter 
befiegt worden, als ein fremdes Jod, betrachtet 
worden. Gerade als ein ſolches erfchien die römische 
Kirche in Deutfchland. Inzwiſchen laffen wir dahin- 
geftelt fein, ob bas 
zum Bewußtſein gekommen fein- mag, fo durchgreifend 
und in fo weiter Verbreitung gewirkt habe, wie über- 
haupt die Unterfchiede zmifchen Nord und Süd, und zwi⸗ 
fhen Germanen und Galen. Legterer namentlich tritt 
in dem Katholicismus Irlands, ber langen Anhänglich- 
keit der ſchottiſchen Hochlaͤnder an Rom, wobei doch 
fonft die vom Verf. hervorgehobenen Momente nicht 
einſchlagen, recht fehlagend hervor; ſowie auch für die 
ganze Erfcheinung die Beobachtung ber Gründe ſehr 
Iehrreich ift, warum Belgien eifrig katholiſch, Batavien 
eifrig proteftantifch if. Zudem muß man fih immer 
erinnern, daß in dem Proteflantismus, aber nicht im- 
mer in denfelben Perſonen, fi) zwei fehr verfchieden- 
artige Eigenfchaften vereinigten und für oder gegen ihn 
wirkten: die Imigkeit des religiöfen Gefühle und das 
Anfprechende für den fogenannten Berfland. Im Ubri« 
gen ift ed uns oft fo erfhienen, als hätte man in den 
franzöfifhen Hugenotten haupffächli die germanifche 
Minderzahl zu fuchen, und irrt e6 uns dabei eben nicht, 
daß fih Das nicht gerade äußerlich unterflügen läßt. 
Das germanifhe Blut bat fich dieſem ganzen Volks. 
thume mit beigemifht, mag. aber wol in einzelnen In⸗ 
bividuen überwiegend reproducirt worben fein. Auch 
der Verf. macht übrigens auf die Erſcheinung aufmerk⸗ 
fam, daß die beiden großen Gegner, Kari V. und Franz J., 
beide den Proteflantismus verfolgten und fagt mit Recht 
H, 351): 

Cs die RNſeidtſchreiber im Irrthum geweſen, welche das 
Beſtehen des Katholiciomus in Frankreich von dem Willen und 
der Überzeugung Franz I. abhängig geglaubt haben. &o un: 
umf inkt er in den weltlichen Dechältniffen waltete, fo würde 
er, bei einem totalen Bruche mit der Kirche, wahrſcheinlich 
von der Mehrheit feiner Unterthanen verlaffen und aus einem 
Könige ein Parteihaupt geworden fein. Sechszig Jahre nach 
ibm ward Heinrich IV., ein größerer Kürft und Krieger, und 
zu einer Seit, ald der Proteflanfismus in Frankreich viel mehr 
Anhänger zählte, bemfelben zu entfagen gezwungen, um zum 
Befitze der Herrichaft zu gelangen. 

Die Regierung Heinrich's L war nur eine Fort⸗ 
fegung der frühern, in ber Ausführung von mehr Klug⸗ 
beit und weniger Poefie bezeichnet. Die Kirche ward 
mehr und mehr zum Werkzeug in’ den Bänden ber 
Staatögewalt, — was. fi, ſchon gerächt hat und nod 
weiterhin raͤchen wird. Wenn übrigens der Verf. in 
einer beredten und durchdachten Ausführung bie franzöfi- 
ſche Revolution inbirect Daher leitet, daß Frankreich nicht 
proteflaneifh geworden, fo können wir ihm wenigſtens 
in der Urt, wie ee Das begründet und. auffaßt, nicht 
Mehr geben. Das Volk habe fi, meint er, nach Un 
terdrückung des veligiöfen Freiheit, einzig auf bie politi⸗ 
ſche gewieſen gefehen und habe eben deshalb für dieſe 
ausgefchweift. Allein wenn, nach feiner eigenen Anficht, 
ber Proteſtantismus nicht für die Franzoſen war, fo 
fiehe man nicht recht, mie fie fein Fernbleiben von ih« 


Alles, was wol nur Wenigen 


$; 


‚nen fo bitter hätten empfinden follen; und von unte- 


drückter veligiöfer Freiheit ift in den Decennien vor der 
Revolution wahrhaftig nicht Viel zu fpüren in Frank⸗ 
reich, und ift für die Mehrzahl der franzöfifchen Nation 
uͤberhaupt nicht fehr die Rede geweſen. Deſſemnungeach⸗ 
tet aber hat ber Verf. gewiß Recht, wenn er meint 
(II, 356): 

Die gefammte Gefchichte der Franzöfifchen Ration wäre 
eine andere geworden, hätte die Idee der religiöfen Freiheit 
in Frankreich im 16. Jahrhundert feften Fuß faflen Eönnen. 

Gewiß, aber weniger durch die „‚religiöfe Freiheit” 
an fich, als durch die Urfachen, welche fie möglich gemadt 
hätten. Konnten die Franzoſen Proteflanten fein ode 
werden, fo waren oder wurden fie überhaupt ein ande: 
tes Bolt und’ ihre Geſchichte eine andere. So mande 
Vorzüge und Gebrechen, die man dem Proteftantitmus 


und Katholicismus zugefchrieben, find nicht Folgen dien, 


fondern Dderfelben Umftände, welche jene Religions 
formen bei gewiffen Völkern, in gewiffen Ländern be 
dingten. 

Unter Heinrich TI, einem ſchwachen Fürften, ohnt 


felbftändiges Urtheil, beginnt das Spiel der Hofparteim 


und Günftlinge, wobei damals fhon dem Konnetabk 
von Montmorency gegenüber die Guiſen hervortreten 
und ſchon dadurch bedeutender und gefährlicher werde, 





daß fie fich nicht blos auf den Einflug am Hofe, fonden 
auf ein tieferes und bauernderes Intereſſe flügen, auf 


das des Katholicismus. 
folgungen der Proteftanten bringen den Verf. auf die 
Dinderniffe der Einführung der Inquiſition in Frank 
reich, als welche ex befonders die franzöſiſche Magiftratut, 
die parlamentarifcde Ariftofratie erfennt. Im Uebrigen 
fhreitet das Königsthum zur Autokratie fort; die Ju⸗ 
telligenz waͤchſt und die Sitten verfallen. Die Entar- 
tung bes Volkes rief die Grauſamkeit der Machthaber 
hervor, und. große Verbrechen und graufame Strafm 
nahmen zu. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Die Einwirkung des Chriſtenthums auf die althoq⸗ 
beutfche peahe. Ein Beitrag zur Geſchichte be 
beutfchen Kirche von Rubolf von Raumer. 

( Beſchlaß aus Nr. M.) 

Daß der Verf. gar keinen wiſſenſchaftlichen Zwech bi 

der Abfaſſung feines Buches gehabt hat, ſondern einen ander, 

laͤßt ſich ſchon öfter merken, aber S. 143 fpricht er fi of 

darüber aus. Rämlich er fagt, daB zwar auch ihn feine Re 

gung nad) der Seite beim Studium der Sprachen gezogen 

das Volksthuͤmliche, Lebenbig- Schöpferifcge zu ergründen, un 

er fährt dann fort: „Fuͤr jegt haben mic; meine Studien dafin 

gedrängt, gerade bie [einbaren Störungen des Volksthuͤmliche 
an ihrer Seite aufzufaflen. 


Die von biefem gefhürten dr 


@ine unbefangene (?) Betradtun; 


der Sache wird bie tiefere Erkenntniß des Wolksthümliden 


nicht weniger fördern, als fie — den unermeßlichen het: 
ausftelt, den uns das eingedrungene Fremde gebracht bei. 

Alfo das Praktiſche ſoll uns teöften über den Werluft des Rr 
tionalen. Andere Leute finden vom Standpunkte der Willen: 
{haft gerade darin die Schattenfeite der Einführung des Chr! 
ſtenthums. Doch Das dahin geftellt, was geht denn daB pre 

tifche Chriſtenthum die Epraͤche an? Und iſt denn wirklich 


durch den hriflichen Einfluß auf die Sprache auch ein reicher 
Kift des Glaubens auf und in unfere Väter gelommen $ 
Muh, weil Eines Mund die Wörter Glaube, Demuth und 
Zube, meinetwegen auch in chriſtlichem Sinne, ausſprechen 
fan und wirklich ausſpricht, fein Herz gläubig, demüthig und 
tußfertig fein? Muß der Heilige Geiſt mit. feinem Namen auch 
‚ugleih mit feiner erleuchtenden, heiligenden und erhaltenden 
Kuft eingezogen fein? Wie ehrt doch die Gefchichte fo ganz 
ande! Wie fchreit die Meformation felbft mit ihren Antece 
densien gegem dieſes chriftliche Durchdrungenfein des Fühlen 
und Denkens im deutfchen Volke! Nämlich Ref. nimmt Chrift- 
ih in prägnantem Sinn und verjteht nicht blos den Glau⸗ 
ben und daB Bekenntniß in ihrer gemeinen Bedeutung. ber 
haupt glaubt Mef., wenn dee Verf. eine nügliche Arbeit 
liefern wollte, fo hätte er, jelbfk wenn er ber Reigung zur 
Betrachtung der Störungen des Raticnalen nachgab, Iieber eis 
gen follen: wie wenig Fremdes das Chriſtenthum der deutſchen 
Sprache gebracht hat; mindeflens wie wenig Fremdes die deut: 
ide Sprache aufzunehmen gebraucht hätte, wenn fie fih ihres 
Reihthums und ihrer Bildſamkeit bemußt gewefen und geblie- 
ben ware. Dies hätte der Verf. ganz gut gekonnt, wenn er 
nur nicht das Althochdeutſche dazu genommen hätte, fondern 
daR Gothifche, wenigſtens von diefem ausgegangen wäre. Das 
Gethiſche mußte ale Wörter für chriſtliche Begriffe aus fi 
Idaffen, wie Dies die KBibeluberfegung, namentli in den 
Paulinifden Bricfen, fo genau darthut; und daB die gothifche 
Sprache jelbft von den Kirchenausdruͤcken nicht in Verlegenheit 
gefegt wurde, ergibt fi) aus der fogenannten Skeireind. Nur 
für Gingelnes, zumal den Gultus Betreffendes, 3. B. Presbyter, 
Diakonus u. f. w., bat Re in diefer Diftinction fremde Woͤr⸗ 
ter aufgenommen. Und im Ganzen ift es auch mit dem Alt—⸗ 
behdeutfchen noch fo, und würde es in noch hoͤherm Grabe fein, 
wenn ihee Lehren des Chriſtenthums nur Deutiche geweſen wä- 
tn; und Ref. glaubt, das Ehriftentbum würde dann viel inni⸗ 
ger das deutſche Denken und Fühlen durchdrungen haben, wie 
es 3.8. bei den Gothen war, wenn fie. au Arianer waren. 
Davon ausgehend Pönnte man vielleicht gerade au dem ent- 
gegengefegten Ergebniß kommen, nämlich: daß das Chriſtenthum 
unvortheilhaft auf unfere Sprache gewirkt hat, wie aud auf die 
griechiſche und Lateinifche. Aus des Verf. Arbeit kann man deutlich 
ſehen, welches Reſultat aus einer wiffenfchaftlichen Unterfuchung 
komm, wenn fie befangen von einem praktiſchen Gefichtspunkte 
aus unternommen wird. Befangen aber if der Berf., wenn er fi 
hier abmüht, den Gegen zu zeigen, welchen das Chriſtenthum 
über Europas Volker — (S. 112); wenn er mit des 
Überzeugung coqusttict, daß Mes ſich felbft das Urtheil fpricht, 
was den mvergänglichen Werth der Bibel und des Chriſten⸗ 
thums serfennt (S. vi); und noch mehr als befangen, wenn: 
ae (8.285) fagt: den wefentlichften Gegenfag unter den Men⸗ 
ſchen bilden Ehriften und Nichtchriſten. 

, Um nun bie Ausführung ber Abſicht des Verf., nämlich 
me das Ehriſtenthum auf die althochdeutfihe Sprache einge: 
wirkt habe, etwas kennen zu lernm, wollen wir glei das 
ae Gapitel betrachten. Hier wird von Heiden, Ehriften und 
Kirde gehandelt. Er fagt: Die Richtpriften führen im chriſt 
lichen Batein die Ramen gentes und pagani. Richtig! man 
ſolte glauben, der Werf. könnte Leuten, welche fein Buch leſen 
und etwa brauchen werben, zutrauen, daß fie wüßten, weichen 
jriehifchen Wörtern des Neuen Teſtaments jene entſpraͤchen, 
sumal da fie auf das Althochdeutſche gar Feinen Einfluß ge 
babt: aber nein! nicht blos das Griechiſche, fondern auch ent» 
ſorechende hebräifche Wörter müffen mit ber. Die althochdeut⸗ 

ſchen Wörter dafür find diota und heidane, jenes entſpricht 
den gentes, dies den pageni. Wieder richtig! aber fo ift es 
nicht etwa erft im Althochdeutfchen, fondern ſchon im Gothi- 
(hen, nur daß hier piudos faft ausfchließlich ſteht, während 
das Wort für Heiden nur einmal als haipno, die Heidin, vor: 
kemmt. Es fcheint, daß man feäher noch toleranter war, aber 
fpäter da6 Wort heidane öfters brauchte, weil etwas Gering⸗ 


ſchaͤtziges Darin liegt, vos fish aus der Etymolagie ergibt: gothi 
en das Feld, Land; haipiviak wild —— — 
althochdeutſch heida, Feld, Flar, Haide: alſo entweder die lin» 
gebildeten, weil das Chriſtenthum nicht zu ben Dörfern dra 
und biefe in ihrem Aberglauben blieben, oder vielleicht na 
einem ciaſßſchen $ von milites und pagani, welde 
nit unter den Mitftreitern Chriſti waren. 

Bei dem Namen Chriſten, ohristane, und chriſtlich, chri- 


"stanlih, die deutlich genug aus christianus genommen find, be» 


durfte es Hier nicht der Nachweiſung, daß Ehriften nach Thriſtus 
genannt find. Übrigens kann hier von einem befondern Ein— 
wirken bes Ghriftentgums auf die althochbeutfche Sprache des 
halb nit die Rede fein, weil fie diefen Ausdruck nicht wohl 
anders geben konnten, und für gläubig bat das Althochdeutſche 
no fonft fein gutes Wert (galaubig &. 390). 

Die Kirche, in abftracter und concreter Bedeutung, heißt 
außer andern Wörtern auch kiricha. Das ift freilich ein Wort, 
welches nicht aus der Lateinifchen Sprache geſchoͤpft \ft, denn 
obgleich der Verf. (S. 258) Wackernagel's Ableitung vom la⸗ 
teinifchen circus, circulus (alfo eigentlih Die Runde, Rotunde, 
von der runden und balbrunden Form Der Zauflapellen und’ 
der Chöre) finnreih nennt, fo fcheint er doch diefe fehr ge» 

ngme Etymologie nicht adoptiren zu wollen. ber woher 
iſt das Wort gefommen? "Der Verf. meint: nach Walafried 
Strabo aus dem Griechiſchen durch die Gothen; da nun aber 
in dem uns befannten gothifihen Wertfchape dieſes Wort nicht 
vorkommt, fondern mur aikklesjo, fo meint er: die Gothen hät 
ten daneben für das in der Bibel nicht vorfommmende Kirchen- 
gebäude das bei den Griechen fehr gebräuchliche Wort xupı nad» 
haben können. Daß ift aber eine fehr vage Vermuthung; im 
Gegentheil hat man viel mehr Grund zu vermuthen, daß die 
Sothen das Wort nicht hatten: denn da fie das Wort alk- 
klesjo adoptirt hatten, fo werden fie es wahrſcheinlich auch 
nachher, als fie mehr mit der Tateinifchen Kirche in Verbins 
bung kamen, als deren eoclesia entfprechend, beibehalten ha⸗ 
benz zudem hatten fie in gudhus (Ich. 18, 20) und alhs 
ganz gute Wörter für ein Gottes- oder Heilige Haus. Daß 
kiricha übrigens ein fremdes Wort ift, ift noch gar nicht fo aus⸗ 
gemacht; man vergleiche Graff’s „Althochdeutſchen Sprachſchatz“, 
Bd. 4, ©. 481. Übrigens bei der Formel katholiſche (allge⸗ 
meine) Kirge, möchte Ref. wiſſen: ob nicht auch im Althoch⸗ 
beutfchen kiricha folla vorfommt, wie im gothiſchen Kalender 
aikklesjo fulla ; ich zweifle nicht, da falls im Gothifchen hier 
vollfommen (perfectus) heißt, welche Bedeutung auch das Alt» 
fol bat. 

&o führt der Verf. nun weiter die verflorbenen Glieber 
(die Jungfrau Maria, Propheten, Apoftel, Märtyrer, Eonfef 
foren, Heilige), die kirchlichen ümter (Kierus, Papft, Erz 
bifchof, Biſchof, Dekan, Propft, Yriefter, Diakon u. f. w.), die 
kirchlichen Geßäude und Beräthe, die Feſte und heiligen Zeiten, 
Gottesdienft, Sarrament, Beilige Schrift, dann die Dogmali« 
fen. Begriffe aus. Es werden allenthalben bie althochdeut⸗ 
[hen Wörter den neubochdeutfchen zur Seite geftellt: wenn 
nur die gar nit hierher gehörigen, Die Überfit flörenden 
weitläufigen Erklaͤrungen der Begriffe felbft mit ihrem Zurüd: 
gehen auf Griechiſch und Sebräife weggeblichen wären, welche 
man in einem dogmatifchen Lehrbuche mit mehr Net etwar⸗ 
tet, die aber bier gewiß nicht an ihrer Stelle find, weil im 


Fee Falle das althochdeutſche Wort nicht etymo⸗ 


logtfd behandelt wird. Gute Bemerkungen find 3. B. in der 
Anmerkung zu &. 338 über die Etymologie des Wortes Gott, 
zu &. 376 zu der Formel „dieſe Welt”. Unftatthaft ift dage⸗ 
gen auf jeden Fall die Burüdführung des suona (Gühne) auf 
gleiche Wurzel mit dem lateinifchen sanus, wenigftene entgehen 
uns dazu die Mittelglieder ganz. Selten nimmt der Verf. auf 
das Gothiſche Rüdfiht, und Ref. meint, daß er, flatt die an» 
geführten Begriffe aus dem Griechifhen und Hebräifchen zu 
erBlären, tieber die althochdeutfhen von dem ®othifchen aub⸗ 
gehend hätte erflären follen. 








Um aber zulegt noch an eimem Beiſpiel zu zeigen, wie 

. dv. Raumer feinen Rachweifungen über die Einwirkung des 
riſtenthums auf die deutſche Sprache einen wiſſenſchaftlichen 
Werth hätte verleihen. können, wählt Ref. das Wort Zeufel. 
Den Germanen waren ihre böfen Wefen weiblichen Ba 
die Gothen überfegten daher den neuteftamentlichen Diabolos 
und Satanas, fowie im Allgemeinen die Dämonen durch un- 
hulbo (fem.), und fo fteht auch noch in einem althochdeutichen 


Hymnus das Femininum unholda.. Es ift Dieb alfo nichts” 


Merkwürdiges, wie Hr. v. Raumer bei Gelegenheit der Anfüh⸗ 
zung diefee Stelle darüber (S. 383) fagt. Uber durch chriſt⸗ 
lihen Einfluß wurden fchon den Gothen ihre Unholdinnen bald 
au Unholden, und in den, auch aus fprachlichen Gründen fpäter 
entftandenen Überfegungen der Yaulinifhen Briefe, fowie in 
unferer Recenfion des Lukat und des mailänder Matthäus heißt 
der böfe Geiſt, der Teufel, unhulpa (masc.), Hätte der Verf. 
auf diefe und ähnliche Weiſe feine Unterfuchungen betrieben, 
Tönnten wir Biel lernen, und er würde uns fi zu Dante 
verpflichtet Haben: fo aber liegt der ganze Werth feiner Ur: 
beit in der Bufammenftelung der chriftlichen Begriffen ent- 
prechenden althochdeutfchen Wörter, die auch anderwärts, 3. B. 
in Graff's „Althochdeutihem Sprachſchatz“ zu finden find; und 
das Refultat, welches er für ſich gewonnen hat, nämlich, daß 
nach diefen auf chriftliche Lehre und chriſtlichen Eultus ſich be: 
ziehenden Wörtern und Austrüden des Althochdeutfchen geſchloſſen 
werden müfle, die „‚Hriftliche Weltanfchauung” habe den Geiſt 
des deutfchen Volkes fchon damals gänzlich durchdrungen, ift 
weder überzeugend dargethan, noch würde es, wenn es wäre, 
von erheblichem Werthe für die Sprachforſchung fein. 

Man wird von dem Bude des Verf. urtbeilen müflen, 
daß die beffern Partien befielben, wie die literarifchen Nach⸗ 
weifungen über die althochdeutfhen Quellen und die Nachwei⸗ 
fungen über die Geſchichte der älteften deutſchen Kirche, nicht 
bierher gehören, daB aber das hierher Gehörige in Gedanken 
und Ausführung viele ſchwache Seiten habe. Ref. erlaubt ſich 
noch fchließlich e6 auszufprechen, daß man zu wifienfchaftlichen 
Unterſuchungen dieſer Urt weniger befangen in irgend einer 
Glaubensrichtung kommen, das religiös » praßtiihde Moment 
möglicäft bei Seite liegen lafien und — um verftändlih zu 
fein — in feinen Zerminologien beftimmter fein und einem 
angenommenen Gebrauche folgen müfle. + Röbe. 


Bibliographie. 


Adami, F., Sonnenblumen. Almanach Hiftorifcher und 
moderner Novellen für 1847. Bter Jahrgang. Berlin, Behr. 
8 1 Thlr. 15 Rer. 

Anger, C. T., Erinnerung an Bessel’s Leben und 
Wirken. Danzig, Weber. Gr. 8. 6 Ngr. 

Bader, I3., Die ehemaligen breisgauifhen Stände, dar: 
geftellt nach ihrem Urfprunge, ihrer Berfaffung, ihren Leiſtun⸗ 
an und Schickſalen. Karlsruhe, Madlot. Gr. 8. 1 Ihr. 

r. 


9 

Tollombet, F. 3., Geſchichte des Kirchenvaters Hiero⸗ 
nymus. Sein Leben, feine Zeit, feine Schriften und feine Lehre. 
Rah dem Pranzöfifchen bearbeitet von 8. Lauchert und U. 
Knoll. Ifte Lieferung. Rottweil a. R., Seger. Gr. 8, 
1 Thlr. 25 RNgr. 

Eugen, Herzog von Württemberg, Grinnerungen 
aus dem Feldzuge des I. 1812 in Rußland. Als Commentar 





zu mehreren vorausgegangenen, diefen Gegenftant betreffenden 


Schriften. Breslau, Graf, Barth u. Comp. &r.8. 2 Xplr. 

Germann, Anfihten über das deutfche Wehrmwefen, mit 
Berſuchen zu feiner Vervolllommnung. 2te Auflage. Erlan⸗ 
gen, Enke. Br. 8. 23 Thlr. 

Gutzkow, K., Sefammelte Werke. VBollftändig umgear: 
beitete Ausgabe. I2ter Band: Briefe aus Paris 1842. Pa⸗ 
rifer Gindrüde 1846. Frankfurt a. M., Literarifche Anftalt. 
8. 26%, Nor. i 


Habel, &., Der Karthäufer. Leipzig, Brolhaus. 12. 


16 Ror. 

8 inrichs, Der Didenburgifche Berfaffungsftreit nad ge: 
drudten und ungedrudten Quellen. Gin Beitrag zur Erürte: 
rung des deutſchen Verfaſſungsweſens feit dem Befreiungskriege 
bis za unfere Zage. Gudenburg Magdeburg, Koch. Gr. 3. 

gr. 

Holger, 9.v., Elemente der Geognoſie nach ſtreng wiſ 
ſenſchaftlicher Eonfequenz. Ifte Abtheilung: Petrographie. Bin, 
Kaulfuß Wwe., Prandel u. Comp. Sr. 8. 1 Ile. 

’ Bene 9 as 8. je von aemer Geburt bis zum U: 
aßftreite. — . ter Band. Leipzig, Brochari 
&r. 8. 2 Zhlc. 15 War. eben, Diode 

Keil, J. G., Das alte Mom, oder ausführliche Dorkd: 
lung der Sitten und Gebraͤuche der alten Römer, nebft kurze 
5 ihrer Literatur. Iſte Lieferung. Naumburg. Sr. 8. 

s gr. 

Kohlbrügge, H. F., Das alte Jeſtament nad) feinm 
wahren Sinne gewürdigt aus den Schriften der Evangeliſen 
und Apoſtel. Ifter Theil. — U. u. d. T.: Wozu das alte Ir: 
flament? Unleitung zur rigtigen Schägung der Bücher Ro: 
ſis und der Propheten. Elberfeld, Loͤwenſtein und Gom. 
®r. 8. 15 Nor. , 

Die Königsbraut. Hiſtoriſche Erzählung in zwei Bänder 
Rach geheim gehaltenen Handfchriften der Bibliothek des Ha: 
3098 von Rinares bearbeitet von V. di Lopez und F. v. Ball: 


moden. Zwei Theile. Braunfdweig, &. ©. E. Meyer 


8. 1 Thlr. 10 Ror 


Lieder der Kirche. Deutiche Rahbildungen alt-lateiniihe | 
t 


Driginale. Schaffhaufen, Hurter. 8 1 Thir. 
Maus, I., Leben und Nachlaß. Herausgegeben von $. 
Sander. Zwei Iheile. Darmftadt, Pabſt. 8. 25 Kar. 
Neumann, K. F., Gefchichte des englifch = hinchidt 
Krieged. Leipzig, Teubner. Gr. 8. 2 Thlr. 
- Dettinger, ©. M., Ioujour. Humoriftifch : ſatiriſches 
gefekabinet. 6ter Band. Leipzig, Neclam jun. (Gr. 16. I äh. 


gr. 

Die Oppofition. Herausgegeben von 8. Heinzen. Ra: 
beim, Hoff. Gr. 8. 1 Thir. 10 Nor. 

Der neue Pitaval. Eine Sammlung der intereffanteken 
Griminalgefichten aller Länder aus älterer und neue Zeit 
Herausgegeben vom Griminaldirector Higig und W. Härinı 
(WB. Alerib). Oker Theil. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 22: 

Reden, Freih. F. W. v., Die Eisenbahnen Frax- 
reichs, statistisch - geschichtliche Darstellung ibrer Entie 
hung, ihres Verhältnisses zu der Staatsgewalt, sowie ihre 
Verwaltungs - und Betriebs-Einrichtungen. Bertin, Mittler. 
Gr. 8. 3 Thir. 10 Ngr. 

— — Eiſenbahn⸗Jahrbuch für Bahn: Beamte und Staat: 
Behörden. 16 Zafeln zur vergleichenden Statiſtik des Baud 
und Betriebes der deutfchen Eifenbahnen, von ihrem Gntfch" 
bis zu Ende des Jahres 1845. After Jahrgang (1846). Br: 
Im, Mittler. Gr. 8. 2 Thir. 8 Ngr. 

Rellſtab, L., Sefammelte Schriften. Reue Folge. en 
und Ater Band: Erzählungen. Ifter und 2ter Theil. Leipzi 
Brodhaus. Gr. 12. 2 Thlr. 

Sadi's, Mosliheddin, Nofengarten nad dem Zertt 
und dem arabifchen Commentare Sururi’s aus dem Perfiſhe 
überfegt mit Anmerkungen und Zugaben von 8. 9. Gr! 
Leipzig, Brodhaus. 12. 1 Zhle. 6 Nor. 

Shartau, ‚ Zehn Predigten nebſt einer kurzen Rob- 
richt von feinem Leben. Rach dem Schwedifchen von K.Hrint 
Potsdam, Riegel. 8. 16 Nor. . 

hefer, L., Der Weltpriefter. Nürnberg, Stein. " 
I Thlr. 15 Rgr. 

Skizzen aus dem häuslichen Leben. Aus dem Schwedilh. 
Zwei Theile. Leipzig, Brodhaus. Gr. 12. 1 Tple. 10 Ri 

Deutfche Zeitung ohne Eenfur. Mannheim, Hoff. Ge". 
I Thlr. 20 Rear. 


Berantwortliber Deraußgeber: Heinrich Wrodjans., — Drud und Verlag von F. X. Vrockhaus in Leipzig. 


Blätter 


fur 


literarifde Unterhaltung. 


+‘ 





greitag, 


— Kr. 240, — 


28. Auguft 1846. 





Geſchichte des Urſprungs und der Entwidelung des 
franzöfifchen Volkes c. Von Eduard Arnd. 
Dra Bände. 

Zweiter und legter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 238.) 


Die große Aufgabe gegen außen mar gelöft, und 

der Bedankte Habsburgifcher Univerfalmonardie, dem 
Frankreich fo viele Jahre widerftanden, endlich durch 
einige deutſche Fürſten und Städte, die ſich zum Aus⸗ 
druck des deutſchen Naturverhältniſſes machten, definitiv 
vereitelt worden: — ein Umſtand, beiläufig geſagt, deſ⸗ 
fin Betrachtung den Verf. doch, hinfichtlic feiner An- 
ſchauung des damaligen Deutfchlands und feiner Ent- 
widelung das Mittelalter hindurch, etwas flupig machen 
ſollte. Noch war Frankreich nicht dahin gediehen, die 
DOffenfive ergreifen zu önnen, und fo begann 
für Frankreich eine der wildeſten und zerriffenften Epochen, in 
der alle damals vorhandenen Elemente des öffentlichen Lebens 
fi untereinander mit ſtets wachſender Leidenſchaft bekämpfen 
und, die beflen Kräfte des Staats in einer furchtbaren Gäh⸗ 
vung erihöpfend, denfelben der Auflöfung entgegenführen. 
Das Aelultat diefer Kriege, die Erhaltung des Raßolieismus 
in Srankreih und fein Sieg über die befondere Überzeugung 
und Stimmung eines Könige, der fo lange an der Spige ber 
Reformirten in feinem Lande geftanden, beweift hinlaͤnglich, 
daß ihr vorherrfchender Charakter, fo viele andere Elemente 
auch zu ihnen hinzutraten, dennoch religiöfer Natur war. Die 
Macht der Krone mit der Kirche im Lande ward, nad) Been- 
digung der religiöfen Kämpfe, noch unumſchraͤnkter als früher, 
und die Überrefte des Feudalweſens geriethen in noch tiefere 
Abhangigkeit. Auch der religiofe Fanatismus und die Bäh- 
rung, die erheroorgerufen, waren nur eine Epifode im franzöft: 
ſchen Leben und nicht defien Grundton: eine Epifode, nach de: 
ren Beendigung eine von allen höhern und überfinnlichen Prin- 
apıen fi immer mehr loßfagende Richtung von neuem herr: 
ſchend wurde. Sobald die Gefahr einer politifchen Epaltung 
verüber war, nahm der finnliche und weltliche Charakter der 
Rition wiederum überhand und ließ den Katholicismus nur 
als ein Mittel der innern Einheit und äußern Ordnung zu. 


In diefem Sinne halten ihn die Staatdmänner unb 
fogenannten Gebildeten in Frankreich noch heute. Wir 
übergehen die häufig fehr intereffanten Beurtheilungen und 
Betrachtungen, mit denen ber Verf. diefe merkwürdigen 
Vorgänge zunächft durch die Negierungen Franz II. und 
Karl's IX. begleitet. Am Schluffe der legtern faßt er 
die traurigen Scenen in ein Gefammtbild zufammen. 
Hier fagt er unter Anderm (II, 510): 


In diefer Epoche der Regierung Karl’s IX. treten alle 
Mängel des frangöfifchen Charaktere, kaum durch einige feiner 
eigenthümlichen Vorzüge gemildert, auf das grellſte hervor. 
Graufam, nicht aus unbewußter Roheit, fontern mit Abficht 
und aus Grundfag ; religiös-fanatifch, nicht ſowol aus beſchraͤnk⸗ 
ter Leidenfhaft, aus Liebe zu feinem @lauben, wie der Spa⸗ 
nier, als vielmehr aus verlegtem Stolz über eine vermeinte 
Auflehnung gegen bie von ihm angenommenen Formen der al- 
ten Religion; treulos, nicht aus einer zur andern Natur ge: 
wordenen Selbftfucht, wie der Italiener, fonderne aus Leicht: 
finn, aus Beratung des Guten: erfcheint der Franzoſe da⸗ 
mals mit faft allen Mängeln anderer Nationen behaftet, 
obwol fie bei ibm aus einer andern Quelle herrübren. Zu 
dem Allen trift in dieſer Epoche im Charakter des ganzen 
Volkes, beſonders aber in dem der höhern Claſſen, noch 
eine ganz beſondere, ſo zu ſagen erkuͤnſtelte Verwilderung, 
eine ſyſtematiſche Loͤſung der ſittlichen Bande hervor. Verrath 
und Meuchelmord ſind in jener Zeit an der Tagesordnung, 
werden am Hofe wie im Lager, von den Höchſten und von 
den Riedrigſten als etwas ganz Natuͤrliches und Gemöhnliches 
geübt. Zugleich wird ſchon damals, wie fo oft fpäter unter 
den Franzoſen, neben der Verachtung aller fittlihen Borfchrif: 
ten, eine pebantifche Beobachtung eines gewiſſen Scheines der: 
felben fichtbar, welche die Idee mit Füßen tretend fich vor 
deren Form zu beugen fcheint, mit der Begehung des Boͤſen 
nicht zufrieden, noch den Spott über das Gute hinzufuͤgt und 
ſich darin gefaͤllt, das Natürlichſte oder Graͤßlichſte als etwas 
Gewohntes und Gewoͤhnliches zu vollbringen und ſich dabei mit 
einem gewiſſen theatraliſchen Anſtande zu bekleiden. Der ei- 
genthümliche Mangel an Ausdauer und Standhaftigkeit im 
Charakter dieſes Volkes, die ebenſo leicht unterbrochene als ſich 
ebenſo leicht immer wieder erneuernde Richtung ſeines Willens, 
erſcheint in den fünf innern Kriegen, wo die kaͤmpfenden Par⸗ 
teien ſchnell ermüden, aber auch ebenſo ſchnell ſich wieder er⸗ 
holen. Reben einer Art phantaſtiſcher, Bacchantiſcher Luft der 
zum wi Italien entlehnten Zänze, Feſte und Maskeraden 
des Hofes und der nordifchen Zurnier: und Waffenfpiele geben 
ascetiſche Übungen, aberglaubige Beforgniffe, wilde Ausbrüde 
ded Haſſes und Reides, tief angelegte Pläne der Ehr: und 
Habſucht einher. Died Alles drängt fi in bunter ungeregel- 
ter Fülle, zum Gchreden wie zum Ergögen, zur Beichäftigung 
wie zur Berftreuung zugleich erfunden, durcheinander und ge: 
währt das Bild einer ganz befontern, bald beraufchten, bald 
nüchternen, rohen und verfeinerten, halb natürlichen, halb 
Fünfttihen Verdorbenheit. Mitten unter diefem wilden und 
zerftörenden Zreiben werden, und nicht fo felten als man 
glauben follte, Züge einer erhabenen und aufopfernden Gefin- 
nung, eine8 großen Edelmuthes, einer einfachen Größe, zumal 
unter den Hugenotten fichtbar, wo Eoligny, Dandelot, La Roue 
und viele Andere, unter andern religiöfen und politifchen For⸗ 
men, an manche Helden des Alterthums erinnern und der mor 
ralifhe Stolz des franzöfifchen Volkes zu diefer Zeit find, ob⸗ 


ı gleich diefe Vorzüge auch in der Gegenpartei nicht ganz fehlen. 


“ 





Der rafche Muth, die augenblidlih flammende Begeifterung, 
der Drang nach Eintfcheidung, die Fülle thatkräftigen Lebens 
und Geiftes, Eigenfchaften, die den Franzoſen zu allen Zeiten, 
wo fie ſich geltend machen koͤnnen, außzeichnen, treten in die 
fen Kämpfen im hoͤchſten Maße hervor und geben’einen Be⸗ 
weis für die große Fähigkeit und glüdliche Organifation die: 
ſes Volkes. 

Nun, die Faͤhigkeit geht doch blos auf gewiſſe Dinge 
und in den wichtigſten Beziehungen nur bis auf eine 
ziemlich nahe geſteckte Grenze, und dieſe Organiſation 
möchten wir feine ſehr glückliche nennen. 

In einem Rudblid auf die Regierung Karl's IX. 
betrachtet der Verf. nochmals das Königthum unter den 
Valois, fucht einige Gründe auf, warum bie Reichs⸗ 
ftände erlahmten, findet fhon in dem Mangel einer aus- 
gebildeten Sprache manchen Grund für ein Zurüdblei- 
ben auch in andern Beziehungen, wobei er eine interef- 
fante Erörterung über die (uns fehr zweideutig erfchei« 
nende) Bedeutung der Beredtſamkeit, deren fprachlicher 
Zufammenhang mit dem Überreden fehr bedenklich ift, 
anftellt, verbreitet fi) aber weiterhin über die fonftige 
Thätigkeit der Regierung und Verwaltung , wobei aud) 
der erfte Anfang des unheilvollen Prohibitivfgftems vor- 
fommt. Wir vermiffen in dem Allen hauptfächlich die 
bier befonders Tichtgebende WVergleihung mit England. 
Dann führt der Verf. wieber die äußere Gefchichte bis 
zum Erloͤſchen der Valois fort, deren ganze Epoche er 
nochmals charakterifirt und dann ihre Wirkungen zu- 
nächſt auf Paris ſchildert, das fi) in der Epoche von 
Karl IV. bis Heinrich IV. allerdings, ſowol feiner äußern 


-Geftalt al8 den in ihm berrfchenden Sitten nad, bedeu⸗ 


tender veränderte als in der vorhergegangenen Epoche. 
Hier kommt auch die Literatur und dramatifche Kunft 
in Erwähnung. 

Der dritte Band, die Zeiten Heinrich's V., ber 
Fronde, Richelieu's, Mazarin’s, Ludwigs XIV., Lud⸗ 
wig's XV. und die unmittelbaren Ereigniffe vor dem Aus- 
brucd der Revolution umfaffend, ift natürlich befonders 
reih an intereffanten Schilderungen und Betradhtungen. 
Indeß liegen hier die Gegenftände, über welche fich dieſel⸗ 
ben verbreiten, zu nahe, als daß wir bei dem Umfange, 
den unfere Anzeige bereit erreicht hat, uns noch veran- 
laßt hielten, den Verf. in gleicher Specialität zu beglei- 
ten, wie bei den frühern Bänden. Heinrich IV. mird 
nad Verdienſt als mahrhaft großer König gewürdigt. 
Doch unterläßt der Verf. nicht, nachdem er den an frü- 
here Vorgänge erinnernden, eine Zeit lang ausbrechenden 
Fanatismus der Parifer gefchildert hat, die zunächft 
wol aus Erfchöpfung fliegende Abnahme des politifchen 
Geiftes in der Nation hervorzuheben. Sie mußte mit 
zunehmender Gentralifation nur wachfen, und in gar 
manden ber vorhergehenden und nachfolgenden Zudun- 
gen verbirgt ſich ein natürlicher Widerftand gegen diefe 
vorfchreitende Centralifation, der aber, aus Mangel an 
organifhen Anfangspunften, faft nie zum Bewußtſein 
fommt. Wir machen ferner auf die ausführliche Erör- 
terung über Katholiciemus und Proteftantismus auf- 
merkſam, zu welcher dem geift- und Eenntnißvollen Verf. 


8 


bie Verflechtung Frankreichs in den deutſchen Dreifig 
jährigen Krieg Veranlaffung gibt. Am Schluſſe von 
Nichelieu’s Laufbahn fagt er (IT, 206): 

Rihelieu'6 Verwaltung, die, auf Beine abfolut wahre, reli⸗ 
giöfe oder rechtliche Fundamente geftellt, alle moraliſchen Ideen 
nur ald Mittel für einen rein äußerlichen und endlichen Ind 
betrachtete und fie, diefem zu Gefallen, bei jeder Gelegenheit 
bog oder brach, trug mehr ald eine der frühern Epochen der 
franzöfifchen Gefchichte dazu bei, der im innerften Weſen dieſet 
Volkes ruhenden materiellen Richtung und feiner Neigung, den 
Verſtand und deffen wandelbares Zormenfpiel über unmittelbare 
Anerkennung abfoluter, religiöfer oder moralifcher Principien 
zu ftellen, eine neue Nahrung zu geben. Nicht daß er Diele 
Richtung gefhaffen: fie war in dem Charakter der Nation 
längft vorhanden, von dem Einfluffe der theofratifchen und 
feudalen Ideen und Einrichtungen in ihrem Fortſchritt aber 
aufgehalten worden; mit der Ausbildung der abfoluten Monar: 
hie begann fie aber, jich des gefammten Lebens der Nation w 
bemädtigen. Richelieu begründete dieſes Syſtem, alle relige 
ſen und moraliſchen Principien nur als Mittel einer politiſchen 
Selbſtſucht anzuwenden, dieſelben je nach den Umſtaͤnden an: 


zuerkennen oder zu vernachlaͤſſigen, zu verlegen oder zu entfte: 


len; während das Mittelalter, jo lange es als ein Ganzes 


wirkte und lebte, in feiner geiftlichen und weltlichen Organe 


fation einen Schag abfoluter, unbeugfamer, Zedem zugängliäer 
und gegenmwärtiger Vorſtellungen enthielt. 
Egoismus, den Richelieu, mehr ald vor ihm gejchehen, zum 
berrfchenden Grundfag erhob, blieb aber nicht in diefer Sphäre 


ftehen, ſondern verbreitete ſich bei der größeren Einheit, zude | 


alle franzöfiichen Zuftände im 17. Jahrhunderte fortyejchritten, 
in der ganzen Ration und verbarb deren Sitten und Gefühle. 
Sie trennte fortan, ihre Gebieter und Meifter nachahmend, ihre 
Intelligenz von ihrem ſittlichen Dafein. Diefe einfame Kich 
tung des Berftandes, von allen allgemein anerkannten morali 
ſchen Grundfägen frei, das &picl des Urtheils, der Phantaſie, 
von jedem religiöfen und moralifhen Gehalt entblößt, machten 
fih vom 17. Jahrhundert an mit einer ſich immer mehrenden 
Gewalt fund und riffen das franzöfifche Leben am Ente des 
18. Jahrhunderts in einen Abgrund, aus dem es ſich his jet 
noch nicht vollkommen herausgearbeitet hat. 

Intereffant ift aud) der Abfchnitt: Paris unter Hin 
rich IV. und 2udwig XII; dann, wie die Fronde auf 
dem innern Zuſtande Frankreichs erflärt wird. Den 
größten Theil dieſes Bandes befchäftigt Ludwig XIV., um 
ed verfteht fih, daß feine Regierungszeit zu gar man 
hen tief eingehenden Erörterungen Anlaß gibt. Ds 
allgemeine Regierungsfuften, die wirthſchaftlichen er 
hältniffe, die veligiöfen Angelegenheiten werben übt 
Pomp und Geräufh des Hofes und der auswaͤrtigen 
Händel und Kriege keineswegs überfehen. Liber ben Kö— 
nig felbft weift der Verf. das Ubermaß von Lob und 
Zabel mit Recht zurüd und charakterifiet (IT, 562) die 
Nefultate feiner Regierung fehr treffend, Auch am 


Schluſſe diefer Regierung betrachtet der Verf. Parb 


und die Sefammtentwidelung. In dem folgenden U 
fhnitte macht der Verf. bei Gelegenheit der Abneigung 
des franzöfifchen Volkes gegen Ariftofratie und Hierar- 
hie, die er zunäͤchſt dem Misbrauch jener Inſtitute zw 
Laft legt, die richtige Bemerkung (III, 625): 

Die Mehrheit der franzöjifchen Nation if aus Gründen, 
die in ihrer ganzen Entwidelung liegen, mehr negativ = liberal 
als pofitiv -demokratifch, mehr monarchiſch als ariftokratifd ge⸗ 
finnt, mehr für eine in der Idee formell beftimmte als in der 
Wirklichkeit fih überall bethätigende reelle pofitifche Freiheit 


Diefer pelitifde 





gemacht: eine Stimmung des nationalen Geiſtes, die in der 
Felge vielfältige Modificationen erfahren kann, als ein Grund» 
zug des franzötifhen Charakters ſich aber immer, felbft unter 
den widerftrebendften Bormen, geltend machen wird. 


Es gilt Das übrigens nicht blos von der fogenann- 
ten „politifchen Freiheit”, fondern auch ganz befonders 
son der eigentlihen und reellen Freiheit, der perfönlichen; 
gilt auch nicht blos von den Franzoſen, wennſchon biefe 
jne Art des Liberalismus in Syftem und Formeln ge- 
bracht und den Schwachkoöpfen anderer Nationen eingeimpft 
haben. Noch machen wir auf die Bemerkungen über die 
Theorien, welche unter Ludwig XV. und Ludwig XVI. auf: 
fimen, über den Sturz der Sefuiten und über den Tiers⸗ 
Erat aufmerkfam. Im Ganzen wiegt, befonders im brit- 
ten Bande, die äußere Gefchichte mehr vor, ale eigent- 
ih dem Plane des Werkes gemäß ift; es wird aber 
Ales fo einſichtsvoll und anziehend behandelt, daß bie 
meiſten Lefer dem Verf. für diefe Abweichung nur Dank 
wiffen durften. 97. 


Lieder vom armen Mann. 
Haus Rothſchild von Karl Bed. Leipzig, Hermann. 
1846. 8. 1 Xhle. 20 Nor. 


Benn man in einem ganzen, ftundenlangen Geſpräch Richts 
gehört hat als Leidensgeſchichten, Mifere hüben, Mifere drü: 
ben, von Unglüdsfällen, Sammer, Krankheit, Banfrotten, die 
binter uns liegen und vor uns drohen; wenn jeder Verſuch, das 
Geſpräch ur andere, erbeiternde Gegenftände zu wenden, um: 
jonft war, weil das Miasma, welches einmal in der Luft lag, dem 
harmiofeften Athemzuge fogleih feine bleigraue Faͤrbung auf: 
baute: fo geht man mißvergnügt nad) Haufe. Man kann es 
nicht wegleugnen, was uns erzählt worten, aber was uns vor» 
hin im Geſpraͤch, weil ed fo Schlag auf Schlag Fam, über: 
mannte, ordnet und ſetzt fih in der Stille der eigenen Be: 
txachtung wie ein aufgerührtes trübes Wafler: die erdigen 
Subftanzen fegen ih, das Wafler wird oben zulegt doch Bar. 
Bir fihten und fondern auch. Einiges Unglüd läßt fi in 
einem ganz andern Lichte betrachten: wir erbliden fogar gün» 
flige Folgen; anderm läßt fich noch fteuern ; eins erfcheint als 
gerechte Strafe und Vergeltung: die Laſt, weldde unſere Bruft 
drüdt, wird dadurch geringer. Endlich — bleibt zwar wirkli⸗ 
bes, unableugbares Unglüd genug zurüd, aber der Troſt 
ſchleicht fi von felbft in unfere Brufl. Wir fühlen, es war 
dos vorhin ein Fieberzuftand: die Wirklichkeit ift nicht und kann 
nicht ein ſolches Gemälde von Grau in Grau fein, fonft wäre alles 
Beftehende ſchon laͤngſt in fich felbit zerfallen. Zwiſchen ber 
glübenden Hige, die Alles verfengt, wird doch ein kühlender 
Kuftzug geweht haben, fonft lebten die Thiere und Menſchen 
nicht mehr; es wird einmal in der Dürre geregnet, gethaut 
baben, fonft könnte ja Nichts grünen und wachſen. Oder, wo 
überall Sturmwolfen, Plagregen, Schnee und Zroft unfer Blut 
erftarren, wo wir rings um uns Nichts als Eißfelder und grauen 
Himmel jehen, wird die Sonne doch zuweilen gefchienen ha⸗ 
ben; es wird flille, warme Hütten geben, fonft wäre ja Alles 
erfreren und erftarrt. Auf diefen Troft im Organismus der Na⸗ 
tur ift Jeder hingewiefen, der fie nicht mit ganz flumpfen 
Sinn betrachtet. Nah Regenfagen muß die Sonne wieder 
feinen. Und die äußere Ratur iſt das treue Symbol der in» 
nern Ratur des Menſchenlebens. Nur darüber ängfligen uns 
Zweifel, wie das Maß zwiſchen Sonnenfhein und Regentagen 
im Wlgemeinen und wie es zwifchen den Einzelnen vertheüt 
it; und nur die Frage fleigert den Zweifel oft zur Verzweif⸗ 

lung: daß unfere menfchliche Klugheit nicht begreift, warum die 
Beisheit über uns in ihren Schickungen nicht mit den Leiden 


Mit einem Vorwort an das 


anfängt und mit den Freuden enden läßt; warum der Anfang 
oft fo rofenroth und das Ende grau if; warum der Sonnen» 
fchein fo felten auf das GSterbebett ſcheint? 
Das Alles find freilich Fragen, die uns furchtbar quälen, 
aber im Leben muß es ſich doch einigermaßen ausgleichen, fonft 
hörte das Leben auf Leben zu fein. Wenn uns nicht der Leicht» 
finn, die Hoffnung , irgend ein Glücksfall darüber hinwegſetzte, 
auf Stunden, Zage, Monden un die Leiden vergeffen ließe und 
Kraft gabe zum Zeugen und Schaffen: was würde dann aus 
der Welt, die zum großen Theil auf Illuſionen gebaut ift, von 
ihnen gehoben, angefeuert zum Schaffen, bunt, reich, beweg- 
id, nad vorwärts firebend?! Wenn uns ehedem die Fragen 
quälten und übermannten, flüchteten Die, welche nicht in der 
Religion oder in der Refignationsphilofophie Troſt fanden, zur 
Kunft und Poeſie und ließen fi von ihnen in füße Traͤume 
einlullen, um felige Bergefienheit des wirklichen Elends zu er: 
taufen. Und nun ift auch diefer Zroft dabin! ſeit Die Poeten 
nicht allein wahr fein wollen, fondern auch fich zur befondern 
Aufgabe geftellt haben, die Leiden des Menſchengeſchlechts zu 


beſchreiben. 
Was taͤglich unverdroſſen 

Nach Kehricht ſucht in verpeſteten Goſſen; 
Was wie der Spatz nach Futter ſchweift; 
Was Toͤpfe flickt und Scheeren ſchleiſt; 
Was, ſtarren Fingers, die Waͤſche ſteift; 
Was keuchend ſchiebt des Karrens Wucht, 
Beladen mit kaum gereifter Frucht; 
Was weinerlich ſingt: Wer kauft? wer kauft? 
Was um ben Heller im Schmutze rauft; 
Was täglid an den Steinen der Eden 
Den Gott befingt, an den es glaubt, 
Kaum wagt die Dänbe binzuftzeden, 
Dieweil bad Betteln nit erlaubt; 
Was tauben Ohrs in Hungerd Nöthen 
Die Darfen frielt und blaͤſt die Flöten, 
Jahr aud Jahr ein denfelben Chor — 
Vor allen Fenftern, an jedem Thor — 
Die Aindermagd zum Tanze flimmt, 
Doch felber nie dad Lied veraimmt; 
Was Nachts die große Stadt erhellt, 
Und felb ein Licht im Daufe bat; 
Was Laften trägt und Holz zerfpellt, 
Was berrenloß, was berrenfatt, 
Was boten und kuppeln und flehlen läuft, 
Den Reit des Gewiſſens wuft verfäuft! 


Daß die Rovelliften diefe Thema wählten, ift eine hat: 
fache, deren Berechtigung vielfach beftritten und behauptet wird. 
Wir wollen es zugeben, fie hätten ein Recht gehabt, die My⸗ 
fterien zu enthüllen, damit die Policei und die Menfchenfreunde 
helfen konnten. Wie fteht es aber mit dem Recht der Iyrifchen 
Dichter? Weshalb fingen fiet Den eigentlichen Poeten ge: 
ftattet die Policei Vieles, weil die Poeten nicht für rechte prak⸗ 
tifhe Menfchen gelten; weil es Wefen waren, die, nach dem 
alten Glauben, in den Wolken, alfo von der Lüge lebten. Ihnen 
erlaubte fie ein freies Wort, weil es Loch nur Dunſt fei. Iſt 
ed anders geworden? Ja, ich glaube es wenigftens, aber die 
Policei 1.9 nit. Sie weiß recht gut, daß Lieder vom armen 
Manne nicht vom armen Manne gelefen werden; und wenn fie 
diefelben etwa verbietet und aufgreift, gefchieht es nur, weil 
e8 ihr befohlen wird. Diefe Iyrifhen Poeten koͤnnen alfo 
fchwerlich darauf rechnen, wie Eugen Sue der Verwaltung 
Winfe zu geben, wo fie eingreifen und beffern fol. Sie dürs 
fen, fie koͤnnen ja nicht fagen: Straße da und da findet ſich 
da 8 Unrechte und das Schlechte: da feht nach, greift ein und 
heift! Ihre Anführungen, ihre Bilder find allgemeiner Art; 
der Policeimann und der Philanthrop fagen dazu: Dos mußten 
wir ſchon längfl. ‘ 

Der Glaube der Poeten ift Peinem Symbolzwange unter: 
worfen: die Gebiete, welche fie berühren, find mit Peiner Grenz⸗ 





mark begeignet. Das müflen wir fefihalten, und fern fei es 
von uns, ihnen neue Grenzen ziehen zu wollen oder ihnen un⸗ 
terfagen wollen, Die Leiden der Armuth zu fingen. ber ein 
inneres Geſetz hat jeder Dichter, es heißt: Die Beihränfung auf 
den Raum. Hinhauchen darf er Alles, und ift er der rechte 
Dichter, fo muß Jeder aus den Andeutungen das Bild fehen, 
den Sinn verftchen. &o lernten wir viele begabte Dichter legt: 
bin kennen, die von communiftifchen Ideen begeiftert biigfchnell 
Seenen des menfchlichen Keidens, die Seufzer der Armuth in 
Berfe zauberten; aber fie hüteten ſich davor, alle Arten, wie 
die Armuth unter dem Drud des Reichthums und ber Berhält- 
niſſe leidet, tabellarifh zu befchreiben. In dieſen Irrthum 
ſcheint uns bier ein wirklicher Dichter, Karl Bed, verfallen: 
er gibt uns in den „Liedern vom armen Mann“ einen Homerifchen 
Schiffskatalog aller Methoden, wie der Arme ins Unglüd 
kommt und nicht wieder herauskann; bödft praktiſche, wahr: 
Haftige, wie vom Blumenmäbden, dab gefallen if, ein Kind 
kriegt, Umme werden muß bei dem Kinde einer reihen, ge« 
abelten Banquiersfrau, dieſes mit ihrer gefunden Milch nährt, 
während ihr eigenes Kind bei Waffer und Schlägen auf dem 
Dorfe ftirbt, wie fie dann entlaffen wird mit ihrem Lohn, rich» 
tig ausgezahlt, abgelegten vornehmen Kleidern und der Unluft 
zu dienen, und ber Kupplerin nun in die Hände fällt. 

Gin wahrer Poet kann und darf Viel, aber wir fragen 
Karl Be, ob er fi felbft durch feine „Lieder vom armen 
Mann’ befriedigt findet? Kann er fi nur fagen, wenn er 
als Menfchenfreund das Unglüd der Armen regiftriren wollte, 
daß er vollftändig feit Er hat doch immer nur als Dichter 
geihöpft, denn die Natur eines Poeten verleugnet fih nicht. 
Kann er fi fagen: Ich babe den Armen geholfen, denn ich 
babe die Humanität auf ihre Zuftände zuerſt aufmerkſam ge: 
macht? Kann er fi) dab Seugniß geben, daß er ein Troft- 
bild für die Leidenden hingeſtellt? Das müßte doch die Poe⸗ 
fie, irgend einen befchwichtigenden Balfam auf ihre Wunden 
druden? Es ift immer nur der kalte Tod, der als Zröjter 
erfcheint. Zuweilen kommt uns der Argwohn, als wirkten 
alle diefe Dichter als unberufene Agenten der chriſtlichen Dr: 
tbodorie. Sie wählen auch alle @lendsbilder, alle grauenhaf: 
ten Situationen des Menfchengeihlehts, um ihnen zuzurufen: 
Wir haben für euch Leinen Zroft, fucht ihn euch andermwärts. 
Eine Revolution, agrarifche Gelege, die Theilung des Eigen: 
thums fönnen, felbft wenn ihre Ausführung möglich wäre, wenn 
nicht alle Geſchichte Dagegen fprädhe, auch nicht Die Hälfte der 
Leiden, die wir euch aufgezählt, heilen, lindern: alfo helft euch 
felbft, fucdht den Zroft, wo man ihn euch bietet. 

Das Bud ift dem Haufe Rothſchild gewidmet. Wenn nun 
baffelbe feine Truhen öffnete, feine zufammengefcharrten Schäge 
berausnähme, feine Papiere verfilberte und fie unter die Armen 
in allen Ländern Europas, die es beherrſcht, vertheilte: würde 
Dadurch der Roth geholfen fein! Die Ermahnung an das Haus 
wird Nichts helfen, aber es ift Poefie und Wahrheit in den Verfen: 

Sa, feilfhe nur mit Staaten und Thronen, 
Befeftige deine papier'nen Kronen, 
Bedaͤchtig in deinen weißen Haaren! 
Wenn du ded Bürgerd Mark gefogen, 
Erbaue Spitäler und Synagogen, 
Es wird der Herr fie fegnen und wahren! 
Laß dann von hundert erhandelten £eiern 
Dein mildes Herz gefhwägig feiern, 
Da kaufe mit deinen verrofteten Dreiern 
Den Frommen den billigen Himmelstroſt! 
Mir aber graut vor einem Erbarmen, 
Das auf dem Markt mit Bettlern Boll, 
Und heimlich, mit unerfättlihen Armen 
Die Kürften verführt und die Völker verloft? 
Mir aber graut vor einem Brommen, 
Der ſtets des eig'nen Heils gebentt, 
Großmuͤthig und in Tropfen ſchenkt, 
Was er in Eimern und genommen. 


Karl Be Hat allerhand intereffante Anekdoten vom Drut 
der Reihen, von der Roth der Armen in feiner Weiſe verff: 
eirts der Dichter blickt heraus, aber die Monotonie des Br: 
dankens hindert ihn doch, ſich zu entfalten, wie er bei einem 
andern Thema Kraft und Unreiz hätte. Es find mehre Be. 
dichte, denen es ebenfo wenig an rührendem Ausdruck ald an 
Wahrheit fehlt; fo möchte man glauben, die Geſchichte von ker 
alten Jungfer fei nur der Abdrud einer wirklichen Begeben: 
heit. „Auch eine Dorfgeſchichte“ iſt ſchwach; „Knecht un 
Magd“ fchon beffer: der Gedanke iſt freier, die Ausführung 
melodifher. Un Melodie fehlt ed diefen Werfen bier nur ı: 
fehr, vielleicht mit Abfiht. Die Zreuliebenden: 

Und als fie gefpart und zufammengefharrt die Kreuzer, du 

Sulden, 
Und als fie der Prieſter getraut nach jahrelangem Gedulden, 
Da kauft fie die Spindel, den Flachs, um fdmeeiges Finnen je 
fpinnen; 
Da kauft er die Hütte, mit Roͤhricht gededt, und fie mohrter 
d’rinnen. 
Sie ftarrten Ind züungelnde Licht, die Alten, die Endlichvereinter; 
Es war nicht die Wonne der Liebe, daß fie nun lachten und meinte 
Das war ja vorüber, fie waren getrennt in ber Jugend Zagr. 
Im raufhenden Lenz, wann bie LZerchen ber Bruſt am lauteke 
ſchlagen. 
Sich kuͤſſen? fie thaͤten ed ſchaͤmig! Sich necken? fie thaͤten es let 
Ach, Blumen waren cd wol, doch waren. es Blumen im Gilt; 
Gin Tanz auf Krüden, o Gott! ein armer verfpäteter Zalte. 
Der halb ein blühended Kind und halb ein verweltender Alter. 


Bu den beachtenswertheften Gedichten, Burz und prügnr 
ehalten, gehören „Reue Götter und alte Leiden‘ uͤberſchrie 


enen; fie find aus echter Gefinnung hervorgegangen um 


die Gefinnung hat den echten Ausdrud gefunden. Im Gr: 
zen fehlt mir aber der rechte Stamm in all’ diefen „Lieder 
vom armen Mann‘‘, wenigftend ift es nur cin negativer. ®: 
ganz anders, elaftifcher, voller, rankten ſich Beides, Gedanke: 
und auch feine Sprache, in feinem nationalen „Janko“. Der did 
ter bat ſich nicht enthalten Pönnen, in die Weife des Zages ein 
zuftimmen. Wir halten ihn aber für beffer und begabter, als 
dag er nöthig habe, den einmal vorgefpielten Weiten nadır 
fpielen, und wünſchen ihm mit eheſtem wieder auf poefitirem 
Felde zu begegnen. Zürnen mag er auch da, fo vis ht 
treibt, aber er muß vorher fohaffen, geftalten. : 





Bibliographie. 


Böttger, U, Gedichte. 2te Auflage. Nebft einer Zub 
nung von E&.Bendemann und Eompofition von Mendel: 
fohbn- Bartholdy. Leipzig, Klemm. Kl. 8. 1 Zhle. 74 Kr 

Deutfches Bürgerbuch I 1846. 2ter Jahrgang. Has 
gegeben von 9. Püttmann. Mannheim, OoR &. N. 

Thlr. IV Nor. 

Glaſer, 3. C., Vergleihung der Philofophie des Mal: 
branche und des Spinoza. Ein Vortrag. Berlin, Beth 
®r. 8. 5 Nor. 

Herfhell, Ridley H., Befuh in meinem NBaterlarl. 
Rotizen, gefammelt auf einer Reife nad Syrien und Paldfır 
im 3. 1843, Aus dem Englifhen überfegt von E. B. Bakl 
Schneider. 12. 15 Nor. 

Kirchhoff, F. ©, Das Gebet und feine Arten. Pr 
grifflih entwidelt. Bonn, Marcus. Gr. 8. 10 Rgr. 

Mannbah, W., Wie man auf der Leipziger Melle m" 
und drink „Herr Bummel.” 2te Auflage. Leipzig, Sch 

. ar. 

Oskar, F., Das rofenrothe Buch. Märchen und Errab 
lungen. Erlangen, Deyder. Gr. 16. 10 Rer. 

Schioffer, 2. W. ©., Erlebniſſe eines fächfifchen !ar! 
predigerd in den Kriegsiahren von 1806 bis 1315. fer 
Schrey. Gr. 16. 15 Rer. 


Berantwortlicher Deraudgeber: Heiurihd Wrodtans. — Drud und Berlag von F. X. Brockbans in Leipzig. 


Blaͤtter 


für 


literarijde Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Der fouveraine chriſtliche Staat, dad Ende aller Zeit- 


wirren. Vom Senator Röben zu Leer. Leipai 
1 dir. apzig, 


Brodhaus. 1846. Gr. 8, 15 Nor. 


Ein merkwürdiges Buch, — merkwürdig durch die Ei⸗ 
genthümlichkeit bes Verf. wie durch den idealen, wenn 
auch nicht unmittelbar praktiſchen Inhalt, welcher eine 
dee wichtigſten Zeitfragen berührt, Die Bafıs, auf wel- 
her das Raifonnement des Verf. ruht, ift keine Philo- 
ſophie; er ift vielmehr ein gläubiger Anhänger Chrifti; 
fine Auffaffung des Chriſtenthums aber ift eine fo reine 
und allgemein» mienfchlihe, daß er von der gefammten 
Geſchichte Jeſu Nichts fefkhält als die Verwirklichung 
des Ideale der Menfchheit durch fein fündlofes Leben, 
und gegen die orthodoxe Anfchauungsweife den entfchie- 
denften Widerfpruch erhebt; ja er geht fo weit, daß er 
von diefer nicht noeniger als alles Übel in der Welt her» 
kiten möchte. Ganz eigentbümlich, aber keineswegs an- 
forechend,, ift auch feine Darftellungsweife. Es fehlt 
dem Buche nicht nur jeder Abfchnitt, fondern auch jede 
tegihe Eintheilung, und ein kurzes Inhalteverzeichniß 
wurde kaum möglich fein. So liegt bie Schrift vor 
uns, wie die unendliche Flaͤche des Meeres; und — das 
Bild läßt fi noch weiter führen: — es möchte den mei« 
flen Leſern ergehen, wie Schiller's „Pilgrim⸗; auch wo 
uns bie verheißene Berührung des Himmels und der Erbe 
etſcheinen ſollte, möchten wir noch ausrufen: 

Bor mir liegt's in weiter Leere, 
Raͤher bin Kb nicht dem Siel! 

Aber was uns doch immer wieder ermuthigt, weiter 
iu ſtreben auf den gleichmäßigen Wellen dieſes Geban- 
lenmeers, ift nicht blos die Hoffnung, daf doch am Ho- 
fonte deffelben des Himmel zu der Erbe herabfleige, 
ſendern auch auf der Yahrt fetbft fehen wir oftmals den 
Ierften Himmel, der den Glauben an ein befferes Jen⸗ 
fit belebt, wenn auch gleichfalls immer von neuem Wol⸗ 
m fi thürmen und das Meer erbrauſt; d. b. ohne 
Bid: der Merfaffer eröffnee und die erhebendſten Aus» 
Ähten zur Verwirklichung ber: herrlichen Idee, bie er 
don dem Menfchenteben aufgefaßt hat, fo oft fich ihm 
auch die Orthodoxie wie ein Geſpenſt, dem er nicht ent- 
schen kann, in den Meg ftellt, daß man an das Wort 
tines andern Dichters erinnert wird: 

Er verſinkt dann mit gewaltigen Echauern 
In den alten Kampf mit dem Eentalten. 


ner wahrhaft freifinnigen Geifter, welche nad gefunden 
natüslichem Gefühl dee Vernunft im Menfchengeifte und . 
in der Weltorbnung vertrauen unb darum an das „Mdole 
m der Freiheit” glauben. Ein Grundgedanke, den er 
mit unerſchütterlicher Überzgugung fefthält, ift Das, was 
und unfer innerſtes Bewußtſein lehrt: das Recht der 
freien Perfönlichkeit, in welcher ſich der Gottesgeift, dem 
fie ihr Daſein verdankt, und gibt. Eine immer inni- 
gere Berbindung mit dieſem in Freiheit fi anzueignen 
ift der Menſch berufen, und es ift shöricht, ja unmög⸗ 
üb, nachdem „Bott «8 gewagt, einem jeden Menſchen 
Belt von feinem Geift und in demfelben ein gewiſſet 
Map von Gaben und Kräften zur freien Verfügung an« 
zuvertrauen”, bie innere Sreiheit beffelben, welche ben Glau⸗ 
ben wie das Handeln eine8 Jeden beflinınt, zu befchrän- 
tn. Auch vermochte der Heiland felbft nit, für An« 
dere die Seligkeit zu erringen, wenn dieſe nicht, Jeder 
für fi, in freier Entſchließung Das annehmen, was ey 
gegeben hat. Don einer ftellvertresenden Genugthuung 
kann deshalb nicht die. Mebe fein: fie ift wiberfinnig ! 
Epriftus hat darin genug gethan, daß er das freie Le- 
ben in Gott in ſündloſer Reinheit die Menfchen zur 
Darftellung gebracht hat, auf dag Alle nachfolgen feinen 
Zußtapfen und in der von ihm geftifteten Gemeinſchaft 
das felige Keben erringen. Am Plarften fpricht der Verf. 
diefe Gedanken in Folgendem aus (&. 165): 

Wir müffen in der That und — mit unſerm gem 
zen Leben zu Chriſtum (fo findet fich öfter ſtatt: Chriſto) Lom⸗ 
men, um und von ihm einführen zu laffen in ein wahres Got⸗ 
tesreich hier auf Erden, um den Geift des Vaters in jedem 


RMenſchen als dis görtlige Berufung ‚zur perfönlihen heil 


nahme, zum freien Mitgenuß an ber Seligkeit eines chriſtlichen 
Gefammtlebens zu erkennen. 

Wenn wir in feligem Botteöfrieden leben wollen auf ber 
Gröe,.. . . dürfen wir nur glauben an ben einen Allein = wah- 
ren Gott; müſſen das Leben nehmen, wie es denn wahrhaftig. 
ift, als feine Gabe; müffen den Heiligen Beift erkennen als eis 
nen göftlidgen Lebensgrund, wodurch der Ewige Alles in Al⸗ 
lem erfüllt, ats das urfprüngliche Sottesreich inwendig in und; 
müffen mit dem Auge diefed Geiſtes in dem Lehen Jeſu feine 
fündloß : reine Menfhwerbung ald unfere gettfice Lebensauf⸗ 
gabe ſchauen: dann iſt das große Werk volbragt. 3 

Dieſe Lebensanſicht gilt dem Verf. für unumſtoͤßliche 
Wahrheit. Seitdem die Menfchheit einmal in bem Le 





. ” 


3108 92: Er 


ben Jeſu Mar erkannt hat, wie der Heilige Geiſt, d. i. 
nicht8 Anderes als die allgemeine Menfchenvernunft, 
die jedem Menfchen von Gott verliehen ift, das gefammte 


Leben durchdringen und geftalten fol: feitbem können ˖ 


wie nicht mehr zweifeln, daß eben Diefe Aufgabe dem 
ganzen Menſchengeſchlechte wie jedem Einzelnen zum 
Ziel geſteckt iſt. ©. 16: 

Die Menfchen bedürfen eined einzigen Bandes, das Ale 
umfaßt, umd dies Band ift dee Glaube; nit ein von Men» 
fhen aus dem verkehrten Erdenleben felbfigemachter Wahn: 
glaube, fondern ‚der einfache kindliche Glaube an den allein, 
wahren Gott, an die Einheit unfers Berufs zu einem ewigen 
Beben Durch. Die Babe feines Heiligen Geiſtes, Des ewiges Leben 
ift und die Kraft zu einem unendlich perjönlichen Leben in 
fih hat; und in dieſem allgemeinen der befondere Glaube, der 
uns das Ewig: Wahre, Gute und Schöne in einem einmal er: 
fchienenen vollendeten Menſchenleben zur klarſten Anſchauung 
bringt: ſodaß wir als Ehriften den Willen des Emigen, unfere 
einheitliche Lebensbeſtimmung, nicht mehr fuchen dürfen, fon: 
dern fie in dem Leben Jeſu in ihren ewig unwanbelbaren 
Grundzügen vor Augen haben; fodaß der Eine für ale Men» 
(gen vollfommen genug gethan hat, ihnen das freie, reine 

enfchwerden des von dem Emigen empfangenen Geiftes ale 
ein fchlechthin perſoͤnliches Xeben in allen freien menfchlichen 
Derbindungen nach dem darin zu erfahrenden Wohlgefallen ih» 
res himmlischen Vaters zu enthüllen. ' 

Über den legten Grund feines Glaubens an Chriftus 
in dem angegebenen Sinne gibt der Berf. keine Hare Aus⸗ 
kunft, doch ift ihm in der That der innerliche Beweis, 
den jeder gläaubige Chriſt bei einem wahrhaft chriftlichen 
Leben in fich felbft erfährt (das Zeugniß des Heiligen Gei⸗ 
ftes), der einzige Glaubensgrund nad Joh, VII, 16, 17. 
©. 152: 

Shriftus will, daß wir nicht auf fein bloßes Wort ihm 
glauben, fondern ihm nacdhleben, um inne zu werden, daß es 
der Bater fei, defien Wort er verkündet. 

Hieraus entfpringt dann auch eine wahrhaft freie 
Auffaffung, wie weit wir bie Bibel ald Autorität zu 
betrachten haben. ©. 288: 

: Du barffi das Leben Jeſu nicht abhängig machen von 
dem Wort der Junger, fondern umgekehrt: das Leben Jeſu ift der 
sun unfers Glaubens un die göttliche Wahrheit in der Schrift. 

. 227; 

Richt das Wort an fi, nicht die verſchiedenen Schrift: 
freier, nicht ihre Unfchauung und Darftelung des Lebens 
Jeſu, felbft nicht feine eigenen einzelnen der Zeit angehörenden 
Thaten, fondern der Geiſt des Vaters in ihm, in der Wahr⸗ 
beit bed ewigen Lebens, in feiner vollendeten Menfchwerdung 
iſt für unfern Geiſt das Gotteswort, an weldhes wir glau- 
ben, weil wir darin das ewige Leben haben. 

©. 283: 

Welche Bedeutung hat nun unfere Bezeichnung der Bibel 
als Gotteswerk? Es ift das aus vielen Schriften zufam: 
mengetragene Buch der Gefchichte über das religiöfe Leben ei: 
nes bedeutenden Theils unferd Geſchlechts: die Gefchichte der 
Menfchwerdung des und gegebenen Geiftes. Sie theitt ſich in 
das Ulte und Neue Zeftament, als WBeidfagung und als Er: 
füllung; und die Krone bes Ganzen ift das Leben Jeſu, nicht 
als dies menfchliche Einzelleben, nicht in feinen Werken der 
WBohithätigkeit, denn die Famen nur Einzelnen feiner Zeitge⸗ 
noffen zu ftatten: fondern in dem Dffenbaren der freien und 
fündlos » reinen Menſchwerdung des Geiſtes in unferm Ge 
ſchlecht. So ift das Leben Jeſu, wovon die Bibel uns aus⸗ 
reichendes Zeugniß aufbewahrt, ein Gotteswort für alle Men- 
figen, zu denen es gelangt, infofern fie es richtig verfichen unb 


zum rechten Fertigmachen des Erdenlebens anwenden. Das 
rechte Verftändniß nun des Bibelmorts, infofern es dem einen 
vollendeten Leben die Menſchwerdung bes Geiſtes in unferm 
Geflecht nah dem Willen des Emwigen vollfommen enthüllt: 


Das iſt das Eine, daS uns Allen noth thut, um unfere perſon 
‚lie Menſchwerdung bier ik der Zeit, in der & 


) breit unſer 
ewigen Lebens, chriſtlich zu vollziehen. 

Aber wie es auf das Wort der Bibel nicht an- 
fommt, um zur Erkenntnif bes göttlichen Geiftes in 
Chriſtus zu gelangen, und wie biefer Gottesgeiſt zum 
wahren Weſen des Menfchen gehört: fo ift auch Fein 
Menſch, Peine Religion ausgefchloffen von ber Erfennt: 


niß Deffen, ‚was zur Erreichung der allgemeinen Nu | 


fhenbeftimmung gehört. ©. 153: 

In dem Glauben an unſer Menſchenleben liegt Be 
allgemeinfte Einheit. Wir haben diefes Leben als Cinnin, 
als Gefchlecht, nicht von uns felbft; die Welt ift nicht ik ci: 
gener Schöpfer, fondern der Geift in dem Menfchen, wenn 
zum Selbſtbewußtſein gelangt, glaubt er einen &chöpfer de 
AUS, und in diefem ben lebt er und ſucht durch imme 
teinern und volfommenern Glauben fein Leben immer meh 
zu vollenden. Dies Leben nennen wir Religion, und mie Ch 
ftuß fagte: Ich und der Water find Einb, ich lebe ewig m 
Gott, fo fagt die Ehriftengemeinde: Ich Icbe in dieſem Gim: 
ben. Diefer Glaube ift die Einheit aller Chriften, cin unge 
ftörter Friedensweg zu fortfchreitender Vollendung; und mel 
dies das eine Ziel ift für Religion in allen menſch 
lihden Formen, fo liegt in dem Ehriftenglauben ü 
vollendete Humanität aud der Weltfriede. Etwas In: 
deres will Feine Religion. Das Band, das die Chriften um 
dermaleinft alle Menfchen vereinigt, ift die abfolute menihlik 
Bollendung in dem Leben Zefu. 

Und fo will denn ber Verf. auch nur eine feld 
Einheit unter den Menſchen, unter den Chriften, die anf 
dem gleichen Geiſte beruht, welcher Alle befeelt; ja eine 
Einheit duch das Wort erfcheint ihm unmöglich, mel 
fie mit der Grundmahrbeit, von welcher er ausgeht, mit dem 
Glauben an eine freie Perfönlichkeit, die Gott dem Au 
ſchen verliehen, unvereinbar ift; und felbft das Streben 
eine ſolche Cinheit äußerlich zu erzielen, ift frevelha, 
weil es die freie Entwidelung des GBeiftes, zu der Get 
une berufen hat, hemmt und vollends bei äußerm Zwang: 
zu Wortgeplapper ohne Sinn und Gefühl wie zur Heu 
chelei verführt. ©. 153; 

Einheit beſteht nur in dem Geiſt, der uns zu R® 
ſchen madt und in Chriſto feine Menfchwerdung in hödfe 
Vollendung anerkennt. 

©. 146: 

Frites bat erdannt und gewollt, daß jeder Menſch der 
vom Bater empfangenen Geift als ewiges Leben hier in da 
Beit zu einer freien und reinen felbfibewußten Yerfonmwerduns 
eben und nehme und anwende. . 

.99: 


Der volllommene Sohn kann nur wollen was ber Bat! 
will: daß wir unfer Leben Gott Heiligen, daß wir in fen 
Gemeinſchaft hriftlich Lebens das ift der einzige Weg um ın! 
zu werden, daß feine Berflärung bes Menfcheniebens als cms 
ewigen in @ott vollendete Wahrheit für alle Menfchen if. 

Es ift eine merkwürdige Blindheit, wenn Proteſtanten 
den Reukatholiken Schuld geben, daß fie bei der Trennung Sen 
Rom fogleih unter ſich wieder verſchiedene Unfichten haben, de 
es und ſchon zu Lebzeiten der Beformatoren, und diefen Glas: 
bensbelben untereinander, ebenfo wie ben biblifhen Schrift 
ftellern, nicht anders gegangen ift. 


Daß es fo it, verdient Beinen Zabel, denn es iſt natur 
gemaͤß und entfpricht dem in ber Uroffenbarung unverkennbar 
ausgefprochenen Willen des Ewigen, wonach alles Menſchen⸗ 
oben nur ein perfönliches tft: eine einzige, allen Menichen 
durchaus gemeinfhaftlihe Ratur; gleicher Urfprung, gleiches 
Leben und gleiche Beftimmung, aber verwirklicht und darge 
ſtellt aur in freien, für ſich beftebenden, in fich abgefchlaflenen 
einheitlichen Perſonen. Das ift das ſchlechthin unverkennbare 
göttliche Lebensgefeg für unfer Geſchlecht, das Chriſtus nicht 
aufgelöft, ſondern in höchfter Vollendung erkannt und erfüllt 
und durch feine Offenbarung uns den Weg gebahnt, zur Ver 
wittelung unſers beiligen und feligen Lebens in Gott von ſei⸗ 
ar Seite volllommen genug gethan hat. 

Hiermit aber ift jeder Kirche der Krieg erklärt, bie 
fh auf das Wort erbauen will, wie dem Staate, der 
eine folhe Kirche in Schug nimmt oder überhaupt ber 
freien geifligen Entwidelung entgegentritt. ©. 78: 

Wenn die Verbindungen, denen wir angehören, auf dem 
Geift des Chriſtenthums fih gründen . . ., dann werden wir 
aus dem Wahn einer unentbebrliden Einerleiheit und Unver- 
aͤnderlichkeit des Worts immer mehr zu der klaren Anficht ger 
langen, daß das wirfliche Leben gerade das Gegentheil der 
Vorteinheit fodert, indem ein und derfelbe Menfch auf ver 
fhiedenen Witeröftufen in oft fo abweichenden Stimmungen, 
und dann wieder alle die einzelnen Menfchen, je beftimmter der 
Geiſt zu einem eigenthuͤmlich perſönlichen Leben gelangt, fie 
nothwendig anderer Worte bedienen müflen, wenn die Sprache 
en wahrer und reiner Ausdruck des Lebens fein fol. Worte 
des Blaubens ohne Erfenntniß der Wahrheit find 
ald Zeichen eined bloßen Scheinlebens eine breite Unterlage für 
Bahn und Heuchelei, und nirgend ift die angemaßte Herrfchaft 
des Worts fharrer und unleidlider als in dem Wunde ortho: 
dorer Pietiften. 

Darum foll die Kirche nicht ben Glauben an das 
Wort gebieten; ber Staat aber foll diefes weber von 
einer Kirche, die ihm gegenüber fleht, dulden, noch darf 
er fie gar bei diefem Beftreben unterflügen. Hier kom⸗ 
men wir auf Den Hauptzweck unſers Berf.: die Idee 
des fouverainen hriftlihen Staats zu entwideln, 

welche freifich auch nicht im Zufammenhange behandelt 
iſt, fondern in wiederholten Andeutungen durch bie ganze 
Schrift hindurch allmälig zu größerer Klarheit erhoben 
wird. Eine Hauptftelle ift folgende (&. 172): 

Eine einzige, alle Staaten überragende und durch Herr⸗ 
[haft über den Geiſt bevormundende Kirche oder eine herr: 

ende Parteikirche in einem concreten Staate befteht nicht und 

ann mit beftehen, ohne die Souverainetät des Staats oder 
die wahre Einheit, Freiheit und Gleichheit feiner Theile auf: 
zuheben. Der Staat, der der Kirche ein abgefondertes Keben, 
eine Selbftändigkeit im Staate geftattet, ift nicht mehr ſouve⸗ 
tan. Wenn er Parteilichen zuläßt, die auf Menfchenworte 
ihrer befondern Auffaffung ſchwoͤren, ſich abjondern, ſich ver- 
unglimpfen und feindfelig verfolgen, die von dem ftarren Feſt⸗ 
hdalten an das confeffionnelle Wort das friedliche Leben ihrer 
Brüder abhängig machen, vergiftet er die innerfte Quelle fei- 
nes eigenen Lebens. 


Denn (&. 166): 

wahres Menfchenieben gibt es nur in chriſtlicher Freiheit; gei- 
figes ſelbſtbewußtes Leben kann nur beftehen in freier Perfön- 

keit. Das ift des Ewigen Wille und diefer Wille fol ge» 
(Sehen auf der Erde wie im Himmel, und Feine Erdengewalt 
KU ihm widerſprechen, und in diefer Wahrheit unfers ewigen 
Xhens follen wis Bott mehr gehorchen als den Menſchen, und 
nicht ein todteB Wort, fondern der Heilige Geiſt foll uns in 
alle Wahrheit führen. . 


dem ganzen Geflecht, was er gefunden. 


Der chriſtliche Staat wagt es nicht, der ewigen Ord⸗ 
nung @ottes entgegenzuwirken, welcher, wie er jebem 
Einzemen das Recht der freien Perfoͤnlichkeit verleiht, 
fo auch das gemeinfame Leben in ber Familie mie im 
Staate zu dem Zwede gegründet hat, daß das Leben 
der Menſchen durch Zufammenwirken Aller in georbne« 
ten Verbindungen felbfithätig zu immer höherer Vollkom⸗ 
menheit fi entwickeln. S. 174: = 

Staaten geben nicht, was fie nicht nehmen Fünnen: (Geis 
ftesfreiheit, fondern erkennen fie an als Botteögabe. 

©. 167: 

‚Brei lebt und forſcht der perfönliche Ss im Gebiete des 
Ewig⸗ Wahren und verfündet nicht nur der Gemeinde, fondern 


Das Recht der freien Mittheilung fließt auch ſchon 
aus dem Rechte der freien Perfönlichkeit. Jenes muß 
auch für die Außerung des Glaubens in Anfprud ger 
nommen werden, aber in Anertennung ber gleichen Be⸗ 
rechtigung Aller zur Freiheit darf Keiner mehr fodern, 
als diefe®, Keiner feine Glaubensanſicht Andern auf- 
dringen wollen. ©. 172: 

Die perfönliche Befonderheit befteht nach Gottes Willen 
ale Menfchennatur. Darin haben alfo alle Menſchen gleiche 
Rechte, und Keiner darf für fi oder für feine Glaubensger 
meinfhaft mehr fodern als das freie Wort feines Glaubens: 
bedenntniffes in feinem Staat, mit demfelben Recht für alle 
feine Staatögenoffen. 

Die freie Außerung des Worte foll nicht verboten, 
das Beharren bei dem Worte nicht geboten werden. 
S. 174: 

Was für ein Staat müßte das fein, dem das freie, aber 
u vertretende Wort eined Einzelnen Gefahr bringen Pönnte? 

a verdient das Beftehende nicht, daß es fortbeftehe. 

Im Gebiet des geiftigen Lebens, im Forſchen nah Wahr: 
beit und Recht gibt e6 Beine Schranfe. So gönne man bo 
dem einzelnen Genius, der vielleicht mit feiner Zeit nicht Bar» 
moniren Tann, ein freies Wort, damit er Luft bekomme, wenn 
auch weniger mit alß in feiner Zeit zu leben. Gr rüttelt ja 
nit an einem Beftehenden, fondern weisfagt vielleicht von ei: 
ner beſſern Zufunft. 


Lehre und ih will hören; verkünde ewige Wahrheit und 
ih wid glauben. Daß ich fie in dem abgefchloffenen Leben 
Jeſu erkenne, kann ich ſchwören, doch Ja und Rein ift dem 
Ewigen genug. Das man aber Kinder an Geiſt ſchwoͤren läßt: 
„Was ich heut als wahres Ehriftentbum erkenne, Das ik 
unfehlbare, ewig unwanbelbare, höchſte Wahrheit, dabei will ich 
bleiben!‘ Das tft eine wirkliche Bunde gegen den Heiligen Geift, 
die entweder ängftlihde Gemuͤther, oder in denkenden Köpfen 
Sweifler, oder Gleichguͤltige, oder Feindlich⸗Widerſtrebende er» 
zeugt: lauter Mitarbeiter an unlösbaren Weltproblemen. 

Da fallen denn Urtheile vom menſchlichen Dreifuß, als ob 
die Religion da erfonnen und in confeffionnelen Worten niet 
und nagelfeft gemadt fei: Er bat geſchworen, er fol Halten 
oder außtreten aus ber Gemeinde! Wenn neun Zehntbeile ben 
Wahn erkannten, fih im Stillen zur Wahrheit bekehrten; wenn 
fie nun als redliche Männer ihrer beffern iffenhaften Uber 
zeugung getreu auch leben, nad ihrer Erkenntniß Gottes und 
Ehrifti auch ihren Gottesdienft üben wollen, dann find das un⸗. 
gerechte Anſpruͤche: fie follen austreten und bem wortgetreuen 
einen Behntheil den Befig aller Kirchengüter überlafien! Das 
ift vom Standpunkt bürgerlicher Gerechtigkeit wahr und recht 
geurtheilt; im Staate das unerlaßliche, fegensreiche Noth⸗ 
wendigkeit. 


x 





Er SEE, 


Aber daß folr diefen irdiſchen Maßftab anlegen an das 
inneee Leben des Geiſtes, daß wir fhwören auf das Menſchen⸗ 
wort wiberfireitender Gonfefionen, das in feinen Biderſpruͤchen 
elbſtredend nicht wahr fein kann, anftatt die gegebene Ein 
eit in dem Leben Sefu als gättlihe Bafıs aller beftehenden 
md fich fort und fort entwidtelnden Gtaubendgemeinfchaften 
einfach als unmandelbare® Glaubens» und Bebensfundament an⸗ 
zunchinen und in diefem Getteßfrieben jede perfönfiche Aneig⸗ 
nung nad dem Willen des Ewigen frei walten zu laflen: Das 
leider ift Das Brundübel unferd Erdenlebens. 

(Die Sortfegung folgt. ) 





Romanliteratur. 
1. Primavera. Novellen von Ludwig Köhler. Zwei Theile. 
Jena, Luden. 1846. 8. 2 Thlr. 15 Rgr. 

Der Titel diefes Büchleins verkündet den Frühling ! 
Die Rovellen fchildern das Erwachen aus den flarren Ban- 
den geiftiger und leiblicher Tyrannei. Die Freiheit, diefer 
ewige Lenz der Menfchheit, wird in den vorliegenden Blät- 
ern gefeiert, und das Gtreben nad Preiheit fritt uns aus 
jeder Rovelle in anderer Geſtalt, unter andern Bedingungen, 
auf anderm Grund und Boden entgegen. Unter den verſchie⸗ 


denſten Zonen entrollen fi die Bilder; die verfchiedenften Völ⸗ 


Ber betreten den Schauplag: bald erhebt fidy die beleidigte un: 
terbrüdte Rationalität gegen den äußern Feind und ſchwingt 
Die Fahne der Freiheit für Vaterland und Recht; bald rüttelt 
das geknechtete Menfchenrecht an feinen Ketten und tritt in die 
Schranken gegen den einheimifchen Feind. Die „Belagerung 
von Kandia‘ und „Der Matroſe“ beichäftigen ſich mit griechi⸗ 
ſchen Suftänden; „Der Damon von Elbins” mit iſcherkeffiſchem 
und polniſchem Ruſſenhaß; „Zombi“ mit den Heldenthaten der 
FR Palmaras in der Provinz Pernambuco in Brafilien zur 
e 


auptung ihrer Freiheit. Im zweiten heile führt uns der 


„Schmied von Kochel” nah Tirol, und läßt uns die Vorberei: 
tungen zum Bauernaufftand erleben, welcher 1705, am Chriſt⸗ 
feft, vor München dad traurige Refultat einer gänzlihen Nie: 
derlage fand; „Der Morgen der Republik“ fpielt in Peru, im 
3.1821, ald es fih von Wanifeper Herrfchaft losriß und 1822 
unter dem General Bolivar nad) der Schlacht von Ayacucho alt 
Republik befeftigte. Die Novelle „Fürft und Minifter” bringt 
Die nädftliegenden Zuftände der jegigen Beitz fie ift dramatifch 
ausgeführt. Sämmtliche vorliegende Novellen find von hohem 
poetifhem und hiſtoriſchem Interefles oft möchte man die Er: 
zebtung für ein Gedicht halten, fo hoch ſchwingt fie fi in 
en dazu geeigneten Momenten, während in andern fie fich der 
Bauern» oder Bürgerfpbäre anfchmiegt. Der biftorifche Stoff 
Ef immer glücklich gewählt. Der Roman, die Serzensgefchichte, 
Dient nur dazu, die Eharabtere der Helden vielfeitiger zu ent: 
wideln und der ernften Politil das Gegengewicht zu halten; 
die Tendenz aller dieſer Rovellen ift: das Streben des Vol: 
des nach Freiheit, das Ringen gegen das Joch, das Kämpfen 
egen die herrſchende Macht — und oft au der Sieg. Ref. 
at an allen biefen Novellen nur Eins auszufegen, daß nämlich 
die Gegner immer weniger edel gehalten find als die Kaͤm⸗ 
pienden; daß die edle Gefinnung, der Muth und die Zapfer: 
eit immer vorzugsweife dem Wolke ertheilt werden. Sehr auf: 
fallend war Dies in der Novelle „Fuͤrſt und Minifter‘‘, wo der 
hochadelige Minifter ein Schuft iftz der Mann des Volkes, ein 
edler Charakter, die Minifterftelle niederlegt und das Adels 
diplom zurückſchickt, weil er Mann des Volkes bleiben und fei: 
nen Anfichten nicht untreu werden will. Jedes Prineip hat 
feine edein Repräfentanten, jede Partei ihre rechtlichen Ver: 
treter: man follte immer das Edle dem Edeln entgegenftellen, 


nicht den Helden auf Unkoften des Weindes größer erfcheinen . 


laſſen. Ebenſo wenig als die Weltgeſchichte darf die politifche 
Modelle im Parteihaß gefchrieben werden. Der Schriftfteller 
follte vermitteln, nicht reizen. 


2. Elfriede. Roman von Henriette Hanke Zwei Theile 
Hanover, Hahn. 1846. Gr. 12. 3 Thlr. 15 — 
gwei ſehr ſtarke Theile find angefüllt von einem echten 
Frauenroman; fuͤr grauen und Mädchen gefchrieben, verleug: 
net er auf keiner Geite die Feder einer: fhönen grauenfec, 
welche die Seele ihrer Schweſter gern in befchränften Kreifm 
umb ‚ und nur Räume und Regionen betritt, bie cin 
junger weiblicher Sinn betreten darf. Alle jungen Mädhm 
Ponnen den vorliegenden Roman lefen: er iſt rein von jeder 
wilden Leidenfhafts nur Glauben und chriftliche Liebe athmen 
die Zeilen; fie find gewürzt durch ſchoͤne Sprüche, große Su 
danten, tiefe Neflerionen, anmuthige Schilderungen. Re. 


fühlte fi beim Lefen des Romans gleihfam auf einem ſeht 


langen, ermübenden Spaziergange, auf den Gandiwegen eines 

Gartens und zwiſchen abgemeflenen ſchön bepflanzten Blum 

beeten. Er hätte gern ausgerubt, body mußte er immer mer 

ters er hätte gern eine Wildniß oder Sturzbäche geſehen, abe 
nichts Dergleihen Fam. Unmdglich kann Ref. dem Lefer den 

Baden der ahlung in dieſen engen Raͤumen mittheilen; be: 

felbe ift vielfach verfchlungen; auch möchte man den Leierinm 

nicht vorgreifen, welche, wenn fie ben Inhalt der Geſchichte 
wüßten, vieleicht durch bie Breite der Erzählung ſich vom 

Weiterlefen abſchrecken ließen: und Solches wäre nicht w 

wünfden, benn es if ein gutes, ein empfehlenswerthel 

Buch. Plan und Ausführung find mit großem Sachverſtänd 

niß gehalten. Die Heldin ift ein Inbegriff von allen Boll 

menbeiten, und noch andere handelnde Seftalten find brav un 
herrlich gezeichnet; während die Schilderung der reichen Br 
dame Pauveline nebft Bruder und Kammermaͤdchen, obgleith 

einigermaßen an die Garicatur ftreifend, Dem Leſer von 3 

zu Beit ein Lächeln abnöthigt und den Ernft der Erzähl 

mit heiterm Humor würzt. 

3. Friedrich's H. einzige Liebe. Roman von WBilhelmint 
Lorenz. Leipzig, Wienbrad. 1846. 8. 1 Thir. 
‚Der geſchichtliche Hintergrund ift nur eine Zufälligkeit und 

flört eigentlih das Romaninterefle, anftatt es zu heben. Frith 

vi IL erfcheint als Liebender wenig liebenswürbig, auch fehlt 

bem Roman ein größerer Zufammenhang, eine größere Einhei. 

Die Epifode von Patkul's Sohn flört den Eindrud der Ge⸗ 

dichte fehr. Diefer junge Mann ift ein Corſe aus dem Ir 

ſchlechte Malbuono und fell die Blutrahe an König Yuzek 
wegen des gemorbeten Vaters üben; obgleich Patkuls uhr 
mäßiger Sohn, beanfprudt er dennoch den Yamifiennama 

Malbuono und befteht ein entfegliches Abenteuer auf feine 

fürterlichen Ahnherrn Schloß. Der Leſer verwundert fd 

über Alles, was ihm der Autor vorerzählt, und wird nie it 
das Leben des Romans hereingesogen, weil der Roman fa 

Leben bat; die Geſtalten find ale matt wie im Schatten 

Deffenungeachtet verleugnet ſich auch hier das Zalent der Bal. 

nicht ganz, obgleich fie in frühern Productionen Beſſeres F 

eiftet hat. 46 





Literariſche Notiz. 


Zur Geſchichte der franzöfifhen Literatut. 
Bor kurzem find in Paris erfchienen: „Nouveaux esau 
d’histoire litt£raire‘‘, von E. Geruzet. Diefes neue Werk ſchein 
zu demfelben Erfolg beftimmt, weldyen die von der franzönihe 
Akademie 1840 gefrönten „Essais’ erhielten. Der genannt! 
BVerfaffer beurtheilt in feinen „Nouveaux essais” mit ebene 
viel Sachkenntniß als Geſchmack und in einem fehr elegant 
Stil: Abelard, die gerichtliche und die geiftliche Beredtfamkt 
im 15. Jahrhundert, Wain Chartiez, die politiſche Komöttt 
unter Ludwig Xll., die Dichter der Pleiade, die Literatur Di 
tonde, Lafontaine, Frau von &vigne, Fenélon, 3.3. Zeuſ 


feau, Buffon, Delille. Dee Band flieht mit einem inter 


fanten Artilel über den einſichtsvollen Kritiker ımd tiefen Dr 
ter Soubert, der 1825 geftorben ift. sl. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockkauns. — Drud und Verlag von F. X. Brockhaus in Reipsig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


30. Auguft 1846. 





Der fouveraine chriftliche Staat, das Ende aller Zeit: 
wirren. Vom Genator Höben zu Leer. 
{ Fortfegung aud Nr. ZU. ) 


Was ift nun aber die Kirche? Und wie foll fich ber 
Staat zu der Kirche fielen? Die Kirche iſt die Gemein- 
fhaft aller Bekenner Chriſti; aber ihre Einheit befteht 
nur im Geiſt, nicht durch das Wort; fie kann feine äu- 
fere fein. Sie geht durch alle Nationen hindurch und 
die freiefte Mittheilung durch das Wort, in welchem ber 
Geiſt feine fortfchreitende Entwidelung fund gibt, führt 
u der möglich hHöchften menfchlihen Bolllommenkeit. 
Engere Gemeinſchaften des religiöfen Lebens mögen und 
müffen befiehen, aber das flarre Wort darf fie felbft 
niche binden, darf fie nicht von Andern trennen. Alle 
follen eben nur Chriſten fein; das Chriſtenthum fodert 
den Fortfehritt, die Vereinigung. Die Symbole hem⸗ 
men Beides. Selbft eine Nationalkirche wäre noch eine 
Ztennung, der großen Menfchenfamilie gegenüber; eine 
allgemeine Kirche, auf das Wort gegründet, würde nur 
dazu dienen, den Kortfchritt der Gefammtheit defto fiche- 
rer zu hemmen. Kirchen wie Schulen find nur Organe 
des Staats. 

Der Staat, nicht die Kirche, ift feiner Natur nad) 
eine äußere Gemeinſchaft der Menfchen zur Erreichung 
ihrer hoͤhern Beftimmung; gewährt durch fein Gefammt- 
leben das volllommenfte Mittel, die perfönliche Menſch⸗ 
werdung zu vollziehen. &. 69, 70: „Die Kirche Ichrt 
und die Staaten leben. — Unfere Kirchen follen den Hei- 
ligen Geift verfünden und unfere Staaten ihn verwirk- 
lihen in der Zeit.” Auf den Staat aber kommt es an, 
tie und wie weit er feiner Verfaſſung gemäß die Fort⸗ 
ſchritte der Zeit in geiftiger Bildung fi) aneignen will. 
Im möglich hoͤchſten Maße wird er Diefes nur dann 
erreichen Tonnen, wann eine freie Verbindung aller Men⸗ 
Iden untereinander die freiefte Entwidelung fördert. 

. 60: 

Die ewige Wahrheit fol das Erdenleben geftalten, und 
die vollendetfte Geſtalt ift der Staat und der freie Verkehr ber 
Staaten untereinander. Die Kirche als Lehr» und Bildungs: 
anftalt ift eines der Lebensorgane des Staats. Aber in Peiner 
Beziehung ift der Staat gebunden an die Leiftungen feiner 
Senofien, fondern was der Geift im ganzen Geſchlecht an 
Wahrheit findet und offenbart, ift Eigenthum diefer Gefammt: 
heit; und ob ein 


Einzeiner, ob eine menſchliche Verbindung, 


ob ein Staat es im Allgemeinen für Fortſchritt und für fi 
ald anwendbar erkennt, das ift lediglich feine Sache. Eben die 
Religion umterfcheidet fi als unentbehrlihe Erkenntniß der 
Wahrheit des ewigen Lebens durch die göttlide Einheit der 
menfchlicden Berufung für jeden einzelnen Menſchen von allem 
Fächern des menſchlichen Wiffens, der Künfte und des großen 
Lebensverkehrs, und nirgend gilt ausfchließlicher das perfönliche 
Ich als hier. 

&. 171: 

Die Verfaffung des Staats und die daraus in der fort 
wanbelnden Zeit hervorgebenden einzelnen Belege, geboren aus 
dem Geift, der mit hriftlicher Freiheit in diefem Geſammtleben 
waltet, tragen den Stempel der auf dem bisherigen Lebens» 
wege erreichten Vollendung. 

Über die innere Geftaltung der Kirche fol ber Staat 
fein Recht in Anfprucd nehmen. „Niemand ale ber 
alfein wahre Gott hat jara in sacris” (&. 102). Dir 
Staat hat die freieſte Entwickelung zu geflatten; hier⸗ 
durch allein gelangt er zum Frieden im eigenen Innern. 
und zur wahren Freiheit. Gegentheild büßt er feine 
Freiheit, feine Souverainetät ein, wenn er entweber 
(5.117) eine einheitlihe Kirche als Herrfcherin neben 
oder uber fi), oder eine herrfchende Parteikirche in ſei⸗ 
nem Innern duldet. ©. 94: a 

Darum ift nur in einer gemeinfchaftlichen Erhebung übes 
die Wirren der Zeit, nur im Glauben an Gott und an unfer 
ewiges Leben in ihm, nur in der vollendeten Religion ift der 
Friede Gottes bier auf Erden zu finden.”) Im Innern baf 
aber der ewige Gott den fihern Frieden aller fouvderainen 
Hriftlihden Staaten in ihre eigene Macht gegeben. Richt, 
wie die Sachen jest ftehen, da den drei Haupteonfefiionen der 
chriſtlichen Kirche gleiche Rechte in den Staaten, ja den Stau⸗ 
ten gegmüber beigelegt find; da Beine der drei Parteien in 
fih einig ift und fie unter: und gegeneinander verfchiedene, 
oft in feindliche Tendenzen ausartende Swecke verfolgen. 
Mleinern Parteikirchen gefchieht in diefer Unordnung gar- 
fein Recht; aus drei Parteien find in Unionsflsaten zwei ge» 
worden; die Bewegung und Trennung in der roͤmiſch⸗ katholi⸗ 
fhen Kirche geftaltet die Sache wieder anders, und der innere, 


*, ©. 178: „Diefen Frieden im eigenen Innern kann der Staat nur. 
erlangen, wenn er in fih zur Ginheit fommt; und ihm fehlt nothe 
wendig die Ginheit, fo lange ex feinen Theilen irgend eine Selb: 
ſtaͤndigkeit geftsttet, die feiner Touverainen Einheit widerſpricht. 
Daß gefhieht nun mit Yrei Parteilirdhen , die fümmtli von einem 
endlichen Dienfchenworte ausgehen, bie göttliche Lebendordnung einer 
freien Perſoͤnlichkeit aufheben, dadurch in fidy und untereinander bie 
giftige Saat eines endlofen Zwieſpalts auäfden, und burdy ihre Über: 
griffe in da8 Leben bed Staats ihn nöthigen,. zur Abwehr ähnliche 
Miögriffe zu begeben.” 








an . 7 
Ä ⸗ * 
iede des Staats iſt durch ſolche, von ihm berechtigte Partei⸗ 
mpfe, die in ſein Leben eingreifen und denen er leidend zu⸗ 
ſehen ſoll, ſchlechthin unmögli gemacht. Die ganze europäi⸗ 
ſche Geſchichte ſeit dem Wiener Congreß, die Klagen unſerer 
Zeit über ein zerriſſenes Leben zeugen von der Wahrheit die⸗ 
ſer Darſtellung. 
Auf dem 
Kirchenrechte iſt dieſem unmöglich zu begegnen, „ja, es iſt nicht 
einzuſehen, wie von ſolchen Rechten die Rede ſein kann, ſo 
lange eingeſtandenermaßen das wahre Verhaͤltniß zwiſchen Staat 
und Kirche nicht gefunden ift. *) 

Hier aber liegt eben die Schwierigkeit, und was ber 
Verf. als Idee hinſtellt, möchte fo leicht nicht zu ver⸗ 
wirklichen fein. Auch hier drängt fih uns die alte 
Klage. auf: W 

Ach der Himmel über mir 
WIR die Erde nie berühren, 
Und das Dort ift niemals Hier! 

Doch — ift es denn nidt wahr, wenn es beißt 

. 238): 
Unſere Staaten haben jeden Augenblick die friedliche Lö⸗ 
fung in ihrer Macht! — denn nur (!) den alten Wahn jener 
Abhängigkeit von einer fremden irdiſchen Macht (d. i. Kirchen⸗ 

ewalt) wie von ihrer eigenen aus dem Wahn geborenen Ge: 
alt vergangener Zeiten haben fie aufzugeben; nur den wab- 
ren Gedanken ihrer fouverainen chriſtlichen Selbfländigkeit in 
aupt und Gliedern haben fie als die eine Lebensaufgabe 
tler een Staaten zu erkennen und auf dem göttlichen 
ndament dieſer anerfannten Glaubenseinheit den 
reien Weltverkehr zu bauen, dann fünnen fie von der 
blicken GBründung eines Gottesreichs hier in: der Zeit mit 
Chriſto fagen: „Es ift vollbracht!“ Es iſt Bein Riefenwerk. 
Der Einzelne has nicht geräͤuſchvoll das übermaͤchtige Geſammt⸗ 
leben zu bearbeiten, ſondern ganz im Stillen ſich ſelbſt. Wenn 
jeder (!) Einzelne ſich vornimmt, wozu er als Ehriſt vor 
Bott und Menſchen fich verpflichtet hat: ich will fortan auf 
Gennd der unwandeibaren Wahrheit des ewigen Lebens nad) 
reiner, chriflicher Menfchwerbung fireben, dann ift Das Yun: 
dament zum chriſtlichen Staat gelegt, dann waltet in ibm der 
Geiſt Gottes als Bilöner feines Geſammtlebens duch Vers 
faffang und Gefez. Die fouveraine Staatögewalt ift Feine 
Schranke der perfönlichen Freiheit, fondern umgekehrt, fie wird 
bedingt durch chriftliche Breiheit in Haupt und Gliedern. 

Wehl iſt Dies wahr, aber nicht minder wahr ifl es 

um gegenüber, was uns die grelle Wirklichkeit zeigt. 
„117: 

Wenn die Regierung in Staaten, deren Bewolmer vers 

ſchiedenen Gonfeflionen angehören, Partei nimmt; wenn in Ron» 


archien der Negent, wo Alles in Gonfeffionen ſich trennt, noth⸗ 


wendig zu einer derjelben ſich bekennen muß: dann wird, je 
mebr es und Ernſt iſt mit unferm Glauben, das ſchoͤne Vor⸗ 
haͤumiß einer gleihmaßigen Stellung des Monarchen zu dem 
ganzen Volk nethwendig geftört. 
Und wie kann diefe Wirklichkeit umgeftaltee werden ? 
Beruht Diefes auf dem Willen eines Einzelnen oder nicht 
vielmehr, wie der Verf. felbft fagt, auf der Mitwirkung 
jebes Ginzelnen? Segt alfo die Verwirklichung dev Ideen 
des chriftlichen Staats nicht die vollendete Heranbildung 


9 Nah Krüber iſt übrigens im Artikel 16 der Bundesacte ab: 
ſichtlich Feine beffimntte Zahl von Khriftlichen Gonfeffionen audge: 
fproden, mb e& Heißt vaſelbſt: „Die Verſchiedenheit der 
chriſtlicheu Retigionsparteien in den Landen des beutfchen 
Bundes kann Beinen Unferfäjieb in dem Genuß der bürgerlichen und 
politiſchen Rechte begründen. “ 


Kigen Baden der fogendmnten Staats und‘. 


- Fu 
n ‘« , 
. 


der Geſammtheit zu der reinmenſchlichen Wuffaffung des 
Chriſtenthums voraus? Denn (S. 95) 


nicht der König ift der Staat, er lenkt nicht als oberfter Bi: 
Ichof das geiftige Leben des Volks, fondern der Staat in der 


Gefammtheit aller feiner &fieder, unter der unbeichränkten, in 


der Landesverfaffung beſtimmten Lenfun 


g feinen Regierung if 
der von Gott betufene Souveram. 


« 


Auch läßt fi) wahre Toleranz nicht gebieten. Und | 


fo lange nicht Alle in dieſer Geſammtheit die chriftlihe 
Freiheit für Alle anerkennen, mürde die gleiche Berech⸗ 


tigung für alle getrennten Confeffionen nur dahin fühen 


tönnen, daß die zahlreichfle oder anderweitig mächtigſte 
derfelben ihre Berechtigung einfeitig zu ber Ducdfüh; 


rung ihrer ber Freiheit Anderer entgegenflehenden An 


fihten benugte ‚und fomit die Souverainetät des crif- 
lichen Staats vernishtete ! 
C(Der Beſchluß folgt. ) 





Literaturberiht aus Kopenhagen. 
Inni 19% 
Der Skandingavismus treibt Blätter und einzelne Bluͤter, 


während die Früchte auf fih warten. laffen. Wir meinen nie 


li nicht den politifhen, der ein Baſtard des modernen Rod 
calismus und der Bergötterungsfucht der nordiſchen Bolkethum 
lichkeit ift, fondern den geiftigen, der eine Völkergemeinihaft de 
Nordens auf Grundlage der allgemeinen Eultur und miler 
ſchaftlichen Ausbildung darftellen will; einer Grundlage, die in 
der That ſchon —*8ãa 

des Sinnesart immer beſtand und nur, mit Beſeitigung de 
philifterhaften Gereiztheit der Danen und Schweden gegenein 
ander, zur Anerkennung gebracht zu werden braudte. Deq 


audy diefe an fich ſchöne Richtung, die auf fo viele verwandte 


Saiten in Deutfchlands Herzen und in den Daffelbe ringe um 
gebenden Völkern trifft, hat einen herben Iufag im Unti-dr 
manismus. Diefe antideutiche Denfart trägt auch die [sit dem 
neuen Jahre gegründete, aus dänifchen und ſchwediſchen Yul- 
fäßen beftehende „‚Rordifche Literaturzeitung” zur Schau, wilde 
übrigens einzelne gediegene Berichte, namentlidy über die neum 
fchwedifche Literatur und ihre Richtungen, geliefert hat. Mus 
will jich entdeutfchen, nicht blos in gutem Sinne, ın wein 
jedes Volt aus feiner Vorzeit und feinem ganzen eigenthim: 
lichen Beftehen Rahrung faugt, fordern man verkennt vicfah 
die tiefen Herzadern, welche die Wiſſenſchaft und Kunſt ir 
Deutſchen in faft alle Bülkerfleönre eingegoffen hat; man ſeht 
eine Ehre darin, es zu vergefin. Gewoͤhnlich nennt mt 
Oehlenſchlaͤger und Grundtvig als die Wtoäter diejer Richtum 
Diefer blos if es im legtern Sinne, Iener nur infofern er ab 
poetiſcher Genius allerdings wie mit einem Zauberftabe d& 
ganze deiche altnotdiſche Beben in bewundernswürdigen Schöpfer 
gen bereits feit 1803 erfigfofien bat. Ben Blättern und Bir 
ten dieſer Richtung liegen ausgewählte Stücke aus ſchwediſches 
Dichtern und Profaiften mit Burgen literarifch. = biograppilden 
Andeutungen vor, denen man eine ähnliche isländiſche Anthe 
logie folgen laſſen will, um diefe Sprachen-Ebdda, den herrlich 
ſten Kranz um die Schläfe des ſtandinaviſchen Nordens, ue 
moͤglich unter das Volk zu bringen. Übrigens ſpricht die ganz 
Tendenz fi, wie die iöntichen überall, ın Volksfeſten, Keden 
Trinkſprüchen und Denfmälern (von welchen neuerdings M 
für Tycho Brahe zu errichtendes, wohlverbientes, vielfach br 
ſprochen worden id, als ihren Emiblemen, aus. Ich fehe & 
von Grundtvig’s Rede auf Skamlingsbanke“, 1845, in wel⸗ 
der er in gleichem Grade fich ſelbſt und die Gerechtigkeit det 
Sefhidite vergaß. Das Beifpiellafe der bort vorgefallenen Fu: 
Berungen bat aber dennoch in der Tugend sin entſprechen 


der gemeinfumen Speachwurzen m 


des Ferment, das ſich auf jedt Mei Plap made. Bei 
der „Rorbifihen Weise‘ am 13. Jam. b. 3 in Kepen- 
hagen ſprach deu Mednes Wr. Gelosg, fonft wol mehr ein 
Gemäfigter diefer Richtung, in einem Vortrage „über Das, 
mod die Gegenwart den Waätern ſchuldig fei rudfichtfid; ber 
tatwickelung der flandinavifgen Idee‘, ſich dahin aus: Diele 
ee fei unter den Göttern in Asgaard geberen ; bie Dreiftäm- 
migteit der nordiſchen Völker finde dort ſchon ihr Vorbild im 
ven „Bien, Banen und Alfen“; «SB könne übrigens wun bie 
Ktde fein von einer ffandinavifcgen Idee, Feinesweg6 aber vor 
anız flawifchen, germanifchen, oder welche zuſammenfchließende 
Volksthuüͤmiichkeit man fonft fegen wolle; denn dort allein Habe 
ns Volkathum einen reinem Charakter, Wurzel and Stamm 
um Krone zugleich aus bemfelben Stoffe. Die größte Höhe, 
em wahrhaft Bacchantiſchen Raufch, erreichte indeß ber Ultra: 
Gandinavismus bei der Feier deflelben Feſtes in Chriſtiania. 
% Decoration me großen Feſtſaale hatte man das Chor ‚eines 
Vatempels angebracht, werin eine figende Foloffale Deinsfigur 
nad einer Statue Michelſen's, die fpater über Tiſche allgemein 
bewundert wurde. Nach dem einleitenden Vortrage wurbs ein 
Büinsbecher getrunken; unter den Gefundheiten, Die man feg« 
ner außbrachte, waren bie Fteir's (für ein gutes Jahr) und 
Brage's. Unter diefen und ähnlichen Stimmungen überfieht 
man nur gar zu leicht den chriftlichen Gemeinftempel der civi⸗ 
lifieten Böller Europas, und fieht ſich zu ber ungeheuern Ber 
bauptung hingedrängt: daß aud die religiöfe Cultur ihren er: 
fen Anfnüpfungs:, ja ihren notgwendigen Du 
in der mythiſchen Heldenzeit der Völker habe; daß folglich, ins 
Praktiſche übertvagen, die Göttergeftalten felbft maßgebend und 
Griflihe Begriffe anbahnend beim Neligiondunterrichte werben 
müffen. 

Ich habe die äußerfte Spige der flandinavifhen Richtung 
angedeutet, welche unftreitig fi brechen muß, während Die fort» 
geiepte Anbahnung und Erweiterung des geiſtigen Bölkerver 
ichrs im Norden gewiß ein mehr als unverfanglicher, ein edler 
und erhabener Zweck ift. Kern von biefem Getriebe Hält ſich 
die gelehrte Altnordiſche Schule, wie wir fie nennen moͤchten; 
fie braucht Richts von jenem unechten Weihrauch und betäuben 
den Blätterbuft. Stil wurzelnd in einer großartigen Ratio 
naleultur, die noch immer unerſchoͤpfliche Bundgruben Darbietet, 
und auf dem geficherten Boden gelehrter Forſchung ruhend, 
dei nicht chme Lebendige Geſchichts auffaſſung, gebt fie ihren 
fihern Weg und leitet immer mehr alle Ströme in ein Bett 
zufemmen. Schweden, Dänemark und Rorwegen wetteifern in 
diefen BeRrebungen, die alte Zeit vecht tief auszubeuten. Die 
etwas raſche und gereizte Wusfoberung dev Norweger (durch 
einen Wuffag des Prof. Storm Mund in der „Rorwegiſchen 
Literaturzeitung“) am die Rordiſche Alterthumsgeſellſchaft in 
Kopenhagen, ald ob diefe einfeitig daniſche Intereffen fördere, 
während fie den ganzen Norden vertreten will, hatte doch nur 
fteundliche Berftandigung und einen reinen Gewinn zus Yolge, 
indem eine norwegiſche Abtheilung biefer Geſellſchaft und ein 
beionderes norwegifehed Shriften-omite gegründet ward, das 
nun zanädjt eine neue Ausgabe von Snorro Sturläfon mit 
den Fortfenungen deſſelben (Noregs konunga-sögur‘') veranftal- 
ten und in eigenen „ Annalen” ihre Arbeiten darlegen wirb. 
Die gelehrte Betriebfamkeit auf diefem Felde der Kritit und 
Geſchichte ift größer als vielleicht irgentiwo ſonſt. Inden leg 
ten Jahren (194546) werde wicht nur das beſonders für bie 
Geographie des Mittelalters wichtige Werk: „Grönlands histo- 
riske Mindesmärker”, mit dem dritten Bande (der eine voll: 
Ründige, kritiſch geſichtete Sammlung dev Weifeberichte über 
Grönland aus dem Mittelalter, eine geehrte Abhandlung Breds⸗ 
dorſſs über die Reifen der Sebruͤder Bene, eine detaillirte Über 
icht der wichtigſten neueen Reifen zur Wiederfindung Grön 
ande von Pingei, die antiquariiche Ehorograppie und alte Geo⸗ 
jraphie des Landes von Rafn enthält) geſchloſſen, ſondern auch 
Re lateiniſche —— ber „ Fornmanna - sögur“ (Bogen 
welche die außer: islandiſche Geſchichte des Rordens betreffen) 


angepunkt . 





mit dem zwbifſen Bande (worin reiche geogenphifde iſter, 
ein chronologiſcher Inder nf. w.) 1836 vollendet at 
Herausgabe einer neuen Weihe von Sagen, die Islands Mer 
fdicpte ſelbſt betreffen, „Isendinge-sögur”, deren kritiſche Bewer 
beitung vornaͤmlich Ion Sigurdfon übertvagen warb, a 
fangen (Band I, 1843). Die Beitfihriften der Sefeufgort: 
„Annaler for Rordist ODidkyndighed“ und „Memoires des 
antiquaires du Nord‘ ‚(der legte Band ber erfigenamten bie 
tet unter Underm eine treffliche Abhandlung N. Di. Peterfers . 
„Über die Bedeutung bes nordiſchen Alterchums für die Ge» 
genwart”*) hatten. ungebinderten Fortgang, und eine neue Priste 
„ intiquarist Zidsffkift‘. (zwei — — 184449) trat hinze. 
Man bereitet jegt eine große Samınlung der altnordiſchen Nach⸗ 
richten, fei e8 in Sagen, Dentmälern oder Diplomen,. zuu Ger 
ſchichte der Urfprünge bes großen Varaͤgen⸗Reiches und uͤber 
haupt der ofteucopäifchen Vöfkerftrömungen im Mittelalter vor; 
zu diefem Werke: „Antiquites zusses et orfentales“ (das mit 
lateiniſcher und franzoͤſiſcher Überfegung fowie einem reichen 
phitelogirb- kritifchen und antiquarifdy. hiftowifchen Apparate in 
viev den erfcheinen wirb) find bereits die melften Borarbeis 
ten beendige. Bollendet in ber Handſchrift liegt da und harrt 


der Heraußgabe das große, einem ſageeren Beduͤrfniß aller Ger 


ſchichts⸗ und Alterthumsforſcher aufs entfprechendfte abbelfende 
„Lexicon poeticum antiquas linguae septentrionalis’ von 
Dr. Speinbiörn @gilsfon, einem der außgezeichnetften isländie 
fen Sprachkenner und Literaten ber Gegenwert. Diefkw 
Werke reicht das andere große, nicht von der Alterth ell⸗ 
ſchaft veraulaßte, mit dem beharrlichſten mehr als zwolffaͤhri⸗ 
gen Fleiße durchgeführte und jegt ebenfalls größtentheils zur 
Bollendung gebrachte Unternehmen des gelehrten Englaͤnders 
Cleasby, ein islaͤndiſcher Sprachſchatz (mit Ausſchluß jedoch 
der poetiſchen Sprache), auf die erfreulichſte Weife die Hand. 
Beſondere Erwähnung ‘verdient no das gegen Schluß de& 
vorigen Jahres erfchienene Wert von Worfaae: „Die Denk 
mäler Blefingens aus der heidnifchen Urzeit”, worin das 
Gewicht, welches der Berf. auf die manumentale, im Ge⸗ 
genfag zu Der übrigen Quchenforfchung legt, geeignet fein 
möchte, eine neue Seite der Pritifchen tigkeit hervorzu⸗ 
rufen. Auch das ältere Inftitut für die Herausgabe altnorbir 
fiber Schriften, welches durch eine Reihe von TO 3 

unter oft ungünftigen Umftänden feine Thaͤtigkeit entfaltet bat, 
— die Arna : Bagnäanifhe Sommiffion — biieb nicht zurüd. 
Kacydem fie eine genaue Bergleihung der trefflichen Handfchriften 
der profaifhen Edda (Snorra Edda mit Skala, dem eigen» 
lichen Schlüffel zur altnordiſchen Poeſie) veranftaltet,. wird jege 
zum Drud einer kritiſchen Ausgabe derfelben mit Uberfegung 
und erläuteernden Anmerkungen (in 2 — 3 Bänden) gefcheit 
—F a Ar Bollendung des Werkes in einigen Ia m 

nähe fteht. . 

Die Porfie in Dänemark bleibt weſentlich dem Impulſe 
und Charakter trew, welchen fie durch Dehlenſchlaͤger's Auftre⸗ 
ten im. Anfartge dies Jahrhunderts angenommen, fowie anderer» 
feit8 dem nicht minder bänifchen Gepräge, welches der große Seg⸗ 
ner des Erſtgenannten, Baggeſen, ihr aufdrückte. Sie iſt in 
dieſem wie in jenem Falle eine nordiſche postifge Schule, die 
felbft, wo fie. andere Formen ſich aneignet, doch den urfprüngs 
lien Geift bewahrt. Das Glied, wodurch diefe Poefte in 
allgemeine Fünftterifehe Entwidelung hinübergreift und das Ger 
ſaumtſtreben der Zeit abfpiegelt, ift offenbar der Roman und 
die Novelle; und gerade auf diefens Gebiete iſt die däniſche Bir 
teratur im der degten Zeit auch am fruditbarften gewefen: Die 
geniale V erin einer „Alltagsgeſchichte“, die ben Schleier 
der Anonymität noch befier als der Werfafler der avezleg- 
novels bewahrt, gab in der Rovelle „Zwei Beitalter‘ (L 


eine le e Darſtellung der Jugendzeit des jegt greifen Se— 
ſchlechts, der Zeit ummittelbar nach der franzoſiſchen Aevofutiews 
die e Uuffoffung der Lebens zuͤge im Kteife der hohern Ger 


u mit Andeutungen des eigentlich hoͤhern 
—* —— — tere Darſtellungen iſt, 





fehle auch bier nicht. Einen neuen t eröffnete der Ber: 
faffer des Romans „in Jude‘ (1845), und überrafihte um 
fo mehr durch die in des That gefühl: und gehaltuolle Auffaſ⸗ 
fung Diefer Geite des gefellfchaftlichen Lebens, die ftets ihre 
sche Liefe behält, als man. fi einer ſolchen Ausſprache 
von dem Hauptverfaffer des „Eorfar”, A. Goldſchmidt — eines 
die größte Derbheit ded parifer „Charivari’ und des Iondoner 
„Punch“ noch überbietenden, truntenen Wigblattes mit Garicatu: 
ren —, nicht verfeben hatte. Der wehmüthige Bug im Hinter» 
grunde des Fr Die Berrifienbeit des modernen S rn 
thums, im ag zu nerungen aus der it, 
dem Stillleben einer gläubigen jübifchen Familie, erhöht den 
Heiz der Darfiellung. Richt ere Senfation erweckte bie 
mit figerer Hand und plaftifder Kraft entwidelte „Beelenge: 
ſchichte: Fleiſch und Geiſt oder die zwei Wege“ (2 Bde., 1840), 
als deren Berfafler Kofod--Hanfen bezeichnet wird. Der Unter» 
gang des finnlidhen Lebens mit — geiſtiger Faͤr⸗ 
bung wird bier mit tiefem ethiſchen fie zum Bewußtſein 
bracht. Einen Griff in das zauberifche Undinengebiet ver- 
—*8* der poetiſch⸗ begabte, anonyme Verfaſſer des Novelle 
Die Meerresfrau; ein Abſchnitt aus dem Leben meines Groß⸗ 
onfels“ (1846). Unter den ältern Meiftern der Poefie ſchwieg 


fat ganz in der legten Zeit Ingemann, oder vielmehr er be: 


nugte eine Beit des Schweigens, uns mit einer vollendeten 
usgebe feiner Schriften in drei Abtheilungen (Iyrifche Ge⸗ 

e, Dramen, romantifhe Gpen, Romane und Rovellen 
234 Bde.) zu befchenten. Die Auswahl, was bie Sritinge 
verfuche betrifft, iſt ebenfo finnig als die kurze Eritifche Selbſt⸗ 
wuͤrdigung der einzelnen Urbeiten lehrreich; die ganze Samm⸗ 
lung ſtellt uns einen reichen dichterifchen Bebenslauf bar, welcher 
noch im beginnenden Alter Jugendfriſche und Jugendkraft ath⸗ 
met. Über die von einem Buchhändler veranftaltete Geſammt⸗ 
ausgabe der Dichterwerke des andern großen Meifters, Oehlen⸗ 
ſchlaͤger's, koͤnnen wir leider nit fo Wortheilhaftes fagen. 
Schon die hürftige Ausflattung ftößt zurüd; aber auch davon 
abgefehen, find die kritiſchen Verbefferungen, die Oehlenſchlaͤger 
ff bei jedem feiner lyriſchen Gedichte, wie nicht minder bei 
den Dramen angebracht hat, der Art, daß feine Verehrer 
durchaus fih an die alten Ausgaben halten müflen, wo das 
feifche Morgenroth noch nicht methodifch verpinfelt if. Der 
unermüdliche Zürft der daͤniſchen Sänger gab übrigens in der 
legten Zeit außer einem nordifchen Heldenſpiele: „Das Land 
wie gefunden, fo verſchwunden“ (welches, obgleich wie faft alle 
feine Dramen, mehr eine großartige epifche Darftellung, Doch 
auf der Bühne durch die hörbaren Zlüyelfchläge des kraͤftigen 
Geiftes hingeriffen hat) zwei Luftipiele: „Garrick in Frankreich‘ 
und „Rei und Arm”. Eine dritte Gefammtausgabe ift die 
von Sten Blicher’s, des unübertrefflihen Malerd des Ratur: 
und Sittenlebens auf der jütifchen Haide, „Novellen. Alt und 
Keu'. Die Sammlung wird in fünf Bänden vollendet wer: 
den, wovon zwei, gut ausgeftattet, erfchienen find. Im Vor⸗ 
beigeben bemerken wir nur den Iyrifhenovelliftifchen Blumen: 
flor in zwei nebeneinander hergehenden poetifchen Sahrbüchern: 
das eine, „Urania”, von Prof. Heiberg herausgegeben und mit 
namhaften Beiträgen von ihm felbft, fowie von Paludan» 
Müller (der jedenfalld Der tiefſte und reichſte unter den jüngern 
dänifchen Dichtern iſt) geiämüdt; das andere, „Gäa“, von 
9.2. Möller herausgegeben und artiti[h und poetifch noch rei: 
cher ausgeftattet. Beide find für 1843 — 46 erfchienen. Us 
ein, ohne an irgend eine Schule oder Richtung in der Litern 
tur fi) anzufchließen, fteht der geniale Denker und Schriftftel- 
er Sören Kierkegaard. In der Sokratik wurgelnd, mit ef: 

g am tiefften geiftig verwandt, trägt er Fein Bedenken, das 
ganze Gerüfte der falſchen Dbjectivität in der Speculation ab« 
zubredhen, um die Subjectivität, welche allein mit Gott es gu 
tun hat, in ihre Rechte einzufegen. In feinen Schriften (un: 
ter weichen, nad der großen ethifch » plaftifchen Eompofition 


-tuirte Geſellſchaft ihre Au 


„Enten — Elle”, 2 We, 1843, die legten und vollendeifien 
in der Betrachtung find: „Stadier paa Fivetd Bei”, 1815; 
„Afſluttende uvidenflabelig @fterflrift af Ichannes Elimanıs“, 
i ‚die beiweitem nicht gehoͤrig gewuͤrdigt find, lebt ein 
undergaͤngliche Ader von Ironie und Humor, eine kece, oft 
übermüthige Dialektik. Seine Lebensanſchauung iſt bis dahia 
inſofern ein Fragment geblieben, als er, auf dee Grenze der 
chriſtlichen Skepfis verharrend, Die Frage nach der Bedeutung 
des wahrhaft Dbjectiven, das eben ihn treibt, die falſchen Cr 
ruͤſte abzubrechen, hinausgeſchoben hat. Vielleicht wird Dies 
eine Er Periode feiner kuͤnſtleriſch⸗ ethiſchen Entwickelung 
ezeichnen. 

„Die Foͤrderung der daniſchen Literatur“ Hat eine Geſel⸗ 
ſchaft, weiche nach dieſem Zwecke fig nennt, zur Aufgabe fid ge 
ftelt und theils durch Herausgabe älterer werthuoller Sprach 
und Siteraturdendmale, theild Dusch Unterftügung literariſcher 
Unternehmungen in der Gegenwart zu erreichen gefucht. Durch 
ihre Fürferge find des Altern Satirikers Chr. Falſter's „Bat 
ren mit fprahlichen Anmerkungen” (1840), eine neue Ihe 
fegung von Holberg’6 „Rield Klim“ (1841), Bröndfied's „Ri 
fen in Griechenland” (2 Bde., 1843— 44), Schack Gtaftlitt 
„Gedichte und Biographie‘ (1843 fg., bis jegt 3 Bde.), der 
Anfang einer neuen Fritifchen Ausgabe der MWedel’fchen Uber: 
fegung von „Saro rammaticus‘ (1845) herausgegeben. Dra 
großen Rationaltomiter 2. Holberg Hat eine zu diefem Iwede 
eigens (äbnlid der Shakspeare -society in England) confi- 

rkſamkeit zugewandt. Bis je 
ift unter ihren Wufpicien nur der erſte Band von Holberg 
Luftfpielen, mit fprachliden Anmerkungen unter dem Yet, 
@inleitungen und erläuternden Anmerkungen zu jedem Luft 
fpiele, 1843 erfchienen. 108. 





Miscellen. 


Profeſſor Dertel in Ansbach iſt nicht der Einzige und 
Erfte, welchem man jegumweilen den Titel eines „Baflırk 
Doctors“ beigelegt bat. Schon vor mehr als ISA Jahren 
bat, wie Plinius in feiner Raturgefchichte (26, 8) berihtet, 
Adklepiades, nachdem er ald Lehrer der Beredtfamkit, de 
ihm Nichts eintrug, zur Deillunde übergegangen war und 
eine ganz neue Eurmethode auf die Bahn gebracht hatte, me 
bei namentlih auch das kalte Waſſer eine Rohe fpielte, vom 
kalten Waſſer einen Beinamen fich erkleſt. Plinius nennt ie, 
chen felbft nicht, daher fein Commentator, Harduin, die Pr 
muthung äußert, diefer Rame habe gelautet Toatyuzpos, U 
deutſch etwa Kaltwafferarzt. Übrigens fpricht Plinius von Mr 
fem Asklepiades auf eine nichts weniger als vortheilhafte Bek 
und erwähnt nur, daß deffen Anfehen groß und der Rt m 
ihm weit verbreitet gemefen, nachdem er eine ſchon auf x 
Scheiterhaufen gelegene Leiche wieder gem Leben gebracht ha: 
eine Geſchichte, die Apulejus (Mlorid. Num. XIX) weitluf 
ger erzählt und dabei — fo pflegt es in der Welt zu gehen — 
den Aöllepiades als einen der vorzüglichften Arzte preiſt, M 
nur dem Hippokrates habe nachſtehen müffen. | 


Nach der L. 15, $. 27, D. de injur. (47, 10) gilt Wü, 
was Jemand gethan nder gefagt hat, um. einen Andern u 
feiner Ehre zu Eränken, für eine Injurie. Aus dieſem Grund 
erkannte die wittenberger Juriſtenfacultät im 3. 1732 eian 
Studioſus der Iujwrie ſchuldig, weldyer bei einer öffentlich don 
ihm gehaltenen Difputation den Präfes gehöhnt hatte, indem 
er, ohne ein Wort zu reden, die Thefes verächtli hin um 
ber warf, dabei fpöttifch lachte und überhaupt ganz unpoßſen 
fich beteug- 2. 


VBerantwortlicher Pesausgeber Geinrich Brockzans. — Drad und Berlag von F. X. Drockhaus in Reipzis- 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Montag, 


der fouveraine chriftlihe Staat, das Ende aller Zeit: 
wirren. Vom Senator Röben zu Keer. 
(Beſchluß aus Nr. 212.) 


Die Idee des Verf. iſt nichtsdefloweniger groß und 
bon, und wir erwarten mit ihm nur von der fortfchrei- 
tenden Annäherung zur Verwirklichung bderfelben das 
Heil der Menſchheit. Über die Form jedoch, in welcher diefe 
Annäherung unter ben einmal befiehenden Verhältniffen 
berbeizuführen ift, tönnen wir uns nad) feiner ganzen 
Auffaſſungsweiſe bei ihm nicht vollftändig Raths erho- 
kn. Er verwirft jebe äußere fefte Geftaltung der Kirche, 
da der hriftliche Geiſt allein, und zwar mittel des freien 
Borts, zur Derrfchaft berufen ift und von diefem ein 
feted Fortfchreiten durch Umgeflaltung des Staats auf 
geiegmäßigem Wege erwartet werden muf. Aber dabei 
überfieht er ein doppeltes in der Wirklichkeit Tiegendes 
Hinderniß. Wenn nun eine Kirche ihre beftehende Form 
nicht aufgeben will: kann, darf der Staat fie dazu 
jwingen? Was der Verf. an einigen Stellen von dem 
Aufgeben „der Anhänglichfeit Fatholifcher Völker an die 
taͤuſchende Borftellung einer einheitlich herrfchenden Kirche” 
zu hoffen geneigt ift, möchte fich doch nicht fo bald er- 
füllen. Aber auch die Kirche, d. h. die Gemeinſchaft 
der Chriſten kann, auf welchem Standpunkte der Auf: 
faffung des Chriſtenthums fie auch ſtehen, ihr Schidfal 
nicht unbedingt den Händen des Staats anvertrauen, 
ohne durch ein Aufßeres Band ihrer Glieder in Stand 
gelegt zu fein, dem Staate bei etwaiger künftiger Be⸗ 
antrahtigung ihrer Rechte entgegenzutreten. Denn e6 
geent wirklich am eine utopifche Vorſtellungsweiſe, fo 
hr der Verf. öfter gegen dieſe proteflirt, wenn er 
fragt (E. 317): 

Laͤßt es jih nur denken (!), daß ein Lünftiger Regent, 
der der erfien Jugend an erzogen (!) in der reinen Wahrheit 
des Chriſtenthums und für den Staat, der ein treues Abbild 
diefes Hoͤchſten ift (), bei dem Antritt feiner Regierung dies 
Dahrhaft gortmenfchlidhe Leben misachten, ed gewaltfam aus 
ſeiner Bahn binausdrängen und feiner perfönlichen Willkür 
pteisgeben Fönnte ? 

Ref. kann es daher nicht fo allgemein zugeftehen, 
daß „alle Trennungen‘, insbefondere die „in Staat und 
Kicche unwahr find”. Die Kirche bedarf feiner LÜber- 
kugung nach zur Sicherung ihrer erhabenen Zwecke auch 
iner äußern Geftaltung, und zwar nit nur dem etwai⸗ 


—— Nr. 243, A 


31. Auguft 1846, 


gen Misbrauche der Staatsgewalt gegenüber, fondern auch 
damit die Wichtigkeit berfelben nicht verdunkelt werde. 


Alles kommt hier indeß darauf an: ob die Kirche 
eine freie Gemeinfchaft fein fol, welche nur in dem Ziele 
einig ift, das Leben der Menfchen nach der Xehre und 
dem Beifpiele Jeſu zu immer höherer Vollendung zu ge: 
falten; oder ob wir uns unter derfelben eine Herrſchaft 
des Klerus denken, ale eine den Glauben beftimmende 
Macht zur Bevormundung der Gemeinde. Jene edle 
und freie Anfiht kann allerdings nur beftehen bei dem 
Slauben an die ungerftörbare Güte der Menfchennatur, 
bei dem Vertrauen, daß, „was Bott gewagt”, die freie 
Entwidelung einer vernünftigen Perfönlichkeit zum Heile 
führen müffe, zu immer hellerer Erkenntniß der Wahr- 
heit, zu immer höherer Veredelung des ganzen Menfchen- 
geſchlechts. S. 49: 

Die ewige Wahrheit iſt die göttlich eine, freie und gleiche 
für Alle. Der Geiſt in der Gemeinde, im Menſchengeſchlecht 
verkündet fie. Jeder Fortfchritt, nicht im Geben, fondern im 
Aneignen, wird zum freien Nehmen in Allen, die daran glau: 
ben. Chriftus, der Dffenbarer der vollkommenen Religion, ift 
das alleingenügende objective Band der Ginigung im Glauben. 
Weiter geht die Einheit nicht, Die jedoch für ale Gläubigen 
den Frieden im Geift vollkommen ſichert. Das Schauen im 
Glauben, das Aneignen und Unwenden bleibt der perfönlichen 
Freiheit vorbehalten, ift nach Gottes Willen ſchlechthin ſubjec⸗ 
tiv, und dieſe frei fih entfaltende Mannichfaltigkeit auf dem 
fihern Boden der objectiven Glaubenseinheit ift der fehönfte 
Erdenreiz. 

Und fofern hat der Verf. Recht, wenn er glaubt, daß 
der Wahn von ber Erbfünde die Erfindung wie die 
Stüge bierachifcher Tendenzen fe. Nur möchte er zu 
einfeitig alles Böfe auf Erben eben aus jenem Wahne 
herleiten, den er als die Sünde wider den Heiligen Geift 
betrachtet. Auf diefen Gedanken führt er uns bis zum 
höchften Uberdruß immer von neuem zurüd, und ein 
großer Theil des Buchs iſt diefer für die freifinnigen 
Leſer (welche doch allein zu demfelben greifen möchten) höchſt 
überflüffigen Polemik gewibme. Was der Verf. damit 
vor Allem bezeichnen will, ift die Verwerflichkeit jener 
Lebensanficht, welche durd) Adam's Sündenfall die Ratur 
des Menfchen für unheilbar zerrüttet, zu allem Guten 
unfähig und dem göttlichen Zorn unterworfen erklärt 
und darum eine übernatürlihde Einwirkung zur DBerföh- 
nung bes Menfhen mit Gott für nothwendig bält. 


Aber (5.166): 
Für Menfchen gibt es nichts übermenſchliches, als in ih⸗ 
rer eigenen Einbildung, und es ift geradezu undriftlih, das 
Wort der Bibel ald ein Übermenfchliches zu betrachten. Gott 


ſelbſt ift für uns nicht übermenſchlich, fondern wir jind göft- 
“ lichen Geſchlechts. Gott zu erkennen und in ihm zu leben, 


Das allein ift rein menſchlich, und dies Einsjein des Menſchen 
mit feinem Gott, das Erdenleben als ein ewiges, dies gott: 
menfchliche Leben unfers Geſchlechts ift der fpecifiiche Charakter 
der chriftlichen Religion, ift der uns fo theuer erworbene Frie⸗ 
densweg zur menſchlichen Vollendung. 

Don der Anerkenntnif diefes edeln Glaubens durch 
die chriftfichen Staaten erwartet der Verf. nur auch al- 


lein das „Ende aller Zeitwirren”, und er hat Recht, wenn 


er dabei nicht an eine plögliche Umgeftaltung des ge- 
fammten Lebens durch Aufhebung jeder äußern Kirden- 
form (mie es zumeilen fiheint), fondern an die allmälige 
Veredelung der Menfchheit durch ungehemmte geiftige 
Entmwidelung (die dody immer feine Hauptfoderung bleibt) 
gedacht wiffen will. So heißt es zum Schluffe feines 
Buchs (S. 340): 

Der Heilige Bund, als einfeitiger Fuͤrſtenbund von rei: 
fen Staatömännern belächelt, wie andere fromme Zräume pur: 
tos von der Erde verſchwunden, er wird That und Xeben wer: 
den, fobald er in der Kraft des Heiligen Geiſtes Fuͤrſten und 
Voͤlker umſchlingt. 

Wer in dem Suͤndenwahn einer herrſchenden Zeit gefan— 
gen liegt, dem muß bange werden vor den Zeichen der Zeit, 
der wird verſchmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, 
die da kommen ſollen auf Erden. Wer aber das Leben nimmt 
al6 eine Babe des Ewigen, der jieht in den ungewöhnlichen 
Bemegungen das Kommen des Menfchenfohnd mit großer Kraft 
und Herrlichkeit, der weiß, daB das Reich Gottes nahe ift. 

Db jedoch der Zag der Entfcheidung wie ein Kallitrid 
fommen fell über Alle, die auf Erden wohnen, ober cb unfere 
Staaten in ber allgegenwärtigen Kraft daß empfangenen Gei⸗ 
fies fteben wollen vor des Menſchen Sohn, Das hat der All: 
waltende in unfere Macht gegeben. 

Wir münfchen und hoffen, daß das Bud, dazu bei- 
tagen möge, der Knechtſchaft des Buchſtabens, Die ſich 
noch einmal (vergeblih!) zur Macht erheben möchte, 
mehr und mehr entgegen zu wirken und den freien Geift 
zu nähren, der uns allein in alle Wahrheit führen kann 
und damit allen religiöfen Trennungen, welche neue Zeit⸗ 
wirren heraufzuführen drohen, das Enbe bereiten muß! 

75. 





Zur Zagedliteratur. 


Die Zogebliteratur wird nie aufhören ſich mit Preußen 
zu beichäftigen. Es find da zu viele Keime ſelbſt vorhanden, 
und zu viel Anlaf von Furcht und ‚boffaung giht die mögliche 
Politik feiner Regierung, daß fih immer Gelegenheiten finden 
werden, die fchiclicherweife zu benugen find, um au entfchuldis 
gen, ja es als nothwendig darzuftellen, daB man ein Wort 
mitredet. So liegen uns gerade zwei hierher gehörige Schriften 
vor. Die eine hat einen erfchredlichen Zitel: 

1, Die preußifihe Politik, betrachtet von Einem, den fie Richts 
angeht. Allen Herren Preußen in aller Yreimüthigkeit und 
Freundſchaft zur Kritik vorgelegt von Bernhard Wer: 
ner. Preiburg, Herder. 1846. Br. 8. 7, Nor. 

Man follte meinen, nun fei ed mit Preußen rein aus; 
Herr B. Werner habe ſich nichts Minderes vorgenommen, als 
alle Herzen Preußen mit Haut und Haaren zu verzehren. Sieht 


—No BE 


ã 
“ ’ +‘ 


man aber diefem Kämpen binter feinen großen Schi, fo be 
merkt man bald, daß er unter großem Schreien mit fehr tri: 
vialen Steinen zu ſchleudern verſucht und weder Schwert noch 
Lanze führt. Die Hauptſache iſt, daß die preußiſche Regierung 
in den Angelegenheiten des. Bolivereins nicht nach dem Willen 
der fübdeutfchen Regierungen verführt, und daß es den Ronge 
Spektakel, bie Ronge'ſche Kirche, den Rongismus duldet; dir 
fei ein unorthographifcher Rebus gegen eine Charade gehalten. 
Zum Schluß werden die wunderlichften Gedanken ausgefpre: 
hen die wir je gelefen haben. Den Gedanken der Alleinherr 
[haft des Rechts über die Welt habe das römische Kaiferthum 
geboren; dieſer Gedanke der Rechtöherrfchaft fei nirgend mehr 
realifirt als im Nömerreiche, felbft zu Konfkantincpel; de 
Paͤpſte haben ihn am längften bewahrt, Beutfchland habe ihn aber 
von dem oft: und weftrömifchen Reiche geerbt und nun ſei in 
ihm Weft- und Oft-Rom das Schiedsrichteramt der Welt: alt 
Bolt der Macht und des Rechts werde es wie Rom herr: 
hen und ben Egoismus der andern Völker niederhalte! 
Es ift begreiflih, daß ſolchen chimärifchen Ausfichten und vr: 


worrenen Begriffen die preußifche Politik nicht genügt, ab 


auch, daß fie einer verfländigen Beurtheilung entbehren mi; 


und dann wird fie fi wol tröjten können, daß fie den Kur 
Nichte angeht. Was ‚gate hervorgehoben werben müffen, if 
nicht gefchehen, nämlidy die feit dem Jahre 1340 eingetreten 
eigenthümliche Wendung der innern Politif: die Kirche anftat 
des Staats in gewiſſer Weife freizugeben. Diefe fol ſich durh 


ſich 

Zu dem Ende iſt gegenwärtig 

Dahin richtet ſich die Schrift: 

2. Die preußifche Genevaljynode und der Beruf der evangei 

ſſchen Kirche. Urfprüngli für die Wefer-Zeitung bejtimmt. 
Bremen, Schünemann. 1846. 8. 


eine Generalſynode verfammilt. 


felbft geflalten; dieſe ihren Beruf ergreifen und erfüllen 





Der Berf. hat fi am Ende genannt und beißt Theotdet 


Althaus. Es iſt nicht ganz leicht, diejenigen Gedanken zu fr 
den, welche der eigentliche Aweck ber Schrift fein müflen. De 
Berf. hat fie nicht ungeſchickt hinter wohlgefügtes Mauenwert 
anderweitiger Betrachtungen und hinter Kreuz: und Quergin 
gen verborgen. Die Sache ift aber diefe. Die preußiſche Ge: 
neralfonode muß ſich in ihren Ratbfchlägen und Meinungen am 
dad Beftehen der abfoluten preußifchen Monarchie halten; fit 
barf ihre Gedanken und Pläne nicht nach dem Iodeal fallen, 
fondern wie ed das Sonderintereffe des preußifchen Staatl, 
beffen Unterthanen die Mitglieder jind, verlangt. Daher i 
von vornherein fchon zu fagen, daß fie ungenügend fein wit. 
Mas aber den wahren Beruf der evangelifchen Kirche anbelangt. 
fo iſt zuerft das Princip aus der Gefchichte anzuerkennen, 

das Reue ſich nit aus der Vermehrung des Alten entwidelt, 
fondern aus Verneinung, und zwar des Außerlichen. De 
evangelifchen Kirche Außerliches ift nun: die unbedingte ji 
liche Autorität der Heiligen Schrift; von dieſem Glaubt 
Gefege muß ſich die Kirche befreien; ftatt aller Berpflictung 
muß bie einfache Erklaͤrung, der Kirche angehören zu wellen, 
gelten, und alles Übrige muß dem Gewiſſen übexlaflen bir 
ben: dadurch wird fie Alles in Liebe vereinigen, was innerif 
gefhieden ift, und doch ihren Glauben behalten. Wie met 
darf nun bie preußifche Kirche jenen ihren Beruf ergreifen! 
wie weit darf die Generalſynode Vorſchläge in diefem Eimt 
machen? Sie kann die Liebe energifch und praktiſch erfafle; 
aber dieſer Weg führt zum communiftifchen @Beifte, und de 
ſtimmt nit zur abfoluten Monardie. Sie Bann bie rein:get 
ſtige, religiöfe Entwidelung der Freien unterflügen; aber Mi: 


ſes Gebiet führt nothiwendig zum Politifchen und Socialen; Di 
abfolute Monarchie Bann auch Tieles nicht dulden: alfo bier 


macht, welche wir al& noch nicht eingetreten dahingeſtellt u 
laffen müffen, wäre die Zrage von dem Berufe der Kirche sim 
ger Worte wol werth. Wenn die Kirche fo handelt, wie det 
Berf. urtheilt, fo muß fie bie Handlung wollen; er jagt abrt 
ſelbſt, über dem Willen ſtehe der Bei; diefer ift alfo die ge 


m 


feggebende Macht, an deren Befoge zu glauben ; ein Glaubens⸗ 
gejeg ift Daher nie etwas Außerhiches und Bernichtbares; das 
Epriftenthyum bat auch nicht den jüdifhen Glauben vernichtet, 
fondern den jüdifchen Gottes⸗Staat durch das Evangelium für 
Ale: der war das Außerliche des Judenthums. Es wäre dem⸗ 
nad) ein eigenes Beginnen, wenn die evangeliſche Kirche den 
Hriftlihen Glauben vernichten wollte. Der Glaube, Religion, 
ft nicht Die Freiheit eines Einzelnen, nah feinem Berftande 
anzunchmen oder zu verwerfen: er ift Dad Mefultat, die jedes⸗ 
malige Atmoſphaͤre der Geſchichte, welche eingeathmet werden 
muß und nothwendig zum freien Leben ift. Die Geſchichte aber 
ft nicht ein Spiel eur der Erde: fie ift Weltgeſchichte, d. h. 
wirtlihe Entwidelung der Welt durch die Handlungen des 
menſchlichen Willens, welche ſcheinbar die Geſchichte erfüllen. 
Vohin? Das iſt es eben, was Niemand weiß und Niemand 
taher beurtheilen kann und worauf nur der @laube der Gegen» 
wart, dee Stand der Gefchichte Antwort gibt: die Offenbarung 
vb Geiſtes, dem Bein einzelner Verſtand fih au entziehen 
sermag. Jetzt ift aber die Gegenwart und die Offenbarung 
die hriftliche. Die Kirche ift nun nicht bloß die Bewahrerin 
des gefchichtlichen Gutes und die Helferin jedes Einzelnen, im 
Glauben feine Zreiheit zu gründen, fondern auch daher allein 
zut Interpretation des Geiftes berechtigt. Der Slaube fann 
ur eine Ratur haben: die Fatholifche, für Alle. Wenn man 
fo von einem Berufe der evangelifhen Kirche redet, fo kann 
es nur der fein: an fich als folcher feftzubalten, ein Patholi- 
ſches, zeitgemäße Glaubensbekenntniß aufzuftellen und zum 
Beitritt Dazu alle Confeffionen einzuladen, mit gänzlicher Losſa⸗ 
geng von aller ftaatlihen Einwirkung und Beſchraͤnkung. Die 
je ıft dad Außerliche, was die evangelifche Kirche zu verrich⸗ 
ten hat; denn es ift völlig abfurd, daß Derjenige, welcher in der 
Wahrheit fteht, Dem diene, weicher im Scheine fi bewegt. 


Das Beifpiel von Frankreich hat die deutfehen conftitution« 
nelen Staatsregierungen gelehrt, wie man in ber Beamten: 
macht den beften Damm gegen ein befruchtendes Überfluten 
der Berfaffung zu dem Volke hin Habe; wie die Verwaltung 
die Verfaſſung paralyfiren müfle. Auf diefe Weile erſcheint 
ieptere wie ein gefeflelter Landfee, deſſen Wogen Die auf der 

öbe ded Dammes mit Ruhe anfeher mögen. Bon der Ebene 

aber müht man fi ab mit unzähligen Bittfchriften und gro» 

In Reden den Damm zu erBlettern, um zur Verfaſſung zu 

gelangen. Selten hat Jemand die Kühnheit, mit dem Degen 

ın der Hand heraufzufteigen, um einen Verweſer jener negi« 
renden Macht in die Werfaflung zu einem beilfamen Bade zu 

Rürzen. Das möchte ein Bild des Lebens in ben beutfchen con- 

ſtitutionnellen Staaten fein. ber Richts iſt natürlicher, als daß 

die Regierungen auch nur den ensfernteften Verſuch zu einer 

That der Iegterwähnten Art fehr übel aufnehmen. Hiervon 

fern Rachweis: 

3. Utenflüde, betreffend den Dienftaustritt des Profeffors 
37 Mohl in Tübingen. Freiburg, Herder. 1846. 8. 
2h Nor. - 

Prof. Roh wollte Landtagsdeputirter werden; in einem 
Priyatfchreiben ließ er fih im Algemeinen über feine politi» 
den Grundfäge aus und erwähnte dabei: er wolle hauptfäch- 
lich zu wirken fuchen, daß die Berfaflung volfländig und ruͤck⸗ 
ſichtslos zur Ausführung und zur Entwidelung gebracht werbe. 
„Er werde ſich Mühe geben, dem Bürger das Recht des Wis 
derftandes gegen ungefegliche Beamtenwillfür wieder zu ver: 
Ihaffen; der Btaatsgerichtshof fei ohne ein ausführendes und 
tegeindes Geſetz ein todter Buchftabe; ein ſolches Geſet müffe 
gegeben werden, damit man auch bei Gelegenheit an einem ge: 
waltthaͤtigen, willfürtich handelnden Minifter ein Exempel ſta⸗ 
tuiren Bönnes an Gelegenheiten habe es nie gefehlt und er 
ji in diefer Beziehung weit über die Oppofition binaudgegan- 
gen.” Diefes Schreiben wurde wider Mohl's Willen veröffentlicht 
und der Minifter des Innern nahm Beranlaffung, in einem 
Schreiben an das akademiſche Rectoramt in Zübingen u. A. 


beſonders hervorzuheben, daß derartige Handlungen fi wit 
der Subordination eines Staatödienerd nicht vertrügen. Dies 
if} der intereflantefte Punkt der Verhandlungen, und er zeigt 
nur gu deutlich, wie die beutfchen Staatsregierungen das fran» 
sönide Beifpiel zum Mufter nehmen. Ein conflitutionneller 
Staat ift nicht die durch eine Berfaffung verfuchte Gemeinfchaft 
des Regierungs: und ·Volks. Willens, d. h. desjenigen Willens, 
der ftehen bleiben, und deſſen, der fortfchreiten will, zu ges 
meinfamen Handlungen: er ift der Wille der Regierung allein ; 
er ift alfo identifh mit der Ariſtokratie. Prof. v. Mohl 
bat natürlich gegen ſolche Erklärung des Staatödienftes prote⸗ 
flirt: „es fei ihm Bein Gcjeg befannt, in welchem dem Beam: 
ten verboten werde, ſich darüber au6zufprechen, welche Ande- 
rungen im Staatöleben er im Kalle einer fländijchen Witkſam⸗ 
keit beantragen wolle ; die fländifche Geſinnung gehe den Dienft 
als ſolchen gar Nichts an und dürfe nicht mit ihm in Iwangs« 
verbindung verfegt werben; eben darin beftehe der große Un: 
terſchied zwifchen der ehrenhaften Selbſtändigkeit des deutſchen 
Beamten und der bedientenmäßigen Abhaͤngigkeit der franzöfi» 
[hen Berwaltungsangeftellten”; — aber damit er eben die 
Gleichheit einfähe, follte er Verſetzung erleiden und nahm da» 
ber feine Entlaffung aus dem Dienfte. Bedeutend werden dieſe 
Actenftüde ncch dadurch, daß bei den Ausfällen gegen die Ber: 
waltung der König als mitbeleidigt vom Minifter angefehen 
wird und diefer grabehin fagt: daß der König in allen Zwei⸗ 
gen ber Verwaltung den thätigften Untheil felbft nehme. Das 
ift eben der Widerfinn der deutſchen conftitutionnellen Staaten, 
daß au in ihnen das monardifhe Princip für die Activität 
der Regierung angeſehen wird, daß man dieſe eine Staatsre⸗ 
gierung nennt, während fie eine Regierung des Königs iſt, 
welche, fo lange wie er will, ohne Ruͤckſicht auf die öffentliche 
Meinung, d. h. auf die Gefchichte des Staats, auch in deut: 
fhen conftitutionnellen Staaten am Ruder bleibt. 


Nach dem offenbar monarchiſch vegierten preußifchen Staate 
führt uns eine ähnliche Flugſchrift: 
4. Mein Austritt aus dem preußifchen Staatsdienfte. Bon 
peintid Simon. Leipzig, Mittler. 1846. Gr. 8. 
Y Nor. (Mit einem Ausfpruche Friedrich Wilhelm’s IIT. 
ale Motto: „Jeder Staatsdiener hat doppelte Pflicht: gegen 
den Landesheren und gegen dad Land. Kann mal vorkom⸗ 
men, daß die nicht vereinbar finds dann ift aber die Pflicht 
‘gegen das Land die erfte.‘‘) 
ier wird geradezu in einem Reſcripte des Juſtizmini⸗ 
ſters gefagt: es laſſe fich nicht mit der Pflicht der befondern 
Zreue, die einem Beamten gegen feinen Landesherrn obliege, 
vereinigen, wenn er deffen Regierung und die ergangenen 8 
fege auf eine Weiſe und dazu in öffentlichen Blättern angreift, 
wie fich folches Hr. Simon erlaubt hat. Aber auch hier vertheidigt 
fih der Angegriffene dahin: „Rirgend ift dem Richter in den 
Gefegen das Recht genommen, feine Überzeugung über außer: 
amtliche Gegenftände gleich jedem andern Preußen durch pie 
Preſſe zu veröffentlichen. Kein Minifter hat daher das Recht, 
ein folches Gefetz zu fchaffen und dem preußifchen Richter jene 
aus feinem Staatöbürgerrechte berfließende Berchtigung zu 
nehmen.” Dort ftändifhe Wirkſamkeit, hier die der Preſſe, 
weiche die Regierung nicht haben will; und doc find Beide ge 
fegtich erlaubt, zumal wie Simon unter inländifcher Genfur ge⸗ 
fehrieben hat. Doch man Pönnte fagen: es fei ein Geſetz, wel⸗ 
ches er angegriffen; aber Diefes wollen alle Provinzialftände, 
alfo der Staat nit, Diefes will der Stand der Richter nicht. 
Bas ift denn das für rin Geſetz? Simon ſcheint mit Recht 
feine Oppofition dagegen „eine fittliye und patriotifche Ihar“ 
enannt zu haben. Bemerkenswerth ift, daß die Bureaufratie 
m Preußen die VBerfaffung nicht eindämmen, fondern, nad 
dem Urtheile Simon's, zur Zeit als einzige Date der Mo: 
narchie die conftitutionnelle Berfaflung und die 2 — eiheit ver⸗ 
treten fol. So ſehen wir überall die Beduͤrfniſſe der Regie 
rungen nach denfelben Mitteln greifen. Aber einft wurde der 
preußifchen Bermaltung viel Lob nachgefagt; es feheint jegt an⸗ 





972 


ders zu fiehen. Was Simon gethan, haben Hunderttauſende 
vor Ihm gethan ; auf die Fehler der Befege umd der Verwaltung ift 
jederzeit in Preußen felbft von Richtern aufmerkfam gemacht 
worden, ohne daß man einen Vorwurf daraus gemacht. Es ift 
bekannt, daß ber geringe Grad von Müuͤndlichkeit, den der 
Givilproceß in Preußen bat, durch Anregung der Preffe von 
&taatöbienern hervorgerufen worden ifl. Doch die Politik 
kann Vieles ändern. 


Einen dritten Beitrag zur Herrfihaft der Verwaltung über 
Geſet und Berfaffung liefern: 
5. Gemeindewahlen in Kitingen. Frankfurt a. M., Oehler. 
1846. Gr. 8. 6 Nor 
Hier zeigen die Sandlın en der Verwaltung eine religiöfe 
arteifärbung. Nach der Berhn aflung haben in Baiern die Con 
effionen nicht nur gleiche politifche Rechte, d. h. gleichen An: 
theil an der Staatsconftituirung, fondern auch in den Gemeinde: 
angelegenheiten foll hierin Bein Unterfchied gelten. Richrebefto: 
weniger werden in Kigingen gefegmäßig vorgenommene Wah⸗ 
len von Vertretern der Gemeinde, wie die Staatövermwaltung 
anerkennt, von jener caffirt, weil gerade die Gemählten Prote: 
ftanten find. Aus den mitgetheilten Vorgängen und Refcripten, 
und da Feine weitern Gründe angegeben find, läßt fih ein an» 
derer Grund nicht entnehmen. Zwar folgert die Verwaltung, 
insbefondere der Minifter v. Abel: weil ihr die Beftätinung 
zuftebe, jo fteht ihr auch unbedingt die Berwerfung zu, felbft 
wenn Nichts wider die Geſetze vorgefallen und diefe Art der 
Berwerfung auch nicht ausdrüdiich genehmigt worden ift. Aber 
daß heißt in der That aus dem Regen unter die Traufe gera⸗ 
then, denn wir müflen hier immer fragen: Wozu find die Ge: 
fepe? eine Frage, die Viele bei vielen Gelegenheiten in Deutfch: 
fand zu wiederholen fich veranlaßt fühlen möchten. 


3. Marquard. 


Bibliographie. 


Adair, Sic R., de Denkſchrift einer Sendung 
an den Wiener Hof im 3 . 13806. Aus dem Engliſchen vom 
Überfeger der Gefchichte von Ferdinand und Jfabelle und der 
Eroberung von Mexiko von present, Berlin, Dunder und 
Humblot. Gr. 8. 2 Ihe. IN 

Das Büßen oder die dritt der Sympathie. Ein Ge⸗ 
ſpraͤch Hof, Grau. 12. 

Coſack, W., Die —E auf ihrem gegenwärti« 
gen Standpunkte. Gedrängte Überficht des Reventlow'ſchen 
Syſtems nebft einigen Bemerkungen über die von Hrn. Ham: 
burger vorgefchlagenen Verbefierungen deſſelben. Danzig, 
Kabus. Gr. F Nor. 

Krafft, ©. W., Darf Luther's Vibel:Überfegung durch 
abet. Sehufhaften rebibirt werden ? Straßlurg, Kräuter. 8. 


o . ler, F. Geſchichte Friedrich's us Großen. Ae ver: 


beſſerte Auflage. zeipäig, Lord. Gr. 8. 
gangbein, B. A., Predigten. DReißen. Wiinkicht und 
Sohn. Gr. 8. 15 Nor 


Lehre, K. Populäre Aufjäpe aus dem Alterthum. U. Die 
Horen. Regendburg. &r. 3. 5 Rgr. 

Remling, 8. &., Das Reformationswer? in der Pfalz. 
Mit einem Umriſſe der neueren arälifsen Kirchengeſchichte. 
Mannheim, Schwan und Götz. 12. Nor. 

Schubert, F. W., —R der ee en Staats- 
kunde des preussischen Staats. Ister Band. — A.u.d. T.: 
Handbuch der allgemeinen Staatskunde von Kuropa. ?te 
Abtheilung (deutsche Staaten). 2ter Theil oder des ganzen 
Werkes ter Band. Königsberg. Gebr. Bornträger. Gr. 8. 
2 Thir. 12 Ngr. 

Sternberg, X. v., Zutu. Phantaſtiſche Epifoden und 
poetifche Ereurfionen. Mit INuftrationen von Splvan. Ifte 
und 2te Lieferung. nd Öte Lieferung. Reipzig, Weber. Ler.:5. a I Rgr. _ Iaepis und Sander. Elberfeld, Bädeler. &r.d. 257 Weber. Ler.:$S. a 10 Nor. 


Ihierfh, H. B. J., VBorlefungen über Katholiziemus 
und Proteflantismuß. 4 Abtheilung. Erlangen, Heydn. 
Gr. 8. 1 AIhlr. IV Ror. 


— — Einige Worte über die üchtheit der neuteſtament 
lichen Schriften und ihre Erweisbarkeit aus der älteften Kir: 
chengeſchichte gegenüber den n Gppetbefen der neueften Kritiker. 


Erlangen, Heyder. Gr. 8 
Ungemwitter, F. 9., Geſchichte des Handels, der Ir: 
"ir und Schifffahrt. 2te mit den Sandelöverhältnifien Chi: 
—* Auflage.» Meißen, Goedſche. Gr. 8. 2X. 
se, 2 Ge. v., Rubin, ein Mährden. Potsdam 
Riegel. 8. a", Nor. b ’ 
Saͤchſiſcher Bolkskatender für das Jahr 3847. Herausge: 
geben von &. Nierig. Mit Beiträgen von B. Alerit, 
R. Heller, 8. Kalifh, W. Meinhold, Dr. Mifes. Mt 
vielen Holsfchnitten nad) Driginafzeichnungen von 2. Richter 
und andern Dreddner und Münchner Künftlern. Leipzig, 6. 
Wigand. 8. IV Rear. . 
Wachsmann, ©. v., Srsählungen und Rovelen. At 


Folge Iſter — Ater Band oder Reue Folge 23ſter — öfter Bart. 
Leipzig, Bode. 8. 6 Ihr. 


Zagesliteratur. 
Baltzer, E., Zwei Saftpredigten zu Halle und Kur 
haufen über Joh. 10, 27—W und 5,05 5— 32. Ro: 
haufen, Köhne. Gr. 8. 5 Nur. 
Fraft, 3. v., ‚predigt am Feſte des heiligen Bencut. 
Wien, Bed. 


Seifktlicher Beühlngehän;. Aus den Schriften von Zu 
fleegen, Arndt, Schmolde, Bojagky, Tholuck und Zr. B. Aue 
macher. Rebſi einem Nachworte über Uhlich und Ronge, die 
proteſtantiſchen Freunde und die Deutſch⸗Katholiken, ihre Br 
deutung und ihr rn um wahren Chriſtenthum. Ebi: 
Iottenburg, Bauer. 

Die neue freie Gemeinde a Königsberg in Preußen. Eine 
Stimme aus der ‚gramgefifcen Gemeinde. Königsberg, De: 


und Pfizer. Gr. 8. 3 Nor. 
Hirſchfeld, 8. S., Wuͤnſche eines Juden oder Zuden 
thum und Staat. voſen, Cohn. Gr. 8. 5 Nor 


gr. 
Hrabowski, H., Freies chriftliches Zeugniß vır det 
hriftfatholifchen Gemeinde in Königeberg ausgefprohen. 8 
nigsberg, Zag und Koh. Gr. 8. 2 Nor. 
Käuffer, 3. €. R., Was ift unlere Hauptpfliht br 
fichtlich der religiöfen —2 der Kinder? Schulpretgt 
Dresden, Kori. Gr. 8. 2%, War. 


Müller, ©. F., Der "projecticte, Zutberverein und die 
Deutſchkatholiken. Iena, Luden. TYy Nur. 

Schäffer, C., Gegen den Symbolzwang. Darakıl 
Papſt. Sr. 12. 5 Ror 


Schultze, H. E., Die Schrift, Chriſtus und der Sit, 
in Ihrem Berbattnip zu einander dargeſtellt. Berlin, Ritt 
Tr. ec 
Die Ultramontanen in geürttenberg. en dem Berta 
der Eenfuren. Rottweil, Seger. 8. Nor. 
Bangenmüller, M,, Was: wollen wir? maß jollen mir! 
Predigt. Erefeld, Schüller. 8. 5 Nor. 

— — Zwei Predigten. 1) von der Unduldjamkeit in X 

ligionsſachen, Luk. 9, 54; 2) von den Hinderniffen, welche Te: 

Hoffnung, daß die Juden felig werden, im Wege ſteb en. ꝛu 

Auflage. Crefeld, Schuͤller. 8. 2 Nor 

Wie darf und ſoll der Katholik nad) der Lehre feiner Fi 

ligen Kirche die Bibel leſen? Zur Belehrung und Warnit, 
Öfectigung neuer 


für die Jugend und den Laienftand, zugleich A 
Rottweil, Sch. 


lich wiederholter Patholifcher Berläumdungen. 


8, gr 
Evangeliſche Zeugniffe für die Enthaltfamkeirs : Sache ve! 


Zaepis und Sander. (Elberfeld, Bädeler. Gr. 8. 2°; Kt. 


Berantwortliher Herausgeber: nn rantworttiher Herausgeber: Heinrich Wrolbane, — Drud und Werlan von I. 8%, Wro@dans in Beim. Brodyaus. — Drud und Verlag von F. X. Brockhans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


Dienſtag, 








3ur Nachricht. 
Bon dieſer Zeitſchrift erſcheint tägli eine Mummer und der Preis betragt für den Jahrgang 12 Thlr. Alle 
Buchhandlungen In und außer Deutſchland nehmen Weltellungen darauf an; ebenfo alle Boflämter, die ſich an bie 


Königl. ſächſiſche Zeitungserpebition in Eeipzig wenden. Die Verfendung findet in Wochenlieferungen und 
in Monatöheften flaft. 





Zriedrih Marimilian von Klinger. 


EM. Klinger’s fämmtlihe Werke. Zwölf Bände. Btutt: 
gert, Cotta. 1842. 16. 4 Thlr. 2U Nor. 


Ein großer Theil der heutigen Lefewelt kennt Klin- 
ger, den Landsmann Goethe's und den Zeitgenoffen un- 
ferer reichften und tiefften Literaturperiode, mehr feinem 
Namen als feinen Werten nad. Man hört wol bier 
und da den „Zauft”, ben „Dichter und Weltmann” ꝛc. 
nennen; aber aus eigener Anfhauung möchten diefe 
Werke wol ebenfo Vielen bekannt fein wie Klopftod’s 
„Meſſias“. Doch verdient er neben ben Sternen unfe- 
ter Piteratur, deren felbftändiger Begleiter er war, ge- 
wiß ebenfo große Aufmerkfamkeit, wie viele Anbere, die 
mit Jenen gleichzeitig fich erhoben und noch jegt in An- 
ertennung beftehen. Denn der Kern feines Wirkens, 
des perjönlihen wie des literarifchen, ift Fräftig genug, 
um wenigſtens Tieck und Schlegel u. A. das Gleichge- 
wicht zu halten. Man mag es ein Glück, einen Be⸗ 
weis von dem übergroßen Reichthum unferer Literatur 
nennen, daß ein folher Dann faft vergefien werden 
fonnte über der Fülle des Bleichzeitigen und Spätern: 
doch Hat ihn unverdient die Vergeffenheit getroffen, worin 
er bei vielen Gegenwätigen fteht. 

Der Grund dazu ift wol hauptfähli in feiner der- 
ben kraftvollen Einfeitigkeit zu fuchen, in der unausge- 

fegten eiftigen Behandlung eines Themas, das allen 
Zeitaltern. der Menfchen eine bittere Arznei gewefen ift 
und dem die heutige Welt ſich meiſt entwachſen wähnt. 
Es iſt ein Ausfluß oder eine Seitenwendung der Schil- 
ſer ſchen Ideale, der fittlihe Heroismus, den Klin- 
ger bie zur Erfchöpfung burcharbeite. Daß er es un- 


ausgefegt that und daß ihm die Natur die üppige runde 


Beftaltenfülle verfagte, welche ſelbſt in Schiller’s proſai⸗ 
ſcher Didaxis doch immer das Gemüth erregt: Diefes 


mag der erfle Grund jener Bernachläfligung fein, welche 


: mit Liebe eingeben. 


wir beilagen. Und doch fcheint es, daß er von ben 
großen Fragen unferer neueften Zeit, welche unter tau⸗ 
fend Geftalten in lugblättern und Tendenzromanen ale 
Süd, Freiheit, Regierung, Vaterland, Menſchen⸗ 
rechte u. f. w. immerfort unerfchöpflich behandelt wer- 
den, ‚die meiften nicht allein gründlich verftanden, fon- 
bern auch in feiner Weife richtig gelöft hat. Wo bie 
Löfung misrathen ift, da trägt- feine perfönliche Natur 
die Schuld: eine Schuld der Beſchraͤnktheit menfchlichen 
Strebene, die wir Alle nicht loswerden, und welche an 
feinen Miskennern oft weit auffallender hervortritt; eine 
BVerfinfterung des Bewußtſeins, welche viele heutige 
Räthfelrather an fich gar nicht ahnen, während er auch 
darin groß ift, daß er feine Grenze fühlt und beklagt. 
Er mar einer ber tüchtigften Mitfirebenden im Nach⸗ 
hal jener Zeit, wo das geiftige Leben der Deutfchen ſich 
am tiefften verbichtet und am glänzendften gehoben hat; 
„ee war ein Mann, nehmt Alles nur in Allem’ u. ſ. w. 
Darum iſt e8 ein Bedürfniß, eine Pflicht, an ihn zu 
mahnen: fehon darum, weil an dichten gediegenen Per⸗ 
fönlichfeiten, wie es allegeit gemwefen, fo auch heute kein 
Uberfluß ift; mehr noch, weil Das, mas unfere Zeit be- 
wegt, in ihm vorangedeutet und mehr als vorbereitet ift. 
Seine Bücher möchte man Königen ale Mittel gegen 
Bureaukratie (Bezirokratie würde Klinger fagen), den 
Miniftern und Ariſtokraten als Heilmittel wider ſich 
felbft, dem Wolke und ben Freiheitäfreunden als Mittel 
wider den Hochmuth und bie’ Kieblofigkeit und Boͤrne'⸗ 
ſche Schimpffreudigkeit anempfehlen. Sie find Bücher 
der Könige und Völker, weil fie bittere Arzneien 
Diefe Präftige männliche Liebe, 
verbunden mit dem Wiffen und Willen zu heilen; die 
ſcharfen Blicke des Erfahrenen, welche doch nicht das ideal⸗ 
füchtige ſehnſuchtsvolle Herz erfältet haben: Das find die 
Gigenthümlichkeiten, welche wir in Klinger's Werken her 
vortretend gefunden und manchem hıutigen renommirten 


974 


Volks⸗ und Menfchheitsfreunde bisher vergeblich ange: 
wünfcht haben. Liebe, Kraft und Wahrheit! ſchoͤne 
Worte! fernklingend, faft verfhollen in dem Schutt und 
Gerümpel der Journaliftit. 

Es find bereits mehre fo gwandlihe und umfaf- 
fende Beurtheilungen umfers Klinger erfihienen, daß 
imfere Beſprechung fi) auf ein Meines Maß zufäglicher 
Bemerkungen einfchränten darf. Die eine ift in Gervi- 
nus' viertem Bande enthalten, die andere am Schluffe 
der Cotta’fchen Ausgabe. Jene geht von dem univer- 
ſalen Standpunkte aus, welchen wir an dem genialen &e- 
fchichtfchreiber kennen, Klinger's Wirken aus ber Zeit 
ableitend, mit den Fäden der Zeitgefchichte, welche er felbft 
mitgefponnen oder die ihn umfponnen, fein Wefen und 
Leben verwebend: eine traftvolle Skizze, welcher nur ber 
Abflug, die Schattirung fehlt, um ein ganzes Bild 
zu geben. Die Beurtheilung in dem zwölften Bande 
der Cotta'ſchen Ausgabe dagegen verſenkt ſich liebevoll 
ganz in diefen Einen, feine Ideen und Aufgaben bis in 
die feinften Wurzeln der Individualität verfolgend, Die 
philofophifche Loͤſung feiner ungelöften Fragen verfuchend, 
und mehr nach dem Ziele abfchliegender Einheit des Ur⸗ 
theils vingend. Beide treffliche Beurtheilungen dulden 
einen Auszug; der Literaturfreund wird ſich lieber an 
diefe Quellen begeben, ald bier ein Urtheil über das Ur⸗ 
theil fuchen. Wenn nun Gervinus die hiftorifhe und 
nationale, dev Cotta'ſche Necenfent die äfthetifche und 
philoſophiſche Richtung vorwalten läßt, fo wollen wir 
nun ſchließlich die Bedeutung Klinger’ für unfere Zeit 
und feinen Werth als Clafſſiker zu entwickeln ſuchen. 

Bar viele Begiehungen, befonbers zu unferer legten 
Gefchichtöperiode feit 1830, laſſen fih in Klinger nad- 
weifen, welche ihm erneute Geltung fchaffen mögen: bost 
wie hiex ein Streben und Ringen nach Beſſerung menſch⸗ 
licher Zuftände; viele füße Träume von der gerühmten 
Bervolltommnungsfähigfeit des „vermwünfchten Geſchlech⸗ 
te6-", wie Friedrich der Große fagte; das alte Lied von 
Herrſchaft und Knechtſchaft, vieltaufenbmal gefungen, 
bier in träftigen Accenten und wunderlichen Varintio- 
nen vorgetragen; auch der Socialismus, der Communid- 
mus, die Pfaffenfeindſchaft unferer Tage werben ihre 
Rechnung finden bei Rouſſeau's Schüler, der die⸗ 
fen einzigen Franzoſen für den größten Bann des Jahr⸗ 
humderts nimmt. Dabei aber iſt Klinger weit erhaben 
über dem blinden todtſchlaͤgeriſchen Cifer halbgebildeter 
Sopha · Radicaliſten; denn ihn hatte eine harte Lebens 

faule gelehrt, den Menſchen drunten nicht minder zu 
mistrauen als benen, weiche die Schickſalewage oft wi⸗ 
ber Willen. und Willen nach obem gebracht bat. Dazu 
Hingt Immerfort, auch durch die heißeſten Zeufeleien feiner 
energifehen Phantasımen, der firenge fittlihe Sinn, 
ber aufrihtige Wille der Beſſerung, die iner- 
kennung höchſter ſittlicher Gewalten, hindurch: ein 
Umſtand, der ihn von fo vielen ber heutigen Wel⸗ 
tenſtürmer unterſcheidet. Derfelbe Uinmuthig- Gtürmige, 
dem alles Treiben: auf ber Welt zu Zeiten ſchal und 
nichteuugig erfcheint, glaubs beach mitten in feinen Ver⸗ 





| 


zweiflungsnächten an ben „idealen Hintergrund ber Dinge‘; 
er, welcher den Menſchen insgefammt fo wenig Kraft zum 
Buten zufpricht, entbedit doch das größere Munder, da 
die moralifche Welt, die auf der phyſiſchen fo breit ruht, von 
ber geifligen an einem ae Le aufwärtäge: 
zogen und fagar etwas emporgehaften wird, und baf die 
N feit ewig an diefem Haare vergeblich zeret, um dd u 
zerreißen. 


Die Unzulänglichteit menfchlicher Eintichtungen, Ge— 
fege u. f. w. für die Erreihung des vollflommenen Zu⸗ 
ftandes, die Nicht- Garantie irgend einer Merfaffung 
für wahres Völferglüd, der feſte maͤnnliche Grundfus, 


in fich felbft zu flehen, das „Schickſal zu befiegen“ mit 


römifcher Härte: dieſe bei Klinger ebenfo herben alt 


feäftig dargelegten Säge mögen wol mit in Ermägug 


“gezogen werden, wenn man an ber Entmwidelung in 


und böllifche Scenen find wicht gefpart. 


Zeit mitarbeiten und fich felbft vebfich Rechenſchaft er 
ben will von Quelle, Zweck und Ziel der Arbeit. Fr 
lich iſt das Hauptergebniß feiner politifch - moraliſcher 


Rathſchläge theild troſtlos, theils unrichtig: dem Walt 
getümmel entzogen, fich felbft und feiner innern Geis: 
tung zu leben. Die Zroftlofigkeit mildert indeffen da 
heitere Licht, welches aus feinem Ehatkräftigen Leben un 
Wirken gegen biefe Abftraction anfchimmert, und man 


einzelne Säge, worin er feine eigenen bittern Refultate wir 
der aufhebt. Die Unrichtigkeit, die Verfehlung des die 
les ift in feiner Perſoͤnlichkeit und in feinem Lebensſchau 
plag zu fuchen. Diefe ftarre mannhafte Perſonlichkeit 


weiche ſich nicht beugen, fonbern nur ftehen oder fallen 
konnte, haßte alle Milderung eines juste milieu, um 
mochte in biefem flarren Streben durch den Schauplaf 
feines Wirkens, das bdespotifhe Rußland, mol befkirkt 
werden. Democh bielt ihn die Liebe au feinem echten 
Vaterlande immer wach, und noch in den legten Ba: 
fen gab er Zeugniß, wie fehr er die Deutſchen fiehte 
und achtete trog ihrer Schwächen: fo hat er feine „Dr: 
trachtungen und Gedanken” bem deutſchen Volke geridmd, 
als dem Wolke, das fo hoch in der Eultur fteht, dag man mi 


Kraft und Wahrheit, in biederm deuffhen Sinn, zu ſeincn 


Nugen und feiner Unterhaltung fhreiben kann. 

Daß uns folder Mann in den dunkelſten Jam 
unſers Baterlandes fehlen mußte, ift tief zu beklazen 
er hat dafür gebüßt durch immermährendes Sepnen, w 
hat felbft in der Kerne fein Auge der Heimat zugemant 
erhalten, fein Wirken ihr gewidmet. 

Selbft Denen, welche ohne tiefen Wiffenſchaftstrich 
doch mit mäßiger gewöhnlicher Bildung zur Lerture ge 
trieben werben, koͤnnen feine Bücher empfohlen werd 


— nicht als leichte Zerfizeuumgslerture, denn leicht id 
er fi nicht —, aber als Zuͤndſtoff und geiftige Se 


vegung. An ungeheuern Gcenen fehle es nicht: film 


ſche Leidenfchaften voll einfeitiger Kraft treten in jdn 
bebeutendern Werke Klinger’s auf, ſelbſt Grauſamkeites 


Aber nugen 
iſt es die Eugen-Sne’fche, die Victor⸗Ongo'ſche Grauen 
keit, aus Iraftiofem Sianentigel geboses, welche den Die 
mächtigen zu matter fieberhafter Erregung flacheln ſel 
nivgend ber Spaß im Dudien, die gotilafe Luft am 





Schmerz: uͤberall iM Ber Klinger: ber tiefe innige Zug ber 
Theiinehme am Serfenteib, das er nur dann herauf be⸗ 
(Gwört, wann es feine fittlichen ober Fünftlerifchen Zwecke 
dern. 
’ Die größte Bedeutung aber für unfere Zeit ifl wol 
die, an Klinger eine echte gediegene Perfänlichkeit 
anzuſchauen, deren es in Vergleich mit jener Zeit heute 
wenige gibt. Wir wollen nicht die hypochondriſchen 
Anklagen der Gegenwart mehren, deren Größe und Vor⸗ 
jüge wir mit aufrichtiger Freude erfennen. Nur ift hier 
bei nie zu vergeffen, wie Viel wir jener claffifchen Zeit 
(dulden: wie die unfere auf jene gebant, durch fie er- 
imgt und genaͤhrt ift; wie unzähligemal, ohne daß wir 
et ahnen, unfere Gedanken» und Fühlfäden in bie Zeit 
züruͤkgehen, wo unfere Literatur den Höhepunkt gewann. 
Ferner iſt nicht zu leugnen, daß bei gegenmwästiger Ver⸗ 
algemeinerung ‚der Bildungselemente, bei der ungeheuern 
Ausdehnung der Bildungsmittel, welche uns nicht minder 
fördetlich als Iaftend geworden, die Erſcheinung einer 
ſcharfen, eigen, bichten Perſonlichkeit immer feltener 
wird. In beiden Rüdfichten ift Klinger wichtig. Viele 
heutige Zeitideen find in ihm fo vorangedeutet, daß man 
in ihm, wo nicht die Wurzel, den erften Ausſpruch bes 
Gedantens, doch einen treuen feften Mitarbeiter an dem 
Baue der Humanität erblickt, welcher ungeachtet fo mancher 
Mängel der Darftellung und Erkenntniß doc den Le⸗ 
benepuntt oft fo richtig begriffen, fo lebendig angefhaut 
hat, Wichtiger ift der zweite Punkt, die Perfönlichkeit, 
im weiteften Sinne als Mufter und Beilpiel bewun- 
dernswerth, fo weit ein Menfch bes andern Beiſpiel 
werden fann. Es ift bier nicht die Rede von feinem 
äußern Lehen, das allerdings Zeugniß gibt von inne- 
ver Kraft, von der Entfchloffenheit des Muthes, welche 
vobig „fallen kann, vor fich felbft groß”: fondern wir 
meinen den geheimnißvollen Zug des wnveriennbaren, 
unbeſchreiblihen Individuums, weicher durch die Schrift» 
werke unwillkürlich hindurchſchimmert, in dem Sime, 
daß hier vorzüglih das alte Wort vom Stile gilt: 
Le style c’est Phomme. Ich glaube, man könnte wel 
mit einiger Aufmerkſfamkeit erkennen, wie Dielen z. B. 
unter. den heutigen Tageslömen Das, was fie fagen, wirt 
lich aus der Seele kommt: daß fie im tiefften heiligften 
Gimme für ihre Worte nicht blos ſterben, fonbern auch 
(eben Tönnten. Nomina sunt odioss. Über nur zu 
häufig übermannt mich's bei manchem Hochgefeierten 
Autor, im Lefen und nad dem Lefen, ihn zuzurufen: 
„Du lügſt! es kommt dir nicht aus der Seele! bu 
fprihft nicht deine ganze Wahrheit!“ Dies traurig 
fharfe Wort kommt Einem nicht allein bei den ibea- 
len Partien mancher berühmten Literaten, fondern auch 
in ben Realitäten, als Schidfalen, Ereigniſſen, Siebe, 
Hab, Zorn u. f. w., wo bei inniger Verſenkung bald zu 
rrathen ift, ob Beides dem Gchreibenden wirtli fo 
scht aus tieffier Seele gequollen iſt oder aus bem 
Schatten des Gchattene abgeriffer. Diefe dichte un- 
ucchdringliche Perſoͤnlichkeit, welche den heiligen Ernfl, die 
wahre Leibenfhaft des. Herzens hervortreibt, ebenſo fehr 


eine Naturgabe wis: ein burch Arbeit und Willen Cr? 
worbenes: Das iſt'e, mas. wir an Klinger bewundern 
was er vor Dielen voraus hat, was Ihn unſerer Seit 
Doppelt wertch macht. 
Dieſelbe Perſonlichkeit iſt aber auch bie Quelle fet- 
ner Maͤngel. Sein ſtürmiſches Herz iſt zu ſehr von 
den Sachen, dem Thatgehalt feiner Ihren ergriffen, fein 
eifeenee Kopf zu fehr dem einen Ziele ohne Wanken 
und Geitendiid hingewandt gewefen, als daß ihm: Zeit 
geblieben waͤre, die reine Schönheit in Goethes oder 
felbſt nur in Schillers Sinn zu gewinnen. Man kann 
es auch fo faffen, daß die überfirömende moraliſche Kraft, 
bie vorwiegend thaͤtige Individnualitaͤt ſchon an 
minder fähig fel, die fpecwlativen, mufitfchen, aͤfthetiſchen 
Richtungen des Geiftes auszubilden: und fo erkennen - 
wir allerdings, daß ven poetifcher Seite Klinger's 
Werke häufige Spuren der Unvollendung, Unzulänglicd- 
feit, ja Unfchönheit zeigen. „Es gibt poetifhe Men- 
fhen, die do nicht Dichter find.” Bekanntlich bat 
er zuerft durch fein wildes Drama „Die Zwillinge” 
(1774) feinen Ramen bekannt gemacht. Diefes ift vol 
rohet leidenſchaftlicher Größe, gewaltig in Thatſachen, 
arm an wahrer Schönheit, womit freilich nicht bios 
glatte Lieblichkeit gemeint iſt. Wie fo oft,ein Werk für 
viele, ja für alte Werke als Maßſſtab der Getfleöftufe ei⸗ 
nee Dichters dienen kann (felbft in Schillers „Räubern”. 
kann ein geübter- Blick alle Elemente feiner vollendeten 
Zeit wiederfinden), fo find „Die Zwillinge“ in Gutem 
und in Böfem- ein Mafftab von Klinger’s poetifcher In⸗ 
divibualität. Das ftoffartige, das thatfächliche Intereſſe 
waltet über dem künſtleriſchen: die Leidenſchaft des eifer- 
füdtigen Bruders tritt in aller Größe, aber auch fehr 
monoton und gewiffermaßen unvolifländig auf, inbem 
theils die vechte Motivirung, thelle die liebevolle Aus⸗ 
führung bee Geftalt bis in die kleinſten wefentlichen Züge 
fehlt. Klinger glaubte fich, durch ben frühen Beifall 
gehoben, zum Bramatifchen fo fehr berufen, daß er in 
den nädften Jahren raſch eine Reihe von Dramen 
fguf, die damals mit Begeiſterung aufzenommen wur⸗ 
ben. In allen tft berfelbe Geundzug einer energiſchen 
Leidenfchaft, die einfeitig kaͤmpfend, alte Schranken bre ⸗ 
chend, ihr Recht bis. zum Untergange durchficht. So 
weit könnte man fie praktiſch richtig nennen. Aber 
auffallend gegen bie dramatiſche Begabung zeugt die 
Monoktonie oder Gleichtonigkeit nicht allen der Dramen 
untereinander, fonbern, was fihlimmet und unkümſtleri⸗ 
ie ift, ber einzelnen Perſonen berfelben unter fic. 
an kann bie Probe machen durch Worlefung E 
wird unglaublich ſchwer fein, hier wie etwa bei Shak⸗ 
fpeare oder Schiller ein ganzes Stud ohne Nennung 
der Perſonen vwerfländlich vorgetragen, fo gleichtönig 
fprechen fie im Allgemeinen. Wie liebevoll, ja kleinlich 
ift in dieſem Punkte Schiller's Sorgfalt, der feine 
Derfonen nicht blos vealiftifh, fondern formell bis in bis 
Heinften ſyntaktiſchen Wendungen unterfheidet, fobaß 
man 3. B. auch ohne mit dem Inhalte genau verfraut zu 


fein, fogleih erhören Fann, was Marie, was Eliſa⸗ 


LG 





beth ſpricht. Diefe wahrhaft poetiſche Anſchaulichkeit 
war dem ſtürmiſchen Geiſte nicht gegeben, der in wilder 
Haft feine Figuren mehr als Träger abſtracter Ideen 
binftellte.” Ein zweiter Punkt zeigt Died noch auffallen- 
ber. Viele Dialoge, und eben bie leidenſchaftlichſten, 
äußerlich bedeutendften, find bei Klinger in der logifchen 
Dispofition fo vernachläffigt, daß fie ordentlich flillzu- 
ſtehen ſcheinen: ſie verharren auf einer Stelle und ver⸗ 
laufen in Beſprechung der Leidenſchaft, ſtatt dieſe zu 
entfalten. Wie fein und ſcharf disponirt dagegen Schil⸗ 
ler, ſchon in ben früheſten Dramen, am vollendetiten 
jedoch in „Maria Stuart” und ber „Braut von Mef- 
fina”! Be ihm kann man ohne Mühe Eingang, 
Hauptitud, Ausgang jeder einzelnen Scene unterſchei⸗ 
den; ein beftimmtes Thema, 3. B. die Abhängigkeit 
Helvetiens vom Reich, die Berechtigung Englands zum 
Urtheil über die fchottifhe Königin, ‚die WVölkerfreiheit 
den Tyrannen gepredigt u. f. w., wird ftreng und wort⸗ 
Mar bingeftellt, voiderlegt, entwidelt, und jede fpätere 
Antwort treibt neue Frage und Antwort hervor. Und 
wie die einzelne Scene für fih, fo ift die Folge ber 
Scenen, bie Folge und Entgegenftellung der Acte jedes- 
mal nach wohlbedachtem, fehr durchſichtigem und nach⸗ 
weisbarem Plane geordnet. Natürlich ſoll dieſer Ver⸗ 
gleich Klinger nicht als Maßſtab zum Schaden ge- 
reihen: nur ald Beifpiel zur Beranfhaulihung Def» 
fen, was wahrhaft dramatifch ift, flellen wir ihn Bin. 
Und da wird uns offenbar, dag ungeachtet feiner großen 
Neigung zum dramatifchen Elemente, die fi) auch häufig 
in feinen Romanen duch weitgefponnene Geſpräche Luft 
macht, dennoch die innerfte Natur. Klinger’d undrama⸗ 
tiſch mar. Dies zeigt fi) noch beutlicher an den Luft. 
fpielen, deren in unfere Ausgabe zwei aufgenommen | 
find: „Der Schwur wider die Ehe” und „Die falfchen 
Spieler”. Wo nicht ein mächtiger Stoff ihn entzündet 
und emporträgt, wo die ſchaffende Kunſt freier und will⸗ 
kürlicher walten muß, wie in der echten Komödie, da 
fühle man die Grenze diefer Perfönlichkeit.. Die beiden 
Luſtſpiele find weder recht komiſch, noch ift ihre Anlage 
und Erfüllung in ſich abgefchloffen; fie verlaufen ins 
Unbeftimmte, Unbeftiedigte; bei dem „Schwur wider bie 
Ehe‘ ift die deutlich ausgefprochene dee, den Deutfchen 
einen Spiegel ihrer größten Thotheit vorzuhalten, nicht 
einmal rein zu Ende geführt, und ein gemifchtes Ge⸗ 
fühl halt uns am Schluß in der Schwebe; während bie 
echte bramatifche Kataftrophe doc ein ſcharfes unzwei— 
felhaftes Ziel in die Hand geben müßte: Heiterkeit, 
Spott ober verföhnten Schmerz. Auch dieſes Letzte, Die 
Sühnung des Schmerzes in der Tragödie, ift dem rea- 
liſtiſchen Sinne Klinger’s Fein. Bedürnif, und fo enden 
viele feiner ernften Dramen wie ein zerriffenes Saiten- 
ſpiel, am furchtbarſten das erſte, „Die Zwillinge“. 
(Der Beſchluß folgt.) 


Dieffeit und jenfeit des Ockans. Won E. Heufinger. 
Braunſchweig, Rademacher. 1846. 8. 2 Zhlr. 

” Das Buch enthält zuerft: „eitefeissen aus dem Harz. 

aus Heſſen, Sanover und Bremen” aus Heſſen, Hanover und Bremen’; ferner „Bemoiren | Et, oolesse abaisa, Venise est dem Inf. IN „BRemoiren 





aus dem Leben der Freifrau v. Riedeſel wähsend ihrer Gefün- 
genfhaft und ihres fpätern Aufenthaltes in Rordameriks; 
dann eine „Schilderung bes erften Zufammentreffens Fer. 
nand's VII. und des Don -Rafacl Riego, na 
aus franzöfifcher Haft“. 
ein iriſches Volksgemälde, zur Beleuchtung des Zefuitismus ia 
Großbritannien”. Die Schreibart des Verf. ift gut, feine Ge: 
finnung tüdtig, der Inhalt des Buches durchaus rein und 
unanftößig- Allen Freunden bildender und unterhaltender ker: 
ture ift das Buch daher fehr zu empfehlen. B. 





Literariſche Notiz aus Frankreich. 


Die Revolutionszeit als dichteriſcher Stoff 

Einzelne Momente, intereffante Gituationen und bee 
bungsreiche Charaktere aus dem bunten Gemälde der frank 
[hen Revolutionszeit jind wol ſchon oft bichterifch bebantı: 
der ganze Beitabfchnitt aber, den fie umfaßt, iſt zu gem!’ 
und zu maffenhaft, ald daß er einer abgerundeten Geftalbım 
zugänglich wäre. Alle Berfuche, den ungeheuern Stoff zu be 
wältigen, find bisher gefcheitert, und der Homer diefer past: 
ſchen Bewegung fol erjt noch erſtehen. Was wir in allen bi 
her erſtrebten epifchen oder dramatifchen Darftelungen der fra: 
zöflfchen Ummäl ung vermiflen,, ift die innere Abgränzung un 
Einheit. ehlt freilich diefer Zeit des mädhtigften Ah 
ſchwungs nicht an einer einigen, fortlaufenden Idee, meld 
ſich duch alle einzelnen Erfſcheinungen hindurchzieht und f 


verbindet, aber diefelbe läßt ſich cher philoſophiſch erfaflen al 


dichterifch darftellen. Das neuefte Epos, welches fich die Aıf 


gabe ftelt, die Hauptmomente der Revolution abzufpiegeln, j 
durchaus nicht geeignet, die Unfichten, weiche wir focben aus 
Es wird unter folgendem in 


geſprochen haben, umzuftoßen. 
tel geboten: „Epopee de la revolution frangaise, poöne a 
dix chants’‘, von Boubee. Der Berf. ift nit ohne das Ser 
lent einer leichten und gefälligen Verfification, und einige det 
Situationen, welche uns vorgeführt werden, find mit einem 
gewilfen Geſchick behandelt. Das Ganze aber befteht chem nur 
aus willfürlich zufammengereibten Scenen, welche in cmem 
nur fehr lojen aͤußern Zufammenhange ftehen. Dazu km, 
daß die wichtigften Momente der Zeit mit Stillſchweigen über: 
angen find, während fid) der Verf. — nur zwei von den zehn 
Gefangen find der Revolution gewidmet — in den oft brjunge 
nen Großthaten der Kaiferperiode, alfo in wohlfeilen Schilde 


ber Rüdkch 
Den Schluß macht „Die Abtei Korg, 





rungen des Schlachtengewühls mit obligatem Schal ber Krug 


drometen und Kanonendonner ergeht. Auch in der immer mie 
derfehrenden Schilderung der Anardie, bei deren Perfonikie: 
tion der Dichter feine Phantafie nicht eben fehr in Unkia 
gefegt, wird und wenig Neues geboten. Was bie politiidt 
Anfichten bes Dichters betrifft, fo befchränken wir uns auf M 
Andeutung: daß er für Ludwig XVII. ſchwaͤrmt, in welgen 
er den Netter der Nation erblidt, und daß er England zun 
Sündenbod aller Schaͤndlichkeiten macht, welche in Frankrtih 
begangen wurden. Das „perfide Albion“ hat nicht nur di 


ganze Gefchichte angegektehk, fondern es ſchuͤrt auch fortmähten 


die Innern Yarteiungen, in denen bie frangöfifcye Ration —2— 
zerfleiſcht. Folgende Verſe koͤnnen ein —8 
mung abgeben: 
Tandis que le guerrier, dont Te noble eourage 
Voulat lier 1’Earope au joug de l’esclavage, 
Eut esclave lui-m&dme, ei que soumis au vort, 
il lögue & sc» bourreaux j’opprobre de sa mort, 
Inseneible aux lecons d’une graude infortane, 
Albion a suisi le sceptre de Neptane; 
De l’un & l’autre psle elle dicte des lols, 
Mais de ce lourd fardeau qu’elle craigne je poids! 
Elle vient de l’apprendre: un trop vaste uystäme, 
Ainsi qu’un mur sauna fond e’ecroule sur lui-mdme. 
Venive aussi jadis fut la reine des mers, 


Et, coolesse abattu, Venise est dans lee fer. n. 


Tg erantwortiiißer Deraubgeber: Geiurich Wrodhans, — ruf und Werlag von. 36. Wrotdans in Beni Herausgeber: —— Drockhaus. — Druck und Verlag von F. X. Drockhaus in Zeipzig. 


chen dieſer She: 





Blätter 


‚für 


literariſche Unterhaltung. 








Nittwoch, — Nr. 245. — 2. September 1846. 
tgriedrid Marimilian von Klinger. |niht urfprünglic künſtleriſch organifirt war. Uber 


, ( Beſchluß aus Nr. 341.) 
Bet küunſtleriſch vollendeter find die Romane und 
Erzaͤhlungen angelegt. Ich halte fie für die vollen. 
detſten Erzeugniffe feiner Muſe, worin id der Meinung 
des Cotta'ſchen Recenfenten entgegentrete. Diefer naͤm⸗ 
ih foriht (Bd. 12, S. 301 fg.) den „Betrachtungen 
und Gedanken” den Ruhm zu, am „claffifchften in ber 
Form“ zu fein. Abgeſehen von ber undeutlichen Faſ⸗ 
fung, diefe Aphorismen eine „Literaturgattung” zu nen- 
nen, oder gar ein „Werk“ (S. 305), da fie vielmehr 
bingeworfene Bruchftüde, Einzelheiten, Lichtblicke, gnomi- 
{he Sentenzen ohne fünftlerifhes Band find: hier- 
von abgefehen ift auch kaum eine Glafficität der Form 
möglich, wo Einer nur ganz einfach, mit ungefchminkter 
Birflichkeit feine Herzensmeinung ausfpricht, um bie Ge- 
Haltung und Anfchaulichkeit in dem Maße unbefümmert, 
daß fogar eine Ungleichheit, Abgebrochenheit des Stile 
fühlbar wird, die jedoch hier am wenigften verlegen 
Tann (vergl. 6. 151, 153, 366, 375, 418, 490 fg.). 
Claſſiſch konnte man nur die äußere ſprachliche Klarheit 
und Gorretheit nennen, welche aber hier felbftserftändlich 
gefodert wird und wenigſtens unendlich leichter zu er: 
zingen ift als im eigentlihen Kunftwerke, zumal im 
Drama. Hiermit wird der reale Werth jener „Betrach⸗ 
tungen” durchaus nicht in Frage geftellt; vielmehr find 
und diefe höchft wichtig als offene Belenntniffe feiner 
verfihloffenen idealfüchtigen Seele: eine herrliche zu fei- 
nem Verftändniffe ganz unentbehrliche Gabe, in der wir 
fo recht den Kern feiner edeln Perſonlichkeit dargelegt 
feben; nur find fie nicht ale Werke, Literaturgattung, 
oder Formen zu betrachten. 

Unter feinen eigentlihen Werken alfo ftellen wir 
de Romane obenan; denn in ihnen iſt er von den 
Hemmniſſen, welche feine Natur ihm angelegte, am meiften 
mabhängig, da bie weite bequeme Korm ber epifchen 
Gattungen viel freiere Bewegung zuläßt. Daß fein ur- 
früngliches mehr materielles als Fünftlerifhes Dichten 
ad Hier zum Vorſchein komme und die Reinheit der 
Sfaltung mehrmald trübe, ift zu erwarten; und in 
dieſem Sinne iſt allerdings zuzugeſtehen, daß erft das 
Inte, was Klinger herausgab, feine „Betrachtungen“, 
en vollendeter Abdrud feines Weſens ift, infofern biefes 


in ben Romanen treten bie Tendenzen und ber ganze 
materielle Gehalt feiner Lebensanſchauung minder tobend 
auf: die Romane geben nicht gänzlich auf in bie Ten⸗ 
denz; auch die Fabel, die Begebenheit, die Indivibuen 
interefiren für fi), und ihre Leidenfchaften, obwol im- 
mer verftedten Tendenzen untergeorbnet, treten boch oft 
in glühender Anfchaulichkeit hervor, zuweilen fo in Schön« 
heitswaſſer gebadet, daß eine wahrhaft poetiſche Situa- 
tion fi bilde. Darin kann man Klinger mit Leffing 
vergleichen, ber auch in einzelnen Situationen des „Na- 
than”, der „Emilia Galotti”, bis an die Thore ber Poeſie, 
ja durch diefelben ins Heiligehum gelangt: fo zeigen 
Beide, wie der ernften Leidenfchaft des Willene auch 
eine einzelne Eroberung im Reiche des Schönen gelingt, 
fo fehr fie fonft außerhalb diefes Gebiets ftehen, wie 
fie auch Beide in rührendem Selbſtbekenntniß eingeftan- 
den.*) Die vollendetfien von biefer fünftlerifhen 
Seite find wol zu nennen: „Fauſt der Morgenländer ” 
und „Gefchichte eines Deutfchen der neueften Zeit”. In 
jenem ift die Durchſchlingung zweier Kabeln, welche zulegt 
in eine ausmünden, anmuthig, und die Zeichnung der 
Individuen fehr glücklich, bei aller Einfachheit der An- 
lage reich und immerfort fpannend. In der „Befchichte 
eines Deutfchen” walten echte tiefe Leidenſchaften, die 
Scenerie ift größer, die Lichter und Schatten find fchneiden- 
der; das Ganze ift zmar der morafifchen Tendenz unterge⸗ 
ordnet, dennoch aber find die Hauptperfonen voll glühenden 
Lebens und die Situationen ergreifend fchön. Wie 
fehr ſich Klinger in diefer Form heimifch finden mußte, 
[heine mir auch baraus hervorzugehen, daß in den 
meiften Romanen — etwa den ſchwaͤchſten „Sahir“ 
ausgenommen — die Sprache fchöner und fo zu fa- 
gen gefättige iſt; daß die Rortfchritte der Handlung 
wie die Folge der Scenen zwanglos und doch be» 


) Bon bdiefer Selbſtkenntniß, welde die natuͤrlichen Gaben for 
gar uͤberſchreitet, if ein fonderbares Beugniß die tiefe Selbflironie, 
mit welder Klinger fein herriſches, zuweilen fi) überfchlagenbes 
Moralprincip felbft aufhebt: einmal in dem Geſpenſte des „kategori⸗ 
fhen Imperativs”, einem Ungethuͤm von Kleifter und Pappe, ohne 
Ders, Magen und Blut (im „Sabir); ein anbermal in den tauben 
caftzirten Richtern. als welde allein die wahre jubicianifde Kälte 
befigen könnten (in den „Reifen vor der Sündflut”). 





ww: : 
x - » 


fonnen find; kurz, das Ganze iſt rund und abgefchloffe- 
ner als es bie dramatifhen Werke find. | 

Den eigentlichen Inhalt feines Lebens hat Klinger 
in feinen „Betrachtungen“ niedergelegt. In ihnen tre- 
ten bie Tendenzen, Aufgaben, Fragen, "Anfichten über 
Wet und Geift uuperjolen hesvor und maden uns 
den Menfhen lieb, deſſen Werke wir nicht unde- 
dinge gutheißen können. Herrichaft und Knechtſchaft, 
Schickſal, Urſprung des Ubels, Abfichten Gottes mit der 
Welt, fittliche Befferung, Vaterlandéliebe und verwandte 
Ideen find hier in mancherfei Wendungen betradtet: 
einigemal mit fehr tiefem Blick, oft mehr wehmüthig 
oder farkaftifh, gleichfam in düfterm Liebesſchmerz, zu- 
weilen refultatlo8 oder verzweiflungsvol. Doch klingt 
fogar in den düfterfien Partien immer bie herzliche Güte 
hindurch, wenn man ihm aud manchmal mehr Erhe⸗ 
bung und Hoffnung wünfchen möchte. ' Und doch hält 
ex, gleich dem Goethe'ſchen „Kauft“, mitten in feinen fin- 
ſterſten Verzweiflungen noch immer das Auge zum Kichte, 
den Blick nad oben gekehrt. Seine natürliche Anlage 
ift fo voll Kraft, daß ihn auch die Kraft der Liebe, bie 
echte Gefundheit der Seele, nimmer verläßt. Krankhaft 
tönnte man nur, außer ber überreisten Leidenfchaft in 
einigen Jugendwerten, die Verfehlung feiner Natur nen- 
nen, welche in ewigen Kampfe zwifchen Stoff und Form 
oder Materialismus und Idealismus der Poeſie das 
wahre Ziel, die Erfüllung feiner felbft, lange vergeblich 
fuht. Aber ein reiner Wille ift auch eine Gefundheit: 
die wahre Geſinnungskraft ift diefer in fih gefunden 
Natur, trog ihrer Irrthüumer, beilfamer ale Das, was 
man heute fo oft Gefinnung nennt. Darum beklagen 
wir auch, daß er ſchon mit dem 56. Lebensjahre (1809) 
zu ſchaffen aufbörte, und dag aus den J. 1813 —15 
keine Betrachtungen binzugelommen find: da wäre ein 
Wort von Schiller und Klinger etwas wert. Da 
Klinger den Wendepunkt unferer neuern Geſchichte er: 
lebt hat, fo ift es fhmerzlich zu beklagen, daß nicht aus 
feigem Munde eine Anerkennung bes Guten diefer Zeit 
oder felbft eine Klage über getäufchte Hoffnung hörbar 
geworden if. War e6 das ter oder war es refigni« 
ende Trofllofigfeit, was ihn abhielt, zu fprechen ? 

Die vorliegende Ausgabe ift von der Verlags⸗ 
bandlung mit der Gorgfalt ausgeflattet, welche wir 
an ihr gewohnt find. Wenn auch, zumal in den legten 
Bänden, der Drud minder genau burchgefehen.*) ift, fo 
bleibt doch im Ganzen diefe Sammlung eine fehr werth⸗ 
volle Babe: was um fo mehr offen auszufprechen ift, 
als legthin fo Häufig unbegründete und misgünflige Ur⸗ 
theile des Tadels laut geworben find über cine Buch⸗ 


*) Unangenehm fällt es 5. B. auf, daß mehrmals, wie Br. 4, 
S. 66, die Rahmen der Drudfeiten nicht ſcharf abgefegt find und 
fo oft Hulbgefperrte Wörter vorlommen. Andere Faͤlle, wie Sb. 2, 
©. 188, „zum Menſch“, begränden minder eine Anklage, da berfelbe 
norbdeutſche Provinzialismus auch anderswo vorkommt, und ba 
Ktinger nit immer ganz correct iſt. Auch hat er, obtwol Rheins 
länder von Geburt, mehrmals niederdeutſche Provinzialiämen, als 
bie Inperatiue erwerbe, ſchelte u. f. w., Bd. 3, ©. 92, 155. 


ch 
glanzvollſten Held 
ng 
b 
bogen auf 
5 Re 
erſuch 


handlung, bie es ſich zur Aufgabe geſtellt hat, unſere 
claſſiſche Literatur in würdiger Ausſtattung allgemein 
zugaͤnglich zu machen. Aber bedauern müffen wir doch, 
daß einige der wichtigſten frühern Werke, die Klinger 
freilich ſelbſt bei der Ausgabe legter Hand (1809) aus 
ſchloß, auch in dieſer Ausgabe fehlen. Wir hätten, 
um ihn ganz fennen zu lernen, aud des berühmten 
„Sturm und Drang”, ferner der Dramen „Das ler 
dende Weib”, „Stilpo”, des Märchens „Bambine” 
beburft, wovon uns nun blos Sagen aus Gervinus und 
des gediegenen Cotta'ſchen Mecenfenten bekannt fin. 
Bon dem legtgenannten Auffage find außet vielen fh 
nen Einzelheiten und gründlichen (Grörterungen gan 
vorzüglich die Schlußworte zu beherzigen, in denen u 
Klinger’6 Bedeutung für die Gegenwart entwidelt. 

Ghuarb Krüger. 





Dis Schloß und die Feftung Rheinfels. Ein Beitrag 
zur rheiniſchen Gefchichte von Wlegander Grebel 


St.⸗Goar, Saffenroth. 1844. Gr. 8. 25 Apr. 


Liegt es zwar in der Natur der Dinge, daß die Spain 
gefhichten einzelner Städte oder Landfchaften vielfach ein one 
loges Bild jener Begebenheiten und Zuftände wiederfpiegeln, 
welche die allgemeine Befchichte uns bezüglich Desjenigen Staati: 
verbandes vor Augen ſtellt, dem jene als einzelne Beſtandtheil 
angehörten: fo möchten doch nur menige Specialgeſchichtes 
deutſcher Städte ein fo treues, durch allg Beitperioden fortlaw 
fendes Spiegelbild der allgemeinen deutichen Zuftände darbit 
ten als der bier vorliegende des Schloffes und der Feſtur 
Rheinfeld. Jene allgemeinen deutfchen Zuftände? — Kid 
find es vielbefannte, oft befchriebene ;. aber daB fie auch ald ge 
nugſam befannte, im vechten, echten Geiſte und Sinne aufge 
faßte erſcheinen, dürfte nicht fo ganz unbedingt zu 
fein. Ramentlich dürfte es auch wenige Specialgefchihten be: 
Ber DOrtlichkeiten geben, aus denen überzeugendere Belege wu 
entnehmen wären, wie die Deutfhen oft im Kleinen ſo MR 
im Großen aber fi fo klein erwiefen, und wie neben dem 

vollften enmuthe und ber unerfchütterlichften Ireue ſ 
oft, fogar oft aud bie ausdrucksloſeſte Niedertraͤchtigkeit un 
die jammervolffte Kleinlichkeit und Schwäche an den traten 
Muß daher der Forſcher deutfcher Gefchichte Leider ſich daran 

ewoͤhnen, nur zu häufig zu erröthen, fo ift es doch um fo a 

eulicher, daß gerabe dieſes fe intereffante Merkſtuck cunt 
ehrenwertden Bearbeiter wie den Berf. gefunden hat; km 
neben der wiflenfchaftlihen Befähigung und dem ämfigften Kick 
leuchtet aus der an fi zwar ganz einfachen und ſchmudleſe 
Darftellung doch überall die uñerſchrockenſte Wahrheits: um 
geinnungstreueite Baterlandsliebe hervor. Sonach dürfte & 
wol nicht ungeeignet erſcheinen, das größere Yublicum af 
diefes Schriftchen aufmerffam zu machen und durch eine nik 
Analyfe defjelben unfere Behauptungen zu reshtfextigen, auh 
an paffender Stelle einige Betrachtungen über die dargeftelltn 
Begebenheiten einzuflechten. 

Im 3. 1245 dur) den Grafen Diether IE. von Kam 
elnb auf. einem hoben und ſteilen Felfenabſatze am linle⸗ 
Rheinufer dicht unterhalb des Staͤdtchenẽ St.Goar erbaut, be 
hauytete Schloß Rpeinfeld ſchon fehr früh als. Rheinpaf und 
Zollſtaͤtte in ber rheinifhen Gefchichte eine hohe Wichtigkeit 
Bor Allem denfwürdig war bie bereits 1255 gegen baflelk 
durch den Rheiniſchen dtebund unternommene Belagerung: 
denn eines 13 Monate langen Einſchließung uub mehr au 
40 vergeblig verfuchten Gturmangrifien ſahen füch die Belag 
ver geꝛwunoen, underrichteter Dinge wieder abzuziehen. 


IR 


Dat - 


1470 dep Inple Graf von Kapenelinbogen ohne männliche Gr; 


‚" dem verfkarb, el ein reiche Grbe feinem Gchwiegerfohne, | 


gandarafen Heintich IV. von Heſſen⸗Kaſſel, zu. Bon den 

* en trahtete vor Allen Landgraf Wilhelm Ill. die 

ot Jungfrau überkommene Burg durch Anlegung von Außen» 
ureken, dem Otande der neu emporblühenden Kriegskunſt ent: 
hechend, zu fihern, und fo entftand nad und nad) auf ber 

18 Schioß beherrihenden Welfenplatte des Wackenberges Die 
genannte Feltung Rheinfels: ein unregelmäßiges, einem Brüden 

Ipfe vergleichbared Bangenwerk zweier hintereinander gelege 

ac und fi überhöhender Wallinien, die jedod nur wenig 
freien Raum einfhloffen. Als in Bolge des befannten unheil⸗ 
vollen marburgiſchen Succeffionsftreited zwiſchen den fo nahe 
verwandten und fo fehr der Eintracht benöthigten Fürſtenhäu⸗ 
fern ven Heffen» Kaffel und Heffen: Darmfladt fi ein bruder: 
mörderifcher Kampf entfpann und das Urtbeil des Reichshof 
ratpee dem Landgrafen Ludwig V. von Darınfladt nit nur 
die gefammte marburgifche Erbſchaft, fondern auch als Gnt« 
fädigung für deren bisher entbehrten Genuß die Riedergraf: 
bin Kagenelinbogen zugeſprochen hatte, rüdte, dieſes Urtheil 
im Ausführung zu bringen, Ende Juli 1626 ein 8000 Mann 
ſtarkes ReichBerecutionsheer vor Rheinfels. Hier befchligte je: 
doh Zohann von Uffeln die auf 2000 Mann verftärkte de en: 
kaſſelſche Beſatung. Mit nicht minder ftandhafter Treue ala 
einſt Edebrecht von Grifte*) und mit gleicher Kühnheit wie 
Heinz von Lüdder *”) antıvortete er auf die ihm gewordene 
drohende Auffoderung zur Übergabe ebenfo lakoniſch als würde: 
vol: „Das Nehmen fteht euch frei, mir aber nicht das Über: 
geben, indem dies gegen die Ordres meines gnädigften Herrn 
ft, und fomit werde ich mich mit Gottes Sue mannbaft ver: 
theidigen.” Sein Thun ſtrafte auch wahrlid feine Rede keiner 
Züge, denn erft als ihm nady einer Belagerung von 33 Zagen, 
in welcher er, als die Außenwerke vom Weinde erobert worden 
waren, diefelben in die Luft fprengte und durch einen fühnen 
Ausfoll die Belagerer fogar einmal bis auf Ranonenfchußweite 
zurüdgefhlagen hatte, und als ein eigenhändiger Befehl des 
kondgrafen Morig die ohnehin nur noch einem blutbefprigten 


" XS der Erzbiſchof von Mainz 1339 die Welle Gudendberg 
belagerte und die Landgraͤfin vor ihren Thoren erfhlen, dem Befchlös 
haber Ecke brecht von Brifte Namens bes abweſenden Gemahls — 
um des lisben Friedens willen — bie Übergabe zu befehlen, antsı 
wortete Diefer: ‚‚Unädige Iran! hebet Cuch hinweg ober ich Laffe 
auf End einwerfen role auf den Jeind. Ich getrane mid zu Bott 
Viefed Schloß meinem guädigften Herrn zu erhalten, bis es Friebe 
wird; alödann will ich's wie ein Biedermann und nicht. eher verlafs 
fen.” (pr, Heſſiſche Landeslunde”.) 

*., ALS Philipp der Großmuͤthige in der Gefangenſchaft Kari V. 
den Mefehl unterzeiäinen mußte. daß ſaͤmmtliche heſſiſche Feſtungen 

den Kaiſerlichen geöffnet werden follten, voeigerte fi ber Wefedlss 
baber zu Ziegenhain, Hainz von Lüdder, diefer Welfung Gehorſam 
un leiften, weil der gefangene Landgraf nit bie Macht babe, 
ein Gebot zurüdzunehmen, das ihm ber freie Landgraf gegeben. 
Zwar erheifchte der erzürnte Kaiſer vom Lanbgrafen Philipp ale Preis 
feiner Befreiung unter Anderm auch das Welöbnik: jenen Edeln im 
Beiſein Eaiferliher Gommiffarien unter dem Thore der Feſte, in 
welcher er dem Polferliden Machtgebote getrogt, in Ketten aufhaͤn⸗ 
gen zu Laffenz aber Landgraf Philipp befalgte Dieſes nur infefern,. 
daß er Dainz von Lädber für einen Augenblid mit einer goldenen 
Bnadentette unter den Armen emporziehen ließ, fie ihm fobann zum 
Wigen GSebächtniß feiner muthigen Treue verehrend. Dieſe Heſſen⸗ 
ewe, dieſen Heffenmuth kuͤnbete nicht minder auch Kanrad Wieder⸗ 
ob (1598 zu Ziegenhain geboren) als Vertheidiger der wuͤrtember⸗ 
iſchen Feſte Hohentwiel. Über ihn, von dem bie Brabfchrift fagt: 

Gin Bürger Held und Ghriſt wie Gold 
So fhläft bier Konrad Wirberbolb. 

ehe man das vostrefflihe von dem. würtembergifhen Morläfäriftene 
reine gekrönte Preisſchriftchen des Pfarrers 2. Dietrig: „Konrad 
Bieberhotd und ver Dreifigiährige Krieg” (im Wih. 


des Landgrafen Morig enden Deßcenten, befkimme. Dir 


ebot, un A 
Ibm Enter JTF £, 


erfaßte deffen Muge Regen x Ep 
winnen, und ließ zu —— 
par de Rortaigne befehligtes . 
ft eb als ein A. —8 “ 
) es als eine APR 
hier wieder bewahrheitete es A, 8 wer: 
Standhaftigkeit ſich nie herrlicher ats in 1. * 
Kamp erprobte; denn obwol die sclanımı. ».- r 
250 Behrfähige zählte, fo feste der beflen.Larcc“... oe, on 
mandant, Johann von Keppenflein, der Üveır..g 4.” 
gerer doch einen Widerftand entgegen, weicher ate r..1. ey.” 
mütbiger Denn jener Johann '6 von Uffeln zu bezeichn en * * F 
würdig vertheidigte Feſte, als ihm vom feinem rue? 


lagerer feinem auf 160 Köpfe zuſammengeſchmo Me 
bäuflein völlig freien Abzug mit allen —eS genen. 
tt fichere 


en. 
In Folge des Weſtfäliſchen Friedens dem 
Kaſſel aufs — gewaͤhrleiſtet, ward die —æã—S— — 
ellnbogen indeſſen doch zur Abſindung der aus der pweiten 


in dem Familienvertrage von 1027 verfügte und water dem 
Ramen der, Heſſiſchen Quart“ bekannte Ubfchneidung führte je 
doch Leider zu unaufhörlichen Wwiſten, indem die neugebilbete 
fogenannte befien:sheinfelfifche Linie namentlich das von Heffen. 
Kafiel vorbehaltene Befagungsredht zu Mheinfeld nur in 
aeiten gelten laffen wollte. Bmwar war Landgraf Ernſt, 
658 das Haupt dieſer rheinfelſiſchen Linie orden, in feiner 
Jugend als ein Borbild ritterliher Tapferkeit zu rühmen ge» 
weien, und vor: Allem glänzend waren die Lorbern, weiche «wm 
ſich an der Spitze der Heffiichen Kürafflergeſchwader in dem ent: 
ſcheidenden Meiterangriffe bei Allersheim erworben ; wicht min» 
dee. war auch feine gediegene Gelehrſamkeit zu: fchügen, ſein 
väaker ee * ar reiner u: preifen, feine 
u ehren, o ere ihn. dazu x 
te, ſich dem Kotholieibmus — 8æ und ln: —— 
ben zu verleugnen, für den Altern und Geſchwiſter und: fein 


bublerifgen Bögendienft zuzuwenden und die Treue gegen das 
Baterlaud zu vergeflen. es fein, daß die wenig verheblte 
mislichige Sefinnung des heilen » kaſſelſchen Stanmhaupte ihm 
Argmohn erregte, man bege. Dort den Gedanken. gelegentli 
MWiederentgiehung des. jo ungern Sewaͤhrten: auch ſelbſt dadarch 
wird es nicht verzeihlich, daß. er fo fehr alle fürſtliche Ehre: 
und reichöfländifche Ireue hintanzufegen vermodgte, mit eberfe 
niedeiger Unserwürfigfeit als mit offener. vaterlandsverrätheri« 
(des Abſicht dem ſchliumſten Reichöfeinde das eigene Erbe ww- 
dherad und ſchachernd zum Kaufe anzubieten. Daß dieſes wirk⸗ 
li der Fall geweſen, gebt aus der. Dasitelung. des Berf. uns 
zweifelhaft bervors auch glauben vwir, daß es unfern Lefſern 
nidgt unintereffant fein: wird, als einen recht grellen Beleg: dus: 
damaligen unglüdfeligen Zuſtaͤnde wenigftens eins der bewei⸗ 
enden Uctenftüdle vollftändig kennen zu lernen. Daffelde be 
jeht in dem jene verrätherifihen Verhandlungen eröffnenden 


X 


enhaͤndigen iben 2 Emnft’s Ludwig XIV. 
nach om baden Deiindtenente wörttich fo fo lautete: 


Ich bitte antertkäniak um Pardon, daB ich die Freiheit 
nehme, Ew. Maj. hohe und wichtige Geſchaͤfte zu unterbrechen, 
um Derofelben meine und meiner beiten Söhne, fo von ihren 
Akademien und Reifen zurüdgelcehrt, unterthänigfte Dienfte zu 

verfichern. Ih weiß zwar wohl, daß Ew. Mai. durch 
ganz Deutfhland viel größere und mädtigere Die: 
ner ale id bin, fo Sie deren von Röthen, allezeit 
finden würden; aber in dem recht brennenden Ei: 
fer, Ew. Maj. zu dienen, werde ih Keinem, er fei 
wer er wolle, das Geringfie nachgeben; beromegen 
habe, um Solches in der That zu zeigen, bei jegigen neu ange: 
gangenen Kriegstroubeln mich erkundigen wollen, ob Ew. Maj. 
meine beiden dies: und jenfeit des Rheins gelegenen Fortreſſen 
nicht etwa benöthigt, auf welchen Fall ich mich Solches nur 
wiffen zu laffen die hobe Gnade mir erbitte! Ib 
xufe Gott an, daß er die unfchägbare und heilige Perfon Em. 
Mei. in feinen allerheiligften Schug aufnehme, ber Ich niemals 
aufhören werde zu fein Ew. Maj. unterthänigft gehorfamfter 
Diener Prinz Ernft. 

Nheinfeld, den 26. Zag Juni 1667. 


Wahrlich! der Berf. hat nur zu fehr Recht, dabei zu bemerken, 
daß man ſich nach Durchleſung dieſes Schreibens nicht mehr 
wundern dürfe, daß Ludwig XIV. gegen die beutfchen Reiche: 
fürften und das Reich jo übermüthig verfahren feis ja Ref. be- 
greift hiernach nicht, daß er es überhaupt nicht noch mehr ge: 
weſen ift. 

Wie ed fcheint, fand ſich indeffen Ludwig XIV. wegen ber 
bald darauf ftatthabenten Sriedensverhandlungen zu Aachen 
nicht veranlaßt, auf jenes Anerbieten einzugehen; deflenungeady 
tet aber war Landgraf Ernit ſchamlos genug, daſſelbe abermals 
zu wiederholen, als Ludwig 1683 feine Mordbrennerbanden in 
Die Mbeinlande entfendete. Sei es jedoch, daB Jenem der gefo⸗ 
derte Preis (100,000 Thir. und ein Jahrgehalt von 5000 Ihirn.) 
zu body oder als überflüffiig erſchien, weil ja die Eroberung 
jener Befte unter biefen Umftänden nicht zweifelhaft, jebenfalls 
aber glänzendtr als ihre an der Spige einer Armee bewirkte 
@rkaufung zu erachten war: genug, aus diesmal blicben jene 
Berhandlungen ebenfalls ohne Foige. Richt minder ſeltſam 
aber ift es, daB auch der türkifhe Sultan einen entfhiedenen, 

menn au indirecten Einfluß auf das Geſchick von Mheinfels 
au üben berufen war. Durch deſſen bittere im Laufe des 3. 
692 erhobenen Befchwerden über die ſchlecht erfüllte Zuſiche⸗ 
zung feines allerpriftlichften Bundesgenoffen, die kaiſerliche 
Keiegsmanst am Rheine binlänglich zu befchäftigen, um ihm 
dadurch freiere Hand in Ungarn zu verfchaffen, ward nämlich 
Ludwig XIV. hauptfächlidh bewogen, die Eroberung von Rhein- 
fels ald Einleitung zu weiteren gegen Deutichland zu richtenden 
Invaflonsplänen zu befchließen. Zwar erhielt Landgraf Karl 
von Heflen hiervon durch eine aufgefangene Eorrefpondenz ſchon 
früßgeitige Nachricht; da. jedoch Landgraf Ernft fi unter aller: 
lei nichtigen Borwänden beharrlich weigerte, heffen » Baffelfche 
Befagung aufzunehmen, fo zogen fih die darüber gepflogenen 
Berhandiungen monatelang fort. Erft als Generaltieutenant 
Zallard Anfangs December 1692 mit 18,000 Mann von Mont- 
royal aus bereits im Anmarſche auf Rheinfels begriffen war, 
gelang es yo ben energifchen, biß zu ernften Drohungen 
geheigerten: Borftellungen des Generals Gorz, den Landgrafen 
ſt zu. bewegen, ihm am 16. Der. die gehe zu Öffnen, wor: 
auf auch fofort nem Eompagnien des Regiments Prinz Karl 
(weihe zu &t.-Soarshaufen lagerten), und zwar im nämlichen 
Augenblicke in diefelbe einrüdten, als bie feindlichen Bortrup- 
pen vor ihr erfchienen, Smbgrat Ernſt aber grollend von dans 
nem reifte. Schon am 17. Dec eröffnete ber Feind die Bela⸗ 
gerungdarbeiten.. Um fo gerungsorbeiten.. Um fo preißwürbiger war bie Spätigkeit und | de&. iegenhainte Bärgerföhgen Balentin Mudiy den Tor FÜ war: die Ehätigkeit und - 


Verantwortlicher derausgeber: 


die trefflichen Anordnungen des Commandanten, wedurch d 
vermittelt ward, ſchon am 18. durch in Eilmaͤrſchen herangezo 
gene Xruppenabtheilungen die Befagung der Feſte, des Forti 
Kag und der Stadt St.⸗Goar bis auf 4000 Mann zu vermeh— 
ren. Richt minder glücklich war der Zufall, daß, als Tallerd 
am 18. Dec. bei einer Kundſchaftung ſich dem Städtchen St.-Boar 
allzu fehr genähert hatte, e8 einem auf dem evangelifchen Kirch 
thurme poftirten Bürgerfgügen, dem Drechslermeiſter Johan 
Kentſch, glüdte, ihm durch einen gufgesielten Schuß aus fr 
nem Doppelhaten eine ſchwere Wunde zujufügen. 

In das Einzelne der durch den Generalmajor George dt: 
ti) Ludwig von Schlit, genannt von Görz, geleiteten Verther 
digung einzugehen, mangelt uns der Raums; baß diefelbe or 


um fo mehr als eine wahrhaft heidenmüthige bezeichnet werden 
darf, als auch die Belagerer eine ungemeine Zapferkeit bew: 
kundeten: davon Fönnen unfere Leſer aus ber hoͤchſt anziehen 
Derfielung eb Berf. am beften fich ſelbſt überzeugen. Br 


Allem den 


ürdig ift der nach einer Auffoderung voll der nt: 


terlichften Courtoifie am Abend des 27. Dec. durch auserlim 


Scharen mit wüthendem Ungeſtüm unternommene, aber mt 


noch WBeter Standhaftigkeit zurückgewieſene Hauptſturm, ir 
dem ſämmtliche heſſiſche Stabsoffiziere, darunter Gin 

ſelbſt, n dem hierdurch erzeugten mörderifchen Handgemen« 
N Verwundung oder, wie Oberft Godenius, den He 
dentod fanden. Tiber 1200 der Feinde fowie 24 Offiziere un 
323 Mann der Bertheidiger bedeckten todt oder verwundet di 
blutige, kaum vier Morgen umfaflende Wahlſtatt. Glanel 
war vor Allem die durch zwei Eompagnien des Leibregimet 


bethätigte Tapferkeit; ſtrahlend das von Görz gegebene Bernd, 
der, obgleich an fieberhaftem Siechthume leidend, doch über 
den Degen in der Fauſt voran, mehre Feinde nieberfteche, 


die Muthigen ermunternd, die Schwankenden mit dem I 
bedrohend, von Pulverdampf geſchwaͤrzt, 
form verbrannt und mit Blut überftrömt,, einem fümpfendn 
Yjar vergleihbar erfcheint. Ein während ber fo kurjzen Bat 
der Belagerung erlittener Verluſt von 10,500 Getoͤdteten. Ser: 
ftorbenen, Verwundeten und Erkrankten nötbigte Tallard, die 
felbe fon am I. Ian. 1693 bei dem Herannahen eines dem 
Landgrafen Karl befehligten Entſatzheers aufzuheben. 2% 
gen ernannte Landgraf Karl bei einer großen Hecrha der 
tapfern Görz, indem er ihn unter dem Donner der Geifür 
im Angefichte aller Truppen umarmte, auf Lebenszeit zu 
Gouverneur der von ihm fo heldenmüthig bewachten Ab; 
aber die Thaͤtigkeit, mit welcher er trog feines durch Fiche 
und Wunden fiechen Körpers die Wiederherſtellung und Gr 
weiterung der vielfach in Truͤmmer gefchoffenen — 
und Orden mie fe betrieb, fenkte ihn in ein ich 
Doch ſchön wie fein Leben war aud fein Tod; bein alt €, 
noch lat 40 Zahre alt, am Morgen des 3. Febr. 18 N 
Derannahen beffelben fühlte, ließ er ſich auf die hohe Ent: 
ſchanze tragen, von wo aus er vier Jahre zuvor die Verlhti 
digung geleitet hatte, um, wie er heiter ſcherzend ſich aufert 
— im Freien, dem Feinde gegenüber zu fterben. So haußt 
er, daß erbleichende Antlig gegen das feindliche Frankrtich 
wendet, umgeben von feinen trauernden Kriegs: und Ruhn⸗ 
gefährten, feine Heldenfeele mit einer Würde aus, melde un di 
bebreften Zeiten helleniſchen und römifhen Alterthums erinnert 
und die es verdiente, mit goldenen Lettern in der an Ruda 
und Heldengröße fo reichen Heffifchen Kriegergefchichte verzih 
net zu werden. 
(Die Fortſetung folgt.) 


) Als ein anderes Beifpiel wirkungsvoller Mithälfe gefmär 
Stadtbärger in der Vertheidigung bes Waterlanded; und zwar IH 
in offener Feldſchlacht, mag das Gefecht bei Stiebelsdorf un 
Biegenhain im 3. 1640 Ermähnung finden, in welchem ber kailı 
Heerfuͤhrer -Breda — unglädliher als Tallard — burd bie Kugel 
des ziegenhainer Buͤrgerſchuͤren Valentin Mudly ben Tod fant. 


— 7A Mrodihane in Rei VBrockbaus. — Druck und Verlag von F. ME. Srockhaus in Leipzig. 


Haupthaar und Im 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


— Nr. 246. ee 


3. September 1846, 








Über das preußifhe Bankwefen. 
Erfter Artikel. 

I. Über Zettelbanken, mit befonderer Hinficht auf eine preußifche 
kandesbank. Nebſt Auszügen aus den Statuten und Regle: 
ments der öftreichifchen, bairiſchen, franzöfifchen und engli- 
fhen Banl. Bon Zoſeph Mendelsfohn. Berlin, 
%. Dunder. 1846. &r. 8. 10 Nor. 

2. Das normale Geldſyſtem in feiner Anwendung auf Preußen. 
Bon Bülow: Eummerow. Berlin, Beit und Comp. 
1846. &r. 8. 12 Ror. 

. Die preußifche Geldkrifis. Bon Rodbertus⸗Jagetzow. 
Uncam, Diege. 1845. Gr. 8. 12 Kor. 


>> w 


kav Julius. Reipzig, D. Wigand. 1846. Sr. 8. I Zhlr. 
Der Spuk des Bankgeſpenſtes. Ein der liberalen Tages: 
preffe gefegtes Dentmal von Guſtav Julius. Leipzig, 
Roumburg. 1846. Sr. 8. 10 Nor. 

Ale diefe faft gleichzeitig erfchienenen Schriften dre⸗ 
ben fih um die Tagesfrage: Wie wird das Geld zu ben 
Unternehmungen zu erſchwingen fein, welche im Werke 
find? und wie ift dem Mangel abzuhelfen? Geld fehreit 
die ganze Welt! Die Unentbehrlichkeit und die Allgewalt 
des Geldes hat feit Montecuculi’s Zeit nicht abgenommen, 
fondern fh von Tage zu Tage immer mehr ausgebifbet. 
In Nr. 2 heißt es ©. 67: 

Es Hat nicht nur den entfchiebenften Einfluß auf alle Le: 
bensverhältniffe der Einzelnen, fondern auch auf die Wohlfahrt 
der Voͤlker in ihrer Gefammtheit gewonnen; es beherrſcht alle 
materiellen Berhältniffe und mit diefen auch diejenigen geifigen, 
Die ein höherer Wille mit jenen bienicden eng verbunden bat; 
in feiner Hand ruhen die Schickſale der Länder und ber Reiche. 

Ale vier Männer, die fich Hier haben vernehmen 
laſſen, flimmen darin überein, daß a) es wirklich an 
Gelde, oder eigentliher an Mitteln zum Verlage auf 
erfprießliche Unternehmungen, mangelt und die vorhanbe- 
nen für das Bedürfniß nicht ausreichen, ganz befonders 
feitdem der Eifenbahnbau in Gang gefommen ift; daß 
ferner b) das Land und Die Nationalinduftrie darunter 
leiden, wenn irgend eine nugenbringende Unternehmung 
um diefes Mangels willen unterbleiben oder liegen blei- 
ben, ober eingehen oder auch nur meiter hinausgefchoben 


. 
. 


werden muß, indem dadurch nicht blos der zu machende 


Vortheil entgeht, fondern auch andere Nationen einen 
Borfprung gewinnen und fpäfer felten noch wieder ein 
zubolen find; endlich c) daß ein im Lande gut eingerich- 


N) 
. Bankweſen. Ein neues Sefpenft in Deutichland. Bon Gu⸗ 


helfen das geeignetftle und angemeffenfte Mittel it, und 
daß bie Regierung eines jeben Landes deshalb dafür be 
forget zu fein alle Urfache bat, daß es daran im Lande 
nicht fehle. Auch noch darin flimmen die Herren über- 
ein, daß d) Theorie und Erfahrung dagegen fprechen, bie- 
fen Verkehr ſich felbft, das heißt der eigenfüchtigen Be⸗ 
triebfamteit aller Derer zu überlaffen und anheim zu ge- 
ben, welche daraus Gewinn zu ziehen fich angelegen fein 
(affen möchten, fondern daß bie policeiliche Beaufſichti⸗ 
gung und die Gefeggebung bes Staats fi um fo we⸗ 
niger entbrechen fönnen, Vorſehung zu treffen, daß da⸗ 
mit fein Misbrauch getrieben werde, je näher bie Ber- 
fuhung dazu liegt und je leichter es ihm wird, fi zu 
verbetgen. Dahingegen waltet e) darin eine Verſchieden⸗ 
beit der Meinungen ob, daß Hr. Julius um bdeswillen 
es für nothwenbig erachtet, der Staatsregierung allein 
den Betrich des Bankzettelmefens, deren Anfertigung und 
Ausgebung, vorzubehalten, verfteht fih durch dazu ange- 
ordnete Behörden, wie diefe zu allen Staatsgefchäften 
eingefegt werden; während bie andern drei Herren auch 
den ganzen Bankverkehr als ein-aus dem Privatgewerbe- 
betriebe nicht herauszureißendes, wol aber ber Staats⸗ 


gewalt vermöge gefeglicher Beftimmungen und gefegmä- 
Figer Beauffichtigung verantwortliches Handelsgefchäft an⸗ 


gefehen und behandelt wiffen wollen, in gleicher Weiſe 
wie Dies bei den Apotheken, Glücksſpielen, beim Bauen 
u. f. mw. gefchieht. 

Um hierüber zur Entftheidung zu kommen, haben bie 
fämmtlihen Berfaffer ſich auf Theorie und Erfahrung 
berufen und daraus fo viel angeführt, als fie zur Recht» 
fertigung ihrer Anfichten für nöthig erachtet haben. In 


Nr. 1 ift es bauptfächlih die Erfahrung, welche ihre 


Schaͤtze uns vor Augen legt, ſowol bie eigene Erfahrung 
eines große Gefchäfte machenden Banquierhaufes, als die 
aus den auf dem Titel der Schrift benannten Bank: 
reglementd. Nr. 2 und 3 gehen mehr von einer theo—⸗ 
retifchen Entwidelung aus und Tiefern daraus einen ſpe⸗ 
culativen Ermweis, die erftere Schrift mehr aus der Be 
ariffsbeftimmung des Geldes, die Tegtere mehr aus der 
Natur des Credits, beide jedoch nur fo weit, als darauf 
Folgerungen gebaut worden find. Wollftändiger und zus 
fammenhängender befaßt fih Nr. 4 mit der Beleuchtung 


teter und verbreitete Bankverkehr jenem Mangel abzu-: | der Natur des Bankweſens und ben daraus abzunehmen⸗ 











den Regeln für ben Betrieb beffelben, jedoch mit Ber 


feitefegung der übrigen Arten von Banfgefchäften haupt- 
ſächlich nur mit den Leih⸗ und Zettelbanten, wobei bie 
Ausführung mit vieler Sachkenntniß und mit der fonft ſchon 
bekannten Gründlichkeit und Schasffinnigkeit um fo mehr 
Lob verdient, da der Verf, kein Mann ift, welcher aus eige- 
mer Erfahrung über die Sache zu urtheilen vermochte. 
Gerade Dies ift es indeffen auch, was fich fund gibt 
und was bie Folge gehabt hat, daß der Verf. der Be⸗ 
griffsentwidelung folgend ſich in dieſe verwickelt hat und 
darüber von feinen Gegnern in einen bittern Kampf ver- 
widelt worden iſt, zu beffen Ausfehtung Nr. 5 dienen 


fo, indem er barin nicht nur feine Behauptungen ver⸗ 


fiht, fondern auch die Anfechtungen feiner Gegner auf- 
fängt und zurückſchlaͤgt. Cr ift in dieſer Fechtkunſt ge- 
übt, bat viel Gegenwart des Geiſtes, Belefenheit, Wis 
und Spott, und eine geübte Kertigkeit und Gemandtbeit, 
die gegebenen Blößen zu benugen und ba einzudringen. 
Dennoch macht gerade dieſe herbe Polemit, daß dieſe 
Schrift am wenigften zufagt und fogar darauf nicht ge 
merkt worden ift, welchen Angriffen der Verf. ſich dar 
durch felbft wieder bloßgeftellt hat. Unftreitig hat er Ur- 
fache zu zümen gehabt, daß feine Gegner, anſtatt fih an 
die Sache zu halten, fich mit feiner Perfon befaßt und 
ihm unlautere Abfihten zugemuthet, und daß fie ihn im 
Streite felbft auf unmanierliche Weiſe behandelt haben. 
Allein Jenes verdiente gar Feine Entgegnung, da ein red» 
licher Mann dergleichen verachten kann, und die logtere 
hätte um fo forgfältiger vermieden werden müffen, zu- 
mal der Verf. an dem Streite nicht für feine Perfon fo 
ganz unfehuldig iſt als er meint. 

Schon in dem Gingange der Schrift Nr. 4 nimmt 
der Berf. einen Ton ber Sicherheit und der Herunter- 
fegung Derjenigen an, beren Schriften er zu widerlegen 
ſich auſchickt, welcher nicht gutgeheißen werben kann; ebenſo 
braucht am Schluſſe des Buches nicht gerade Preußen 
genannt zu fein, um dennoch ganz gut zu wiſſen, wohin 
das Ziel des Ausführung geht. Den Anſpruch, die ge- 
ſammte Bankfrage zum Abſchluſſe gebracht zu haben 
(Re. 5, &. 20), können auch wir dem Verf. nicht zuge- 
fiehen, wie ſich zeigen wird ; und ebenfo wenig konnen 
wir einfimmen, daß auf ben Ton, in welchem eine 
Schrift gehalten iſt, Nichts ankomme, und daß bie ge- 
tabelte Ausdrucksweiſe barum ertragen werben müſſe, 
weit der Verf. fie ſich angeeignet habe. Denn Schrift. 
ſteller geben nicht anf den Faſching in Kappen, fondern 
in eine ernſte oder beitere, doch immer gebildete Geſell⸗ 
ſchaft. Da iſt es nicht Sitte, Denen, bie ſich über einen 
Gegenſtand verbreitet haben, zu hemerken (Nr. 3, ©. 1): 
„daß Männer, welche mit praktiſcher Kenntniß ber Sache 
die nöthige theoretiſche Einficht verbinden, mit wenigen 
Ausnahmen flilfegweigen”; noch daß (Nr. 5, S. 8): „dem 
Poblieum in Brofihüren unb Zeitungen tagtäglich ber 
geöbfte Sand nen Unwiſſenden und Gigennügigen in bie 
Augen geworfen werde”. 

So vollkommen wir nun Demjenigen beipflichten, mas 
in Re. 1, 3 und 3 ale Ergebnif der Betrachtungen dar⸗ 


gethan worden ift, unb fo befonders uns biefe Betrac⸗ 
tungen felbft in Nr. 3 angefprochen haben, ungeachtet fie 
darch größere Einfachheit noch deutlicher hätten gemadt 
werden fönnen, fo mandherlei Anlaß geben doch die auf- 
gefelten Degriffsbeflimmungen und Erklärungen, darüber 

emerfungen zu machen, welche bei eirner fa praktiſchen 
Angelegenheit zu unterdrüden uns keinen Dank vedie 
nen koͤnnte. . 

Gleich die erfte Zeile in Nr. 1 ift nicht ganz richtig, 
wenn das Wort „Geld“ nicht in einer viel weitern Be 
deutung genommen wird als ihm ber Spracgebraug 
beilegt. Wer 3. DB. für Staatspapiere Wechfel auf Eon: 
don empfängt, bat mit Gelde Nichts zu thun, fondern 
mit Schuldverfhreibungen, und man ann nicht ſagen, 
daß Geld hier die Waare des zu Stande gefommenn 
Handels fei. Wer Barren einlegt und dafür Verfhri 
bungen oder Anweiſungen auf die Kaffe des Dermahret 
erhält, berührt ebenfalls fein Gelb, und ebenjo wenig 
Der, dem dur Ab- und Zufchreiben in den Contobügem 
Credit gegeben wird. Wir müffen daher gleich hier pır 
teftiren, die Bankzettel als Papiergeld anzufehen un 
demfelben gleichftellen au wollen. Daß fie Tepteres werben, 
dazu ift erft noch erfoberlih, dag Ihnen die befondem 
Eigenfchaften des Geldes beigelegt werben, was fafl nit 
gefchieht. Geld ift nicht Das was gilt; fonft müßte I: 
les was nur irgend eine Geltung hat Geld fein: fr 
dern es ift Dasjenige, mas die Geltung von allem Uhr: 
gen ausdrudt, vertritt und in ſich enthält, was alſo ver 
möge diefer Natur aud) das Ausgleichungsmittel im Be: 
kehre allgemein abgibt. Damit e8 Dies fein könne, mu) 
ed in ſolche Größen getheilt werben, womit im Derfcht 
die Ausgleichung vorgenommen werben ann; biefe Eridt 
müffen insgeſammt eine ein- für allemal fefigeftcke Gel⸗ 
tung oder folhen Werth haben und äußerlich ſo be 
zeichnet werden, baf ihr Gehalt ohne Zerftörung ürt 
äußern Form nicht verändert werden kann. Diefe öffnt 
liche Beglaubigung kommt überall, mo die Menſchen U 
einem Staatsverbande leben, nur der Staatsgewall it 
weshalb auch das Muͤnzrecht zu den Hoheitsrechten gt 
hört, und Geld nur von den Staaten und ihren Ry* 
rungen gemacht werden kann. Wenn in England Ki 
Münzen auch Privatperfonen überlaffen wird, ift Did 
doch nur die Fabrikation ber Münzen, nicht die Bein 
mung ihrer Schrotes und Kornes, ihrer Größe und % 
res Gepräges, worüber ber Staat die ſtrengſte Anordnul 
trifft and genaue Aufſicht führt. Die Falſchmünzera 
ausländifcher Münzen aber ift derfelbe Betrug, wie di 
Falfhung von Handfchriften, Siegeln und Document: 
man hängt aber feinen Dieb, man habe ihn dem 
Ebenfo wenig gehört «8 zum Weſen eines Bantgefhäftt 
daß es auf einer Maffe hingelegten Gelbes gegründet ſei 
noch daß es ein Actiengefchäft ausmache; Beides find nat 
unweſentliche Beſtimmungen. Es ann fein, daß ME 
Credit durch Niederlegung eines Fonds, ob in 
oder in ſonſt einem ins Geld zu fegenden Werthe, be 
gründet wirb, auf dag Mehre ſich zu einem ſolchen Or 
ſchaͤfte vergefeltfchaften und ſich über ihre Ginlagen [heit 


. 


Biche Betennentffe mit den dafſir erlangten Theilnehmungo⸗ 
rechten (Actien) ausfertigen ; aber nöthig iſt keins von 
beiden. Der Verf. kommt ja weiterhin felbft auf bie 
Staatsbanken, bei welchen zwar die Theilnahme von Ac⸗ 
tionnairs nicht außgefchloffen, aber doc, ihrer Natur nad) 
nit einbegriffen if. Daß Actienbanfen bem Credite 
beimeitem größere Sicherheit verſchaffen und beshalb den 
Banken einzelner Privatperfonen beimeitem vorzuziehen 
find, ift ausgemacht und hat ben Berf. wol vermocht, 
aur jene ins Auge zu faflen. 
(Die Fortſetzung folgt.) 


Das Schloß und die Feſtung Rheinfele. Ein Beitrag 
zur cheinifhen Gefhichte von Alerander Grebel. 
(Kortfegung aus Nr. 245.) 


Defto trauriger aber zeigt fih das Bild innerer Berriffen- 
beit der damaligen Zuftände, welches fi von den Zwiſtigkeiten 
um den Bein von Rheinfels abfpiegelt, indem die durch Zu: 
fall herbeigeführte Entfchleierung der vom Landgrafen Ernft 
beabfihtigten Berrätheret dem Landgrafen Karl von Heſſen⸗ 
Kaflet einen wol nicht ganz unbegründeten Borwand gab, 
Diefen feiner gefammten Lande für verluftig zu eriären. Waͤh⸗ 
rend jedoch die Beflimmungen des Friedens von Ryswijk den 
Yandgrafen Karl nöthigten, diefe Maßregel zurüdzunchmen, 
mußte die Art und Weife, wie fi daß Paiferliche Eabinet da» 
bei benahm und namentlich Schloß und Fefte Rheinfels gegen 
die Abrede, ftatt mit einer Abtheilung Reichötruppen, dur 
kaiſerliche Kriegsvölker befegen ließ, den wohl ebenfo wenig 
ganı unbegründeten neuen Argwohn aufzuden laſſen: daß die 
mit fe großen Opfern der Gier Ludwig's XIV. entriffene Feſte 
nunmehr ein Biel des nicht minder zu fürdhtenden Baiferlichen 
Beutegelüfteß getvorden fein möchte. 

..  Dbgleih in dem bald darauf ausbrechenden ſpaniſchen Erb: 
folgefriege ſich unbedingt an ſtreich anſchließend und alle von 
Frankreich ausgehenden Lodungen von der Hand weifend, nahm 
dethalb dieſer Fürft doch auch feinen Anſtand, als Die Land: 
grefen von Heften-Rheinfels ſowie der kaiſerliche Commandant 

von Schneidau, trotz des klaren Buchſtabens der beſte⸗ 
henden Bertraͤge, ſich beharrlich weigerten, heffen⸗kaſſeiſche Be⸗ 
fogung aufzunehmen, feinem Erbprinzen Friedrich zu befehlen, 
den Beſig von Rheinfeld mit Waffengewalt zu erzwingen. 
Sirklich rüdte Diefer auch am W. Rov. mit einem Deere von 
60 Mann vor die Feſte und begann biejelbe am 23. Nov. 
aus 24 Geſchũtzen heftig zu befchieden. &o begab ſich denn 
des wahrhaft unerhörte Schaufpiel eines Intermeszo feind⸗ 
Iiher Begegnung zweier Verbündeten im Ungefichte des Bein. 
des — denn die Franzoſen hatten fich bereits Trardachs be⸗ 
mödtigt — welches erft am MW. November dadurch beendi 
ward, daß der Kaifer dem Oberſten von Schneidau befahl, die 
Feſte dem Erbprinzen von Hefſen zu übergeben. Wegen Be» 
drohrng der Reichbacht wurde, nad dem zu Baden (1714) 
erfolgten Frieden, Rheinfels abermals an, die kandgrafen von 
Heften:Rheinfels zurüdgegeben und es erneuerte ſich im Reichs⸗ 
friege von 1734 der alte Streit in der alten Weife: indem einer 
ſeits zwar der Baiferliche Oberfeldherr Prinz Eugen von Gadoyen 
dem Paiferlichen Befehlshaber Marquis de Caſſelle gebot, heffilche 
Befagung aufzunehmen, Diefer jedoch anfänglich deſſen Befug⸗ 
niß hierzu in Abrede ſtellte und erft dann gehorchte, als Iener 
ihn mit Berluft des Kopfes bedrohen ließ; während andererfeits 
die Sandgrafen von Heſſen⸗Rheinfels biergegen auf das lebhaf⸗ 
tefle proteftirten, der oͤſtreichiſche Reichstagsgeſandte aber gar 
dem Bringen augen die Weifung gab, Ken 8 in die Luft 
en zu laſſen. 
—* den Bertrag von 1754 ward die Wiederkehr 
aͤhnicher Argerniſſe auf immer dadurch beſeitigt, Daß die Lanb⸗ 


grafen von. Hefſen ⸗Rheinfels Schloß und Teſte gegen Entlaſtung 
anderweitiger Schuldverbindlichkeiten gänzlich * Heſſen⸗Kaſſi 
abtraten; aber faſt ſcheint es, als ob von nun an ihre Wehr 
barkeit um fo weniger beachtet worden fei, als der DBefig ein 
gefiderter geworden. Denn als im Dec. 1758 Prinz Coubife, 
bie Schmach von Roßbach zu mindern, einen Angriff auf Rhein» 
feld einleitete, übergab der Commandant Oberſt von Freiwald 
daſſelbe ohne Schwertfchlag, da der ohnehin nur 300 Mann 
arten Beſatzung aller Schießbedarf und dem Gefchüge alle 
Bedienungsmannichaft mangelt. Um fo preißwürdiger wer 
das Benehmen des Befchlöhabers auf dem Fort Kag, Haupts 
mann von Ende, des fich nicht nur weigerte, die von Dberfk 
von Freiwald eingegangene Gapitulation als für ſich verbindlich 
anzufehen, fondern au, obgleich feine Mannſchaft nur 40 Köpfe 
zählte, dem Zeinde vier Tage lang mannhafte Gegenwehr lei⸗ 
ſtete. Ja es gelang ihm fogar, nachdem alle feine Munition 
völlig verfeuert worden war, fi während der Nacht durch die 
Belagerer hindurchzuſchleichen und fo feine gefammte Mann⸗ 
ſchaft der Gefangenſchaft zu entziehen, damit zugleich das alte 
Spruͤchwort bewahrheitend, daß das Gluͤck dem Kühnen Hold fei. 

Rad) bergeftelltem Frieden erhielten die Zeftungswerke an: 
ſehnliche Erweiterungen s ald aber Ende 1794 die Stunde ber» 
anbrach, diefelbe im Geifte eines Iohann von Uffeln, Koppen⸗ 
fein und Goͤrz zu vertheibigen, entiprang der gegenfeitigen 
Gehaͤffigkeit zpig durch Alter und Körpergebrechen kindiſchen 
Greiſe eine bis dahin in den Jahrbüchern der ruhmfirablen» 
ben heilifchen SKriegergefchichte unerhört gebliebene Schmach. 
Der mit der Fürforge um die Bertheidigungsanftalten beauf: 
tragte Artilleriegeneral Lempe hatte nämlich diefe Pflicht theris 
aus äußerfier Geiftesbeichränktheit, theil aus Gehäffigkeit ge 
gen den Commandanten, Beneral von Refius, in einer Weife 
vernadläfligt, die jeden Glauben überfteigt. &o 3. B. hatte 
er auf wiederholte Erinnerungen und Anfragen des Artillerie⸗ 
offiziers vom Plage unter Anderm den wahrhaft claffifch zu 
nennenden Befehl ertheilt: „ihn ein für allemal in Ruhe zu 
laffen.” Als daher am 26. Dct. 1794 die etwa 6u00 Mann 
ſtarke Divifion Vincent vor Rheinfeld erfchien, waren auch die 
allernothiwendigften Bertheidigungsanftalten immer noch nidt 
ins Werk gefegt worden; ja, General Lempe hatte fogar befob- 
len, alle guten Sachen nad dem auf dem rechten Rheinufer 
belegenen Fort Kat in Sicherheit zu bringen und das Feſtungs⸗ 
gelhün fo zu placiven, daß der Feind daran Beinen Schaden 
thun Eönne. Hiernach kann es wol aud nicht verwundern, 
daß, als daffelbe, um eine feindliche Kundſchaftung zurüdzu: 
ſcheuchen, zu fpielen begann, theils die Laffetten zufammenbra- 
den, theils Bomben und Kartätfchenbücdfen vor den Muͤndun⸗ 
em zerfprangen und nur die eigene Bedienungsmannfhaft ges 
Khrketen. Da jedoch Die Befagung an 1600 Mann (darunter 
freilich 680 Mann Landmillz und Buͤrgerſchützen aus &t.«@oar) 
zählte und durch längs des rechten Mheinufers cantomnirenbe 
leichte Infanterie um 4— 500 Mann leicht verftärkt werden 
konnte, die Werke voͤllig ſturmfrei erfchienen, zumal dieſel⸗ 
ben noch mit einem vorliegenden Minenfyſteme verſehen wa⸗ 
ven, Munition und Lebensmittel nicht mangelten und der 
Feind auch nicht ein Stüd Belagerungsgefhüg mit firh führte, 
fo war eine Vertheidigung Nichts weniger als wnmöglid. 
Gleichwol verlor General Reflus wegen der ibm erft jegt be⸗ 
greiflich gewordenen Mängel der Ausrüftung allen Muth, und 
durch die lächerliche Drohung eines in der Nacht zum 3. Nov. 
von 30,000 Mann zu gemwärtigenden Sturmangriffs bis zur 
Befinnungslofigkeit erfchredit, berief er am 1. Rov. Abends 
T uhr fämmtlihe Staböoffiziere und Gapitaine ber Garniſon 
zu einem SKriegbrathe. In diefem nun fcheint unter Undern 
auch der Platz⸗Oberſtlieutenant von Verna mit einer der Feig⸗ 
beit ſtets zur Seite ſtehenden Rebnergabe die Unmöglichkeit eis 
ner fernern (oder vielmehr der erft zu beginnenden) Vertheidi⸗ 
gung fo verblendend geſchildert und Refius felbft — obgleich er 
noch wenige Tage zuvor feinem Bürften mit alberner Prahlevei 
verfichert hatte, die Feſtung nicht cher gu übergeben, bis ihm 


das Taſchentuch in der Taſche brennen würde —, durch bie 
Autorität feines Dienftranges und durch rauhe Worte derge- 
ftalt jeden Widerfpruch zuruͤckgeſcheucht zu haben: daß 13 heſ⸗ 
fifhe Offiziere Dann für Mann, uneingeden? der Kriegerehre 
und Gehorfamspflicht, gegen die beftimmteften Befehle ihres 
Fuͤrſten, einen Befchluß unterzeichneten, wornach, um die Gar⸗ 
nifon vor Gefangenfchaft zu bewahren, Schloß und Yeftung 
alsbald geraumt werden follten. Es erfcheint Dieſes aber um 
fo unbegreifliher, als ſich unter jenen Offizieren Männer wie 
Dberft Lenz befanden, der ſich bis dahin noch überall durch 
feinen glänzenden Muth ausgezeichnet hatte, und dem drei 
rühmliche, im Weltzuge von 193 erhaltene Wunden Baum ver: 
narbt waren; desgleichen Oberftlieutenant von der Malsburg, 
ein nicht minder verdienter Krieger, fowie denn MR Reſius 
im Siebenjaͤhrigen und amerikaniſchen Kriege ſich vielfach her⸗ 
vorgethan und Rang und Adel ſeinem Verdienſte zu danken 
hatte.*) Die vielfach bis zum Tumultuarifchen fich ſteigernde 
Haft und Übereilung ber Ausführung jenes Beſchluſſes ſchaͤn⸗ 
deten ihn noch vollends aufs Außerfte. 

Indeflen fehlte Wenig, daß der Bürgermuth der Bewoh⸗ 
ner von St.Goar noch im legten Augenblidde der ganzen Sach⸗ 
lage eine andere Wendung gegeben hätte, indem eine Abthei⸗ 
lung Bürgerihügen beabfichtigte, Reſius im Augenblick feiner 
Einſchiffung in Verhaft zu.nehmen, aber leider ebenfo daran 
verhindert wurde, wie ein Schläcdhter, der fi) vorgenommen 
hatte, dDiefen VBerrätber an Ehre und Zreue mit feinem Schlach⸗ 
terbeile niederzuſchlagen. So wurden denn jene Wälle und 
Mauern ſchmachvoll verlaffen, die 102 Jahre früher Goͤrz 
von Schli& fo ruhmreich vertheidigt hatte. 

Dagegen zauderte feltfamerweife der Feind ebenfo fehr, 
Rheinfels in Befig zu nehmen, als Refius ſich übereilt hatte, 
e6 zu verlafien; denn erft als wiederholte Deputationen der 
um Schonung flehenden Bürgerfchaft von &t.:&oar, ſowie forg: 
fältige Kundfchaftung und felbft Stellung von Beißeln den Ge: 
neral Vincent volftändig überzeugten, daß er Nichts weniger 
ats Liftige Berlodung in einen Hinterhalt zu befürchten habe, 
ließ er Mittags zwifchen Il und 12 Uhr eine Abtheilung feiner 
Truppen in bie verödete Feſte einrüdten, während gleichzeitig ein 
vom Landgrafen von Heflen abgefendeter Eilbote auf der Kag 
eintraf, um das Herannahen eined Entfagheers zu verkünden. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Notiz aus Frankreich. 


Berriffene Romane. 

Die Art des Romans, in denen die Berrifienheit, die 
Blofirtheit und das „‚europamüde” Gefühl der eigenen Dhn- 
macht den eigentliden Grundton ausſsmacht, glauben wir in 
Deutichland glüdlich überwunden zu haben. Nur da wo die 
für Deutfchland noch ziemlich neuen Grundfage des Commu⸗ 
nismus ſich breit machen, zeigt fi ein Anklang an jenes frü⸗ 
here Genre, für welches jeder wahrhaft literarifch Gebildete 
längft ſchon gruͤndlichen Ekel empfindet. In Frankreich find 
diefe blafirten Geftalten in der Romanwelt nicht neu, ja die 
Schildfnappen unfers längft in Gott entfchlafenen Jungen 
Deutſchlands waren meift nur bei den renommirteften franzöfi- 
fen Romandichtern in die Schule gegangen. Dagegen hatten 


*, Einer unverbürgten Sage nah fol Oberftlieutenant v. Verna 
ed eingeleitet haben, dag Oberſt Lenz, Oberfllieutenant von ber 
Malsburg und Andere durch allerlei Kunftgriffe vor bem Beginner 
des Kriegsrathes in völlig trunkenen Zuſtand verfegt worden as 
zen. Dberft Lenz war übrigens au durch feine tyranniſche Dienſt⸗ 
Rrenge und fein laäſterliches Bramarbafiren allgemein befannt. Go 
z. B. pflegte er häufig zu dußern: „Bor Allem die Kerls (Solda⸗ 
ten) gehauen wie die Hunde: und waͤre der liebe Herrgott darunter 
und hätte einen grünen Rod an, ee bekäme feine Riffe wie bie 
Undern.” General Refius dagegen war zur Beit bereitö hochbetagt, 
ein Thjähriger an Geiſt und Körper fiecher Greis. 


bie vor Kovrlliken immer ned den Borzuy 
einer gefälligen Darftellung und einer äußern Form, weiqhe 
felbft folchen Productionen, deren innerer Kern eigentlich faul 
und haltlos war, doch immer noch wenigftens einige Intereffe 
zu gewähren pflegte. Se weniger ſich aber ſolche Dichter, de 
ven Leiftungen auf ben Kigel der rohen enge berechnet find, 
dem @indringen rein communiftifcger Tendenzen widerfegen, ie 
mehr der literarifche Sansculottismus überhand nimmt, deſto 
ewifler geht auch den franzoͤſiſchen Schriftftellern Das, mas 
e bis jegt voraus hatten, verloren. Beklagenswerth iſt e, 
daß fich felbft Schriftfieller von bedeutendem Talent zu Ber: 
irrungen dieſer Art verleiten lafien. Wir baben bis jegt den 
Entwidelungsgang von Emil Souveftre mit Vergnügen ver 
folgt. Was uns an ihm befonders gefiel, war die Auffaflung 
und die Mäßigung, welche und aus feinen Dichtungen wohlthuend 
anfprachen. In einigen feiner Romane, beſonders in denen, m 
er fih in dem bunten Leben feiner Geburtögegend, der Bre 
tagne, bewegte, leiftete er wirklich Bedeutendes; und ber Fleij 
feiner Studien ſchien und als Buͤrgſchaft dafür zu dienen, dej 
man feine literarifche Thaͤtigkeit noch nicht als abgeſchloſſen zu 
betrachten habe. Run hat fi) auch diefer begabte Schriftfteler 
verlockt durch den trügerifchen Erfolg Sue's, vom allgemein 
Wirbel erfafien und auf das fchlüpferige Gebiet des ſocialen 
Romans hinüberziehen laflen. Sein „Les reprouves et is 
sus’ ift zwar nicht geradezu mit den thörigten Ausbrigen 
einer ohnmächtigen Anklage gegen alle gegenwartigen Berhil: 
nifie, wie fie und bier und da in widerlicher Geftalt entgegen 
treten, zufammenzumerfen, aber die Eonception felber, jem: 
die Ausführung, ftreift denn Doch offenbar an das Communi 
ſtiſche. Es ift um fo befremdlicher, als eigentlich Souveftre fd 
im Ganzen bisher mehr ald andere Tagesfchriftfteller frei z 
erhalten verftanden hat von den Anſteckungsſtoffen der Gr 
genwart. Den eigentlihen Grundgedanken zu feiner Dihtu 
bat der Verf. aus einer alten bretonifhen Sage entiehnt, it 
welcher Chriſtus vorgeftellt wird, wie er die Seelen sihtt, 
weldye von einem Engel ihm zugeführt werden. Es kann nz 
türlich nicht fehlen, daß dieſes Gericht oft mit dem Urtheil 
der Welt im ſchroffen Gegenſatz fteht. Soweit ift die Idet 
ganz chriftlich: falſch aber iſt es, wenn man hieraus eine Komm 
machen und die Behauptung aufftellen will, dag die Re: 
nung der Menfchen immer falfch und getrübt ſei; veruflih 
aber noch mehr, wenn man an eine foldye Theorie ſich nu 
anflammert, um fi) zum Veraͤchter der ganzen buͤrgetlichta 
Drdnung zu machen. Die Gefelfchaft ift noch nicht unmen 
lifch und dem Untergange geweiht, weil nicht alle Verhältriſt 
innerhalb derfelben ihre vollftändige Entfaltung finden und je 
Perſoͤnlichkeit in ihrem wahrem Lichte erfcheinen kann. Di 
der Berf. die Sache Hinftelit, fo wären alle Beziehungen N 
Sitte und Convention Lug und Zrug, überall nur Berner‘ 
heit und Moder. Hieraus ſcheint er nun zu folgern, I} 4 
dem Individuum nicht verargt werden kann, wenn es ſich W 
fem drüdenden Ioche entzieht und wenn es ſich auf feine eigen 
Fauft zu entwideln fucht. Es liegt auf der Hand, mia 
ſolche jocialiftifchen Phantaftereien, von denen wir anna 
wollen daß fie gut gemeint find, die aber nichtödeftomenig‘ 
jedes tiefern fittlihen Haltes ermangeln, nothwendigerwer 
führen müflen. Noch zerfahrener und fafcliger ift ein Remik 
in dem, wie wir wol vermuthen müflen, die Verfchrebeait 
der gegenwärtigen Berhältnifie gefehildert werden fol. Gr füht 
den Zitel „La vie de l’homme’' und bat einen und unbelem 
ten Autor Ramens Emanuel de Lerne zum Verfaſſer. Pi 
bat fi innere Impotenz mit äußerer Geſchmackloſigkeit gepatt 
Es wird uns bier das unerquidliche Leben völlig blaheter und 
in ihrem ganzen Keime abgefchwächter Wefen vorgeführt. RL 
gend zeigt fih eine Regung wahrer Sitilichkeit, dabel abe 
auch nirgend eine Ahnung eines äfthetiihen Gefühle. Bi 
noch das Beſte bei diefem Werke fein dürfte, ift, daß ſchon de 
Iotterige, widerliche Form worin e8 geboten wird von der 
Lecture abfchredt. lı. 


Berantwortliher Deraußgeber : Heinurich Brockdans. — Drud und Berlag von FJ. E. Wrodhans in Leipzig. 


Blätter 


literariſche 


fir 


Unterhaltung. 





Kr. 





Erfter Artikel. 
(Jortſetung aus Nr. ME.) 

Nimmt mar aud) den Begriff von Zinfen ganz rich ⸗ 
tig fo weit, daß darunter aller Gewinn und Vortheil ein⸗ 
begriffen wird, der für die Benusung eines Darlehns 
ausbedungen und bewilligt werden ift: fo kann bach von 
Zinfen überhaupt nur die Rede fein, wo Darlehne gege- 
ben werden, nicht wo Tauſch- oder Verkaufhandel ge- 
trieben wird. Ein großer, ja ber überwiegende Theil der 
Bantgefchäfte ift von⸗ der legten Art. Gewiß werben 
Bantgefhäfte als ein Gewerbe überhaupt nur um des 
Gewinnes willen betrieben, welcher dabei zu machen 
af, aber dieſer ergibt. fi nicht bios aus der Differenz 
Der Zinfen bei den genommenen und gegebenen Darleh⸗ 
zen, ſelbſt nicht bei den Zettelbanten, wenn man fi 
auch auf diefe allein befchränten will, wie es in biefer 
Schrift gefchieht. Denn we Noten für baares Geld er- 
kauft eder für Barren eingetaufcht werben, kommt gar 
kein Darlehn vor, indem das bloße Verfprechen der Zahlung 

einer Gudſumme noch kein Darlehn iſt. Ganz richtig 
beſchreibt der Verf. bie Banknoten als Anmweifungen auf 
fi ſelbſt, wobei nur noch das Merkmal fehle: „an jeden 
Inhaber ober Vorzeiger“, was babei weſentlich iſt, 
und deſſen Auslaffung zu Irrthümern in der Beurthei⸗ 
lung der Zettelausgebimg führen muß; denn es folgt 
hieraus, daß die Perſon des Empfängers und Inhabers 
ganı gleichgültig ift .und daß die Bank weder wiffen 

‚, von wem ihre die Noten vorgezeigt werden, noch 
zu welcher Zeit Dies geſchehen fol, daß fie mithin zu 
jedet Zeit darauf gefaßt fein muß. Dasjenige, was folg- 
lich den eigentlichen Werth der Noten und ihren Inhalt 
ausmacht und bedingt, ift die Zuverficht, die verfchriebene 
Summe barauf bei Vorzeigung zu erhalten: fie find folg- 
ih ebenſo viele Befcheinigungen über ben Eredit, welchen 
die Bank desfalls genieht, ſodaß ſich Alles darum dreht, 


daß diefer Credit ein ganz folider fei und Niemand da⸗ 


duch gefährdet werben könne. Diefer, Credit iſt das ei⸗ 
gentlihe Capital ber Banken; alles Übrige, ihr Fonds, 
ſhee Unterpfänber, ihre Baarſchaft, find nur Mittel zur 
Hervorbringung und Erhaltung des Credits, aber nicht 
der Gredit ſelbſt. Dies fieht man recht deutlich bei den 
einzelnen Banquiers, deren Wechſel angenommen und 


verwerthet werden, ohne zu unterfuchen: welche Mittel 
dazu vorhanden find? weil bie Überzeugung von der kauf⸗ 
männifchen Geſchicklichkeit des Wusftellers, ſich damit zur 
Verfallzeit zu verfehen, keinem Zweifel Raum gibt, fon- 
bern am bie Stelle des materiellen Werthvorraths tritt, 
Mithin iſt es unrichtig, zu fagen, daß Gelder in Metall⸗ 
müngen oder in gemünzten Papieren nur Anwelfungen 
auf ein Kapital, nicht felbft Capital wären, indem biefes 
allein duch Production und durch beren Veredelung ent- 
fiehe. Diefer Sag ſtammt aus einer Schule der Na⸗ 
tionalwirthſchaft, deren Unzulänglichkeit und Dürftigkeit 
ſchon fo fehr ins Licht geftellt if, daß man fich ver 
wundert, nochmals daran erinnert zu merden. Aber 
aud jene Erklärung von Capital, daß es eine Erſparniß 
aus dem zum Berbraude nöthigen Vorräthen fei und 
alfo nur durch einen Überſchuß bes gefammten Werth 
vorraths über den Verbrauchsbedarf entfiche, haͤlt nicht 
Stich. Died muß ſogleich einleuchten, wenn man nur 
die Frage aufwirft: mas denn unter bem Bedarfe ver 
fanden und gemeint fei, namentlich für welche Zeit. 
dauer? In alle Ewigkeit hinaus, ja felbft nur für ge- 
vaume Zeit, kann Dies nicht gelten, meil damit alles Ca⸗ 
pital ein Unding werben würde, indem Fein Vorrath da- 
zu ausreichen könnte, Dies zu decken. Alle unfere Zeit 
eintheilungen und Zeitabfchnitte liefern keine Maßbeſtim⸗ 
mung für die Nationalwirthſchaftslehre, fondern find im 
diefer als bloße beliebige Einrichtungen zu behandeln. 
Mithin kann in diefer das Verhaͤltniß zwiſchen Vorrath 
und Bedarf nicht nach Zeitabſchnitten regulirt werben, 
ſondern wird durch jede Veränderung in dem einen oder 
dem andern Verhaͤltnißgliede beſtimmt und abgeſchloſſen. 
Wer einen Thaler befigt, diefen aber verbrauchen muß, 
bevor er eine andere Einnahme bat, befigt fein Capital, 
wol aber Der, welcher bis dahin den Bedarf ſchon im 
denjenigen Gegenftänden vorräthig hat die ihn befriedi- 
gen. Mithin beſteht das Gapital zu jeder Zeit in dem⸗ 
jenigen UÜberfchuffe der Mittel zur Befchaffung des Be- 
darfs, welcher, bevor er oder indem er für diefen ange- 
griffen und verbraucht werden darf und muß, ſchan wie 
der erjegt und erneuert wird. Mit Bedacht ift bier Nichts 
von Morräthen erwähnt, womit fi) der Gedanke an An⸗ 
fammlung und blos förperliches Befigthum verbindet, 
was ganz falſch wäre; denn jede Nation. befigt ihre groͤß⸗ 
ten und ergiebigiien Capitale als ein Geſchenk bes alp 





% 
6° vr 


gütigen Schöpfers, nämlid ihre Törperlichen und geifti- 
gen Kräfte und ihren Grund und Boden mit feiner na- 
türlihen Erzeugungsfraft, welche durch die Verbindung 
mit der menfhlichen Arbeit des Leibes und des Geiſtes 
zu erhöhter Tätigkeit noch angeregt werden Tann. Aller- 
dings kann dies Arbeitscapital durd Ubung und Aus- 
bildung noch um Vieles vermehrt werden, fodaß die er- 
worbenen Fertigkeiten, Kenntniffe und Geſchicklichkeiten ei⸗ 
nen überaus fchägbaren Vorrath von Gütern ausmachen, 
welcher in Sabrhunderten aufgefammelt worden iſt. 

Hierdurch ſchon wird man darauf geführt, daß es die 
Rationalwirehfchaft nicht blos mit materiellen Gütern zu 
thun hat, fondern daß in ihren Bereich auch bie phyſi⸗ 
fen und die geiftigen Kräfte gehören, jedoch nur info» 
weit als diefelben auf Gewerbthätigkeit gerichtet find und 
durch ihre Wirkung ſchaͤtzbare oder materielle Güter her- 
vorgebracht und erworben werden, die bem Eigenthums⸗ 
rechte angehören; wohingegen alle ihre auf Rein-Geiftiges, 
Unfchägbare® und zum Gemeingute der Menfchheit oder 
des menfchlichen Geiſtes Gehöriges gerichteten Anftrengun- 
gen und Erzeugniffe ganz außer dem Gebiete der Natio- 
nafwirthfchaft liegen. Eins der wichtigften geiftigen Gü⸗ 
ter und Kräfte, welche zur SHervorbringung fchäpbarer 
Sachen und infonderheit von Gapitalien wirkſam find, 
ift nun der Credit. Bevor Dies jedoch weiter verfolgt 
wird, muß auch noch darauf aufmerkſam gemacht werden, 
dag in der obigen Begriffsbeflimmung des Capitals auch 
fire deffen Größe gar fein Maß abfichtlicd angegeben wor- 
den ift: Capital. ift ein jeder Grofchen, ein jedes Lamm 
oder Holafcheit, das nicht zum Verbrauche erfoderlich ift. 
Hieraus wird fogleich Mar, daß jedes Stud Gelb ein 
Pleines Capital ift und daß alles vorräthige Geld zum 
Capitalvermögen gehört, denn bas Gelb als ſolches ift 
unverzehrbar ; es kann allerdings nur durch feine Ver⸗ 
äußerung zunächft gebraucht werden, aber es mwechfelt hier⸗ 
mit nur feinen Befiger, ohne fih und feine Natur im 
mindeften zu verändern. Allein es ift eben nicht noth- 
wendig, daß es blos auf ben Conſumo verwendet werde, 
Indem das dafür Angefchaffte aufgezehrt wird: fondern es 
Tann auch dazu angelegt werden, entweder um durch 
die Hinterlegung, ja fogar durch den bloßen Beſitz und 
Eigenthum, ſich Credit zu verfchaffen, oder auch um da- 
mit Dinge hervorzubringen, die noch nicht vorhanden find 
und dur ihren Werth den Werthvorrath vermehren, 
3. B. Eifenbahnen, Kanäle, Schiffe, Gebäude u. f. w., 
mit einem Worte, welche zum ftehenden und nicht zum 
umlaufenden Vermögen gehören. 

Es ift folglich nicht andem, wenn behauptet wirb 
(Re. 3, S. 10): „daß nur gekauft werde, um ſchließlich 
zu verbrauchen”, fondern es ift nur das Umgekehrte zu- 
zugeben: daß, was der Verbrauch erheifcht, foweit es 
nicht ſchon vorräthig ift, erfauft, eingetaufcht werden muß, 
und dag das Geld zum Einkaufen unentbehrlich und 
beim Taufchhandel zur Vermittelung audy nicht entbehr- 
lich if; denn weil das Geld nach richtiger Bezeichnung 
(Nr. 2, ©. 4) der allgemeine Stellvertreter aller Werths⸗ 


beflimmung und alter Werthsvergeltung ift, fo liegt in 


ihm die Macht, dafür Alles ſich zu verfehaffen und fid 


defien zu bemächtigen, was dafür feil if, was gegen 
Entgeld mweggegeben oder in das Eigenthum übertragen 
wird, aud die Berechtigung auf Dienftleiftungen und 
übernommene Verpflichtungen oder auf Die Eingehunz 
oder Erhaltung gewünfchter Verhaͤltniſſe, weshalb es denn 
ganz natürlich zugegangen iſt: „daß das Geld, weldes 
urfprünglich beftimmt war, der Diener des Verkehrs zu 
fein, der Beherrfcher beffelben und damit zugleich ber 
Böse der Bölker und der Fürften geworben ft, den der 
größte Theil der Menfchen anbetet.” Jeder Capitalbefis 
verfhafft dad Bermögen ber beftebigen Verwendung bef- 
felben, mithin aud) der Erwerbung Deffen, mas dafür zu 
erhandeln ifl. In dem Mafe das Capital alfo von der 
Art ift, für Andere einen Werth, zu haben und ihr 
Begehren darnach zu befriedigen, wird jenes WBermögen 
gefteigert und erreicht feine größte Ausdehnung in einem 
folhen Eapitale, welches das Vermögen verfchafft, dafür 
alles zu Zeilfchende einzutaufchen; zumal die Sinnlichkeit, 
Eitelkeit und Habfucht der Menſchen gar Bieles feil ge- 
ftellt hat und immer noch feil bietet, was um keinen 
Preis feil fein follte und deffen Aufopferung die Menfd- 
heit fhändel. Die Sprache drüdt diefe Wirkung dei 
Sapitalbefiges fehr treffend aus, indem fie als gleichbe 
deutend damit fagt: Vermögen haben. Wenn nun je 
des Vermögen eine Macht verfchafft, durch deffen An- 
wendung zu bemirken, wozu es angethan ift; das Geld— 
vermögen aber befähigt, davon nach den Umftänden be 


liebigen Gebrauch und Andere fogar von ſich abhängig 
zu machen: fo nennt man folgerecht einen reichen Men: 


[hen einen Vielvermögenden und huldigt der Gewalt dei 
Geldes ale einer großen Macht. Jede Macht enthält 
eine Ermächtigung zu ihrer rechtmäßigen Benugung und 
aus deren Anerkennung fließt die Ehre. Wieviel groͤßer 
muß diefe Macht werden, wenn es nicht zu verhindern 
fteht, daß außer dem Gebrauche auch nod der Mik 
brauch feine Gewalt übt! 
(Die Fortſetzung folgt.) 


Das Schloß und die Feftung Rheinfels. in Beitrag 
zur rheiniſchen Gefchichte von Alexander Grebel 
(Beſchlus aus Nr. 246.) 

Hat man es tief zu beklagen, daß in Deutfchland zwar 
oft genug die blühende Jugend wegen eines unbedadhten, a 
Jugendhige geſprochenen Wortes, oder wegen rafcher, in über 
fprudelnder Jugendkraft kaum verſuchter That, erbarmungslst 
hinter Kerbermauern verweilen mußte, dagegen aber fait fein 
Beifpiel vorhanden ift, daß die Häupter Solcher in den Band 
gerollt feien, welche ſchmachvoll, feig oder verrätherifch eine ihnen 
zur Bertheibigung anvertraute Feſte dem Zeinde überlieferten: 
mödte es Beine müßige, wenn auch freilid an diefer Stelle 
nicht zu erörternde Frage fein, warum trog ber hierfür in al: 
Ien Kriegsgeſezen oft mit wahrhaft rhetorifhem Prunke deb 
Schreckhaften ausgefprochenen Strafe doch faft ſtets gerade nur 
folhe Verbrechen an Ehre und Treue keine Ahndung ihres 
Fehls zu erbulden hatten, ja fogar nicht felten völliger Ber: 
gebung theilbaftig wurden: fo mag e8 doppelt gepriefen wer: 
den, daß Landgraf Wilhelm IX. mit heſſiſchem Wännerfinne 
die der Ehre des heffiſchen Ramens zugefügte Schmach an den 
Schuldigen in einer Weife ftrafte, fie rachte und fühnte, welche 





dem Slitze zu vergleichen ift, der anf einen morſchen, im Kern 
verderbten Baum niedergefahren, ihn von Wipfel bis zur Bur⸗ 
jel zerfchmettert. Saͤmmtliche Dffiziere, Die jenen Kriegsrathe: 
beichluß unterzeichnet hatten, wurden naͤmlich alabald verhaftet 
und bereit am 18. Dec. dur ein zu Biegenhain nichergefe 
tes Kriegsgericht General von Refius zur Enthauptung, Ober 
Benz zum Arquebufiren, Oberftlieutenant von Berna zur ſchimpf⸗ 
lichen Gaffation, Oberfllieutenant von der Malsburg und Ma: 
jor Klingender gut Dienftentfegung, die übrigen Iheilnehmer 
aber zu 12 — kömonatlidher Beftungshaft verurtheilt, welches 
Urtheil indeffen bezüglich des Reſius auf den Tod durch bie 
Kugel, bezüglich des Dberſt Lenz aber auf löjährige Zeitungs: 
haft gemildert wurde. eine Vollziehung fand am 6. Ian. 1795 
in folgender, wol die legte Übung der alten deutſchen Kriegs: 
gerichtsgebräuche in ſich faflender Weife ftatt, welche näher 
kennen au lernen unfern Lefern vieleicht nicht unintereilant fein 
möchte. Rachdem naͤmlich in dem großen Saale des Schloſſes 
zu Ziegenhain den Verurtheilten (jämmtlid) in großer Uniform, 
aber ohne Degen) das Urtheil befunnt gemagt werden war, 
ward General Refius unter Bededung auf den Davor belegenen 
Yaradeplag geführt. Hier hatten, von einer zahlreichen Volks⸗ 
menge umgeben, Abtheilungen des Regiments Garde, der De: 
potbataillone, des Landregiments Ziegenhain und das bortige 
Bürgerihügencorps ein Biere gebildet, deſſen eine Seite of 
fen gelafien war und wo man einen Sandhaufen, ein zu einer 
Erecution bereitfertiges Detafchement und den Henker und fei- 
nen Gehülfen erblidte. General Nefius ward jenem Executions⸗ 
commando gegenüber aufgeftellt, worauf der Dberauditeur Lenep 
in die Mitte des Vierecks trat und, nachdem die Tamboure 
einen Wirbel gefchlagen und die Truppen das Gewehr, jedoch 
verkehrt (den Kolben nad) oben), präfentirt hatten, das Urtheil 
über ihn nochmals laut verkündete, aber binzufügend: „daß 
Sr. Hochfürſil. Durchlaucht der Zandgraf fih bewogen gefun⸗ 
den habe, daffelbe noch weiter zu mildern und in fchimpfliche 
Caſſation, Ehrloemahung und lebenslängliche ftrenge Kerker⸗ 
baft auf der Bergfeſite Spangenberg zu verwandeln. Dort 
möge er fein Berbredien büßen und feine Schande verbergen, 
die in der heſſiſchen Kriegergefchichte bisher ohne Beifpiel ge 
wein und gewiß auch ohne Nachfolge bleiben werde, denn 
fiherli werde niemals wieder einer von Heſſens Kriegern 
fd fo weit vergeffen, feigherzig und treulos, wie Diefer da, 
zu handeln.” Nachdem hierauf die Zruppen das Gewehr, je⸗ 
doch immer noch verkehrt, wieder auf die Schulter genommen 
(aud die Fihne des Landregiments ward verbehrt, bie Spitze 
nad) unten, getragen) und die Tamboure einen kurzen Wirbel 
geſchlagen hatten, nahm der Gamifonsprofoß dem General 
Refius Orden, Schärpe und Ringkragen ab und übergab feinen 
Degen dem Henker, werauf der DOberauditeur ſich zu dieſem 
wandte und ihm befahl, zu thun was feines Amtes ſei. Wäh- 
tend nun die Zamboure und Pfeifer den fogenannten Spieß⸗ 
ruthenmarſch aufipielten, zerbrach der Henker den Degen, warf 
Rus die Stüde vor die Füße, riß ihm die Auffchläge von 
der Uniform, fchlug fie iym mehrmals ins Untlig und gab ihm 
äulegt einen Zußtritt, worauf die Zruppen unter dem Schla⸗ 
gen des Srenadiermarfches Gewehr und Fahne wieder zur ge 
wöhnlichen Zragweife nahmen, Nefius aber von Steckenknech⸗ 
tem nad dem bereitftehenden Sagen geleitet und nad) Span⸗ 
genberg abgeführt wurde. Bon Tag zu Zag immer mehr in 
fihtbarern Stumpffinn verfintend, hatte Refius, obgleich blaß 
und zitternd, doch Dem Anſcheine nach geiftig zicmlich unempfind: 
lich die ſchreckbare Eeremonie erduldet; aud beſchloß Derfelbe 
ſchon am 19. März 1798, SO Zahre alt, zu Spangenberg fein 
leben. In den legten Jahren völlig blötfinnig geworden, ward 
feine anfänglich harte Haft allmälig fehr gemildert; doch war 
er nicht zu beivegen, feinen Kerker zu verlaflen, denn in jam⸗ 
mernoller Zobesfurcht verzagend, ward er Tag und Nacht von ber 
fren Idee gepeinigt, ev würde doch noch hingerichtet werden.) 





*, Mit einer geborenen von Todtenwarih verehelicht, hinterließ 
Kind einen Sohn, der als doͤchſt verdienſtvoller Dffizier in ber 


Auch Sberſt. Berg erhielt: Schon mach Zahıusftik Segnadigt 
und trat in preußifche Dienfle. General von Lempe, bezügli 
weiches das Kriegsgericht ſich das Urtheil vorbehalten hatte, 
erhielt feine Snttajlung. - 

Aber au die Gefammtheit jener Zruppenabtheilungen, 
welche die Befagung von Rheinfels gebildet hatten, mußte ſchwer 
büßen, was ihre Zuhrer und fie felbft verfchuldet hatten; denn 
das Landregiment Rheinfels ward alsbald cafjırt, das Regiment 
von Hanftein für unwürdig erlärt, den Namen eines Chefs zu 
tragen und eine Grenadierſchar zu zählen, und endlich am 
15. Zuni 1795, nachdem es Trommeln und Bahnen hatte feiers 
lich in das Zeughaus zu Hanau abliefern müflen, zum ab» 
ſchreckenden Beifpiel völlig aufgelöft und in die übrigen Regi⸗ 
menter untergeftedt. Im 3. 1i02 zu 10 Compagnien errich⸗ 
tet, hatte diefes Regiment 92 Jahre lang ein rühmliches Da- 
jein gehabt, und in ben Feldzuͤgen des fpanifchen Succeſſions⸗ 
kriegs forwie des Siebenjährigen und amerikaniſchen Krieges 
vielfach mit Auszeichnung gefodhten. Drei feiner Chefs hatten 
an feiner Sig: ben Heldentod gefunden, nämlidy der Dber 
Wolf K. von Schenk in der Schlacht am Speierbache 3703, 
ber Oberjt Wilhelm Fe. von Wartensleben bei Eaftiglione 1706, 
und ber Oberſi Frietrih M. von Canig in der Schlacht bei 
Sandershaufen 1199. Wol mag daher gefragt werden: ob 
eine fo rühmliche Vergangenheit einem Tage der Schwäche ges 
enüber für Nichts zu zählen war? Uber che man jenes Ber: 
Phren ungeredter irrt zeiht, werde nicht minder erwogen, 
daß wie es Wunden des Leibes gibt, welche ein nie zu heilendes 
Siechthum nach fi ziehen, ed auch foldye Wunden der Ehre 
gebe. ine ſolche Wunde der (Ehre aber hatte jene Heerſchar 
ſich ſelbſt geſchlagen, weil auch nicht Einer, nicht ein @inziger 
dem Gebote der Schmach widerftrebte, und darum konnte fie 
ferner nicht mehr einen Beftandtheil des hefiiihen Heers bil⸗ 
den. Daß fie alfo mitleid6los von der Heeresliſte gefteichen 
ward, befähigt aber auch außerdem heute noch die Enkel, felbft 
diefe ihre fchmerzbaftefte Wundnarbe in der Gefchichte ihres 
Volksſtammes nit angfthaft, ſchamvoll verbergen zu müffen. 
Mit eines fehwergeprüften Mannes ganzem Stolze darf viel 
mehr der Heffe vor Allem ausrufen: „Wären alle geweſen 
wie wir, bätten Alle geftritten wie wir, Ale ihre entarteten 
und fchwachen Söhne gezüchtigt wie wir, wahrlich, trog aller 
unjerer Mängel, aller unferer Fehler und aller unferer Ges 
brechen, wäre Vieles ander gelommen, vor Allem die deutfche 
Ehre treuer bewahrt worden.” * 

Aber das fo ſchmachvoll Verlorene follte freilich niemals 
für Heſſen wiedergewonnen werden; denn Rheinfels, bereits 
1795 im Geparatfrieden zu Bafel förmlih an Frankreich 
abgetreten, ward 1315 den neugebildeten preußifchen Rhein» 
fanden einverleibt. Jene ſtarken Wälle, jene ftolzen Pa» 
laſteszinnen, über ein Jahrhundert lang ein Sankapfel des 
heſſen⸗ kaſſelſchen und heſſen⸗ rothenburgiſchen Fürſtengeſchlechts, 
eine Maalſtätte des heſſiſchen Ruhms unter Goͤrz, wie ein 
Solgatha feiner Ehre unter Refius, waren jedoch längft ſchon 
zu jenem Zrümmerbhaufen zufammengebroden, der auch heute 


leiten Infanterie diente und dem es landesherrlich geftattet wurde, 
ftatt des entehrten vÄäterlihen Namens fir bie Folge den mütter: 
lien zu führen. Gr flarb als Oberfl, ohne Erben zu Binterlaffen, 
und es iſt daher eine völig irrthuͤmliche, obgleich fehr verbreitete 
Meinung, die Sprößlinge des Geſchlechts der von Todtenwarth für 
Kahkömmlinge des Refius zu halten. 

*) Sene Kataflrophe iſt au für und yerfönlih um fo ſchmerz⸗ 
licher, als jenes Regiment 28 Jahre lang (von 1766 — 89) einen 
unferer Großoheime, den Generallieutenant Wilhelm Maximilian 
von Ditfurtd, der einer ber verdienteften Krirger feiner Zeit gewe⸗ 
fen, zum Chef gehabt und mithin 23 Jahre Iang mit Ehren unfern 
Namen getragen hatte. Auch mag es niht ohne Würdigung biels 
ben, daß bie Befagung von Rheinfels, mitten aus den Gewohnhei⸗ 
ten des Friedens und abgefhwäht durch das todte Gineriei eined 
firengen Sarnifundienftes, ſich plöglih dem Ernſte des Krieged ges 
genuͤbergeſtellt fand. 





| , traurig : fon das Fuge des Pligers um Rheine ent: 
Mae dern fon im 3. 1797 hatte bo Directsrium ihre Zer⸗ 
Örung verfügt. Um fo erfeeulicher ift Die Kunde des Werf., 
daß ein preußifcher Prinz den alten Glanz phönirgleih neu 
zu verjüngen beabfichtige. 

Somit feheiden wir von einen Werkchen, dad uns in viel 
father Beziebung als ſehr intereffant erfhien, und von dem 
fir nur bedauern, daß es von einer großen Menge finnent- 

ellender Drudfehler verunftaltet wird. Sein bauptiächlichftes 

erdienft erkennen wir aber darin, daß ed mit rüdfichtälofer 
WBahrheitötreue die traurigen Folgen politifcher Bruderzwiſte 
und des Mangels wahrer nationaler Einheit und alles nationalen 
Bewußtſeins gleihfam in einer Reihe von Schattenbildern vor 
Augen fell. Diefe Mahnung recht oft und recht fcharf Her: 
vortreten zu ſehen, muß aber auch heute noch jeder vaterland: 
kiebende Deutſche um fo mehr von ganzem Herzen wünfden: 
ats nun erft 15 Jahre verfloffen find, feit die Mehrzahl jener 
Bollſchranken fiel, welche in einem fo feltfamen Eontrafte mit dem 
Begriffe deutſcher Einheit ſtanden; als vor noch Fürzerer Zeit 
das beutfche Bundesgebiet nambafte &chmäleruing erlitt und 
fogar der vielgepriefene Sang vom „freien deutfchen Rhein” 
bei einer That erfholl, die den Hohn nur um fo bitterer er: 
feinen Tieß; und weil, von fo vielem andern Betrübenden zu 
ſchweigen, auch beute noch an ben Ufern der Eider ein Eraf- 
tiges deutſches Bolksbewußtſein in einen fchweren Kampf fidh 
verwwidelt findet. 

Se mehr Ref. auch in feiner Sphäre einem gleichen Ziele 
wie der Verf nachgeſtrebt hat und namentlich den Verfuch zu 
wagen beabfichtigt, in einer Gefchichte der Heſſen in den Feld⸗ 
gügen von 1792— 94, in den Eampagnen am Main und Rhein, 
die allgemeinen deutſchen Zuftände jener Zeitperiode in dem 
Beifpiele der fpeciellen heſſiſchen Zuſtaͤnde fchärfer und anſchau⸗ 
licher vor Augen zu ftelen: um fo leichter kann es ihm frei 
ich auch begegnet fein, in verliegendem Referate die Grenzen 
des Buläffigen überfchritten zu haben. Indefien Hofft er, daß 
die dabei bethätigte heiße Liebe zum großen, einigen, deutfchen 
Baterlande ihm bei freundlichen und gleichgefinnten Leſern eini- 
germaßen zur Entſchuldigung gereichen werde. 

IR. von Ditfurth. 


Bibliographie. 
Auerbach, B., Schwarzwälder Dorfgefhichten. Ite Auf: 
Mannheim, Baflermann. Gr. 16. 1 Thlr. 
Buftide, 2, Des Fürften Talleyrands politifches und re» 
Tiglöfes Leben. Ifter Theil. Quedlinburg, Ernſt. 92. 20 Nor. 

Beiträge zur Geschichte und Literatur, vorzüglich aus 
den Archiven und Bibliotheken des Kantons Aargau. Her- 
ausgegeben von H. Kurz und P. Weissenbach Tster Band. 
Ites Heft. Aarau, Sauerläuder. Gr. 8, 24 Ngr. 

Bülau, F., Zeitfragen aus dem Gebiete der Politik und 
Volkswirthſchaft. Erfte Auswahl gefammeiter Auflüge. Leip⸗ 
zig, Hinrichs. Br. 8. 1 Thlr. 10 Nor. 

Curtmann, W. J. G. Lehrbuch der Erziehung und des 
Unterrihts. Ein Handbud für Eltern, Lehrer und Geiſtliche. 
(öte Auflage des Schwarz: Eurtmannfhen Werkes.) Ifte Liefe- 
vung. Heidelberg, Winter. Gr. 8. 12 ar. 

Delbrück, F., Zum Gedächtnisse Karl Dietr. Hüll- 
mann’s. Berlin, Veit u. Comp. Gr. 8.. 2, Ngr. 

Eugenia. Leben und Briefe einer Waiſe. Geftorben in 
dem Alter von 23 Jahren. Iſtes Bändchen. Wien, Medhita- 
riften-Gongregationsbuchhandlung. 8. 8°, Nor. 

Falkſon, F., Giordano Bruno. Hamburg, Hoffmann 
und Campe. 8. 1 Thyhlr. 15 Nor. 

Gotthelf, 3., Uli, der Knecht. Ein Volksbuch. Bear: 
beitung dei Derfaflers für das deutfche Voll. Berlin, Sprin- 


ger. Nor. 
Graß, 8., Über die holändifchen Armenkolonien, aus 
Driginalquelen. Dorpat. 1845. Gr. 8. 22, Rar. 


lage. 


Daffe, H. &., Ebriß der meißnifch.alberkiniſch⸗ſachfi 
Kirchengeſchichte. ifte Hälfte: Bis zur Einführung ber 9 
mation. Leipzig, Engelmann. 8. 10 Nor. 

Herder, S. A. W. Freih. v., Bergmämrische Reise in 
Serbien in Auftrag der Fürstlich-Serbischen R ung au- 
gefährt im J. 1835. Pesth, Hartleben. 8. 21 Negr. 

Kahle, C. M., Die [pecufative Staatslehre oder Phile 
fopHie des Rechte. Berlin, Nicolai. 8. 1 Zhfe. MM Kor. 

Lilien. Taſchenbuch hiftorifäg:romantifcher Erzaͤhlungen fin 
1847, von C. v. Wachſsmann. lIUter Jahrgang. Mit 6 
2 Xhle. 10 Nor. 


2%: Sedicht. 
dr. Tr Nor. 

-Röth, B., Geschichte unserer abendländischen Phils- | 
sophie. Ister Band: Die ägyptische und zoroastrische Gia- 
benslehre als die ältesten Quellen unserer speculativen Ideen. | 
Mannheim, Bassermann. Gr. 8. 8 Thilr. 

Skhloffer, F. C., Gefhichte des 18. Jahrhunderts un 
des 19. bis zum Sturz des fransöfifehen Kaiferreihs. Mit br 
onderer Rüdficht auf geiftige Sitbung. Öter Band Mer Ma 
uflage Ster Band). Heidelberg, Mohr. Gr. 8. 3 Ihlt 

r. 

heaton, H., Histoire des progres du droit des ges 
en Europe et en Amerique depum la paix de Westphal 
jusqu'à nos jours. Avec une introduction sur les progrä 
du droit des gens en Kurope avant la paix de Westphalie. 
Jieme edition, revue, corrigee et augmentee par l’autenr. 
Deux volumes. Leipzig, Brockhaus. Gr. in-8. 4 Thir. 


TZagesliteratur. 


Albrecht, G., Predigt, gehalten bei der erften Stiftung: 
feier des Gumbinner Zweigvereins der evangelifihen Gufa:: 
Id yb Stiſtuns am 27. Mai 1846. Gumbinnen, Boenig 9. 

r. 


g | 
Deutfhe Auswanderung und Colonifation. Deraußgege | 
ben, bevorwortet und mit einigen Sufägen begleitet von 3. E. 
Wappäus. Leipzig, Hinrihe. Gr. 8. MU Rar. 
Die Bedeutung des Urcriftenthums und fein Berhätmis 
um Chriſtenthum der Gegenwart. Gin Beitrag zur religiöfen 
elbftverftandigung der Gegenwart. Mit einem Vorwort von 
2. Noad. Darmitadt, Leske. Gr. S. 12, Nor. 
Bittner, 3, Wir wiffen, an wen wir glauben. Pre 
digt über das Heilige Sakrament der Priefterweihe. Breklau, 
8. Aderholz. Gr. 8. 3 Nor. 
Geſſel, F., Reform der Kirche! en an Die 
evangelifche General:Synode in Berlin. Wolfenbüttel, Hok- 
Sr. 8. 3 Ngr. 
‚Hagen, ©. 2., Der Frauenverein im Großhergogthum 
grimar. Ein Verſuch ihn Purz zu bezeichnen. Jena, Luden. 
. gt. 





Die römifhe Hierarchie und die Revolution und der Yre 
ee und die Reformation. Darmfladt, Lesfe. Gr. X 

2 gr. 

Kromm, H., Was wollen und Fönnen wir für das Vehl 
des Volkes thun? Darmftadt, Papſt. Gr. 12. 5 Nur. 

Meunfel, J., Bas uns treiben müfle, das begonnm: 
Bert der Guftav-Adolph-Stiftung eifrig fortzufegen. Pretigt 
über Sat. VI, 9. Delitzſch, Eißner. Gr. 8. 2 Near. 

Schell, 8. J. Dffenes Sendfchreiben an Johannes Eyerifi 
als Antwort auf fein öcumenifches Sendfchreiben an alle deutſch 
Fatholifchen Gemeinden vom 19. Suni 1846. Leipzig, Ein 
horn's WVerlagserpedition. l Nor. 

Zholud, A., Geſpräche über die vornehmften Glaubens: 
fragen der Zeit, zunaͤchſt für nachdenfente Laien, welche Ver 
Rändigung fuchen. Aftes Heft. Halle, Mühlmann. Gr. °. 

gt. 


Berantwortlicher Heraußgeber: Heinrich WBrodpans. — Druck und Verlag von Y, E. Brockhans in Leipzig. 


Btatter 








literarifhe Unterhaltung. 
Louencm u u mr. 248, | 9. September 1846. 





Erler Urtitei. denn es wide bad Weſen des Geldes angreifen heißem, 

(Borstfegung aus Nr. E.) wenn feine Geltung als allgemeines Umjagmittel nicht 

Bermöge feiner ale Werthevergeitung bewirkenden unangetaſtet bliebe, das heißt, wenn es nicht allgeme 
Natur hat das Gerd noch eine Eigenfehaft, bie feine em | nach feiner Werthsbeſtimmung dafür gensmmen würde 
gene Geltung gar ſehr erhöht, indem «6 der Vermittier | Dierüber aber hat jede Regierung außerhalb ben Gren- 
des Umfages umd damit zugleich deſſen Wervichfältiger, | zen ihres Staats gar keine Gewalt; ſie würde alſo durch 
eudlich dur die Proſite bei allen Umfaten, weiche den | Einführung eines Geldes, das wicht feines innern Ge⸗ 
Verluſt auf der andern Seite überſteigen, eine neue 
Bude der Capitalszunahme wird. So lange ber Um⸗ 
vg ſich auf eimem anmittelfaren Austaufch der Bedürf- 
niſſe beſchraͤnkt, kaun er nur ein fehe geringer fein, weil 
die Menichen drarch den Raum vemeinanber getrennt und 
ie Bebürfniffe nicht aleichzeitig find. Die Bermitte- 
lung, einem Faden feinen Bedarf zuzuführen, in zur 
Auswahl und „u jeder Leit vorräthl ‚u halten und 
andeerſeits jedes Capital in ein ſolches umsufegen, wo⸗ 
mit der möglichft beliebige Gebrauch gemacht werden 
fan, hat dem Handel und bie Kaufmannfkhaft hervor⸗ 
gaufen. Das Wittel diefer Vermittelung iſt das Gelb, 
Ar die Serie bed Handels. Das Gebeihen und ber 


derwilfen, ſolches Geid nicht 115 Geltung ini Welthandel, 
fondern nur als Waare anzunehmen, bie ihren Rüdfiuß 
immer wieder in den ansgebenden Staat nehmen muß, 
unvermeiblish erwachfen. Selbſt im eigerien Lande iſt fie 
wicht Here über die Meinung der Gewerbtreibenden im 
Anſehung des Verhältniffes des Sach - und des Nominale 
werches deö Geldes; ihre Gewalt erſtreckt ſich überhaupt 
nicht über die Meinung,. gefchweige denn hier, wo das 
Anterefie eines Jeden im Spiele iſt. Wellte fie auch 
einen Zwangseurs im Lande einführen, fo Tönnte fie 
Bar des Handerf6 beruht atfo darauf, daß fe viel Gerd nicht verhindern, Bad Dasjenige was zu Folge der Des 
m Kane ſei, ale diefe Bermittelungen erfodern, nung die Mimge an Aufgeld verliert, um den ige beie 
reihen allen Benüge geleiſtet werden fell, jedoch nicht gelegten Nennwerth auszugleichen, auf ben Werth der 
Bleihaeitig, fontsern wie fir nach und nad, eintreten, fe» Waaren gelegt wird, mithin -biefe um fo viel vertheuest 
boh difelben Gelsfküike hintereinander in einem gereiffen | werben, und baf ber ganze Wbfag im dem Waße finde 
Beitramme ‚mehrmals dazu dienen Bönnen. Je Iehhafter | als die Annahme der Münzen nur darch Iwang tvınöp: 
fo der Verkchr iſt, je näher einander die Menfchen kiehe wird. Allerdingo muB das ‚eingeführte Geld ren 
bayı gebracht voerben und je weniger Hindernifſe und Iwangsturs haben, weil Riemaud im“ Banbe bie Un- 
Aufenihait fie zu überwinden haben, defte geringer famı | nahme ber allgemeinen, wem Staate eingeführten, (ie, 
bie Summe des baaren Geldes Teitt, deffen ein Band ber | fung vermeigern barf; aber biefer Zwaug wird ſogleich 
baf. In Preußen Ind z.B. mit Sinfchluß der Kaffen | Wngebührkich und win Verbtehen an ber NRaotionalwohi⸗ 
andeiſungen über 300 Billionen Thaler im Umlaufe, | fahrt, ſobald zer ber allgemeinen "Meinung Gawalt an 
m reichen England nur etwa 280 Milfionen Metaigeid thut und dirfer irgend Etwas aufwörhigen will was Abe 
(R. 3, ©. 33 und 44). 6 iſ Indeffen micht blo@ der | wiberfieht: Jede Umwahrheit,; jebe Zäuffung, jede Mer 
Handel, deſſen Umſchwung bes Geldes bedarf, fohbern hinderung des freien Verkches if dam Übei; alles Aip 
dir Gewerbebetrich- kann nur aber im Schwunge er- | Pen und ZBippern, wie verfledt man es be, entgeht 
halten werben ſowoi der Iamdwietifhaftiihe als ber | Der Hufmerkfamkeit biefer Menge von Betheitigten nicht 
weaheitende. Geld ift alfo ein Kierku benöthigtes Um, | fanden erregt nur Mistrauen und Bucht, weihe bad 
pmttel, deffen Mangel eine Lanbesnoth und deren Ap- | Übel vergrößern. 0 3 
hülfe ein dringender und gar fehr ernftlicher Gegenſtand der | Es folgen Hieraus zwei prakkiſche Wegen, wor 

e ber Regierung, zumal die Gelderſchaffumg ebem | denen ſich keine Begierung im mindefien zu entfernen 
darum eins ihrer te if. Indeffen find Bie | herausnehmen darf: A) Für den alfgemeinen Berkehr 
Ingisgungen Hirria wie gan unabiingig, fonbern gt> | Mann Mein anders Material zum Gelbe genommen wer⸗ 


Tree ———— nr — — — — —— — 














w- 
ss 3 
den als bie edein Metalle, und bie daraus geprägten 
Münzen müffen durchaus das Schrot und Korn enthal- 
ten, was fie nach dem gefeglich verfündeten Münzfufe 
haben follen. 
Metalle, und weiches feinen innern Werthe 


B) Ein anderes Material als die cdein, 
nach : richt) wärtig iM. Ftieden Sehaupte‘, verdanken ſe dem Um 





’ =. > 
> wo: H we ‘ 
E “ j m 


folglich ber Weisheit der Regierung Dank gezollt wer- 
den, daß fie ungeachtet allen Geſchreies ſich micht hat zu 
einer weitern Emiffion bewegen laffen. Daß die im Um: 
Anufe befindlichen Anmeifungen ihren Nennwertb gegen 


Bent Deigelegten Nennwerthe gleich kommt, darf nur ges.! Ftande, daß fie zunächſt ihrer eigentlichen Beftimmung 


wähle werden für den Umlauf im Lande und nur in 
der Menge, daß den Empfängern die Sicherheit des Ab- 
fages zu dem angegebenen Preife dadurch gewährt wird, 


und daß eben der ihnen zugeficherte Zwangscurs ihre 
fonflige Anwendung im Verkehre ausjchließt und: fie im 
demjenigen Umlaufe erhält, für ben .fie beflimmt ſind. 


Diefe Bedingungen können nur in zwei Verhältniffen ein- 
freten, und das Gefep für die Menge diefer Zahlungs⸗ 
mittel liegt alfo ſchon in der Größe des Bedürfniſſes für 
den angegebenen Zweck. Wird Dies beobachtet, dann 
bedarf es nicht einmal eines gefeplihen Zwangsumlau⸗ 
fes, von welchem die Agiotage nicht ganz abzuhalten iſt 
wegen ber Schwantungen im Verkehre, die füh voel 
durchſchnittlich veranfchlagen, nicht aber für jeden Zeit- 
puntt im Voraus berechnen Taffenz; man Tann alsdann 
den Umlauf ſich ganz fetbft überlaffen. Hiernach iſt es 
ganz richtig, daß das Papiergeld mit der Scheidemünge 
in gleicher Kategorie fteht (Nr. 3, &. 19). Das leptere 
bat die Beſtimmung der Ausgleichung der Vergeltung, 
weiche geringer ift, als ſich ohne Schaben in edein Me- 
tallen ausprägen läßt, und deren Abfag dur das Be⸗ 
birfniß im täglichen Verkehre bedingt und gefichert ifl. 
Das Papiergeld dient zum Umfage in den öffentlichen 
Kafſen, indem diefe ihre Zahlungen in diefen Stellver⸗ 
teetern des Metallgeldes unter der Zuſicherung leiften, 
daß diefelben bei allen Einzahlungen, welche fie zu empfan- 
gen haben, wieder zu demfelben Belange angenommen 
- werben. Diefe Zufiherung verfchafft ihnen hinreichenden 
Eredit und Curs, weil die Staatskaſſen beftänbig Gel- 
der- emzunchmen haben, fobald die Summe nicht größer 
ft als der Gelbbedarf der an die öffentlihen Kaffen in 
dem :Zeitraume zu machenden Zahlungen, in welchem der 
Wnlauf von ber Auszahlung bis zur Wiebereinzahlung 
ſich velibringt. Sobald deren mehr in Umlauf find, wird 
vie Grundkage ihres Eredits überfchritten ; die Empfänger 
finden dafür nicht fogleich Abnehmer und müflen zum 
allerwenigften daran den Zinfenbetrag für die Zwifchen- 
„it ihres Müßigliegens verlieren, wobei es aber ber 
Miscredit alsdann nicht bewenden läßt. Es fomnıt wech 
Binzu, daß für den Fall eined Krieges die Möglichkeit 
eintritt, in einem vom Feinde eroberten Landestheile bie 
Verweigerung der Annahme in den Kaffen zu erleben, 
woron die unausbleibliche Folge ift, daß fie ſich in den 
unsroberten Ranbestheil Drängen, denfelben überfüllen und 
auf ben Geldmarkte in- eben dieſem Berhälmifie ver- 
Beren. Eine Regierung, weiche Dies nicht bedenkt, nicht im 
Voraus Solches berechnet, handelt offenbar unväterlich und 
unbaushälterifh. Für Preußen überfchreiten 25,700,000 
Thaler Kaffenanweifungen, die in Umlauf gefest find, 
nach Verhaͤltniß feines Kaſſenverkehrs offenbar fchon die 
Summe, welche dieſer verbrauchen kann, und. 26 muß 


————ꝰꝰ ꝰ ꝰꝰ ꝰꝰ ꝰꝰꝰꝰõꝰäꝰ ꝰ ä — — — —— — — — — — —— — — — — — — — — — — — — 


als Kaſſengeldrepraͤſentanten noch einem andern Bedürf- 
niſſe zum Theil abhelfen, dem der nicht auslaͤnglich vor: 
handenen Umfagmittel im Verkehre, verbunden mit dem 
Kredite, den fich der preußifche Staatshaushalt feit Lir- 
geret Zeit erworben hat. Aber blenden muß man fid 


‚durh dieſe Erſcheinung nicht laſſen, nicht mähnen: dej 


die natuͤrlichen und nothwendigen Folgen des Übermaßes 
auch dann ausbleiben winden, wenn bie jetzt entgegen: 
wirkenden Umſtände -fih einmal verändern. Anſtatt das 
Papiergeld zu vermehren, ſollte vielmehr daſſelbe nah 
und nad alljährlich um Etwas vermindert und vernid- 
tet, dahingegen darauf bedacht genommen werden, andern 
und exrgiebigere Umfagmittel ind Leben au rufen. 

Das Bedürfniß bes fehlenden Geldes im Verkehre 
iſt ebenfo groß, ale die Nachtheile diefes Mangels un: 
leugbar find (Nr. 4, S. 9; Nr. 2, S. 12; Nr.3,©. 36) 
Die Induftrie und der Verbrauch haben während de 
langen Wriedens heiweitem mehr zugenommen , als bie 
Maſſe des Geldes hat vermehrt werden Pönnen, ſelbſi 
eingerechnet der günfligen Jahre,‘ in denen die Ausfuhr 
eine ungemein günftige Handelsbilanz herbeigeführt bat. 
Ein Staat, der nicht eigene Gold - und Silbergruben 
bat, kann das Material zu feiner Geldvermehrung nut 
von dem Wuslande beziehen, und muß ‚deshalb hierauf 
den Gapitalauwakhs verwenden, der durch die beiebte 
Production gewonnen wird. Beides hänge zum großen 
Theile voneinander ab und hält fi einander die Wage. 
Auf diefe Weiſe ift nur eine fehr mäßige und langſame 
Abhülfe des Bedarft abzufehen, felbft bei einer nur ge 
wöhnliden Zunahme deſſelben, geſchweige denn bei anjer 
ordentliher Vorgängen, mo der Induſtrie und Specula 
tion neue Ausfichten eröffnet und biefelben in neue gro® 
artige Unternehmungen getrieben werben (Nr. 2, ©. 35), 
und mo es ganz unmöglich if, die dazu erfoderlichen 
Summen aus dem Verkehre herauszuziehen, in melden 
fre ſchon angelegt find, feibft mit den Berluften die 2a: 
von unzertrennlich find. Gin folches Ereigniß hat de 
Sifenbahnbau in allen Ländern Europas, die ihm ib 
nicht zu ihrem eigenen Schaden abgefpeszt haben, herbei 
geführt, und alle empfinden auf ihren Geldmaͤrkten die 
felben Wirkungen davon, nur in ungleichen Maße. Ma 
bat deshalb zunaͤchſt für nöthig, wenigfiens für zwec 
mäßig erachtet, dem Gifer für dies Unternehmen duch 
Zurüdhaltung der Gonceffionen, oder durch mancherle 
Erfchwerungen, wie Binterlegung großer Gautionen ode 
Vorſchüſſe, Einhalt zu thun, und hat damit das Kin 
mit dem Bade ausgegoflen und den Pferden bie Bein 
gefeffelt, die den Wagen ber Nationalbetriebſamkeit we 
ter führen follen. Belgien dat durch das Zuftandebrit: 
gen feines Gifenbahnneges bewieſen, daß es im Felde 
der Induftrie bie meiſte Einfiht .und Energie befigt, im 








dan es Then die Früchte von: bert Uusfaet erntet, wit | 
der man ſich anderwaͤrts rioch quält. Ye ſchlimmer bie 
Folgen der Verzögerung, find, defto mehr muß man bie- 
felbe vermeiden (Nr. 3, S. 45) und nur darauf Tehen, 
daß feine Schwindelprojecte aufgeftellt und bewilligt wer« 
den, bei denen durch täufchende Anpreifungen und Schil⸗ 
derungen das unwiſſende, aber gewinnfüchtige Publicum 
angelodt wird, fein Geld einzuſchießen. Die befannten 
Riſſiſſippiactien find wol das unerhörtefte Beiſpiel, wie 
leicht umb ‚gewaltig Die. Sinbildungskraft und die Be- 
gierde des Publleums von allen Elaffen für Iuftfchlöfferige 
Unternehmungen zu erhigen find, wenn diefe mur in der 
Peripective gut ausgemalt find. Dies Lam’fhe Verfah⸗ 
von gut gefchildert, ober auch den großen Unterfchieb ing 
Liht geſtellt zu haben zwiſchen den duch. Law benupsen 
und berbeigeführten und den dermalen obmwaltenden Zu⸗ 
fländen, gereicht der Schrift Nr. 3 (S. 1 und 29) zur 
Auszeichnung. 0 

Soll nun die Regierung den Eifenbahnbau, der zweck⸗ 
mäfig ift, oder andere ähnliche Unternehmungen fördern 
und unterflügen; fol fie alfe auch die Behinderungen 
entfernen und dem Mangel abhelfen, der dieſelben nicht 
auffonımen laßt, und befist fie dazu die erfoderlicdhen 
materiellen Mittel beiweitem nicht: fo bleibt ihr nur noch 
übrig, entweder ihren eigenen Grebit dazu anzumenden, 
oder aber den Privateredit ihrer Unterfhanen in Die 
Lage zu bringen, daß daraus bie größtmögliche Hilfe 
gelhopft werben könne. 

Dos Erſtere koönnte unmittelbar dadurch in Ausfüh- 
rang gebracht werden, daß der Staat feibft die erfoder- 
Eichen Summen im Auslande aufnähme und damit ent- 
weder felbft baute, oder aber folche den bauenben Unter: 
uchmern in der Art vorfchöffe, daß biefe Dadurch zwar 
um Kortbau Die Mittel erhielten, mit dem erften An⸗ 
lagetapital aber in ihrem Werke betheiligt blieben. Auf 
eine nähere Erwaͤgung dieſes Vorſchlags einzugehen, ift 
unfers Ortes nicht, da wir es nur mit ber Bankfrage zu 
thun haben. Es fei daher nur bemerkt, daß es fchwer 
haften würde, eine folche Anteihe ohne drückende Opfer, 
welche wieder auf die Roften der Eiſenbahnen fallen wür- 
den, zu Stande zu bringen, da alle Geld habenden Laͤn⸗ 
der an derfelben, Noth leiden; und daß zweitens alle 
Staattanleihen von einem gräßlichen Übel begleitet find, 
welches ſchrecklicher ift als felbft das aus ber Entbehrung 


jener entfichende. Der Wucher mit Staatspapieren näm- | 


lich zieht nicht nur einen großen Theil des durch die 
Anleihe verfchafften Geldes an ſich, fondern auch von 
den foliden Handelsgeſchaften ab. und gewöhnt die Denf- 
weiſe am dieſen Schacherbetrieb. 

Dies alfo bei Seite gefegt, kann der Staat noch 
kinen Credit dazu benugen, durd eine Zettelbant No- 
ten zu erfchaffen, welche als Umfagmittel gleiche Wirkung 
mit dem Bapiergelde haben, obgleich fie Fein Papier- 
geld find, fondeen dazu nur dann werden, werm die Bant 
ein Staatsanſtalt und Staatskaffe if; denn unter die- 
[tt Borausfegung würden die Banknoten oder Bankzettel 
Reich Anvoeifung auf eine Spexinflaffe des Stagts fein 


und fih von ber‘, agemsinen - Suffenanwei 4 
dadurch unterfheiben, daß Re eben war Sri biiRk Core 


“ dalfaffe zu erheben und daß fie niht auf die Einnahme 
des Staats und feiner Landeskaſſen fundirt wären, fon- 


dern auf die eigenthümliche Ausflattung. der Bank, auf 
ihe Eigenthum. BZahlungsanmeifungen find Die Bank 
noten im jedem Falle, auch warn fie von Privakbanken 
ausgeftelt "werden, und ihre Geltung beruht darauf, daß 
fowel. die Mittel vorhanden find, fie einzuſöſen, al& auch 
daß jeder Anweiſende im Staate durch deſſen Mechtöge- 
walt dazu genöthigt wird und werden muß, feine An« 
weifungen zu bonoriren und einzulöfen. &o fange, diefe 
Zuverficht beftcht, gelten fie vermöge bderfelben im Umfäge 
ebenfo wie das Geld, und heißen deshalb auch Bank 
geld, find jedoch darum Bein wirkliches Geld, infofern bie 


Bank Beine Staatskafle ift, fo wenig als andere Faufı 


männifche Anweifungen, Wechſel, Handelsbillets oder 
Mamres und Starchos, was zu überfehen auf Irxrthü⸗ 
mer führt (Nr. 3, S. 48; Rr.5, ©. 42). Dies betrifft 
felbft die Vorfiellung vom einem gemiſchten Geldamlaufe, 
wovon weiterhin noch mehr. Ale Privatammeifurgen, 
au die Banknoten, gehören ins Civilrecht, "gleidyviel, 
ob fie von einzelnen @efchäfttreibenden oder von Geſell⸗ 
fhaften und Geſchaftsbetriebsanſtalten ausgeftellt warden 
find; alles Geld Hingegen, auch alle Arten von Papier« 
geld, gehören ins Staatsrecht. Dort regiert der Grund⸗ 
fag, daß die Gerechtigkeit gehandhabt werden mürffe, wenn 
auch die Welt darüber unterginge (fiat justitia et pereat 
ınundus), bier der Grundfag, daß das Staatswohl das 
höchfte Gebet fei (salutas publica suprema kex esto). 
Wenn auch die Wiffenfchaft gegen diefe Verſchiedenheit 
im Rechtögebiete fih wehren möchte, in der Praxis gilt 
fie noch. Zum allerwenigften muß zugegeben werben, 
daß es einen wefentliden Unterſchied in den Verhaͤlt⸗ 
niffen und in ber Zuverläffigkeit der WBeftändigkeit ders 
jenigen Maßregeln, von denen die Gültigkeit der Umfag- 
mittel in der Dauer abhängt, hervorbringt: ob der Befeg- 
geber und Auffichtöführer felbft eine Hauptpartei vor« 
ftellt und das unmittelbarfte Intereffe hat; oder ob fein 
Intereffe und, ſeine Stellung nur eben darin beflchen, 
weife Befege zu geben und unverbrüdlich darauf zu haf- 
ten (Nr. 3, S. 57). Wenn in jenem ein Misſtand un- 
möglich verfannt werben kann, ift damit im Grunde Bi 
Sache ſchon villig ausgemacht. 
(Die Sortfegung folgt. ) 





Komanliteratur. 


l, Bilder aus Schlefien. In Novellen gefaßt von Walter 
Teſche. Erſter Sheit: Die Rofe von ber Pjeewo- Seip- 
zig, Brodbaus. 1846. Gr. 12. 1 Thlr. Nor. 

Die Rovelle, welche den Inhalt des erſten Theils diefer Samm⸗ 
lung bildet, iſt ein in jeder Hinſicht wohlgelungenes Genrebild 
aus Oberfihlefien, und «8 fehlt nicht an den verſchiedenartigſten 

Gruppen, ba bie polniſche Naͤhe und- Volksverwandtſchaft mit 

dem en Unftrich eine erwuünſchte Abwechſelung ergeugen. 

Der Bert. ſcheint Land und Leute fchr wohl zu kennen, er bes 


’ 








enibs wis Genuuifteit ind berter Die Düinpch der Defkäree, 
* | „Eirtoriffe ensfiond er 
| u Bang Ko eine Strede Fe 


icht n —* Die Pzer 
oe | FR ef. führt den Lefer auf einen der fondigen 
Fahten Hüge, welche das rechte polnifche Oderthal einfafien. 


Ben dort aus ſieht das Auge eine üppige, geilen den ehe⸗ 
waligen Vogenwindengen der Oder gebildete Riederungs ber 
5 hatte dieſe Bogenſchlitzchen durchſchnitten, um 
dem Strome eine gerade Bahn zu geben. Dieſes Stud Land 
hat der Vater des Bauers Pzerwock an ſich gefauft, ale 
vdhes uncultivirtes Land, und der Finanzrath, zu deſſen Gut 
Rornork es ſonſt gehörte, will es wieder zuruͤckkaufen für die 
ZU Thaler Kaufgeld, waͤhrend es fegt als UV Thaler 
iſt. Die Intrigum, wobei auch die Gerichtsperſonen be 
ale find, da jeder von den Herren ſich auf Unkoſten der Bauern 
zu bereichern ſucht, werden nun dem Lefer vorgeführt. Der 
Bauer Pzerwock wird, weil er einen Marder erlegt und defien 
Jell verſchenkt hat, ats Wilddieb mit Ketten betaden ins Ge⸗ 
fingniß zu Koſel geführt, und man bernt die Gefängniſſe und“ 
ihren traurigen Zuſtand in Kofel kennen. Wol fchwebt dem 
ne die Frage auf den kippen: wie lange es ber ſei? daß 
diche Iuftünde noch moͤglich waren, daß die Willfür nor 
herrſchen durfte, da, wo die Gerechtigkeit walten follte; eb 
der Kammergerichts aſſefſor W—, der unfern Bauer aus dem 
imanifie und von den PYrügeln befreit und feine Ungslegen: 
eit ordnet, der erſte Bote einer gründlichen Verbefferung war? 
und wann diefelbe ftaftfand ? Dieſe ragen bleiben unbeant: 
wortet. Ber Liebesroman fpinnt ſich Unter diefen trüben Zu: 
Kanden auf anmıtbige, den Berhältniffen angemeffene Weife- 
fort. Die Rofe von der Pzerwa ift die Jochter des Pzerwock. 
Sie if viel gefeiert, denn fünf Maien waren ihr in der Nacht 
yom I. Mai vor dem Fenſter gefegt worden; fie ift fpröde und 
fänippifd, und unfer Held, ein preußifcher Neferendar und 
Mühtenbefiper in der Nachbarſchaft, Namens Barteck, verliebt 
ſich in das fihöne Mädchen; fie aber folk den Sthulmeiſter hei⸗ 
rathen; ein Staroft wirbt in Verfen um fi. Es werden alle 
Gebräuche bei ſolchen Gelegenheiten beſchrieben; doch dad Mäd⸗ 
hei will den Schulmeifter, nicht: er ift ihr zu alt und haͤßlich; 
und dod verlangen die Altern blinden Gehorſam. Roſa liebt 
Barteck, obgleich fle diefen im Anfange etwas abftoßend behan⸗ 
deite, und als die Mutter fie am Hochzeitmorgen in die Braut 
Bammer ſperrt, enkipringt fie Durch daB Fenſter. Die ältere 
Ghmeher bheirathet nun den Rector, ‚Damit die Hochzeitägäfte. 
nicht umfonft gekommen und die Kuchen nicht. umfonft gebaden 
fr. äter wird die Hochzeit von Roſa und Barteck auf die 
in jener Gegend übliche Weiſe gefeiert, welche fehr eigenthüni- 
lich und voll fonderbarer Gebräuche if. Die Meder, weiche 
bei. ſoltchen (Belogenheiten gefungen werden, find aud aufge: 
führt; die Kleidung wird genau befchrieben und das fo lebendig 
tuppirte Bild auf anmuthige Weife vollendet. Ref. möchte 
1 ’Haupt > als Rebenperfonen für Portraits haften, fo ge 
nau Paffen fie im die dargeſtellten Zuftände, diefelben harak: 
teriſirend und die Wechſelwirkung darthuend zreifchen Menfchen 
und Derhältniffen, welche ſich gegenfeitig bilden und ſich gegen: 
feitig den Stempel ihrer Mängel aͤufdruͤcken. Ref. hofft, daß 
der Verf. es nicht bei dieſem erſten Bild aus Schleſien bewen⸗ 
den laͤßt, und er freut ſich, die Leſewelt auf dieſe literariſche Erſchei⸗ 
nung als auf Gutes und Gediegenes hinweiſen zu koͤnnen. 


3. Der Eid, oder Verbrechen und Gewiffensbiffe. Ein Roman 
von 3. Se Vries. Aus dem Holländiſchen von Eduard 
Wegener. Zwei Bände. Leipzig, Kolimann. 1840. 8. 
1 . 24 Ror. I 
Ain Roman, welchen wir unbediagt jeder Leihbibliothek 

enpfehlen konen, indem er ganz geeignet iſt, die gewöhnliche 

dſewelt zu fparınen und zu feſſein. Er fpielt vor hundert 

Jahren, wo die Safegespferge noch wnvollfonmener war: als 

jegt, wo ned manchertei Uarechtes und Ungerechtes im Gehei⸗ 








Verantwortlicher Herauſsgeber· Seintich Brockyaus 






En tonıte. ” Dev Varen von: Mallen ſteia iR mitle: 
eines fa Eides der einzige Erbe feines Waters geworden; 
. er hat, das Teſtament des Vaters, welches die Erbſchaft theil, 
entwendet und ein altes, ihm günftiges vorgegeigt, welches 
während eines Streites zwiſchen dem Vater und dem andern 
Sohn gefchrieben ward. Die beiden Zeugen feiner Unthat, d: 
nen rechtlichen Jaͤger und einen umresbtlichen Berwalter, kat 
"es unfchäblich zu machen nat: den Züger, indem er ihn IS 
Sahre in einem unter sdifgen ewölbe gefangen. hält; den an: 
dern, indem er ihn den Matrofenpreffern in die Hände ſpielt. 
Er glaubt ſich ſicher und wird von Wewiffensbiffen verzeört, 
während fein Alt Bender nal manchen Drangſalen von 
des Meinen Erbſchaft eiset alten Freundes glücklich lebt. Dicke 
bat ein bürgerliches Madchen geheirathet, die Tochter des 
Kaufmanns Strablenberg, welcher des Mordes — 
flü ward. Man fleht in biefem Roman noch echte Bil: 
wichter, welche den ganzen Abſcheu des keſers erregen, und «B 
deren Gregenfatz die Tugendhaften und Edeln um fo glanzenbde 
hervorſtrahlen; natürlich wird zuletzt ales Herppochen um it 
unterdruͤckte und gekvränkte Unſchuld gluͤcklich beſeitigt und das 
Böfe beſtraft. Der als Matroſe gepreßte Verwalter iſt cd 
welcher den vielfach geſchlungenen Knoten loͤſt: er kommt zu 
ück, un ſich an dem Baron, der ihn zum Meineid verleitet, 
zu rächen, gebt demſelben ein langſames Gift und foltert fin 
Sewiflen in Den legten Stunden, we ibm Glieder und Zume 
den Dienft verjagen, Der Berwalter hat auch den Mord be 
gangen, um befientwillen der Kaufmann Strahlenbery flüchti 
wurde und fpäter in® Gefängniß Fam. Der redlihe Jä 
wird aus Dem Kerker befreit; feine hübſche Tochter heir 
den Sohn des nun in ſeine Rechte wieder ein —7* Bruderi 
und die Verbrecher verfallen dem Tode. Def ſchichte wut 
. jungen Reijenden an Ort und Stelle hundert Jahre nad din 
Vorfall erzählt. Es ſpukt im Sterbezimmer des meincitigen X: 
rons. Man warnt die Fremden davor und die Einheimiſchen 
: vermeiden aͤngſtlich, es zu betreten. Die Tochter des Bärtneıt 
hat es zum Schauplatz ihres nächtlichen Rendezvous mit den 
benachbarten Jaͤger erloren und halt durch die Spukgeſchichte 
die Laufcher fern. Die Liebesfcene in dem Räumen des Spi: 
kes bildet einen erheiternden ontraft und verdwifht die 
graufenhaften Eindrüde, -weldge die Darſtellung von Ri: 
thaten und Gerwiffensbiffen dem Lehr vielleicht hinteelafm 
haben mödkten. | Ä 


3. Die graue Schweſter. Roman von’ Marie von Thurn 
berg. Bwei Theile. Wien, Stöckholzer von Hirfäfk 
184. 8. 2 Ahle. 

Ein Liebes⸗ und Hergensroman deu gewöhnlichſten In; 

weder hiſtoriſche Kr (End noch. die Fragen der Jehtztzeit m 
berüßrt; die Verfchlingungen ber Begebenheiten und die m 
pfindungen begründen allein das feffelade Intercffe 8. 
muß geftehen, daß der Phan mit Munft angelegt, mit Geht 
ausgeführt und mit. ruhigem fehönem Stil gehalten if; m die 
Motive, weiche: die handelnden Perfonen in- Bewogung ft 
find unnatürli. Aurelie ſchlägt die Hand des geliebten ta: 
chen Vetters aus, weil fie erft fid) Geld erwerben will, m 
ihm nicht ganz arm anzugehören. Mach vier Jahren hat ith 
der Better in eine Andere verliebt und ift verheirathet. Dit 

Braäutigam Buciend wird auf dem Gchladstfeid Für todt gehe 
ten, fodann von einem franzöhfihen General, dem fein Dat 
den Seh umgebracht, aus Rache gefangen gehalten, wäh) 

*deflen feine Braut einen andern Deirandet. Ida reiht cu 

‚ohne wirklich begrümdete Veranlaffung den Bann ihrer Liebe 

von fih. Zulept wird fie Soeur grise und gibt dem Bud 

der Katzen, obgleich fie nicht die Hauptrolle darin ſpielt. Te 
alles dieſer Unwahricheinlichkeiten wird fi; doch mancher fett 
von dem Roman angezogen fühlen wegen gut durchgeführt 

Scenen und geſchickt herbeigeleiteter Ereigniſſe. 






—SiS und Berlag WE. Vrockvani in Lewzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


en Kr. 249, EEE 


6. September 1846. 





Über das preußifhe Bankweſen. 
Erſter Urtibel. 
(Bortfegung aus Nr. 28.) 

Daß fowol Papiergeld als alle andern Umfagmittel, 
weihe als Anweiſungen auf künftige Baarzahlungen 
deren Werth vertreteh und vorftellen, fobald fie Geltung 
haben und behalten, da® Vermögen der Verfügung über 
die Werthfunme verdoppeln, ift zu handgreiflich, als daß 
es abzuleugnen wäre (Nr. I, S. I; Nr. 2, ©. 19). 
Man lege nur das Metallgeld, womit Zahlung zu lei⸗ 
fien wäre, und die Kaffenanmweifungen, welche deffen Stelle 
pertreten, nebeneinander, und fege fie beide in Umlauf: 
ob man nicht mit dem @inen fo viel vermag, aber auch 
nur ebenfo viel, al8 mit dem Andern! Es bedarf hierzu 
nit einmal einer öffentlihen Beglaubigung. in je 
der guter Wechfelbrief oder Starcho hat diefelbe Kraft. 
Folglich ift durch dieſe Verdoppelung des Wermögens 
auch ein boppelte® Capital in den Verkehr gebracht. 
Freilich verſchwindet es In dem Augenblick wieder, wo bie 
Anweiſungen zur Einlöfung fommen ; allein für Die 
Dauer der Circulation hat doch der Erfolg beftanden 
und ift in dem Momente feines Unterganges gleich wie- 
der zu erfegen, weil dieſelben Urfachen diefelben Wirkun- 
gen herserbringen, mithin der erhaltene Credit die aus- 
gegebenen Berfchreibungen nur wieder zu erneitern braucht, 
um durch die Einlöfung der alten in dem DBermögens- 

zuſtande Nichts au verändern. 

Der einfache Grund hiervon iſt, daf der Grebit 
felhf ein, zwar nicht materielles, aber ibeelles Vermoͤgen, 
folglich ein Capital ift, welches fich durch fich felbft ver- 
mehrt, je mehr jener fich fleigert und ausbreitet; und wel- 
ches deshalb unerfchöpflich ift, fo Tange jener nicht fich 
felbft überbietet und damit feine Kraft überfpannt und 
lähmt. Es verhält fich hiermit wie mit allen Kräften: 
Übung ftärke, Überanftrengung erfchlafft fie. Der Credit 
aber iſt kein natürliches Capital, fondern muß erft er- 
werben und damit gefchaffen werben. Allerdings führt 
ihn das Naturgefeg ein, nad) welchem jeder Menſch für 
reblih, alfo auch für nicht wortbrüchig gehalten werden 
muß; aber diefe bloße Berneinung ber Unreblichkeit ſchafft 
noch Peine Zuverfichtlichkeit, in deren Borhandenfein eben 
die Verfchiedenheit jener Rechtsvermuthung von dem Cre⸗ 
bite beftcht, d. b. von dem esworbenen Vertrauen (cre- 


dere : glauben), auf bie treue Erfüllung eingegangener 
Verbindlichkeiten. Da jeder Glaube, der fein blofer 
Wahn ift, von Gründen aus- und daraus hervorgehen 
muß, und da bie Erfüllung einer Verbindlichkeit durch 
Zweierlei bedingt wird, durch das Vermögen und durch die 
Bereitwilligkeit feiner Anwendung dazu: fo beruht ber 
Credit auf der Überzeugung, daß ber Verpflichtete Wort 
baten und dazu auch die Mittel haben werde. Zu bei« 
ben müffen alfo Gründe vorliegen, welche bei dem Er⸗ 
fern darin beftehen können: daß entweder für die Er 
füllung Sicherheit geftellt wird durch Unterpfand ober 
Bürgen ; ober dag man Zwangsmaßregeln untermorfen 
wird, die das Außerfte zu befchaffen nöthigen, 3. DB. dem 
Wechfelarrefte, dem Aufhören ber felbftändigen Vermö⸗ 
gend » und Gefchäftsverwaltung ober ber Sequeftration, 
oder Sonventionalftrafen und dergleichen mehr; oder end» 
th auc darin, daß der Schuldner über feine Reblich- 
feit und Gefchäftstüchtigkeit fich fo vortheilhaft ausge⸗ 
wiefen bat, daß die hierdurch erlangte (faufmännifche) 
Ehrenhaftigkeit ſchon für eine hinreichende Bürgſchaft 
angenommen wird. Diefelbe Stufenfolge findet auch in 


"Betreff der Mittel flatt, der Verpflichtung fich gebührend 


zu entledigen. Sie können fehon vorhanden fein und 
Maßregeln getroffen werden, woburd, deren Anwendung 
für den beabfichtigten Zweck gefichert wird; oder es wirb 
dies Letztere nicht einmal fir nöthig erachtet, fondern 
fi fchon bei der Überzeugung der hinreichendan Bemit- 
teitheit beruhigt; oder endlich die Mittel können zur 
Zeit wirklich noch nicht einmal vorhanden oder body noch 
nicht zur Verfügung des Verpflichteten fein, es ift aber 
fein Zweifel, bag er zur Verfallgeit ſich in ihren Beſit 
gefept haben werde. Hier hat fein Vermögen dazu nur 
eine günftige Eriftenz, und das Capital, beffen Herr ex 
dadurch ift, ift Fein materielles, fondern blos ein ideales, 
darum jedoch nicht weniger wirkfames. In allen diefen 
Fällen können auf die zu erfüllende Verbindlichkeit An- 
weifungen ertheilt werben, durch deren Realifation ihr 
Inhalt aus dem idealen Reiche in das materielle über 
geht, welche aber bis dahin auch ſchon, weil fie ver- 
möge bes ihnen beimohnenden Gredit# das ideale Capi- 
tal vertreten, auf welches fie lauten und das fie koͤrperlich 
vorftellen, feinen Betrag verkörpern und folchergeftalt in 
den materiellen Verkehr bringen. Es verſteht ſich von 





J 994 


(eh, daS überall, wo die Valuta dafür hintergelegt und 
außer Umlauf gefept wird, dadurch Feine Vermehrung 


des umlaufenden Capitals erzeugt werden Tann, wol 


aber in den übrigen Fällen, in benen der Credit fein 
Realcredit ift, ſondern blos ein perfönlicher ober ein 


sufammengefegter, in welchem Tegtern Falle das Mi- 


Thungeverhalmig über die Capitalvermehrung entfcheibet. 
Richtsdefloweniger, wenn auch durch die auf Unterpfän- 
der ausgegebenen Anweifungen fein neues Capital ge- 
ſchaffen wird, kann dadurch doch die Kraft deffelben ver- 
mehrt und es für den Gebrauch im Umfage geſchickter 
gemadt werden: ſodaß am Ende doch eben diefe Er- 
böhung feiner Brauchbarkeit einen Vermoͤgenszuwachs 
zumwegebringt und den Nationalreichthum fleigert; denn 
wem RNMeichthume ift eben night nöthig, viel Gelb oder 
Gapital zu haben, nod) beffen Anhäufung zu bewerfftel- 
ligen (Nr. 3, ©. 11): fondern vielmehr das Vermogen 
mud die Macht zu haben, es für den Bedarf und da- 
gen zu machenden Gebrauch in Bereitfchaft zu Haben, 
um es an bem Orte nd zu ber Zeit zu befigen, wo 
es im Bewegung gefept werden fol. Dies gefchieht 
sum dadurch, daß für fihwer bewegliche und in Um⸗ 
auf zu fegende Capitale Scheine ausgegeben werben, 
wodurch jene mittelbarermweife in den Umlauf kommen. 
So richtig ber Unterſchied ift, welcher zwifchen dem Ver⸗ 
mögen felbft, das capitalifirt und durch Capital hervor⸗ 
gebracht wird, unb einer Anweiſung auf folches Wermö- 
gen obmaltet (Mr. 3, &. 14), fo entfpricht doch der ge 
wählte Ausdruck „Capitalanſpruch“ nicht ganz ber Vor⸗ 
Kellung, weiche durch diefe Unterfcheidung ins Klare ge- 
fegt werben foll, wei es fich in ber That nicht blos um 
einen Anſpruch, ſoudern um eine Anweiſung banbelt. 
Die ganze wohldurchdachte Nusführung ift hierdurch unno- 
thigerweiſe (hmerfällig und ungenau geworden. Sie läuft 
kr Weſentlichen darauf hinaus, daß jede ſolche Anwei⸗ 
fung eine Anticipation von Werthen enthält, Die entwe⸗ 
ber noch gar nicht vorhanden oder doch noch nicht flüflig 
oder gefällig find, und daß diefelben durch exftere ſchon 
vorher, bevor darüber noch koͤrperlich zu verfügen ift, 
wermöge des hinzutretenden Credits ſtellvertretend in den 
Umfog gebracht werden und denfelben erleichtern. Am 
einfachſten gefchieht Dies bei jeder Hinaueſchiebung der 
ung einer Schuld, worüber sin oder mehre 
Schulbſcheine ausgeftellt werben, welche, weil der Aus- 
—* Szebit genießt, an Zahlungsſtatt aus einer Hand 
die anbere geben.. Ulle übrigen Arten der Anwei- 


(ung aber der Ummerhfelung von Umfagmitteln, fo com⸗ 


plchet fie fich geſtalten mögen, find auf diefe einfache 
Grundlage zurüdzuführen; bemn allerbinge gehört auch 
bie Verwechſelung ber manderlei Zahlungsmittel zu den 
Bebürfuifien des Verkehrserleichterung. Die Münzen 
muuiſſen van verſchiedenem Gehalte fein; das Geld in al- 
len Ländern kann fi) nicht gleich fein, ift es wenigſtens 
nit; und die Unmöglichkeit, daß der ganze Bedarf an 
Umſatzmitteln in Gelbe vorhanden fei, hat zu beffen Ab⸗ 
hülfe manche andere Auskunftsmitiel entfichen laſſen 
und aingefühet, weiche bei mehren Gelegenheiten noch 





vortheilhafter verwendet werden können als Geld; ode 
umgekehrt, fodaß der Umtaufch der verfchiedenen Umfag 
mittel nach dem jedesmaligen Bedürfniſſe felbft ein Han- 
delszweig und die erfte Entſtehungsurſache der Banken ge: 
worden iſt. Diejenigen, welche diefen Handel betrieben, 
fegten fig mit ihren Tiſchen oder Bänken natürlih an 


folhe Orte, welche ohnehin am melften befadt wa⸗ 


ren und die meifte Gelegenheit zum Umtaufche dardoten, 
auf die Märkte oder in die Xempelvorhöfe, und botm 
dort ihre Beſtände feil. Diefe Auswechfelung mußte an 
Umfang ebenfo natürlidy ungemein zunehmen, ald man 
ausfindig gemacht hatte, daß nicht alle Zahlungen haar 
geleiftet zu werden brauchen, fonbern daß fie auch durch 
Anmeijungen und Wechfel gefchehen können und diefe den 
Handel fehr befördern. Ein Bankhalter, Banker, Bar- 
quier, Wechsler find Daher gleishbedeutend, wie Bart 
und Wechfelcomptoir. Je mehr das Eredit-Nehmen und 
: Geben ſich vervielfältigte und in verfehiedenen formen 
ſich erging, deflo mannichfaltiger mußte daburd du 
Handelsbetrieb der Bankers und der Banken ſich geſtal 
ten: daher Wechſel⸗, Leih-, Depofiten-, Spar:, Gin, 
Disconto-, Escompto- und Zettelbanten. | 

Wie in allen diefen Formen fie für den Zwed u 
beiten, den Verkehr durch Herbeifhaffung der nöthign 
Zahlungsmittel zu beleben, wird aus dem Bisherigen Kat 
und ebenfo leicht begreiflih fein, dag gang vorzügid 
diejenigen Banken neue Baluten fheffen, welche af 
blos perfönlichen Credit Darlehne oder Vorfchäffe ben 
ligen und Zettel ausgeben. Indem nämlidy durh di 
Erfahrung fich ergeben Hat, daß eine gut vermaltt 
Bank beiweitem mehr Anweifungen auf fich ausfiel 
kann, als fie dazu Einlöfungsmittel vorraͤthig und fur 
zu halten braucht, weil jene nie gleichzeitig indgefammt 
zur Ginlöfung fommen; und daß ſelbſt in demjenigen 
Lande, das den ausgebreitetften Verkehr unterhält, a 
England, ſich dies Verhältniß nur wie 1 zu 3 eg 
hat, demnach in andern Ländern mit geringerm Umſche 
fih wie I au 4 oder 5 nur verhalten kann: Hat dam 
leuchten müffen, daß das Bankgefchäft, durch Ausgak 
non Zetteln zu betzeiben, ein für die Bank auferorer 
fihen Gewinn abwerfendes,, wie dem Lande Dorhel 
bringendes Unternehmen fein muß, warausgefegt, daj it 
Bank ihren Erebit erhält und durchaus nicht misbraugt 
(Nr. 2, ©. 412; Nr.5, S. 47), was unerlaflih if. $ 
größer und wohlthätiger der Gebrauch einer Sache iß 
deſto nachtheiliger und verwundender muß ihr Misbrarh 
fein. Die Grunpbedingungen der Erhaltung des Cult 
aber find fo einfach, daß ihre Beobachtung gar Feine gro 
Schwierigkeit hat, indem die Bank nur nicht ausleihe 
ober Credit geben darf ohne hinreichende Zuverlaͤſſigkeit 
des wirklich) obwaltenden Credits oder bei einiger Dr 
denklichkeit ohne ausreichende Dedung, auch nicht ml 
Zettel ausgeben darf als der Verkehr begehrt, viel we 
niger es irgendwie felbft Darauf anlegen darf, diefe Nah 
frage durch von ihr eingeleitete Unternehmungen zu DT 
mehren. In der Anmwenbung laffen fich diefe beiden Fe 
gein auch fo fallen (Nr. 3,8. 23); Kine Bank darf nu 


aucleihen and ausgeden, wann fie des wollen -rfanpes 
verſichert iſt und biefem eine Zwiſchenzeit gegen Vergü—⸗ 
tigung zugeſtehen kann, indem ihre Verpflichtungen am 
derweitig gededt find; zu dem Ende barf fie mit ihren 
Nitteln auch eine ſolche Muternehraung unterflügen, wel⸗ 
he den daranf gewendeten Verlag nebft Zinfen ımb Un- 
terhaltungsaufwand verwerthen oder ventabel find. Doch 
enthält diefe Anwendung nicht Alles, was die aufgeftell- 
ten Regeln in ſich fchliegen. Es folgt Hieraus von ſelbſt, 
daß die Schaffung und Ausgebung ber Banknoten we 
der ind Unendliche geht noch eine ‚beliebige fein Tann, 
fondern daß die Thätigkeit ber Bant oder der Geſammtheit 
aller Banken darauf beſchränkt ift, die in der Nation 
befhaffbaren Capitalien zufammen und auf den Markt 
zu bringen, um fie in Umjagmisteln in ben Verkehr zu 
bringen, fo viel er deren bebürftig if. Auch hier alfo 
beftätige fich die allgemeine Regel: dag das Berbältnif 
zwiſchen Vorrat und Begehr der nafürlihe Regulator 
des Preifes oder des Kaufwerthes der Dinge iſt; und 
daf dadurch von felbft auch bie Maſſe oder Summe der 
anszugebenden Banknoten fich beftinmt, indem fie weder 
den Begehr überfteigen, noch fi) über den Betrag des 
der Bank anvertrauten und zu ihrer Verfügung geftell- 
ten Gapitalvermögens erſtrecken barf. 

Die fertigen Eifenbahnen find felbft gar große Capi⸗ 
tale, die zu dem Nationalvermögen hinzutreten; es liegt 
folglich auch kein Hinderniß darin, auf diefelben oder de- 
ten Renten Anweifungen auszuftellen oder auch fie zu 
verpfänden, wie jenes in ben ſaͤchſiſchen Eifenbahnfcheinen, 
dieſes in den Prioritätsactien geſchehen if. Sol indef- 
fen die Staatsaufficht ſich nicht zu fehr in die Verwal⸗ 
tung der Eifenbahnunternehmungen eindrängen und fich 
nit mit einer Gefchäftsführung befaffen, bie der Selbfi- 
verwaltung der Gewerbtreibenden zu überlaflen ift: fo 

kann zu beiden Arten von Papieren nur ein Mäfiges 
im Verhättnig zu den Anlagekoften bewilligt werden, das 
noch feinen Erfag für den ganzen Betrag Deifen ver- 
ſchafft, was durch jene bem fonfligen Verkehre entzogen 
worden ift; nicht zu gebenten, daß auf die Eifenbahnen 
* aufgenommene Schuldverfhreibungen die Maffe der Pa- 
piere wieder vermehren, womit ein verderblicher Handel 
gerieben wird. Wir kommen alfo wieder darauf zurück, 
daß der Staat die Obliegenheit hat, folche Anftalten ins 
£eben zu zufen, durch weiche bem unteugbaren Mangel 
abgehelfen wird. Die Bank zu Berlin iſt dazu nicht 
angethan, wie die Erfahrung bewieſen hat (Nx.2, S. 15): 
fe hat weder die Mittel dazu, noch paßt ihre Organi- 
fetion dafür. Eben deswegen, weil ihr Wirkungekreis 
viel zu Mein iſt, hat ſich neben ihr eine andere Anſtalt, 
die Seehandlung, haupftſaͤchlich mit Bankgeſchaͤften be⸗ 
foßt und dieſen ihre urſprüngliche Beſtimmung nachge⸗ 
fest: was jedoch fihon darum fehlerhaft iſt, weil heide, 
ohſchon ihnen ein und derſelbe Chef vorgefegt iſt, ver⸗ 
ſhiedene Zwecke auf verſchiedene Weiſe verfolgen, wo⸗ 
dach die Einheit des Syſtems in dem Staatsgeld⸗ 
haushalte heeinträchtigt wird, beffen Nothwendigkeit nicht 
iu beſtreiten IR (Nr. 2, ©. 44). 


Der Ari if in feine Begrundung, Ertheilung, 
Benugung und Wirkſamkeit von großer Verſchiedenheit, 
je nachdem er von dem Brundeigenthume im Rande oder 
van dem beweglichen und perfönlidien Vermögen in An⸗ 

uch genommen wird. Es ift von großem Einfluſſe 
auf die politifchen innern Verhältniffe und auf den Na- 
tionalcharakter, ob und in welchem Grade das unbeweg⸗ 
liche Eigenthum durch Erebitanftalten beweglich gemacht 
wird. Diefe Mobilifirung bat mancherlei Bedenklichkeiten 
und. es iſt deshalb angemeffen, die Leihanftalten für den 
Grundbeſitz von denen fürs Gewerbe gänzlich zu trennen 
und in beiden die verfchiedenartigen Nüdfithten zu beob⸗ 
achten, welche dafür zu nehmen find (Nr. 1, &. 12; Nr. 2, 
S. 48). Was über ihre weitere Ausdehnnng und ei— 
nige Fehlgriffe der neuern Zeit in ihrer Einrichtung bei⸗ 
käufig bemerkt worden ift, werden wir, fo beachtungs⸗ 
werth befonders das Letztere ift, übergehen, weil es won 
denn Daupfgegenftande abfchmeift, und nur Das anfüh- 
ren: daß die wefentlichfte Beftimmung der Creditanſtalten 
für die Bepfandbriefung mit Recht in die Erweiterung 
bes Geldmarktes und In die Vermittelung der auf Real- 
credit ausgehenden Anerbietungen und des Begehrs da- 
nach gefegt worden ift. 

(Die %ortfegung felgt.) 


Schulmwefen in den Vereinigten Staaten 
und in England.. 

Charles Dickens erzählt mit Berwunberung in feinen ‚„„Ame- 
rican notes’, daß in der Fabrikſtadt Lowell im Staat Mafs 
fathufetts eine Beitfrift „The Lowell Offering‘’ erfcheint, welche - 
niet blos für, ſondern auch von Fabrikmaͤdchen gefchrieben 
wird. „Bon bdiefer Beitfchrift”, fagt Dickens, „habe ih MD 
gediegene Seiten mitgenommen und vom Anfang bis zum 
Ende gelefen. Über die Borzüge des «Lowell Offeringn, a8 
eines literarifchen Erzeugnifles, vwoill id nur bemerken, ganz 
abgejeben davon, daß die Auffäge wirklich von ſolchen Mad⸗ 
hen nad WVerrichtung ihrer ſchweren Zagarbeiten ‚gefchriehen 
worden find, daß eB mit einer großen Menge von englifchen 
Beitfchriften erfolgreich wetteifern fann.” In England freilich 
gibt es unter vielen Zaufenden Fabrikmadchen ſchwerlich 410, 
die ihre eigenen Namen fchreiben, viel weniger ſolche, die fchrift 
ftellern Pönnen. Wie fol es auch anders fein? bei der unter 
dem dortigen Volke Herrfchenden Unwiffenheit! Betrachten wir, 
was vor einigen an ein Engländer .in ‚England, "Bames 
Matter, d r bffentlich geſprochen bat und was auch Dart 
gedruckt erſchienen ift. („Two leetures, delivered at Diam- 
castle-upon-Tyne, .on the.oenstätwtions and.regablican instd- 
tations of the United States, from data prosured on a wisit 
to that country”, 1840.) Diefe Schrift enthält unter Anderm 

Igendes über das Schulweſen in den Bertinigten Staaten und 
in England: „Üffenttihe oder Freiſchulen find in ben Vereinig: 
ten Staaten uͤberall Häufig, beſonders in Reu⸗ England (Maſſachu⸗ 
ſetts, Maine, Bermont, ———— Rhode⸗ Zoland und 
Sonneeticut), wo alle Kinder freien Schubunterricht erhal 
son Tönnen. — Während man alfe in den Xereinigten Staa 
ten jedem Kinde freie Mittel zum Unterricht gewährt: mie 
Acht es damit in England?! — Lord Drougham bat erklaͤrt: 
daß darchſchnittlich im Königreiche Guoßbritennien nicht mehr 
als ein Behntel oder Elftel von den Rindern Unterricht erhält! 
— Bir Engländer nennen und anmaßend das freieſte und daß 
gebitdetfte Volk der Erbe} und wir find das unwiſſendſte von 
allen ‚gebitbeten Böllern! Mir Tonnen wicht unſere Unwiſſen⸗ 





et, die fo ungeheuer groß iſt, daß fie und Allen Schande 
* ! ai Anzahl der Kinder in Pennſylvanien, zwi: 
fchen 5 und 15 Jahren, ift ungefähr 320,000; die für öffent: 
lie Schulen beftimmten Gelder find jährlich 540,000 Dollars 
(756,000 Thlr.), faſt 110,000 Pf. &t., bei einer Bevölkerung 
von etwa anderthalb Millionen Menfchen, während das britifche 
eich in Guropa, mit feinen 25 Millionen Menſchen, für den 
Bwedk des Unterrichts 50,000 Pf. St. beftimmt! — Die Frei- 
bigkeit in Amerika für den Zweck des Unterrichts wird haupt: 
lic durch den Eongreß bewirkt: Legterer widmet diefem edlen 
Segenitande 640 Morgen Landes in jeder Drtfchaft von ſechs 
engiiſchen Geviertmeilen in allen neuen Staaten; hierzu Tom: 
men noch Die großen Geldbewilligungen der Staats⸗Geſetzgebun⸗ 
gen und die freuvilligen Beiträge einzelner Bürger. Alſo wird 
die Bildung des Geiſtes in Amerika bis zu den äußerten Gren⸗ 
zen befördert.’ 
Entnehmen wir nun auch Etwas aus den Berichten eines 
Deutfchen über die Schulen in den Vereinigten Staaten. (Ju⸗ 


ns, „Nordamerikas fittlihe Zuftände. Nach eigenen Anſchauun⸗ 


gen in den Jahren 1334, 1835 und 1336”, 2 Thle., Leip⸗ 
zig 1839.) Der Staat Eonnecticut befigt allein zwei Millio: 
nen Dollars Schulcapital, deſſen Zinfen ohne Befteuerung 
der Gemeinden ausreichen, um über 1500 Freifchulen für un» 
gefaͤhr M,OUO Kinder zwifhen 4 und 16 Jahren zu unterhalten. 
Sämmtliche Neu: England : Staaten, mit etwa 2,230,000 Ein- 
wohnern, haben gegen 12,U00 Freifchulen, worin über INO,00U 
Kinder unterrichtet werden. Neu:England zunächſt kommt der 
Staat Reu:York: er bat (bei einer Bevölkerung von ungefähr 
2,429,000 Menfhen) ein Schulcapital von zwei Millionen 
Dollars, zu deſſen Zinfen von dem Staate und den Gemein» 
den fo viel beigetragen wird, daß jährlih 1,400,000 Dollars 
uſammenkommen, um über 9U0U Voiksſchulen zu unterhalten, 
in welchen etwa 37,000 Kinder zwifchen 4 und 16 Jah: 
ren frei unterrichfet werden. 
wohner. „Der Schulfonds beträgt 2,044,354 Dollars. Der 
Staat befigt zwei Univerfitäten, 1619 öffentlihe Schulen und 
. 327 Höhere Bildungsanftalten. Im 3. 1840 befanden fi im 
ganzen Staate nur 526 Perfonen über 20 Jahre alt, welde 
weder leſen noch fehreiben konnten.“ 
Hiermit vergleichen wir Folgendes (Bencdey, „England”, 
3 Thie., Leipzig 1845): „Ungefähr die Hälfte aller Leute, 
die in England verehelicht werden, Pönnen ihre Ramen nicht 


fchreiben.” 

&lofiene Hetrathen. Männer Frauen 
Sefatofiene Deirath die ihre Namen nicht ſchreiben fonnten. 
1839 121,083 40,587 8,950 
1840 124,329 41,812 62,523 
18 122,48? 30,050 59,8% 

367,894 122,459 + 181,378 


= 303,836 Perfonen. 
In England geſchieht aber weit mehr für die Viehzucht, be: 
fonders für die Pferdezucht, ald für die Erziehung der großen 
Mehrheit des Bolkes! Ein Wig, welchen der londoner fatirifche 
Wigbold „Punch” vor einem halben Jahre machte, enthielt 
eine fürchterliche Wahrheit. Drei arme Kinder hatten einige 
Erbfen geftohlen und wurden darum als Diebe vor den Lord: 
Mayor gebracht, welcher fie aber freiſprach und eine Rede hielt 
über die fchlechte Erziehung des Volkes. Hierüber äußerte 
„Punch”: „Sehr wahr, Em. Lordſchaft! Die Gefepgebung hat 
fo lange geftritten über den Grundfag der Erziehung, daB fie 
feine praßtifche Anwendung überfehen hat. Freilich! das Par⸗ 
lament bat Geld für die Schullehrer bewilligt: es bat bei 
einer Gelegenheit 10,000 Pf. &t. für den Unterricht des Volkes 
gegeben; ja! die großartige Summe von 10,000 Pfund! und 
es bat in derfelben Sigung, wenn wir uns recht erinnern, 
70,00 Pf. Gt. für die Pferdeftälle von Windfor bewilligt. 
Behntaufend gegen Siebzigtaufend! Volk gegen Pferde! Wie 


Connecticut hat 301,015 Eins ; 


viel beſſer wrde es für jewe brei Hüfffnfen Kinder gewefen fein, 
wenn. fie das gute Gluͤck gehabt hätten, ald Füllen in den Pferde: 
ftällen von Windfor auf die Welt zu kommen!!!“ 102. 


Bibliographie. 

AUdermann, J., Die Gefchichte des Reiches Gottes auf 
Erden, vor, in und nad Ehriftus, als Religionslehre gegeben. 
Ifter Theil. (Das Reich Gottes vor goritus.) Ifte Lieferung. 
Rorſchach, Magazin für Literatur. „8. 9 Nur. 

Arnim, 2 A. v., Sämmtlide Werke. Adter Band: 
Des Knaben Wunderhorn. Alte deutfche Lieder, gefammelt von 
2. U. v. Arnim und Glemens Brentano. ter Band. 
mertin, Srpedition des Arnim’fchen Verlage. Gr. 8. 2 Ihlr. 

gr. 

.. Bender, ©, Gefhichtlihe Darftelung der Leiden ber 
Ehriftenheit durch osmaniſche Glaubentwuth und Eroberung: 
fucht von den früheften bis auf die neueften Zeiten. Rebſt ci: 
nem Anbange, enthaltend: Ausgewählte Stellen "aus Dr. R. 
Luther's „Heerpredigt wider die Türken“. Darmftadt, Leske. 
Gr. 8. 1 Thlr. 15 Nor. 

Biener, F. A., Abhandlungen aus dem Gebiete der 
Rechtsgeſchichte. 1. Über die Einführung der Gefchmornenge: 
richte in England. If. Hiſtoriſche Erörterungen über den Ur: 
fprung und den Begriff des Wechfels. Leipzig, B. Tauchnitz jun. 
&r. 8. 22%, Nor. 

Koh, M., Reife in DOberöfterreih und Salzburg auf der 
Route von Linz nach Salzburg, Fuſch, Saftein und Iſchl. Mit 
einem biftorifchen Anbang, Abbildungen und Ttatiftifchen Ze: 
belen. Wien, Solinger. Gr. 12. I Thlr. 10 Ror. 

Das Coelner Mosaik. Programm zu Winckelmann’s Ge- 
burtstage am 9. Dec. 1845. Herausgegeben vom Vorstände 
des \ereines von Alterthunsfreunden im Rheinlande. Bonn, 
Marcus. Gr. 8. 20 Ngr. 

Rochs, R., Gedichte. 
1 Thlr. 

Venator, C., Die Offenbarung St. Johannis des Zher: 
logen, metrifch erklärt und umfchrieben zur häuslichen Andacht 
an Sonn: und Feiertagen für Chriften aller Conrfeffionen. 
Darmftadt, Leske. 12. 15 Nar. 


Zagesliteratur. 
AmeifensKalender auf das Zahr 1847. Grimma, Verlage 
comptoir. 4. 5 Nor 


8 . 
Aufichlüffe über die jüngften Ereigniffe in Polen. Reh 


16 authentifhen Aktenſtücken. Mainz, Kirchheim, Schott und 
Thielmann. Gr. 8. 16 Rear. 


Broir, Zrauerrede auf Papſt Gregor XVI. Köln, Du 
Mont:Schauberg. Gr. 8. 4 Ngr. 


Dercfenyi, 3. Freih. v., Studien über ein Humund 
Mittel gegen den Kommunismus, oder über das Humanität?: 


foftem der Volkswirthſchaft, des Bolksunterrichts und dei pe 


litiſchen Volkslebens. Peſth, Hartleben. 8. 21 Nor. 


Galizien und die Robotfrage. Vom Verfaſſer der Schritt: 
Leipzig, 


„Überblick der Berhättnifle in Galizien und Pelen.” 
Hinrihe. Gr. 8. Ngr. 

Die Gedaͤchtnißfeier des Todestages Lutherv in der evan: 
geliſchen Gemeine gu Bonn. Bonn, Marcus. Gr. 8. IRgr. 

Julius, 
Heft: Die Entwicklung und Loͤſung der preußiſchen Bankfrage. 
(Fortſetzung.) Berlin, L. Fernbach. Gr. 8. 8 Nor. 

Streicher, K. A., Predigt, bei der allgemeinen Haupt: 
verſammlung des Altenburger Hauptvereins für die Suſtao 
Adolph⸗Stiftung am 23. Zuli 1816. Altenburg, Schnuphaſe. 
Gr. 8. 3%, Nor. 


Berlin, Bereinsbuchhandlung. 8. 








&., Die Bankbewegungen in Deutfchland. 214 


Behntes Sendfchreiben an die Sursbefiger bürgerlihen 


Standes in Medtenburg. Leipzig. 8. 1 Thir. 5 Rgr. 


Berantwertiiher Herausgeber : Geimeih Wrodtans. — Drud und Berlag von F. WE. Brodfans in Seipzig.. 
— — —— — — — 





Blätter 


liferarifde 


für 


Unterhaltung. 





Montag, 


— Nr. 250. — 


7. September 1846, 





Über das preußifche Bankweſen. 
Erfter Artikel. ' 
( Fortfegung aus Nr. 249.) 


Für die Erlangung der im Verkehre fonft benöthig- 
ten Umfagmittel und die Benugung des ausgedehnteften 
Credits dazu dienen die manderlei Arten von Banken, 
am allermeiften, wie ſchon erwähnt, gut eingerichtete Zet- 
telbanten. Diefe unterjcheiden fit) naͤmlich von andern 
Leihbanken dadurch, daf fie ihre Darlehne und Gefchäfte 
nie in Gelde auszahlen, fondern dafür Anmweifungen 
auf ihre Kaffe ausftellen und ausgeben, welche als Zah. 
lungsmittel in Umfag kommen und darin gebraucht wer: 
den, bis es einem Inhaber gefällig ift, dafür Geld zu 
erheben. Das Zettelverfertigen und ihre Ausgabe be- 
trifft alfo nur eine Mobalität der Vollziehung des ei» 
gentlihen Bankverkehrs, und ift nicht dieſer felbft, fo 
wenig das Ausmünzen in England jemals mit dem 
Geldregale vermechfelt worden iſt. Es ift nach dem Ge⸗ 
ſehe der Arbeitstheilung angemeffen ebenfo, wie ein %a- 
britant die einzelnen Theile feiner Waare in befondern 
Abiheilungen durch dafür angelernte Arbeiter anfertigen 
läßt, auch hier ein eigenes Bureau, eine befondere Ab⸗ 
theilung der Gefhäftsführung, einzurichten, wie nament- 
lich die große Bank von England ihr abgezweigtes Iſſue⸗ 
departement hat (Nr. 1, S. 41), das nicht eine Bank für 
fd ausmacht, fondern nur- für diefelbe die Anfertigung 
und den Umtauſch der Noten gegen teglementsmäßige 
Währung beforgt. Es fcheint, daß Died von Hrn. Ju⸗ 
lius überfehen worden ift, und daß er diefes abgefonderte 
Bureau der Bank, deren es für andere Gefchäftsabtheilun- 
gen noch mehre gibt, für eine felbftändige Bankanſtalt ge- 
nommen habe. So nur erflärt ſich ber von ihm gebrauchte 
Ausdrud: „Die Zettelbantwirkfamteit” (Nr. 5, ©. 40). 
Die bloße Zettelfabritation und der Umtaufch der Zettel 
erfodert und gibt gar keinen Credit: Dies ift lediglich eine 
artiftifche und aritymetifche Operation; das Greditiren er- 
folgt bei dem Hauptbantbureau, wo ſowol alle Anleihen 
als auch die Art derfelben beantragt und bewilligt wer⸗ 
den, entweder in Geld oder in Noten, und an weldyes das 
Prigungebureau deshalb die fertigen Noten gegen Nie: 
derlegung einer gleich großen Bemwährfhaft dafür zur 
Berbreitung in den Verkehr ausliefert. In jenen Geſchaͤften, 
nämlich daB entweder gar Fein fehon vorhandenes Capi- 


tal dazu nöthig ift, um Noten vorgelichen zu erhalten, 
oder daß nur ein Theil der dafür niedergelegten Wäh- 
rung aufbehalten zu werben braucht, ber andere Theil 
aber andermeitig benugt werden kann: barin ergeht fich 
der Credit, fowie darin, daß die Zettel flatt baaren Gel⸗ 
des genommen werden und umlaufen, welcher aber eben 
Darauf beruht, das die Bank den Werthebetrag dafür 
in ſichern Berfhluß gibt. Die Zettelerfhaffung muß ge- 
fhehen, damit die Zettel verliehen oder fonft in Umlauf 
gebracht werben fönnen ; das eigentlihe Bankgefchäft 
muß in den dazu gefertigten Zetteln gefchehen, weil diefe 
nur dadurch erft Banknoten werden; ebenfo muf ber 


- forgfältigfte Verfchluß des Dedungsfonds erfolgen wegen 


der Sicherſtellung deffelben. Allein es ift gar nicht nö- 
thig, daß Beides bei der Bank felbft gefchehe, wie denn 
infonderheit die Aufbewahrung der Fonds an manchen 
Drten bei der Obrigkeit oder den Berichten erfolge. Es ift 
nur der Bequemlichkeit und Erfparnif wegen, wenn Bei- 
des von der Bank felbft beforgt wird. Weil aber die 
Deauffihtigung des Staats ganz vorzüuglih auf das 
Vorhandenfein der Fonds und anf die UÜbereinftimmung 
damit des Betrags der gefertigten Noten gerichtet fein “ 
muß, damit nicht mehr davon eriftiren als dafein follen: 
fo ift die ganz vorzügliche Beauffihtigung dieſes Prä- 
gungs - und PVerwahrungsamtes durch dazu beauftragte 
Staatöbeamte ganz in der Orbnung. 

Die Grundfäge und Einrichtungen feftzuftellen, wo⸗ 
durch das Publicum gefichert wird, daß das Bankge⸗ 
fhäft nicht, wie in Amerifa und in Schottland gefche- 
ben ift, zur Berfchlingung der von ihm an ſich gezoge- 
nenen Capitale gemisbraucht werden konne; diefe Gefahr 
mit der Weisheit und Gerechtigkeit abzuwenden, ohne 
deshalb die Freiheit und Privateinfidht im Gefchäftsbe- 
triebe mehr zu befchränten, als dazu eben nothwendig ift: 
Dies ift die Aufgabe der Staatsregierung und ihrer gefeg- 
gebenden und auffihtführenden Gewalt (Nr. 2, ©. 69). 
Daß für die legtere es eine wefentliche Beihülfe ift, 
durch die erfiere ſich noch die Beauffihtigung bes Pu⸗ 
blicums zuzugefellen, vermöge einer regelmäßigen umd 
häufigen öffentlihen Bekanntmachung einer UÜberficht 
des Zuftandes und der Gefchäfteführung bei der Bank 
oder den Banken, liegt am Tage; wogegen es unnöthig 
zu ‘fein fcheint, im voraus und auf längere Zeit bie 
äußerfte Summe der anszugebenden Noten: feftzuftellen: 











8 


weil das Bebürfniß berfelben fo wenig ale der Capital: 
anwachs vorher zu berechnen ift, und weil mit fonft ge 
böriger Worfiht bei Dedung der in Umlauf gefep: 
ten Noten auch feine Gefahr vorhanden ift, daß fie fo 


leicht in größerer Maſſe zurückſtrömen als Mittel 


zur Einlöfung herbeigefhafft werden können. Nur ganı 
Außersrdentlihe Vorgänge konnen eine ſolche Gefahr 
herbeiführen, deren Möglichkeit nicht in Abrede zu ftel- 
len ift; aber es darf auch darum das für gewöhnlich 
Heilfame und Erfprießlihe nicht unterlaffen und aufge: 
geben werden, weil es unter ganz bejondern Umftänden 
giftig und verderblich werden fann: fondern die Gefep: 
gebung Hat fich nur zu bemühen, davon fo viel voraus: 
zufehen und vorzubauen, als fie vermag,. übrigens aber 
nicht um die Zukunft weiter beforgt zu fein, welche ſich bei 
unvorherzufehenden WBorfällen felbft helfen muß. Dies 
enthält "feine Erlaffung der möglichen Vorſicht, fondern 
nur eine Warnung vor übertriebener Beforgniß. 

Im Gegentheil darf die Staatsregierung durchaus 


in der Gefeggebung und Beaufſichtigung keinen Schritt ! 


weiter gehen als zu dem eben angegebenen Zwecke: fie 
darf die Freiheit und das eigene Ermeſſen der Gefchäfte- 
leute nicht im mindeften weiter bejchränten als zu Die: 
fer Nothdurft; befonders muß fie fih hüten, Begünfti- 
gungen und Monopole einzuführen und zu ertheilen. 
Jedes Monopol begünftigt unvermeidlicdy den Privilegir- 
ten auf Unkoften aller Übrigen. Um deswillen ift das 
Syſtem einer Landesbank mit Filialbanken verwerflid, 
fobald damit die Ausfhliegung und Verhinderung der 
Errichtung anderer Banken verbunden ift (Nr. t, ©. 15). 
Dies hindert nicht, zunächſt erſt für die Errichtung ei« 
ner. Landesbank Sorge zu tragen, fie auch zur Anle—⸗ 
gung von Filialbanfen oder Comptoirs zu ermächtigen, 
nur mit keinem Ausfchliefungsrechte, alfo: daß, fobald 
die Errichtung eines oder mehrer dauon unabhängigen 
Banken von Andern beabfichtigt wird, ihnen dabei kein 
Hinderniß in den Weg gelegt. werden möge (Nr. 2, ©. 36). 
Man darf bei angemeffenen Reglements nicht befürchten, 
daß die eine auf Entwerthung der Zettel der andern 
ausgehen werbe, was fchon jene verhindern müſſen. Da 
vielmehr von dem Ausfalle bei dem Umfage der Zettel 
der einen Bank allemal eine Verminderung. der Summe 
der Umfaufsmittel erwächſt, muß im Betrage derfelben 
die Präfentation der Zettel bei den andern Banken ſich 
fleigern. Schon hierin liegt ein anderweitiger erheblicher 
Grund, meshalb der Staat nicht felbft eine Bank errich- 
ten noch verwalten darf: weil er ohne Monopolificung im 
Betriebe der Gewerbe niemals die Eoncurrenz mit Denen 
aushalten kann, die aU ihr Sinnen und. Trachten und 
ale ihre Thaͤtigkeit darauf richten. Der Staat fann 
nur durch Beamtete verwalten laffen, und die ganze 
Richtung, des. Geiſtes und. des Verhaltens der Staats: 
beamten: muß. nothwendigerweife eine ganz andere fein, 
als folche in dem und durch ben Gewerbetrieb ausgebil- 
det merben. Gine. Menge. kaufmännifcher Ufancen ent 
ſtehen lediglich durch ſtillſchweigendes Übereinkommen über 
Grfahmngsfäge und über bie daraus abzunehmenden 


Klugheitslehren, z. B. die Friſt von drei Monaten für 
Waarenwechſel (Nr. 1, &. 13). 

. Selbft wenn der Staat erfahrenen und bewährten Kauf: 
leuten die Leitung feiner Bank übergeben wollte, würde es 
fehlſchlagen, weil dieſelben nothwendigerweiſe aufhören müßten 
Gewerbtreibende für eigene Rechnung zu "fein und damit is 
wenigen Jahren in den feinern Wahrnehmungen und Beebach 
tungen im Verkehrsleben fremd geworden fein würden. Ben 
man aufhört, fid) in einem Gewerbe zu bewegen, kennt mır 
es bald nicht mehr. (Nr. 2, ©. 36.) 

Wenn hingegen die Frage entfieht: ob nur ausge 
dehnten und durch anfehnliche Einlagen von vorn hetrein 
gut begründeten Actiengeſellſchaften oder einzelnen Bar: 
quierd die Befugnig zur Ausgebung von Noten zuzugt 
ftehen fei? muß man fih unbedenklich für Ienes ent 
fheiden: der einzelne Privatmann ift in feinem ganzen 
Geſchäftsbetriebe unmöglich fo genau zu controliten, als 
ed hier zur Begründung der größtmöglichen Zuverfiht 
unumgänglich nöthig iſt; während bei einer Actiengeic 
Ihaft die Gefchäftsleitung in den Händen eines Vermil: 
tungsrathes auserwählter und periodifch wechjelnder Ic 
tionnaire ſich befinden muß, welcher vermöge feiner Zuſam 
menfegung der Staatsaufficht nicht leicht Etwas verbergen 
kann. Ein noch wichtigerer Grund aber ergibt fih dar 
aus, daß die Macht des (Geldes, weldye wir kennen gr 
lernt haben, verbunden mit der Gewandtheit eines br 
ſonders begabten Kopfes, dieſem in Burger Zeit cin 
Gewalt gibt, über deren Gebrauch er Pläne ent 
werfen oder verfolgen kann, mit denen er den Ab— 
fihten der Regierung entgegenzumwirfen und auf ih 
Überwältigung auszugehen vermag (Nr. 2, &.1') 
Dis Haus Laffitte Liefert ein Beiſpiel hiervon, um 
das Haus Rothſchild, zumal in der Verbindung 
fänmtliher Comptoirs, bildet ſchon eine zu bed 
tende europäifhe Macht. Dahin wird es ba an 
Actiengefellfihaft nie fommen, weil fie ihre Operatie 
nen den Gommiffarien der Negierung wicht verbergm 
kann; weil fie Beine andere Gefchäfte betreiben darf, al 
die ihr nachgelaſſenen, folglich ihr Statut und ihre Be 
auffichtigung jedes Ausfchreiten verhindern. Dahingegen 
gewährt fie durch die Größe ihrer Fonds feibft, dem Geſcht 
zufolge, daß Geld nady dem Gewichte Geid an fih üft 
und die fleinern Gapitalien den größern folgen, MM 
Lande und feinem Verkehre den größten Sammelplag MM 
die umlaufenden Sapitale und die höchſte Yequemlihtet 
in der Erlangung von Umfagmitteln; der Regierung ab 
die Möglichkeit umb bie Macht, auf rechtmaßige Bert 
und fern von alfer Gewalt die Hülfe eines großen Thrill 
des Nationalvermögens zu ſolchen Zwecken benugen w 
koͤnnen, welche ohne beträchtliche Summen gar nicht ar 
zufangen ober auszuführen find. Daß hiermit feine Br 
mächtigungen der Bankfonds, ja felbft keine ſolche Ir 
leihen aus bdenfelben gemeint find, wodurch die Side 
heit der Bank in Gefahr gefegt und den darauf ab 
zweckenden Statuten derſelben zuwider gehandelt mit, 
folgt ſchon daraus, daß nur von rechtmaäßigen Anfnnen 
an bie Bank die Rede ift. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Zur Kagesliteratur. 

Bei dem gegenwärtigen Waffenftillftande zwiſchen ben Ea- 
bineten, in einer Zeit, da auch die Völker nur mit Handels: 
waaren fiteiten, und im Staate der Kampf der Principien zur 
Kildung der Geſetze Peine gewaltfamen Mittel braucht, fheinen 
fd nad) diefen Pauperismus und Communismus in_einigen 
Staaten umzuſehen. Aus diefem Anſchein reichen Stoff zu 
entnehmen, bat die Tagesliteratur nicht unterlaflen. Eine 
der neueften Brochüren hierüber ift: 

J. Pauperismus und Communismus, ihre Urſachen und die 
Mittel zur Abhülfe. Hiſtoriſch, ſtaatswirthſchaftlich, ſocial. 
Von Friedrich Steinmann. Solingen, Amberger. 
1546, 12. 12 Nor. 

Der Gommunismus bat feinen Urfprung in dem Urtbeile 
des Berflandes von Individuen auf Grund der Thatſachen des 
Yauperismus. Wie nun hiergegen ein Mittel zur Abhülfe ge 
funden werden Pönne, ift nicht abzufehen. Kann man der rei» 
beit des Individuums, zu ‚erfahren und zu denken, Borfchriften 
geben?! Preilih, wenn ed mit feinem Urtheile auf den Willen 
Anderer überredend zu wirken ſtrebt und fo Handlungen ent: 
Rchen, weldhe den beſtehenden Geſetzen zuwiderlaufen und den 
Staat bedrohen: dann gibt e6 ein Mittel; das ift aber zu be: 
kannt und jchon zu trivial, ald daß es von Ruben wäre, ber 
Gegenwart darüber Belehrungen zu geben. Der Berf. dentt 
auch nicht daran. Cr ift hinſichtlich des Sommunismus nur be: 
Arebt, ihm dem deutſchen Berftande zur Zcit der Reformation 
zu vindiciren. Er wäre nur gleichfam auf einem Umwege 
duch Frankreich im 19. Jahrhundert wiederum auf Deutfchem 
Boden angelangt. ber wo denn? Wo handelt man in 
Deutihland danach? Daß Der oder Iener in feinen Urtheilen 
cmmunitifh denken may, ift gemiß von der größten Unwich— 
tigkeit, fo lange er feine Gedanken für fih behält; er läßt ſich 
doch wel nur mit ihnen begraben. Wenn alfo der Verf. das 
gegenwärtige Sein nicht nachweilt, ift ed fuͤr eine Tages⸗ 
broihüre gleichgüdtig, zu unterfuchen, ob der Gommunismus 
anfmals urſpruͤng lich ein deutſches Urtheil gewefen fei. Wir wol 
im Das der gelehrrten Forſchung überlaflen. Aber darauf auf 

am zu mahen kann nicht unterlaffen werden, DaB Durch: 
wg die forialen Beftrebungen der „armen“ Leute in Deutſch⸗ 

md zur Zeit der Reformation nicht communiflifh waren. 

ar omas Münzer urteilte fo; aber die aufgeflandenen 

Bauern wollten nur einen chriſtlichen Prediger und eine chriſt⸗ 

ung, und immer haben fie Befigrechte, ja fogar 
vertragsmäfiges Abkommen mit Rüdficht auf alten, wenn auch 
untehtmißigen Beſitz anerkannt, welches doch dem Princip des 

GCommunismus nicht angenehm fein möchte. Endlich ftädtifche 

Unruben des Mittelalters hierher zu rechnen, zeugt von Unkunde 

der Beſtandtheile und der Geſchichte der deutſchen Städte. 

Der Yauperismus wird in Deutſchland als eine Thatſache an⸗ 

genemmen. Es gemahnt uns faft, ale wenn alle diejenigen 

Ehrifteller, welche Diefes behaupten, von unferer befannten 

Rahahmungsfucht angeſteckt find. Glauben wir doch auch con: 

Ritutionnele Staaten zu haben; warum denn nicht conftitution» 

nelm Pauperismus? Die Beweiſe wenigftend werden aus 

England und Srankreih genommen, und nicht aus Rußland. 

So brüftet fi der Knabe mit einer gewiſſen Krankheit der 

Jugend er wäre gar nicht vorgefhritten, wenn er fie nicht 

hitte. Wir miffen immer fragen: Wo ift in dem vielen Deut: 

[den Staaten der Pauperismus nad) dem Begriffe zu finden, 

een man einmal für ihn adoptirt hat?! Cine Radhweifung 

hierüber finden wir jedoch nicht. Indeflen, es wäre möglich, 
der Pauperiſmus in allen deutſchen Staaten, alfo dann 
et in Deutfchland, einträte und daher würden die Mittel zur 

Ufülfe, regt und rechtzeitig angemendet, einen großen Ge: 

gen gewähren. Sehen wir alfo nach den Borfchlägen des Verf. 

Statt Sonfumtionsfteuern: Einkommenſtener, Luxusſteuet nebfl 

roodnung. nady einer allgemeinen Landestracht; Aufhebung. 

dm Rieferungsgefähäfte für die Gtaatsbebürfniffe an ben Bin: 


deffebernd Arheitsichns ; d 73 
den —— S—— des Ems u jede fe 


Ach und Ziel gefept werben; zu Skaaks aebeiten muß ein über 
Unterthan besjenigen Staats, der eine Unlkibe contrabiren 
wi, zugelaffen werden; der Bauernftand muß in jeder Hinficht 
erleichtert, feine Interefien auf jede Weiſe gefördert werden ; 
Einſchraͤnkung der Eiſenbahnen; Beſchränkung der Gewerbe 
freiheit auf dem Lande; Unterbrüdung jeden Wuchers ; Armen- 
bef a ar Srmenwohnhäufer und @rziehungsan: 
falten für Armenkinder. Das find nun zwar Alles redyt fchöne 
Dinge, wenn auch bin und wieder etwas unverftändlidh, un: 
möglich; aber 
Die Theile find in der Hand, 
Fehlt leider dad geiflige Wand. ‘ 
Denn woher fol die Verwirklichung kommen? Doch wol durd 
Geſetze oder Staatöformen. Uber "alten diefe in einer Racht, 
des Tages gar nidyt zu gedenken, vom Himmel herunter? Auf 
der Erde bedürfen wir des Lebens zum Fortfchreiten. Es wer: 
den alfo Staatseinrichtungen nöthig fein, die es wahrſcheinlich 
machen, daß fie ſolche Geſetze zu erzeugen im Stande find. 
Der Berf. fagt, daß der Liberalismus in dem Socialismus fi 
verflären fole, und cr folgert daraus nicht weiter: daB die 
Repräjentativverfaffungen, als der Boden des Liberalismus, einer 
Bortbildung in dem Sinne bedürfen, daß Weranftaltungen ge: 
troffen werden, nad welchen Alle, auch der „arme Freie”, 
perfönlid und felbitthätig bei der Bildung der Gefepe wir: 
ten können? Erkennt der Verf. nicht die Zeichen der Zeit auch 
in Deutichland an den Bürgergeielfchaften, die Beinen andern 
Sinn haben als den freien Gemeindebürger auf focialem Bege, 
auf temjenigen, der dad Revolutionsmittel der Gegenwart ift, 
zum freien und wirffamen Staatsbürger perfönlich zu erbeben? 
Die Hebekraft weile der Berf. na, ehe er uns die Refultate 
wie eine Luftfpiegelung vorführt. Die Entfremdung des armen 
green vom Staate, ehemals dur Waffenbürtigkeit und 
Stammbaum, jegt durch @eld und Amt, it der Grund des 
forialen Unglüds und der communiftifden Ideen. Hinter dem 
unfcheinbaren Gewande der Sehnſucht nach Arbeit’ fieht die 
Demolratie hervor. 


Baiern ift derjenige deutiche Staat, in welchem gegenmwar- 
tig der wahre Katholicismus mit dem Ultramontaniämus und 
Jeſuitismus im harten Kampfe ringt. Die legtern Beftrebun- 
gen mußten für Deutfchland gerade ihr Augenmerk auf jenen 
Staat richten, weil er unter denjenigen deutſchen Stauten, die 
auch in Deutſchland ftehen, der mädhtigfte und coricentrirtefte 
ift, alfo erobert in der Segenwart die befte Stüge und Brüde 
fein würde, uneingeden? der alten @rinnerungen, die felbft 
mehr an den bairifhen als on den öftreichiiden Namen ſich 
fnüpfen. Yür den Fanatismus in der Religion felbft aber mußte 


ebenfalls Baiern jehe gefahrdrohend erſcheinen; denn von ieh 


aus bat die wahre Patholifche Richtung, ein Greuel für ben 

Ultramontanismus, glänzende Lehrer und Bertheidiger gefinm 

den, wie Sailer, Wittmann, Diependbrod und Umdere Ws 

ein Rothruf jener Richtung und im höchſten Grade brachten: 
werth ericheint und nachftehende Brofcyüre des Fürſten v. Det: 

dingen : Wallerftein: - , 

2. Achte Erläuterungen und Zuſätze zu der Rebe des Reiche: 
rath6: Referenten Fuͤrſten v. Dettingen : Walterfkein 
gelegentlich der Berathungen über die Klöfterfrage. Mün- 

‚ Yalm. 1846. Er. 8. 10 Rer. 

Der Fürft hatte in der bezeichneten Rede geäußert, der 
Katholiecismus konne in Deutichland biühen und biühe nur 
dauernd ohne Ultramontanismus und Jeſuitismus. Er mußte 
die wüthenditen Angriffe diefer Partei erfahren, und hat geant: 
wortet, weil bie Eines Feindes offenbar amtlichen 
Ru n entflammen. Uftramontanismus it Enttbeut- 
hung, Entfernmg des deutſchen Gemüths und bes Drutich- 
erzo —A @ebetsfermein und ⏑ ———— 
und Kirche, wofür mechani n und kuͤnſtlich 

e, bleichwangige, Enabenhafte Ubates mit Talarrock und 

i | ute eintreten ſollen. „D! entarten wir nicht“, 


DE 
ber Berf. auß, „die märhtige, die jedem Gturme 
—* —2 — 


geruumlſche Eiche! wir nimmıeiniehr den alten Stanun 








ducch dad Aufpfropfen duftender,, aber gegenüber bes Hauches 
unjerer Nordwinde ftets fröftelnder und ſchnell verfommender 
Homeranzenreifer! Bewahren wir ihn der Kirche in feiner 
ganzen Echtheit, den germaniſchen Rieſen mit feiner einfachen, 
rubigen, aber gewaltigen Lebensanfhauung, mit feinen weit 
ausgebreiteten nervigen Armen!” Die „ſtreitende Kirche” hat 
in Baiern von der Kanzel folgende Worte gepredigt: „Wehe 
dir! Katholik, der du deine Kinder aus Unglaube oder aus 
Berforgungsliebe verfaufft an die Höle! Unnatürliches Weib! 
Alfo fo viel an dir liegt, haft du dein Kind, noch ehe es ge: 


boren wurde, dem ewigen Verderben verkauft? Rabenmut:. 


ter! du hätteft verdient, Nattern unter deinem 
Herzen zu tragen, die deine Eingeweide burd: 
freffen!” Da, feit 1837 etwa, bemädhtigte ſich finfterer 
Grimm der untern Volksclaſſen, Unfriede der mittleren und hoͤ⸗ 
bern &tände; zahlreiche alle des religiöfen Wahnfinns traten 
ein. Aber Krieg, fo lange es Anderöglaubende, ja Anders, 
betende gibt, und Frieden, den Frieden des Grabes erft nad 
dem Berfchwinden des legten Katholiten. Damit folde Kirche 
tüchtige Streiter erhalte, hat ein Drgan der Richtung erklärt: 
„Daß darf nie vergeffen werden, Daß nad) den heiligen ano: 
nes die Kirche und ihre Hirten auch über Schule und Biflen: 
ſchaft, über Lehrer und Lernende freies Dispoſitionsrecht ge: 
‚nießen, wo und fobald jie aus ihrem zeitlihen Güterfchage, 
mit ihrer Autorität, nad ihrem Bedürfniffe eigene Schulen 
errichten und unterhalten und mit ihren Erziehungsanſtalten, 
reſp. Knabenfeminarien verbinden. Staatsſchulplaͤne, Viſitatio⸗ 
nen u. dergl. find Einmiſchungen einer unberechtigten Macht.“ 
uͤber die Jeſuiten ſagt der Fuͤrſt: „In Deutſchland kann man 
ihrer Ruͤckkehr nicht ohne Beben gedenken. Hier, wo keine 
Spur jener breiten politiſchen Freiheiten zu finden iſt, deren 
ſeit bald zwei Jahrhunderten die Inſelgruppe jenſeit des Ka⸗ 
nals und ſeit bald 30 Jahren Frankreich ſich erfreut; hier, wo 
die Regierungsformen noch immer weſentlich regiminalen, we: 
fentlidy bevormundenden Gepräges, und die Offenbarungen der 
öffentliden Meinung, ja die Mittel zur Begründung einer fol: 
chen äqual Null find: hier können die Sefuiten, an Patholifche 
Regierungen fidy anflammernd, zwifchen fie und die proteftan: 
tiſchen fi) einzwängend, Antipathien wedend, nährend und be: 
nugend, ein Unheil fliften von unberechenbarer Zrageweite. 
Aus dem Weſten kommen feit bald 12 Fahren alle die Send» 
linge, deren bleiche Antlige unjere Straßen durchwandern.“ 
An die Geſellſchaft Jeſu reiht ji) unmittelbar die Eongregation 
der Redemptöriften an, wie Reifige und Knappen zur Ritter: 
Schar fi) verhaltend. „Alle Menfchen a priori ald verworfen 
annehmends, von der Borausfegung beherrſcht, nur Furcht und 
Schreden könne das durch und durch vermorfene Geſchlecht in 
Schranken halten, treten fie auf al& Sendboten mit dem flams 
menden Schwerte. Sie ziehen den Kreis der Sünden ins Un: 
endliche, jtellen dem diefen Zauberfreis Vermeidenden ein Reich 
der Glorie in Ausſicht von fabelhafter Ausfhmüdung, mit gol⸗ 
denen Häufern, diamantenen Fenfterfcheiben, fmaragdenen Bau- 
men, dann zahlloſen Genüffen. Den Überfchreitenden erzählen 
fie von einem Meinigungsfeuer, defien Flamme eigens von 
Gott zum Zwecke der Peinigung erfchaffen fei, worin noch je» 
der Perfon von Zeit zu Zeit eine glühende Pflugfchar in den 
Leib geſteckt werde. Gott fei ein im höchſten Grade firenger, 
nur durch beifpiellofe Buße unmittelbar zu verföhnender Rid): 
ter, die Heilige Jungfrau aber und die Heiligen ließen fi zu 
wirffamer Fürbitte nicht nur durch aufrichtige Neue, fondern 
auch durch rein äußerliche Handlungen, ja durch bloße Gebets⸗ 
formeln beftimmen. Als ihr eigentliches Feld betrachten bie 
Medemptoriften jene Wanderfunctionen iſſenen welche all⸗ 
jährlich in jeder admittirenden Diöcefe auf einer ensfprehen? 
ſcheinenden Bahl wohlgelegener Punkte abgehalten werden. Jede 
folhe Miſſion wird lange zuvor in einem weiten Umkreiſe an⸗ 






gefündigt und mit möglichftem Vompe abgehalten. ' Sie umfaßt 
ur den Übrigen kirch⸗ 


ın der Regel vier bis ſechs Tage, jeden a 


lichen Feierlichkeiten mit ftetem Beichtehoͤren, dann mindeſtens 


mit drei Predigten begabt, und verurfaßpt einen um fo grö 

Bolkezulauf, als die Miffionszeit in der ganzen en 
Feierzeit gleichgeachtet und jede werktägliche Befchäftigung von 
den dienenden Glaffen abgelehnt, den Eigenthümern aber big: 
li verargt zu werden pflegt. Bon der Kanzel aus verarba: 
ten fie ihe Auditorium mittels aller denkbaren Manipulationen 
bis zu förmlich krankhaftem überreize. Nach fuftematiihem 
Bemuͤhen, in ſämmtlichen Anweſenden jedes Gefühl eigenen 


BWerthes zu erſticken und dieſelben insgeſammt in ihren eige⸗ 


nen Augen als Abſchaum der Menſchheit erſcheinen zu laſſen, 
werden die erſchütterten Gemüther erſt durch das entrollte Bild 
aller erdenklichen zeitlichen und ewigen Drangſale geängftigt, 


ſofort ſtufenweiſe vom ſtillen Weinen bis zum lauten Geheul 


und zu einem langanhaltenten Schrei allgemeinen Entſetzent 
gebracht und zulegt veranlaßt, die einzig mögliche Rettung in 
einem laut gefprochenen Tugendgelübde u. dergl. zu ſuchen. 


Dies Alles gefchieht von Seiten des Predigers mit echt fünd: 


lihem Haſchen nad Effect. Stetes Geberdenfpiel bealeitet feine 
Rede; bald fanft, ja weich, bald von mächtigem Zorne ergnit: 


fen, nun feufzend, weinend, händeringend, dann durch feine 


Stimme das ganze Gotteshaus erbeben machend, mit Cruciſu 
und Todtenkopf agirend; fogar im Gefühle eigener Unwürdig 
keit zur Selbſtanklage fehreitend, plötzlich ein Stu price: 
lihen Gewandes nach dem andern von ſich ſchleudernd, mahnt 
er wahrlich weit mehr an die geiſtlichen Eiferer auf der Piaya 
de’ Fiori und auf dem Coloffeo, als an jene männlich ruhigen 
Charaktere, an jene zum Theil heilig geſprochenen, alfo gemif 
gut Patholifhen Priefter echt germaniſchen Schlages, deren 
ſchlichter Zuſpruch unfere Vorvordern begeiftert bat.” So ge 
berdet fich der falfche, der fanatiſche Katholicismus; cin wah 
rer Katholik ift der Meinung: ‚Unter allen Umftänden ruf: 
das Heil der Kirche zunächft darin, daß fie ſich nicht hinein: 
reißen lafje in den Strudel menſchlichen Getriebes; Daß ſie nic 
auh nur ſcheinbar zur Partei werde gegenüber menſchlicher 
detich daß ſie vielmehr ihre Streiter emporhebe zu der 

oͤhe chriſtlichen Sinnes in Worten und Werken, chriſtlicher 
Demuth, chriſtlicher Liebe.“ Dies moͤgen auch Proteſtantiſche 
Freunde ſich geſagt fein laſſen; Denn auch katholiſche Fanatiker 
rufen aus: „Appelliren Jene an den Geiſt, appelliren wir an 
die Maſſen!“ Die Kirche iſt nicht eine Peitſche der Gefell: 
fhaft, fo oder fo, rationaliftifh oder fanatiſch, ſondern eine 
Stüge des Einzelnen, feinen ®illen durch den Glauben zum 
Geiſte zu erheben. 

Schließlich mögen noch erwähnt werden: „Auszüge auf 
der Schrift: «Die Herrlichkeiten Maria» u. f. w.“, wer 
formliche Verrücktheiten und Gemeinheitegn als Wunder erzählt 
werden. Bon ihnen heißt es da: es fei heilige Pflicht, dieiel: 
ben glaubend anzunehmen, fobald Das Urtheil des heiligen apr: 
ftolifchen Stuhles fie anerfannt habe; Das fei von vieles der 
Fall; die übrigen dürften aber auch nicht ohne Prüfung »a 
worfen werden, und die Zeugen feien zuverläffia und ume: 
werflich. Wie fol man nun prüfen? F. Marquard. 





Literariſche Anzeige. 


Im Verlage von F. A. Srocktzaus in Leipzig iſt eride: 
nen und in allen Buchhandlungen zu erhalten: 


Geſammelte Schriften 


v 
Wilhelm von Hormann. 
Zwei Theile. 
Gr. Geh. 2 Thlr. 20 Ngr. 


Anhalt: Vorwort von Alf. Reumont. — Die Reife auf ten 
&t.:Gotthardt. — Mofait. Heinrich's 1V. erfte Liebe. — Sicilien 


12. 





— Der beutfche Bauernkrieg — Otho. — Eyrifches. — Bermifchta 
„0. Besanswortliges Gerauögebrr;,. Helnri, Mer@tant: —— 





iM ugh, Verlag von 9,8, Brochane in Zeipig, 





Bläfter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








Erfter Artikel. 
(Beſchlus aus Mr. Me.) 

Segen den Misbrauch der höchften Gewalt ſchuͤtzt endlich 
nur die Scheu vor dem Unrecht und deffen gewaltfamer Be 
gehung. Es ift um deswillen von Wichtigkeit, Daß auch die- 
fenigen Fälle, in denen eine Bank in Gefahr kommen Bann, 
von der Staatsgewalt für ihre Zwecke verwendet und ale 
Staatskaſſe behandelt zu werden, in dem Statute vorgefehen 
und ausdrücklich unterfagt werden. Zu diefen find vor- 
wüglih zu rechnen alle Darlehne an den Staat ohne 
Niederlegung ber vollen Währung nach den allgemeinen 
desfallſigen Veorfchriften, nicht minder Verpfändungen von 
Staatsſchuldverſchreibungen oder Papiergeld aller Art; 
denn es iſt für die Sicherheit ber Bank offenbar ganz 
gleih, ob der Staat unter diefem ober jenem Titel das 
Bermögen ber Bank an fi) zieht nnd aus ihrer Hand 
in die feinige überträgt: immer wird dadurch der ©taats- 
edit dem felbftändigen Credite der Bank fubftituirt und 
diefer von jenem abhängig gemacht, mas eben vermieden 
werden muß. Höchftens kann die Verpfändung von 
Otaatspapieren nur etwa zum dritten Theile des Bank. 
vermögens und wol nur zu zwei Drittheilen ihres Ro⸗ 
minalbetrages zugelaffen ‚werben. 

Gerade Das ift einer ber hauptfählichfien Gründe 
dafür, warum die Bank oder Banken feine Anftalten 
und Eigenehum des Staats felbft fein dürfen, daß es zu 
vermeiden iſt, die Unterthanen und Bankgläubiger in die 
Rage zu brängen, Unglüdsfähle, die den Staat betreffen 
und feinen Credit verringern, doppelt tragen und dop⸗ 
pelt dafür bũßen zu müffen (Nr.1, S. 10; Nr. 2, ©. 32). 
Einmal müffen fie ſchon als Unterthanen Alles, was ber 
Staat an feinem Bermögen oder Einfommen einbüft, 
gleihwel zu ‚feiner Erhaltung oder Wiederherſtellung 
draucht, aufbringen, alfo aus dent Natlonalvermögen zu 
tiefem Zwecke hergeben und bem Gewerbe entziehen: um 
o weniger dürfen ſolche in die Rage kommen, mit 
wppelten Ructhen gepeitfcht zu werben, dadurch, daß ber 
Riscredit oder die Einbußen des Staats auch den Ceedit 
et Banken vernichten ober angreifen, deren Noten ent 
vertben, ihren Umfag erfchweren, und ſolchergeſtalt ein 
roßes Umlaufcapital zu WBaffer, den UWerreſt aber we⸗ 
iger beweglich und kauglnh machen. : Dicker Verluſt IR 


— Kr 351. — 8. September 1846, 





um fo drüdender und ungerehter, da er nicht gleichmäßig 
auf das ganze Nationalvermögen zu vertheilen ift, fon« 
bern allein Diejenigen trifft, welche fih eben im Beſitze 
ber Noten in gutem Glauben befinden. Eben biefe Ger 
fährbung ſteht noch von einer andern Seite der oder den 
Banken, ihren Noten und beren Inhabern bevor, indem 
im Falle eines Kriege vor einem vordringenden Feinde 
das Gtaatseigenthum entweder geflüchtet und geborgen, 
ober demſelben preisgegeben werben muß, beffen Bes 
mädtigung nicht ausbleiben kann, da fie im Zwecke bes 
Kriegs Hegt. Im lehtern Falle geht alfo- bie Begruͤn⸗ 
bung bes Werthes der Noten und hiermit ihr Werth 
fetoft verloren; im erſtern Kalle wird minbeflens feine 


Wirkſamkeit und die ganze Thaͤtigkeit der Bank unter 


brachen und damit bee Rotenumlauf dem Verkehre ge» 
rade zu der Zeit entzogen, wo er alle Kräfte aufbieten 
muß, zu erfdjwingen, was die ordentliche und auferor 
dentliche Rothdurft verlangt. Iſt der Bankfonds hingegen 
Privateigenthunt, fo wird er nur im Falle einer Plünde- 
rung dem Derlufte ausgefegt fein oder im Kalle einer 
gänzlichen Abfperrung des Feindes, welcher in der äußerfien 
Roth ſich aledann freilich auch daran vergreifen wird, 
wie Davouft in Hamburg. Aber im tegtern Falle wirb 
auch die Erflattung im Friebensfchluffe nicht übergangen 
werden, und Plünderungen läßt bie vorgefihrittene Kriegs: 
funft um der fortbauernden Unterhaltung des Heers 
ſelbſt willen nicht zu, noch weniger das aufgeflärtere 
Bölkerreht Beraubungen des Privateigentbums ber Un- 
terthanen des Feindes, weil nicht mit diefen, fondern 
mit ihrer Regierung und Geſammtheit Krieg geführt 
wird: Auf dem Lande ift Dies alfgemein anerkannt ; 
nur auf dem Meere werden noch Kaperbriefe ausgegeben, 
als ein Verbot des Seehandels des feindlichen Landes, 
deſſen Übertretung durch. jene bedroht wird, ſodaß Nie 
mand fi dieſem Verluſte auszufegen wagen fol, 
. Bir können bier bie Frage übergehen: Ob überhaupt 
in einem wohlgeorbneten Staate, in welchem die Regie 
sung und das Volk in der innigften Bereinigung ſtehen 
und in feiner Beziehung ein voneinander zu trennenbes 
Intereffe haben, der Staat und fein Regent ein eige 
ned Vermögen befigen bürfen, außer denjenigen Worrä- 
1, welche für außerordentliche Vorfälle in Bereitfcaft 
zu halten find, wie jeder gute Wirth unb Hausvater 








7 a ie er 


Solches thut, aber auch nicht mehr müßig und todt läßt? 
ebenfalls macht das Kronvermögen nur einen Beſtand⸗ 
theil des Nationalvermögens aus, und einen um fo klei⸗ 
nern, je reicher die Nation ift und je mehr die Staats: 


ausgaben nicht aus bem erftern, fondern aus dem letz⸗ 


tern erſchwungen werden. 
ib: eine Un 
große Bankeinlage mache, als die Capitaliften des Lan⸗ 
des zufammenbringen können, nicht einmal der Einlagen 
zu gedenken, weiche ihr vom Auslande zufließen koͤnnen. 
Staatsbanken können beshalb nie dem Verkehre eine 
fothe Hülfe bringen als Privatbanken (Nr. 2, ©. 65), 
felbft unter der Vorausfegung nicht, daß auch. jene frei 
wilige Einlagen annehmen, weil unter allen Umftänden 
aus den bisherigen. Betrachtungen der Credit ber eritern 
den der Legtern nicht erreichen kann. Hierzu kommt, 
daß Fein Staat einen Haushalt bat, in welchem nicht 
alte Einkünfte feines Vermögens zu etatsmaͤßigen Aus 
gaben angemwiefen find, das Fehlende aber durch Steuern 
aufgebracht werden muß. Wollte nun die Regierung 
sine Bank dotiren, müßte fie dazu entweber bie für Roth» 
fälle aufgefparten und deshalb zu verwahrenden Capitale 
angreifen ober aber jene Summe durch neue Steuern 
eindringen und mit diefen alle Unterthanen, auch Diejeni⸗ 
gen, welche es nicht übrig haben, beſchweren ober end⸗ 
ich eine bedeutende Staatsfchuld machen. Werden bin- 
gegen Privatactienbanten eingerichtet, fo nehmen nur die 
Sapitaliften Uctien, weiche vermögend find, Das darauf 
zu. verwenden, was eben zum Erwerbe beflinamt ift, und 
welche bei den Bankgefshäften mehr zu gewinnen meinen 
als bei andern Unternehmungen. Hier alſo geht Allee 
feinen natürlichen und gefunden Lauf zur Herſtellung 
eines großen Geſchaͤfts, während dort ein fchwächliches 
erkänftelt und erzwungen wird. 

Des Summarium ber Theorie Derer, welche Staato⸗ 
banten vermerfen, hat Hr. Julius (NRr.5, ©. 19) bün- 
dig und Mar in fünf Sägen zufanmengefaft, zu denen 
auch wir uns vollftändig, bis auf wenige Mobificationen 
in beu €), befennen müfjen: | 
1) In der Thaͤtigkeit einer Zettelbank, weiche dem Mer 

bre den größtmöglichen Nugen gewähren fell, muß die Er 
Baffung eines Papiergelbes mit der Berienung des geſchaͤft⸗ 
Icchen Verkehrs vereinigt fein. Eine Unftalt, welche Zettel 
afhäfe, ohne dem Berkehre alle Hülfe, auf die ev bei der 
Bank Anſpruch machen möchte, zu leiften, würde den Zweck 
um befientwillen fe einzurichten iſt, ebenfo wenig erfüllen ats 
tine Anftalt, welche a mögligen Banfgefchäfte werrichtete, 
ohne ſolche Zettel erfchaffen zu dürfen, deren vollen Betrag fie 
nicht baar vorräthig zu halten braucht, oder ſelbſt, ohne mehr 
Bettel erſchaffen zu binfen As der gewöhnlige Bang des Ver⸗ 
kehrs zu erfordern pflegt (indem fie zu außerorbentlichen ren- 
tabeln Unternehmungen begehrt werben). 
düuͤr bie ——* in ihrer Eigenſchaft als Zettel er⸗ 
Maſſende Anftalt it weſentliche Bedingung: die ununterbro 
dene Cm 6 2 £ iger Bestel. Für ie Besabant in ihrer 
hd | weſentliche ingung: ei 
Kr e 34. ng um — nn fie diefem, wenn er ihrer 
Hülfe bedarf, Teiche zugänglich iſt. Dasienige Syftem, bas 
NER — 

‚ flaa | | 

diese oder alltin ammchmbart. 


Es HE mithin an und für 


glichkeit, daß eine Regierung eine ebenfo 





“ 3) Bei einer Privatbank ift es moͤglich, die ununterhe 
chene Eonvertibilität der Zettel zu ſichern (unvorberzufehende 


: &reigniffe, 3. B. Erdbeben, abgerechnet); bei einer von der 


Regierung verwalteten Bank ift Dies unmöglich. Die fete 
Zugänglichkeit der Bank für den Berkehr findet nur bei einem 


Syſteme von Prwatbanken ftatt, ift dagegen bei einer von dir 


Regierung unterhaltenn Bent dhmöglich oo | 
A) Rift mus bann der Zweck, un den es zu thun iſt na 
mittels eines &Spftems‘ (einer Concurrenz) von Privatbanken 
vollftäntig, dagegen mittels einer von der Regierung unterhal: 
tenen Bank gar nicht erreicht werden. Auch in politifher Hin: 
ſicht find Privatbanken nur wehlthätig und in Feiner Weiſe 
gefaͤhrlich; Staatsbanken hingegen jind beften Falles zweiihni: 
dige Schwerter, leicht ſehr gefährlih. Vorzuͤglich ift Dieb der 
Kal in Bezug auf Preußen. 

5); Dem. Allem zufolge würde, ıwenn ber Staat das Bart: 
wefen in die Hand nähme, dadurch das größte Unheil, abtt 
nicht erhöhter Segen über das Volk gebracht werben. 

Es ift zu verwundern, daß ein Maun,, der diefen Jdeen- 
gang fo deutlich aufgefaßt und gedacht hat, bei der Grün 
lichkeit und Ginfiht, die er überhaupt entwidelt und 
womit er infonderheit feine Gegner überführt (Nr. 9, 
&. 49): daß er die Bi über die neueſte Regulitun 
des Bankweſens in England von 1844 ganz richtig un 
beffer verftanden hat als diefe, dennoch bei ber en 
gengefegten Anfiht geblieben iſt. Er bat uns ber Nik 
überhoben,, felbft erſt uns in feinen Ideengang einhe 
weifch zu machen und ihn. zu entwideln, ‚indem er fehl 
folgen in 24 Sägen zufanımengefaßt hat, die er zunüdt 
in Rx. 30 ber berlines „Voſſiſchen Zeitumg“ veroͤffent 
licht und hier (Nr. 5, ©. 10). wieder hat abdruden laß 
fen. Wir werden uns alfo darauf beſchränken künne, 
nur Dasjenige bemerklich zu machen, was wir bei md 
ren von dieſen Sägen einzumenden haben. 

Bei Nr. 4 iſt fehon früher vorgelommen, daß Mit 
den Ausdrud „gemifchter Geldumlauf“ nicht guther 
fen mögen. Es if aber für das Bedürfniß von Üir 
eulationsmitteln aufer dem Gelbe auch wefentlih einen 
lei, eb Papiergeld neben dem Metallgelöe in Umial 
gefept worden: ift, oder nicht, da dieſe Zuthat nicht jt 
nes felbft aufbebt, fondern uur feine Größe um Grm 
verminb 


ext. 

Bei Nr. 8. Nicht darin befiche bie Vorſicht, fich der 
wirflichen Bebürfniffe zu verfagen und dem Begehe md 
Noten beliebig und nad Gutdünten folche zu vermeigh 
fondern darin, daß dem Zwede der Zetielausgabe cai 
als den flatutarifchen Bedingungen derfeiben fireng nad 
gekommen wird. Angemeffen wird es allerdings fein, U 
dem Statute felb für den Fall einer außerordentliche 
Motenvermehrung auch Vorkehrungen zur Bereitballum 
gröferes Einlöfungsnsittel zu treffen. Gines Mehen 8 
darf es aber nicht, da feine Ebbe plöglich auf bie Di 
folgt, fendern Beide allmälig ineinander übergehen. & 
ändert jedoch hierin Nichte, ob ber Staat die Ban = 
waltet oder Gelches den Actionnairen überläßt, aufe: Wi 
Gefhäftsieuse geühtere Sinne deum Staatsbeamte ball 


eiutretende Fluctuationen zeitig ehmen. Ja 
Einfiuf in ßerordentlichen Lagen geftend zu malt 
bleibe ber Regierung vermöge ihrer 


ffichtigum da 
führung immer unbensmmen. 








A 


Bei Ne. 3 ud 11 muf geradezu baſßricten -werben, 
daß irgendwo Privatbanken ihre Wefsgnifft überſchritten, 
wo bie Regierungen in ber ‚Gefeggchung uud Beauf- 
ſichtigung ihre Schuldigkeit besobachtet haben. Rar wo 
Dies in ber Kindheit des Baukweſens ober der Staats⸗ 
geflaltung unterblieben iſt, wie in England und Nord 
amerika, baben Misbraͤuche nicht ausbleiben künnen. 
Aber kein Misbrauch Hebt den Werth des Gebrauches 
auf. Biel häufiger noch find hie Erfahrnugen von Mib- 
brauchen, Anmafungen und Gewaltthaͤtigkeiten, welche 
ſich Regierungen im Bankweſen erlaubt haben, und wel⸗ 
che zu erneuern die hoöchſte und unwiderſtehliche Gewalt 
niht verhindert werden kann. Ihre Rechtlichkeit ift bie 
einzige, an ſich auslängliche, Sicherſtellung dagegen; aber 
t6 treten mancherlei verwickelte Lagen ein und die Sephi- 
ſtik iſt gar ſehr gefchäftig, bei der Colliſton von Pflichten, 
diejenige hervorzuheben, die den Wünſchen begegnet. 

Bei Nr. 10. Geſetzliche Vorkehrungen , weiche die 
Privarbanten in ihren regelmäßigen Schranken erhalten, 
ſind allerdings nicht biod ſchon erfunden, fondern auch 
ſchon längft in Anwendung, wie an denjenigen Banten 
erfichtlich ift, welche dadurch ſtets im regelmaͤßigen Gange 
erhalten worden find. Der Natur bee Sache nach find 
diefe Maßregeln nicht einmal ſchwer zu entdecken, wenn 
man eben nur diefe Natur wahr erfennt und ſich daran 
halt. Man trage nur nichts ihe nicht Angehöriges auf 
fie über und begehrte nichts Unmsgliches: das heißt bic 
Borausfiht und Bedenkung aller und jeder Möglichkeit 
und Zufälligkeit. 

Bei Rr. 14 verweilen wir auf Das, mas über bie 
Berbindung der Zettelausgabe mit dem Bankgeſchäfte 
bereits erwähnt worden ift. Hier liegt der Haſe im Pfeffer. 
Die nöthigen Erfahrungen und Bekauntſchaft mit dem 
Gange des Verkehrs”, wornach fid auch der Bankver⸗ 
kehr rihten muß, koͤnnen nicht aus der artiflifhen An- 
fertigung der Zettel erlangt und gefammelt werden, fon- 
dern nur allein durch das Leben inmitten jenes Verkehrs 
ſelbſt, weshalb nicht Beamte, fondern Mitbetheiligte am 
der Bank und im großen Danbelsverkehre, die beften 
Leiter der Bankgeſchaͤfte fein müffen. Der Verf. ſelbſt 
führt weiterhin (Nr. 5, S. 17 u. 18) den innigen Zuſam⸗ 
menhang zwifchen bem Grebitiren und der Benugung der 
Roten dazu aus, und macht dabei nur die Einhaltung 
des richtigen Maßes zur Bedingung. Da Gefeglofigkeit 
md Wiltir anf Eins binausläuft, darf weber verab- 
flumt werben in dem Gtatute die Vorſchriften zu be⸗ 
fimmen, durd welche jenes Maß erzielt wird, noch über 
ihre Beobachtung eine firenge Auflicht zu führen. Dar- 
“us folgt von felbft die Rochwendigkeit, won ber Ver⸗ 
valtung der Bank die Gefepgebung und Beaufſichtigung 
fo zu trennen, daß keine der anbern vorgreifen noch fie 
Wirren Bann. Dieſe fteht der Regierung zu; jene mit« 
bin ift den Actionnairen zu belaffen und ihnen nicht bie 
geſetzmaͤßige Verwaltung ihres Eigenthums zu entzichen. 
Es wird die Richtigkeit bed Angeführten zugegeben: „daß 
detionnaite nur durch — Gigennug zu über 
Stefen Emiffionen verleitet werden konnen, wogegen burch 


Befeg und uffie‘ Wehikfe zu ſchaffen ifs beß Ken 
gegen Die Megierungen , außer «Ben dieſer Xriehfehee, 
noch einer ganzen Reihe anderer ausgeſeht find, modus 
ihnen Plane gefällig gentacht werben, die oft ben Wün- 
ſchen und dem Wohl der Nation wider Iaufen, ja da 
ſelbſt Die Löbliche Abſicht, derfelben keine neue Laſten auf 
zubürden, ſcheinbar einen Behinberungsgrund der Con- 
vertibilität der Banknaten abgeben dan.“ ber: disk 
Wahrheit fell aufhören ‚eine Bedeutung gu haben, wane 
die Regierung nicht ſelbſt die Bankderwaitung ſhet 
ſondern dieſe von der Finanzverwaltung ganz abfendeut 
und einer eigenen Behoͤrde anvertraut. Wir vermägen 
indeffen auf feine Weife einzufehen, was Dies verſchlage 
Was Jemand durch einen Beauftragten thum laßt, iſt 
immer ebenfo anzufehen als ob er es felbft gethan haͤtte. 
Entweder biefe Behörde ſteht unter Gefeg und hoͤheret 
Beauffihtigung, die fie an jenes genau bindet, und wor 
von felbft ein Gutheißen des Souserains fie nicht zu ent 
binden mag: fo befinden mir uns in berfelben Lage hier, 
wie die Actionnaire einer Privatbank; oder es ift nicht 
fo, fondern das Butbefinden der Behörde und die Sanction 
bed Staatsoberhaupts leiten die Sefchäftsführeung: dann 
muß ja dad, jene thun, was diefes beiiehlt, wie umge 
kehrt jene diefes in dem befondern Intereffs ihrer An⸗ 
ftalt zu Manchem zu vermögen bemüht fein wird, was 
der geſammten Staatsverwoltung Eintrag that. Eben 
diefe Theilung ber Leitung und Berwaltung bed gefamm 
ten Geldweſens ift eine Störung und Vernichtung bee 
im GStaatshaushalte fo nöthigen Einheit, gleichmol ſo 
unvermeiblich, daß in Preußen die Bank und Seehand⸗ 
kung nicht einmal den Staatsminifterien untergeorbuet 
find, fondern unmittelbar unter dem Könige fichen, wei 
der Betrieb eines Bandelshaufes nach andern Maximen 
und in gan, anderer Weiſe zu führen iſt als bie Ber 
waltung der Staatögefhäfte betrieben werden muß. Die 
Unterfcheidung der Notenanfertigung von bem Bankge⸗ 
fhäfte und bie Übertragung der erſtern an ein beſon⸗ 
beres Bureau verändert hierin gar Niches (Nr. 5, S. 40), 
auch in England Nicdyes, ſondern dient nur zur Erleichterung 
der Beauffihtigung ber Erftern, wie ſchon dargethan iſt. 
Be Rr. 15 und 16. Daß in ber Notenausgabe bad 
rechte Maß gehalten werben müffe, barans folgt ned 
nicht, daß dafür eine befiimmte Summe vorgeſchrieben 
fein müſſe, fondern nur, daf die Bedingungen und Kemm- 
zeichen für die durch Die veränberlichen Zeitumſtaände auch 
veränderlich werbende Höhe ber Summe, vorbehaltlich 
ber Genehmigung der Regierung, im Reglement zuläng» 
Ich ‘angegeben fein müfien, wobei es denn hauptfüchlich 
auf bie Beobachtung ber Srundfäge ankommt, auf weiches 
ber Credit der Bauk berubt und mwerüber wir und ſchon 
werbreitet Haben. Übrigen® vermögen wir nicht abzuſchen, 
welchen Unterfchied es in beiden Fällen machen fell, ob 
die außführende Behörde aus Staatebeamten ober aus 
einem Ausfihuffe von Aetionnairen beficht, außer daß Hiefe 
mehr Geſchaͤftekenntniß und Gewandtheit mitbringen abe 
jene. Deide miſiſſen ſich nach dem Neglement richten umb, 
we dieſes nicht ausericht, bie Musfcheibung ber Biegie 





sug. einholen, worauf im legten Yale eiwas Anderes 
ais die Natur des Gefchäfts wieber weniger einwirken 
Zaun als im erflern. 

. Bei Nr. 18. Verantwortlid für firenge Beobachtung 
des Gefeges muß das Bankdirectorium unter allen Um- 
ſtänden fein, aber darum noch keine Staatsbehörde. 

Bei Nr. 19 und 20. Eine gemifchte Ratur der Zettel 
danken bat ums nicht erfichtlich werben wollen; wir er 
Bennen daran nur bie eine Natur einer Creditanſtalt, 
welche ihren Gredit zum Theil durch Anmeifungen auf 
fi felbft ausubt, weshalb fie in bie Kategorie der ge⸗ 
werblichen Unternehmungen gehört, in denen bie Regie 
zung niemals mit den Unterthanen concurriren und Dies 
fen das Feld ihrer Ermerbsthätigkeit ſchmaͤlern fol. Die 
Anfertigung der Zettel als Anweiſungen ift bei dem 
Bantverkehre fo wenig eine Staatshandlung oder ein Re⸗ 


gierungsgefchäft als die Ausftellung von andern Anwei⸗ 


fungen und Wechfeln Gewerbtreibender. Nur zu einer 
genauern Beauffichtigung ift hinreichender Grund vor: 
Yanden und diefe eine Staatsangelegenheit keineswegs 
Dasjenige, worüber fie zu führen ift. . 

Bei Nr. 21. Die Eriftenz ber berliner Bank mit ih» 
zen Commanditen hindert nicht nur nicht ihre Umfchafe 
. fung in eine Privarbanf, fondern treibt vielmehr zu die⸗ 
fer, da der ftile Krieg, den die vier Geldinftitute des 
Staats, das Schagminifterium, das Finanzminifterium, 
die Bank und bie Seehandlung untereinander führen, be⸗ 
reits fichtbare und traurige Folgen hat, wie der Eures 
der Staatspapiere und bie Zinfenerhöhung für Seehand⸗ 


lungsobligationen an den Zag legen. Die Ummandlung | 


würde wenig ſchwierig fein. Es dürfen nur bei ber 
Seehandlung ihre gewerblichen und faufmännifchen Ge⸗ 
fhäfte von allen Bankgefchäften gefondert und bie leg» 
tern mit ben antheiligen Fonds der Bank überwiefen, 
fodann bei Beiden, der Seehanblung und ber Banf, bie 
Hauptrechnung aufgemacht, balancirt und ber Überfchuß 
des Habens gegen das Soll ale ber Fonds siner jeden 
Unftalt ausgeworfen, ferner ein jeder von diefen beiden 
Fondo in Xctien vertheilt und dieſe Actien öffentlich 
parı gegen Staatsfchuldfcheine ausgeboten werben, welche 
in bie Staatsfchuldentilgungskaffe wandern: fodaß, fo 
fange biefe Actien nicht verkauft find, ber Staat nody 
Aetionnair bleibt, hingegen ganz ausfcheidet, fobald fie 
ſämmtlich in andern Händen find. Gleichzeitig würden 
die Reglements für beide Inftitute nach ihrer wahren 
Beflimmung und ben erweiterten Einfichten in biefe An« 
gelegenheiten umgearbeitet und bei ihrer Bekanntmachung 
ch eine allgemeine Auffoderung erlaffen: wer noch Luft 
* , ſich mit mehr als den zum Verkauf geſtellten Ac⸗ 
tien als Actionnair dabei zu betheiligen? So wird der 
gang ganz unbemerfbar erfolgen, der Unterfchied bes 
‚Erfolgs ſich aber fchnell Herausfkellen. 
Bei Nr. 22. Warum es in dem preufifchen Landen 
mit ihrer Regierung unverträglich fein follte, daß überhaupt 
alle gewerblichen Unternehmungen, auch die Banken, einzig 
und allein von Privatperfonen, die fi) bamit abgeben, 
unter Befolgung der Gefetze verwaltet: werben: dazu [chen 





wir wicht den entfernteſten Grund ab, wielmche gerade das 
Gegentheil. In der Kindheit der Völker thut es Noch, 
daß die Regierung öfter als ihr Vormund ihre Gefcäfte 
betreibe 3; aber Nichts ift drückender als die Berläng: 
rung der Bormundfchaft über die Fahre der Unmimdig. 
keit, Nichts bedenklicher als die Sucht des Regierent 
auch ba, wo fein Recht und Beruf dazu vorhanden if, 
Die Tendenz einer jeden ſich felbft durchſchauenden Re 
gierung kann überall Beine andere fein als ihre Unte- 
thanen dahin zu bringen, daß fie fich ſelbſt und ihre 
Angelegenheiten gefegmäßig zu regieren in den Stand 
fommen. Eine noch fo lange Praris kann biefer Auf: 
gabe nirgend im Wege ftehen. 

Bei Nr. 23. Die Beforgniß, daß die Regierung cin 
Geldmacht aus ber Hand gebe und ihrem Volke übe: 
laffe, durch welche fie über daffelbe eine große Gewalt 
zu üben vermöchte, würde bie allerunwürdigſte fein, weil 
Dies den lebendigen Staatsorganismus vernichten un 
das Haupt von dem Körper trennen hieße. Es verhält 
fih mit dem Gelde wie mit den Soldaten. Nur cin 
Armee aus dem Volke ift eine Landeswaffe; nur dal 
Bermögen der. ganzen Nation ift die Grundmacht de 
Staatsfinanzen.‘ Alles im Lande ſteht unter der Bet: 
mäßigteit der Regierung; aber fie und das Volk find 
Ein Leib. *) | 43, 

Bibliographie. 

Bauer, ®., Über den Eid, moraltheofogifcher Verſuch 

Herborn. 8. 15 Nor. | 

ock, C. W., Verstehen und sprechen die neuera 
Völker ihre Sprachen noch richtig? oder Nachweisung det 
Entstehung und Bedeutung der Person-, Zeit-, Spred- 
weise-, Thätigkeits- und Leidensformen der Verba, in dea 
indogermanischen und vorzugsweise in den deutschen Sprt- 
chen. Berlin, Nicolai. Gr. 8. 25 Neger. 

Domlieder. Lieder und Romanzen vom Kalferdom zu Speyei. 
Speyer. K.8. 24 Nor. 

Hanemann, M., elis Fiftel, ein Künftfer und Birtuclt 
unferer Beit. Ein mufifalifcher Hohlfpiegel. Berlin, Ricola. 
&.8 1 Ng. 

Koch, K., Wanderungen im Driente, während der Schr 
1843 und 1844. Ifter Band: Reiſe längs ber Donau af 
Konftantinopel und nad Irebifond. Weimar, Landes:Induftt: 
Eomptoir. Gr. 8. 2 The. | 





L agesliteratur. 

Anlagen der Juden in Rußland wegen Kindermordt, Gr 
brauchs von Chriftenblut und Gottesläfterung. Ein Beiltap 
ur Gefchichte der Juden in Rußland im letzten Zahrzehend um 
rüherer Zeit. Aus den Griminalacten wortgetreu außgezegit 
Leipzig, Engelmann. 3. 15 Ngr. 

Actenmäßige Darftellung und Ausgang des auf Anklage 
des Probftes Brinkmann zu Berlin wegen Demfelben öffentli 
zur Laft gelegten SIntolevanzfälle wider den Geh. Kriegetath 
Koeft vor dem koͤniglichen Kammergericht verhängt geram 
fgrauſchen sprogefiet. 2te verbeflerte Auflage. Darmitadt, beslt. 

2 gr. 


*) In einem zweiten Artikel, ben .wir bald bsingen zu fans 
hoffen, wird der Neferent über bie weitere Eutwidelung des preuhe 
ſchen Bankweſens in Folge ber neueſten Cabinetsordres und die 3J— 
Abfaffung dieſes erſten Artikelt erſchlenenen Schriften nn — 


A —— —— — — —— — — 


Verantwortlicher Derauögeber: Oeiurich Mroddand. — 


Druck und Verlag von F. X. Drockdans in Beipzis- 








Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Mittwod, 


— Nr. 2523, — 


9. September 1846. 





Gefhichte des Zeitalter der Revolution. Vorleſun⸗ 
gen an ber Univerfität zu Bonn im Sommer 1829 
ehalten von B. ©. Niebuhr. Zwei Bände. 
Sambung, Agentur ded Rauben Haufes. „ 1845. 

r. 8. 4 Thlr. 

In der Vorrede ſagt der Herausgeber, Niebuhr's 
Sohn, daß dieſe Publication eine ſehr unvollkommene 
ſei; vergegenwaͤrtige man ſich die Schilderung, welche 
in den „Lebensnachrichten“ über Niebuhr von feiner 
Vortragsweife gegeben worden, fo werde man begreifen, 
wie [her es den Zuhörern gewefen, den Faben feitzu- 
halten, und wie unvermeidli beim Nachfchreiben ge- 
tade die geiftreichiten und freieften Bemerkungen verlo- 
ren gegangen. Ungeachtet aller auf die Herausgabe ver- 
wendeten Sorgfalt könne die Bearbeitung feinen An- 
fpruh darauf machen, Niebuhr's Worte vollftändig oder 
auh nur immer das Beſte, was er gefagt, zu geben; es 
Tonne nicht einmal verbürgt werden, ob nicht Mandes 
der Form und felbft dem Inhalt nach, eine von dem 
mundlichen Vortrage fehr abweichende Geftalt gewonnen 
habe. Das Buch folle nicht eine Geſchichte der Mevo- 
lution, forndern ein Beitrag zu Niebuhr's Leben fein. 

Bir können verfihern, daß das Buch weit mehr ift ale 
ein folder Beitrag; es enthält Blätter von ausgezeichnetem 
Werth, umd ift im Ganzen von zu wichtigem Gehalte, 
un nur als Ergänzung einer Biographie betrachtet wer- 
den zu konnen, wäre es auch die Biographie Niebuhr’s. 
Dennoch müſſen Freunde und Verehrer des vorzüglichen 
Mannes wünfchen, daß die Lefer jene Erinnerungen ber 
Vorrede unausgefegt im Gebächtniß behalten, bamit fie 
niht an nachgefchriebene Collegienhefte Foderungen ftel- 
Ion, die mar nur an ein regulaires zum Druck beftimm- 
6 Buch zu machen das Necht hat. Bereits find folche 
Beurtheilungen diefer Vorleſungen erfchienen, bei mel: 
Gen diefer Geſichtspunkt ganz außer Acht gelaffen ift, 
was wir um fo unverzeihlicher finden müffen, als in 
dem ganzen Buche von Anfang bis zu Ende nicht ein 
einiger Sag fteht, welchem man nicht anfähe, daß er 
geſprochen und nicht gefchrieben worden. Jedermann 
weiß mas Gollegienhefte bedeuten und daß zum Nach— 
ſchreiben Urtheil und Kenntniß des Stoffe erfoderlic 
ind, welche man aber bei Studirenden, wenn der Ge- 
genftand moderne Gefchichte ift, nicht vorausfegen kann. 


Solche Hefte find deshalb nothwendig hoͤchſt mangelhaft 
und ihre Veröffentlichung würde nicht als ein Werk ber 
Pietät zu loben, fondern als ein Vergehen zu tabeln 
fein, bliebe nicht wie im vorliegenden alle trog aller 
Mangelhaftigkeit noch fo reicher Gehalt an ihnen übrig, 
bag fie ein Zeugniß zu vielen andern Zeugnifien von 
dem Geifte, dem Charakter, dem Haren Blid, dem Wiſ⸗ 
fen und dem Scharffinn des Mannes abzugeben und 
überdies bei dem Studium biefer Gefchichtäperioden die 
fhägbarften Dienfte zu leiften geeignet find. Im Gan⸗ 
zen genommen ziehen wir ben erften Band bem zweiten 
vor, obgleich in dem zweiten viele Partien find, in 
welchen ſich die eigenthümliche Meifterfchaft Niebuhr’s 
noch glänzender bewährt als irgendwo im erften. Diefe 
Meiſterſchaft befteht namentlich darin, daß der Vortra⸗ 
gende als ein gewiegter Hiſtoriker und in Gefchäften 
geubter Politiker fih auf jedem Schauplag und in je- 
dem Zeitpunkt der Gefchichte fo heimifch macht, als fähe 
er die Menfchen und die Ereigniffe mit leiblichen Au- 
gen, ein Vorzug, der an feiner „Römifchen Gefchichte” mit 
fo vielem Recht bewundert worden. Niebuhr iſt ganz 
nüchtern, er verficht die Begebenheiten eine aus der an- 
dern nach ihrem natürlichen Zufammenhange, und beur- 
theilt die Perfonen nah Dem was fiethun; einen hiſto⸗ 
rifchen Nimbus gibt es nicht für ihn, er ftellt ſich viel- 
mehr fo in bie Mitte der VBergangenheiten, daß fie Gegen- 
wart für ihn werben; er verläßt die Spur der That⸗ 
ſachen niemals und ift von diefer einzig richtigen Bahn 
weder durch den Einfluß einer politifchen Meinung noch 
dur die Anſprüche philofophifcher Auffaffungen abzu- 
bringen. Noch weiter entfernt iſt er von dem Beſtre⸗ 
ben, durch Behandlung und Fagonnirung feines Gegen- 
ftandes eine äfthetifche Wirkung erreichen zu wollen, was 
in fo vielen Källen auf Koften der biftorifchen Wahrheit 
gefchieht. Das Einzige, wodurch Niebuhr beherrſcht wird, 
tft fein fittliches Gefühl, und er würde hierin ganz vor- 
wurfsfrei bleiben, führte ihn nicht haufig fein beftig 
reizbares Temperament weiter als die Gerechtigkeit zu 
erlauben fcheint. Was diefe Vorleſungen insbefondere 
betrifft, fo zeigt fich allerdings noch ein anderer Einfluß 
auf ihn wirkſam, nämlich eine gewiffe fohonende Rüd- 
fiht. auf Preußen. Man wird aber hoffentlich nicht ver⸗ 
geffen, daß er in Bonn, auf einer preufifchen Univerfi- 





i 


[4 


: 2.2006 5 ' 
en \ 4 


tät und vor einem Auditorium von jungen Leuten las; ı 1793 und die auswärtige bis zur Schladht von Watti⸗ 


fodann, daß er felbft von diefer Regierung mehrmals zu 
Verwaltungsgefchäften herbeigezogen worden und in Rom 
ihr Repräfentant gemefen ift; endlich, daß er mit vielen 
Perfoͤnlichkeiten diefes Staats, deren er in der Geſchichte 
erwähnt, in amtlidem Verhaͤltniß und viele Jahre hin- 
durch mit dem damaligen Kronprinzen von Preußen, 
deffen Lehrer er war, in vertrautem Briefwechſel ge- 
fianden hat. Discretion in Bezug auf den preußifchen 


Staat war alfo für Niebuhr, ganz abgefehen von aller 


begreiffichen Vorliebe, ſchon burd den bloßen Anftand 
eboten. Strenger muß man es mit den obenberührten 

flüffen feined Temperaments nehmen; die Kritik und 
ganz befonderd die anerfennende ijt verpflichtet, die Lefer 
anf die Einflüffe, welche der Freiheit und Gerechtigkeit 
der Niebuhr ſchen Urtheile oftmals nicht geringen Ein⸗ 
trag thun, ausdruücklich aufmerffam zu machen. Die 
Einfeitigen und Parteiſüchtigen bürfen nicht die Genug: 
chuung haben, fih auf Riebuhr’s Autorität berufen zu 


Pönnen; es muß ihnen gefagt und farm ihnen gezeigt 


werden, dab die meiften Riebuhr’fhen Außerungen und 
Unfichten, welche fo beichaffen find, dag fie den Parteien 
gefallen, Ausbrüche von Verſtimmung find unb weniger 
hiſtoriſch oder politiſch als vielmehr pfychologiſch erklärt 
fein wollen. Politifches und alles Parteiweſen haßte 
Niebuhr durchaus. Da es aber feiner Ratur eigen war, 

ch in den jedesmaligen hiftorifchen Moment, den er vor 


ugen bafte, mit feiner gamzen LXebhaftigkeit mie ein 


ſelbſt Betheiligter Hineinzuftellen, fo begegnet es ihm 


guweilen, ſich von den Cindrücken eines ſolchen einzelnen 


Moments ganz in Beſitz nehmen zu lafſen, darüber Al⸗ 
les, mas diesſeit und jenfeit beffelben liegt, Vergange⸗ 
ned und Kommendes, oft felbit feine eigenen zu ande 
ter Zeit ansgefprochenen Worte zu vergeffen, und Die 
Stimmung, welche durch den Augenblick erregt worden, 
über das allgemeine Ganze auszubreiten, ſodaß dieſes 
enthalten muß, was nur jener verſchuldet hatte. Das 
auffallendſte Beiſpiel einer ſolchen UÜberwältigung durch 
unmittelbare Eindrüde ift die Urt, wie Niebuhr die Pe⸗ 
riode vom Ende der Nationalvorſammlung bie zu Ro- 
bespiertes Sturz behandelt. Hierauf wollen wir denn 
auch fogleich näher eingehen, zuvor aber doch den Le⸗ 
fern eine Yberfiht des Inhalts biefee 77 Borlefungen 

Sie beginnen mit eimer Darſtellung des polttifchen, 
geiſtigen und ſittlichen Zuſtandes der Hauptvoͤlker Euro- 
pas im 18. 3 ert; hierbei verweilt Niebuhr am 
längften bei Deutſchland und ſchildert unfere damaligen 
Öffentlichen und häuslichen Berhätmiffe, alle Schwächen 
md Schäden bei ihrem rechten Namen nenmend, gleich 
ring gegen Höfe und Adel wie gegen Bürgerftand. 
Diefer Einleitung find zehn Vorleſungen gewibinet, 
worauf er fi ausſchließlich Frankreich zuwendet und 
nad) Entwickelung der Urſachen der Revolution in zehn 
andern WBorlefungen Bis zur Eroberung ber Baſtille 
kommt; am Schluſſe des erfien Bandes iſt die innere 
Gefchichte Frantrrichs bie zur Kataſtrophe de DI. Jan. 


gnies erzählt. Der zweite Band fängt mit dem Auf: 
ftand der Vendee an, „dem einzigen Ereigniß in der 
Revolution, woran das Herz fich erlaben kann“; bie 
Vorleſungen fchliegen mit dem erften Parifer Frieden 
Dem Ganzen hat der Herausgeber drei Beilagen ange 
hängt, worunter ein Auffag Niebuhr’s von großem In— 
tereffe: „Uber die Finanzen des Kirchenſtaats“ (von 
Amtöwegen im. J. 1822 gefchrieben).. Worangejhidt 
find Stellen aus Niebuhr’3 gedrudten und ungedrudtn 
Schriften und Briefen zum Behuf der Darlegung ft 
ner politifhen Anfichten. Der Herausgeber fagt: die 
Bekanntmachung diefer Vorlefungen würde eine wi: 
fommene Gelegenheit gewährt haben, Lücken, welde die 
„Lebensnachrichten“ in Beziehung auf -Niebuhr's politi 
ſches Leben gelaffen, zu ergänzen, „wenn nicht die Ur 
ſachen, die vor fieben Jahren zum Schweigen hierükt 
deftimmsten, auch noch heute faft unvermindert gälten“. 
(Die Fortfegung folgt.) 


Der römiſche Bundesgenoſſenkrieg. Rach den Quellen 
bearbeitet von Adolf Kiene. Leipzig, Weidmam. 
1845. Gr. 8. 1 Thir. 22% Nor. 


Schon die Römer hatten die Meinung, daß der marfiſche 
oder Bundetgenoffentrieg an Wichtigkeit ale andern Kriegs, 
die ihm voraudgingen oder nachgefolgt find, übertroffen hakı 
und glaubten daher in der Beſchreibung deſſelben beſonder 
forgfältig fein zu müffen. Leider ift nur von dieſen Einzelhen 
ten verbältnigmäßig fehr wenig erhalten worden und um * 
verdienftlicher alfo da® Unternehmen, aus den Bruchftüden und 
den fiy oft widerfpregenden Erzählungen eine möglichft genau 
Gefchichte des Krieges zu verfaſſen. Dies hatte ſchon im 3. 
1812 W. Keferftein durch eine fleißige Stellenſammlung zu ft: 
reichen gefucht, dem im 3. 1834 C. U. F. Weiland mit einer 
zu Berlin erichienenen „Monographia de bello Marsico” fülgt 
ohne jedoch in feiner fonft beifalswürdigen &Schrift ſich durd 
irgend ein geiftige6 Princip leiten zu lafſen, und I 
Proſper Merimde im zweiten Bande feiner mit Map g: 
fchriebenen „Ktudes sur l’histeire romaine ‘‘, wd namentil 
die Kriegsereigmifle mit derjenigen überfichtlichen Klarheit dar 
geftellt find, in welcher fig die heutigen Franzoſen einen m: 
beftrittenen Borzug errungen haben. Die vorliegente Arie 
des Hrn. Kiene, der feinen deutſchen Borgange —** gar 
nicht gekannt bat und das Buch des Franzoſen erſt in M 
zweiten Hälfte feiner Ausarbeitung benutzen Soante, iſt uni 
tig von allen die gelehrtefte und gründlichfte. Dabei entbehtt 
fie auch nicht des Borzugs einer gefälligen Darſtellung un 
zeichnet fi) durch richtigen Bi und gute Beurtheitung da 
allgemeinen römijchen Buhände in einer erfrewlichen Weik a 

Hr. Kiene bat richtig eingefehen, daB Die Aufklärung mr: 
dyer Dunkelheiten im marſiſchen Kriege vor lem von cut 
richtigen Einficht in die römifhen Staatsverhältniffe abhing 
und daher auf den erften 100 Seiten das Rechtsverhaͤltniß der 
ttalifden Staaten zu Rom gefhitbert: Bir finden alfo bit 
fech& belehrende Abfchnitte Über die italiſchen Bundebftautt, 
die eiritates sine suffragie, die drei Arten ber Mumicipien 
die beiden Battungen der Praͤßeeturen, namlich Die campaı 
und die übrigen Veäfecturen, die Solonieflädte und bie for 
et conciliadule. Es würde aber für den Zweck der — * 
tigen Anzeige nicht paſſend ſein, viele geichrten Ausfuͤhrungen 
genauer durchzunehmen und ihre Abweichungen von Sarign 
Bumpt und Undım zu prüfen; wir müffen Dies andern Bit 








ken überlafien, wie cd denn von Kamipe im Januarheſte der 
„Zahrbücher für wiſſenſchaftliche Kritik“ von d. 3. gefshehen 
ft und beſchraͤnken und, nur dem Fleiße und ber klaren in 
fiht de& Verf. das gebührende Lob zu ertheilen. Als Belege 
neanen wir feine Erörterungen über die campanifchen Präfectu: 
ren, über die rechtlichen Verhältniffe der Stadt Caͤre und über 
die fora und sonciliebule.. Am Schluſſe fagt Hr. Kiene: 
„Daß ſich die Gleichheit der Rechte nach meinen Annahmen in 
den weſentlichen Punkten bei der großen Maffe der freien ita 
liſchen Bevölßerung größer auögemiefen hat als man jet ge: 
woͤhnlich annimmt, iſt für die gehörige Würdigung roͤmiſcher 
Staatdweisheit und für die Auffaffung der hiſtoriſchen Ent⸗ 
wickelung des römifchen Staats von großer Bedeutung. Hier⸗ 
aus vornehmlich erkennen wir, wie bei aller Achtung, welde 
der Römer vor beftimmten, gegebenen, biftorifchen Bufländen 
hegte, die beſtimmte Tendenz das ganze Staatsleben durch⸗ 
drang, unterworfene Völker durch allmaͤlige Annaͤherung an 
romiſches Necht und roͤmiſche Sitte er mit dem roͤmiſchen 
Staate zu verſchmelzen und ihm ſchließlich einzuverleiben. Daß 
man dieje der Entwickelung des römifchen Staats zum Grunde 
liegende Idee (Seneca's bezeichnended Wort in der „Consolatie 
ad Helviam”, ;, 2: ubicunque vicit Romanus, habitat, hätte 
zur Begründung angeführt fein Bönnen) nicht wenigſtens auf 
italiſchem Boden zum Biele führte, fondern engherzig aufgab, 
führte endlih zu dem furchtbaren Bundesgenoſſenkriege, der 
mit Einem Schlage erzwang, was ohne Gefahr für den Staat 
nur in alkmäliger Entwickelung gewährt werben durfte.“ 

Die genauere Entwicelung dieſes Sages enthält der zweite 
Abſchnitt, überfchrieben „‚Urfachen des Bundesgenofientriegch”. 
& wird nachgewieſen: daß erftens die Bewegungen der Bun: 
dehgenoffen zur Erlangung des Bürgerrechtö im engften Zur 
fommenhange mit Ser agrarifchen Gefengebung ſtanden; daß 
zweitens die Bundesgenoſſen ein in Rom ane annted Anrecht 
auf das römifche Semeinland hatten; daß drittens die Bergün: 
figungen, welche ihnen durch die Gracchen errungen oder in 
Ausſicht geftellt waren, durch die lex Thoria, der hier eine 
umfaflende Unterfuchung gewibmet tft, in ihrer weitern Aus: 
führung nicht nur volftändig aufgehoben, fondern in 8weck 
und Mitteln gänzli unmöglich gemacht wurden; baß viertens 
die Bunkbestruppen wol ihr Blut außerhalb Italien für bie 
Racht Yoms vergießen mußten (gleich wie Die deutſchen Bun⸗ 
dettrypen unter Napoleon), daß fie aber bei der Heimkehr 
rm Ver nur zu oft von den roͤmiſchen Großen in Befig ge 
nemmen fanden und ſich mit einem geringen Untheile an der 
riegibeute begmägen mußten; ein fünfter Grund endlich lag 
m den Gewaltthaten ber roͤmiſchen Magiftratsperfonen gegen 
die Bundesgenoflen und in der großen Schwierigkeit, bei den 
Gerichten Schutz gegen die Unterdrucher zu finden. Alles Dies 
efonmmgenommen machte den Bunbesgenofien die Erwerbun 
des roͤmiſchen Bürgerrechts hoͤchſt wünfdgenswerth, und es i 
richt urwaheſcheinuch, bereits drei Jahre Tang heimliche 
Verhandlungen unter ihnen ftattgehabt Hatten, als Livfus Dra- 
ſas im 3. dv. St. 663 28 unternahm, die Schäden der Repu: 
WR zu heilen und die drohende Gefahr abzuwenden. Hr. Kiene 
Hildert ihn als einen erniten, edeln Dann, den men mit gro 
fem Unrecht einen gemeinen Demagogen nennen würde, wenn 
auch ſchon bei feinem Leben die entfeſſelte Wuth der Parteiun⸗ 
gen die Reinheit ſeiner v dlichen Abfichten verdunkelte; 
er entwirft die Geſchichte feines Tribunats mit geſchickter Be: 

der fpärlichen Nachrichten und legt dem eigentlichen 
feiner Gefege und feines Wollens aus ihnen ben 2 


fern dar. 
Der Ted des Drufus, als deſſen Urheber Gr. Kiene 
fuß, efin Urde EAN 
amdlungen 


Tribun Q. Barius net HR ve 

a das Zeichen zum allgemeinen ; 

wurden nar dem Scheine nach verfucht: im I. 664 n. E. M. 
5* der Keieg mit voller Anſtreng von beiden Selten 
führt zu werden. Die Wechfeifille deſſelben vermögen wir 
er nicht aufzugählen, aber man wird die Mühe des Verf., 


sine moglichſt lichtuolle Geſchichte zu geben, nicht verkennen. 
Mehr als in andern Schriften ähnlichen Inhalts treten 
hier die inneren Perteitämpfe in Rom hervor, während 
man noch mit einem fo erbitterten Feinde zu fämpfen hatte, 
und der ın Preiftaaten vorzugsmweife unerlaßlihe Sinn für Ge— 
fegtichleit machte ſich nicht einmal unter den Begüterten gel: 
tend. Un Die ie der Begebenheiten treten Marius und 
Sulla, Beide ſchon frühzeitig Durch Herrfchfucht entzweit. Der 
Berf. hat die erſten Uinfänge dieſer Beindichaft zu verfolgen ger 
fucht und feine Combinationen durch die hierher bezüglichen 
Stellen aus Sulla's Genmentarien mit vieler Umficht begrün- 
bet; ferner die Dumkelheiten und Widerſprüche im Zribunate 
des P. Salpitius nach Möglichkeit aufgehellt und die beiden 
Parteien charakteriffrt, Die ſich in den drei erften Kriegsjahren 
in Rom gegenüberftanden, nämlid die der Richter und bie 
der gemäßigten Ariftofratie. Bei Liefer Gelegenheit finden 
wir unter Anderm folgende bemerkenswertbe Stelle: „Es 
ift eine unfeugbare Khakkuche der römischen Gefchichte, daß die 
gewaltthätige Überichreitung der gefeplihen Schranken von der 
Ariftofratie der romiſchen Republik ausgegangen if. Denn 
wenn auch der ältere Gracchus durch die Entfegung eines Tri⸗ 
bunen die Heiligkeit der tribuniciichen Macht verlegte, fo war 
es doch immer die ſouveraine, gefeßgebente Gewalt der Volks: 
comitien, an welche er auf gelegihem Wege die Entfcheidung 
brachte. Das Beifpiel zu Mord und offenbar gefegwidriger 
Gewaltthat haben feine Gegner, haben die Führer des Senats 
zu wiederholten Malen gegeben.” 


Die folgenden Abſchnitte behandeln den Bürgerkrieg zwi⸗ 
fhen Marius und Sulla, wo Hr. Kiene nicht gerade Ofen bar 
Partei für den Erften genommen, aber ihn hoc in ein richti- 
geres Licht zu bringen yefucht hat. „In dem Marius”, fagt 
er, „bat die römifche Nation dad legte Beifpiel echt ränufcher 
Plebejergröße ausgeprägt mit allen Zugenden und Laſtern des 
Plebejerd, wie fein Gegner Sulla den roͤmiſchen Adel reprä« 
fentirt in feinem Glanze, feiner Bildung und feiner gangen in: 
nern Verdorbenheit; und wie des Plebejerd Tugenden im Kampfe 
egen den Widerfland der Optimaten fich entwickelt haben, fo 
Bat der Neid und die Merfolgung des Adels auch feine Lafter 
und Schattenfeiten auf die Spige getrieben. Marius bat zu 
feiner Zeit feine Herkunft berleugnet, er war ftolg auf feine 
bürgerliche Lebensweife und feine bürgerlihen Sitten und machte 
fo felbft eine Verſchmelzung mit dem Adel unmöglich, der ihm 
feinen Buͤrgerſtolz noch weniger verzeihen Eonnte als feinen 
Ruhm. Sulla befaß den ganzen Stolz des römiſchen Op⸗ 
timaten; er bat, wie Bein Römer vor ibm, unbedenklich 
anze Nationen und Zaufende von Bürgern feiner eigenen 
öße hingeopfert.” Ein recht gelungener Abſchnitt ift der 
neunte: „Die Folgen ded Bundesgenoſſenkrieges“, in welchem 
der Berf. nachweiſt, DaB den Bundesgenoſſen die Erreichung 
ihres Bieles, das volle Bürgerrecht und die Abjtimmung in 
alım 35 Zrrbus, teuer zu ſtehen gefommen if. Denn durch 
die Art, in welcher diete olitifde Gleichſtellung erworben 
wurde, verwelkte Die WBiüte Italien, die Beroͤlkerung veraͤn⸗ 
derte ih, die Gitten vermildenten, die Zahl der Pleinen freien 
Landbefiger nahm ab, der italifche Aderbau verlor an Anfeben 
und Ehre und die Berdlkerung der Landftädte verringerte fich, 
indem Alle nad Rom zogen, die dort zu teben vermochten oder 
fih gern zu Chrenämtern aufſchwingen weiten. Endlich wird 
an dem Beifpieie des En. Yompejuß gezeigt, bi gu welchem 
Srade von Macht und Tinfluß 46 vingeine Männer in einer 
Republit bringen konnten, deren Berfaflung durch die po- 
litiſche Gleichſtellung der Bundesgenoſſen eine To bedeutende 
Umwandlung erfittn hatte. Wine eigenthümliche Anficht Hat 
Hr. Kiene über die Burüdberufung des Cicero aus — 
Verbannung entwickelt, die er vorzugsweiſe dem Einfluſſe des 
Pompejus in den Municipien und Tolonien zuſchreibt. Run 
iſt er war gegen Sicero gerechter als Drumann, aber gegen 
die von ihm aufgeftellte Anſicht laſſen fi doch manche 
Zweifel erheben. 





glauben durch unfere Anzeige auf die verfe en 
zenſchaften des vorliegenden Buches —E ge 
haben, dem es auch zu nicht geringer Empfehlung 
daß der berühmte K. F. Hermann in Göttingen das 
Bud) im Wanuferipte gelefen, es mit wertvollen 
gen audgeftattet und zum Druck deffelben gerathen 
ift alfo_bereit6 zum zweiten Male von Göttingen aus 
Ziht über die dunkein und verworrenen Zuftände des 
Krieges aufgegangen; denn fehen im 3. 1783 war 
ech den Kampf Englands mit den norbamerikanifdhen 
veranlaßt worden, das Programm „De belli Romani 
ausis et eventu“ in feiner gelehrten und geiftreichen 
ſchreiben, und wir wundern und, daß Hr. Kiene fo 
on diefer Vorarbeit geſchwiegen hat. 20. 


Bibliographie. 
ier, E., Das Bud von den Wienern. Hiſtoriſcher 
Drei Bände. Leipzig, Steinader. 8. 4Zplr. I5 Rgr. 
Duell ald Emancipation der Ehre, oder Beleuchtung 
vom geſchichtlichen, moraliſchen und politiihen Stand» 
Freiburg im Br., Herder. Gr. 8. 20 Nor. 
val, ©., Die Bergveften Kiffpaufen und Kothenburg. 
ginalanfichten. Nordhauſen, Förftemann. 8. 127, Nat. 
» 3. 8, Über die gegenwärtige Geftaltung unferer 
in der Schule und die Hinderniffe der. eifun diefer 
fowie der BVerfertignng ämeamäßiger 2efebücher und 
Freiburg im Br., Herder. Gr. 8. 5 Nor. 
iſche Gedichte aus neuerer Zeit. Nah Felicia He 
. &. Landon, R. Southey, A. Zennyfon, 9. 
‚fellow u. 9. von ®. Freiligrath. Mit dem 
der Mr. Hemans in Stapiftih. Stuttgart, Cotta. 
? Ihe. 77, Nor. 
8, D. R., Johann Huß, ein Zrauerfpiel. Dresden, 
8 24 Kor. 
the's Gedichte, erläutert und auf ihre Veranlaffun- 
Uen und Vorbilder zurüdgeführt, nebft Varianten ⸗ 
und Rachlefe von 5 Biehoff. fer Ipeil: Per 
Raturpoefie. 1765 — 1783. Düffeldorf, Bötticher. 
1 She. 15 Nor. 
tauß, R., Beige Roms vom Anfange des erften 
Kriegs bis zum Ende des puniſchen Sölbnerkrieges, 
Auellen geihöpft und dargeftelt. Ifter Band. Reip: 
leiſcher. Gr. 3. 3 Thlr. 15 Nor. 
ig, ©. B., Zeitbilder in Meinen Rahmen. Vermiſchte 
Altenburg, Helbig. Gr. 8. 8 Nor. 
tfpnigg, H. Ritter d., Weft-Defttih. Gedichte. 
oͤrſchner 8 Wroe. und Biandi. 16. 2 Thir. 
dmann, Ein Novellenbuch. Zwei Bände. 
"6 Biwe. und Biandi. 3. 2 Thlr. 9 Nor. 
Pindaros Werke in die Versmaasse des Originals 
von Joh. Tychon Mummsen. Leipzig, E. Fleischer. 
' Thlr. 15 Ngr. 
ther, R., Ein Jahr. 
Nördlingen, Bed. 8. 





Bien, 


Pocfieen-Eyclus auf eine Jah⸗ 
1 Kol. 


d, G. Heren Anton’8 Bünde. Roman. Zwei heile. | 


» Halberger. Kl. 8. 2 Thir. 
- Der Teufelefumpf. Stuttgart, Hallberger. Kl. 8. 


lets, T., Ausgemwäplte humoriſtiſche Romane. 
Mer Band: Roderid Random. Aus dem Engliſchen 
von E. Keller. Stuttgart, Halberger. Gr. 16. 


- Derf. ter Band: Ferdinand Fathom. Aus dem 
\ dierteot von ©. inf. Stuttgart, Hallberger. 
ar. 


PN €, Amer danı Sin. Cine Seſchichte, an 
er; vom Prof. Wilhelm Lucifer und heraı br 
Son ıc. Ifter Band. Mit einem Zitelbilde. nn 
8. Preis für beide Bände 2 Thir 

After und 2ter Band. 


Gpindler, €, Battsgefhiten, 
Stuttgart, Hallberger. 8. 1 Zpir. 15 

Stein, 3.€., Ein vollftändiger Gonkrmationsad. Rach 
bes Berf. Tode Herausgegeben und mit deffen Lebensgefäigte 
verfehen ton 3. 9. Stein. Rinteln, Böfendapl. 8. 7Y, Ryr. 

Die Toqchter einer Schriftftellerin. Bon der Berfaflerin 
ber „ante Anna”. Aus dem Dänifhen von Emell. mei 
Zeile. Hamburg, Laeisg. Gr. 12. 1 Xpfe. 

Schwäbifcer VBolksbilderfalender für 1847. ter Jahr: 
gang. Stuttgart, Krabbe. 4. 10 Nor. 

Bagenfeld, B., Die Kriegsfahrten der Bremer zu Lande 
und zu Waffer, zur Begründung umd Belhirmung ihrer Ur 
obpängigteit. Bremen, Kaifer. 8. 1 Thir 10 Kar. 

ai, 3, Grundlegung der Pſychologie. Rebft eine 

Anwendung auf das @eelenleben ber Thiere Befonbers die In: 

engen Hamburg und Gotha, F. und U. Perther 
rt. t. 


Weber, D., Gedichte. Ifte Sammlung. 2te vermehrte 
Auflage in neuer Ordnung. 2eipzig, Engelmann. Gr.8. 1 Lhr. 

eiske, 3., Die Quellen ded gemeinen fächfifhen Red: 
tes. Beipgig, Binziht. Gr. 8. 1 Xhlr. 

Würth, 3.0, Das Stadtrecht von Wiener » Reuftatt 
aus dem 13. Jahrhundert. Gin Beitrag zur öfterreichifchen 
Rechtsgeſchichte Wien, Solinger. Gr. 8. 14 Rgr. 

Byfe, Francis, Die vereinigten Staaten von Rord— 
amerifa, deren Verfaſſung, Redtöpflege, Sektenween, Behr 
anftalten, Handel, Finanzen, Heer, Flotte, &claverei, Ge 
ſchichte und Geographie. Rebft Rathfchlägen für Auswanderer 
und einem diplomatifhen Anhange. Fuͤr Deutfche bearbeitet 
ms Amthor. Drei Bände. Leipzig, Renger. 8. 2 .:Tpr. 

ar. 

Soller, E., Die Bibliothekwiſſenſchaft im Umriffe. Stutt 
gart, Weife. 9. 22%, Nor. f 








Tagesliteratur. 


Adreſſe der Holfteinifpen Stände-Berfammlung am 21. 3ui 
1846 an &e. Maj. den König von Dänemark, in eranlaf: 
fung des offenen Sriefes vom 8. Juli 1346. Hamburg, Kitt: 
ler. Gr. 8. 2 Nor. 

Bericht über die erſte deutſche Schriftftellernerfammlung, 
galten # 8 am 27.—M. April 1845. Reipzig, Schr. 

r. 8. It. 


en Be a aenfeh unferer Zeit, mie 
er in unferer Landeskirche geftaltet. Hamburg, Meftier mt 
Dede. Br. 8. 5 War. u Re 

Helferich, Über die Einführung der Kapitalstener 
in Baden. Tübingen, Laupp. Gr. 8. 5 Ner. 

Huß, €.3.9., Über die Errichtung von Smangsarbritk: 
anftalten in den Hergogthümern Schleswig und Holftein. Ham: 
burg, Refler und Melle. Gr. 8. 15 Nor. 
| Protokoll der erften Konferenz des Batholifhen Sonderbu: 
des abgehalten den 13. und 14. Herbftinonat 1843 im Bade 
Rothen bei Luzern. Herausgegeben von Prof. K. Herſog 
Bern, Bifher. 8. 3 Nor. 

Kübel, C., Lepte Mahnung eines ſcheidenden Geclior 
gers. Abſchieds · Predigt über I. Cor. 15, 58. Memmingen, 
Befemfelder. Gr. 8. Nor. 

Volksfalender für das Zahr 1847. Leipzig, Hirfhfeld- 
Sr. 4. 5 Ror. 

Die Bahrkeinlickeit einer ferneren beträchtlichen Preib- 
Steigerung des Grund und Bodens — zunächft in Medien 
| burg — nachgewieſen von einem Unbetpeiligten. Reubrandrn: 
' burg, Brünslow. 8. Nr. 








Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Wrodpans. — Drud und Werlag von F. W. Wrodhans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


— Kr. 259, — 


10. September 1846. 





Geſchichte des Zeitalter der Revolutim. Vorleſungen 
an der Univerfität zu Borm im Sommer 182% 
gehalten von B. ©. Niebuhr. Zwei Bande. 

(Fortfegung aus Nr. 252.) 

Die oben bezeichnete Periode nun, vom Beginn ber 
Gefeggebenden Verſammlung bis zu den Ereigniſſen bes 
Zhermidor wollen wir aus dem angeführten Grunde zu⸗ 
af in nähere Betrachtung. ziehen; ihre Behandlung bei 
Niebuhr zeige am bdeutlichfien, wie und wodurch es ge 
fhah, dag fein Urtheil über ganze Zeiträume und Per- 
fonen in die Gefangenfchaft momentaner Eindrüde ge 
tieth. Er hatte ein heftiges Gemüth und zugleich ein 
tief ſittliches Gefühl für Recht, ein Beduͤrfniß nad 
Ordnung, einen angeborenen unb anerzogenen Sinn für 
Mas und Befeglichkeit in allen Stücken. Aus diefem 
Grunde war ihm alles Bemaltthätige, alles Mevolution- 
naire zumider; er haßte die Revolution weit mehr nach 
moraliſch als politifh; ba er aber viel zu fehr Hifteri- 
fer war, um nicht zu wiffen, daß gegen Despotismus, 
gegen willkürliche Herrfchaft und faule Verkommenheit 
die Revolution haufig. das alleinige Mittel ift, und folche 
Zuftinde ebenfo feinen ganzen MWiderwillen erregten, fo 
fehen wir ihn ebenfo oft verfchieden geſtimmt als er nad 
der. andern Seite bin erregt iſt. Unwandelbar bleibt 
nur fein fittliches Gefühl, fein Sinn für Humanität, 
für Freiheit, Geiftesbildung und VBürgertugend. Wo er 
dieje unterdrückt fieht, empört er fih und in ſolcher Auf- 
tegung fheint er für jebe andere Erwägung. unzugäng- 


id. Er ſagt zmar einmal fehr ſchön: „Das formale, 


Recht ift zwar eine nothivendige Sache, aber in taufend 
Xhensverhältniffen iſt es eine Sklaverei, von ber eine 
höhere Stimme löft, und die Nothwendigkeit wird Recht; 
es gibt in politifchen Verhältniffen Lagen, in denen man 
ein Vaterunfer beten und darauf gehen muß...”, aber 
6 kommt hierbei Alles auf das Kriterium folcher Noth- 
wendigkeit an, und in der Beſtimmung deſſelben finden 
wir Niebuhr fehr unficher, je nachdem er fo oder fo 
affcirt if. Man ſieht mol ganz deutlih, daß er. nicht 
etwa nur den regelmäßig. conflituirten Gewalten die Be⸗ 
fügniß einräumt „Darauf zu. gehen“; denn nad) ihm hat- 
tn die Griechen bas Recht des Aufftandes gegen die 
Lirten, die Broteftanten hatfen e8 gegen Ludwig XIV., 


gen die englifche Regierung; fogar gibt er dies Recht 
dem britifchen Parlament gegen Karl I. und begreift, 
„daß ein mächtiger Theil ber Nation fich leidenſchaftlich 
für daffelbe erhob”. Auch die Lüttiher Hatten gegen 
ben Fürftbifhof Recht und die Niederländer gegen Phi⸗ 
lipp. Wenn er daffelbe Recht aber den Franzofen ſtrei⸗ 
tig macht, weil bie konigliche Gewalt in Frankreich „feit 
Jahrhunderten im Befige der. Steuern und ber. Bcfeg- 
gebung geweien”, muß man bann nicht fragen: ob das 
Recht diefes Beſitzes ein anderes war ald nur ein „for: 
males“? Muß man nicht überhaupt fragen: ob die 
Rechtspunkte bei diefem ganzen Problem nicht von un- 
tergeordnneter Bebeutung find, im Vergleich zu den hö- 
bern allgemeinen Ideen, von welchen die Zührer ber 
franzöfifchen Revolution geleitet wurden? Wer ſich ge- 
gen Unterdrüdung auflehnt und gegen Rechtöverlegung, 
wie Niebuhe es geftattet, ankaͤmpft, mag gerechtfertigt 
fein und, body ſtehen; höher aber fleht immer mer aus 
ideeller Überzeugung. heraus handelt, um die öffentliche 
Ordnung ber Anficht gemäß zu geftalten, die er vom 
Staat hat; höher felbft dann, wenn dieſe Anſicht eine 
irrige wäre. Für das Leben, für ben Beſitz, für die 
Seinigen ftreitet auch das XThier; für Ideen und bie 
Verwirklichung berfelben der Menfch allein. Daher ba- 
ben auch Kämpfe ber legtern Art, veligiofe oder politi 
fe, für die Menfchengefchichte eine weit höhere Be⸗ 
deutung als die Kämpfe ber erflern; ihre Wirkung ift 
eine viel allgemeinere, tiefer greifende, und daher haben 
alle europäifhen Revolutionen zufammengenommen nicht. 
die Michtigfeit für uns, welche ber Reformation und 
der franzöfifhen Revolution zulommt. Befugniſſe aber 
diefer Axt, welche auf allgemeinen, oder wenn man will, 
theoretifchen Anfprüchen. beruhen, ließ Niebuhr nicht gel- 
ten; er hatte im Ganzen keinen Sinn und am alle: 
wenigften Vorliebe dafür und, betrachtete alle aus dieſer 
Quelle bervorgehbenden Motive theild mit einem Blide, 
der auf diefem Gebiete fi) fremd fühlte, alfo ungern 
darauf vermweilte, theild aber auch mit einem Unglauben, 
welcher, man muß e8 leider geftehen, ducch den unend> 
lichen Misbrauch, der mit folder Geſchichtsbetrachtung 
getrieben worden, nur allzu fehr gerechtfertigt exfcheint. 
Indeß fehen wir dieſe Abneigung Niebuhr's oder, wie 


die irlandifchen Katholiken im vprigen Jahrhundert ge: | Andere es nennen würden, feine Unfähigkeit, ſich auf 


0.1010 


- 


diefen Standpunkt zu flellen, als feine größte Mangel- 
baftigkeit an. Man findet jedocd niemals und nirgend 
alle Borzüge zufammen, und fehlt ein Hiftoriter nad) 
einer Seite hin, fo fiheint ed uns beffer, wenn er bie 
Ideen in der Geſchichte eine zu geringe, als wem er ſie 
eine zu große Rolle fpielen läßt. Die Geſchichtſchreiber, 
welche in den legtern Fehler verfallen find, haben mehr 
zur Entftellung der Geſchichte beigetragen und die Er- 
kenntniß des Weſens, befonders der franzöfifchen Nevo⸗ 
Iution, mehr irregeleitet als die Andern, welche das theo- 
retifche Element ganz außer Acht liefen. Aber das Eine 
wie das Andere bleibt eine Einfeitigkeit. Niebuhr gibt 
zwar zu, daß die fpeculative Anfiht vom Staate als 
einem auf Vertrag gegründeten Inftitute vor und in 
der Revolution allgemein herrſchend gewefen; daß „die 
Männer in Frankreich, welche eine Veränderung der 
Berfaffung herbeiführen, Himmel und Erde ummerfen 
und eine neue Verfaffung auf den Bafen der Menfchen- 
rechte bilden wollten, faft alle fpeculativ waren’; cr 
fpriht auch zu wiederholten Malen aus, daß „unter die— 
fen Irrenden Wohlmollen und eine reine Gefinnung fehr 
verbreitet war und die Majorität in die Zerftörung mit 
der beften Abficht hineinging“; wenn er aber fpäterhin 
in der Mitte der Begebenheiten ift und die Scenen die: 
fer Zerftörung vor fih hat, fo unterjocht ihn der Ein- 
druck derfelben: er wird aufgebracht, die Greuel, die er 
in den Wirkungen erblidt, bemweifen ihm, daß auch in 
der Urfache Nichts als Greuel zu finden fein müffe; und 
ex ift ſchlechterdings nicht mehr geneigt, Gedanken höhe: 
ver Art, wie er fie eben noch als maͤchtig und herrfchend 
anerfannt hat, irgend als Motiv gelten zu laffen. 

Es ift etwas ganz Naives in Niebuhr's Natur, und 
man darf wol Jeden beklagen, der nicht, felbft da wo er 
ihm Unrecht geben muß, doch mit ihm zu empfinden im 
Stande if. Die Kritik aber darf ſich nicht irremachen 
laflen; fie ehrt Niebuhr, aber fie hat noch mehr die 
Geſchichte zu ehren, und es wird ihr um fo leichter, dieſe 
Unterfcheidung feftzuhalten, ale Niebuhr durch feine eige- 
nen zahlreichen Widerfprühe und Ungleichheiten- fehr 
wohl erfennen läßt, wo er frei und wo er unter der 
Herrſchaft eines Affects urtheilt. Wie ruhig faßt er 
beim Beginn der Gefeggebenden Verſammlung die Giron- 
diften auf! Die Deputirten von Bordeaus, fagt er, wa⸗ 
sem die bedeutendften Männer der Berfammlung; in 
diefeer Stadt „wirkte noch die Weihe, weldye der 
große Montesquieu ihr gegeben”; es waren Männer 
„von entfchiedenem Talent und bedeutender Beredtfan- 
keit, doch ganz ohne Bermaltungsbegriffe, Sophiften und 
umbratiles”, im Anblid bes Schaufpiels der amerifani« 
Iden Revolution erwachfen, von wo „der republifanifche 

nfluß ſich ihrer jugendlichen Gemüther bemädhtigt hatte”. 
Selbſt von Briſſot fagt er noch nichts Schlimmeres ale 
daß er tief unter den Girondiften geftanden habe unb 
die Philofophie der Encyklopädiften feine ganze Weis- 
beit geweſen ſei. Sobald aber Niebuhr den Anfang 
des 3. 1793 erreicht Hat, find ihm diefelben Menfchen 
Spitzbuben und Meineidige, „Menfchen, die ebenfo gern 





wie die Jakobiner die ganze Vendée in eine Würflene 
verwandelt haben würden”. Gr hat felbft im Eingang: 
der Revolutionsgefchichte davor gewarnt, in den Revolu- 
tionsmännern nicht nur Böfewichter zu fehen; „es war”, 
agt er, „eine Zeit der Aufregung, von der wir jept ki- 
nen Begriff haben; die Verirrung auch der Bellen ent⸗ 
ftand aus der Verwotrenheit der Begriffe über die bir: 
gerliche Geſellſchaft“. Auch fpäter noch, da er von den 
Montagnards ſpricht, will er, daß man bie eingefleifd: 
ten Böfewichter, gegen welche die Gefchichte nicht „in: 
dulgent” fein dürfe, von den Fanatikern unterfcheide, 
„die noch immer die wahnfinnigen Vorftellungen cine 


Zuſtandes allgemeiner Simplicität, Ausrottung aller Ver: 


fhiedenheiten u. f. w. hatten, worunter zum Theil aus 
gezeichnete Leute waren von trunkenem, entfeglichem aber 
fehr mertwürdigem Enthufiasmus”..., alle diefe War⸗ 
nungen aber gehen an ihm felbft gerade in denjenigen 
Augenbliden verloren, für die fie eigentlich beflimmt wa⸗ 
ren. Es macht einen feltfanen Eindruck, wenn man 
ihn bei der Charakteriftiit Robespierre's fagen  hirt: 
„Seine Zwede find ſchwer zu ergründen”, gleich darauf 
aber diefe Charakteriftit damit gefchloffen findet, daß 
man in Robespierre Nichts zu ſuchen habe als einen 
tigre altere de sang, einen Vernichter aus Reid un 
„bloßer Zerfiörungsluft”. Kann ein Soldyer Zwecke ge 
habt haben, die ſchwer zu ergründen $ 

Man fühle fehr deutlich, auf welche Art diefe Vermir: 
rung und Unbeftimmtheit in folcyen Fällen bei Niebuhr ent- 
ftand: er wurde fortwährend zwifchen moralifchem Abfcheu 
einerfeits und feinem biftorifhen Gewiſſen andererfeits, das 
ihn auch gegen den Irrthum gerecht zu fein mahnte, hin- 
und hergeworfen; der moralifche Abfcheu aber behielt fo oft 
die Oberhand bei ihm, als er das Schaufpiel des Har- 
dens, der wahnfinnigen Zertrümmerung vor Augen hatte, 
deſſen Anblid ihm fehlechterding® unerträglich war. Bon 
Nobespierre ſagt er noch: „Ohne Herrfchergabe, ohne 
Kenntniffe der Abminiftration und der Verhältniſſe, ohne 
Fähigkeiten glaubte er nah dem Primat im Staate 
ftreben zu können, ein Unternehmen, das ihm unbegraf: 
lich glüdte.” Das heißt nun freilich über ein hiſtori⸗ 
ſches Problem, wie es die Herrſchaft Robespierre's iſt 
raſch hinwegſpringen. Niebuhr's ganz begreiflicher Haf 
eines ſolchen Menſchen läßt ihn durchaus nur das Hif 
liche in ihm wirkſam finden; er wird wol aud ned 
Anderes an ihm gewahr, aber in dem Augenblid, da tt 
fi ihn handelnd vergegenwärtigt, vergißt er Das; er 
fpricht ihm fogar, wie eben gefehen worden, Fähigkeiten 
ab, und denkt nicht daran, daß er felbft foeben erſt ge 
fagt hatte: „Sein Zalent war durdaus nidt un: 
bedeutend und er befaß große Beredtſamkeit.“ Das, 
wodurch Robespierre's Emportommen, fein beifpiellofe 
Einfluß und feine Macht fi) allein erklären laffen, daj 
ee in allen feinen Reben und Debuctionen das Tugend 
princip als höchftes obenan ftellte, ungefähr nach ber Auf: 
faffung des ITugendbegriffs, wie fie in Deutfchland in 
der Auftlärungsperiode üblich mar (Robespierre hatte in 
feiner Manier zu denken überhaupt Viel von eimem 


w11 


Dentſchen), daß er feine Feindſchaften, feine Berfolgun⸗ 
gen, ale feine politifhen Maßregeln aus diefem Prin- 
cüp heraus vertheidigte und als gerechtfertigt darſtellte; 
daß er den allgemeinen Glauben an feinen Ernſt in die⸗ 
fen Dingen durch feine Armuth und notorifche Unbe- 
Erhlichkeit unterftügte; dag er überdies durch hartnädi- 
gen Stolz und Wereinzelung die Menfchen zmang, un: 
auögefept an ihn zu denken; endlich, daß er den „Contrat 
social’’ zu feinem politifhen Codes gemacht hatte, in def. 
fen Theorien er ganz lebte und um deren Verwirklichung 
es ihm um jeden Preis zu thun war: — Dies Alles 
bringt Niebuhr nicht in Anfchlag, obgleich einzig und 
allein durch das Hinzutreten biefer ideellen Momente zu 
den niebern Leidenfchaften des NRobespierre'fhen Eharaf- 
ters es gefchehen konnte, daß in biefen Menfchen bie 
Revolution wie in ihre höchfte Spige auslief und der 
Name Robespierre einen Klang behalten hat wie fein 
anderer neben ihm. Aber Niebuhr's Abneigung ift 
zu heftig, er vermag nur jene niedere Seite hervorzu⸗ 
heben. 

Es gibt — fagt er in der Schilderung Robespierre's — 
keine unglüdlichern Charaktere als die nicht fehr große Anla: 
zen haben, aber zugleich einen Reid, der alles Eminente als 
ſolches gleich haßt; ſolche finden fich leider fehr oft. Beſonders 
auch finden fie fi in den Wiffenfchaften; fie rotten fi mit 
Kügen und Züden gegen alles Ausgezeichnete zufammen, be: 
[Auldigen jie der Blagiate u. f. w. 

Man fieht, der Widerwille ift beinahe perfönlid. 
Bären die gefammten Vorleſungen fo gehalten wie bie, 
weiche jenen Zeitraum umfaffen, fo würde man fie al- 
lerdinge nur für einen Beitrag zu Niebuhr’s Leben an- 
ſehen tönnen. Es muß auch noch hinzugefügt werben, 
dag nicht blos die Darftellung diefes Zeitraums, fondern 
die ganze Anficht der erften Bewegung der Revolution 
an demfelben Mangel leidet, und eine geiftige Befugniß, 
ein aus Gründen entwidelterer Einfichten und Bebürf- 
niffe heworgehendes Streben nad) Staatsveränderung 
gar nicht anerkannt ifl. Daß Niebuhr die Befchwerden, 
welche das franzöfifche Volt unter dem alten Zuftande 
ju tragen hatte, erträgliche nennt, darüber ift nicht nö⸗ 
big mit ihm zu flreiten, da er ſich felbft durch bie 
härffien Außerungen, die er andern Stellen macht, am 
beften widerlegt. Der Mangel ift nur, baf er über 
haupt bei den Beſchwerden, gleichviel ob fie Teidlich ober 
unleidlih waren, ftehen bleibt und den höhern Intereſ⸗ 
fen eine Aufmerkfamkeit zumendet, nicht an fie glaubt. 
Auch hierbei war ohne Zweifel fein Gemüth thätig. Er 
hatte den guten Ludwig XVi. vor Augen, fah und fühlte 
wie redlich es biefem Fürften um Verbeſſerung der Lage 
feines Volkes zu thun gewefen und empfand mit ganz 
figentlich theilnehmendem Schmerz bie ihm angethane 
Gewalt. Es ift gar Feine Frage, daß, wenn die Revo⸗ 
Intion unter dieſes Könige WBorgänger, etwa in den 
Jahren als die Dubarıy ihr Wefen trieb, angehoben 
und ihre Koderungen geftellt hätte, Niebuhr weit andere 
über ihre Berechtigung würde geurtheilt haben. . 

: (Die Bortfegung folgt.) 


Des pensdes de Pascal, par Victor Cousin. Nouvelle 
edition revue et augmentee. Paris 1845. 


‚Das weentlichfte Verdienſt, welches Coufin fi um bie 
Philoſophie erworben hat, beſteht in der Anregung, die von 
ihm ausgegangen iſt, und in dem Eifer für die philoſophiſchen 
Studien, ben er durch Schrift und Wort einigen jugendlichen 
Bemüthern eingeflößt hat. Das eigene Syſtem, welches er fich 
aus deutfchen und ſchottiſchen Elementen zufammengezimmert 
bat, oder richtiger, der unfpflematifche Eklekticismus, dem er 


ſelbſt huldigt, ift in Deutfchland Längft ſchon als unprobehaltig 


abgefertigt; und jelbft in Frankreich, wo das Wort bes Meifters 
natürlich eine Seit lang Schule madyen mußte, fängt der Blaube 
daran an wankend zu werden. Die jüngern Philoſophen be: 
ginnen allmälig felbjt an die Quellen beranzutreten, auß denen 
Eoufin gefhöpft hat, und fie erfennen zum Theil ſchon, wie 
ſich das Waſſer des frifhfprudeinden Quells deutfcher Phildſo⸗ 
phie unwillfürlid, im Becher des franzöfifhen Mundſchenks ge 
trübt hat. Beſonders ftellt es ſich immer deutlicher heraus, 
daß Eoufin nicht im Stande geweien ift, die feine Gliederung 
der neuern Philofophie und ihr tiefere Wefen in feiner Tota⸗ 
lität zu erfaſſen. 

Wir find indeffen weit entfernt, durch dieſe Bemerkungen, 
welche in ſchlichten Werten eine Thatſache hinſtellen, Coufin 
herabfegen oder feine Verdienſte fehmälern zu wollen. Ohne 
ihn lägen die philofophifhen Studien in Frankreich noch im 
Argen. Ia, wir fönnen unbedingt behaupten, daß fein Wort 
bauptfächlih mit dazu beigetragen bat, feinen Landsleuten einen 
Begriff oder wenigftens eine dunkle Ahnung von Dem einzu: 
flößen was Philoſophie if. Bis dahin hatte man im Allge 
meinen jene nüchterne Lebensweisheit darunter verftanden, welche 
ſich über allerlei verfchiedene Zragen der alltäglichen Lebens⸗ 
verhältniffe oder höchftens über einige abgeriffene Probleme ohne 
inneren Zuſammenhang in faden abyebrofchenen Redensarten er: 
geht. Wir erinnern und noch der Schilderungen von Augen» 
zeugen, welche und von dem tiefen Eindrucke erzählen, den die 
lebendige Rede Eoufin’6 auf die Gemüther feiner Zuhoͤrer machte, 
als er zuerft den Vorhang, welcher bis dahin die philofophifchen 
Beftrebungen anderer Nationen vor den Augen der Franzoſen 
verhüllt hatte, ein wenig luͤftete. So unvolllommen auch diefe 
Andeutungen noch waren, fo ſchien doch Bielen, in deren Ge⸗ 
müthern fich ein ungewohnter Drang zu regen begann, eine 
neue Welt fih zu erfchließen. Das Glück wollte, daß Eoufin 
nach Verlauf von einigen Jahren zu einer einflußreichen Stel⸗ 
lung gelangte, welche ihm die Mittel und die Gelegenheit bot, 
im Interefle feiner Wiffenfchaft fördernd und anregend zu wir« 
ten. Man muß ihm das Zeugniß geben, daß er feine Stellun 
und feinen Einfluß redlich benugt hat, um feiner Sache na 
beftem Wiſſen und Gewiſſen Vorſchub au leiften. Als Miniſter 
des Unterrichts hat er die Neigung zu den philofophifchen Wiſ⸗ 
ſenſchaften, welche er felbft zuerft den jugendlichen Gemüthern 
feiner Buhörer eingepflangt hatte, nach Kräften genährt und be: 
fördert, und in feiner anderweitigen Stellung, welche er als 
Mitglied bed Unterrichtöraths bereits feit längerer Beit behaup⸗ 
tet, bat er mit Aufbietung feiner ganzen Energie den Angriffen 
fortwährend die Gpige geboten, durch welche man von verſchie⸗ 
denen Geiten ber das Studium der Philoſophie an ber Wurzel 
zu befchädigen und zu vernichten verfucht hat. 

Es hat fih fehr gadih gefügt, oder vielmehr, es war in 
der Ratur der Sache begründet, daß man, nachdem bie erften 
Schüler Eoufin’s in Bezug auf die Richtung ihrer wiſſenſchaft⸗ 
lichen Arbeiten in der Irre umbergetappt waren, allmälig an- 
gefangen hat, fich der Geſchichte der Philoſophie vorzugsweiſe 
uuwenden. Das Weſen der Speculation, wie wir es ver 

ben und faflen, liegt im Grunde dem Charakter der franzoͤ⸗ 
fifchen Ration fo fern und es bedarf, che die Philofophie einen 
wirklich allgemeinen Anklang finden kann, eines fo bedeutenden 
Umfhwungs in der Dentungsweife der Franzoſen, daB wir 
überzeugt fein müffen, das erwünfchte Ziel laſſe fi auf dem 








018 


hiſtoriſchen Wege am leichteſten erreichen. Es wird ihnen viel 
weniger ſchwer werden, ſich der Reſultate unſerer Denker vom 
hiſtoriſchen Standpunkte aus zu bemaͤchtigen, als wenn man 
Be gleich zwingen wollte, ſich mit ihrer eigenen Flugfraft zum 
Gipfel der Speculation aufzuſchwingen. Sie beduͤrfen uum 
einmal: eines gewiffen pofitiven Bodens, und: diefer wirb ihnen 
in- der Geſchichte der Philofophie noch am ficgerften gewährt. 
Zwar werben fie. auch bier nicht. gleich. den nothwendigen inner 
Entwidelungsgang, welcher die verfchiebenen Syfteme und Phi⸗ 
loſopheme nur al& Die einzelnen Welten ein und befielben Stromes: 


erſcheinen läßt, zu erkennen im Stande feins aber fie werden ’ 
almälig an die Gntäußerung. der. praktiſchen Bezie⸗ 


fib doch ‚Die Gr 
bungen, welche das philofophifche Denken verlangt, gewöhnen. 


Dabei. kann e8 nicht fehlen, daß bei einer hiforifchen Behand: 


lung der Philofophie auf die Dauer viele Gedankenkrime auß: 
geftweut werden, welche ſich nothwendigerweiſe mit ber Zeit ent: 
wickeln und entfalten müffen. 

&o haben wir beveit& einige ganz gediegene Arbeiten: über. 


einzelne Theile der Geſchichte der Philofophie erhalten, welche 


ganz: geeignet: find, unfere Aufmerkſamkeit auf diefe neue. Rich 
tung zu lenken. Sie find doppelt beachtenswerth als erfte Lei: 
ftungen einer Schule von jungen Gelehrten, welde ihren erften 
Antrieb aus dem anregenden Verkehre mit Eoufin bekommen 
haben und bie, begeiftert durdy fein Beiſpiel, fih der Philoſo⸗ 
pbie mit. Eifer zumenden. Ihr. Streben ift hoöchſt achtenswerth 


und ihre Erſtlingswerke bieten zum Theil ſchon intereffante: 
Öland nicht: überfeben werben 


Mefultate, welche felbft in Deut 
dürfen. 


Diefe. fpecielle. Beruͤckſichtigung, welche feit einiger Zeit in 
Frankreich, vorzüglich von Seiten der jüngern angehenden Ges 


Iehrten, der biftorifchen Poeiie der Philofophie gewidmet wird, 
bat; wie das Intereſſe für diefe gefammte Wiffenfhaft überhaupt, 
in Coufin's Vorgange ihre. erfte Anregung gefunden: Rad 
dem ex der Begründung eines felbftändigen Spftems entfagf 
zu. haben fcheint, hat derfelbe nämlich jelbft: feinen philofophi- 
[den Studien mehr eine hiftorifhe Richtung gegeben. Anfangs 
eſſelte ihn die fpatere geiechifche Philoſophie; befonderd war es 
die Platon'ſche Lehre, welche fein: Interefle in Anſpruch nahm. 
Ginige gediegene Werke zeugen von dem Ernfte, mit dem er 
fich diefen Forſchungen hingab. In neuerer Zeit bat er aber 
feine Aufmerkſamkeit mehr dem wichtigen Gährungsproceſſe ge: 
‚widmet, in dem fih die franzöfiiche Philofophie. waͤhrend des 
16. und 17. Jahrhunderts befand. Eine Geftalt war es vor 
Allem, welde feine Augen auf ſich zog und um die fich feit 
einiger Zeit faſt alle Studien Eoufin’s zu drehen fcheinen. Wir. 
meinen Pascal, dieſes hervorragende Genie, das, obgleich. e& der 
Philoſophie als einer trügerifchen und gefährlichen Geliebten 


entfagen zu müfien glaubte, doch wie mit unmiderftehlicher Ge: 


malt immer wieder fih in ihre Arme warf. 

Es ift bekannt, welche glänzende Ergebniffe die auf diefen 
Phuofophen bezüglicgen Forſchungen Coufin’s gekrönt. haben. 
Man wußte wohl, daB vorzüglich das Hauptwerk Pascal’s, Die 
„Penaées“, durch manche Milderungen und Beränderungen, 
welche nicht vom Verf. ſelbſt herrübrten, entftellt und verun: 
ftaltet worden war; aber eine forgfältige, ind Einzelne gehende 
Kritik war. mit dem Texte noch nicht vorgenommen. @oufin 
bat fih Liefer wichtigen aber fchwierigen Arbeit mit. ebenfo 
viel Hingebung und Ausdauer als Erfolg unterzogen. Daß 
Süd hat. wohlgewollt und hat. ihm Doceumente in die Hände 


geführt, welche ihn in den Stand geſetzt haben, . dieſe unver: 
gleichliche Schrift faft in urfprünglicher Geſtalt, entkleidet und 


gefäubert von allen Flecken und Berfälfhungen, wiederherzu⸗ 


ftellen. Einzelne Partien derfelben erſcheinen dadurch in einem: 


ganz neuen Lichte, und das Gepräge des Ganzen hat an Kraft 
des Gedankens und Energie des Ausdrucks außerordentlich. ge: 
wonnen. Mancher glänzende Zug war von ängftlicher oder zum 
Theil auch von feindfeliger Hand verwifcht, manches fchlagende 
Wort durch eine laue Wilderung geſchwaͤcht und mancher tief: 


finnige Gedanke vardreht und entſtellt. Alle dieſe Malel, welche 
bis jegt dem Meiſterwerke Pascal's anhafteten, find nun in ber 
von Koufin beforgten Ausgabe, foweit es der forgfältigften Ari: 
tif gelingen Ponnte, getilgt und gehoben. 

Der: Bleib und die Aufmerkfamkeit, welche Eoufin diefen 
Unterfuchungen lange Zeit hindurch mit wahres Aufepferung 
ja mit Selbfiverleugnung. gewidmet: hat, find auch in anderer 
Beziehung nicht ohne Fruͤchte geblieben. Gr bat fi dadurch 
naͤmlich fo fehr in die Anſchauungsweiſe Pascal's verfenkt und 
hineingelebt, daß fi ihm zum Theil fehr bebeutungsuole Auf 
ſchluͤſſe, welche auf dad Weſen der philofophifchen Unfihten def 
felhen ein neues Licht werfen, ergeben haben. Ginen Theil dir: 
fer Refultate hat ex bereits. in verſchiedenen höchft. gediegenen 
Auffügen niedergelegt, welche wir hoffentlich nur als PVorliv: 
fer einer umfaffenden, zufammenbhängenden Darftellung an: 
fehen haben. Sie finden ſich gefammelt in der Schrift 


Titel wir an die Spitze dieſes Auffapee geftellt haben. Bi: 
n, 


neue Audgabe, welche wir davon erh bat einige Veraͤnde 
rungen erlitten;. diefelben verrathen den raftlofen Eifer, mit 
dem der Verf. immer wieder auf das Studium feines Lieblinze: 
ſchriftſtellers zurückkommt. ine wefentliche Bereicherung Nie 
fer neuen Ausgabe bildet ein Gloſſarium der bemerdenswerther 
Wörter und Wendungen, deren fid Pascal vorgugsmeiie bt: 
diente. Es ift dies ein Beitrag zu einem biftorifchen Wörter: 
buche der franzöfiihen Schriftiprache, welcher um fo beadten: 
werther ift, als Couſin fo viel al& möglich in feinen Erfärux: 
gen auf die Quellen zurückgeht, aus denen Pascal geihirk 
haben mag. Zu den wichtigften Zufägen, mit denen diefe new 
Ausgabe bereichert ift, gehört vorzüglich ein herrliches Bruch 
ſtück eines Auffages aus der Feder Pascal's, welches von da 
Liebe handelt und den berrlichiten Stellen feiner frübhern Bark 
an Schwung des Gedanken und an Glanz des Ausdruds gieid- 
kommt. Niemals find die tiefen Regungen ber Liebe in rin 


herrlichern Sprache und mit. leuchtendern Hammenzügen yet 


net al& in diefem Fragmente, von dem .Coufin. felbft fagt: di 
Auffindung deſſelben fei der füßefte Lohn für Die Arbeiten, meld: 
er Pascal und feinen Werken gewidmet habe. 

®. 8. Günter. 





Literarifhe Anzeige. 
Neu erschien im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipüf 
und ist durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Handbuch: der -Pathologie und: Therapk 
der 
Geisteskrankheiten, 


Für praktische Ärste und Studirende bearbeitet von mehr 
Ärzten und herausgegeben 


Br: A. Schnitzer. 


Zwei Cheile. 
Gr. Ss. 4 Thlr. 





Im Jahre 1843 erschien ebendaselbst: 


Handbuch der Kinderkrankheiten. Nach Mittbe- 

lungen bewährter Ärzte herausgegeben von Dr. 4. 

Schnitzer und Dr. B. Wolff. Zwei Bäude Gr. ° 
Geh. 6 Thlr. 


Verantwortficher Leraußgeber: Heinrich Srockkauns. — Drud und Verlag von F. 9. MWrodhans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





freitag, 





( Bostfegung aus Nr. 262 ) 


Der Werth diefes Vorleſungen liegt alſo nach unſe⸗ 
ver Meinung nicht in der Auffaſſung des Allgemeinen, 
ſondern in dem ſcharfen Urcheil aber das Einzelne, in 
dem klaren Durchblicken ber Verhaͤltniffe, fo weit dieſe 
innerhalb der Grenzen des eigentlich Thatſaͤchlichen lie 
gen und innerhalb diefer Grenzen ihre Erkläͤrung finden 
Hier iſt Niebuhr mit Allen vertraut, was zur Geſchichte, 
zur Erkenntniß der Zeiten und Menſchen gehört. Auf 
dieſem Schauplag iſt er za Haufe, und wenn man ihn 
da beobachtet, fo fühlt man wol auch, wie ihn eigentlich 
Dos, was über biefe Sphäre hinaus liegt, wicht intereſ⸗ 
Art, nicht zu näheres Unserfwehung anreizt; ex beruhige 
ſich dabei, es Gatt anheimzuſtellen und fagt dies oft 
ganz ausdrücklich Für dieſe Umgrenzung feines Bid 
entſchädigt aber die Schärfe und Umſicht deſſelben. Am 
istereffautefben: ift er, wenn er, obgleich das Ganze nur 
die Beſtimmung hat, Skizze and Umriß zu fein, dabei 
doch in das Einzelne hinabfleige, weil er deſſen Wich⸗ 
tigkeit erkennt und-Tozufagen das Elementare der Ber- 
haltniffe in Betracht nimmt. Gr berührt auf dieſe Weiſe 
eine Menge der erheblichen Punkte, welche in den aus- 
führlichſten Revolutlonsgeſchichten übergangen find. Wenn 
a B. von der Jufammsnfegung bes Generalſtaaten 
richt, fo bleibt er nicht wie die meiften Anderen bei ber 
Schwierigkeit ſtehen, die dee dritte Stand hierbei bet, 
ſondern ex zeigt, wie Biefe Schwierigkeit bei ben „mei 
andern Ständen fa} noch. größer war, macht auf die 
Verſchiedenheit des damaligen franzöfifhen Adels von 
dem alten landſäſſigen, auf die Folgen der Wahlein⸗ 
teilung nach Bailliagen aufmerffam, zeigt wie bie 
Pfarrgeiſtlichkeit nach franzöfichen Verfaſſung gas wicht 
in die Verſammlung gehört hätte, und wie anf biefe 
Art alle Drei Stände eigentlich eine bemekcatifche Ne⸗ 
präfentation bekamen, „die es unmoͤglich machte, aus den 
beiden eriten ein Dberhaus zu bilden”. Dies, fagt er, 
hätte man Meder vorwerfen foller, nicht aber die Ber- 
doppelung des tiers-etat, denn zu biefer mußte es kom⸗ 
men, „weil die allgemeine Stimmung bafür war unb 
der empörte dritte Grand: ſenſt bei jeher Sache feine 


Dies ift auch gewiß 
ganz. richtig, nur mit ber einzigen Einſchraͤnkung, daß 
der Votwurf nit Recker trifft, fondern die zweiten 
Notabeln. Denn vornehmlich, um nicht ſelbſt Aber bie 
fen Punkt entfcheiden zu müffen, hatte den Eutſchluß 
gefaßt, biefe zu berufen, und von ihnen waren jene Be⸗ 
flimmungen über Adel und Klerus ausgegangen. Reder 
batte, wie man aus feinen Schriften freht, fir unaus⸗ 
weichlich gehalten, den PYarlamenten, welche für die Ge 
nerafftaaten die Norm des 3. 1614 aufgeflellt Hatten, 
eine „opinion imposante‘ entgegenzufegen ; er verfheidigt 
fi auch überall nur wegen der Verdoppelung, nirgenb 
wegen der Beſtimmung der Wahlfähigkeſt. Niebuhr 
geht auf die Verhältniffe des franzöfifchen Adels genauer 
ein und fagt bei Erwähnung der bekannten Ordonnanz 
bes Marſchall Ségur, welche nur ben Abel für fähig zu 
Offizierſtellen erklaͤrt: 


Das Ingenieurtorps und die Artillerie wurden ausgenom⸗ 
men, weit man dort tuͤchtig lernen mußte; wo man Nichte zu 
fernen brauchte, da wurde der Adel verforgts Dies gefchah zur 
Zeit als der neue Adel dem alten feine Gonfiberation ganz ges 
raubt hatte und der alte großentheils befonders durch die Law'⸗ 
ſchen Speculationen ganz verasmt war; banegen hatte ie in 

rankreich von fehr alten Zeiten ein großer mobiler Reichthum 
efonders in den Händen der Fhnanzpaͤchter gebildet; fie war 
ren em Gegenfland des 8 und bes Wſcheus der Hutien, 
aber ihre Lödzter wurden von. den angefshenften adeligen Bar 
willen zus Ehe geſucht. 

Verhältniffe folcher Art betrachtet Niebuhr innmer 
mit größer Aufmerkſamkrit. Er bebt ebenſo ‚bei der 
Geiftlichfeit hervor, wie ſich bei ihr feit Lubwig XV. „bie 
freche Anficht feſtgefetzt, daß die Bisthümer und Wbteten 
bloße Pfrunden und ebenfo zur Verſorgung des Adels 
beſtimmt felen wis die Stellen in der Armee“; mie auf 
diefe Weiſe dem Mittelftanbe, gerade als er fick innerlich 
fo mächtig erhob, alle Wege verfperrt worden; wie man 
kahin gelommen war, „mit einer gräßlicden Naidetät zu 
erHlären, daß man bie MWisthümer als ein Hecht wie 
andere Rechte anfehe“ ; er fegildert: die Stellung der at 
men Pfarrgeiſtlichkeit zu ben reichen in igkeit leben⸗ 
den Kloſtergeiſtlichen, wie auf jener die ganze Laſt der 
geiftlihen Pflichten lag, wie fie bafie und fie ihre 
Glaubenstreue von ben freigeifterifchen Biſchoͤfen ve 
lache warb; fs, fagt er, wurden die Landpfasrer unzir 
fuieden. und. revolutionnair geftimme; „fie und bie Unter⸗ 








offiziere in der Armee fühlten am ftärkften bie Tren⸗ 
nung der Staͤnde und ſtrebten am meiſten nach einer 
Veränderung”. Daß die Finanzverhältniffe vorzügliche 
Beachtung erfahren, verfteht ſich bei Niebuhr von felbft; 


er geht auf die frühern Zeiten, auf die Mentencontracte 


nah ber Norm des kanoniſchen Rechts zurück, welche 
Einrichtung er eine vortreffliche nennt; auf die Sully'- 
ſche Zinsherabfegung, von ber er fagt, daß Frankreich ihr 
feine Prosperität in den legten Jahren Heinrich's IV. 


verdankt; auf die Einführung der Schagfcheine unter 


Ludwig XIV. Bon ba ab geht er die Reihe der Urfa- 
chen durch, welche Die franzöjifchen Finanzen in immer 
tiefern Verfall brachten. Da er aufMeder kommt, fügt 
er, daß die Leichtigkeit, mit welcher diefer Minifter An- 
leihen zu Stande gebracht, nicht feiner Geſchicklichkeit, 
fondern der allgemeinen Lage von Europa zugefchrieben 
werden müſſe: | 

Das bewegliche Vermögen in Europa war bedeutend im 
Anwacfen begriffen dur einfache Accumulation und durch 
Ausdehnung des Eredits; es hatten ſich ſchon viele Baluten 
gebildet, welche ftatt baares Geld galten; ferner trugen der 
vermehrte Disconto, die Schnelligkeit des Verkehrs durch die 
Poſt dazu bei. 

Auch auf den Einfluß, den die DVerfchiedenheit der 
Provinzen Frankreichs auf die Entwidelung der Revo: 
[ution hatte, weiſt Niebuhr bin: wie und warum einige 
Gegenden von der Regierung gefchont, andere um fo 
härter bedrüdt wurden und wie gegen diefe Willfür fich 
allmälig eine Gegenwehr bildete. Kurz, indem Niebuhr 
die Lage der Dinge vor der Nevolution bezeichnet, fieht 
man, daß er auf die Erkenntniß des gefellfchaftlichen 
Zuftandes großes Gewicht legt, daß er diefe Verhältniffe 


bie auf ihre einfachften Grundlagen verfolgt wiffen mil. « 


Natürlich find Aderbau, Inbduftrie, Literatur, Sitten 
u. f. w. nicht vergeffen; er gibt überall und vor Allem 
die wefentlichen Züge an; der Zuhörer wird belehrt, 
worauf er beim Studium der Revolution fein Augen⸗ 
mer? zu richten hat, und daß er ſich nicht damit begnü- 
gen fol, die vorzugsmeife fogenannten politifhen Gründe 
aufzufuchen, die für das Hauptſächliche immer nur ein 
unvollfommenes und formelles Verſtaͤndniß zu geben 
vermögen. 

Aber auch warn er auf die eigentlich politifchen Ur⸗ 
ſachen der Revolution zu fprechen fommt, führt ex feine 
Zuhörer ganz in die Nähe der Vorgänge, in die Mitte 
der Verhältniffe;s er hält fich nicht bei dem Allbekann⸗ 
ten auf, das die Zuhörer in taufend Büchern finden 
tönnen, fondern bildet ihr politifches Urtheil, indem er 
fie bis auf die Elemente zurüdführt, aus denen die 
Begebenheiten ſich entwidelten. Er fucht als echter und 
feinen Stoff ganz bemeifternder Docent die Rage ber 
Dinge, noch che er die Ergebniffe erzählt, fo anfchaulich 
. zu machen, daß die Ergebniffe felbft dann als natürliche 
oder wie Philofophen fagen, nothwendige Folgen erfchei- 
nen und nichts Überrafchendes mehr haben fünnen. So 
zeigt er 3. B. wie die Deputirten des tiers - dtat im 
Grunde, und in Folge der politifchen Lage der Bauern, 
nur fädtifche Deputirte waren: „ein Argument, das bie 


Vertheidiger des erſten Standes gar nicht benugt ha- 
ben’; das Bernünftige, fagt er, wäre gemefen, den Sant: 
adel und die Städte wählen zu laffen, „die Kandeigen- 
thümer und Erbpächter hätte man dann mit den Exit: 
ten zufammenfaffen und aus ihnen ein Unterhaus bil 
den müffen; — mit einer ſolchen Verſammlung une 
einem Minifter wie Mirabeau wäre es vielleicht noch 
möglich gewefen, der Revolution zu entgehen”. Bene 
dann über die Gonflituante fagt: „Es gehört jept (un- 
ter der Reftauration) zu den allgemeinen Irrthümern in 
Frankreich, daß die Maffe des Talents in diefer Be 
fammlung fehr überfhägt wird: bie Liberalen huldigen 
ihrer hohen Einfiht und Größe und fpenden ihr di 
ungemefjenften Lobſprüche; ein Unbefangener kann ihnm 
aber fchlechterdings nicht Recht geben”: fo ift Das gemis 
wahr, man muß aber berichtigen, daß nicht bios die 
Talente, fondern noch mehr die moralifche Haltung un 
Begeifterung der Affemblee und diefe ficherlich nicht ohne 
Grund Bewunderung erregt haben. Die Zeiten un 
politifhen Stimmungen, in welchen man in Franttah 
über die Nationalverfammlung höher denfen wird al 
fie es vielleicht verdient, werben übrigens gewiß befit 
fein als die, in welchen man geringer über fie urtkeilt 
wie dies 3. B. heute gefchieht. Wir fehen Niebuhr de 
Nationalverfammlung in ihre Elemente zerlegen: cr dv 
rakterifirt die hervorragenden Männer, kennt die Stim 
mungen genau: er ſieht fehr feharf, „wie der Adel liche 
Alles zugeftehen als den hohen Adel als Pairsfammı 
über ſich fegen laffen wollte”, und wie die Adelminen: 
tät, die fich den Anfprüden des dritten Standes gencist 
erwies, „aus den Ausgezeichnetften beftand”, und dei 
namentlid) Diejenigen, „die im ameritanifchen Frege 
Bedeutung erlangt hatten“, dazu gehörten.“ 

Es braucht nicht gefagt zu werden, mie Niebuht den 
Dingen auf den Grund fieht, wenn er von den Mafregln 
des Hofes, von den Operationen der Minifter ſpricht. Hr 
ift er am fchärfften und beſtimmteſten gleich beim dr 
vortreten der erften verhängnißvollen Fehler in den adt- 
ziger Jahren. Wir können aber nicht fo ausführlif 
fein, ihm überall hin zu folgen. Dft auch wird man 
feiner Beurtheilung der politifhen Maßnahmen möt 
beitreten konnen. So ift es auffallend, wenn er ht 
weg Maurepas' NRüdberufung der alten Parlammt 
als eine ſchuldige Genugthuung billige und ohne Bed 
ten ausſpricht: „Auch bat biefer Schritt Feine fehlimm 
Folgen gehabt.” Er ift überhaupt den Parlamente 
günftig und meint, daß fie zur Zeit der Revolution mil 
Unrecht verfchrieen worden; wenn er indeß bemett: 
„denkt man fich jegt in einem Gtaate die großen Kid 
terſtellen käuflich, fo glaubt man, es müffe gehen miein Det 
men, wo man das Kaufgeld durch den Misbrauch da 
Suftiz wieder herauszubringen fuchte; aber bei dem pr 
riſer Parlamente war Nichts, mas die Sache bedenklich 
machen konnte“: fo erinnert man ſich an Das, was ii 
bei einer frühern Gelegenheit gefagt hat, daß die Br 
bindung der Wbelöberechtigung mit ber Magiftratur m 
nig verfländig gewefen: „denn Dies ward fehr früh" 








1015 


der Anwendung verkehrt, indem daraus bis Käuflichkeit 
dieſer Ehargen entfland”, und kann nicht umhin, beide 
Außerungen miteinander im Widerſpruch zu finden. In 
den meiften Faͤllen wird bei Beurtheilung der Parla⸗ 
mente darin gefehlt, daß man die Betrachtung ihres 
richterlichen Verhaltens nicht fcharf von ber ihres politifchen 
fondert. Nicht nur waren fie als politifche Koͤrperſchaf⸗ 
ten wenig ehrbar — wie hätten fie fonft unter Lud— 
wig XIV. fo ganz unterfriechen und fi) noch fo kurz 
vor der Revolution fo zunftmäßig benehmen können? — 
fondern fie waren es gleich wenig als Richter, fo oft fie 
Eahen von politifcher Bedeutung zu behandeln hatten. 
Dies Verhalten aber ift tief franzofifh. Betrachtet 
Niebuhr die Auflehnung wider die Löniglihe Gewalt 
Ludwig’ XVI. als „Aufruhr und Empörung”, weil der 
König duch DVerjährungsredyt im Mefig der Auflagen 
und der Gefepgebung mar, fo müſſen jene Prädicate zu: 
nähft auf das parifer Parlament angewendet werden, 
weil es zuerft jenes Böniglihe Recht angefochten hat, 
zuerft und zwar aus Standesgeift dem Willen des Kö⸗ 
nigs entgegengetreten iſt. Wir haben uns inde immer 
wieder daran zu erinnern, daß hier eine Reihe yon Vor⸗ 
(fangen und nicht ein ausgearbeitetes Buch, vor uns 
liegt. Niebuhr achtete was tüchtig an den Parlamenten 
war, und Miniftern wie Colonne, Brienne, auch Neder 
und dem Hofe gegenüber, erfchienen fie ihm vefpectabel 
mehr als fie e8 waren. Wir wollen bier noch herfegen, 
wie er von den beiden Legten, von Neder und dem Hofe, 
urtheil. Uber Senen fagt er: 

Daß man feine finanziellen Erfolge feiner Weisheit zu- 
ſchrieb, machte ihn ſchwindelnd und war fein Ungluͤck; er war 
wit einer ſehr geiftreichen und tugendhaften Frau verheirathet, 
die aber auch fehr ſtolz und eitel war und ſich befugt glaubte, 
Yes zu Beurtheilen und die Krone auszutheilen. Bor Allem 
betete fie ihren Mann an und beraufchte ihn; auch die Toch⸗ 
ter, die viel geifteeiher war als er felbft, verehrte den Water 
als Halbgott. Beide Frauen find zum großen Theil an Neder’s 
Unglud Schuld. Nichts ift gefährlicher als geiftreiche Frauen, 
Weihe die Welt aus einem hoͤhern Geſichtspunkt gu betrachten 
wähnen; eine ſolche Frau iſt immer anmaßender als ein geift- 
reicher Mann, fie Bennt gar keine Grenzen... 6 war für 
Recker fapt unmöglich, bei diefer Vergötterung nüchtern zu blei⸗ 
ben, da ihm alle Tiefe des Geiſtes abging; er fcheiterte an 
den Klippen diefer Sirenen. 

Man ann in der That biefen weiblichen Einfluß 
nicht hoch genug anfchlagen, der bei Neder fo weit ging, 
daß er einft fogar auf der Mebnerbühne der Nationalver- 
fummlung feiner Frau Erwähnung that, worüber bie 
Deputirten in ein zwar unziemliches aber doch fehr be: 
greifliche® Lachen ausbrahen. Wie Niebuhr über bie 
Sefinnungen am Hofe Ludwig's XVI. urtheilte, zeigt 

fi in folgender Stelle: 

Die Wahrheit fodert zu fagen, daß der Hof durchaus Feine 
aufrichtige Seſfinnung hattes er wollte (1792) einen gewaltſa⸗ 
men gänzlichen Umfturz, nicht Einführung der Drbnungs er 
hatte Beinen andern Wunſch als die alte abfolute Monarchie 
mit allen Misbräuchen und Übeln wieder einzufegen. Der 
Sieg war unmöglich wie der Sieg des Pompejus. Jeder Hatte 
feine Feinde, an denen er Rache nehmen wolltes man war jegt 
erſt recht aufmerkfam darauf geworden, wie viel man in ben 


Uugenbliden eregten Wohlwellens verloren habe und wollte 
ale feine Berlufte wieder gut machen und das alte Regime 
mit feiner Tyrannei erneuern. Died war die Gefinnung der 
Majorität der Emigranten und bes Hofes. Der König wäre 
wol ber legte Mann geweſen, Rache zu nehmen; gewiß aber 
hätte die Königin es auf das fürchterlichfte getban und er 
hatte es gefchehen laſſen; fie vergaß keine Kränkung, feine 


Beleidigung. 
(Der Beſchluß folgt. ) 





Der Patriot. ine ſchweizeriſche Erzählung aus dem 
Jahre 1830 von Eulogins Ernft. Zwei Theile. 
Frankfurt a. M., Sauerländer. 1846. 8, 2 Thlr. 

Der Berf. hat keineswegs die Abſicht, wie er fich ſelbſt 

S. 13 ausdrüdt,; einen Roman zu fihreibens denn, meint Der⸗ 

felbe, weil er ein Bild aus der „heutigen’ fo nahe gerüdten 

Zeit wähle und noch dazu auf fehweizerifhem Gebiet, wo fo 

wenig „heroiſche Größe” mehr bervortrete und das Aben⸗ 

teuerliche immer mehr in den glatten Strom der Alltaͤglich⸗ 
keit verfinke: fo müßte das Romanhafte, was man gewöhn« 
ich fo nennt, mehr Phantafie ald Wurzel und Frucht der Wirk. 
lichkeit fein. Der Verf. beurfundet damit eine ganz eigenthuͤm⸗ 
liche, oder, wenn man will, eine ganz oberfläcdhliche Anficht 
von der Kunftform des Momans. Seiner Anfiht nach muß der 

Roman feine Stoffe aus einer entfernten, nicht gegenwärtigen, 

„heutigen“ BZeitperiode wählen, die Perſonen müßten in „bes 

roifher Größe” ftatt in menfchlicher, einfacher Wahrheit und 

ſinnlicher Schönheit erfcheinen; die Entwidelung der Handlung, 
die Situationen müßten abenteuerlich, phantaftijch, ftatt poetifch 
natürlich fich darbieten. Wie verlegen und unrichtig eine folche 

Anficht ift, würde der Verf. jchon eingefehen haben, wenn er 

nur einen flüchtigen Blick auf die Literatur der Gegenwart, 

nicht allein auf die des deutſchen Volkes, fondern auch auf die 
der Engländer und Franzofen werfen wollte, wo gerade die 
fociale Gegenwart, das heißt das Leben der gegenwärtigen Ger 
felfchaft, zum Gegenftande des neuen Romans verarbeitet wird 
und fogar in den fogenannten Tendenzromanen der eigentlichen 
Socialtheorie, der politiſchen Debatte ſich nähert und das reine, 
für fich beftehende &ebiet der Kunft verläßt und verlegt. In 
der Art und Weife, wie der Verf. den Roman auffaßt, würde 
derſelbe ein phantaſtiſches, übernatürliches Abenteuer darftellen, 
das keinen Anſpruch auf wirkliches Leben, auf poetijche Wahr⸗ 
heit madt. Wir gefteben ferner, daß wir fo eigentlich nicht 
recht wiflen, was aus der Bezeichnung „ſchweizeriſche Erzählung” 
zu machen ift. Wir kennen zwar fchweizer Kühe und ihre Pro» 
ducte, ob die Erzaͤhlung aber auf eine gleiche Benennung Uns 
fpruh machen kann, weil fie in der Schweiz fpielt, weil fie 
ihren &toff der fchrweizerifchen Geſchichte entlehnt: Das müflen wir 
doch in Abrede ftellen; wir hätten hiernach in der deutſchen 

Literatur eine Menge Kategorien erhalten, bei denen fämmtliche 

Rationen einzeln zu Gevatter flehen müßten: 3. B. ein chine⸗ 

ſiſches Drama, eine Hottentotten: Ballade, eine Iamaica-Rovelle. 

Rur dann Lönnen wir eine ſolche Benennung gelten laflen, 

wenn die ganze Anſchauung eines foldhen Volkes, wenn Form 

und Inhalt demfelben wefentlich und charakteriftifh angehören 
und der Erzähler dadurch die Sitten und Denkweife eines 

Volkes dem Lefer vorführen will. Der Berf. hat fi den Bor: 

fag gewählt, die Gegenwart in einem Malerfpiegel aufzufan⸗ 

en, der weder verfchönere noch zum Berrbilde misſtalte. Es 
int Dies jedoch nur als eine leere Redensart gelten zu müf- 

fen; denn wenn er die Wirklichkeit nehmen will, nadt, 3 

ungeſchlacht, wie fie vor uns liegt, fo iſt Died zuvoͤrderſt dur 

aus nichts VBerdienftuolles, nichts Kuͤnſtleriſches; und der Ma» 
ler, der Künftler ift, fucht ebenfo nad) dem Allgemeinen in ſei⸗ 
nen Landfchaften, nach dem zufammenftimmenden Grundtone, 
als ex im biftorifchen Gemälde die Idee, das Ideal herauszu⸗ 
arbeiten fih beftrebt. Das Geſetz der Schönheit bleibt für alle 





Kunft der oberſte Grundfag; Berrbiider Haben auf: Deinem Felde 
der Kunſt chre Berechtigung. zu 
Benn man diefen ausgeſprochenen allgemeinen Grundfügen 
des Verf. Glauben. fchenfen wollte, fo Bönnte man vielleicht 
nur ein böchft mittelmäßiged Erzeugniß der Riteratus erwarten 
und wir würden fihon jegt zuviel von bemfelben gefagt haben; 
- Dem ift aber nicht fo. Die Erzählung bildet ein abgerumdetes, 
gefchloffenes Ganzes, das in der Ausführung durchaus nicht 
ohne Intereffe der Darſtellung, sahne ideelle Aufteilung und 
geſchickte Wiedergabe ſich darftelt. Wenn wir auch Feineswegs 
eine befondere Ziefe der pfychologifhen Auffaffung, eine klare 
motivirte Entwickelung der Charaktere w en, ſo iſt doch dir 
Anlage der Erzaͤhlung nicht ohne Geſchick entworfen und 
zu —* Ende geführt, und die Perſonen find im Allgemeinen 
igrem Charakter treu durchgeführt. Wenn wir * einmal 
die Anſicht des Verf. annehmen wollten, daß er ein Bild der 
GShenwart ohne ideelle Beziehung entworfen habe, fo iſt hier⸗ 
bei doc keineswegs der Umftand zu überfeben, daß er den ger 
fchichtlichen Boden, die politiſche Grundlage nicht fo tief in den 


Hintergrund draͤngen durfte, nur dadurch erhisiten bie Yerfo: 


nen größere Bedeutung und größeres Intereſſe und nur ba: 
durch entfland ein eigentlich getreues Bi der Zeit. Die Ge⸗ 
ſchichte ragt nur bruchſtückweiſe in bie Erzählung herein, gieht 
fiih als unbefannte, dunkle Wolke hinter den handeladen Ber: 
fonen ber, und zuweilen nur ſchießen einige BHige aus derfel: 
ben herdor, werfen einige Streiflichter auf dieſelben. Das 
Intereffe wird dadurch getheilt, Die Grwartung gefpannt, ohne 
eigentlich befriedigt zu werden. 

Der Inhalt de6 Buchs würde feinen Hauptmomenten 
nach etwa folgender fein: Zwei Jünglinge aus der Schweiz 
haben ihre Studien in Göttingen vollendet und kehren im ihre 
Heimat zurüd. Beide find von gang verfchiedenem Charakter. 
Der Eine, Sulzer, hat eine gemeine, intriguante, gegen alles 
Höhere gteihgültige Seele, ihm iſt es blos um fein eigench 
Wohlergehen zu thun; die Mittel, hierzu zu gelangen, find ihm 
gleichgültig, er Pennt Beinen hoͤhern Wunſch als fein eigenes 
SGlück. Der Undere Dagegen, Sebold, ift ein edler Menſch, 
der für das Wohl und die Freiheit feines Baterlandes ſchwaͤrmt 
und ſich nicht fcheut, alle Dofer, die in feinen Kräften ftehen, 
demfelben zu bringen. Beide find Suriften, obgleih Sebold 
weiprüunglih von feinem Bater zur Theologie beftimmt war. 
Sie kamen gerade zu der Zeit in ihre Heimat zurüd, als bereits 
überall in Folge der Iulirevolution Gahrungen und Bewegun⸗ 

en ausgebrochen find. Sebold entdeckt batd nach feiner Rück⸗ 
nft, daß er der Sohn des Pfarrers, der ihn feither erzogen 
bat, nicht it, fondern Daß er der natürlihe Sohn eines Maͤd⸗ 


mögen der Familie Anfprud) maden und 
Durch feine Geburt ihrem altadeligen Stammbausı einen unloͤfch⸗ 
Daren Flecken aufdrüden, den Knaben ſchon gleich nad ber 
Geburt feiner Mutter geraubt, die deshalb wahnfinnig gewor: 
den. ift, und ihn dem Pfarrer übergeben, um ihn zu einem 
Dorfpfarrer zu erziehen, der Ipäter durchaus Feine politifihe 
Rolle fpielen koͤnne und fo im Dunkel feines Privatlebens ber 
Familie durchaus Beinen Rachtheil bringen Bönne. Sebold liebt 
: die Tochter feines Pflegevaters, die er früher für feine Schwe⸗ 
ſter gehalten hatte. Ste wird ihm als Weib unter der Bedin⸗ 
gung zugefagt, daß er auf feine politifche Laufbahn Verzicht 
teiften folle; da er Diefes jedoch verweigert, fo gramt fich das 

dehen zu Tode. Sebold Laßt fich in die politifhen Bewe⸗ 
gungen ein und erlangt ein bedeutendes Anſchen unter feiner 
Partei; allein Gulzer weiß ihm durch feine Intriguen den Rang 
abzulaufen und er wird ftatt Jenes in den Berfaflungsrath ge- 
wählt. Er erhätt zwar durch feine wahnfinnige Mutter das 
Document, wonach er auf die Güter der Bamilie Anfpruch ma: 
Sen Tann, allein er leiftet Verzicht darauf, liefert die Urkunde 
fogar feinen Dheimen aus, die in Folge der Umwälzung ihr 
Unfehen verloren haben, und wandest aus der Schweiz aus. 


Verantwortlicher Herausgeber: GHeinrich Brockhaus. 


Steben deſen Smuptiaben dev Erzählung Läuft zwar md ma: 
8 intexeffante Beiwerk ber, allein der Lafer —* kim 
nde fein, eine Erzählung zu würdigen, die durchaus alle 
Zuthat der Phantafie vermeiden und nur als Wurzel md 
Frucht der Wirklichkeit gelten wollte, die aber nichtsdehemeni: 
ger von einer großen Menge von phantaflifegen Erfindungen 
durchzogen ift und zum Theil auf Unwahrfcheinlichkeit beruht. 
So find der ſchwarze Salomon, der um das Geheinmiß dere 
burt Sebold's weiß und dadurch in die Erzählung eingreift, 
forie der Piemontefe Beton, ein nihtemürbiger, verbrecheri · 
fcher Sthuft, fo unmahrfiheintic af 
Zerrbilder nennen Pünnte. 


daB Albert fie liebt und ihr res 
bleiben will; warum! — Wir Hätten noch mehre Toie du 
gen, wollen fie aber unterdrüden. 


— — — 





Literariſche Rotizen aus England. 


Schriften über Auſtralien. 
Die Wichtigkeit, welche das große Feſtland der Güde 
Neuholland, für England gewinnt, erflärt die Menge ber Ba: 
öffentlichungen, die über daſſelbe dort erfcheinen. In der ii 
ten Beit find über diefen Gegenſtand wieder zwei größere 


: veröffentlicht worden, die unter Anderm reich iind an Rab 


weifungen und Nachrichten für Solche, die bei der Auswande 
rung Augenmer? auf jenen entlegenen Continent richten. 
Das eine Werk führt den Titel: „South Australia and its 
mines. With an historical sketoh of the celony under iu 
several administrations to the period of captaia Grey's de 
parture”, von Francis Dutton, welches über den Mineral 
reichthum, befondere über den Kupfererzreichthum im Süden 
Auftraliens, auf welchen zuerft ber deutfche Geognoſt Rerge 
aufmerffam gemacht, Handelt. Das andere Berl unter dem 
Sitel: Discoveries in Australia with an account ef de 
coasts and rivers explored and surveyed during the voyags 
of H. M. 3. Beagle, by command of the Lords oonm= 
sioners ef the Admiralty’', von I. Stokes (2 Bbe.), it al: 
meinern Inhalts, und verbreitet fig über die wichtigen Ext: 
deckungen, welche die Mannſchaft des Schiffes Beagle, dab vor 
dem Herausgeber des Werks befehligt wurde, befonders x 
der Nordweſtkuͤſte Auftraliend gemacht bat. 


Die englifhen Touriſten. 

Zohn Bull auf der Reife am Feſtlande ift sine fkeretwt 
Geſtalt für Pfeile des Wiges und. der Laune gemworten. Ti 
Engländer ſelbſt fpotten darüber am meiſten. So meint an 
englifcher Kritiker bei Beurtheilung des jüngft erſchienenen 
Reiſewerks: „Notes and remarks made ia Jersey, Fran. 
Italy and the Mediterranean in 1943 and 1844”, von} 
Burn Murdoch: Der „gelehrte Reiſende, welcher nichts weiß“ 
fei eine der Det Und Figuren, denen man draußen te 
gegne, und unglüchlicherweife fei die Sache mehr vertrüßid 
als lächerlich, da die Erfcheinung gerade zumeiſt den Landsleuten 
begegne. Man müffe erröthen, wenn man von den zwei Ci 
laͤndern ergählen höre, die, um fi) als ausgezeichnete Fußgen 
ger zu zeigen, nach Deutfchland gegangen und ſich mit chen 
PR Fa auf einem Rheindampfſchiff einlogirt; oder von dem 
engliichen Geiftligen, der mit einem Pad von donnerndens 
Streitfchriften gegen das Papſtthum, opne iegend eine fremit 
Sprache zu kennen, dem erſten beiten Zolbeamten den Zwes 
Kine Reife außeinanderzujegen ſich bemüht und von deujelben 
ve einen Koffesträger gehalten wurde. 12, 


— Drud und Berlag von F. X. Brockbans in Reipzig- 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








Sonnabend, — Nr. 255. 12. September 1846. 





Geſchichte des Zeitalters der Revolution. ‚Borfefungen Stimmungen zur Zeit ber erften Erneuerung bes Di⸗ 
an der Univerfität zu Bonn in Sommer 1829 | rectoriums hervor, wo in der „Oppofttion gegen die Re⸗ 
gehalten von B. ©. Niebuhr. Zwei Bände. volution ſich viele trefflihe Männer und große Talente . 
(Beſchluß aus Nr. 34.) in einer Gefinnung von Freiheit als Widerfiand gegen 
Haben wir durch alles Bisherige eine Vorftelung | alle Gewalt und Willkür, in Freude an populaicen For⸗ 
von Niebuhr’s Behandlungsmweife zu geben verfucht und | men und in Neblichkeit vereinigten, und eine unzählige 
tinnen wir uns nicht fo weit ausdehnen, die vorzüglich" | Menge Journale erwachten, wie fie nie beffer und bered⸗ 
ſten Partien des Buchs, die Niebuhr's Herrfchaft über | ker und mit dem Ausdruck wahrhaftern Gefühle ge» s 
alen hiftorifchen Stoff am überzeugendften barthun, auch | fehrieben worden‘. Am wärmfien drüdt fih Niebuhr 
nur auszugsweife mitzutheilen — wobei wir indeß nicht | aus, wenn er irgendwo an bedeutenden Perſoͤnlichkeiten 
unterlaffen, den Lefer auf die Schilderungen Deutfch- | fittliche Größe erkennt, bie er überall mit feinem Sinn 
lands und Englands am Schluß des vorigen Jahrhun« | herausfühlt und an melde zu glauben ihm, wo nur it- 
derts und ſodann auf die Darftellung der Zuftände | gend für feine Überzeugung fih ein Anhalt barbietet, 


Spaniens, Neapels, Venedigs, Berns zur Zeit des Ein- | Bedürfnif ifl. Von Männern wie Pitt, wie Turgot, ‘ 
bruchs der Franzofen befonders aufmerffam zu machen —: | Malesherbes fpricht er mit Bewunderung; Männer wie | 

fo müffen wir nun noch das eigenthümlic Anziehendfte | Malouet gekannt zu haben rechnet er fih zum Glück; 
des Ganzen hervorheben, das in der Vertraulichkeit der | für Carnot ift er begeiftert, mit feinen Zihränen und ' 
Rede, der Ungezwungenheit des Urtheils, dem ganz rüd« | feinem Blute möchte er das Urtheil auslöfhen, das bie- . ’ 


haltloſen Freimuth der Außerungen liegt, womit Niebuhr | fer im Proceß des Könige abgegeben ; auch für Napo⸗ | 
hier wie im Geſpraͤch mit Freunden ganz troden und | feon’6 große Seiten iſt er. volllommen empfänglich. und 
ohne Umfchreibung über das Wichtigfte feine Meinung | fagt unverholen, daß er immer „gewaltigen Reſpect“ 
Herauffagt. Er gibt fich feinen jungen Zuhörern ganz | vor ihm gehabt und gewünfcht habe, fein Yusgang 
bin, macht ihnen feine Bekenntniſſe. Wo er irgend et- möchte ein glorreicher gewefen fein. Seine eigenen Em- 
was Großes, Erhebendes, in welcher Zeit er irgend eine | pfindungen hält er nirgend zurüd. Er fagt: 
beffere Regung erkennt, verfäumt er nicht, fich mit Theil- | - Wie ich mich entſchieden haben würde, wenn id (1789) 
nahme darüber auszufprechen. &o gefhicht es, daß er | in Frankreich gelebt hätte, ohne von einem feharffinnigen Ba⸗ 
uf Grimmungen aufmerffam macht, beren Wahımehe | uhzr Then et manden Sabren Pte -ih mic, dur mande 
mung den meiften Gefchichtfchreibern entgeht, deren Er- | Meferionen belehrt egen en nadee 
zenntmiß aber doc) zur Bildung bes biftocifgen Sinnes Obgleich in biefen Worten ein Geftändnif genugfam 
Io wichtig if. Es mar, fagt er, nad) den Ereigniffen | ausgeſprochen ift, fo verbergen wir nicht, daß Zuhörer 
des Thermidor eine tiefbervegte Zeit, „groß in ben Ge- —8 über diefen —* ein noch beſtimmteres Be— 
fühlen, und die Beredtſamkeit damals zeigte einen ganz fenntniß gehört zu haben verfihern. eines eigenen 
andern Charakter ale die Reben ber Conſtituante“; fpä- Antheild an den politifchen Gefchäften erwähnt er faft 
ter, nach Aufftellung der Verfaffung des Jahres III gar nicht, aber zuweilen fagt er wie er in dem einen 
fhildert er ‚die Wirkung, welche biefelbe auf viele vor | der dem. andern Kemmer alle würde gehandelt ba- 
jügliche Männer hatte, die Hoffnungen, die fie ihnen et= | pen: fo äußert er 4.8, da er von der polnifchen Theis 
ui Pig fat Dim : „Ein — Erwachen, wo man | (ung fpricht: z. B., | 
ich noch nicht recht bemußt ift, was man Alles gewann, A Le | 
iR im Leben der Wälter wie ber Einzelnen etwas feht | den —— — ne a —ã 
Schoͤnes und Süßes; edle Männer von großer Verſchie- Königs hätte ich mir cher die rechte Hand abhauen laſſen als 
denheit trafen zufammen im Streben und Hoffen nady } ich deſſen Belegung gewilligt hatte. 
@paration; es war. damals, wo Laharpe feinen Cours Wie der lebendige Eindruck ſolcher Vorlefungen er. 
de literature hielt...” Auf gleiche Weife hebt er die | Höht werben mußte, menn ein bedeutender Mann fi 








wis 


ein fo perfönliches Verhältni zu feinem Auditorium gab, 
iſt leicht zu ermeffen. Wie unbefümmert er fi gehen 
ließ, fieht man am deutlichſten aus den dürren, trodenen 
Worten, mit welchen er ohne alle Umftände eine Reihe 
von Männern abfertig. Da ift denn z. B. Mad ein 
„elender Prot enna ver 13 Kirk Auersberg (Feldzug 
don 1796) „ein ganz dummer Menſch“; der Herzog 
von York ,‚der traurigfte aller Feldherren“; Gidney- 
Smithe„geſchickter Seeoffizier, Phantaft und entfchiebe- 
ner Narr”; Haugwig „hatte als Pietiſt und Poet an: 
gefangen und war in die leichtfertigfte Sittenloſigkeit 
übergegangen”; Sarbenberg „ein leichtfinniger Mann, 

| ich, d’esprit, aber ohne moralifches 
Aplomb, der im Widerſpruch eine perfönliche Kraͤnkung 
fü und fi dann Luft machte”; Rüchel „war Halb 
wahnfinnig“ und Sohenlohe „weiter Nichts als ein ge 
ſchickter — ohne einen Zug von einem 
Feldherrn“; Beninigfen „ein Glücksritter, pillard, der 
den Krieg führte, um ſich zu bereichern und von dem 
der Kaiſer auf das ſchaͤndlichſte betrogen wurde”; Gu⸗ 
fiau III. „ohne Zweifel einer der laſterhafteſten Men⸗ 
fügen des Jahrhunderts“ u. ſ. w. Ebenfs derb und ohne 
Unſchweife wie über ſolche Perſonen ſpricht ſich Riebuhr 
über Zuftände und Situationen aus, wenn fie ihm faul 
And verwerflich erfeheinen; wenn ee an mancher Stelle 
hart über deutfche Verhältniffe urtheilen muß, fo ficht 
man, daß das Maß feines Unmillens das. Maß feines 
Patriotismues und feiner Wahrheitsliebe ift. Sein Wohl⸗ 
wollen z. B. fire Oſtreich zeigt ſich überall, aber das 
hindert ihn nicht bei Beſprechung des Feildzuge von 
1796 den damaligen „traweigen moraliſchen Zuftand’ 
der öſtreichtſchen Offigiere mit den nackteſten Bezeichnun⸗ 
gen darzuſtellen | 

Gie waren ohne Begriff von Bifdung, die Stellen waren 
kauftich und wurden auf. die ſchandlichſte Weiſe vergeben: ber 
Kern des Armee beſtand in den vortrefflichen Unteroffizieren, 
die nirgend ſo gut waren; die Generalitaͤt beſtand großentheils 
aus ganz unfaͤhigen Subjecten; wer aus einer großen Familie 
war, konnte mit Schande bedeckt fein und erhielt doch efn 
Gommando; dagu waren. fis untereinander: verhegt und verbif: 
fi. Wie Biete haben gewwänfdyt die Erfolge de6 Erzhergogs 
zu vereiteln! 

So fagt ee auch von Hanover im J. 1803: „Die, 
denen damals an ber Vertheidigung des Landes Alles 
liegen mußte, die Minifter und höhern Offiziere, waren 
—2 u3 den: Felbzug von. 1800 nennt er „eine 
tiefe Schmach, die jedem Deutfchen das Herz bluten ma⸗ 

muß’; den Rheinbund „ein Werk der Schande 
und Finfterniß”. Am mwenigften verhülft er feine Mei- 
nung, wenn er von ‚ben Zuftänden Deutfchlands im vos 
rigen Jahrhundert fpricht; dies aber muß im Ganzen 
nachgelefen werben. Dagegen zeigt er ganz, die Wärme 
eines für die Ehre und Unabhängigkeit. des Vaterlandes 
fühlenden Bputiiien, wenn er auf die Zeiten det (che, 
bang, auf Oftreichs Kämpfe, auf Schill, auf die 
freiungstriege kommt; hier iſt er Leider fehr gebraͤngt, 
er eiit zu Gabe: Wir wollen nur no en, 
wos er uͤher un Tugendbund äußert: 








Sch befand mich damals in den Wiederlanden und hak 
mit Beiner geheimen Geſellſchaft etwas zu thun gehabt, obgleich 
ich oft Briefe von Leuten befam, die von Infurrection fpraden 
und mich fo in die größte Gefahr fepten. Bon foldhen Geſel⸗ 
ſchaften konnte das Heil auch nicht Fommen, wol aber Konnte 
fehr viel Böfed daraus entſtehen. Der Zugendbund war gm 
fhledt angelegt; das Unflanige war, daß diefe Gefelihaften 
aus der &efinnung, die nethwentig ift, um etwas Luͤchtigu 
bervorzubringen, ein ug machen wollten ; der Sinn, ehne 
welchen die materiellen Krafte Richts find, follte diefe erfegen. 
Auh war fehr viel Windbeutelei und Lüge bei allen dieſen 
patriotifhen Geſchichten und die Eitelkeit dieſer Leute war | 
ganz. Mindifh; man mußte fehr entſchieden patriotifch fein, um 
nie an diefen Patrioten Ebel zu haben; unter zehrt war kaum : 
ein Befonnener. 

Als befonders bemerkenswert führen mir nod en 
paar Urtheite Niebuhr’6 über einige Männer von inte: 
effanten Namen an. Es handelt fich hierbei nicht darum, 
ob man dieſe Urtheile als richtige gelten laffen will oder 
ann, fondern allein um das Intereſſe, das fie ale Ri 
buhr'ſche haben. Über Canning äußert er ſich fo: 

Die Geſchichte wird ihn keineswegs beurtheilen wic di 
Gegenwart (als Riebuhr las, wat Canning feit zwei Jahteı 
tot), er hatte großes Talent, war aber Fein großer Staatl: 
mann, ee war einer der Charaktere, die ſich als Schilöfnarpr 
politiſcher Helden auszeichnen. So lange die alte große Ve 
redtfamfeit berrfchte und die großen Männer lebten, fd 
man wol von feinem Talent, ed fanden aber bie altım 
Leute kein großes Bergen an feiner petulanten epigrar 
matiſchen Eloquenz. ſchloß fi; der Geſellſchaft der Ant: 





Bande, Riederlihleit, Blutſcha 
des deutfchen Weſens. So fing Camning an; brauchbar mir 
et auf alle Weife, ein politifcher Kofad. 

Das hier erwähnte Journal, an welchem die bed 
tendften Männer arbeiteten, enthielt, beiläufig geasl 
Meifterftüde von MWig und Perſiſtage und machte in 
England damals große Wirkung; Ganning war jung, 
als er daran fchrieb und die Stüde von ihm fein 
une weit cher Zeugniſſe für feine Geiftesfreiheit uud 
Genialitaͤt als Beweife gegen feinen Charakter. Wer 
Palafor fagt Niebuhr: 


ir den Helden der Vertheidigung Saragozas hält 
deffen Scidfat im Tut: 

em war, fonbern ein geil 
Leftptfertigtrit us 


In England if man zum Theib derſelben Meinum 
icber Palafor. Die meiſten wid gläubigſten ewunderer bil 
er wie fo Viele und fo Bieles in Deutſchland, wo Kiel 
ihn in eine Ode befang, die mit den Worten anfang: 
ritt mir entgegen nicht, daß ich zu Stein nicht fiaere" 
Autaſen betvachtet Niebrht als. einen: genz gewõhnfſichen 
Maiden: und ſagt von ihm: 


Es den des ehrt, de 


wir die Schtacht von Leiprig mi geſchlagen worden; er 
hatte einen barbariſchen Widerwillen gegen alles Fremde und 
gehoͤrte ji den alten eingefleffchten Ruſſen, in deren Eharalter 
beuiale Abneigung gegen das Fremde Hauptzug if. 

Über ben Erzherzog Kart fpricht Niebuhr überall mit 
Liebe und Hohfchägung, nennt ihn einen perfönlich hoͤchſt 
ahtımgswürdigen —— einen gebildeten Mann von vie⸗ 
lem Verſtand und Geſchick und ausgezeichneten Feld⸗ 
herrn; aber, ſetzt er hinzu: 

Er iſt als — einſeitig; ihm fehlt die eigentliche Luſt 
am Kriege, er betreibt ihn wie ein Schachſpiel und hat Freude 
on den Dispoſitionen. Der große Feldherr muß zur Schlacht 
geben wie zum Tanze, da müffen ſich alle feine Seelenkräfte 
vervieffachen aus Luft am Kampf. eahergog Karl aber mag 
lieber mit Manoeupriren Etwas ausrichten at8 mit Schlagen; i 
das Problem, die Schlacht zu gewinnen, gelöft, fo macht er 
fh an ein neues. 

Diefe Anfiht über den Erzherzog ift befanntlih auch 
die des firengfien feiner Beurtheiler, des verftorbenen 
Claufewig. 

Hiermit fei die Reihe unferer Angaben gefchloffen. 
Jeder, dem nur einiges Intereffe innewohnt für eine 
ſcharf ausgeprägte eigenthümliche Handhabung hiſtori⸗ 
ſcher Begebenheiten und Individuen, ſowie Jeder, der es 
vermag, fich die perfönliche Dent- und Gefühlsweiſe Nie» 
buhr's klar zu machen, wird den Werth eines ſolchen 
Buchs zu ſchaͤtzen wiffen und für die Bekanntmachung 
dem Herausgeber dankbar fein. Um eigentliche Beur- 
teilung, eigentlich kritiſches Verfahren handelt es fich 
hierbei nicht; Jedermann wird, ſelbſt nur aus dem bier 
Mitgetheilten, begreifen, wie unendlich Vieles ſich erinnern, 
berichtigen, ergänzen, anzmeifeln ließe; «ber die Kritik 
würde bei einem Buche diefer Art immer nur das Schid- 
fal haben, daneben herzulaufen. Wir fagen das von 
unfern eigenen Bemerkungen, fo weit fie in biefem Auf⸗ 
fage Hier und ba kritiſch ausgefallen find. Dan kann 
fich eben nicht nollfländig enthalten, das gar zu Auffal- 
lende zurechtzuſtellen, WBiderfprishe anzumerden, offenbare 
Befaugenheiten nachzuweiſen, und Hält ſich wol bier und 
da auch verpflichtet, etwa allzu vertrauende Lefer zu war⸗ 
nen; im Ganzen aber wird man ſich bei einem ſolchen 
Buche am richtigfien verhalten, wenn man Das, was 
ihm feiner eigenthümlichen Gehalt gibt, herauszuerken⸗ 
en fire und es als Anregung zu eigener Prüfung 
md Erweiterung ber hiftorifhen Kenntniß nugt, ohne 
fi; lange bei dem leichten Geſchäft des Makelns und 
eiteln Befſerwiſſeno aufzuhalten. 

Zur Schluß ſetzen wir noch folgenbe zwki Außeruen⸗ 
gen Riebuhr's hierher: 

verſtaͤndige Dann nimmt Dinge wie män fie 
ii: Geohes hut man nur im in ve irklichkeit. R 

Mündigfeit it nie ohne Gefahr, aber Unmün- 

digkeit iſt ohne Werdienft. 6 





Zur Lagesliteratur. 
©rit wem Bollvertin und beit naßionalen Schugellfyſtem 
in Deutfiend Be na Dr ark 
— * Tagesordnung, * fe det 47 ie nee Ne Bar 


maßregeit unftzeitig ſehr am Wichtigkeit und Jutrrefſe gewon⸗ 
nen. Bevor noch der Gtreit im Parlamente entfchieden wär, 
erſchien fchon auf dem Markte unferer Tagesliteratur: 


Über die engliſche Tarif Reform und ihre materiellen, ſocialen 
und politifhen Folgen für Europa. Bon John Prince» 
Smith. Berlin, Speinger. 1846. Br. 20 Ror. 


Dem Berf. ift es wenigftens geglüdt, daß die Kornbill 
durchgegangen iſt; es wäre doch ſchade gemefen,. wenn 7), 
Bogen ganz umfonft gebsudt worden wären! Die Mehrzahl if 
es ſchon fo wie fo. Es ift darchaus nicht zu billigen, daß 
ſolche Tagesfragen vorgefchoben werden, um dahinter gelegent⸗ 
lich allerlei Urtheile anzubringen, Die mit der Sache felbft gar 
nit in Berbindung fteben. Mögen jene auch richtig fein: der 
Käufer wird immer bintergangen, welcher davon Richts zu fin» 
den erwartete und Nichts finden wollte. So foll man hier über 
30 Seiten — 100 bat nur die ganze Schrift — eine Abhand⸗ 
lung über Staat, Stande, Geſellſchaft, Reich, Volksleben in 
Preußen, Erbrecht, Dynaſtenſtamm, Udelslofe, Kirchenzunft 1. 
lefen, und zwar ſchwachem Berftande auf Grund unvollſtaͤndi⸗ 
ger Begriffe entfprungen, Daher nicht wenig verworrenen Ur: 
theils; und warum % weil der Berf. urtheilt: der Einfluß der 
britiſchen Tarifreform auf pofitifche Entwickelung Englands und 
Europas fei Folge des Übergangs vom ſtaͤndiſchen zum natio⸗ 
nalen Regierungsprincip. Alle Welt werde nunmehr nicht fäu- 
men, eine wahrhaft volfsthümliche Regierung bei fich einzufüh« 
ven. Zu wünfchen wäre es alletdingd, und Die Staaten nähern 
ſich auch diefem Biete, aber nur in Differenzen gegen ihre Ber» 
gangenheit, weil fie das Dick ſelbſt nie erreichen werben. Ins 
deſſen gar der englifchen Zarifreform folgen unmittelbaren Eins - 
fluß zu vindiciren, als wenn fie wie ein eteftrifcher Schlag zu 
wirken im Stande wäre, heißt die Kühnheit,, fozufagen das 
Abenteuern, in politi Urtheilen auf die Spige reiben; um 
fo mehr, als man die ganz eigenthümlichen Borausfegungen 
und Bertingungen, mit denen Feine andere Ration fompathifirt, 
wie etwa mit denen det Zulirevolution, ſich doch deutlich ger 
macht haben muß: Denn vorläufig iſt Nichts weiter vorhan⸗ 
den als ein Sieg der Geldariſtokratie über die Landariftokra⸗ 
tie in einem Kammpfe, der etwa feit den Breiten des Minifle 
riums Huskiſſon geführt wird. Es iſt der fogenennte Mittel 
fland, der, wie in Frankreich ſchon laͤngſt, jegt auch in 
land an das Ruder gelangt ift, und für den die Reprafentatios 
verfaffungen eigentlich vorhanden find, eben als eine Folge der 
adeligen Feudalſtaͤnde, durch a ar der SHädte, in denen 
der Mittelftand- lebt. Volkointereffe wird in Ertgland im Char⸗ 
tisarus und der Mepetil nerfochter, um welche isch aber weder 
Whigs noch Tories bekuͤmmern, wenn ed anders erlaubt ifl, 
diefe jetzt bedentumgätäfen Namen’ noch zu gebrauchen. Aber 
wenden wir uns zu anbern Folgen, fo And die materiellen, na’ 
nıentfich für die kornproducirenden Drte, fo ofienbar, daß dar⸗ 
über nicht viel a reden ift. Der Verf. fieht aber au eine 
allgemeine Hanbelsfeeiheit voraus. Er iſt überhaupt ein Feind 
dee deutſchen Gchug« ober, wie er haben will; Theuerungsgölle. 
Wir haben bereits ai in dieſen Blättern bei Gelegenheit einer 
Necenfion von Bruͤggenrann's Schrift „Der deutfide Bofverein‘ 
unfere Anſichten für die Schutzoͤlle ausgeſprochen und nament⸗ 
lich ehoben, ‚ heute exit em Menfchen⸗ 
alter aft, ſich allererſt auf dem Staudpunkte Befinde, alt Enge 
land zu der Beit, da feine Inbuftrie Schug- brdurſte und ihn 

erhalten Wir find noch derſelben Meinung und wol⸗ 

machen. Nicht nach 
daß Bedärfniß des deu 


nd verarmt, weil fe 
Sperke dauert, I 


—— Be f pr "in ehe der mod Ieere Kreiß  beb 
j r 8 n n 
— c — erhält: deutſche Gentratfobri» 





1080 


ken. Die vereingelten in ben ‚einzelnen Staaten find nicht I 





Bräftig genug. Es fehlt bie Uctivität der deutſchen Bürger, 
nachdem die Regierungen mit der ihrigen vorangegangen find. 
+ Marquard. 
Bibliographie. 


Baum, I3.®., Johann Georg Stuber, der Vor änger 
Dberlin’d im Steinthale und Borkämpfer einer neuen Seit in 
Gtrafburg. Straßburg. 12. 24 Ror. 

Bromme, J., Natbgeber für Auswanderungsluftige. 
Wie und wohin follen wir auswandern. ine umfaflende Be: 
leuchtung der bisherigen deutfhen Auswanderung und aller 
deutfchen Anfiedelungspläne, Beſchreibung der in Vorſchlag ger 
brachten Auswanderungsgebiete und gewiflenhafte eghilberung 
derer Bortgeite und Rachtheile. Stuttgart, Hoffmann. Gr. 8 
1 Thlr. 19 Rgr. 

Louis Cartouche, der berüchtigte Seeräuber » Hauptmann, 
ein eifriger Zögling der — Iefuiten. Eine Warnungsgeſchichte 
für das deutſche Volk. —8 Schreck. 8. 1 Khlr. 

Devrient, E., Dramatiſche und drawaturgiſhe Schrif⸗ 

Ifter—Ater Band. Leipzig, Weber. 8. 
Eothen. Nach der Aten Auflage des enatifihen Driginats 
von A. Kretzſchmar. Grimma, Berlagscomptoir. 8. 1 Thlr. 


Kor. 
Ehrup „H. F. 3., Die_dänifchen Majorate. Eine hiſto⸗ 
eifih-politifche Betrachtung. Überfegt von Th. Shorn. te 
vermehrte Ausgabe. Kopenhagen, Schubothe. 8. 12%, Nor. 
Geftärtdnifle eines im Proteftantismus aufgewachfenen Ehri. 
ften über religiöfe Erziehung un Bildun Un Rain, Kirchheim, 
Schott und Thielmann. 8. 1Thlr. I 


ten. 


Habel, S., Das pennsylvanische Syaem und sein Ein- 
Auss auf die Gesundheit. Inaugural - Dissertation. Wien. 
Gr. 8. 10 Neger. 


Same, G. P. R., Beauchamp oder der Irrthum. Aus 
dem Englifchen überfegt von 2. Kregfhmar. Ifter und ?ter 
" Band. Leipaig, Kollmann. I hir. 10 Rer. 

Kohl, 3. G., Die — ** fund Inſeln der Herzogthuͤ⸗ 
mer —* und Holftein. Rebſt vergleichenden Bemerkun: 
gen über Die Küftenländer, die augen Belgien und Jütland 
Iegen. ?ter und dter Band. Dresden, Arnold. 8. Ale 3 
Bände 5 Thlr. 20 Ngr. 

Loudon, Mrs., Anweifung für Damen, das Landleben 
zweckmaͤßig, wirthſchaftuch und elegant einzurichten und ver⸗ 
ſtaͤndig zu genießen. Aus dem Engliſchen am erfent von L.2Lch- 
nert. Deraußgegeden von W. Eh. 2. Musfehl. Mit Ab: 
bildungen. Neubrandenburg, Brünslow. Gr.8. 1 Thlr. 26 Ngr. 

 Kömenftein, Prinz W. zu, Ausflug von Liffabon nad 
Andalufien und in den Rorben von Marokko im Frühjahr 1845. 
mit zuuner Anficht von Sevilla. Dresden, Arnold. 8. 1 Zhlr. 


gr 
Der Menſch im Symbole. 
daran liegt, Menſch zu ſein. gegen eben von W. Froft 


und W. Kotätfo. Prag. 
Pertz, r Leib kirchliches Glaubensbekennt- 
nisse. Berlin, Veit u. Comp. Gr. 8. 5 Ngr. 


Men?, 9., Sursum corda! Lieder und Reime eines deut». 


ſchen piigers. Wien, Mechitariſten⸗Congregations⸗Buchhand⸗ 
lung. 8. 10 Rgr 

Rof enfrans, R ‚ Studien. Iter Theil: Die Modifica⸗ 
tionen der Logik, abgeleitet aus. dem Begriff des Denkens. 
Reipzig, Brauns. 8. r. 9 Rar 

Roßhirt, ©. F., ciote des Rechts im Mittelalter. 
Ifter heit: Ganonifäes Recht. 
Zhielmann. ®r. 8. 


laſſe herausgegeben von . Röhre. 
und ———— ——** deſſelben. 


Ein Spiegel für Jeden, dem 


5 ging, Kirchheim, Schott u.. 


3 Ilr. 
Schweiger, E.2, Prien Aus des Berfaflere Rach: 
Mit einem Vorworte 
Beimar, Hoff. 


-beitet. 


zoͤſiſ don Tr ey & ei ei 8 bu on ir ham 
Hallberger. KL 8. 1 Ihr. 6 


Zerpen, C., Heinerich ber Sadıfenp ed. Eine 
be nid iſier Theil. Hamburg, ner. Gr. Ar 


Bir leben in der Ratur und müffen fie Eennen. freie 
Unterhaltungen über vaterländifche Ratur und deren Diem 
mit Phyfiophifus. 1. Baͤndchen. Berlin, Nicolai. 12. 15 Rgr. 


Tagesliteratur. 

Allioli, 3. $., Zrauerrede auf das Hinſcheiden Gr: 
Bere XVI. Augsburg. 4. 3 Ror. 

Behnſch, Was verftehen die biblifchen Schriftfteler m: 
ter dem Ausdrude: Sohn Gottes? Eine Zeitfrage, beantwer: 
tet. Reipzig, D. Wigand. Gr. 8. 3 Rgr. 

Bötticher, Der Fönigliche Aueſpruch: „daß die Kirche 

ſich durch ſich ſelbſt zu geſtalten habe,“ und die Bekenntniß 
frage. Ein auch dem Bürger und Landmann verſtaͤndlicht 
zucang aus Nr. 5658 der Evangelifchen Kirchenzeitung vom 
‚au zeitgemäßer Belehrung ger gi ganze evangeliſche 
Ehriftenheit. Berlin, Grobe. Gr. 8. 2 Rgr 
Gedankenſpaͤne und verfuchte Burehtfindun en (Drient: 
rungen) eine Dilettanten, welcher weder iuriftifcer Zunft: 
gie, noch vielweniger ein juriftifder Zunftmeifter ift, übe 
eſetz, Geſetzgebung, Serigte Gerichtsordnung und öffentlik 
Gerichtshaltung. Von F. A. H...... Halberſtadt, Lindequit 
und Schoͤnrock. Gr. 8. 5 Kar. 

Gieſe, B.M., Letzte in Arensneſta gehaltene Sonntagk 
predigt, nebft nod) drei andern Predigten aus der lepten Zei, 
mit einer Borrede und einigen Aktenſtuͤcken. Halle, Schwetſche 
und Sohn. Gr. 8. 6 Rer. 

Glaſer, 3. C., Der Gewerbfleiß und der Handel td 
deutfchen Sellvereind und die Mittel, fie zu beben. Pain 
Bamberg. Gr. 8. 15 Rgr. 

Hagen, ©. ® ‚ Einige Worte der Mahnung und id 
Troſtes, den Reukatholiten dargeboten. Neuftadt a. d. D. 
Wagner. 8. 7, Nor. 

Mallet, H., Das Gleichniß vom Feigenbaum. Freif 
über Evang. Zul. 13, 6-9. Bremen, Kaifer. Gr. 8. 1Rr. 

Das Mafcinenwefen und Die bayüber verbreiteten Bone: 
theile ae, Bamberg. Gr. 8. 

Ifen, QU.2.3., Zweite —* Erörterung übt 
die. jean. holſteiniſche Slaatofucceſſion Mit bisher unge 
druckten Ur nten. er Weidmann. Gr. 8. 24 Rır. 

Ritzſch, € Niemand ift gut, denn der einige Get 
Predigt Uber Marc. > fo, 17,18. Berlin, Beffer. r.8. 3Ryr. 

Potocki, P. S., Ein Wort zur Vertheidigung dei * 
nifigen — Aus dem Franzoͤſiſchen. Leipzig, Steel. 

r 

Privatgedanten über das ſtaatsrechtliche Kirchenverhältrd 

recipirter Religionen im Lande nach Deutfchlands Geſehen gr 
en das Eindringen neuer Sekten, von dem Verfaſſer der 8: 
andlung über die Jefuiten. Freiburg, Herder. &r.8. HN 

Die medicinifche Reformbil Württembergs, ober krtilk 
Beleuchtung ber ärztliden Praxis in Württemberg, nebft Br 
(glägen zu ihrer Reorganifation. Stuttgart, Hallberger. N 


Nor 
Riffel, €, Der Primat Petri und feiner Radhfolger af 
dem apoftolifchrn Stuhle zu Rom. Drei Predi ten. Rom; 
Kirchheim, Schott und Thielmann. ®r. 8. gr. 
Dom Lefen der heiligen Schrift. Eine Pr; Bertiti 
g der Grundfäge der Fatholifhen Kirche gegen bie pre: 
—5*— Betrachtungsweiſe. Nach dem Holländifchen frei bear 
u Mainz, Kirchheim, Schott und Thielmann. Gr. 
er. 


Wagner, K., Über Guſtav Adolf am Rhein und ti 
Bedeutung feines Namens für den nach ihm benannten Bart 
Darmftadt, Leslie. Er. 8. 5 Nor. 


—S Derausgeber: Seinrich Brockzans. — Druck und Werlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 


Bılä 


tter 


für 


literariſche Unterhaltung. 








Deutfher Humor und der VBerfaifer des 
„Sancan”.*) 

Der Humor ift bei uns Deutfchen, wo nicht etwa 
ein Übermaß feines Gegentheils oft als ſolcher erfcheinen 
möchte, ein fo feltener, fo unverhoffter Saft, dag man 
ihn ſchon deshalb überall willlommen heißen follte, wenn 
und wo er ſich berabläßt uns Gefellfchaft zu leiften, 
Wollte ih den Humor In des „Cancan“ Weiſe ſchil⸗ 
dern, fo würde ich etwa folgende Beſchreibung von ihm 
liefern (und ich liefere fie deshalb, um Daran einige 
Betrahtungen über. die Eigenthümlichkeiten und Maͤn⸗ 
gel des deutfchen Humors zu Enüpfen); ich würde alfo 
fügen: Der Humor ift ein lieber fchmuder Junge, ber 
mit umgefchlagenem Hemdkragen und wehenden Zoden 
dahertrottet, und die offene Landſtraße, auf melcher fich 
allerlei luſtiges und curiofes Geſindel umhertreibt, ebenfo 
jehr liebe als ein verfledtes Pläschen im dämmernden 
Gebuͤſch; der bei hellem Sonnenfcheine melancholiſch den 
Kopf hängen läßt und bei Nacht und Nebel in wilder 
Luft aufjauchzt; der dem verfchämten Armen feinen Ober: 
tod freiwillig ſchenkt und in blogen Dembärmeln, fein 
Liedchen pfeifend, vergnügt feine Strafe weiter zieht; 
der, wenn ihm ein Negentropfen die Stirne näßt, Hym⸗ 
nen über den unendlichen Dean onflimmt und, wenn 
der Deean in unabfehbarer Kerne vor ibm liegt, ſich 
mit einenn einzelnen kleinen Tropfen zu thun macht, 
weiher zufällig an einer Wafferflaude Hängen blieb; 
der bald Engel auf Jakobsleitern vom Himmel, bald 
Beelzebubs auf Teufelsbrücken aus dem Abgrunde ſtei⸗ 
gen läßt; der ſich von den großen Stürmen der Welt 
geſchichte angehaucht fühle wie von einem kühlenden 
Sommerlüftchen, während ber hoͤchſt unmerkliche Luft⸗ 
ug, welcher das Binnenwaſſer einer Familie in Bewe⸗ 
zung fegt, fein Inneres erfaßt wie mit Sturmminde« 
rauſen; der da ſtillwehmüthig aber tröftend und getrö- 
tet Kächelt, wo Andere kindiſch weinend das Schickſal 
ei dem Schickſal, den Richter bei dem Angeklagten 
erflagen, und da die fihmerzlichften Thraͤnen vergießt, 


* Gancan eines deutfhen Ebelmannd. Dritter Theil. Leipzig, 


zrokhaus. 195. Gr. 12, 1 Thlr. DB Nor. — Über die frühern 
heile des „Sancan“ wurbe in Fir. 130 u. 131 f. 1862 und 321 u. 322 
1913 beridgen. D. Re. 





wo ber gewöhnliche Menſch nur Stoff zus finmpfen 
Gleichgultigkeit oder zum brutalen Gelaͤchter findet; bee 
ſich aus Sonnenſtäubchen ein erhabenes Metall baut 
und ſich in einem Somenſyſteme haͤuslich einrichtet mie 
in feinem Studirziumer; dem jeder Tag wie ber Jüngſte 
Tag erfcheint, an welchem ber Leib won Millionen zu 
Aſche gewordener Tage wieder auferficht und verklärs 
wird und die Peſaunen des Weltgerichte Denen, bie 
ige Ohr niet verſchließen und ihr Herz nicht versiegeln 
wollen, ebenfo pernehmlich blaͤſt als am älteften Tage 
der Welt, an jenem Tage, da fie zum erſten Male aus 
den Windeln ſchlüpfte und biefe von ſich ſtreifte und mit 
Berwunderung und Erfkaunen ihre Unendlichkeit im Auge 
der Gottheit abgefpiegeit fah umb die lange Weihe ihrer 
künftigen Entwidelungen aus den Mienen diefer Gott 
heit mie aus ben aufgefehlagenen Blättern eines geheim. 
nißvollen Buches ablas. 

Und wenn ich, ebenfalle in ber Weiſe des „Can⸗ 
can", dem Dumor ben Wis gegenüberſtellen felite, fs 
würde ich etwa fagen: Der Wig mißt Raum und Zeit 
nicht wie der Humor nad Aonen, Sommenmweiten, Laͤn⸗ 
gen« und Breitengraden, fordern mit der kurzen (Ele 
der Hrtlichkeit und des Augenblicks Der Humor wirft 
mit Weitkugeln um fich, ber Witz ſchnelle nur Stern⸗ 
ſchnuppen ab; ber TBig- riefelt aus unzähligen Quellen 
und in umzähligen Bächen, um nicht weit son ber. 
Duelle zu verfisgen, der Humor aber entfpeingt aus nur 
einer Quelle, firsmt in breiter und voller Woge und. er⸗ 
gießt fi) ine Weltmeer. Daher fo viele Bäche und Wit⸗ 
linge, Daher fo wenig große Ströme und große Humoriſten. 

Gewiß ein feltfamer Anfang zu einer Mecenfion, 
aber ein Humoriſt wie der Verf. des „Cancan“ will 
nicht recemfirt, fondern humoriſirt fen. Wo es ihm 
fehlt und mas ihm mangelt und mas er Hingegen im 
Uberfluffe befigt, das weiß der Verf. felbfi ſehr wohl, 
hierzu bedarf er keines Kritikers, der fo leicht nur weiß, 
wo Andern, nicht wo ihn ſelbſt der Schub drückt. 
Möglih, dab ich oben nur eimen bleichen Nachſchatten 
der Sancan- Manier gegeben habe, der Werf. bes „Can⸗ 
can” würbe, wenn er Humor und Witz definiten wollte, 
ganz andere Steidhniffe und Unterfchiebe, Mebeblumen 
und Lefefrüchte, alt⸗ und neuteſtamentliche, hiſtoriſche 
und natuthiftoriſche, geographifche und echnographiſche 








1022 


Erinnerungen zufammenhäufen, kurz, über feine Leſer 
wie jener römifche Kaifer über feine Zafelgäfte einen 
Blumenregen ausfchütten, unter dem fie erfliden und 
umfonft nad) Luft ringen würden. Aber an obigem, 
vom Kritiker ſelbſt verfertigtem Beifpiel (worauf er fid) 
beiläufig ‚gefagt nicht wenig zugute thut) fieht man we⸗ 
nigftens entfernt, nach welhem Schema die Humoriften 
Deutfchlande, und zwar nicht die ganz gewöhnlichen, 
mithin auch der Verf. des „Cancan“, zu arbeiten pfle- 
en. In England ift der Humor eine Naturgabe, ein 
Beftandtheil des Geblüts, ein nationales Erkennungs⸗ 
zeichen. Wo läfe man einen englifhen Roman, möge 
er in poetifcher und philofophifcher Hinfiht auch noch 


fo vermahrloft fein, in dem jener humoriſtiſche Grundzug 


nicht die Folie bildete, um die Erfcheinungen des äußern 
Lebens wahr und getreu abzufpiegeln und in unnittel« 
barer Nähe an uns herantreten zu’ laffen? Diefes hu- 
moriftifche Element ertheilt den Charakteren und Situa⸗ 
tionen jenes warme, lebensfrifche Colorit, jene genreartige 
traulihe Gruppirung, die wir in den englifchen Roma- 
nen fo häufig, um fo feltener aber in den Romanen 
anderer Voͤlker antreffen. Der Franzofe ift zu dieſer 
bumoriftifhen Auffaffung der Wirklichkeit ſtets zu echauf- 
firt und leidenfchaftlich, der Deutfche in der Regel zu 
fehr Denker und Künftler; natürlich fpreche ich hier nur 
von den beffern Romanfchriftftellern, denn es gibt un- 
ter und deren genug, die gar nicht zu bilden wiffen, 
die nicht Bildhauer- fondern nur Steinmegarbeiten lie- 
fern. Der deurfhe Humor unterfcheidet fi) vom engli- 
ſchen wie die Schule vom Leben, wie die Univerfitäte- 
bildung von der Volks⸗- und Staatsbildbung, wie die 
Theorie von der Praxis. Hätten unfere Roman- und 
Dramendichter nur mehr natürlichen Humor, fo würden 
fie die Tugend und das Laſter, die Liebe und den Haß, 
die Innen- und Außenwelt und was zwifchen beiden 
entweder ald Gegenfag oder PVermittelung liegt, auch 
anfchaulicher und weniger abftract darzuftellen wiffen. 
Diefer Borwurf trifft namentlich unfere fogenannten Sa⸗ 
Ionromane und zwar vorzüglich diejenigen, die von adeli- 
gen Frauenhänden, weiche die Gegenftände nur leife mit 
den Fingerfpigen anzurübren pflegen, geftridt worden 
find. Daher wünſchte U. v. Sternberg einer deutſchen 
fehriftftellerifchen Gräfin neulich im „WMorgenblatt” mit 
Recht ein wenig Naivetät oder auch nur Witz und et- 
was Humor. „Ein guter Scherz, ein frifcher Humor‘, 
fagt er, „würde über vieles elägliche Ungemach hinweg⸗ 
helfen und den Ernſt nicht erniedrigen, ſondern noch er⸗ 
höhen.“ Vom Wig fprehe ih hier nicht, der Wig 
trägt wol zur Lebendigkeit der Darftellung, aber wenig 
zur DVerlebendigung des Dargeftellten bei. Ebenſo we⸗ 
nig die Ironie, felbft nicht die Sokratiſche, möge fie 
auch U. v. Sternberg immerhin die höchfte Kunftvollen- 
dung nennen. Das mag fie allerdings auch fein, näm- 
lich eine höchſt Lünftliche und künſtleriſche, aber feine 
Raturbildung, Feine natürliche Vollendung. Humor fann 
auch der einfache Landmann haben und bat ihn auch 
oft, Ironie nur der Gelehrte. Unſere Treibhauspflanzen 


prangen mit prächtigern Blüten als unfere Feldblumen, 
aber fie find Zreibhauspflanzen; der gemüthvolle Menfd 
fühlt ſich wohler auf einer Wiefe mit einheimifcen 
Blumen als in einem Treibhaufe trog der wohlgepfeg: 
ten Pflanzen. Die Ironie ift je geifteicher fie ift defis 


‚mehr dem. denfenden Kopfe entfprungen, der echte reine 


Humor wähft wild aus dem Herzen, aber er kann wr: 
ebelt werden, er Tann Wis und Ironie zur Hülfe ro 
fen. Der Wig ift nur wigig, die Ironie kann zugleich 
auch wigig, ber Humor Beides, witzig und ironiſch fein. 
Aber er ift noch etwas mehr, er ift eine poetifche Kraft, 
er iſt lyriſches Gefühl und philoſophiſches Denken, Ira: 
gödie und Komödie zugleich, alle Mittelftufen auf- und 
abfteigend von der unergründlichften Tiefe bis zu den 


alles Irdifche überragenden Hochgipfeln des Anſchauens 


und Fühlene. 

So erſcheint er allerdings bei einigen großen deut: 
[hen Humoriften, namentlic, bei Sean Paul „Jean Paul 
the Only‘, wie ihn einmal das , Edinburgh review” 
nannte. Aber auch bei Sean Paul fteht er in fih ge 
fhloffen und abgefchloffen von der wirklichen Welt cn 
fiedlerifh da, ein Poet, ein Philofoph, zum Theil ah 
Gelehrter, aber kein praktifcher, an den Welthändeln 
fih betheiligender Bürger eines großen Gemeinneint. 
Jean Paul's Humor ift eine einzige Erfcheinung, be— 
haftet mit allen Borzügen und Mängeln Deffen, was i 
feiner Art einzig ift und feinen Mafftab nur in fih 
felbft hat. Im diefer einfiedlerifchen. Abgefchloffenheit if 
dem Humor Jean Paul's fo Vieles verfagt, was un 
bavan erinnern Lönnte, daß es noch feines Gleichen gift; 
er ift bei Jean Paul ein Geheimcuftus, an deffen Ger: 
monien wir und wol erbauen, ohne fie immer zu tr: 
ftehen, ohne die Kraft zu fühlen, diefen Cultus weitet 
bilden zu fönnen, ohne den Wunſch zu haben, ihn mit 
allem Beiwerk zu einem gemeinfamen Cultus erhoben 
zu fehen. Diefer Punkt ift es nun, wo der englifk 
und der beutfhe Humor auseinander gehen; der deut 
fe Humor hat in Jean.Paul den englifchen Hums 
überflügelt oder vielmehr überflogen, aber dabei Höhn 
erreicht, wohin der praktifche Menfchenverftand ihm nid! 
folgen fann; der englifhe Humor ift ftets mit fint 
Nation auf gleicher Linie geblieben, er will nichts Dr 
fondere® haben, er fegt feinen Ruhm in die Offentlid: 
keit, in die praftifche Wirkſamkeit, in die Faͤhigkeit, fd 
Allen verftändlih und zugängli zu machen. Ba 
kann diefe Parallele dahin zufammenfaffen: der deutfät 
Humor, wie er 5. DB. bei Hippel, am mächtigften ab 
bei Sean Paul erfcheine, unterſcheidet ſich vom endli 
fhen wie Prieftertbum von Bürgerthum. . Wenn mar 
aber bisher von nadter Profa gefprochen hat, fo fühl 
man fich verfucht zu fagen: bei den beutfchen Humsr' 
ften fei die nadte Poefie, bei den englifchen die bel 
dete Profa anzutreffen. 

Nach Jean Paul haben Manche einen ihm nachge— 
ahmten Flugmechanismus angewandt, der ihnen die nt 
türlihen Fittige des Jean Paul’fchen Humors erſehen 
follte. Sie kamen aber meift nur eine Strecke weit, b# 


1023 


fie mit zerbrochenen Flügeln zu Boden fanten. Jean 
Paul ſtrahlt als Firfteen und hat fein Licht in und aus 
fi felbft; Andere nach Jean Paul mögen glänzen und 
flimmern, aber entweder mehr oder weniger mit erborg- 
tem ober nicht immer ganz reinem Licht. Lesteres z. B. 
kann man von E. T. U. Hoffmann fagen, welchen die Ber- 
finer, weil er überall fputhafte Dämonen und Zeufels- 
fragen fah, den Sput- Hoffmann nannten, wie er denn 
auch ſelbſt etwas Spukhaftes und Dämoniſches hatte. 
Allerdings quoll in ihm ein reichhaltiger Humor, doch 
nicht ohne mancherlei trübe Beimiſchung, die den Genuß 
ſtoͤrt; das milde, ſehnſüchtige, mit Wehmuth und Trauer 
gemiſchte Lächeln des Humors ſteigert ſich bei ihm nur 
zu. oft zu einem grellen Auflachen, zu einem- höhnifchen 
fragenhaften Grinzen, zu einer krankhaften Verzerrung 
der Lach» und Geſichtsmuskeln. Börne, der eine fo 
herrliche Kobrede auf Jean Paul gefehrieben bat, blieb 
im Raifonnement, in Zeitbetrachtungen fteden, ohne den 
Fuß auf den feften, einen Widerhalt gewährenden Bo⸗ 
den der Production fegen zu fönnen. Beine ift ohne 
Zweifel mit einem großen Zalent für den Humor be- 
gabt, aber ein höhnifches, beifendes und ägendes Ele- 
ment in ihm, welches felbft vor dem Cynismus nicht 
jurüdfchredit, Laßt einen durchaus reinen und verfühn- 
lihen Eindrud nicht auflommen. Die Blumen der 
Humoriftit winden fi) bei ihm nicht wie bei Sean 
Paul zu einem vollen thränenbethauten Kranze, fie lie- 
gen bei ihm wirr durcheinander, gemifcht mit Stachel- 
frügtn, Dornen, Difteln, Giftbluten; der gewürzhafte 
Duft feiner Lyrik ift mit einem. tauftifchen, beißenden 
Dunft gemiſcht, und giftige Tropfen flatt des Thaus 
verln an den oft grotes® geformten aber prächtigen 
Blüten. Der bizarre wilde Grabbe erhob fi nur ein- 
mal auf die Höhe eines genialen aber baroden Humors 
in feinem fatirifchen, Luftfpiel „Scherz, Satire und tie- 
fere Bedeutung”. Tieck ift in der Ironie Meiſter und 
Port genug, um ihr nicht felten einen anmuthig humo⸗ 
eififhen Anftrich zu geben, aber die Grundfarbe 
hat mit dem Humor Wenig oder Nichts gemein. Es 
ließen ſich noch Manche nennen, die allenfalls auf das 
Ehrenbürgerrecht im Weichbilde der Humoriftit Anfprud) 
maden koͤnnten, aber mehr oder weniger find fie ſcharf⸗ 
finnig oder : wigig flatt eigentlich humoriſtiſch, und na- 
mentlich fehlt Allen die unerfchöpflihe und unmandel- 
bare Jean Paul’fche Liebe, ohne die der Humor nichts 
weiter ift als ein tönendes Erz und eine klingende 
Schelle. Unter den gemüthliden Humoriften der neuern 
Zeit möchte jedoch noch der pſeudonyme Kornfeger (Sei⸗ 
dert) mit befonderm Lobe zu nennen fein. 
(Die Bortfegung folgt.) 





Sammlung Peiner Schriften ftaatöwiffenfchaftlichen In⸗ 
halts von 3. ©. Hoffmann. Berlin, Nicolai. 
1843. Gr. 8. 3 Thlr. 

Des Berf. Keiftungen im Bade der ftaatswiffenfchaftlichen 
Kiteratur find zu allgemein anerfannt als daß es noͤthig wäre, 
derm verbienftliche Eigenfihaften weitläufig au erörtern. Aus⸗ 
gerüftet mit den reichen Erfahrungen und umfaflenden Huͤlfs⸗ 


—ꝰ ꝰ ꝰ ꝰ ꝰ ꝰ ꝰ ꝰꝰꝰꝰ — —— — —— — — — — — — — — — — — — e esúú — — — — — EEE er — — 


mitteln, welche ihm feine Stellung als Director des Statiſtiſchen 
Bureau gewährt, befigt er in hohem Grade die Gabe, aus 
trodenem Zahlen» und Zabellenwefen fruchtbare Refultate zu 
ziehen und anſchauliche Überfichten zufammenzuftellen. Unter 
vielen Auffägen, weiche feit einer Reihe von Jahren von Hrn. 
Hoffmann in der „Preußifhen Staatszeitung”, in der „Medi 
einifchen Zeitung” und in den „Annalen“ der Alabemie der Wif: 


ſenſchaften erfchienen find, hat derfelbe Diejenigen Arbeiten, 


weiche ihm der Erhaltung werth fchienen, ausgewählt und, zum 
Theil erweitert und umgearbeitet, unter obigem Zitel heraus: 
gegeben: Es befinden ſich in der vorliegenden Sammlung zwölf 
Auffäge, von welchen fich drei auf die Bevölterungsverhältniffe 
beziehen; ſechs betreffen die Unterrichtsanſtalten, einer die Ver⸗ 
bältniffe der Judenſchaft im preußijchen Staate-und einer han» 
beit über die Natur und Beftimmung der Renten aus Boden- 
und Gapitaleigenthum; bisher noch nicht gedrudt war eine Ab» 
handlung über die flaatswiffenfchaftlichen und fittlichen Wirkun- 
gen der Branntweinbrennereien und des Branntweinverbrauchs. 

Wenn das Ganze des voluminöfen Bandes vorzugsweife 
ſolche Xejer finden wird, welche ſich aus Beruf oder Neigung 
mit den fpeciellen Fragen der Staatsöfonomie beſchäftigen, fo 
dürften doch einige — 38 — und Mittheilungen, welche wir 
in Nachſtehendem dem Buche entlehnen und wo ſich Veranlaſ⸗ 
fung darbietet mit Bemerkungen begleiten, in einem weitern 
Kreife nicht unintereffant erfcheinen. 

Die Bollssählung ergab am Ende des Jahres 1816 im 
preußifchen Staate eine Zahl von 10,349,031 Einwohnern; am 
Ende des Jahres 1840 eine Zahl von 14,928,50L, alfo in 24 
Zahren einen Zuwachs von beinahe 5 Millionen. Im Jahre 
1841 wurden 391,549 Menfchen geboren, es farben 415,00 
und es wurden 136,183 Ehen geſchloſſen. - Einen bemerfens: 
werthen Einfluß auf die Schließung von Ehen übte das Ein- 
dringen der Eholera, weldhe im Mai 1831 zuerft über Danzi 
ind Land hereinbrach. Während im Jahre 1830 über 11V, 
und im Jahre 1832 über 127,000 Ehen gefchloffen wurden, 
famen im Jahre 1831 nur 98,637 Ehen zu Stande. Selbſt 
die Einwohnerzahl, welche mit jedem Jahre geftiegen war, hatte 
fid im Cholerajahre vermindert, weniger durch die von der 
eu: berbeigeführten Zodesfälle — denn es find im Ganzen 
nur 32,847 Choleraleichen (im Jahre 1831) vorgelommen — 
als überhaupt durch größere Sterblichkeit und eine Menge aus 
Furcht vor der afiatifhen Feindin erfolgter Auswanderungen. 
Wie viel Unheil hat jene Furcht damals angeftiftet! Daß man 
an die Eontagion glaubte und in den ſtrengſten Quarantaines 
verordnungen Schug fuchte, mar‘ für den Anfang zu entichul- 
digen: daß man auch nach weitern Erfahrungen jene zweckloſen, 
den Verkehr und Wohlftand beeinträchtigenden Maßregeln viel 
länger als nöthig fortſegte, möchte bei der allgemeinen Befan- 
genheit auch noch hingehen; daß aber die Behörden, ftatt den 
Leuten Muth zu maden, eine anfcheinend über die Krankheit 


beiehrende Schrift maffenweife verbreiten ließen, eine fchauder: 


volle Peine Schrift a I Sitbergrofchen, in weldyer die Schreck⸗ 
niffe der Cholera von den erften Symptomen bis zu den ent 
jeglichen WBadenfrämpfen, dem Augenverdrehen und der „mar: 


morkalten Haut der Sterbenden“ fo malerifch befchrieben wur: ⸗ 


den, daß den geängftigten, Lefern die Haare zu Berge ftanden 
und Mande ſchon von dem erfihütternden Gindrude dieſes 
Rachtgemaͤldes die Cholera befamen: — Das war einer der 
zahlreichen Misgriffe, die ſich in keiner Weife rechtfertigen laf» 
fen, und die Geſchichte wird es nicht verfchweigen, daB damals 
alle Welt den Kopf verloren hatte. Einige gefcheite Dränner, 
welche die Verfehrtheiten befämpfen wollten, durften nicht laut 
werden, und erft als die Seuche trotz aller Cordons trium⸗ 
phirend in Berlin eingezogen war, kam das beflere Einſehen 
einigermaßen zum Durchbruch. Wir haben uns nicht enthalten 
Tönnen, diefe Erinnerung an eine traurige Zeit bei diefer Ge⸗ 
legenheit aufzufrifchen; fie enthält Lehren, die, nicht. blos in 
Bezug auf Epidemien, aller Beachtung werth find. 
Bor vielen Ländern zeichnet fi Preußen Durch die geringe 
Bahl der unehelihen Geburten aus; im Durchſchnitt der 


—⸗ — —⏑——— — 


| 
' 
| 
| 
| 
| 
| 


m re et — TEE — — —— ç ᷑ꝰ⸗— —— — —— — — —— Au 


— — — — —— — —— 


- . Tu N 








‘ 1088 


Sure 1916-48 tamıen auf 108,000 Reugebeem: 09997 undye 


Buß bei den un 


verbreiteten Übergewidgt erzeugter Knaben 
den —2. 
) 


Yen. Auf 8 Ehen Tommen 33 Kinder. So Sehr chieden 
au die Kind [ in den ei Familien ift, fo zeigt ſich 
doch im Durchſchnitt vieler I und maflen im neueren 


chri a eine merkwuͤrdige Sleichheit hierin, indem 
faſt uͤberall wenig mehe als 4 Kinder auf I Ehe kommen. 
Der zweite & handelt „Über die Beforgniffe, welche 
das Zunehmen der Bevoͤlkerung erregt”. Bis zum Ende des 
18. Sahrhunderts ftand die Sorge für die Zunahme ber Be- 
völkerung obenan unter den Pflichten der Btaatswirthe. Hier⸗ 
egen trat Malthus im Jahre 2793 zuerſt mit Zweifeln auf. 
& verfannte nicht, daß die Macht der Staaten bedingt werde 
durch die Kraft ihrer Bevölkerung und durch die Weisheit, wo: 
mit ihre Regierungen dieſe Kraft gebrauchen ; auch damit war 
er einveritanden, daß diefe Kraft ebenfowel in der Anzahl als 
in der Beſchaffenheit des Volkes liege. Ex war ferner von der 
Übergeugung durchdrungen, Daß durch ein beftimmtes Maß von 
äußern Gütern au nur ein beftimmtes Maß von Menfchen- 
kraft unterhalten werden fann. Das Höcfte, was äußere Guͤ⸗ 
ter in diefer Hinfiht zu leiften vermögen, iſt erreicht, fobald 
die Anzahl der Menfchen nicht weiter anwachſen kann, ohne 
mehr Kraft durch ihre verzingerte Beichaffenheit zu verlieren 
als durch ihre vermehrte Anzahl gewonnen wird. Run könnte 
der Übervölferung direct entgegengetreten werden durch Er⸗ 
ſchwerung der Eheſchließungen. Iſt aber eine ſolche anzura- 
then? Zwar entiteht ein großer Iheil des Elends unter den 
gebildeten Voͤlkern aus unvorſichtig geſchloſſenen und ſchlecht 
geführten Ehen, namentlich auch aus dem rüdfichtslofen Er: 
en von Kindern, welche zu kräftigen und fittlichen Men: 
—* uziehen den Altern hinreichende Mittel mangeln. 
Daraus aber folgt keineswegs, daß die Voͤlker glüdlicher find 
und namentlich eines längern, Fräftigern Lebens genießen, wenn 
über$aupt unter ihnen weniger Kinder erzeugt werden, fondern 
nur, daß dem Unverftande, der Unfittlichfeit und ber Traͤgheit 
abgeholfen werden muͤſſe, welche das haͤusliche Leben vergiften. 
Das Übel liegt nicht darin, daB der Menſchen zu viele wur: 
den, fondern darin, dag die Gewerbfamkeit auf Abwege (nicht 
nur in Fabriken, fondern auch bei fabrißmäßig betriebener Band: 
wirtbichaft) geriet Oo 
„Es mag ſchwer fein, Hier gu beffern, ohne das Zeitalter 
im feinen glänzenden gewerblichen Fartſchritten zu hemmen; 
aber fo gewiß das Menſchengefchlecht in feinen gebildeten Staa⸗ 
ten lernen mußte, fich ohne die Sklaven des daffifchen Alter⸗ 
ums und shne die igfeit der Erbunterthanen des Mittel 
aiters gu bebelfen, fo gewiß wird auch die neue Welt noch ler⸗ 
nen muflen, einen noch höhern Aufihwung der Gewerbſamkeit 
ehne Zerſtoͤrung des Familienlebens und bes haͤuslichen GLüds 
ihrer Arbeiter zu gewinnen. Dahin zu gelangen ift die fchwerfte 
aber auch bie dringendſte Aufgabe für die Befeggebung unferer 
Tage. Diefe zu löfen ift das Zeitalter berufen, nicht aber ſich 
in DBeforgniffen abzumüben, wohin die fortfchreitende Vermeh⸗ 
rung der Menfchen unter dem Schutze der gegenwärtigen Bil 
dung nah einem Jahrhundert führen koͤnne. Wer unter und 
: haste nur vor 60 Jahren eine Borftellung von Dem was heute 
an der Tagesordnung iſt! Selbſt Diejenigen, welche bereits in 
vollem Gebrauch der Auffaſſungs⸗ und Urtgeilöfraft diefen Zeit 
sam durchlebten, bedürfen beforiberer Anregungen, um ficdh 
Du aeiar bewußt zu werben, was fich ſeitdem um fie verän- 
dert ’ 
Bach den ftatiftifchen Berechnungen aus den Jahren 1816 
—41 betrug in Preußen die mittlere Lebendbauer 341/, Jahre, 
webei zu bemerken if, daß dieſelbe für das weibliche Geſchlecht 


Berantwotklicher Heraußgeber : 





Heiurich Brockpaus. — Druf und Derlag von F. &. Brodpans in Leipzig. 


vinz Pommern bat befonderd günftige Lebensverhältnifie für 
alle Altersclaffen ; auch in der Provinz Sachſen fteht die mitt: 
lexe Lebensdauer faft allgemein Yöher als im Duecchfchnitte ii 


vn Ctants. In den übrigen Provinzen zeigen ſich in di 


Beziehung groke Verſchiedenheiten 3 fo z. B. erzeiht in ein 
zelnen Kreiſen Weſtfalens die mittlere Lebensdauer 36 Jahre, 
m andern Kreiſen (Tecklenburg, Warendorff, Bodum, Füting: 
haufen und Münfter) fteigt fie bis 44 Jahre. , 

Der _preußtfche Staat enthielt am Schluſſe des Jahres 13M 
2,9004,437 ſchulfaͤbige Kinder, worunter diejenigen verfkune | 
werden, welche das fechöte Lebensjahr angetreten, das vier 
jedoch noch nicht ganz vollendet haben. Rabe an vier Zunftd 
derfetben genießen Unterricht in öffentlichen Giementar: und 
Mittefiguten. Beihnnet man diejenigen hinzu, weiche auf Oyw 
nafien und höhern Bürgerfchulen unterrichtet werden, fo erzit 
fih, daß neun Zehntel der ſchulfähigen Kinder öffentliche She 
len befuhen, und berückſichtigt man bei dem legten hard 
diejenigen, welche durch Privatunterricht gebildet werten, fi 
bleibt nur eine fehr geringe Anzahl von ſchulfähigen Kinder 
übrig, welche ſich ohne Unterricht befinden. Beſonders die Ps 
vinz Sachſen zeichnet ſich durch reichlich dargebotenen und be 
nugten Volksunterricht aus. Won 10,000 Kinbern, melde du 
ſechſste Lebensjahr angetreten, das vierzehnte aber noch nid 
vollendet haben, erhalten in den Elementar⸗ und Mittelidule 
Unterricht im Regierumasbezirt Merfeburg 9306. Schr ungin 
fig Felt fi das Verhaͤltniß für Berlin; es ſteht hier nie 
ger als in irgend einem Regierungsbezirk des preußischen Stasi. 
In Berlin. benugten nur neun Sechzehntel der fchutfühigen Kinder 
die Elementar: und Mittelſchulen; zwar ift dieſes ungünfige 
Ergebniß zum Theil nur ein fcheinbares, da der Zheil de w: 
ter Idjährigen Knaben, welche in den Gymnafien und hihen 
Bürgerfiyulen Unterricht empfangen, in Bertin verhätiins 
Fig betraͤchtlich ift; doch kommen auch mit Hinzuredhnung die 
fer Kinder auf. 10,000 fchulfähige nur 6757. Im Regieru 
bezirk Königsberg kommen auf 1000 fehulfähige Kinder % 
im Regierungsbezirk Marienwerder 6569, im Regierungekiit 
Bromberg 8601 die Elementar⸗ und Mittelfcyulen befudenkt 

er, | 
(Die Bertfegung folgt. ) 





Riterarifge Notizen. 


Alte hebräiſche Handſchrift. 

Dr. Pinnor, Docent an der Univerfität in Berlin, hat a 
Odeſſa ein handſchriftliches Eremplar des Propheten Hababt 
auf Pergaskent aus dem 9. Jahrhundert aufgefunden. Did 
Manufeript ift fonach über I Jahre alt und insbeſonden 
deshalb merkwürdig, daß tie Punktation der Bocale und U 
cente in ihrer Form völlig von der in ben bis jegt vorhande 
nen Manufcripten und hebraͤiſchen Buͤchern abweicht. Eu 
Beſchreibung diefer Handfchrift fammt einem Facſimile wird au 
Koften der kaiſerlichen Geſellſchaft für Gefchichte und Aiterthums 
kunde in Ddeffa herausgegeben. 


Daß „People's journal’ und nad) ihm das „Athenacoe" 
theiten Fürglih eine ſehr gelungene dichteriſche übertrageng 
von Freiligrath's „Bequiescat‘‘ aus der Feder von re 


Hemit mit. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





—— Nr. 257. ö—— 


14. September 1846 





m — — — — — — — — — — — U — — — 


Deutſcher Humor und der Verfaſſer 
Ä des „Kancan”. 
( Fortfegung aus Nr. 256.) 


An dem „Gancan eines beutfhen Edelmanns“ hat 
unfere zeitgemäße Literatur in der That eine bantens- 
werthe humoriſtiſche Erwerbung gemacht; wenn ich aber 
füge „zeitgemäße Literatur, fo ift damit ſchon ausge⸗ 
ſprochen, daß. diefe intereffante Erfcheinung den Zeit- 
ſchwaͤchen und Zeitlaftern mehr ober weniger verfallen 
if. Und dennoch verdienen manche Partien diefes Bu⸗ 
ed in der Literatur einen Chrenplag! Sie find aber 
leider nur einzelne Schönheiten und SHerrlichkeiten; das 
Ganze hat keine literarifche Korm, feine künftlerifhe Ge⸗ 
fall. Der Verf. hatte zuvorderſt nicht nöthig drei Theile 
ju fhreiben. Es iſt überhaupt eine ungludlihe Manie 
unferer Zeit, fogenannte „bie“ Bücher in drei und vier 
Binden zu liefern; meinen die DVerfaffer etwa, ihre 
Werke fielen auf der Wagfchale der Zeit dadurch ſchwe⸗ 
ter ind Gewicht und müßten ihre® Volumens wegen 
eher auf die Nachwelt fommen? Die herrlichften Werke 
aller clafifchen Dichter von Homer an bis Goethe und 

pron, und gerade diejenigen, welche in Aller Händen 
und Gebächtniß find, haben bis auf wenige Ausnahmen 
ein geringeres Bolunen. Goethes „Wilhelm Meifter 
gehört zu diefen Ausnahmen, er bat aber auch nie bie 
populaire Wirkung gehabt als fein „Werther”. Gin 
clafſiſches Werk fol ein Andachtsbuch fein, das man 
allenfalls in der Tafche mit fich führen kann, das Durch 
fine Die von immer wiederholtem Lefen nicht zurüd- 
ſchreckt. Man frage fich felbft: wird man noch in zehn 
Jahren die in unferer Zeit erfcheinenden drei⸗ oder vier- 
bändigen Romane lefen, ja lefen können, während 
wir von Jahr zu Jahr immer mehr zu thun bekommen 
und kaum noch bas Nothwendigfte zu lefen im Stande 
find? Der Verf. des „Cancan“ Hatte, fo viel wir wife 
fen, einen äußern Grund wie fo mande für bloßes 
Honorar fehreibende Autoren, fein Buch in fo und fo 
viel Theile auszudehnen; er hatte dazu aber auch keinen 
ännern Grund, wenn man nicht etwa das Gelüfl, 
les, was er je in feinen fehönften Stunden fchrieb, ge- 
drudt vor ſich zu haben, als Grund gelten laffen will, 
Wohin würden mir aber in, ber Literatur mit ſolchen 


Selüften kommen? Kurz, der Berf. würde, wenn er 
nur das Schönfte und Beſte ausgewählt und aneinan- 
ber gereiht hätte, einen Band geliefert haben, welcher 
zwar immer noch aus Fragmenten befanden hätte, aber 
doch in ein fehr genießbares und gemwürzhaftes Bericht 
eingetocht worden wäre. Es geht mit dien und dün⸗ 
nen Büchern gerabe wie mit diden und dünnen Men- 
fhen; ein dünnes Buch überfpringt eher ein Dindernif 
und ſchleicht fi überall, auch wol in die Literatur, 
eher ein ale ein dickes. 

Unleugbar aber ift, baß der Verf. bes „Cancan“ für 
den Humor fehr bedeutende Anlagen befigt. Als echtes 
Kennzeichen des Humoriften darf gelten, wenn er nicht 
blos über den Dingen und Perſonen, fondern auch 
über fich fieht und von dieſem erhabenen Standpunft 
aus Selbfiverleugnung genug zeigt, fih, feine Perſon, 
fein Werk zu ironiſiren und lächerlich zu machen. Es 
liegt wahrlich mehr Geiftesgröße darin, mit farkaftifchem 
Lächeln auf fich felbft herab ale mit Bewunderung und 
Verehrung an fich felbft emporzubliden. Die Welt- 
erfenntniß ift für den Humoriften etwas Großes, etwas 
Größeres aber ift für ihn die Selbſterkenntniß; fehlt 
ihm diefe, fo ift ein Bruch mitten hindurch vorhanden, 
der feinen Humor zur Lüge ſtempelt. Diefe jept ſo 
böchft feltene fchägenswerthe Tugend, ſich oder vielmehr 
fein Werk von oben herab zu betrachten und die Batte- 
vien des Humors gegen feine eigene Perfon fpielen zu 
laffen, befigt der Verf. des „Cancan“ im hohen Grabe. 
Bliden wir nur ber Vorrede ein wenig in das ſchalk⸗ 
beft lächelnde Geſicht. Der Verf. Eritifirt darin fein 

ud in einer Weiſe, wie man es gar nicht unparteli- 
her ritifiren kann. Wir ziehen bier einige Stellen aus: 
Üble Nachrede des Eancan. 

Wir wollen keineswegs auf Majoratsherren anfpielen, 
wenn wir kurzweg behaupten: alle erften Erzeugniffe taugen 
gewöhnlich nichts. Won unfern beften Breunden, den Hunden, 
muß der erfte Wurf ins Waſſer und bei den Obftbäumen ift 
die erfte Frucht holzig und fauer, wie bei den GSchriftftellern 
gemeiniglich das erfte Buch- 

An dem eben vor und liegenden ftellen wir jedoch Richts 
weiter aus als den Mangel einer conjequent fchaffenden Idee 
und die unendlich betrübende Bormlofigfeit. Originalität und 
Natürlichkeit fehlen ihm ganz und gar, das Romangerippe ift 
nur ein magerer Yadefel für die abgetragenen, von Sonne und 
Staub verfhloflenen Phantafielappen des Autors und fein. ab- 








4 
ee *. - 5 u ’ 
» \ - it 


ehegter Stil, der feine Mofait mühfelig aus der Ziefe bes 
Sofenhsbrunnen und von der Höhe des Popocatepetl zuſammen⸗ 
Maubt, erliegt unter feiner eigenen Schere... Wie dic Ge: 
beine des heil. Marcus dadurch den vijitirenden Mufelmännern 
verborgen wurden, daß ihre Traͤger; Schweinefleiſch! ſchrien, 
fo Amgekehrt wärhte:er Der gear Befeßfchaft gewiſſe ‚bittere. 
„Midicaniefite , die ſie ſo Ängekn ſchluckt in farbig derzuckerten 
Pillen beibringen ; allein 'unfer "tiefer dringendes kritiſches Auge 
fieht unter der leichten Blumendede die troftlofe Leere, wie ge: 
rade die üppigfte Vegetation die Nähe der Wüfte anzeigt, und 
wir werden plöglich ernfthaft und hegen den Verdacht, al& habe 
der Autor nichts Gründliches gelernt, als fei er zwar von fei: 
nem. @egenftande warm erfaßt. und fühle den Drang in fi, 
darüber ſich auszufprechen, allein als fehle ihm die Reife und 
‚der. liberblid eines obiectip beurtheilenden, über der Zeit und 
"der Meinung der Maſſe ftehenden Geiftes. Deshalb gebraucht 
„gr das Blendwerk, da wo er nicht mehr tauchen kann, feine 
"Bafferfünfte "auf der Oberfläche zu madjen, und wo ihm der 
"Wedanke arm und bloß entgegentritt, einen um jo reicher ge: 
flickten fitiffifchen Drantel darüber zu werfen. 
Bir gefteben zwar, daß auch uns. jene: Schriften weniger 
- anfprechen, die ihr Thema ganz erfchöpfen und dem Lefer nie: 
mals goͤnnen, von feinem eigenen Geifte Dazu zu thun; allein wir 
verlangen dennoch das endlich Far ausgefprochene Ultimatum 
des Berfaffers und find der Überzeugung, daß Derjenige, Der 
verſchiedene Meinungen mit gleicher: Liebe" und gleichem Fletße 
bekämpft und vertheidigt, ſich nur ſchwer vom Verdachte einer 
Doppelnatur rechtfertigen kann. Was weiter? Geiſt, Form 
„und Stil find miſerabel, das Übrige ginge an, wenn der Au⸗ 
"tor flatt_franzöfilihes und engliſches Kauderwelſch etwas Latein 
"and Griechiſch eingemifcht Hätte. Das einzige wirklich Wahre 
1-fämmtlidder drei Theile des Cancan ift nur deren uͤble Nachrede. 
Am’ Eömerfee- ins Hitzemond 1844. 


-innigteit und 


nahme. Die 


: die Individue 





und Jäntifchen Zeit ein übel Ding. Jene Gemürk- 


Rebensfreudigkeit, wie fie für Jean Pauls 


‘Zeit charakteriftifh war, kommt eben überall in U 


Menſchen find jegt faft ohne Ausnahme 


"nur noch Tendenzen, die mit andern Tendenzen (ode 
Menſchen, wie man fie wol au), aber nicht. mehr gan 
paffend, nennt) entweder in ein feindliches oder freund 
liches Verhaͤltniß treten, von ihnen angezogen oder ab: 
geftoßen werden und fi) zu Falten logorhythmiſchen Zeit 
aufgaben verwenden laſſen müffen. Einer gilt da fe 
viel oder fo wenig mehr als der Andere, oder wer ermat 
mehr gilt, wird mitteld der allgemeinen Abnugungsthe: 
rie bald zu "dem Nivesu :der Andern zurückgebrach 
Idealiſten, poetifhe Träumer, humoriftifche Original: 
menfchen, überhaupt Alle, welche eine Stellung für fd 
allein behaupten wollen, fommen ‚innerhalb eines folden 
Zuftandes innmer zu kurz oder werden als unbraudk: 
rer Meft ausrangirt. Der Poet unter den franzöſiſchen 
Politikern, Lamartine, hat. in der Hauptfache faſt in 
mer echt, :man fieht auch -ein-.wie ſehr er recht Mt 
man hört -ihn gern; :aber keine Partei ‚mag feine In 
fichten gu : der ihrigen machen, = weil: er .e6- werfhmäh, 
fih als Ehorburſche in die Liſten einer Partei oder 
Frattion einregiſtriren zu laſſen. Die Verhaͤltniſſe ge 
winnen immer mehr einen Maſchinencharakter, inder 


n :wie Schrauben und Mäder. faſt willu⸗ 


los ineinander greifen. Gleich als ob fie um igr 
Schwäche wüßten und ahnten: das Reich der Inder 


Wenn es mit dieſer Nachtede, die: zugleich von- der | bualitäten ſei jedt ſo ziemlich zu Gnde und für ih 


Manier des Verf. einen vorlaͤuſtgen Begriff gibt, frei⸗ 
“Ach nicht fo ſchlimm gemeint iſt; wenn ber "Schalt von 
"Autor and hier wie "fo oft dem Publicum nur ein 
VSchnippchen ſchlagt: ſo wuͤrde es doch ſchon von ſeltener 
ESeibſterkenntniß und Selbſtverleugnung zengen, wenn 
ler fein Werk auch nur von der Hälfte aller dieſer Män- 
“gel, Fehler und Flecken wirklich behaftet glaubte. We- 
“der "find Geiſt, Fotm und "Stil des Buches, wie ſich 
fe don felbft zu verftchen fiheint, miferabel, noch feh: 
ten ihm Originalität: und, einiges‘ Echduffement - ausge- 
Nonmien, Natürkichkeit, fonſt verlohnte es ſich Aberhaupt 
mnlcht, den Cancan“ eines Blicke und Worts zu würdi⸗ 
Jen Im Gegentheil/ wenn auch feine: Manier vielfach 
das Studium und die Nachahmung der Jean Paurfchen 
Beiſe durchſchimmern läßt, fo ’verräth fein Geiſt doch 
"überall einen Tehr hervorſtechenden Zug von "Driginali- 
"ae, und obſchon' Fein’ Stil in deneigentlich? komlſchen 

Partien zumeilen etwas Bizarres und Geſuchtes hat, fo 

Fift in andern’ Vattien fein Stil doch wieder ſehr rein und 
glanzend, und zwar durch die Farben ſelbſt, nicht blos 
durch den Firniß. Hierdürch "erhält das Ganze freilich 
‚einen etwas ungleichen Charakter, wie wenn man in 
„einen Kranz von natürlichen Blumen aus bloßer Capeice 

pder des Abſtandet wegen wc eine gleiche Zaht von kuͤnſt⸗ 

Tichen flechten wollte, dir zwar Farbe aber keinen Duft 
haben. Mit dem Humor iſt es in unſeres tendenzen⸗ 


"in denen ein: 
des Worte kl 


nicht entbehre 


"amd: vor: dem 


Balten, und 





BB engluft; fon 


4 


Am Ende 


pfen vefangenen,hin⸗ vnd hergeſchaͤttelten/ grämelichen |-merh 7, Shih 


Ithun ſich Die: 


‚son: einem Dunſte angeweht, der ‚nicht. an die ſn 


“zeichen, im politifchen, indaſiriellen und- zeligiöfen Käm⸗ — gen FO befanden in ven Wrong 


‚allein ; tönne Niemand noch: etwas Großes ausfühen, 


Einzelnen überall: zu; Bexeinen- zufammt, 
paar anſchlaͤgige, im. gewöhnlichen Eimt 
uge Köpfe:-einen -Iangen: Schweif nah Fü 


: ziehen, deſſen fie jedoch zur Erxeichung ihrer Zwed: 


n ?ösmen. Umter ſolchen. Berhältniffen be 


: findet fich der Humoriſt auf dem Ifolirſtuhle feiner fol: 
men Weitbetrachtung freilich wicht : wohl, man hilt in 
für einen märriſchen Patron, der etwaß Befonderei ſen 


:Andern etwas voraushaben wolle, und N 


wermag er nicht feine humoriſtiſchen Stimmungen in ib 
zer Reinheit, Urfprüngsicheit:: und: Beſonderheit Ki 


ehe. er ſich's verſieht, fühle er fi da 


grämlichen ;:Verbitterten ‚:: jede. hasmoriftifche:: Anwandiat 
erſtickenden · Geſammtſtimmung der Zeit verfallen m 


dern: an die: boͤſen Wetter in untensdilg 


:dumpfen 'Schachten: erinnert. 


(Die Sentfegung: felgt.) 





ESoammlung Steiner‘ Sahriften ſtaatswiffen ſchafruchen ge 
halts von IS Hoffmann. 


‚ (Bortfegung auß Ni 26.) | 
des. Jahres. 1340 Hatte. der preußiſche Col 


of 
9Poſen 5 Brandenburg 18, 9® 
er 20, Gachſen 2 Veſtfalen IE, in der At 


® 
N x 


snin. 18. Gösyamkommen ua Die zıpei wifienihaftlighen Bil- 
hungpanftalten zu. lee im ee a und au 
Kiesly in her ‚Überlaufig, welche beide in der Kirchen: und 
‚Sähultabeße, aufgeführt, Dach ‚aber für minder all emeine Un: 
berrichtszwecke Hat: find. Hierdurch erhöht fih die Zahl 
dr Symnafien auf II 

‚Rad —3* Angabe waren in dieſen 116 &pmnafıen 
am Ende des J. 1840 in Oftpreußen 1750 Schüler, ın Weſt⸗ 
preußen 1353, in Pofen 1571, in Brandenburg 4142, in Yom- 
mern 1586, in Schlefien 441, in Sachen 3335, in Meltfalen 
1195, in der Rheinproving 3222; im ganzen Staate alfo 23,158 
Schüler. Wird dieſe Schülerzapl vergliigen mit der gleichzei⸗ 
tig aufgenommenen Inpbl ſaͤmmtlicher Einwohner, ſo ergibt 
ih folgendes Berhaͤltniß. Es kam durchſchnittlich auf 100, 000 
Einwohner in den einzelnen Provinzen nachſtehend benannte 
Anzahl von Gymnafialſchulen: Brandenburg 223, Sachſen 204, 
Schleſien 154, Pommern 150, Weſtpreußen 148, Weſtfalen 130, 
Holen 127, Pſtpreußen 126, Rheinproning 134. 

In den II Jahren von, ISSI— 41 find von den Gymna⸗ 
fien 13,150 Schüler zur Unwerfität, außerdem 52,262 Schüler 
abgegangen. ‚Die zur Univerjität Entlaffenen betragen hiernad) 
noch nicht gan ein Künftel des fämmtlihen Abgangs. 

- Ende 1340 waren höhere Bürgerfyulen in DOftpreußen > 
mit 597 Schülern, in Weftpreußen 8 mit 1235, in Pofen 5 
mit 852, in Brandenburg 17 mit 3843, in Pommern 6 mit 
647, in Schlefien 7 mit 1042, in Sachſen 6 mit 1037, in 
Weſtfalen II mit 605, in der Rheinprovinz 34 mit 2491; im 
ganzen Staate 09 Höhere Bürgerfchulen mit 12,669 Schülern. 

Das Bebürfniß eines folchen Unterrichts feheint befonders 
tebhaft in der Provinz Brandenburg empfunden zu werben, wie 

-fi) auß der bedeutenden Anzahl von Schülern ergibt, welche 
bie 17 hoͤhern Buͤrgerſchulen berfelben beſuchen, ſodaß durch⸗ 
ſchnittlich auf jede 226 Zöglinge kommen. 

Die Kirchen⸗ und Schultabelle für 1840 enthaͤlt unter der 
Überiheift „Progymnafien“ noch eine Nachweiſung von 30 An» 

« Bolten, weiche jedoch nur ſchwach befucht ind, indem fie zuſam⸗ 
mengenommen nur 1605 Schüler enthalten, deren .alfo durch: 
ſchnittlich S3 auf eine Unftalt. Unter der Benennung. Pro» 
gymmafien werden zunaͤchſt Schulen verflanden, welche zum Be: 
füge der obern Claſſen eines Symnafiums vorbereiten, indem 
ne weientlih aus den untern Gymnaſialclaſſen beftchen; aber 
siele fo benannte - Schulen geben eine ſolche Borbereitung nur 
fehr wenigen ihrer Schüler, gleichfam nur als Ausnahmen, 
während fie hauptfächlih Darauf gerichtet find, für den Eintritt 
in das gewerbliche Leben beffer als die Mittelfchulen auszuftat: 
sen, ohne doch die volftändigere Ausbildung durch höhere Buͤr⸗ 
gerſchulen zu erreichen. 

Der preußifche Staat hat bereits mehr als 24,000 feſt 
angeflellte Elemeniarſchullehrer; er bedarf derfelben. wahrſchein⸗ 
lich noch. beträchtlich mehr, damit die Schulen in pichtbewohn⸗ 

.ten Gegenden für zweckmäßigen Unterricht nicht zu ſehr über: 
fült, in dünnbewohnten für.den Beſuch in, ber frühern Kinds 
- beit nicht allzu entlegen. bleiben. 

„Wenn 15. Millionen Einmpohner auch nur 30,000 Schul: 
ihrer bedürften, fo haben dody KU Menſchen ober 100 Fami⸗ 
lien Eine Lehrerfamiiie zu unterhalten und es kommen auf Ei⸗ 
nen Lehrer nicht weniger als IUU ſchülfaͤhige Kinder, da dieſe 
nach den &rgehaiffeg der neueſten Volkszaͤhlung ein. Künftel 
der ganzen. Berölferung find. So lange der, großen Maſſe 
des Belt von ‚den Brünten ihrer Arbeit nur fo viel ah 


wird al4 ihr nothwenbiger Unterricht erfodert, darf ein erheb⸗ 
licher Beitrag zu den Koften des Unterrichts, ihrer. Rinder von 
ihr wicht ‚erwartet werden.. Aber Diejenigen, welche für Bo 
denzente, Binfen von Capital und Gewinn aus gewerblichen 
Unternehmungen den groͤſten Theil biefer Früchte beziehen, jind 
. um fo.mehr zur Übernahme dieſer Koften verpflichtet, als ihr 

@infommen mefentlih von dem Verſtande und der. Befittung 

des Acheiterftandes abhängt und fetbft die Sicherheit Für Leben 
und @igenthum, deren. fie genießen, Präftiger als es Policei- 


Univerfitgtöftudien gebildete Mrzte. 


auftalten allein vermadgen,. buch die Hittlichkeit der: 
bürgt isn. Bon dleſet anti aus e, 
höhern, wohlhabenden und gebildeten Stände nur 
sine dringende Schuld, indem fie duch Steuern 
und Bermädtniffe den Regicrungen und den Bot: 
Händen der Gemeinden die Mittel gewähren, ben 
Unterrigt für bie Kinder des Volks zu verbef:- 
e 


rn. 

“ Ende 1340 befanden ſich Seminarien für Elementarſchul⸗ 
lehrer in Dfipreußen 4 mit 247 Höglingen, in Weftpreußen 4 
mit 208, in Pofen # mit 336, in Brandenburg 4 mit 334, 
in Pommern 6 mit 177, in Schlefien 4 mit 585, in Sachfen 
9 mit 346, in Weftfalen 4 mit 231, in der RHeinprovitig > 
mit 267; im ganzen Staate 46 Seminarien für Elenientar- 
ſchullehrer mit 2721 Zöglingen. In neuefter Zeit ift der ges 
woͤhnlich dreijährige Curſus zur Bildung der Elementarſchal⸗ 
lehrer auf einen zweijährigen berabaefegt worden; viele Stim- 
men haben fi gegen diefe Reduction erhoben. Wir glauben 
nit, daß hierbei Die Koftenerfparniß der Haupfgrund iſt; we⸗ 
nigftens wäre dies eine übel angebrachte Erſparniß. Der Berf., 
welcher feine Abhandlung über die Seminarien fchrieb als diefe 
neue Verordnung nod nicht eriftirte, fagt: u“ 

„Da nur jehr arme junge Leute fi diefem, im günftig- 
ften Falle doch nur bei ſchr mäßigen Anfprüchen hinreichend 
lohnenden Berufe widmen und bauptfächlid nur wegen der 
Schwierigkeit, Unterhalt für diefelben zu finden, bie Lehrzeit 
mehrentheils auf zwei Jahre befchränkt werden muß, fo bfeibt 
eine reichere Austattung der meiſten Seminarien noch ein ſehr 
einleuchtendes Bedürfniß, damit allen Durch Geiſt und Gefittung 
befähigten Zöglingen eine völlig koſtenfreie dreijährige Vorberti- 
tungdzeit gewidmet werden koͤnnte.“ 

‚Der Verf. hält es für wahrfcheinlih, daB dem wahren 
Bedürfniffe in Betreff der Schullehrerfeminarien mit einer’ für 
die Kräfte des preußifchen Staats nicht unerfhwinglichen Ber: 
mebhrung zu genügen fein dürfte. 

, In Preußen le feit der Stiftung der bonner Univer: 
fitat (im 3. 1818) ſechs volftändige Univerfitäten mit ben 
üblichen vier Facultäten, zu Berlin, Bonn, Breslau, Greffs- 
wald, Halle und Königsberg, nebft der Akademie zu Münfter, 
welche nur zwei Facultäten, die theologiſche und philöfophifche, 
—* ‚Auf dieſen ſieben Lehranſtalten zufammengenommen be⸗ 
anden 68 im Sommer 1820 3141 Studirende (einſchließlich 
Auslaͤnder), im Winter 1820/39 betrug bie Anzahl der 
Studirenden HIEO (einſchließlich 1211 Ausländer), im Winter 
‚IS3Y/40 dagegen nur 4463 (einfchließli 791 Ausländer). "In 
den 12 Jahren von 1828 — 39 ijt ein Sinken der Anzahl der 
Hubirenden Inlander nahe in dem Verbältniß von 4 auf 3 
eingetreten. nn 


, Dex Verf. gibt eine fehr anſchauliche Überficht der in den 
einzelneri Bacultäteri Stubirenden ſowie der befoldeten Stellen, 
welche ſich für Die aus ben Univerfitäten herborgegangenen Ber 
merber darbieten. Nach feiner Überzeugung ergibt ſich aus 
diefen Zahfenverhältniffen, daß Beloranilfe wegen einer Über: 
ahl Dei gegenivärtig Studirenden nicht mehr gegründet er⸗ 
— obwol noch vor etwa einem Jahrzehnd gerechte Ber⸗ 
anlaſſung dazu in, Bezug auf Juriſten und evangeliſche Theo⸗ 
logen vorhanden war. Rad der am Ende des 3. 1840 aufs 
genommenen Sanitätstabelle enthielt der preußifche Staat 3511 
zur mebdicinifchen Prarid berechtigte Givilärzte und 313 zur Ei» 
vilyraris berechtigte Militairärzte, alfo 2824. durch voliftändige 


„Waͤre diefe Zahl gleichformig über den ganzen Staat 
vertbeilt, fo würde dem Flaͤchenraume nady auf 2 Quadratmei⸗ 
Ten und der Bevölferung nach auf 3300 Menſchen odet unge⸗ 
fahr 1900 Zamilten Ein Arzt Fommen. . Möchte dieswvuch 
wirklich genügend erſcheinen, fo iſt doch au bedenken, daß fatt 
der voraudgefegten gleichförmigen Bertheilung der Arzte ‘tine 
ſehr ungleigförmige beſteht. Nach ber vorerwähnten Sanitaͤts⸗ 
tabelle enthielt: die Stadt Berlin ‘allein 280 zur Civilpraxis 


J 
J 
u 
u 
u 
J 
3 





1038 
beredistiate Civil: und Mifttairärzte, das iſt über ein Zehnte | men werden. Einen unwich Beitrag zur Kenn 
des ei in Betracht fommenden Ärztfichen Perfonald, während | der Beit, auf welche z uns Me non Erkalten A 
e8 nur nahe an Y,, der Devölterung des Staats in fi be⸗ folgender Schrift: „Gerard Roussel, predicateur de la reise 
griff. In Berlin kommt ſchon auf 1155 Einwohner durch: | Marguerite de Navarre; memoire servant & l’histoire des 
Phnitttich Ein wiſſenſchaftlich gebifdeter Arzt. Der Regierungs: | premieres tentatives faites pour introduire la reformatim 
bezirk Köln hat dagegen Einen nur auf 3044 Cinmwohner, ob: | en France’, von C. Schmidt. Rouſſel war, wie ſchon im 
wol er naͤchſt Berlin am reichften mit Arzten verfehen iſt. Zitel der vorliegenden Schrift angedeutet iſt, Prediger bei der 
Im Allgemeinen befinden ſich im Verhältniß gegen die Bevöl: ihres Kunftinterefles wegen berühmten Prinzeffin, von der mar 
ferung die meiften Arzte in ben dichter bewohnten weftlidden | weiß, ‚daß fie anfangs der Sache der Reformation nicht abge: 
Provinzen, jedoch mit Ausnahme des NRegierungsbezirks Irier, | neigt war. Seine Zalente und befonders feine ungewöhnlihe 
der erft auf 3233 Einwohner Einen Arzt befigt. Ramentlih Beredtſamkeit hatten die Augen der Schweizer, welche Darauf be: 
Fam Ein Arzt im Regierungsbezirk Münfter auf 3427, imRe: | dacht waren, ihre neue Lehre in Frankreich durch tüchtige Vertre. 
ierungsbezirk Duͤſſeldorf au 3698, im Regierungsbezirk Arnd: | ter verbreiten zu laffen, auf ihn gelenft. Es wurden ihm de: 
Berg auf AUT9, im Negierun zbegitk Aachen auf 4531, im Re⸗halb Ermunterungen zu Theil, er möchte öffentlich in förmliden 
alerun Sbezirk Koblenz auf 4784 und im Regieru —5* Min⸗Ditputationen, die aber in franzoöͤſiſcher Sprache vor ſich gehen 
den auf 9322 darin Lebende. Auch die Provinz Sachſen bat in | mußten, die Lauterkeit und Probehaltigkeit der Reformation 
ihren vielen anfehnlichen und wohlhabenden Mittelftädten verhält: | verfechten. Rouſſel hatte wol das Zalent, aber nicht den Muth 
nißmäßig noch eine wahrſcheinlich hinreichende Anzahl von Urzten; | und die Energie dazu, eine folde öffentliche Rolle zu ſpiela 
ed kommen auf Einen derfelben im Regierungebezirk Merfeburg | Er lehnte die an ihn ergangene Auffoderung mit Ba: 
3929, im Regierungsbezirk Erfurt 4390 und im Regierungsbezirk | nahme auf die ftrengen Religiosedicte ab, welche diefen gelehr: 
Magdeburg 491 Einwohner. Der Meine aber wohlhabente Rer | ten Unterredbungen in den Weg treten Pönnten. Zropten 
gieru ngebezirt Stralfund hatte noch Einen Arzt auf 3973 Einwoh⸗ er die Berfolgungen ber Sorbonne auf fi, und er ih 
ner. Schlefien, obwol dichter bevölkert als Die Provinz Sachfen, hat * genöthigt, für einige Zeit in Strasburg ein Aſyl zu ſuchen, 
bei der größern Dürftigkeit der untern Volksclaſſen verhältnißmä: | aus Dem er ſich erft auf befondere Mahnung von Seiten de 
fig weniger Ärzte; der Regieru ngöbesie? Breslau bat vermöge | Königs Kranz I. hervorwagte. Er folgte nun feiner Gönnen 
des Übergewichts diefer zweiten Stadt des Staats noch Einen | Margarethe, welche ihm das Bisthum Oleron verſchaffte. Bi 
auf 5396, Liegnitz aber erft auf 7485 und Oppeln nur auf 9152 | er diefe Stelle erhalten und wie er fie annehmen konnte — Ba: 
Einwohner... Dbwol bie Provinz Brandenburg beſonders nad) | des ift gleich unbegreiflih. Sein Ende ftand mit ber Dur Ä 
Abzug des Übergewichts, welches ihr die Bevöikerung von Ber: Kris und Schüchternheit feines Lebens im Contrafte. Je 
lin verfchafft, febr viel dünner bewohnt ift als Schlefien , fo 1550 waren zu Mouleon in der Provinz Gascogne Unruhe 
kommt wegen der beträchtlichen ftädtifchen Bevölkerung doch 
- im Regierungsbezirk Potsdam ohne Berlin auf 5692 und im 
Regierungsbezire Frankfurt auf 6924 Einwohner Ein wiffen 
ſchaftlich gebildeter Arzt. Gin ähnliches Verhättniß befteht auch | öffentliche Aufregung zu befhwichtigen; aber bei einer öffent 
in dem mittlern heile der Provinz Pommern, naͤmlich im Re: | lichen Anfprache, welche er an das Volk hielt, wurde fein 


entftanden, in Folge deren em preteftantifyer Geiſtlicher, md- 
gierungsbezirk Stettin, der Einen Arzt auf 9659 Einwohner | Kanzel umgeworfen und er felbft durd den Sturz fo gefähr: 


her mit Rouffel in Verbindung ftand, fich zur Flucht gm 
thigt ſah. Der Bifhof von Dleron begab fich dahin, um die 


hat. Beiweitem am unzureichendſten mit Arzten verſehen find | Lich verwundet, daß er einige Zeit darauf ſtarb. Die Behanl- 
die beiden öftliyen Provinzen des Staats nebft Hinterpommern. | lung des ntereffanten Stoffs, welder und bier geboten mitt, 
In Folge des Einfluffes der großen Städte fommt no Ein | ift würdig und der ernften, unparteiiſchen Forſchung angemefln. 
Arzt im Regierungsbezirk Danzig auf 7052, im Regierungs: — — 

bezirk Königsberg auf 7805, im Regierungsbezirk Pofen auf 
8249 Einwohner; dagegen hat nur erſt Einen Arzt der Regie: 
rungsbezirk Bromberg auf 9075, der Regierungsbezirk Köslin 
auf 10,084, der Regierungsbezirk Marienwerder Auf 11,950 
‚und der Regierungebezirt Gumbinnen fogar erft auf 18. 680 
Einwohner.“ 

Die mediciniſchen Facultäten der preußiſchen Univerfitäten 
paben unter ihren Zuhörern verhältnißmäßig viele Ausländer; fie 
üdeten früher oft mehr als ein Drittel und jegt noch, bei ſehr 
vermehrter Anzahl der Inländer, doch noch ein Fuͤnftel der 
fämmtlicyen Mediein Studirenden. Die Veränderungen in ib: 
rer Zahl ſcheinen jedoch hauptfählih don dem Rufe einzelner 
Xehrer oder Krankenanftalten abzuhängen; ihr mannidfaltiger 
Wechſel gibt daher Beinen Stoff zu Betrachtungen, welche ſich 
auf ſtaatswiſſenſchaftliche oder fi tefiche Berhalmiffe bezichen. 
(Die Fortfegung folgt.) 


Geſchichte des Criminalrechts. 

Faſt kein Theil der Rechtswiſſenſchaft iſt für die Kennind 
der Sittengefchichte von gleihem Intereſſe als die hiſteriſde 
Entwidelung des Eriminalrehts. In dem Bildungsgange dei 
felben fpiegeln ſich nämlich nicht allein Sitten und Gebrisk: 
ber verfchiedenen Nationen, fondern felbft ihre veligiöfen gr 
füge und ihre ganze geiftige Stimmung auf -eine hoͤchſt MH 
gende Weile. Diefe enge Beziehung des Criminalrecht ui 
die Civiliſationsgeſchichte findet fih in den Handbücher ꝙ 
wöhnlichen Schlags, welche nur in fireng ſyſtematiſcher Bei 
angelegt find und auf die Eröffnung weiterer Geſichtskreiſe te: 
vornherein verzichten, gewöhnlich nur fehr ungenügend here 
gehoben, und es ift Deshalb erfreulih, dag wir im Stande 
find, hier ein Werk anzuführen, welches dieſen Stuntpunk 
mehr ale gewöhnlich zu geſchehen pflegt, hervorhebt. Tei 
felbe ift unter folgendem Zitel erfchienen: „Histoire du drot 
criminel des peuples anciens“, von Albert Du Boys. Fi 
Rechtswiſſenſchaft felbft wird aus diefer Darſtellung wol wenig 
pofitive Bereicherung fich au verfprechen haben, aber dafür 3 
währt fie dem Beurtheiler der Völkerzuſtände des Alterthun 
defto reichlichern Stoff zu Betrachtungen. Die vorliegenkt 
Schrift geht nur bis auf die Einführung des Epriftentbum 
und der ®erf. hat es fi) vorbehalten, den Einfluß diefes nA! 
bewegenden Moments auf die Geftaltung der Begriffe von Ir 
gehen und Strafe in einer weitern Auseinanderfegung, wr 
ſich an vorliegendes Werk anſchließen wird, zu entwickeln. 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Zur Sefhichte des Proteftantismus in Frankreich. 


Für die Geſchichte des Proteftantismus in Frankreich ift 
im Ganzen wenig geſchehen; den Wranzofen hat ed an Inter: 
‚efle, ten deutſchen Gelehrten aber an den nöthigen Hülfsmit: 
teln gefehlt. Jede Erfcheinung, welche einigermaßen geeignet 
ift, die Verbreitung und Entwidelung der proteftantifgen Ideen 
bei unfern Nachbarn jenfeit des Rheins in ihrem rechten Lichte 
erſcheinen zu laſſen, muß daher mit Intereſſe entgegengeneinnnnn — zu laſſen, muß daher mit Intereſſe entgegengenom⸗ 


Verantwortlicher Herausgeber: TTT gerantwortliker Heraußgeber: Beinric Brodband. — Drud und Werlan von ©. %. Wrodbans in Bei. Broldand. — Drud und Verlag von F. X. Brokpans in 2etpzig. 








Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 


15. September 1846. 





Deutfher Humor und der Verfaffer 
des „Cancan“. 
( Zortfegung aus Nr. 297.) 

Unter folhen Umftänden muß man e6 einem Autor 
immer noch Hoch anrechnen, wenn er den Muth befigt, 
wenigftens für Augenblide noch humoriftifhe Stimmun- 
gen zu haben. Unfer Autor bat fie und zwar nach ih- 
ren verfchiedenften Richtungen bin, indem er bald ein 
tolles Capriccio oder Scherzo, bald ein gefühlvolles An- 
dante oder fihmelzendes Adagio auffpiel. Kritiſiren 
fäßt fich eigentlich fein Buch nicht, da es aus keinem 
ganzen Stud, fondern aus lauter einzelnen Stüden be- 
ſteht; ja er macht nicht einmal den Verſuch, fie menig- 
ſtens äufßerli und feheinbar miteinander in Verbindung 
zu fegen, was wir ihm jeboch eher zum Lobe als zum 
Zadel anrechnen möchten. Es liegt hierin eine gewoiffe 
Beſcheidenheit und Ehrlichkeit, während es gerade in 
unferer Zeit gar viele Autoren gibt, bie anmaßend ge: 
nug find, ihren innerlich fragmentarifchen Schriften durch 
einen tünftlihen Kitt den Anſchein eines wirklichen 
Kunftproducts zu geben, das es Doc, bei genauerer 
Prüfung und Zerlegung im entfernteften nicht if. Der 
Berf. hat Deffen auch gar kein Hehl, daß er ein Frag⸗ 
mentarift fei, und da er ſich häufig felbft darüber luſtig 
macht, fo erſpart er uns die Mühe, es felbft zu thun. 
Mit größerer Aufrichtigkeit hat noch faum ein Autor 
feinem Recenſenten vorgearbeitet und es gehört die ganze 
alles Humors, aller Leutſeligkeit, aller Naivetät baare 
Richtung der „Hallefchen Jahrbücher” dazu, um in der 
Art, wie es gefchah, mit Keulen über den armen erften 
Theil des „Cancan“ herzufallen und den Getödteten 
ſchließlich zwiſchen den gewaltigen Kinnbaden kannibaliſch 
u zermalmen. Der Erſchlagene bat jedoch feinen Tod 
iberlebe , wie wir an dem Erſcheinen dieſes dritten 
Theiles fehen, und er befigt Humor genug, feinem Re- 
enfenten und Zodtfchläger, dem jetzt bereit6 auch von 
ielen Seiten das Leben abgefprochen worden, einige 
uftige und misige Bemerkungen zu widmen. Am be- 
ten wäre ber dritte Theil des „Cancan“ burch einige 
ingere Auszüge zu. empfehlen, wir befchränten uns hier 
uf einige türzere fentenzenartige Stellen: 

Bas ift denn der Ruhm? ein hundertfältiges Echo der 
afa Simonetta und endlich doch verftummt; die gellernde 


Stüdkugel beine Namens, gefchleudert über einige Hufen 
Landes und nur dann der Bergefienheit entrifien, wenn fle 
wie eine alte Schmwebenbombe in Mauerwerk ſtecken blieb. 
Wie einft in Griechenland fägt die Welt den Statuen nur bie 
Köpfe ab und fegt immer wieder die ihrer Lieblinge darauf. 


„ Daß wir Doch fo gern unfern Mitmenfchen die Hülle vom 
Leibe reißen, um der ganzen Menjchheit zu zeigen, welch 
Krippel dapinterftedt, und doch wurde Keiner unter uns ohne 
Schaden und Makel geboren! Laſſen wir einmal die Spiegel 
fläche des Jeiches ab, den wir Bildung nennen, fehen wir all 
die Gebrechen, Schwächen und Lafter wie Spinnen, Kröten 
und Krebfe durcheinander Erabbeln und dann fiſche Jeder aus 
dem efelhaften Sumpfe das Seinige heraus, beim Himmel, 
wir werben nacdhfichtiger fein gegen den Naͤchſten. Und gerade 
die Schriftfteller unter ſich find die Argften! Sie find bie ein: 
zigen Kämpen, die troß des Marimilianifchen Landfriedens 
noch gewappnet bieiben und im ewigen Fauſtrecht leben, wie 
wol nur im geiftigen;s weshalb auch der zweifchneidige Teſak 
ober Federſpieß in ihrer Hand zum gewöhnlichen Gaͤnſekiel zu⸗ 
fammengefhrumpft ift und fie ftatt der Patrontafche, glei 
Daniel’ Engel, ein Zintengefäß am Gürtel tragen. Aber 
warum ſchleudern fie fich gegenfeitig Handgranaten und Bann- 
blige zus Sind fie doch Alle verwandt und Kinder der ſchoͤn⸗ 
ſten Heimat. Weit über Länder und Zeiten hören fie ihre 
Stimmen tönen und ihre Herzen Mopfen und follten fich die 
Hände fhütteln nach jedem ernften Worte. . " 


Bift du denn einfam, Menſch! wenn eine Welt an bein 
Herz um Einlaß pocht? Verklaͤrt ſich dein Inneres nicht bei 
dem Gedanken, dag, wenn Niemand mehr dich liebt, du noch 
Alles lieben kannft? Deine Seele breite fi) aus über die Erde, 
bis fie alle Menſchen umfchließt und die ganze Welt deine 
Heimat wird! Und was dir der Tod auch rauben mag, das 
Leben erfept e8 wieder. Über den Bergen und über den Waf- 
fern fchwebt der Geiſt Gottes und zahlt die Menfchen und 
ihre Ihaten und ihre Thraͤnen, und wie der Fruͤhlingkathem 
feiner unendlichen Liebe durch alle Welten weht, fo grüße du, 
fein bleiches Ebenbild, wenigftens die Meine Erde ald dein 
großes Vaterland, bis du in das größere ziehft nach oben. 


Kennit du jene GErbitterung, jene boshafte ausgelafiene 
Satire, mit welcher der Menſch feinen Schmerz geißelt, wenn 
ihm die Kleopatra:Rutter des Grams am Herzen nagt? Glaubt 
er dadurch den Miston zu übertäuben, der in die Harmonie 
feines Lebens gefchrien ‘ward, oder hofft er, unbemerkt von 
der Welt, heimlich weinen zu Pönnen hinter der luſtig grins 
fenden Maske? Tanze auf den Leichnamen beiner Freuden, 
wie die Wilden auf ihren erfchlagenen Feinden, oder bes 
pflanze Gräber mit Blumen, wie die Herenhuter, nur hebe 
niemals ihre Leichenfteine vor der Welt, um ihr die mo- 
dernden Grinnerungen zu zeigen, die darunter liegen. Die 








Almofen eines momentanen Troſtes werben theuer erkauft 
durch das demüthigende Gefuͤhl, das dich ergreift bei der 
Schaͤuſtellung der alten Narben und Wunden. Wie die Mu- 
fhel, wenn fie eine Perle hält, verſchließe deine Lippen über 
dein geheimnißvolles Weh und die Zeit wird es verfernen zum 
feuerbligenden Juwel, wie ihn uralte Völker ihren. Fürſten in 
die Bruft legten, damit ee zu ihrem Herzen würde. 


Wenn ich mid an lauen Abenden — ſchreibt der kranke 
Arthur — auf die nahe Anhöhe tragen Iaffe und den freund- 
lichen Markt überblice, der, umthürmt und befugt von Dun: 
kein Gebirgen, wie ein fpielendes Kind zu ihren Füßen liegt, 
wenn ich weiter ſchaue auf das lichtfunkelnde Thal, auf die fri⸗ 
fen, grünen Matten, auf das leuchtende Silberband ber 

‚ auf den Dachſtein und die fernen Bergfpigen, 
und ich nun vor diefer herrlihen Natur wie vor einem gro: 
fen weiten Altarblatt niederinien möchte; wenn dann die Sonne 
bseicher wird und ſich auf ihrem Mofenbette langfam hinunterjenkt 
wie mein allmälig einfindended Leben; wenn endlich des Mond 


herauftritt, ſchweigend und erhaben wie der Ted: da ergreift 


mich eine unfagliche Wehmuth, dem Irdiſchen fo früh zu er- 
binden und auf immer fcheiden zu müflen von der fchönen 
Erde und den warmen Menfchenherzen u. f. w. 

Viele Lefer werden freilich fagen: Diefe Empfindun- 
gen find Rococo. Was aber wäre jegt nicht Rococo? 
Wie Vielen dünkt nicht bereits das Chriftenthum und 
die Bibel und Shakſpeare und Goethe und Allee, was 
wicht Geburt des heutigen Tages if, Rococo? Man 
follte jege nicht mehr fluchen: Fahrt zum Teufel! oder: 
Seht zum Henker! fondeen: Fahrt oder geht zum Rococo! 
Aber eben dies MWörtchen Rococo iſt das Schwert, wel 
ches über unfer Aller Häupter drohend hängt; denn wer 
bürgt uns bafür, daß Alles, was wir geflern fchrieben, 
empfanter und dachten, nicht morgen fihon unfern Le: 
fern und vtelfeiche am meiften uns felbft als ungenieß- 
bares altväterifches Nococo erſcheinen wird? Gewiß 
möchte dies cher ber Kalk fein als es je zu erwarten 
wer, daß Shakſpeare's erhabene Dichtungen nady wert 
gen Jahrhunderten als unſchmackhaftes Rococo verworfen 
werden tönnten, wie dies jegt wirklich von Seiten fo 
mancher Racocoriecher gefchieht. 

Leider find die oben mitgetheilten Auszüge cher alles 
Andere als humoriſtiſch, fie find ſentimental und ſcheinen 
mich Zügen zu ſtrafen, wenn ich den Verf. des Can⸗ 
san’ einen Humoriſten genannt habe. Bas Sentimen⸗ 
Sale ift nwe die. Kehrſeite des Humors, und wenn man 
Bas Ding umdeeht, fo kommt wet auch der Humor zum 
Boerfchein. Kreifih muß ich gefteher, daß ber zweite 
und namentlich ber erfte Theil. des „Cancan” wie an 
einzelaen Schönheiten, fo befonder& an humoriſtiſchen 
Lichtbligen und Feuermwerkereien reicher waren als biefer 
dritte Theil, fa trefflich und beberzigensiwerth die darin 
gebotenen Raifonnements auch find. ber es iſt eben 
das Maifonnenient, welches in diefem Theile überall 
mit geofer Haft. vormärts und den freien poetifchen Er⸗ 
guß und die humoriſtiſche Stimmung. in ben Hinter⸗ 
gem drängte. Gar fehr leſenswerth find die fchönen 
und beredten Betrachtungen über Preßfrefheit, über die 
Mittel, die Maffende Wunde des Proletariats zu fchliegen 
(bſchon das eingelegte Kapitel: ‚Naturgofchichte des va⸗ 


terlaͤndiſchen Proletariers“, nicht eben behaglich zu leſen 
und mit einiger Schmusfarbe untermalt iſt), über die 
Kunft im Allgemeinen wie namentlich über die Kunf 
in Münden u. f. w. *) Gein productives Talent be 


fhiebfeln, die zum Theil von fehr phantaftifcher Hakung 
find, und feinen Humor, wenn er nicht ſchon in der 
ganzen keck durcheinander gewürfelten, aus den verfdie 
denften Stimmungen zufammengefhmolzenen Compofition 
fi verriethe, in dem „Abenteuer mit den fieben Schi 
dein’ wie in einer Menge der originellftien Ciufäle, 
3. B. wenn der Derf., die vielleicht zu weit getrieben 


kundet er jedoch auch bier in mehren novelliftifchen Eier 


Mirleibecheorie in umfera Tagen perfifliwend, an en 


Stelle fagt: wir würden noch dahin fommen, „Holpiti- 
ler fin das Ungesiefer mit eigens dazu gemietheten Bett: 
lertöpfen zu errichten”. Auch die wilde Geftalt Ma— 
nuel's, uns aus den frühen Theilen noch wohl befannt, 
taucht als Nepräfentant moderner Zerriffenheit für cin 


paar Augenblide aus dem gährenden geftaltlofen Chaos 


wieder auf, um im Wirbelminde des zu Ende fi übe 
flürgenden Buches ſchnell zu verſchwinden. Iſt es Im 


mie oder Bosheit von Seiten des Verf., dag er dien 


von gewaltigen Zeitphrafen aufgedünfteren Raifonnar 
fein ihn verzehtendes Daſein fortführen läßt, nachdem 
er ihm bereits den Leichentrunk eingefchentt und einen 
grimmigen Abfchiedebrief an die Menfchheit in die Feder 
dietirt hat? Aber wahr ift dieſer Charakter gefchilder: 

Von einem unbändigen Drange nah That und Birke, 
von einer wilden Sehnſucht, den Kräfte zu ptüfen, erfaßt, 
blickt ihn eine techniäche, ſcha de, confervative Gegenwart 
mit matten fatbloſen Augen an. Gkine fi ummernte, 
onllanifche Matur, plöglih zu Leidenfthaften erwachend durd 
den Zreiheitsruf einer momentan aufgeregten Zeit, mmußte or 
mächtig an ihr zerfplittern, als fie gezähmt und nüchteen zut 
alten Ordnung erhärtet. Da ſtieß fein hochmüthiget, ihre 
emporftrebender Geil ſchmerzlich an die niederen offen ir 
Wet... . und alle zertrimmerten Ilufiones machten ia 
wicht ruhiger und kluͤger, nur toll und giftig. 


(Der Berptap folgt.) 


* Man möchte es dem Verfaſſer, der at: Anonymus kahl 
doch Wahrtih keinen reigennügigen Bud verfolgen Bonnse, fül 
eine Art von Muth anrecdhnen, daß er der muͤnchener Kunſt ai 
beredte und Begeiffirfe Seiten widmet. Fruͤher gehjörte es zum ge 
tm Xon, die mündener Kunſt in aufgefteljtem Pathos zu prof, 
jeut ſoll Jeder, don nit für fersil gelten wi, feine Angm mi 
Gewalt ver den Herrlichkeiten Ber Kunſt ſchlleßen, fegbft ‚wenn W 
Natur ihm ein offenes Auge, einen empfängligen Gina far vi 
Kunſt mitgegeben hat. Der Verf. ded „„Gancan’’ widerlegt hawr 
faͤchlich die mweitberbreitete Anficht, als draͤchte das münden Kt 
treiben kein Gefb ins bairiſche Band. Er fragt: „Fallen vir Zum 
den wie Stoͤrche über ber Piaakothhek ein und müffen fie nidt Ni 
Land burchweifen?”” Diefer Standyundt, von dem aud mar gun 
die Kunſt zu Felde zieht, If überhaupt zur Meintiy und Enaufıns 
gerade fo Meinli und Bnauferig würde es fein, wenn man gef 
den lberafiämtus damit‘ zu Fewwe ziehen wollte, Saß er dur Zur 
effen, Bufammmlünfte, Sammlungen umd Beiträge eatler Art det 
Leuten dat Geld aus der Taſche lodtr. Ootıhe ſchuuzig Beinlilt 
Grfparungdeinwwendungen Tännen- wiefih- großartigen Seitunges ze 
Entwidelungen gegenüber nirgend ausreichen. 





u | 1081 


Sammlung kleiner Schriften ſtaatswiſſenſchaftluchen In⸗ 
halts von J. G. Hoffmann. 
(Fortſegung aus Nr. 25T.) 
Der folgende Aufjag ift überfchrieben: „Betrachtungen 


über Die ne Lage des höhern Schulunterrichts und . 


die Mittel, denfetben für die Wiflenfchaft und das Leben frucht- 
barer zu machen.” No ift es in frifhem Antenten, welche 
Yufregung entftand, ats im Unfange des 3. 1836 ber Regie: 
rımge» und Mebdicinaleafh Korinfer zu Dppeln in einem Arti- 
fi der „Meedicinifchen Zeitung des Vereins für Heilkunde im 
eufen” die Nachtheile hervorhob, melde für die koͤrperliche 
idelung der Jugend durch Überhäufung mit gehritunden 
und häuslichen Schularbeiten entſtehen. Auch Hr. Hoffmann 
fiefert zu der Menge hierüber erſchienener Streitſchriften einen 
Beitrag, den wir in vorliegender Sammlung wiederfinden. Der 
Berf. betrachtet befonders diejenigen Rachtheile, welche aud 
fehlerhaften Schuleintichtungen für die geiftige Setbftändigeit 
der Schüler erwachfen. Weit entfernt, den Werth der ‚ 
fhen Sprache als Bildungsmittel zu verkennen, ſpricht ſich 
der Berf. dennoch beftimmt gegen die beftehende Gynmaflalver: 
feflung aus und hält fich überzeugt ‚dab aus dem Ubermaß 
der Anfoderungen an die Schüler ein unermeßlicher Schaden 
für die Wiffenfchaft und für das Leben hervorgeht. . 

„Diefer beftegt in ber verfümmerten, wo nicht ganz ver: 
füumten Ausbildung der eigenen ſchaffenden Geiſteskraft. 
Es muß zuviel in den Schüler von außen Yineingetragen wer: 
den und er muß fo viele Kraft aufmwenden, diefes auhatale, 
daß ihm weder Zeit noch Muth bleibt, um in freier Thaͤtigkeit 
etwas aus ſich heraus zuerzeugen. Geiſtreiche Schulmänner er: 
Bennen dies Übel zwar jehr wohl und fuchen das Ausbilden 
son innen heraus, das Entwickeln dur eigene freie Ihätig- 
keit möglichft zu befördern; aber ihre redlichen Bemühungen 
erlahmen unter der Laſt der Anfoderungen, welche die Mei: 
mmg in zwei enfgegengefeuten Richtungen an fie madt, — 
bier, indem Altes gelehrt werden fol, was im Leben der ge⸗ 
bifdeten Stände als Bedarf von Kemeniſſen erſcheint, — dort, 
indem die claſſiſche Literatur ausgebildeter und umfangreicher 
als jemals die Brundlage des Gymnafialunterrichts bleiben jolt.” 

Us eine verderblicye Kolge hiervon ficht es der Verf. an, 
daB ſehr viek häufiger als es fonft gefehehen durfte, Knaben 
ohne Innern Beruf zum 
diefe Schar der Mittelmäßigen eben bei der gegenwärtigen 
Umterrihtsorganifation um den legten Reft geiftiger Selbſtaͤn⸗ 
Digfeit dans wird. 

„Gichtlich nimmt unter den Beamten, welche, wonicht 
durch Univerſitãtsſtudien, fo doch wenigſtens durch höhern Schaf: 
unterricht vorbereitet fein follen, die Fähigkeit ab, Geſchaͤfte 
nach eigenem verftändigen Ermeſſen zu vollziehen, zu dagegen 
dad Bedürfnif genau beftinnnter VWorfchriften für alle Einzel: 
beiten, welche Ant nur den rein mechaniſch Ungelernten er» 
theikt wurden, während die wiſſenſchaftlich Gebildeten hinrei⸗ 
ende Anweiſung in dem außgefprodyenen Grundſatze fanden. 
Ze ſchulbdloſer die Schulen ſelbſt an der Richtung find, worein 
vie Foderungen des Zeitalters fie drimgten, deſto traurigen tft 
vie Rothwendigkeit, in ihnen den Grund dieſer troftiofen Er: 
'hemumgen (nämlich der Pörperlichen Berfüntmerung umd gef: 

en Serflachung) zu ſuchen. Aber es ift micht Die Gleichzei 
igfeit der Erfahrungen allein, es if der innere Zuſammen⸗ 
ang zwifchen Erziehung und Leben, weldger dieſe Rothwendig- 
eit auflegt. no mancherlei von außen hinzugekom⸗ 
zeichneten uͤdel ſchneller ent 


nene Anregungen bie vorfichend 


dickelt und weiter \ verbreitet Kahn P — * 5* 
eſtehen, ihre Grum weſent⸗ 
re —ã des Unterrichts et, welchhen ber größte 


der gegenwärtig in den Fräftigften Jahren des Lebens 
behenden Seitgenoflen aus ben gebildeten Gtänden in feiner 
Sugend empfing. Dieſe Generation eignet ſich zwar als ihre 
Schöpfung an, was in ber Aufertefungäpetiohe Deutſchland⸗ 
> dem Saheyehnd- 1800212 gefahr os find die Kinder 


Studiren beftimmt werden und daß mals fiebgehn- bis zwanzigjähria als Frei 


! 
| 





B 
E 


& BET 


eines feüßern Beit, und feweit fio wiſſenſchaftlichen Schulunter⸗ 
richt genoffen n, bie Zoͤglinge der Gymnafien älterer Kos, 
weiche dieſes Werk volbrachten. Der Minifter v. Schrötter, 
welcher ſchon vos bem Ausbrude des Kriegs in den letzten 
Zahren des 48, und den esften des 10. Jahrhunderts die große 
Beränderung der landwirthſchaftlichen und gewerblichen Ber⸗ 
—* des preußiſchen Staats durch Abloſung det Frohndienſte 
auf den Domainen in Dft- und Weltpreußen und des Muͤhlen⸗ 
zwangs, durch Abſchaffung alles Bunftzwangs in dem damali⸗ 
gen Reu:Dfipreußen, durch Dervorheben des ſtaatswiſſenſchaft⸗ 
lichen Zwecks über den fiscalifchen in ben ſechs jeiner beſondern 
Aufficht untesgebenen alt= und neupreußiihen Kameraldepar⸗ 
tements einleitete, war ſchon im 3. 1786 Majer in einem preu« 
Bifchen Dragenerregimente. Der Oberpräjident von Auerbwaid, 
weicher ihn bierin thätig unterftügte und einen bedeutenden 
Antheil an der Umgeitaltung der preußiſchen Verwaltung feit 
1801 hatte, war fehon vor dem Ende des IN. Zahrbumderts 
Kammerpräfident in’ Dearienwerder. Der Profeſſor Kraus, 
deſſen fiaatewiflenfehaftliche Vorlefungen zu Königsberg fo viel 
bazu beitrugen, den Lehren Adam Smith's unter den einflußs 
reichſten Staatömännern jener Zeit Eingang zu verfdaffen, 
war ſchon 1153 — Der Freiherr von Stein hatte ſich 
ſchon als Dberpräfident in den preußifch- weitfäliichen Landes» 
theilen einen ausgezeichneten Ruf erworben, ald er im 3. 1805 
zur Leitung des Gommercien und Aceifedepartements Des preu⸗ 
Bifhen Staats als Minifter berufen wurde. Der Zürft Har⸗ 
denberg war bereits 6.) Jahre alt, als er im 3. 1810 das Amt 
eines Staatskanzlers übernahm. Die Mitglieder der Immer 
diatcommiſſion, weldye nach dem Fricden die neue Organiſatidn 
des. preußiſchen Staats vorbereiteten und fpäterhin erfolgreich 
zu deren Ausbildung mitwirkten, der Staatsminiſter Wilhelt 
von Humboldt und überhaupt faft alle Diejenigen, welde da⸗ 
mals die oberften Stellen in ber Verwaltung eirmahmen, wa: 
ven zwar jünger, aber dody faſt füämmtlich vor dem I. 1770 
eboven. Auch Die große Reform im preußiichen Heere, als 
deren thätigfker Begründer Scharnhorſt verehrt werden muß; - 
ng don Männern aus, welche damals fon im mittlern 2e: 
bensalter fbanden. Naͤher der in die Schulen fi) eindrängenden 
Überhäufung mit xXehrgegenftänden fiehen ſchon die Männer, 
weiche während des Befreiungskriegs nur erft in untergeordner 
ten Verhaͤltniſſen thatig waren. Die Jüngften von ihnen, da- 
j ige eintretend, nuͤ⸗ 
bern ſich jegt den Funfzigen oder haben ſie ſchon überfchritten. 
Der beiweiten größte heil Derer, welche jept In Tagesblaͤt⸗ 
tem und Flugſchriften einander ſchroff gegenüberfichen und fig 
in eraltirtee Einfeitigfeit überbieten, id M—20 Jahre jünger 
ab feine Schulbildung fällt fon in die Zeiten der vollendeten 
ladung. Was auch fpdterer Ginfluß an ihnen verdildet 
hat, ee waͤre niemals in dieſer Ausdehnung übermädtig 
worden, wenn fie die Schule mit eines feſtern Grundlage *8 


Söglinge des 18. Jahr⸗ 
ulform, die —e— 
influß erſcheint, wenn man die ges 
zieht. Was 
efinnungßfofig- 
— 


der Hand liegt, vaß die reactionnairen Richtun 
Befrelungskriegen hervorgetreten und ir 


e Abhandlung, uͤberſchrieben: ‚Be 
a a Yan 


nr den An 








1032 


foberungen an bie Wiflenfhaft und das Leben auf der Bildungs⸗ 
ftufe der Gegenwart’, hätte paffender geheißen: „Betrachtun⸗ 
gen über die aßabemifche Lehrfreiheit, das Inftitut der Privat: 
Docenten und die Donorarzahlungen auf Univerfitäten”; dieſe 
drei Begenftände find es hauptſaͤchlich, welche bier befprochen 
werden. 
„Dem Unerkennen irgend einer Beſchränkung der Lehr: 
freiheit, befonders in Bezug auf religiöfe und ftaatsrechtliche 
Vorftelungen, wird eben jest mit ſolchem @ifer widerfprochen, 
daß Misverftäntniffen, welche die Leidenfchaftliche Befangenheit 
ber Streiter erzeugt, forgfältig vorbeugen ein dDringendes Zeit: 
bebürfniß ift. Wie ganz entgegengefept die Begriffe von dem 
Borhandenfein einer göttlichen Offenbarung, und wie verfdhie: 
denartig auch die Meinungen von dem Weſen und dem Um: 
fange derfelben find, fo kann doch darüber kein Zweifel befte: 
ben, daß ein beträchtlicher Theil der Gebräuche, worüber die 
chriſtlichen Kirchen faft aller befondern Glaubensbekenntniſſe 
ganz unverbrüchlich halten, nicht auf Vörfchriften einer goͤtt⸗ 
liden Offenbarung, fondern rein auf Menfchenfagungen beru- 
ben, welche die Zradition aus fernen Sahrhunderten uns über: 
lieferte... Unfere Kenntniffe von der -Befchaffenheit des Erb: 
koͤrpers und feiner BVerhältniffe zu Sonne, Mond und dem ge 
ftirnten Himmel machen es geradehin unmöglich, noch jet 
darauf zu beharren, daß alle biblifhen Außerungen ſtreng buch⸗ 
ftäblich gedeutet werden müflen. Das Kopernikaniſche Welt- 
foftem gilt nicht mehr für einen Frevel, und Berechnungen, 
wie Alles, was nidht im Bafler zu leben vermag, in Roah's 
Arche untergebracht werben konnie, werben nicht mehr ange: 
ſtellt, obwol noch heute 99 Hunderttheile (?) der Menfchen un: 
ter den gebilderften Völkern des Erdbodens keinen anfchaulichen 
Begriff von der Möglichkeit einer Bewegung der Erbe und 
Beine Worftellung von der :Rannicfoltigkeit der Thier⸗ und 
Pflanzenwelt haben. Iſt aber der Grundfag einmal angenom: 
men, daß bei der Deutung der biblifhen Schriften auch Rüd: 
fihten auf die Begriffe des Zeitalterd, worin fie verfaßt wur: 
den, Beachtung erfodeen, fo fleht der Lehrfreiheit in diefer Be: 
ziehung Peine Befchränfung mehr entgegen, welche durch irgend 
ein wiſſenſchaftliches Verhaͤltniß beftimmt werden koͤnnte; wol 
aber find es fittliche Verhältniffe, welche die Lehrfreiheit abhal: 
ten müjlen, Argerniß zu geben.... Das Argerniß ift zwar 
nicht immer ein. blos gegebenes, fondern nicht felten auch ein 
genommened. Es iſt der Lehrfreiheit nicht anzumutbhen, daß 
fie jede merlegun von Vorurtheilen fcheue, welche aufzugeben 
ihr Inhaber cal und Beranlaffung genug befigt. Aber wo 
ſolche Kraft mangelt, wo ftatt Beranlaffung irrige Vorſtellun⸗ 
gen aufzugeben, noch täglich Vieles und Wirkfames gefchicht,. 
um darin zu befeftigen, da verbeut das Sittengefeg felbft, die 
Gemüther eher durch Lehren zu beunrubigen, bis die Kraft 
fih bdiefelben anzueignen gewonnen und der Einfluß, welcher: 
ber beffeen Überzeugung widerftrebt, aufgehoben tft.“ 
Dagegen laßt fih Nichte fagen, wenn von der Belehrung 
des ungebildeten Volkes die Rede iſt; follen aber dieſe Rüdfichten 
bei der akademiſchen Lchrfreiheit maßgebend fein? „Wer 
wahrhaft fruchtbar belehren will”, fagt der VBerf., „muß vor: 
Allem darauf achten, daß er durch feine Lehren nicht verletze.“ 
Hätte Galilei dieſe Vorſicht gebraucht, hätte er dem Cardinals⸗ 
colegium Bein rgerniß gegeben, fo wäre er gewiß nicht ins 
Inquifitionsgefängniß geworfen ‘worden. Hätte Luther fich ge 
ſcheut, dur feine 95 Theſes und andere Abnormitäten Je: 
mand zu verlegen, fo würde er fich felbft vieles Ungemadh und 
der Welt die Reformation erfpart haben. Und, um eines Fal⸗ 
les aus ber neueften Zeit zu gedenken, hätten bie Profefloren 
Braun und Achterfeldt: in Bonn dem Papft zu Kiebe erklaͤrt, 
daß Hermes ein „‚fchlechter Menſch und arger Ketzer“ fei, fo 
wäre die preußifche Regierung nicht genöfbigt gewefen, bieſe 
würdigen Männer ihres Amtes zu entfegen. Man ſieht wie 
mistie es ift, des Verf. Grundfaͤte auf die akademifche Lehr: 
freiheit anzuwenden; was er hierüber aufftellt, erhebt fich nicht: 
über den gewöhnlichen policeilichen Geſichtskreis, und bei aller 


bemühen. 


fonftigen Achtung vor dem Berf. können wir die Meinung niht 

zurüdhalten, daß feine Betrachtungen über bie Univerfitäten 

die ſchwaͤchſte Partie in der ganzen vorliegenden Sammlung fin). 
(Der Beſchluß folgt.) 


nn 
Literarifhe Notizen. 


2. Hiftorifhe Wäfde. 

Es ift nicht lange her, daß in einer beutichen Ständekam: 
mer behauptet wurde, der Menfch fühle viel größere Befrieri: 
gung an der Herabfegung und dem Tadel Anderer als an ih: 
rer Ehrenrettung und ihrem Lobe. Der Behau fung mard 
dort lebhaft widerfprochen. Ein fchlagender Beweis, wie un: 
gerecht jene allgemeine Anklage, ift gewiß bie Ihatfache, da} 
ed beinahe Beinen wirklich verworfenen oder anrüchigen geſchicht 
lien Eharafter gibt, der nicht nach Jahrhunderten und Jahr: 
taufenden noch feine Ehrenretter fände. Ja wo einem geſchicht⸗· 
lichen Namen Flecken anhaften, die nur von einer beſtimmten 
religioͤſen oder politiſchen Anſicht als ſolche betrachtet werten, 
flugs iſt ein Weißwaͤſcher, ein Dichter oder Geſchichtſchreiber, 


ein Schönneift oder Philofoph dahinter her, den Mann in tm 


Augen der Welt davon rein zu ſcheuern. Hat nicht Lord Br: 

ron ben Sardanapal, ein deutſcher Dichter den Nero in die 

Reihe edler und großer Menfchen ul agein gefuht? Ha— 

ben bie Gregor, die Innocenz, ja jelbft bie Borgia nicht 

ihre Vertheidiger gefunden? Haben foldhe Wallenftein, Zith, 

Münzer, Robeöpierre und taufend andern aus verſchiedenn 

Gründen in fchlechtem Geruche ftehenden Charakteren je gefehlt! 

Sit nicht erſt jüngft Carlyle für Olivier Cromwell gegen di 

Anfchuldigung der Heuchelei in die Schranken getreten? Ha 

Fürft Rabanoff Marie Stuart nicht vor kurzem erft gegen dat 

von ber Geſchichte gefprochene Urtheil verbrecherifcher Selif: 
und Zhaten in Schug genommen? Iſt für den Atbeiften Kb 
bes, wie in diefen Blättern unlängft erwähnt wurde, nid 
chriſtliche Släubigkeit in Unfpruch genommen worden? Did 
Sucht der Reinigung und Vertheidigung geſchichtlicher Charal 
tere geht aber fo weit, daß man felbft nicht dulten wid, a 
großen und edlen Perfönlichkeiten, wo bei vielem Licht una: 
weihlih ſtarke Schatten bervortreten müffen, irgendrelche 
Bleden gelten zu laſſen. So hat jegt ein ungenannter nal: 
ſcher Schriftfteller, welcher ſich ſchon als Berfalfer eines „Briel 
sketch of Greek philosophy” hervorgethan, in einem halb ge 
ſchichtlichen, halb fchöngeiftigen Werke: „Pericles; a tale of 
Athens in the eighty-third olympiad‘, verfucht, ben großen 
griehifchen Staatsmann von den Anklagen zu rechtfertigen, fi 
auf Grund feiner Thaten die Gefchichtfchreiber gegen ihn erhe 
ben haben. Das BVerhältniß zur Afpafia wird als eine ick 
nah unfern Begriffen tugendfame Neigung dargeftellt; ſeine 
freundſchaftliche Verbindung mit dem Philofophen Anarazerat 
wird nicht auf Rechnung wirklicher Zuftimmung zu den kr 
fügen dieſes ſkeptiſchen Denkers, fondern der Liebe zur Wifer 
[haft überhaupt gefegt und, was das Wichtigfte, der Krieg ge 
gen Megara ald eine Handlung gerühmt, die durch Gerehnz 
keit und Politik zugleich geboten worden fei. Beſonders fiheint 
dem Verf. daran gelegen zu haben, feinen Helden gegen die 
Befchuldigung des Atheismus zu wahren, der in den Augen 
ber frommen Gngländer ein unvertilgbarer lecken felbft a 
einem Heiden erfcheint. _ 


| Gefhichtlihe Urkunden. 

„Baron Bergmann, ſchwediſcher GBefchäftsträger am tokz 
nifhen Hofe, bat in der Bücherfammlung der Marcheſer. 
Azzolini eine große Anzahl von Briefen und andern Handicri: 
ten Der Königin Chriftine von Schweden aufgefunden. Be 
kanntlich fegte diefe berühmte Frau den Cardinal Azzolini pe 
ihrem Univerfalerben ein, was den Auffindungsort erflärt. Be 
von Bergmann iſt von feiner Regierung beauftragt worden, ſich 
um Abſchriften diefer Urkunden für die ſchwediſchen Ardiis iu 


Verantwortlicher Herausgeber: Seinrich Wrodtans. — Drud und Verlag von F. . Srockhans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoä,. 





16. September 1 1848, 





Deutfher Humor und der Serfaffer 
ded „Baucan”. 
( Beſchtas aus Wr. 8.) 


Im gemüchvollen Deutfhland, welches Fein Parka 
ment, fein Texas und Merico, kein Labore, kein Algier 
und einen Kaukaſus, leider Teine Flotte und Gott fei 
Dank! felbft nicht Stiergefechte hat, ſodaß ſich Manuel 
nicht einmal vor aller Welt mit einem gehegten Bullen 
Stirn gegen Stirn meſſen fonnte, wird einem folchen 
Charakter der Weg zum Dandeln verrannt und ftatt in 
die That bricht ex dann freilich in fieberhaft audende 
Phraſen wie folgende aus: 

Nicht die Kampfluſt ift erlofchen, nur die Kraft, dem 

Seitalter wurde das Schwert verſteckt, wenn es ſtark wie, 
yebt es den Felſen. Bis dahin teilt ih die Wenſchheit in 
Praſſer und Bettlet, und Bild ift der Salvator Nundi einer 
Segenwart, in welcher die Arbeit verhungert und der Schein 
del Mejorate ftiftet. Geburtsabtl mag Epopoͤe fein, ge 
fungen dem Berdienfte der Borzeit, Bureaufratie ein Paneyy- 
tus aonarchifcher Macht, aber Geldariſtokratie ift ein elender 
Gaſſenhauet, abgeleiert für den hingeworfenen Grafen. 
Das er ferner das Gewiſſen „ein fchauerliches Katechis. 
musmärhen und bie Zugend „einen Meineib gegen bie 
Natur” nennt, finden wir fteilih „gegen bie Natur‘, 
aber bei einem Charakter wie der Manuel’s if fehe 
erklaͤrlich. 

Und fomit haͤtte ih wol von ber Gentimentalität 
und dem Pathos des Verf. einige Proben gegeben, aber 
nicht von feinem Dumor. In biefem Punkte muß ich 
den Befer fihon bitten, wir auf mein ehrliches Necen⸗ 
fentengefiht zu glauben, baß ber Darf. eine reichhaltige 
Ader Humoriftifchen Talents befige, die jeboch bei der 
ktitifhen Ausſchmelzung in den beiden erften Theilen 
gediegenere Waffen ergibt als in dieſem letzten. Der 

Berf. geht mit feinen reichen productiven und humoriſti⸗ 
fchen Gaben etwas verſchwenderiſch um, und fo muf man 
es ſich ſchon gefallen laffen, wenn er ſich manchmal aus⸗ 
gegeben bat und dann bei dem vis-a-vis wohnenden der 
Drobuction und dem Humar etwas mweibifch und flörend 
m bie Fenſter ſchielenden Nachbar, dem Raiſonnement, 
jetteln geht. Sich und ſeinem Leſer zum Zeitvertreibe 
verpufft er wie Goethe's, „Fauſt“ das Firmament mit 
Sonne, Mond und Sterne in Die Luft. Diefe luxurioſe 
Keeigebigleit verliert freilich dadurch etwas am ihrem 


umeigen rägigen Charakter, daß der Berf. au, hie umb 
da wol, was auf einer fremden Mühle, z. B. dur * 
Paul ſchen, gemahlen iſt, und neben dem ſchoͤnen 
weißen eigenen Mehl auch den Abfall und bie Bie im m 
ben dreibänbigen ' feines Srftlingswerdes geſtopft 
bat. Richt aber als ob er Jean Paul geradezu Etwas 
entwendet hätte, nur macht er ihm zumelten einige hubſche 
Sachen fo kaͤuſchend nah, daß man fie allenfalls für 
Jean Paul'ſchet Eigenrhum halten konnte; er beflichtt 
ihn aber ebenfo wenig ale ber Portraitmaler ein Geſicht 
flieht. Dei allen feinen Mängeln und trog feiner Io 
fen und lodern Form enthält dies Buch doch viel Geiſt⸗ 
und Gemüthöftoff, viel inneres echte6 Leben und fobert 
Tedhaft zum Rachdenfen und Mitempfinden auf. 
Derf. würde vieleicht Berückſichtigung gefunden haben, 
wenn er fich nicht in eine fo viel wir wiſſen bie jetzt 
noch undurchdringliche Anonymität huͤllte; Anonymität 
aber iſt nur dann vortheilhaft, wenn man durch irgend» 
welche Manipulationen zu verfiehen geben kann: ein 
hochgeſtellter Mann, ein intereffanses Weib oder Kind 
(denn auch Kinder haben wir in ber Literatur feit ber 
Bettina) Tiege hinter dem Buche im PVerfied. Wenn 
der Verf. witklich von gewoͤhnlichem oder freiherrlichem 
oder gar gräflicdem Adel ift, fo hätte er ohnehin ge 
wonnenes Spiel. Um durch Buͤcherſchreiben heutzutage 
fein Stud zu machen, muß man entweder ans ber hö⸗ 
been Kreiſen der Geſellſchaft, oder ein intereffantes Weib. 
oder ein Jude fein: alle Diefe finden ein Yublicum mit 
beſtimmten Sympathien vor, das ihnen freundlich eut⸗ 
gegenkomme; ein ſchlichter, Klirgerlich + chriſtlicher Auter 
foll ſich erſt eines erſchreiben und erdichten, und in der 
That erſcheint das Pubſicum, das ſich mancher Autor 
zu haben einbildet, als Dichtung, wenn man es in der 
Nähe »der vielmehr in der Ferne, d. h. außerhalb des 
Wohnorts uud ber nähern Umgebungen des Verfaſſers 
betrachtet. Sobald aber ein foldher einfach bürgerlich⸗ 
chriſtlicher Autor nicht über feinen vielen Verſuchen, fi 
ein Publicum großzuziehen, ermattet ober zu Grunde 
geht, fobald er vielleicht auf dem Wege it, ſich in des 


Gunſt eines ihn tragenden und aufrechthaltenden Publi⸗ 


cums feftzufegen, fo kommen bie gefühlvollen und fm 
mindeften nicht brofneidifchen und ehrabfchneiderifchen 
Mitautoren, Mitbürger und Mitchriften, frhlagen ihm 
mit dem Recenſirkolben auf den Kopf umb rufen ihm 








DEP gg 


zu: Dud did unter! So machte es auch bie Köchin, | 


von welcher der Narr im „König Lear” erzählt, mit 
den Aalen, die fie lebendig am Feuer kochte. Ich 
würde rathen: wir Schriftſteller mietheten ein paar 
arme Teufel, die ex officin fchreiben müßten und an 
denen Jeder, dem das Gelüſt fäme, Jemand herunter: 
reifen zu müffen, fein Müthchen fühlen könnte; wir 
Übrigen aber verpflichteten uns durch Wort- und Hand- 
gelöbniß, einander nicht zu ſcheren, fondern Einer den 


Andern ungefchoren zu laffen und einen literarifchen. 


Landfrieden für fo lange Zeit herzuftellen, bis Jeder 
von. und, nicht durch Heirath, Erbfchaft oder Hazard» 
und Lottofpiel, fondern durd die bloße Schreiberei ein 
reicher Mann geworden, die Cenſur aufgehoben ift oder 
das unliterarifche Publicum einen Pfahl vom Kirch⸗ 
thurm, einen Schriftfeger vom Schriftfteller unterfchei- 
den gelernt bat. Unter diefen Bedingungen verfpricht 
der vorgefchlagene literarifche Landfrieden freilich ein 
ewiger zu fein und felbft dann noch in Kraft zu 
bleiben, wenn unfere Leiber längft im Grabe, unfere 
vielrecenfirten Werke aber mit Einfchluß des „Cancan“ 
im Leihbibliothetenftaube vermodern, um höchftens noch 
und ohne Unterfchieb von Würmern und Bücherwürmern 
genoſſen zu werben. Hermann Marggraff. 


Sammlung Heiner Schriften ftaatswiffenfchaftlichen In⸗ 
halte von 3. &. Hoffmann. 
(Beſchluß aus Nr. 258.) 


Es war bisher ziemlich allgemein angenommen, daß das 
Inftitut der Privatdocenten ein vorzüglich belebended Princip 
der Univerfitäten fei und diefe Lehranftalten vor dem Erftarren 
und Erlahmen in althergebrachten Formen füge. Auch Aus: 
länder, welche fi) mit unfern Buftänden vertraut gemacht, 
wie 3. B. Coufin, haben dies Inftitut als eine vorzüglicdhe 
&igenthümlichkeit der deutſchen Univerfitäten erfannt. Es er: 
fheint ganz naturgemäß, alternde oder ſchon abgelebte Kräfte 
durch jugendfrifhen Zuwachs zu ergänzen; indem man legtern 
binfichtlich feines Fortkommens und Gedeihens ganz feiner eige: 
nen Lebensfähigfeit überläßt, müflen die ſchwachen und untaug: 
lichen Schößlinge von felbft abfallen; denn was auf ſich felbft 
gehe ift, Bann ohne innere Züchtigkeit nicht fortbeftehen. 

ift es mit den preußiſchen Privatdocenten. Der Staat gibt 
ihnen Bein Gehalt %; wollen fie fubfiftiren und vorwaͤrtskom⸗ 
men, fo müflen fie unermüdlich ihre beften Kräfte aufbieten, 
um fi) nüglich zu maden. Die Talentvollen, Kenntnißreichen 
unter ihnen werden bald von den ſchwachkoͤpfigen Iynoranten 
zu unterfcheiden fein; diefe müflen ſich nothgedrungen von felbft 
zurüdziehen und für jene muß der Staat bei eintretenden Ba: 
canzen in feinem eigenen Interefle forgen. ine ſolche Einrich: 
2 fhien ganz vernünftig und erfprießlih zu fein. Der 
Bert. ift aber durchaus ein Gegner des Inftituts der Privat: 
docenten; er fiebt in demfelben eine Menge Nachtheile. Sehr 


) Bei dem jekigen Stande ber Dinge find die Ausfichten der 
Privatbocenten Nichts weniger als glänzend; durch einen Beſchluß. 
welchen das preußifche Unterrichtöminifterium vor mehren Jahren 
gefaßt hat, iſt ein Etat für die Univerfitäten beftimmt worden , der 
eine gewiſſe nit zu überfchreitende Zahl von orbentlichen Profeffor: 
ſtellen in jeder Yacultät als Norm aufftellt, und erſt durch das Aus: 
erben der vielen dadurch überzählig gewordenen ordentliden und 
außerordentlihen Profefforen den jüngern noch nicht angeſtellten Ge⸗ 
lehrten eine ferne Ausſicht auf Beförderung eröffnet. 





Fu 


viele Privatdocenten werfen fi nad feiner Meinung ohne in: 
nern Beruf zu afademifchen Lehrern auf: die Regierungen feien 
dann gezwungen, diefen Unfähigen Profefluren zu geben; die 
hierdurch beförderte Mittelmaͤßigkeit fei der Tod der Willen: 
Ihaftlichkeit; wo die. Anftellung nicht erfolgt, entwickele ſich 
Bitterkeit, welche von dem Verbachte zur Beleidigung, vom Bor: 
wurf zum Scandal führe u. f. w. Aber mas proponirt tem 
der Verf. ftatt der Privatdocenten? Männer aus höhern Krei⸗ 
fen des Geſchaͤftslebens und zwar ſolche, die mit ausgezeihne 
ter wiffenfchaftlicyer Bildung, Übung im geiftreichen Äuffaſſen, 
Darftelungsgabe , ein gereiftes Urtheil umd eine edle Gefinnun 
verbinden. „Auf einer Stufe des Lebens angelangt, worin ihre 
Befcheidenheit Ehre und Einkommen genügend erreichte, wir: 
den fie freudig zum Univerfitätsiehramt übergehen.” Dis 
ſcheint kein übler Borfchlag, um allzu kuͤhne Docenten von dar 
Univerfität fernzuhalten und die Wiſſenſchaft in ein möglihk 
ruhiges und vorfhriftsmäßiges Gleis zu bringen. Gegen 
die Ausführbarkeit haben wir nur das Cine Bedenken, dof 
dergleichen Männer „aus dem hoͤhern Gefchäftsichen‘ mit den 
ebengenannten Erfoderniffen beiweitem nicht in hinreidenter 
Menge vorhanden find und daß fo ausgezeichnete Indivitue, 
ungeachtet der guten Univerjitätsbefoldung und des Profeſſoren 
mangeld, ſich nicht Leicht entichließen werden, das Katheder zu 
betreten und eine amtliche Stellung zu verlaffen, die fen br: 
deutend fein muß und durch Beförderung, die bei fo feltenen 
Qualitäten gar nicht ausbleiben darf, noch bedeutender werden 


ann. 

Am Schluffe diefes Auffages macht der Verf. den Bar: 
fhlag, daB die Studirenden das Honorar für die Eolega 
nicht an die einzelnen Xehrer zu bezablen, fondern halbjährli 
eine entfprechende Summe, etwa 20 Thaler Gold, zur Unive: 
ſitaͤtskaſſe entrichten und dadurch die Befugniß erlangen folen, 
jeden auf der Univerfität dargebotenen Unterricht nad ihm 
durch eigene Wahl beftimmten Bedürfniß während diefes hal: 
ben Jahres zu benugen. Das läßt ſich hören und würde mar 
hen Übelftänden abhelfen. Doc dürfte es nicht ohne Schw: 
tigkeit fein, das Einkommen der Profeſſoren, weldes bie 
durch die Zahl der Zuhörer mit bedingt wurde, nach dem Im 
fange und der Berdienftlichkeit ihrer Leiftungen zu firiren. 

Die nun folgenden Betrachtungen über den Juſtand der 
Juden im preußifchen Staate liefern ein reiches Material von 
Gründen gegen die Emancipation diefes Stammes. Im Gar 
zen behandelt der Verf. die Frage mit Ruhe und Maͤßigung 
Eine ausführliche Beleuchtung feiner Anfichten Bann hier unter: 
bleiben, da die neuefte Zeit eine Menge Schriften über die Sa 
hervorgebracht hat; wir befchränten uns daher nur auf wenig 
Mittheilungen aus des Verf. Abhandlung. Es wird in derkk 
ben bemerklich gemacht, daß faft alle Anordnungen, melde nt 
den legten ZU Jahren in Preußen über die Zuden criafm 
worden find, auf Unfichten hindeuten, welche denfelben mintt 
günfkig waren als diejenigen, woraus das Edict vom 11. Ran 
812 hervorging. Bu diefen minder günftigen Anordnunge 
gehoͤren folgende. Die in gedachtem Edict enthaltene Bis 
mung : „wonach die für Inländer zu achtenden Zuden zu ats 
demilchen Lehr: und Schulämtern zugelaffen werden follen”, iſ 
im 3. 1832 wieder aufgehoben worden. Kerner können Judt, 
welche Eigenthümer eines Ritterguts geworden find, die 
deſſen Befig verbundenen Patronatrechte über chriſtliche Kirches 
und Schulen und Gerichtsbarkeitsbefugnifie nicht felbit ausüben, 
fondern jie werden während ihres Befipftandes von den Fir 
vinzialregierungen hierin vertreten. zu zur Baͤhlbarkeit fa 
ftändifche und Kreißdeputirte wird ausdrüdlich die Bemeinihet 
mit einer chriſtlichen Kirche erfodert. Endiich beſchraͤnkt Mi 
revidirte Städteordnung von 1831 im 6. 80 die Fähigkeit der 
Juden, Gemeindeämter zu verwalten, infoweit, daß zu de 
Stellen ber Oberbürgermeilter und Bürgermeijter in den Städten 
nur Bekenner einer chriftlihen Religion zuläffig find. Seit 
dem Eintritte bes Friedens ift im flehenden Deere Bein Jude 
mehr zum Oberoffigier in Vorſchlag gebracht worden. MBe dit 


Beſchraͤkkungen find nach der Unfiht des. Berf. „aus der Rück⸗ 
fiht auf die ungünftige Meinung hervorgegangen, welche bei: 
weitem überwiegend in den großen Maffen der Einwohner al: 
Ir Stände und aller Provinzen befteht”. Den 16. Artikel der 
Biener Bundesacte, welcher unter Anderm befagt: „Die Bun⸗ 
deöverfammlung wird in Berathung ziehen, wie auf eine mög» 
lichſt übereinftimmende Weife die. bürgerliche Verbeſſerung der 
Belenner des jüdifchen „Glaubens zu begründen ſei“, betrachtet 
Kr Berf. aus einem für die Bundesregierungen ſehr bequemen 
Sichtspunkte , indem er äußert: „Wie (die. Regierungen) ha: 
kn hierdurch nur eine Berpflichtung gegeneinander felbft, 
ober keineswegs gegen einen Dritten übernommen. Aus der: 
ſelben Machtvollkommenheit, wodurd fie einander gegenfeitig 
diefe Verpflichtung auflegten, fteht es ihnen auch frei, ſich in 
gemeinfomem Ginverftändniffe gegenfeitig von derſelben zu ent: 
baden.” Wir bedauern, daß es der Verf. über ſich gewinnen 
Ionnte, diefe Worte niedergufchreiben. Wenn man die ganze 
Bundesacte nach ſolchen Grundfügen deuten will, fo gelangt 
man zu dem überrafchenden Refultat einer Staatsweisheit, bei 
weicher Recht und Willkür aufhören verfchiedene Dinge zu fein. 
Roh fügt der Verf. Hinzu, daß die Bundesregierungen fi 
nit zur volllommenen bürgerlichen Gleichſtellung der Juden 
mit den chriftlichen Untertbanen, fondern nur zur „Berathung“, 
wie Dies geſchehen Pönne, verpflichtet haben. Diefe befchränfte 
Berpflihtung laftet allerdings nicht ſchwer; ob fi) in der Zeit 
fit 1815 Muße zu deren Erfüllung gefunden bat, wiffen 
wir nicht. 

Im preufifhen Staate waren zu Ende des Jahres 1540 
194,558 Juden vorhanden. In dem Beitraume von 1822—4U 
waren 220%) Juden zur chriftlihen Religion übergetreten. Ge⸗ 
gen die allgemeine Anficht, daß die ſtarke Vermehrung der Zus 
den von ihrer größern Bruchtbarkeit herrühre, ergibt fi aus 
den ftatiftiiden Tabellen, daß unter den Chriſten mehr Gebur: 
ten vorgelommen find als unter einer gleihen Anzahl Juden. 
Bei den Chriſten wurde fchon unter 2%, bei den Juden erft 
unter 28 gleichzeitig Lebenden jährlich ein Kind geboren. Aber 
die Zahl der Zodesfälle war unter den Juden verhältnißmaßig 
viel einer als unter den Ehriften, indem unter legtern fchon 
von 34, unter den Juden aber erft unter 46 Lebenden jährlich 
Einer farb. In Folge diefer geringern Sterblichkeit haben 
de Iuden ungeachtet der. verhältnißmäßig geringern Anzahl 
Reugeborener doch einen Überfchuß der Geborenen über die Ges 
florbenen von Bier, während die Chriften unter einer gleichen 
Anzahl Lebender nur einen von Drei erhalten. Die geringere 
Sterbligkeit der Juden begründet alfo ihre im Verhaͤltniß zu 
den Chriſten ftärkere Vermehrung. ine Bergleichung der un» 
ehelichen Geburten gibt ein günftiges Zeugniß für die Morali» 
tät der IZuden. Im Durchſchnitt famen auf 100,000 Lebende 
bei den Ehriften 2SO unehelich Geborene, bei den Juden nur 67. 
Uber die fehr ungleihmäßige Bertheilung der Juden in den 
verfdiedenen Provinzen gibt der Verf. folgende Überficht. Es 
befand ſich annähernd Ein Jude in Pofen unter 16 Einwoh⸗ 
nen, in Preußen unter 9), in der Rheinprovinz unter 8, in 
Veſtfalen unter 101, in Schlefien unter 107, in Brandenburg 
unter 135, in Yommern unter 155 und in Sachſen unter 385. 
Im ganzen Gtaate kommt Ein Jude auf 77 Ehriften. In den 
Bereinigten Staaten von Rordamerika bilden die Juden noch 
nicht ein Eifhunderttheil der Bevölkerung, in Frankreich wenig 
über ein Sechthunderttheil; in Großbritannien befand ſich un: 
ter 1650 Einwohnern nur @in Jude. 

In dem Aufſatze „Über den Verbrauch de Branntweins” 
fat der Berf., daß die Klagen über den Geiſt und Körper 
jerrüttenden Einfluß dieſes Getränke, weldye von Jahr zu Jahr 
eingender wiederholt werden, im Wefentlichen unfruchtbar ger 
lieben find, indem die Begenanftalten weder im Volke noch auch 
ſelbſt in den gebildeten Ständen eine lebendige Iheilnahme ge: 
fanden haben. Die Ausführung dieſes Begenflandes iſt lehr⸗ 
Sei. Der Verf. zeigt und, daß die gänzliche — des 
Bieres von der Steuer nur einen ſehr unbedeutenden Einfluß 


auf defien Preiß haben Eönntes aber auch die dadurch entſte⸗ 
bende geringe Preisermäßigung des Bieres mit einer gleichzei⸗ 
tigen Erhöhung des Branntweinpreifes wäre. ſchon ein Korte 
fcpritt zum Beffern. Die Eoncurrenz der Brauer würde dadurch 
wahrfheinlih vermehrt; felbft eine directe Mitwirkung des 
Staats zur Beihaffung eines Fräftigen und billigen Erſatzmit⸗ 
tels für den verderblichen Kartoffelfpiritus wäre bier, wo es 
ih um das Förperlihe und geiftige Wohl von Millionen Men» 
Ihen handelt, völig gerechtfertigt. Bor Allem müſſen wir, 
dem armen Arbeiter ein gefundes und ftärfendes Getränk ver» 
fhaffen, ehe wir die Entfagung des Schnapsgenuſſes von ihm 
fodern dürfen. Sollte au der Staat Geldopfer hierzu bei: 
bringen müffen, cr wird fie reichlich vergütet erhalten durch 
die Erfparniffe an Almofen und an den Koften für Zucht und 
Krankenhäufer. DBerlaffen wir uns nicht zu fehr auf die Maͤ⸗ 
Bigkeitövereine ; auch der Verf. hält nicht viel von ihnen. ,‚‚Sie 
haben, wenigftens in Deutſchland, der guten Sache der Ges 
fittung durch Übertreibung und Verbindung mit Yarteizweden 
vielleicht öfter gefchudet als genügt. Mit prunkendem Geraͤuſch 
veranftaltete Verſammlungen, meift takt: und gehaltiofe Reden, 
die nur Geſpoͤtte veranlaflen, zudringliche Vertheilung ven Zluy: 
fhriften und ähnliche ſchen verbrauchte Hülfsmittel dürften viel⸗ 
mehr abjihtlich zu vermeiden fein.“ 

Das zwölfte und letzte Stüd des Buchs ift eine in der 
Afademie der Wiflenfhaften zu Berlin gehaltene Vorleſung 
„Über die wahre Natur und Beftimmung der Rente aus Bo- 
den: und Gapitaleigenthum”. Der Berf. hat um fo weniger 
Anftand genommen, diefen Aufjag in die vorliegende Samm⸗ 
lung aufzunehmen, „als es jegt vielleicht befonders an der Zeit 
fein dürfte, wiederholt darauf hinzuweiſen, daß der wirkfamfte 
Schug der Eigenthumsrechte eben in der allgemeinften Aner⸗ 
Pennung und Anwendung derjenigen Begriffe liegt, auf deren 
verdehrte Deutung fi der en des Communismus ftügt”. 
Dieſe Abhandlung iſt vortrefflich ſtiliſirt, auch enthaͤlt ſie man⸗ 
chen ſchoͤnen Gedanken; fie iſt ohne Zweifel beſſer als viele an⸗ 
dere afademifche Reden, aber ohne praßtifche Bedeutung und 
fteht in diefem Betracht hinter den eigentlichen ftatiftifchen Ar» 
beiten zurüd, durch welche der Verf. fchon vielfach fehr nüg- 
lie Beiträge zur Kenntniß des preußifhen Staats gewährt 
bat und die auch bei der vorliegenden Sammlung den beach⸗ 
tungswertheften Inhalt bilden. 13. 





Kleine wiener Memoiren. Hiftorifche Novellen, Genre: 
feenen, Fresken, Skizzen, Perfönlichkeiten und Säch- 
lichkeiten, Anekdoten und Curiofa, Bifionen und No- 
tizen zur Geſchichte und Charakteriftif Wiens und der 
Wiener in älterer und neuerer Zeit. Don Kranz 
Sräffer. Drei Theile. Wien, Bed. - 1845. 
Gr. 12. 2 Thlr. 22, Nor. 


Im Grunde ift es überflüffig, nach dieſem Titel noch eine 
befonbere Anzeige folgen zu laflen, da er nady ber Weile des 
17. Sahrhunderts fchon ehrlich und vollftändig den ganzen In» 
halt des Buches ausgeplaudert. Indeffen mag doch angeführt 
werden, daß, wenn au nicht Alles, doch der größte Theil 
ded bier Gegebenen bereits in wiener Beitfchriften” mitgetheilt 
war, und da baflelbe zunächft für die Wiener ein befonderes 
Interefle bat, fo gab.der unermüdlidde Sammler den ihm zu: 

etommenen Auffoderungen, die zerftreuten Aufläge gefammelt 
erauszugeben, gern nad. Vieles davon wird auch in weitern 
Kreifen nicht unwilllommen fein. Wir begegnen manchen hi⸗ 
ſtoriſchen Perfönlichkeiten, z. B. Leibniz, St⸗Germain, Gaglioftro, 
Mesmer, Blumauer, Winckelmann, Schlegel, Werner, Beet⸗ 
hoven, Mozart u. A. Die meiſten der Aufſaͤtze find Genre: 
bilder, zum Theil vecht gut ausgeführt, pikant, geiftreich 
aber man Tann nicht immer geiftreich fein, und das Suchen 








vn gi Bann das verfiite Erpekiment ber NManker. Got 
Das Buch), weiches gar viel Werdandts yAHM, die mit im boch 
kein ewiges Romadenichen in der Literatur führen KAnnen, ſoll 
68 irgendwo ganz beſtimmt zu Hauſe gehoͤren, fo wird 88 in 
eräumigen Fache dei „Nippes⸗Literatur“ fein mſffen. 
Die Sachelchen find ausgeſtellt, daß man im Boruͤbergehen wie 
zufaͤllig irgend eins derſelben einmal näher anblickt, dadurch 
an ein vielleicht Vergeſſenes erinnert wird end dann mit einem 
gemuͤthlichen Laͤcheln weiter gebt. 18. 


— — . — · — ⸗ 


Bibliegraphie. 

Amtlleher Bericht über die 23. Verrammlung deutschet 
Naturforsoher und Aerzte in Nürnberg, im Beptember 1845. 
Plerausgegeben von Dr. J. S. Miete und J. S. Ohm. Nürn- 
Berg, Riegel und Wiessner. Gr. 4. 4 Thir. 

Berichte äber die Verhandiimgen der könfgl. sächb. Ge- 
sellschaft der Wissenschaften zu heipeig. Leipzig, Weid- 
zart. Gr. 8. 16 Neger. 

Boecker, F. W. Über eine Urfache des Branntwelinge⸗ 
‚ nuffee. MB Anmerkung gu Liebig's Thierchemie, &. 216 und 

2317, nebft Mitteln ji Befeitigung berfefben, und gerichtlich⸗ 
mediciniſche Beurtbeilung det in der Trunkenheit verübten ge: 
fegrsidrigen Handlungen. Braunfchweig, Vieweg und Sohn. 
®t. 8. 26 Nor. | 
Brand, ©. v., Mittheilungen aus den Papieren eines 
Wiener Arzted. Mit einem Zitellupfer. Leipzig, Vereinsver⸗ 
Mebbuchhandiung 8. 1 Apr. 15 Rge. 

Gfroͤrer, U. F., Allgemeine Kirchengeſchichte. Ater Band. 
Ile Abtheilung: Geſchichte der chriſtlichen Kirche vom Anfange 
a at underts bi gum Beginn des 14. oder von 

— 1305. 


I r. 
GSurowski, A. Graf v., Deutſchland umd die Sechweiz. 
Uus dem Rranzöfifchen. Leipzig, Shomas. 8. I Ihr. 15 Nor. 
Hacklaänder, F. M., Das Soldatenleben im Frieden. 








Ite Auflage. Stuttgart, Krabbe. 8. 10 Rge. 
agen, T., Tiviliſation und Muſik. Leipzig, Jurany. 
8 28%, Nor. 


Dandbuch des Königreichs Böhmen für das Iahr 1846. 
Prag. Er. 8. 3 Thlr. 

Sifahar ben Jitzchak, Ierufalem oder über den Zweck 
der mofaifchen Sefeggebung: Rinteln, Boͤſendahl. 8. 2%, Nor. 

Ingemann, B. &., Königin Margarethe. Hiſtoriſches 
Gedicht in 10 Geſaͤngen. Aus dem Danigen überſetgt von ©. 
DS. G. v. Rumehr. Berlin, Enslin. Sr. 8. 1 XZhle. 

Grangelifche Kirchenlicder aus dem TG. und 17. Jahrhun⸗ 
Bert, „gefammelt von @. Hoppe. Deſſau, Hofbuchdrucketei. 

je. 


Die Kiöfter, deren Urfprung, Gefichte, Regeln, Zucht, 
Sitten, Gepräge und Geheimniſſe. Nach dem Branzöfifgen des 
„ eurine und A. Brot. Tübingen, DOfiander. Gr. 8. I Thlr. 


Laun, U., Poetifche Rachbildungen audlaͤndiſcher Gedichte, 
mit einem Anhang eigner. Bremen, Schünemann. 8. WO Ror. 

deibrock, U., Die beiden Majoratö-derren, oder: Das 
enthuͤllte Berbrechen. ine GBefchichte aus dem legten Biertel 
Dan em Sahrdunderts. Peiprig, Kollmann. 2 Ahir. 

Maffon, M., Ulbertine. Rad dem granzößichen von 
WB Widder Gtuttgart, Hallberger. MI. Thir. 

Rerhaus, ultheiß von Bern. Hürich, Meyer und 
Sr. Gr. N. 18 Nur. ß ü 

Perrar 8, 9, Betermtnifie in Übertragungen feines 
Briefes an Ye NRachwelt und feiner drei Deſpraͤche über die 
Beradtung Tex Welt. Deutſch von 8. Slarus. Mainz, Kir 
ein, Scqchott und Ihielmann. Gr. 18. 16 Kor. 

Risschi, A., Das Kvangeliem Marsisns nad den ka- 


Ifte Abtheilung. Stuttgart, Krabbe. Gr. 8. 


nunluchs Evangelium des Iniese, Mi kritieie Uatam- 
ang, Fü „r, Oylander. Gr. 8. 1 Thale. I Ner. 
 GHlegele, U. v., Sämmtlihe Werke. Hera. 
gegeben von E. Biking, Bier Band. Vermiſchte mr hi 
tiſche Schriften Aer Band: Materri. Bildende Käufe. Zen 
ter. Seipzig, Weldmann. 8. 1 Sr. 
— — Osarres, berites en fi 
Böckiny. Tome Il. Benut-arte. — E-cais Hiteraires 6 or- 
tiques, Hörtture oocldentals. Leipuig, Weiden. 8, | Tik. 
PR a E A., Ptidigten. Leipzig, Engelmann. &.® 


Fais et publiſes par & 


Tagesliteratur. 


Adreſſe der Hoiſteiniſchen Ständeverfammnfung vom 184 
am Se. Mafekät ven König von Dänemark, betreffend die Er 
folge in den Herzogthũmern Schleswig und Hoiſtein. Nehk 
dem offenen Brief Gr. Maj. des Königs von Dänemark ven 
8, Juli 1846, — &. 8. 3 Rer. 

Lenefidemus, ei Abhandlungen: bie Unkirchiiäke 
unferer Beit. — Über die Umtriebe der Obſcuranten in der pr 
teſtantiſchen Kirche. Deſſau, Fritſche. Br. 8. 74 Rear. 

Beitraͤge zur Statiſtik der deutfchen proteſtantiſchen kur 
deskirchen im 3. 18346, Leipzig, Mayer. Gr. 8. 74 Rp. 

De Beſuch. Eine Raturzeihnung vom Berfufler da 
Zraumd. Zugleich ein Seitenſtuͤck zu der Offenbacher Chrik: 
„Die Rasbarn“. Mainz, Kirchheim, Schott und Thielman 

. gr. 


Biedermann, K., Sachſens Landtag 1845/48. I. Ku: 
rakteriſtiken ber beiden Präfidenten v. Cartowig und Bram 
und des Führers der Dppofition Karl Zodt. H. Rüdblid uf 
die Wirfjamkeit des Landtags. Leipzig, Schrey. Gr. 8. 6Rp. 

„Buͤlow⸗Cummeromw, Über die beabfichtigte neue Drye 
nifation der Königl. Bank und die Betheiligung der Pre 
perfonen bei derfelben. Berlin, Beit u. Comp. &r.d. 7, Mt. 

Gemeindewahten in Kigingen. Beitrag zur Geſchichte ii 
Proteſtantismus in Bayern. 2te mit einem Nachtrage vr 
mehrte Auflage. Frankfurt a. M., Dehler. 6 Rgı. 

Gutbier, A., Weihe Bildung wird in unfern Zagm 
von einem Kaufmanne gefordert? und welche Wege fnd ju 
Erlangung derfelben zu verfolgen? Mit befonderer Rutikt 
auf die techniſchen Lehtanftalten im Königreiche Bayern. Re 
chen Bm Gr. 6 Kur. 

einſius, &., Religibſe und politifche Zeitbegrife FR 
Breunde des Fortichritts in Wiſſenſchaft un Leben. Bari 
Betbge. Gr. 8. 15 Rgr. 

Jirſik, J. V., Warum bin ich Kathoiif? in Bat 
der Belehrung an den ſchlichten katholiſchen Thriſten pr 
rung feines Glaubens. Aus dem Böhmifchen überfegt ma #- 
A. Esmaper. Bi . 12 4 Rer. 

atted, W. iſt der Priefter ? digt. Zdber 
th, 6 35, Proigr über ne B 

igfch, ., Predigt über Jacobi 5, 13. De | 
Beſſer. IA, ot ein 


Die gaftalongtfeier in Dresden. 1546. Dresden, Umek 


Gr. 

Ragel, FJ. G., Der Deutſchkatholizismus nach feine ih 
ehung dargeftellt und nad feinem Werthe gewaͤrdigt. (eb 
vftadt, Lindequiſt und Schoͤnrock. 8. 10 Rz. | 

Schmelzkopf, E., Die Iefuitengräuel im Bergen ir 

ropa 6 — ın der Schweiz, mit Hinblick auf das deutſche 3a 
teriand. Braunfhiweig, Rademader. Gr. 8. 5 Kor. 

Walter, &. C, Das Unfüfigmadungs-Gefeg ven 154 

und feine unglücklichen Feigen. An die | 
des nes. Bürzburg, Stabel. . 37 Rot. 
der Religion nothwendig ober weſentlich jeit Il 
dem Munde Jeſu beantivortet —— für * bie 
gen, die un dem religiöfen unferer Atos 4 
men. Eeipgig, Bamıberz, Ge. 8. 6 Sur. 


Werantmortiiier Deraubgeber: Geinzi Wrodpans. — Druf und Berieg von F. U. Beodhans in Beipig 


Blätter 


für. 


literarifce 


Unterhaltung. 





Donnerdtag, 





Germaniend Vöfferftimmen. Sammlung ber deuffhen 


Mundarten in Didtungen, Sagen, Märchen, Bolks⸗ 
fiedern u. f. w. Herausgegeben von Johannes 
Matthias Firmenich. Erfter Band. Berfin, 
Schhlefinger. 1843 — 46. Lex.⸗8. 3 Thlr. 15 Rgr. ) 


Während die beutihe Sprachkarte an allen Eden und 
Enden benagt und ausgezadt wird, im Süden fogar 
über die Alpen herein von ber romanifchen Zunge, im 
Weſten von den romanifirten Gallofranken, im Often 
von den Panflamen, und im Norden felbft von den ſkan⸗ 
dinavifchen Brüdern: find die Deutfchen mannichfaltig 
bemüht, ihre Sprachgrenzen überall aufzufuchen, wenn 
auch nicht feftzuftellen, weil bier weder Markfieine, Hü⸗ 
gl und Pfähle, noch die berben Denkzettel, welche ben 
Jungen dabei eingeprägt werden, Etwas wahren und ab- 
wehren. Ein Blick auf den erften löblichen „Verſuch ei- 
ner deutfchen Sprachkarte“ von K. Bernhardi (1844) 
zeigt nicht nur die Sprachverwirrung im Innern, fon- 
dern auch, wie nach außen die politifchen Grenzen über: 
al die Sprachgrenzen burchkreuzen, und gutgemeinte Wün⸗ 
She naheliegender Ausgleichung drängen fi) auf: wie gern 
würden wir 3. B. unfer Elfaf und Deutfch - Lothringen 
gegen Savoyen und die Wallonen eintaufchen, wie gern 
für die Slawen unfere Brüder an der Oftfee, bie einft 
germanifches Binnenmeer war! Weil foldyes jeboch, nach⸗ 
dem es 1313 — 15 verfchnitten, jegf noch weitausſehend 
if, gedenken wir ber danon unabhängigen Bemühungen 
auf dem nur durch ſich felbft begrenzten und wahrhaft 
wreinenden Sprachgebiete. 

Zu Bernhardi's „Sprachkarte“ und deren Erlaͤute⸗ 
rung fmd feitben manche nähere Beftimmungen und Be: 


richtigungen, befonders gegen Welten und Süden, in ber 


augsburger „Allgemeinen. Zeitung” und von 3. Berg: 
wann in Wien gefommen. Das Deutſch felbft inner- 


halb diefer Grenzen in feinen Mundarten ift bisher faſt 


nur gelegentlich in Neiſebeſchreibungen oder in Wörter 
bühern und Sprachlehren einzelner Randfchaften verzeich- 
net; und fo anfshnlich die Reihe diefer Bücher, und fo 
teeffiiche basunter find (3 DB. von Reinwald,. Schmih, 


”, Bergl. eine frühere Mittheilung, weiche aber nur bie beei 
erſten Lieferungen des Werks beſprach, in Air. ME — 210 d. BI. 
f. Bii. D. Red. 


Stalder, Schmeller), fo lieferten jedoch nur Wenige zu⸗ 
fammenhangende Sprachproben (mie Stafder das „Gleich⸗ 
niß von verlorenen Sohn in allen ſchweiger Mundarten“, 
Reinwald die „Hennebergiſchen Lieder, Schüge die „Hol⸗ 
ſteiner Sprüche und Volksgebräuche“), und dergleichen 
haben wir bisher meift nur in einzelnen Volksliedern und 
Gelegenheitsgedichten oder Sammlungen namhafter Ver 
faffer, die fich der Volksmundart annahmen, felten im 
ungebundener Rede. Zreffliche, zugleich durch dichteri⸗ 
fhen Werth allgemeingüftige Hervorbringungen haben wir 
auch in Diefer Art aufjumeifen, und Jeder erinnert ſich 
hier gern der Namen Hebel, Grübel, Voß, Bornemann; 
ber drei Pfarrer Sackmann, Sattler und Buchner; Arnolb- 
(„Pfingſtmontag“, firadburger Schaufpiel) u. A. Rt 
colai bei feiner vielfeltigen und vielbandigen deutſchen 
Reife, welche die „Zenien“ wenigftens noch im Andenken 
erhalten, hatte es auch auf Sammlung der deutſchen 
Mundarten angelegt, und das ſchwabiſche Wörterbuch von 
Schmid, das hennebergifche von Reinwald und Yulda’s' 
„Allgemeine Idiotikenſammlung“ find als Beilagen zw 
feiner Reifebefhreibung zu betrachten. Als felbfländige® 
Berk diefer Art, nad) Fulda (1788), erſchien X. v. Kleine 
„Deutſches Provinztalwörterbuch” (Bd. 6, 7 der Schrif⸗ 
ten der manheimer Derirtfchen Gefellfehaft, 1792). Etwas 
älter ift der „WVerfuch einer Vereinigung ber Mundarten 
Dentſchlands, als Einfeitung zu einen: vollftändigen dent- 
ſchen Woͤrterbuche“, aus den Hinterlaffenen Schriften des 
Prof. I. S. V. Popowitfc (Wien 1780). Er beſchraͤnkt 
fi) zwar auf Haushaltung und Naturgefchichte, in Bei⸗ 
dem find aber die Mundarten für heimifche Gegenftände 
vorzügfich reich und bildſam, ſodaß Öfen feine Verdeut⸗ 
[hung der gefammten nafturgefchichtlichen Benennungen 
(in ſeiner „Iſis und großen Naturgeſchichte) oft fo tref 
fend und annehmlich durchführen Fonnte. Zu den Samm⸗ 
ungen von Sprachproben gehört vornehmlich auch: das 
vom Stadtbuchdrucker Barth in Breslau mit großen: 
Aufwand ansgeführte „„Monumentam pacis” Breslau 
1818), weiches den Weltfrieden 1813 — 85 in allen er⸗ 
reihbaren Sprachen der Erbe, und zuvörderſt in den al“ 
ten und lebenden deutfchen Mundarten, feiert, und def 
fen Herausgabe ich mit beforgt habe. Nach Adelung's 
„Mithridates“, ber das Baterunfer in 508 Sprachen 
verhieß und den I. S. Vater 191% fortfegte, lleferte die 








„u 


24 * 


fer „Proben deutſcher Volksmundarten“ (Leipzig 181 6). | 


Reichhaltiger ift I. ©. Radlof's auf fämmtliche deutfche 
Mundarten angelegte Sammlung volksmäßiger Überlie- 
ferungen und neuer Hervorbringungen, auch Gefpräde, 


meift Gedichte, in dem „Mufterfaal aller beutfchen Mund- 


arten” (2 Bde, Bonn 1821— 22), welche mit den Deut- 
fhen in Stalien anhebend, durch Ober-, Mittel - und 
Niederdeutfchland hin, auch die neue Mifhung bed Deut- 
hen in Nordamerifa, das ältere Jubendeutfch, die Gau- 
nerfprache und die favoyardifche Verfälſchung aufnimmt. 
Noch näher würde dem neneften Werke gekommen fein, 
obgleich im engern Kreife, wenn‘ Docen’s ſchon 1814 an- 
gekündigte „Ländlihe Muſen“ erfhienen wären, welde 
volksmaͤßige Lieder, Erzählungen und Märchen in allen 
Mundarten des Königreichs Baiern bringen follten. Die 
von Büfhing und mir gefammelten alten und neuen 
Volkslieder mit ihren Sangweifen (1807) waren infon- 
derheit auch auf die Volksmundarten gerichtet, davon im 
„Wunderhorn” (1806) nur Wenig erklingt, und faft alle 
deutfchen Kreife ‚ließen fi) vernehmen, daneben auch flü- 
mändifche und felbft franzöfifche Gefänge. Die vielbän- 
dige „Volksliederſammlung“ von Erlach (1834) ift auch 
in diefer Beziehung nicht genügend, fowie die von 
Kretzſchmer (1835) mehr nur auf die Sangmeifen ge- 
richtet if. In Hinficht der legten fowel als der man- 
nichfaltigen, befonders auch landſchaftlichen Variationen 
ift Die neuefle Sammlung, welde 2. Erd mit W. Ir—⸗ 
mer begann (1838) und allein fortfegte (1841), auch die 
befte, zuverläffigfte, und von Firmenich öfter benugt. Uh— 
land's trefflihe „Sammlung hod) = und niederdeutfcher 
Volkslieder” war noch nicht erfchienen. 


Alle diefe Vorarbeiten überholt nun aber weit die in 


neuer zeitgemäßer Geftalt und Behandlung vorliegende 
Sammlung Firmenidh’s, der fih fhon um die neugrie- 
chiſchen Volkslieder verdient gemacht hat („Neugriechiſche 
Volksgeſänge“, Th. 1). Mit echt vaterländifchem Sinne 
has er ſich wieder der Heimat zugewandt, zunächſt zwar 
der eigentlich deutfchen. Die Beftimmung bes Ganzen zeigt 
eben aber für „Sermaniens Völker” duch diefen, feit Ta⸗ 
citus überlieferten, auch von uns als Gegenfag des Ro- 
manifchen angenommenen und nunmehr auch ſchon, un⸗ 
geachtet der dänifchen und dämifchen Einreden, durchge: 
drungenen Namen, daß die Sammlung zugleich in ähn- 
licher Weiſe die nordifhen Sprachen, das Niederländi- 
fhe und felbft wol das Englifche umfaffen wird, wel: 
ches legte im Schottifchen und in den Volksmundarten 
noch überwiegender germanifch ift als die durch bie ro- 
manifirten Normannen englifirte Schriftfprache. Die Wich⸗ 
tigkeit einer folhen Sammlung für die Gefchichte der 
germanifchen Völker und Stämme überhaupt, und zu- 
naͤchſt für die Gefchichte ihrer Sprachen, ift einleuchtend, 
weil die Sprache noch redet wo die Gefchichte ſchweigt, 
und weil manchmal die Volksmundart allein noch alte 
Wurzelwörter und bedeutende Sprachformen bewahrt. 
Lehrreich ift auch in der Überfülle und Mannichfaltigkeit 
der Mundarten die Gefegmäßigkeit ihrer Geftaltung und 
fonft faft unfenntlichen Verwandlung. Aber nicht allein 


für Gefchichte und Sprachwiſſenſchaft iſt diefe Zufam- 
menftellung wichtig, fondern auch für die gegenfeitige 
Bereicherung und Bildung der allgemeinen Schriftiprade 
fowol wie der einzelnen Mundarten, durch Aneignung 
von Wörtern, Formen und Ausdrüden, und befonders 
durch Übertragung und Nachbildung dazu geeigneter Werke 
der Rede. Die Munbarten find zwar minder Berände 
rungen unterworfen als die Schriftfprache, jedoch haben 
auch fie ihre Schidfale, die beachtenswerth find. Man 
ches ift deshalb auch hier (wie bei Radlof) aus ältern 
Büchern und Mittheilungen zufammengelefen, ja einige 
erlöfhende Mundarten tonnten nur nocd von wenigen 
alten Leuten vernommen werden, und ed war damit bie 
höchfte Zeit. Hauptfächlich jedoch, und mit Recht, if 
der Sammler auf frifhe Mittheilungen der lebenden 
Mundarten geftellt, und dabei kommt ihm wohl zu flat 
ten, daß er haufig an Drt und Stelle felbft die Stm: 
men und Ausſagen abhören fann. 
auch thunlih, eine fo reichhaltige Sammlung Voll 


lieder, Sagen, Märchen, Kegenden, Reimfprüde, Sprüh: 


wörter, Rätbfel, Lieder zu Kinderfpielen, Wolksgebräu: 
chen, Feften u. ſ. w. aufzubringen, welche mitunter noch 
alte mythiſche Anklänge bergen und einestheil® der dr 
henden VBergeffenheit entriffen werben, anderntheils aber 
(3.B. die Kinderlieder, Sprüchworter) inder mannichfaltigen 
Miederholung ihr weitverbreitetes Leben befunden. Dit 
auh hierin, wie in ber Einheit der Sprache bei det 
bunteften Verfchiedenheit, ſich ausdrüdende höhere Ein 
heit des deutfchen Vaterlandes ſtellt ſich in dieſer Arbat 


gleihfam dar wie ein großes reiches Mufiobild, welde 
uralte fagenhafte und bedeutende gefhichtliche Erinnerun 


gen mit dem mannichfaltigften Xeben der Gegenwart ur 
einigt; und zugleich als ein erfreuliches deutſches Sr 
ſammtwerk, an welchem der Unternehmer fo mandt 
freundliche Helfer gefunden, fobaß er, mit 305 Stimm 
beginnend, nunmehr ſchon 451 zahlt, alfo nicht blos von 
den größern bdeutfchen Kreifen, Gauen und Landſchaften, 


Dadurh war ts 





fondern auch von einzelnen Städten und Ortfchaften, die 


man bis dahin Faum dem Namen nad) Fannte, und m 
dur) das Ganze um fo lebendiger wird. 

Die Wanderung geht, umgekehrt wie bei Radloß, mn 
Nordweſten aus und vermweilt zuerft bei ben riefen, dit 
noch fo viel Ureigenthümliches haben, jedoch in der Ep 
che dem Erlöfchen am nächſten fliehen. Das Nordfric: 


ſche auf der Infel Sylt’ hegt allein noch den einft auf 


hochdeutfchen, gothifchen Dualis, und zwar als Dual, 
von welchem im Althochdeutfchen nur noch eine Er 
ift, während die im Oftreichifchen auch noch lebende Zom 


des Dualis zugleich als Plural gebraucht wird, wie in 
der Mundart Altendorf an der Rur (S. 366), von 


Effen (S. 373) und Elberfeld (S. 429). Die Salter 


lieder von Hanfen und die Zifcher - und Babeliet 
der Helgolander vom Schiffshauptmann Heikens malt 


das dortige Leben fehr anſchaulich. Das oftfriefifche Lied 
„Bon den zwei Königskindern“ ift eines von denjenigen, 
welches nicht nur bie verfchiebenen beutfchen Stämme 
und germanifchen Völker, fondern diefe auch mit den ro 





1039 


manifchen und weiter verbindet; Hero und Leander if 
die antife Geſtalt deffelben. Prof. Höfer hat über 30 
Beriationen davon zufemmengebradht. Das Weſtfrie⸗ 
fie fol bei den bolländifchen Mundarten vorfommen; 
und jegt eben find über diefe zwei Hefte als Anſchluß 
an Firmenich's Sammlung erfchienen zu Deventer von 
Halbertsma, der ſich ſchon vielfeitig um das Holländifch« 
Friefiihe alter und neuer Zeit verdient gemacht hat. 
Dertlih bedeutfam ift die ofldenburgifche Sage, wie ein 
hart gefangenes Seeweib entfliehend ein grünes Eiland 
in eine Sandfchelle verwandelt; allgemeiner ift das Lied 
vom Ritte der drei Deren auf den Blodsberg. Goe⸗ 
the'8 „Eritönig” Elingt in der bremer Mundart fehr an- 
frrehend. Die Mundart der fchleswigfchen Angeln, die 
einft mit den Sachfen auszogen und allein England den 
Namen gaben, zeigt noch fehr reines Niederdbeutfh. Das 
fehmarfche Lied (aus Schüge) zählt alle Ortichaften des 
Eilandes auf, jede mit einer treffenden, manchmal dun⸗ 
fein Bezeichnung. In der dithmarfchen Mundatt ift das 
„Leben und Leiden des Blutzeugen Henrik van Zütphen” 
(im 16. Zahrhundert) von Klaus Harms, der noch man⸗ 
ches Trefflihe darin verfaßt hat. Die ältern, zum Theil 
gefhichtlichen Tanzlieder (nach Art der getanzten Helden- 
lieder von den Nibelungen auf ben Zaröern), wie ich fie 
aus Neokorus' „Dithmarſiſchen Zahrbüchern” in „Idunna“ 
1813 aufammengeftellt habe, find vermuthlich noch dort 
lebendig. Die Holfteinifchen Lieder find großentheils faft 
überalU wiederkehrende, wie: bie Wiegenlieder von Abde- 
bar (Storh), vom Lämmden, vom Schaf, von den 
Bänfen im Stroh, Butöfen von Halberftadt; die Blinde: 
kuh⸗ und Abzäbllieder vom Löffel und Kuchenbacken; 
der Ringeltanz. Das Umzugslieb der Kinder zum Som- 
mer mit einem todten Fuchs, oder (am Rhein zu Faſt⸗ 
naht) mit einem Hahn im Korbe (daher etwa die be» 
fannten Sprüchmörter) entfpricht dem altgriechifchen Um⸗ 
zugsliede der Erwachfenen mit einer Krähe in K. Zell's 
„Volksliedern der alten Griechen“ („Ferienſchriften“, 1,72), 
und dem „Alt und neugriechifchen Schmalbenliede” (ebd.63), 
in Fauriel's, W. Muͤller's und Firmenich's „Neugriechi⸗ 
ſchen Volksgeſäͤngen“. Das altgriechiſche Schwalbenlied, 
welches einer der ſieben Weiſen, Kleobulus, bei einer 
Hungersnoth in ſeiner Heimat Rhodus einführte, war in 
der Verdeutſchung von Joh. Prätorius (1676) durch das 
„Wunderhorn” unter die beutfchen Volkslieder gerathen 
(Bd. ı, ©. 115), ift aber in der neuem Ausgabe mit 
Recht ausgelaſſen. Das Lied vom immergrünen Tannen- 
baum ift auch fchlefifh. Hamburg liefert ſchon ein Eifen- 
bahnlied und neben dem Ausdrud des mannicfaltigften 
taufftädtifchen Verkehrs auch den Bürgereid in niederdeut⸗ 
fher Sprache, welche dort noch allen Ständen gemein ift. 
(Die Fortſetzung folgt.) 





Romanliteratur. 
1, Heineih Burkart. Bon Therefe. Braunfchweig, Vieweg. 
ve 8. 2 Kplr. i 


Borliegendes Werk ift ein Kind der Beit, es trägt in ſich 
alle Auf» und Anregungen ded Moments. Kon Allem, was 


die Politit in ihren Scheuern aufgefpeichert und ausgedroſchen 
bat r ber legten Zeit, flogen Spreu und Körner in das ve 
termagazin der Verf., und der Leſer erhält Nachklaͤnge von 
flejiihen Unruhen, communiftifhen Proceffen, mit lichtfreund: 
lichen unten und George Sand'ſchen Zheorien. Saͤhe man 
die Abfiht nicht fo grell hervortreten, fo wäre Alles recht 
ſchoͤn und gut; man fühlt indeß gar zu ſehr heraus, daß die 
Biguren nur als Typen der verfchiedenen Erſcheinungen der 
Zeptheit geſchaffen find, und daß diefen Figuren nur Leben 
eingehaucht wurde, um dem Lefer eine oft angeregte, viel be: 
ſprochene, immer näher rüdende Idee zu veraugenfdeinlichen. 
Diefe Idee ift nun: die Vermiſchung und Verſchmelzung der 
verfhicdenen Stände durch die Ehe. Was die Gräfin von 
dem Handwerker, den jungen Adeligen von dem einfachen Bür: 
germäbchen trennt, wird dem Leſer vorgeführt. Daß bie 
Entwidelung der Intelligenz ben Arbeiter den «höhern Staͤn⸗ 
den näher ruͤckt, ift eine längft bekannte Wahrheit; auch die 
Entwidelung der Intelligenz iſt ed, welche die Vornehmen den 
Seringern zuführt, indem die höchfte Intelligenz die Humani: 
tät ijt. Aus Humanität ftellt Gräfin Konſtanze fih dem Bein: 
rich Burkart, dem Anfchein nah, als feines Gleichen gegen: 
über. Zrog der hohen Bildung feines Verftandes und Der: 
zens, trogdem daß er feine Kafte um Vieles überragt, ficht 
fie in ihm dennoch nur den Handwerker, nicht den Mann, und 
während er fie heiß und bis zum Wahnfinn liebt, begreift fie 
nicht, wie George Sand ihre Heldinnen über die harten Hände, 
die grobe Wäfche, die untergeordnete Erziehung des Handwer⸗ 
kerſtandes hinwegbringen kann. Das Verhältniß ift ganz zeit: 
gemäß durchgeführt, obgleich ſowol Lie Gräfin in ihren geift: 
reihen Ertravaganzen als aud der fo hochgebildete Hand⸗ 
werker mehr Ausnahmen denn Typen ihres Standes darftellen. 
Sie wünfht eine Sternwarte, er rüftet ſolche aus und gibt 
ihre Unterriht in der Aſtronomie. Sie ift verlobt an einen 
Grafen; als diefer indeß durch Gerüchte von dem untergeord- 
neten Anbeter feiner Braut erfährt, fagt er fih los von 
ihr, und die Gefellfchaft, der fie angehört, ftraft fie mit der 
bitterften Verachtung, alle gefelligen Borurtheile waffnen fich 
gegen fie und gegen das Verhaͤltniß. Und doch zeigt der Au: 
tor Beide als auf gleicher Stufe der Bildung —28 in jeder 
Hinſicht außer der ſocialen einander würdig. Heinrich Burkart 
glüht für das Wohl feiner Brüder, er will fie belehren und 
erziehen, er will mit ihnen ein Ganzes bilden, um ihre Rage 
zu verbeffern. Sein Freund und Gchülfe Francois dagegen i 
Sommunift und vergiftet das fchöne Streben des Freundes mit 
falfhen Sophismen, während Jakob Nichts als der fleißige, 
rechtliche Arbeiter ift, welcher arbeitet und nicht nachdenft. 
Diefe Drei find gut gefhildert und können als Eharafterbil: 
ber der Urbeiterclaffe gelten. Weniger zufrieden war Ref. mit 
Alfred, dem die zweite Role im Roman zuertbeilt if. Bon 
Abel und arm, ohne Protection, bat er nad) vollendeten juri- 
ftifhen Studien ſich der Malerei zugewendet, fih in Burkart's 
Schivefter verliebt und mit derfelben verlobt. Da Beide Bein 
Vermögen haben, verlangt Burkart, daß fidh die Liebenden 
trennen, biß Alfred eine fihere Einnahme erworben. Deshalb 
wird Alfred Advocat und führt den Preceß Burkart's als der: 
felbe, des communijtifhen und revolutionnairen Wirkens ange: 
klagt, im Gefängniß figt. Die Vertheidigung gelingt und im» 
mer inniger hängt die Schwefter an dem Befreier; fie zieht 
mit ihrem Bruder in die Schweiz und Alfred fol ihnen fols 
gen; Diefer aber heirathet Konftanzen. Die Heirath felbft ift 
ut motivirt und auf natürliche Weife herbeigeführt. Alfred 
Beate im Anfange eine Abneigung gegen Konftanzen, fie er» 
Ipien ihm in ihrem geiftreihen Streben als unweiblich; ihre 
übermütbige Überlegenpeit drüdte ibn. Seine beſchränkten 
Bermögensumftände wieſen ihm in ihrem Kreiſe und ihr ge» 
genüber eine untergeordnete Stellung an. Bon ber Welt ver: 
Pannt, von der Gefellſchaft ausgeftoßen, unter falſchem Verdacht 
Leidend, wird ihr Sinn gebeugt; daß fehöne, geijtreiche, reiche 
Mädchen erfcheint ihm jegt weiblicher als chemals ; fie, Die 





1040 


fonft umringt von Unbetern war, bedarf jegt einen Befchüger, 
und Alfred wird durch die Verhältniffe ihr als Vertrauter und 
Tröſter zur Seite geftelt. Bald fühlt er fich geliebt — und 
liebend. Mit ihrer Hand empfängt er Reichthum und eine, 
für den Kreis, zu dem feine Geburt ihn berechtigt, gebildete 
Frau. Henriette ift fern, Konftanzens beraufchende Gegenwart 
ibm nahe. Alles fpricht für die Heirath und er heirathet. Bis 
dahin ift er zu entfchuldigen. Er heirathet aber ohne das erfte 
Verhaͤltniß mit der Liebenden Henriette zu löfen, ohne Kon: 
ftanzen von dem beftehenden Verhaͤltniß mit derfelben in Kennt: 
niß zu fegen. Henriette erhält zwei Jahre lang keinen Brief, 
feine —88 zwei Jahre lang martert er das Maͤdchen, 
das ihn ſo treu geliebt, mit Ungewißheit, weil ihm Muth und 
Charakter fehlen, feine Untreue zu geſtehen, das Verhaͤltniß zu 
löfen. Wie kann man diefe Zeigheit ungerügt hingehen laſſen? 
Nach zwei Jahren fährt ein Reifewagen an Burkart's Fabrik 
in der Schweiz vorüber und die Gefchwifter erkennen darin 
Diejenigen, die fie einft geliebt. Burkart ftirbt am gebroche 
nen Herzen und Henriette vergibt dem Zreulojen. Ohne dieſe 
Schlerhtigkeit des jungen Barons, welche hatte vermieden werden 
Tonnen, tft der Roman ein wahres Kunftwerl. In der jchönen 
edeln Sprache der Verf. find manche Scenen mit großer Wär: 
me und Poeſie ausgeführt; fie verfteht die großen Momente 
trefflih darzuftelen und ihre Schilderungen werden zur Ma: 
lerei, fo nahe rüdt fie dem Lefer Räumlichkeiten und Perfonen. 
Er fühlt den Zauber der Iururiöfen Umgebung gleich dem der 
einfachen und anmuthigen; bie aufgeführten Hauptperſonen 
werden ihm lieb und er folgt ihnen gern in ihren verfchiedenen 
Affecten; manche Nebenperfonen find carikirt, und an dieſen 
erſieht man die Abficht des Tendenzromans, wodurch der Lefer 
momentan für die Borgänge erfaltet. Das den Handwerker 
von den höhern Ständen trennende Princip hat die Verf. in» 
deß noch nicht näher bezeichnet — fie zeigt nur, daß noch ein 
gewiffes Etwas eine Schranke bildet —; ob Diefes ein 
Vorurtheil oder ein reelle Dinderniß, darüber bleiben wir in 
Ungewißheit. Iſt es nun die rauhe Hand, welche den Hobel 
oder fonftiges Werkzeug führt? Der breite Rüden, welder 
den Müllerfad trägt oder fonftige Laften hebt? Die mechani⸗ 
[hen Beſchaͤftigungen? Zjt es das. Herumtreiben unter rohen 
Handwerkern in unfchöner Umgebung? Soldaten, Jaͤger, Land⸗ 
wirthe koͤnnen auch nicht immer zarte Hände aufweifen, haben 
auch mechanifche, oft den Geiſt ausfchließende Beichäftigungen; 
doch wird man fid) nie wundern, wenn das gebildete Mädchen 
der böhern Stände dem Offiziere, dem Korfimann, dem Gute: 
befiger die Hand reicht. Die vornehmen und reichen jungen 
Männer treiben fich oft in fchlechter Gefelfchaft umber, in den 
Winkeln der Refidenzen, und die ſchmuzigſten Erfahrungen wer: 
den fein Hinderniß der Ehe; daß der Sandiwerker noch nicht 
mit den andern Ständen auf gleicher Stufe in der Gefellichaft 
fieht, daB dem SHandwerfsftand noch unter, nicht neben 
den andern Ständen der Play angewieſen ift, darin liegt al: 
lein das trennende Princip, welches vielleicht noch diefes Jahr: 
hundert binwegräumen wird. 


3. Ilmhorſt. Eine Skizze aus der Vorzeit Hamburgs von M. 
Norden. Drei Theile. Leipzig, Wienbrad. 13946. 8. 
3 Thlr. 

Ein Hiftorifher Roman, fo anziehend und feffelnd, wie be: 
ren felten erfcheinen, liegt vor uns. Der der Chronik treu 
entlehnte Stoff ift trefflich gehandhabt, um bad Romanintereffe 
damit zu verfhmelzen. Der Streit der Parteien in ber freien 
Stadt Hamburg, die Einmifhung des deutfhen Kaiferd, des 
Königs von Dänemark, die Männer des Volkes mit ihren ver⸗ 
fihiedenartigen Tendenzen, das Volk felbft in feiner blutdür- 
ſtigen Racheluſt, alles Diejes ift in der Erzählung eingewebt. 
Intriguen und Gewaltthaten find dramatiſch und lebendig dar: 
geftellt und geben ein Bild der Zeit und des damaligen Trei⸗ 
bens der Willkür und des Übermuthes. "Weibliche und männ- 
liche Charaktere find in gehöriger Abwechfelung den handeln 


Verantwortlicher Herausgeber : 


Seinurich Wroddaus, — 


den Perſonen verliehen und werben conſequent durchgeführt. 
Der Liebesroman ift fpannend, das Geheimniß der Entwide 
lung bis zulegt dem Leſer vorenthalten. Held und Heldin fm 
ebel dargeftellt, befonderd der Held Adolar iſt mit allen mim: 
lichen Zugenden ausgeftattet. Sein Bruder ift das Princip 
des Böfen, deſſen Intriguen den Lefer in Spannung erhalten. 


‚Vielleicht Pönnte man dem Buche den Vorwurf des allıu großen 


StoffreihthHums machen, was Boch eigentlich kein Fehler if. 


3. Die Schwärmerin. — von Gräfin Tauffkirchen⸗ 
A 


Englburg. Leipzig, Brodhaus. 1846. Gr. 12. 1 Ahr. 
12 Nor. 


Ein hiſtoriſcher Roman voller Leben und Ereigniſſe; m 
fpielt zu Luther's Zeit unter dem Einfluſſe des Bauernkriege 


und der firchlichen Ummälzungen. Der Kurfürft von Sachſen, 


Luther, Graf Mansfeld, der Papſt Hadrian und fein Rad: 

folger Marcel, Hans Heiding und noch mandge andere Man: 

ner aus jener bewegten Zeit werden Fe und hantelnt 
e 


eingeführt. Einzelne Darſtellungen find 
der Leſer ift indeß zweifelhaft, welche von den zwei Fraͤulein 
von See die auf dem Zitelblatte bezeichnete Schwärmerin if. 
Beide find- gleich abenteuerli und unverftändlich, ſowel die 
Eine, welche ald Edelknabe dem Kurfürften von Sachſen dient 
und fih Häufig ohne wirkliche Veranlaſſung auf die Flut ke 
gibt und in allerlei Abenteuer verwidelt, oder Die, welche ba 
als Madonna, bald ald Nonne, bald als Hans Heiding' de: 
nende Magd und als defien Angeberin auftritt, welche bald an 
träumende®, geiftig unentwideltes Gefchöpf ift, bald ale Prepk 
tin erfcheint und die Einheit der Kirche prophegeit. 46. 





Literarifhe Notizen. 


Bibliopoliſches. 
‚Bor Eurgem wurde eine merkwürdige Sammlung von Schau 
ſpielen Shakſpeare's, Lily’, Marlowe's, Naſh's, Pech, 
Beaumont's, Fletcher's u. A., die ſich im Nachlaß eines Pol 


beamten, W. Holgate's, befanden, in England öffentlich verſteigert 


Einige dieſer Schäge beſtanden aus Nichts als drei bis vier Dit: 


teen alten vergilbten Papiers ohne allen Umfchlag oder Einbandi 


trogdem gingen fie zu hohen Preifen ab. So wurde „Die & 
weinenswwürbige und wahre Tragödie von M. Arden von fr 
versham, welcher verruchterweife auf Anfchlag feines until: 
chen und ausſchweifenden Weibes ermordet worden.” (Drut 
vom Jahre 1599) mit 2 Pf. 14 &h. verkauft; die „Tragikomoel* 
der tugendfamen Octavia“, von Samuel Brandon, ein fehr jeltenet 
Eremplar, von W. Ponfonbyn (im 3. 1508 gedruckt) für 13 
Buineen; die „Ergögliche Komödie des alten Kortunatus, =" 
Thomas Dekker, wie fie vor der Königin Majeftät durd ter 
ehrenwerthen Grafen von Nottinghame dieſe Weihnachten ar 
geführt worden” für 6 Pf. 10 Sp. 


Chinefifhe Landkarte. 

Unter den Gegenftänden, welche die franzoͤfiſche Comm 
ion aus China mitgebracht, befindet fi eine die Erde ver 
ftelende Landkarte, welche dee erfte Mandarin in Canton da 
Sommiffion zum Geſchenk gemacht. Der chinefiiche Geoyrap 
bat die Erde auf ganz eigenthümliche Weife behandelt. Ba 
ihm gebt ed weder Landengen noch Halbinfeln; die Landenze 
von Suez ift durch einen herrlichen Meeresarm erfegt, der dit 
Mittelländifche und das Rothe Meer verbindet. Vom Ifthmms ver 
Panama fieht man gleichfalls Nichts und die beiden Meere an kei: 
fen Küften find cbenfo verbunden. Weder Pyrenäen noch Alpen 


erfcheinen auf der Karte, und faum erkennt man Spurin T 


Hochgebirge Amerikas darauf. Dagegen ijt China mit Allen 
fehr freigebig ausgeftattet; denn es nimmt nicht weniger alt 
drei Viertheile des ganzen Erdkreiſes ein. R2. 


Drud und Verlag von F. kt. Brockhans in Leipzig. 


ffefnd und hinreißend; 








”. 
— 


oe. Fr .. 
3 «.. J . t 


Blatter 


fü r | i . u > 


literariſche Unter baltung. 


⸗ 





Freitag, 


= Nr. 


; 
> 





Germaniens Völkerſtimmen. Sammlung der deutſchen 
Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volks⸗ 
liedern u. f. w. Herausgegeben von Iohannes 
Matthias Firmenich. Erſter Ban. 

(Bortfegung aus Nr. 260.) . 
Zu den launigen Grabfchriften in Travemünde und 
übel follten auch die ähnlichen bekannten Grabſchrifter 

Dobberans nicht übergangen fein, unter welchen die Ih- 

beder auf den fdhiefbeinigen Bürgermeifter Kerkering auch 

im Speifefaale des alten Schloffes zu leſen war, laut 

Röper's „Geſchichte von Dobberan“ (&. 166), wo auch 

die übrigen ftehen. Das lübecker Mäthfellied vom Ei 

ft anders als das von Prof. Höfer felbft in England 
nachgewieſene („Germania“, V, 252), überein mit dem 
eendort (VI, 155) ftehenden, aber noch finnreih in 

„Wittenbarch“ verftedt ; es kommt auch anderswo noch 

ander6 wieder. Das Harzmärchen vom Mägdefprung, 

wie ein Niefenmädchen einen Pflüger ſammt Pflug und 

Ochſen als feltfam Gewürm in ihre Schürze padt, lebt 

auch auf der Infel Ufedom, beren Vinetaſage bekannt 

ft. Ein waldedifches Lied (S. 322) läßt die nichtpflü⸗ 
genden Riefen in dem kleinen Pflüger ihren Verbränger 
erkennen; wie eine Harzſage an der ehemaligen Slawen⸗ 

grenze die Zwerge abziehen läßt. Ebendaſelbſt (©. 325) 

werden die Dünen als Zwerge befchrieben, wie beide 

auch in der nordifhen- Sage. wechfeln und mythiſch zu- 
nacht verwandt find. Mügen, mit feinen alten Sagen 
und Dentmälern, bietet das Märchen von den fieben in 
dunte Miufe verwandelten nafchigen Mägblein im Mäu- 
iepfuht bei Yudemin. Ein Stud aus Hinterpommern 

(8.93) ift ein deutliches Beiſpiel, wie fogenannte Volks⸗ 

lieder aus namhaften guten Gedichten verwildern ; es 

iind Nichts als zerriffene und durcheinander geworfene 

Glieder eines folhen Liedes: wie der Sohn des welt— 

läufgen Bauern Hans Vogelneft im Dorfe Pomellen 

ſich auch was verſuchen fol, alsbald zum Soldaten ge 
macht, nach dem Rhein gegen den General Dummerjan 

Dumouriez) geſchickt und lahm gefchoffen wird, wieder 

Rah Haufe hinkt und fih ein Weib nimmt; welches 

Bied ich fchon 1807 in obgedachter Sammlung beutfcher, 

Hamändifcher und frangöfifher Volkslieder nebft ‚der 

Sangweiſe aus wünblicher Überlieferung befaumt ge 

mache gabe. Mir war der flettiner Bürgermeifter Kir- 


flein als Verf. genannt, aber mein Zreund Otto Schul, 
der Schulrath, erinnert fih, noch als Schüler diefes Lied 
von dem Brauer Malbranc zu Stettin, ber es gebichtet 
hatte, auerft in einer Gefellfchaft junger Leute gehört zu 
haben; worauf der Lyceift Schmeling, der ſich fpäter ganz 
der Mufit widmete, die Weife dazu machte. In biefer 
ift es, namentlich in der Ukermark, wo ich ed vernahm, 
noch fo vollſtändig gangbar: wie es denn auch. vorlie- 
gende Sammlung aus ber Neumark liefert (S. 122 
nachdem es ebendaher nochmals ſtückweiſe ‚gegeben if 
(S. 121). Das danziger Plattdeutfch zeigt ſich hier, wie 
e6 zu (Ende des vorigen Jahrhunderts noch faft allge: 
mein herrſchte. Die ältere famländifche Mundart ver 
tritt Simon Dach's „Anke von Tharau“ 1644, welche auch 
in der vorgenannten Sammlung ſteht (Nr. 75), fomwie 
das aus Lithauen (S. 107) gegebene Kinberlicb von 
Puthoöhnken (Nr. 115), das hier nody mannichfaltig wie- 
derfehrt. Von dem preußifchen Erbfenfhmederlich (&. 99) 
liefern jegt eben die „Neuen preußifhen Provinzsalblät- 
ter’ (Heft 1, S. 15) eine vollftändigere Aufnahme in an- 
derer Mundart mit Sangmeile in beiden Liedern er- 
Scheint noch Pokull (Pikollos, Bott her heidnifhen Preu- 
gen) ale Teufel, Ä 


Die neumärkifchen Kinderlieder vom „Peter Kruſe“, 
„Häschen verfint”, „Müller Maler”, „Ritt nad) Moöllen‘ 
And auch in der Ukermark befannt ; ebenfo das Lieb 
von „Goliath- und David“ aus dem Oderbruche, das ich 
mit der Sangweife habe. Beides, Lied und Weiſe, if 
bei gleiches Grundlage bach fehr verfhieden von. dem 
ukermaͤrkiſchen GSoliathsliede in der vorgebadhten Samm⸗ 
lung (Nr. 27). Das mit jeder Strophe wachfende Scherg 
lied aus Freienwalde vom Hausrathe, das etwas anders 
aus Soeft wiederholt wird (&. 346), ift mit Sangmweife 
auch in der Ukermark gangbar. Die aus biefer legten 
Landſchaft gelieferten Stüde (S. 127 fg.) find, außer 
dem Storchliede, mir nicht bekannt. In dem priegnigf 
fchen Liede an den damaligen Kronprinzen, jegigen Ko: 
nig, von K. Witte d. A., ift das Fluſchen der märki⸗ 
fhen Landwehrmänner mit den Gewehrlolben befannt- 
lich erft aus dem legten Befreiungsfriege und bereichexte 
durch Bernadette, den damaligen Kronprinzen von Schwe⸗ 
ben, fogar das franzöftfcge Dictionnaire mit einem flu- 
cher. . Die altmärkifchen Lieder, meiſt von Bornemann, 








mn 
4 4 


4 
beginnen mit einem Preußenliede vom alten Fritz und 


ſchildern lebendig ländliche Sitten. Unter den alten, im 


Jahresmärchen umvergänglich eingewachſenen Gebräuchen 
ift der Maienkönig der Pferdeiungen, der, von Maien 
umtleidet, mit. feinem ſthwarzen Rumpeltnecht. zu Pfing⸗ 
pen umbesgeführt wird, unter Anderm aud in Schlefien: 
efannt und heißt dort der Rauchfis. Im Tecklenburgi⸗ 
fhen trägt er noch eine große Blumenkrone und wird 
mit einem Pfingftlied umbergeführt (S. 359, vergl. 443). 
Die Mundart Berlins, eigentlid ein vornehm gewor⸗ 
denes und verhochbentfehtes Plattdeutſch einer kleinen 
Stadt (mas Berlin noch) ift, obgleich die größte und befte), 


und das felbft in der tollen und Lächerlichen Berderbnif 


feine Regeln hat, ift billig reichlich bedacht, und ber 
durch Beckmann zur wahren Volksmaske geworbene 
Eckenſteher und Sonnenbrüder Nante tritt auch hier auf. 
Sa, wir würnfchten, daß anftatt des Geſpraͤchs aus dem 
„Bunten Berlin” ber weit mehr im Geifte des Stamm⸗ 
Nante fortgedichtete Nante auf der Eifenbahn, in Pots- 
dam und im Luftlager, auf der Weihnachtswanderung, 
tm Kunfteabinet, und feine Darftelungen feheinbarer 
Zauberei, von 8. (Lenz), 1839 — 41, benugt wären, Cines 
der treffendften berliner Stückchen ift auch bie Gloſſe 
des verftorbenen Mobert (der Rahel Bruder) „Eenes 
ſchickt ſich nich vor Alle”. 

Die magdeburger Börde zeigt fih reich an eigen- 
thümlichen Kinder » und Volksreimen, in welche auch 
fhon Moskau, Bonaparte und bie laufenden Franzoſen 
. eingedrungen find. Buköken Tautet hier Moköfen von 
Halberftadt oder Halle, und das Maikäferlied vom ab- 
gebrannten Pommerltand (nicht Pulverland), in Düſſel⸗ 
dorf Bommeland (8. 431). Merfwürdig ift der Bericht 
des Pfarrherrn Dönerth zu Staßfurt 1534 von der 
Beichte des Teufels, der feine Müsge an einem Pfeiler 
der Kirche hangen ließ; Luther gedenkt auch dieſer An⸗ 
fechtung. Das halberſtaͤdtiſche Lied von dem Bauern in 
der Kirche, zwiefach verfaßt und weiterhin (S. 217) auch 
oonabrückiſch, iſt urſprünglich hochdeutſch und daraus 
herzuſtellen. | | 

Unter den braunſchweigiſchen Stücken findet ſich auch 
ein neuer ſcheppeuſtaͤdter Schwank von dem Harmonie⸗ 
Hip (Club). Wir kennen eine trefflihe Ochfencantate 
von dem Pfingftochfen in Braunfhweig. Das göttinger 
Märlein von dem Landfchiffe des Zwerges, worin ber 
Schafhirte mit feinen vier wunderſamen Gefährten die 
Königstochter gewinnt, erinnert an Ddin’s Zwergenſchiff 
Skidoͤladner, an Heimdall's Wunderfräfte und Thor's 

rten, fowie an den Hauptmann Berpfpalter und feine 

efährten in „Zaufendundeite Naht”. Berbunden mit 
dom Popanz fteht es in Buͤſching's „Sagen⸗ und Mär- 
&enfammlung” (1812). Die Wünfhe in dem hildes- 
heimifchen Martinsliede bringt das märkiſche Sterndre- 
berlied, wie das vom Herausgeber verglichene neugriechi⸗ 
ſthe, das rheinpfätzifhe Sommerlied (bei Zell S. 71, 
in meiner Sammlung Nr. 33), das obige rhodifche Um⸗ 
ugslied mit der Krähe am UpoHofefte, und das Bett 
—* ben Homeriſchen Gedichten (Bei Zell S. 83). 


8 


d Sur  .;" . 
4 un . 


og 
Das auch in hilbesheimifcher Mundart gegebene Kinder: 
died „Hänschen ſaß im Schornftein” iſt eines der alle. 
meinften und kehrt in dieſem Bande fchon häufigft wieder. 
Die Spottlieder auf die Franzoſen bei Minden find noch 


"aus dem Siehenjährigen Kriege; und dabei if cin fofl 
ebenſo graßer Reichtum an deutſchen Wörtern für Schle- 
gen aufgezählt wie Kichtenberg für Betrunkenſein zufam- 


mengeftellt hat (vergl. S. 360): auf das Legte folgt ja 
gemeiniglich auch das Erſte, und mit Beiden ficht im in- 
nigen Bunde der nicht minder große Reichthum an deut: 


fen. Ausdrüden für Tönen, Toben und Toſen. Da 


neben fteht, als feltene Blume, noch ein echtes Minnelie: 


„Rinne mine Binne!” Die von eigenthümlicd nieter: 


deutſchem Humor überfliegenden Reden des Prediget 


Sackmann zu Limmer bei Hanover find kürzlich (Ic 


1840) in der vierten Ausgabe, mit feinem Bildniß und 


Nachrichten von feinem Leben (ft. 1718), erſchienen, in 
welcher auch bie vier hier mitgetheilten Stücke fichen. 
Bei Celle wird erzählt, wie ein Schäfer vom Zeuftl, 
den er Nachts im Walde durch eine Egge fieht, nur für 
ein fchwarzes Schaf loskommen kann. Der grumdloit 
Kolk auf der lüneburger Haide, aus welchem ein Mer: 
weib verkündet: wenn man nochmals verfuche ihn zu a— 
gründen, werde der gelbe Hahn (fonft rorhe —— ſo 
viel wie Feuer) über Frilingen und Soltau kraͤhen, if 
der Harzſage vom Grundlos verwandt (bei Otmar 1800) 
wo drei Hähne das Verſinken der Raubritterburg vr: 
künden; wie drei rothe Hähne (Fialar und Golbfımm) 
mit der nordiſchen Götterdämmerung den Weltbrand un 
das Verſinken der Erde ankündigen. Die lüneburgifhe 
alte Dorffitte, durch einen von Haus zu Haus getrage 
nen Stock zuſammenzurufen (mie im Norden durch cinm 
Pfeit zum GStreite), befteht auch noch in der: Ulermurl. 
Die Sage vom Waͤrwolf zu Sittenfen läßt die Verwant: 
lung durch einen Ledergürtel mit Eifenfchnalle vorgehen 
(vergl. &. 332), wie die „Bolfunga - Saga” durd Ein 
fahren in: Wolfsbälge. Ergötzlich ift ebendaſelbſt ta 
Wettlauf des Hafen mit dem Schmweinigel. | 
Unter den Butjadingerliedern des Bauern Jansen 
(fi. 1739) ermahnt ein Hochzeitlied, dem Tode, ats dm 
Mäher der Menfchenfaat, entgegenzwarbeiten und mit 
Goldſchmieds Junge (in dem halb niederbeutfchen Et 
dentenliede) zu denken. Die oldenburger Kirchſpielliche 
von Wefterfted und Apen find ganz wie das obgedacht 
fehmarfche Lied und nennen bebdeutfam alle Ortſchaften 
der Kirchfpiele. Der erfte der oldenburgifcyen Volksreim 
iſt nur der Anfang eines mannichfaltig vorkommen 
Lügenliedes; und unter den Kinderfpieltiedern iſt ein Crüe 
aus der verfehrten Welt, worin Thiere den Menidm 


vertreten. Die Sprüchwörter beziehen fich größtentheil 


auf eine darin amgebeutete Weichichte. Dem oldenbug! 
fen (noch ſtark friſiſchen) Satetland und Kreife Beat 
find die Fenflerlieder eigen, die zu Liebchens Kämmerl 


führen, wenn nicht der unredhte, Liebhaber derb abgefen 
ftert wird. Die osnabrädifche Übertragung „Schon Re 


famonb” von Broxtermann, ans Berey's Reliques“, zeig 
wie leicht das Nicderbeutfche ſich den zunächſt verwank 








&. 
:B0@63 


ten engli und ſchottiſchen, ſowie daͤniſchen und ſchwe⸗ 
diſchen Romanzenreichthum aneignen könnte. In bie- 
fer Mundart hat F. W. Lyra einige neue ſcheppenſtäd⸗ 
ter Streihe gedichte. Merkwürdig ift die Sage vom 
Zeufelsbade bei Minden, wo einem Pfaffen der von ihm 
geleugnete Teufel ſich fühlbar macht und im Wegfliegen von 
diefem „DO Woudan! Woudan!“ ‘gerufen wird (&, 257). 


Diefelbe Sage wird (&. 259) in fhaumbürgifcher Mund». 
art wiederholt. (Im beiden fteht „mundſpeuken“ für ſpre⸗ 


dien, speak.) | Ä 

Nüdrend iſt das treuherzige Schreiben der Weftfalen 
an König Friedrich Wilhelm III., als er fie 1807 der 
Unterthanenpfliyt entbinden mußte. Das Lied von Her- 
mann und der Varusfchlacht, deffen Anfang auch in ber 
ſchaumburgiſchen Sage vom Teufelsbade vorfemmt, ift 
gewiß nicht viel älter, obſchon fehr verbreitet (&. 310). 
Das Licd vom Falkenftein, d. i. von der Gefangenfchaft 
des Herzogs Heinrich von Braunfchweig auf Falkenburg 
im Zeutoburgerwalde durch Bernhard zur Lippe, umd 
von der Austöfung durch feine Gemahlin 14065 ift eines 
der alteften gefchichtlichen Lieder, die fic) noch im Munde 
des Volkes erhalten; und nachdem ſchon 1755 dag „Deut: 
[he Muſeum“ es in .niederdeutfcher, der braunfchweigi- 
(hen nähern Mundart vom 9. 1737, mit Erläuterungen 
von Gloftermeyer, aufgenommen (wiederholt in Weddi— 
gen's „Weſtfäliſchem Magazin’, 1786; das Lied dann 
uh im „Wunderhorn” und bei Uhland, der noch cine 
Et. gallee Papierhandfchrift und einen nümberger Drud 
von Runegund Hergotin, um 1530, anführt) : ift es hier 
in der Umgegend der zerftörten Falkenburg vom Küfter 
Ötolte aufgezeichnet, und faft nur dur bie lippiſche 
Mundart abweichend; ſowie die nochmalige Wicderholung 
(E.232) aus Steinhagen, nach Erf, der mit der Sang⸗ 
weiſe auch noch eine hochdeutfche Lesart, nach Herder 
(1778) und Simrock (1837), aus der Taunusgegend, 
liefert. Diefes bei Herder aus mündlicher lberliefe- 
rung von Goethe im Elſaß aufgenommene Lied (mie 
jegt die von Schöll herausgegebenen „Briefe Goethe's“, 
S. 124, entdecken) faßt den gemeinfamen Stoff ſchon 
algemeiner. Ganz verfchieden von beiden, obſchon an- 
fangs zum legten ftimmend, ift das oberbeutfche Lied von 
„Kaliogus Heren von Falkenſtein“ im 3%. 1200, welches 
der Freiherr v. Hoheneck auf einer Mauer der Burg Fal- 
!enftein las und in feiner „Befchreibung der Stände ob 
dee Ens“ (11, 225; II, 156) mittheilt. Im Lippifchen 
wechſelt das Wiegenlied „Bukeusken von Halberftadt” mit 
„Bremen“. 
we ABC + Lied von der Kage im Schnee find auch 
kermäarlifh. (Der Ausruf Fittela, koölniſch Fiediga, ift 
och wol Fi dich an! vom alten fian haffen, verabfchenen, 
aher fiant, Feind, das Particip - Subftantiv.) Ein Lied 
ı abmwechfelnd hochdeutſchen Strophen ift eigentlich in 
(ferandrinern. Der Spruch: „Wer früh auffteht, fein 
zeld verzehrt: wer lange fhläft, den Gott ernährt”, 
nd das Volkslied: „Stripp, firapp, ſtrull!“ find auch 
Iermärkifch. (Zeuben, harren, plattdeutfch tömen, ift das 
jothiſche taujan, alt» und mittelhochdeutfh zouwen, be- 


Das Kinderlied „Johann, fpann an”, und 


harrlich, angelegen betreiben; borgiſch und Kiniſch noch hoch⸗ 
deutfch eingemiſcht „am dich“, eile dich, S. 442, 477). 
Meben der bielefelder Sage von den beiden Wiefen, die 


andy bei Paderborn (S. 302) und Wattenſcheid (5. 373) 
‚haufen, und von benen der ravenaberger Rieſe den Sand 


aus feinen Holzſchuhen ſchuͤttet, fodaß die Hünenburg mit 
dem Sandſteinbruch entfteht, findet fich die Sage von 
dem Zwerg in der Höhle bei Bradhwede, der den Bauern 
die Räder beſchlug, und was fie fonft dorthin brachten, 
am Morgen fertig abholen lief, wofuͤr fie ihm ein klei⸗ 
nes Stück Geld hinlegten: umd Dies ift, nur olme Na⸗ 
men, völlig die Wielandfage, wie fie noch in England 
lebt, an der Waylandshöhle, einem Hünengrabe in Berk- 
ſhire, Haftend, und aus W. Scott's, Kenilworth“ bekannt 
iſt. Die deutfche Wielandſage (in der Wiltina- und Nif- 
Imgafaga) läßt auch den Miefenfohn Wieland in der 

Zwergenfchmiebe bei der Weſer lernen. Die Burg Bab⸗ 
belünie bei Lübbeke im Navensbergifchen, in deren Trüm⸗ 
mern ein Venediger den von Zwergen gehüteten Schatz 
heben wollte, erinnert an die Burg Babilonia am Rheine, 
wo Dietrich, auf der Heimfahrt nach Bern aus der „Ni⸗ 
belungen » Noth“, angerannt wird, laut derfelben Gaga 
(Cap. 373). Sonderbar ift die warendorfer Märe von 
der Nachtigall und der Blindfchleiche, die zufammen ge 
wohnt und jedes nur Ein Auge gehabt, bis die Nachtigall 
ſich das Auge der Schlange. geborgt und es Eehalten, und 
nım damit auf der Linde niſtet, an welcher die blinde 
Schlange lauert. Kaum ift dabei an die nordifche Mythe 
zu denken, wie Odin fein eines Auge beim weifen Mi- 
mir verfegt und ftehen läßt. Gin Lied der münfterifchen 
Bänkelfänger Flör (der unlängft verfiorben) und Köftere 
fingt zu einem Bilde den Schildbürgerfehmanf vom Brun⸗ 
nenfteigen von ben bedumer Bürgern.  Cbendafelbft 
wird ein Eufenfpiegelftreih erzählt. Won den münffteri- 
fhen Liedern zum Lambertusfefte, deren hier nur eine 
fteht (S. 289), gibt e8 eine Sammlung zu mancherlei 
Spielen: „Münſteriſche Geſchichten, Sagen und Legenden, 
nebft einem Anhange von Volksliedern und Sprüchwör⸗ 
tern” (Münfter 1925), großentheils in der Volksmundart. 
Der Ammann mit dem großen Zimphot (Eckhut mit 
drei Eden) und grünem Rode, der, vom Teufel geholt, 
felbft auf dem Hellwege fpuft, gleicht dem höllifchen Jun⸗ 
fer Grünhut in andern Sagen. (Das Beiwort ſchmäch⸗ 
tig, im naächſten Sinne gierig, hungerig, läßt auch das 
„Käglein ſchmächtig“ im „Fauſt“ fo verftehen.) Laut ei⸗ 
ner Legende führte der heilige Lüdger ſchon bie Stall- 
fütterung ein. Die paderbornifche ungetaufte Glocke, wel⸗ 
che vom Rothwamms angefchnäust und Satanas getauft, 
an feinem Namenstage drei Tage bis Mitternacht läutet 
und aus dem Schallloch in den Glodenpfuhl fliegt, wo 
fie 1000 Jahre fo fortläutet, ift das Gegenflüd zu der 
münfterifhen Sage von ber in einem ftillen Zeiche ver- 
funfenen Kapelle, deren Glöcklein noch heraufklingt. Das 
im „Fauſt“ fo bedeutfame Märchen von Marleneten, wel⸗ 
ches der Maler O. Runge zuerft in feiner pommerfchen 
(nicht hHamburgifchen) Mundart aufzeichnete („Einſiedler⸗ 
zeitung”, 1808,.Nr. 29, und feine „Schriften“, 1841, 


in 








W@b. 1, S. 424), ſteht hier in der. Mundart von Hesfiele 
(dem Kavelingifchen Heriftal) im Hörterſchen. (Heifter, 
Tichbaͤumchen im waldedifchen Uppland, ift doch wel aus 
b-eiks-ter zu deuten?) Das waldeifhe Märchen vom grü⸗ 


nen Hafen, fiebentöpfigen Riefen, von den Zweimeilenſchuhen 


und Dreimeitenftiefeln u. f. w. ſcheint neueres Flickwerk. 
Daß die Tropffteinhähle zu Velmede die Wohnung der 
Goͤttin Velleda gewefen, ift ebenfalls fehr neue Herlei⸗ 
tung. Dagegen fchrint die madebachiſche Sage von der 
nedwünfchten weißen Frau des Schloßberges bei dem 
Schage, deſſen Schlüffel eine Schlange im Munde hält, 
alterthümlicher, und wird fonft auch von Soeft erzählt, 
wo, laut der „Niflunga- Saga”, Chriemhild ihren, Ni- 
belüngen-Hort zurückfodert, bei welchem die dänifchen Lie- 
der fie verfperren laffen. Der ewige Jäger in der Mund- 
art von Ermitte nähert ſich infofern dem Bürger’fchen, 
als von zwei Zägern eines Herrn der eine in die Früh— 
meffe („Uchte“, Morgen, daher das berner Uechtland) geht, 
während. der andere ſich vermißt, bis zum Jüngſten Zage 
zu jagen. Das von den obgedadhten Goliathsliedern ganz 
verfchiedene Lied zu Lippſtadt läßt den Riefen Hochdeutſch 
reben. Aus Soeft ift das Umzugslied der Kinder am St. 
Deterstage (21. Febr.) mit Anklopfen gefungen: „Her⸗ 
aus, Sonnenvogel, und ale Mäufe, zum Heil im Haufe! 
und enthält auch ein alted mit dem Heiligentalender verbun- 
denes Frühlingsfel. Der obgebachte Hellweg, wie bie 
Ebene zwiſchen der Hardt und Lippe bei Werl und Unna 
beißt und bis an die Burg von Soeſt geht, ift völlig der 


nordifche Hel-weg, Weg zur Zodesgöttin Hel (entſtellt 


Hölle), welchen Brunhild zu Siegfried fuhr (vergl. „Nor: 
nagefts - Saga’ in meiner Verdeutfchung, ©. 155). Das 
arnebergifche Kinderlied beim Abftopfen ber Pfeifen aus 
Meidenrinde (auch elberfeldifh, S. 126, 442) lautet in 
der Ukermark ganz anders. Die tragifche Slodenfage 
von Attendorn fteht Hochdeutich in der „Einfiedlerzeitung”, 
Nr. 20, mit ähnlichen Slodenfagen. Die Legende vom 
heiligen Ludger zu Wenigern an der Rur, wie ein Wan- 
berjude den Teufel von der Reiſe zu dem Heiligen ab- 
fhredt, indem er ihm die abgelaufenen, zum Handel ge 
kauften Schuhe zeigt, welche er auf dem Wege dorther 
verfchliffen habe, miederholt fich in der „Nornagefts-Saga” 
(S. 164), wo Ragnar Lodbrok's Söhne durdy die abge- 
laufenen Eiſenſchuhe eines Pilgers fo auf der Heerfahrt 
nad) Rom gehemmt werden. Merkivürdig ift die Sage 
von ben weißen Weibern in ber Berghöhle zu Riemke 
bei Bodum. 
(Die Fortfegung folgt.) 





Zur polnifhen Literatur. 


I. Powstanie T. Kosciuszki zpisın autentycznych sekretnych. 
Pofen 1846. 

Eine Sammlung biftorifher Materialien über den polni- 
ſchen Aufftand unter Koſciuszko im 3. 1794, die bisher noch 
nicht veröffentlicht worden find. Großentheils find es ruffifche 
und preußifhe Eorrefpondenzen und Berichte, die von den Po⸗ 
len damals aufgefangen wurden. Unterm 9. April 1794 fchreibt 


‚der vuffiüge General Baron Igi 





Igiröm aus Varſchau an Ba: 
borodfej, indem ex den Aufftand Koſciuszko's in —X 
det: „Um Gottes willen bitte ih, die Sache nicht für cn 
Kleinigkeit anzufehen ; fie muß noch vor dem Beginn der Feind 


ſeligkeiten mit den Tuͤrken beendigt fein. Wenn Soltykow mit 


dem Heere einrüdte, würbe wol Alles unterdrüdt werde; 
Suwarow Pönnte feinen Play einnehmen, und ich flehe dafür, 
daß Dies in zwei Monaten gefchehen if. Auf Die Preußen um 
Oſtreicher fann man fih ganz und gar nicht verlaflen; Sek 
weiß, wie ihre große Macht gefchwunden ift. Die Preußen 
find nicht mehe was fie unter Friedrich Il. waren; jet wagen 
fie Riemanden anzugreifen. Ihre Bataillone find nur 200 m 
die Schwadron SU Mann ftarl. Denken Sie fich meine Lage 
jeden Augenblid bin ih von Feinden und &pionen umgebe, 
nirgend finde ich Beiftand, noch Verbündete, noch auch Rii 
tair unferer KRaiferin, das mwenigftens den Brand eines Baur 
aufftandes von unfern Grenzen abzuhalten im Stande wart. 
Denfen Sie an mi und handeln Sie zum Wohle des Bater: 
landes.“ Der preußifche Minifterrefident von Golg in Peteri- 
burg fchreibt dagegen an den König von Preußen: „Die Rad 
rihten von den unglüdlichen Ereigniflen in Warfchau find turd 
einen Courrier Igielſtrom's felbft beftätigt worden. Dieſer &: 
neral ſcheint feldit viel Schuld zu haben; daher hat die Ki 
ferin dem Fürften Repnin befobhlen, den Oberbefehl in Yeur 
zu PR aurer und mit der ganzen militairifchen Made, dx 
ſich in Liefland befindet, in Polen einzurüden.” Die Ani 
der bier mitgetheilten Actenftüde und Briefe beläuft ſich in 
Ganzen auf mehr ald SU; neben den ruffifchen Berichten un 
Verfügungen der Befehlshaber, in denen kluge Schonung di 
polnifchen Landvolkes wiederholt anempfohlen wird, finden ſit 
auch Briefe und Proclamationen Koſciuszko's, insbefondere die 
jenigen, welche Derfelbe zur Beförderung des Aufftandes ın ! 
thauen erlaſſen Kat, und die bisher noch unbekannt geweſe 
find. So wedt die Sammlung mannichfaches Intereſſe. 


2. Wiadysinwa IV., Krola Polskiego Listy. Zebrat in 
Grabowski. Krakau IS45. 


Iſt eine ähnliche, aber bedeutendere Sammlung hiſtoriſcher 
Materialien aus früherer Zeit, dexen Herausgeber ſchon mi: 
forgfältige Sammlungen der Art aus polnifchen Ardiven mi 
Bibliotheken veröffentliht hat. Die vorliegende enthalt ki 
Keihe von faft 300 Briefen des pelnifhen Könige But 
ſlaw IV. Waſa, welche nach einem in der Kanzlei dieſes K 
nigs niedergefchriebenen Brouillon bier mitgetheilt werden um 
die an die erften Staatemaͤnner Polens gerichtet geweſen net 
Sie umfaffen die Jahre 1634— 36. Größtentheils betreffen K 
die wichtigften Staatsangelegenheiten der Zeit, insbefondere die 
in jene Jahre des Dreißigjährigen Krieges fallenden langeıt' 
gen Verhandlungen zwifchen Polen und Schweden, deren durd 
Vermittelung Frankreichs und Englands berbeigeführte mi 
licher Erfolg der Vertrag von Stumsdorf war, nad meiden 
die Schweden den Polen die preußiſchen Städte wieder hetaub 
gaben, während der Kuijer den pelnifhen König eben zun 
Kriege gegen die Schweden zu reizen ſuchte. Manche der Kr 
bandlungen betreffen das einzige Schiff, welches den Polen “t 
ihrer Flotte damals noch übrig geblieben -war und melde 
merfwürdigermweife wie das erſte preußifche Schiff unferer I 
„Der ſchwaͤrze Adler” hieß. Die Schweden hatten dieſes SC 
im Hafen von Danzig Pa: genommen, lieferten es akt 
nachher wieder aus. Die Briefe gewähren außerdem mandır 
Bi in die ganze Regierungsweife ded ebenfo tüchtigen, yuk 
vollen als edelmüthigen Königs; fie zeigen, wie Derfelbe ab 
auf das Einzelnfte Acht hatte, wie er Bräftig und vorſorgub 
feine Unterthanen von den unbillen des Adeis zu ſchützen fuhr 
und wie er jeder Unordnung im Staate zu fleuern bemüht mir. 
Daher war die nach feinem Tode unaufhaltſam hereinbrehent: 
Auflöfung des Staats nicht König Wladyſlaw's Schult. — 


Berantwortlicher Herausgeber: Seinrich Wrodjans. — Druck und Verlag don F. X. Drockhbaus in Leipzig. 


Blätter 


iterarifhe Unterhaltung. 





Sonnabenb, 


— Kr, 262, — — 


19. September 1846. 





Sermaniens Völferflimmen. Sammlung ber deutſchen 
Nundarten in Dichtungen, Sagen, Maͤrchen, Volle: 
Hedern u. f. w. Serausgegeben von Johannes 
Matthias Firmenich. Erfter Band, 

(Lortfegung aus Rr. 281.) 

Das Becker'ſche Rheinlied, das den rechten Klang 
wur rechten Zeit traf und bier in ?refeldifcher Übertra- 
gung und in elberfeldifcher und oberthaler Nachbildung 
ſteht (S. 444), bat auch Widerhall in Weſel gefunden, 
ſowie zu Dingden in Bezug auf bie Yſſel, ald einen 
Ausflug des mächtigen Rheins, welchen uns die Hollän- 
der gleichwol in den Sand verrinnen laffen. Das rüh⸗ 
iude Andenken ber in feinen überftrömenden Fluten ver- 
funtenen Johanna Sebus (1809), welche Goethe mit 
delter verewigt und Napoleon durch ein- Denkmal geehrt 
haben, bewahrt auch ihre kleviſche Mundart. In dieſer 
Mundart erfcheint auch das Märchen von dem Fiſcher 
und feinee Frau Ilſebil (hier „Dillebill”) , welches der 
Maler Runge aus Wolgaſt auffchrieb und ich aus def 
fen Rittheitung in Büſching's „Volkeſagen“ (Mr. 58) 
gab, wie es jegt in Nunge's „Schriften“ (3b. 1, &. 430) 
feht, mit dem obigen Mahandelbom. Das Elenifche 
Märchen ift kürzer und in einzelnen Zügen und Reimen 
anders, alfo wol nicht nachgebilder: der Butt ift hier ein 
unbeſtimmter Fiſch, jedoch weift auch das Ganze auf die 
See, fonft könnte man den freilich auch märchenhaft 
verftändlichen Pißpott auf Pisport an der Mofel deuten. 
Der Anruf „Zimpetee” (kleviſch Zimpientee) ift etwa 
gebildet wie der obige Zimphut. Im einem krefeldi⸗ 
(hen Märchen wird ein ähnlicher wunderthätiger Fiſch 
‚Zimpatee” angerufen (&. 400). Eine neuere Romanze 
ingt die in Kleve heimiſche Gefchichtsfage vem Schwa⸗ 
nenritter, welcher auf bie verhängnißvolle Frage wieder 
erfhrwindet, und dem die trauernde Gattin nachfchmut 
is zum jüngftlen Morgenroth und fo, laut der Molke: 
ige, als weiße Frau auf dem Schwanenthurme zu Kleve 
auft, und erfcheint daher auch, wann Jemand ihres 
Stammes fterben foll, bei dem allein noch blühenden. 
weige beffelben auf dem berfiner Schloffe. Das Ab- 
ihllied der Kinder, das auffodert, mit nach bem zuge- 
Hoffenen Gngelland zu fahren und aud elberfeldiſch 
S. 4236) und in Siegen (&. 520) fo lautet, ficht in 
kinee mehrgedachten Sammlung ukermaͤrkiſch. Gigen- 
Jimi iſt das Lied zum eigen der größern Kinder 


dige echte Homanze. 


"Bauern lautet bei uns etwas anders, 


um ben Maienbaum, wo ber Pater fih eine Nonne 
wählt, die mach feche Küſſen fich einen andern Pater 
kieſet u. ſ. w. („koſt, S. 386, noch kürzer ‚off, G. 380, für 
konnte, weiſt noch auf das alte Lonsta). Die Mundart 
von Diestaten erzähle vom Biſchof Hatto und bem 
Mäufetjurme bei Bingen. Bas menfifhe Bolkslicd 
von Hans Pitterfen ift eine, wie es ſcheint, unvollſtaͤn⸗ 
Die eiberfeldifche Wiederholung 
(8.395) ift theils noch mangelhafter, theild zum Schluffe 
vermehrt. Das Kinderlied vom Reiten ber Herren und 
An dem Kinder 
liebe von dem Kanoͤnneken (Kanoniffin) iſt der Kehrreim 
Omen domen dis wol In nomine domini dei, wie „Nu-⸗ 
mer dumer Amen’ des flreitbaren Mönche Ilfan im Ro-- 
fengarten in Worms. Die Erzählung, wie der Graf 
Fig von Meurs (fl. 1409) ein hübſches Stüͤck Land; 
noch Schlopfamp genannt, bei einer ſchoͤnen Ronne ver 
fHläft, erinnert an Kahedin's Schlaf im Triflan. Un- 
ter der anfehnlichen Zahl (436) Sprüchwoͤrter finden fi 
eigene treffende: „Es ift kein Brot, das man find't, ſon⸗ 
dern das man gewinnt; man fell fich nicht eher auszie⸗ 
ben, als bis man zu Bette geht; ein voller Mund 
ſpricht feines Herzens Grund.” Der Reimfprud) Nr.257 
ift eine fpöttifche Beränderung des bekannten niederlaͤn⸗ 
difchen Volksliedes „Wilhelmus van Nassouwe ben ek: 
van Duytschen bloed”, deſſen beide folgende Zeilen ich 
in Holland alfo fingen hörte: „Den eihogen dor de 
mouwen, den kop al dor den hoed.“ @in Lied der 
Sreiherrfchaft Hardenberg enthält ein Tächerliche® Geſpraͤch 
mit einem franzöfiihen Soldaten. Aus dem Elberfelbi⸗ 
fhen fleht bier mehrfältig, dann auch aus Düffedorf 
(S. 432), Heinsberg (5. 486) und Koblenz (&. 5925), 
das Martinslied, welches die Kinder am Vorabend des 
Martinsfeftes, mit ausgehöhlten und erleuchteten Kür 
biffen auf Stangen umberziehend,, fingen und Gaben 
einfodern. Das Kinderlied zum Rathen der aufgehobe 
nen Finger fautet bei ums abweichend, das Sportlich 
auf die Mädchen aber ebenfo. Eigenthümlich iſt die lu⸗ 
ſtige Schneiberromanze von ben Faltenrod des Bauern. 
Nicht fo gut Mingt Goethe's „Was hör ich draußen vor 
dem Thor” in ber plattſpaßigen Herunterfegung für die 
Dorfſchenke. „Lott' is dot”, das fo recht berliniſch aus 
ſieht, ſcheint jedoch in Düffeldorf auch heimiſch. Im 
Volksmaͤrchen vom Schmied zu Bielefeld überliſtet die ⸗ 








‚ 1946 


 ; . 
fee den dummen Teufel, bem er ſich verfchrieben hat, 


auf aͤhnliche Weiſe wie Tieck's geftiefelter Kater den 
Dopanz, daß er zulegt in einen Beutel kriecht und da⸗ 
rin gehämmert wird, bis er bie Handſchrift herausgibt. 


Herzog Johann Wilhelni II. von Dirffeldorf verurtheilt 


feine fchuldlofe Gemahlin Jakobe, auf Anftiften feiner 
böfen Schwefter Sybilla (1595), bie, laut der Volks⸗ 
fage, noch in den Trümmern des Schloffes Nachts ohne 
Kopf umgeht. Das Gedicht, in Alerandrinern, iſt neu, 
wie das, jedoch mehr vollsmäßige, kurze Lied von ber 
ähnlichen Geſchichte der heiligen‘ Genoveva. Das oder- 


tthaler Lied zum Bohnenfeft am Dreikönigsabend ift neu, 


das Spiel jedoch in Deutfchland auch herkömmlich, wie 
das alte Bohnenlied bezeugt. | 
Die Mundart Kölns, der Vaterſtadt des Sammlers, 
verdiente auch ohnedies bie ihr eingeräumte breite Stelle, 
als eigenthümliche Miſchung des Niederbeutfchen, welche 
etwa von Düffeldorf bis Koblenz reiht, und Dergleihen 
uns ſchon alte niederrheinifche Sprachdentmale, nament- 
lich mehre Gedichte des 12. Jahrhunderts, zeigen, fowie 
fpätere Abfchriften von andern: eine Mifchung, Die zwar 
nicht das Befte beider Hauptmundarten enthält, wie man 
fonft mit Adelung für das eingebildete Hochdeutſch an- 
ſprach, welche jedoch durch bie jegt wieder zu ber alten 
Mächtigkeit aufftrebende Nbeinkönigsftadt bedeutend ge- 
nug war und if. In den Vorbemerkungen über Die 
Schreibung und Ausſprache verftehe ich nicht, wenn ein 
vierfaches koͤlniſches o bezeichnet wird: 6 wie im Hoch⸗ 
deutfchen Sohn; o mie in Mond; oo wie in Moor; oh 
wie in Rohr: weil in allen vier Wörtern jegt ein glei- 
ches langes o lautet, deſſen verfchiedene Schreibung 
jene auch gleihbedeutend iſt. Und ebenfo verhält es 
fi mit den zmwifhen aa und ah ( Saal, Bahn), ee 
und ch (Klee, Lehm), ie und ih (Stier, Bier) 
und allen entfprechenden Umlauten gemachten Unter» 
fHeidungen. Die Darftelung in den mannidfaltigen, 
alten und neuen, gereimten und ungereimten fölner Stü- 
den, die Mifhung von Gemüthlichkeit und Schalkheit, 
auch in kirchlicher Beziehung, die altreichsftädtifch - bür- 
gerlihe Uusprägung und Abfchleifung durch den leb⸗ 
haften Umlauf find zunächft den am Mittel- und Ober⸗ 
rheine mitherrfhenden Schweftern Frankfurt und Stras- 
burg verwandt, die freilich mit dem reinern Hochdeutfch 
eigene Vorzüge haben; ja felbft an das ferne Breslau, 
welches an der Oder eine ähnliche Stellung hatte und 
bat, wird man erinnert. Die der Donau gegenüber 
fiehende Rheinfeite unferer alten Heldenlieder zieht ſich mit 
Ecken Ausfahrt auch nach Köln, wie mit Siegfried noch) 
tiefer nah Santen. Das bekannte „Alaaf Köln!” wird 
bier in mehren Liedern gloffirt und richtig mit dem hel⸗ 
golandifhen „Alaeft“ und englifchen „aloft”, hoch (in 
ben Lüften), verglichen, ba die kölner Mundart häufig 
das End-t abwirft, 3. DB. läuf für läuft. Es ertönt 
auch in einem Carnevalsliede. Don den vielen kölni- 
fhen Kinderliedern find uns daheim und fonft nur das 
„Hühnchen im Garten”, „Das arme Häschen” und bie 
„Schneckhörner⸗ und Wünffingerreime” anders bekannt. 


0 
Das „Jubaslied”, womit die Kinder in ber Charmoke 
einen Strohmann umtragen und Holz zufammenfingen, 
um ihn zu verbrennen, ift wieder nur eine rifllihe 
Derkleidtung des alten Jahrfeftes, morin der Lenz den 
Winter befiegt ; wie in Breslau am. Gomatage Latard 
das Tod⸗Austtagen, der erfäuft ober verbrannt ‚wird, ie 
Wien Taterdemalion, anderswo noch wol Luther getauft. 
Niedlich ift das Lied von den fortgerogenen „Heizemänn⸗ 
hen”, wie bier die kleinen wohlthätigen Hausgeifter hir 
fen, wie anderswo Heinzelmann auch für Freund Hein, 
wobei an häne, hiune, Heune, Hüne, zu denen if. In- 
ter den 283 Sprüchmörtern find manche derbe und ci. 
gene: „Er reitet Mutterns Füllen‘ (geht zu Fuße). Der 
Haͤher heißt bier Markgraf, im Meineke Voß Markoff; 
Livverlinkcher find Lerchen; Möfch der Sperling, fonft 
Lüning; Wingets (Weingarten) -taatfhy die Grasmüdı. 
Zeut heißt bedeutfam ein großes Trinkgefäß. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Cyklus dramatifcher Charaktere. Nebſt einer einleitenden 
Abhandlung über das Weſen dramatifcher Charakter: 
geftaltung von H. Th. Roͤtſcher. Berlin, Zhome. 
1844. Gr. 8. 1 Thlr. 26% Ngr. 


Mitten im Berfall der deutfchen Schaubühne, in der Zeit, 
wo die praßtifchen Lebensintereflen, die Bewegungen des Staat, 
der Geſellſchaft, die idealen Sntereffen und Gemüther über 
haupt in den Hintergrund drängen, erhebt ficy in der vater: 
ländifchen Literatur eine Kunftpbilofophie, welche die logiſch 
Wiſſenſchaft zu ihrer Worausfegung hat, und die zum erſter 
Male die Gefege dramatiiher Künftlerfhaft und das Beim 
dramatifher Meifterwerfe im organifchen Zufammenhange dar: 
zuftellen verſucht. Diefe Erſcheinung ift nicht zufällig. ud 
ın der Kunft, zumal in der dramatiſchen, dem Centrum der 
Künfte, hat der reflectirende Geiſt mit dem unmittelbaren &hal 
fen, Empfinden, Genießen gebrochen, und es ift nothmendig 
der Drang und der Beruf einer Wiffenfchaft, die „im Herifclag 
des Lebens den Herzſchlag ihrer eigenen Bewegung” erkennt, 
das populaire Bewußtſein gleichfalls nach diefer Seite zu ver 
tiefen, den abfoluten Werth der dramatifchen Kunſt und ihre 
Werte aufaupeigen und dur Gnthüllung ihrer Gefege da 
kuͤnſtleriſche Genie zu neuen Schöpfungen, das aufnehmen: 
Gemüth zu bewußtvollerer Auffafiung vorzubereiten. 

Sole Stelung und ſolchen Werth müflen wir gan dt 
fonders den Beftrebungen des Profeſſor Rötfcher zuerkennen 
Nicht das Mehr von Geſchmack, Geiftreihheit, poetiſcher 3% 
tuition zeichnet ihn vor den frühern Kunftkritifern und The 
retikern auß, fondern die Kraft und die DObjectivität des Gr 
dankens ift es, die ihm Gigenthümtlichkeit verleiht und in fer 
nem Wirken den qualitativen Kortfchritt begründet. Alles, was 
Männer wie Jean Paul, Goethe, Lied, was die Geifter det 
romantifchen Epoche theils in poetifcher Form, theils in geil: 
reihen Bemerkungen über Drama und Scaufpielkunft gelagt, 
felbft die fcharffinnigen Analyſen neuerer Kunftrichter erhalten 
in dem Gange genetifcher Entwidelung durch Roͤtſcher Ergan 
zung, Zuſammenhang und Begründung. Was aber noch met: 
biefe echt wiffenfchaftlihe Methode, welche die Energie befikt, 
die Erfcheinungen der dramatifhen Kunft nah allen Seiten 
bin, von ber Wurzel bis zum Gipfel, zu verfolgen, eröffnet 
fo viel neue Gefichtspunkte und verbreitet über das ganze Ge— 
biet im Allgemeinen eine foldye Klarheit, daB man fagen Sara, 
jegt, wo an der Stelle der Phantafie und des bloßen Edaf 
finnd der Begriff feine Arbeit anhebt, beginnt auch erſt Di 
Kunſt im höhern Sinne des Wortes populair gu werden. 


1047 


Das vorliegende Werk Roͤtſcher's muß, obſchon es ein 
ſelbſtaͤndiges Ganzes iſt, für den praktiſchen Theil feiner „Kunft 
der dramatiſchen Darſtellung“*), namentlich für die concrete 
Ausführung des Abfchnitts von der Charakterdarſtellung gel 
tem. Die bervorragendften und rätbfelvollften Geftalten der 
dramatiihen Poeſie werden bier bis in Die gebeimften Falten 
ihrer Lcbensäußerung für den Gedanken wiedergeboren, fodaß 
— gewiß ein Zeugniß echter Kunſtkritik — die bewußtvolle 
Eufffung des Gegenftandes auch das Gemüth des Leſers er: 
greift und die Phantafie felbft zum dichterifchen Bilde zurüd: 
führt. Der Entwidelung der dramatifchen Geftalten geht eine 
Abhandlung über das Weſen dramatifcher CEharaktergeftaltung 
voraus, durch welche die wiflenfchaftlihe Grundlage und der 
innere Zuſammenhang diefer verfchiedenartigen Ericheinungen 
gefihert werden fol. Sie ift neu und criginell, diefe Theorie 
von der Charaktergeftaltung, weniger überrafchend als beich: 
tend und überzeugend; der Dichter, der Schaufpieler, der Kris 
tier und jeder Empfaͤngliche wird fie mit Intereffe und Aner⸗ 
kennung lefen. 

Bir verjuchen hier wenigftens die leitenden Gedanken der 
Abhandlung wiederzugeben. Der Eharakter ift dem Verf. dus 
eigenthümliche, ftet werdende und ftet3 aus der Bewegung 
refultirende Xebensprincip des Individuums, zu deſſen Ausbil» 
dung alle Elemente des Geiftes mitgewirkt haben und ununter: 
drogen mitwirden; er erzeugt fich ftet6 aus dem Proceſſe, in 
weihem die Welt und die fubjective Thatigkeit des Menjchen 
die Kactoren find. In jedem Charakter find aber zwei Seiten 
aufzufaffen: der geftaltende (Gedanke, fozufagen die geiftige 
Eubftanz des Charakters, und die Art feiner Erfcheinung, die 
Individualifirung des Allgemeinen. Das Verhältniß beider muß 
als ein organiſcher Proceß begriffen werden; ohne dieſe Durch⸗ 
dringung und Einheit haben wir nur auseinanderfullende Züge, 
aber Fein individuelles Leben vor uns, und ebenfo wenig ift 
auch ſchon ein allgemeiner, den Menſchen bewegender Gedanke, 
der fih nicht durchführen und in dem Kreife des individuellen 
Lebens verwirklichen läßt, ein Charakter: er ift nur eine ab» 
firacte Rarime. Weil nun aber der Charakter die tiefſte Ver⸗ 
fnupfung des Allgemeinen und Befondern ift, deren leute Fä⸗ 
den jenfeit ded Bewußtſeins des Individuums gefponnen wer» 
den, fo hat auch der Dichter die fchwere Aufgabe, diefe beiden 
Momente in ihrer Durchdringung anzufchauen und nad Ge: 
danken, Srundfägen, Gefinnung ynd Handlung einen ganzen, 
vollen Menſchen hinzuſtellen. Diefe fpecififche Begabung unter: 
fheidet den Dichter von dem Leſer. Erſterer erhebt tie gleich» 
fam farblofen Bilder der mannichfaltigen Perfönlichkeiten, die 
in allen Menſchen ruben, zu entfchieden ausgeprägten Geſtal⸗ 
kn; denn in ihm lebt die Menfchheit als die Zotalität der 
rfchiedenartigften und ſich ergänzenden Perfönlichkeiten, die 
rt zu einer freien, von ihm unabhängigen Eriftenz entläßt. 
In dem empfänglichen Lefer lebt auch die Menſchheit, aber fie 
ft gleihfam nur latent in ihm, indem er fie nicht felbit zur 
rien Zhätigfeit entbinden fann. Freilich erfährt aber auch 
whr oder weniger der Dichter diefe Schranke: gewiſſe Regio: 
en find ihm oft nicht aufgeſchloſſen, gewiſſe Lebensbewegungen 
ian er nicht ergreifen und fefthalten. Nur Ghafipeare er: 
int auch nad diefer Seite als ber einzige Dichter. Bei 
oethe, der eine unerfchöpflihde Fuͤlle weiblicher Charaktere 
ſchaffen, ift der Kreis feiner männlichen Geftalten ein relativ 
fhränkter; die Darftelung des eigentlich heroifchen Princips, 
e Energie umwälzender Thatkraft, ift ihm feiner ganzen Ra: 
r nad) verfagt. In Schiller dagegen ift die Conception des 
roiſchen Principe das Bornehmfte, feine fpecifiihe Stärke, 
deſſen Durdführung fih jedoch nicht felten die Reflerion 
efegend eindrängt; feine Schranke ift überhaupt feine relativ 
waͤchere bichterifche Intuition, die ſich namentlich in der Ge⸗ 
tung weiblicher Charaktere, wo die Einheit des Denkens 
d Empfindens am unmittelbarften auftritt, ausjpricht. Cal⸗ 





*) Berl. Rr. B— 28 9. Bi. f. 180. i D. Red. 


deron iſt durch feine ihn voͤllig beherrſchende Nationalität in 
der Charaktergeſtaltung beſchraͤnkt; ſo weit die ſpaniſche Ra- 
tionalitaͤt reicht, fo weit reicht feine Macht, Charaktere zu 
ſchaffen; innerhalb dieſes Kreiſes iſt er unendlich reich und 
ſchoͤpferiſch. 

Da jedes wahrhaft individuelle Leben ein Recht der Exi⸗ 
ſtenz bat, fo iſt auch das Rei der dichterifchen Charaktere 
unbegrenzt, denn die Poeſie reicht fo weit als das Leben: fie 


iſt die ideale Entfaltung des Lebens, welche alle Elemente aus⸗ 


fondert, in denen nur der Schein bes Lebens wahrgenommen, 
wird. Unpoetifd kann ein Charakter dutch die falſche Stellung 
werden, die er in ber Gefammtentwidelung des Kunftwerkes 
einnimmt. Werner wird ein in fi durchaus wahrer Charakter 
verkehrt und zur Poefielofigkeit berabgezgogen, deſſen Lebens» 
princip, nad) dem Maßftabe der Idee gemeflen, ſich durchaus 
hatte von einem höhern Rechte brechen müffen, und den der 
Dichter dennoch als den triumphirenden, in feiner Schwäche 
unverfehrt erhaltenen erfcheinen läßt. Die Bedeutung aber, 
welde der Dichter einem Charakter leiht, das Recht, weldes 
er demfelben im Ganzen des Kunftwerkes vindicirt, hängt na: 
türlich von der Tiefe feiner ganzen Weltanfchauung ab. Was 
den Kritiker betrifft, der fi) einem Kunſtwerke oder einer dich» 
terifhen Geſtalt denkend naht: fo ift feine erfte Aufgabe die, 
daß er das Kunftwerf für den Augenblick gleichfam decompo⸗ 
nirt, indem er die Momente der Algemeinheit und Befonders 
beit, daB allgemeine Lebensprincip und die Individualifirung 
deflelben, ſcheidet. Diefer Scheidungsproceß darf freilich nur 
ein Durchgangtpunkt fein, von dem aus jich der Denker wie: 
der zur Einheit der beiden Momente oder ihrer Nerarbeitung 
erhebt. Nur der abftracte Verſtand, der überhaupt nicht zur 
Idee des Lebens beranreicht, bleibt bei dieſem Proceffe ftehen 
und firirt den allgemeinen Gedanken, ohne ihn in feiner Durchs 
führung aufzufaflen. Durch die Auffaffung der Allgemeinheit 
gewinnt der Denker zunächſt nur die Gattung, welcher ein 
Charakter angehört, und wenn dieſer Gefichtöpunft von dem 
Schaufpieler für die Darftellung allein feftgehalten wird, fo 
entfteht jene farblofe, unlcbendige Berfinnlihung, welche nur 
das Typiſche der allgemeinen Kategorie fefthält und darin das 
Individuelle untergehen läßt. Die abftracte Allgemeinheit, der 
Sattungscharakter, ift hingegen nur die erſte Aufgabe bei der 
Berfinnlihung eines Charakters; erft die Indivibualijirung ift 
der eigentlihe Boden der Kunft. Für die Auffaffung diefes 
Moments find zwei Geiten zu unterfcheiden: die Elemente, 
welche die Indivibualifirung bedingen, dann die Entwidelung 
des Charakters felbfl. Die Elemente jind gewiflermaßen die 
Bactoren, die das Individuum fo weit geftalten, bis es fih in 
feiner Beftimmtheit vor uns entfalten kann; fie gehen alfo ſei⸗ 
ner dramatifchen Entwidelung voraus und find überhaupt bie 
concreten Berhältniffe, in melde das Individuum verfept ift. 
US der allgemeinfte diefer Factoren muß der weltgefchichtliche 
Boden, die befondere Eulturftufe gelten, weldyer das Drama 
angehört. Manche Charaktere laffen fi) durchaus nur aus 
dem Prinrip einer biefer weltgeſchichtlichen Perioden beureifen. 
Der nächte, engere Kreiß ift Die Rationalität. Ihr Verhaͤlt⸗ 
niß wird um fo mehr bervortreten, je abgefchloflener jich eine 
Bolksthümlichkeit in ihrer ganzen Denkweiſe erhalten hat. Un⸗ 
ter dem dritten Factor find die concreten Verbaͤltniſſe begriffen, 
in welche der Charakter innerhalb jener weitern Kreife geſetzt 
ift. Dahin gehört befonders die Lebensftellung, der Stand des 
Individuums, der die Beziehung zur Familie und zum Staate 
bedingt. Hier ift auch der Boden der Eollifionen, und es gibt 
keinen bedeutenden dramatifchen Gharakter, der nicht zunächft 
durch die Geſtalt diefer Berhältnifle bedingt wäre. Daß eigent« 
liche Wefen des dramatifchen Charakters offenbart fi in der 
Rede und der Handlung: fie find die beiden Formen des felbft« 
bewußten Geiſtes, durch welche er fich zu einer entfchiedenen 
Individualität abſchließt. Doch nicht, daß im Drama geſpro⸗ 
hen und gehandelt wird, macht die Perfonen zum Ausdrude 
eines Charakters, fondern erft, daß Rede und Dandlung als 


J 

ı 
1 
1— 
1 


nn mr a a nn — - 








Con x ifvsur 

Proeeſſe darlegen, gibt ihnen, zum Unterſchiede vom 
der proſaiſchen fi) am: das einzelne Factum 
Hanınwet, ihre poetiſche Rirkung. 

Run aber die Entfaltung oder der organiſche Proceß des 
Charakters feibft!: Inden dev Charakter alle Verhaͤltniſſo und 
Individmalitäten, mit. welchen er in Berührung gefege. wird, 
fetöfithätig. im feine Innerlichkeit aufnimmt, if. er. nicht nur 
ein. Raturproduct, fordern ein Refultut des Geiſtes; er zeigt: 
ſch durch Diefe Merarbeitung aller auf ihn einwirfenden: Gier 
mente als ein. freie: Mirfen, welthes in: biefem Proceſſe fein: 

i Lebentprincip zugleich enthüllt und beſtaͤtigt. Jeder 

rakter wird. uns mithin. in ſeiner Entfaltung eine Durch⸗ 
deingeng des natürlichen Fortſchritts und der: Spontaneitat: 
organiſch aufzeigen;. in der Einheit dieſer einander: fcheinbar. 
aubfchiießenden Momente liegt: Lie geheimnißvolle Macht jedes 
Charakters in der Wirklichkeit, wie in der Pocher Was das 
erfte Moment, den natürlichen Fortfchritt, betrifft, fo dürfen: 
fi) namlich aus dem Charakter Beine andern Lebensäußerungen: 
entwiddeln, als welche an fi, dem —— n nach, in ibm: 
iegen. Der Dichter. muß deshalb dem kter von Haus 
aus eine Grundlage geben, welche wir als das Refultat feiner 
ganzen, dem Stüd norangegangenen Lebensbewegung begreifen. 
Bon diefem abgefchloffenen Bilde aus, das jeder auftretende 
Charakter erwecken muß, Bann erft die Entfaltung des Cha⸗ 
rakters, die organiſche Bewegung durch Rede und Handlung 
vor und geſchehen: fo erſt gewinnen wir die Überzeugung einer 
inneren Rothwendigkeit. („Philipp II.“, „Othello“, „Macbeth“, 
„Wallenſtein“, „Jago“ u. |. w.) Diefes Moment natürlicher. 
RNothwendigkeit ift jedoch nur die eine Seite des organifchen 
Proceſſes; denn zugleich muß au das Moment der freien 
Gelbftbeftimmung zu feinem Rechte Fommen: ohne die freie. 
GSelbſtbeſtimmung wäre der Charakter in die Ratur zurückver⸗ 
fegt, Wort und That würden dem, Individuum nur äußerlich 


fein. Die freie Selbſtbeſtimmung zeigt fich aber in der Ener: 


gie des Selbftbemußtfeins, mit welcher fih der Menfch aus dem 
Broceffe mit den Verhaͤltniſſen und den Menſchen in fich feldft: 
zurüdnimmt, in feiner eigenen Ziefe das Geſetz feined Fort 
ſchritts findet und aus fich felbft den Inhalt feines Denkens 
und Wollens bervorbringt:. Das Moment der Spontaneität 
Hegt alfo in der felbitbeftimmenden Macht, weiche ſich aus dem 
ganzen Umfange aller auf den Menfchen einwirkenden Gewal⸗ 
ten erhebt, das Nefultat felbfibemußt ausfpricht und es zu ei: 
ner neuen Grundlage der Entwickelung madt. Durch diefes 
Moment ift die Zurechnungsfähigfeit des Individuums beftimmt, 
Dad fich dem Geſetze feiner Selbfibefimmung unterwirft 
durch daffelbe fein Recht bethätigt und feine Schranke erfährt. 


Die Sreipeit oder ©pontaneität de6 Gharafter6 darf mithin: | | 
Gegenſtand touriftifcher Darftellungen abgegeben. In krat 


durchaus nicht als die abftracte Macht des Subjects gefaßt wer: 
den, jedweden Inhalt aus fich zu erzeugen, jedweden Entfſchluß 
zu fallen. In dieſem Sinne find weder ganze Völker noch if 
der: Einzelne in feiner Entwickelung frei. Erſt die aus der 
Tragoͤdie fih entwidelnde Weltordnun 
weiche jeden Charakter in ihre Dialektik hineinreißt und feine 
Einfeitigkeit und fein Unrecht herauskehrt. Unter den Schwie⸗ 
rigkeiten, welche die Charakterzeichnung überhaupt bdarbietet, 
if die Herbeiführung der Wendepunkte die größte, weil jeder 
Wendepunkt die beiden Momente des Plöglichen, des qualita- 
tiven Sprunges, und der Bermittelung für das Bewußtſein 
des Unfchauenden in einer Einheit zufammenzufaflen und zu 
verfinnlihen bat. in folder Wendepunkt, der wie ein Bruch 
des Individuums mit feiner Vergangenheit vor. uns tritt, muf 
durchaus als die Concentration des in der Tiefe arbeitenden: 
Geiftes und der Semüthöfraft des Menſchen gelten, welche fich 
endlich zu einem individuellen Ausdruck zufannnennehuen. Cs ifk 
ein: .WBendepunft in der fterentwidelung des Ein-- 
zelnen; wie: im der gefdgichtlichen Bewegung. der Bölker: immer 
ein: Umf aut der Sphäre: des Idealen in das Reale, in⸗ 
dem das Ideale fa weit. gefleigert iſt, daß es nun: ia die Wirk. 


Berantwortliger Herauögeber: Heinurich Brockhaus. 









ift die abfolute Macht, 


| 


=. 


Hiptelt- eintesten muß Der Wöiberihrinh und: der Cprung ih 
mir ſcheinbar; denn im jedem Wendepunfte bricht nämlid ver 


Menfi nur infofern mit’ feiner Vergangenheit, als er dieſelbe 
für ungenügend: t, oßme zu willen, daß fein jehiger 
Schritt doch nur durch fie bedingt ift und ſchon darin einge 
Bulle lag. Nur verfehlte Charaktere oder Geſchoͤpfe, deren 


| @efkimmtgeit die Charakterlofigkeit ift, fchreiten im der Yocke 


' 
i 
| 


I 


wirklich zu: Grtremen, ohne daß ein innerer Zufammenkum 
ihres Werdens Mar wird. 
(Der Beſchluß folgt:). 





Literarifhe Rotizen aus Franfreid. 


Die Beichte und das Gölibat. 

Die Beichte und das Coͤlibat find, wenn auch ridt de 
Bafis, doc wenigftend wichtige Momente für die Mat um 
den: Einfluß des roͤmiſchen Prieſterthums. Gismendi ſagt: 
„Die Ohrenbeichte war das legte Glied der Kette, welde fü 
die Laien. gefiämiedet wurde‘, und der paͤpſtliche Legat auf dem 


Trienter Eoncil ſprach e8 offen. aus, welche Ummälzung 6 in 


der ganzen Bierarchie bewirken würde, wenn Rom ten Pie 
fteen die &he geflatten wolle. Dadurch würde, wie er maak, 
ihre Reigung einer Familie und zugleich einem beftimmten Be 
terlande zugewendet, fodaß ihr Fürft fo viele Geiſeln erhalten 
würde als fie Kinder hätten. Die Folgerungen und Entuide 
lungen, welche fi an diefe beiden Citate Enüpfen, wen 
in einer vor kurzem erfchienenen Schrifts „De la confessioe 


ot du oelibat des pröätres ou la Politique du Pape”, we 


Ir. Bouvet, weiter außeinandergefegt. er Verf. fuchte von 
der Speculation, fowie von der Geſchichte aus daB Verderblich 
darzuthun, welches in diefen Maximen verſteckt ift, und aufn 
dem läßt er es ſich angelegen fein, nachzuweiſen, daß diefe zu 
ftitute durchaus nicht im göttlichen Worte begründet find. Is 


tereſſant ift eine Art von Blumenlefe anruͤchiger Stellen, melde 


der Verf. aus folchen Büchern zufammenftellt,, welche zum Ge 
brauche der Beichtväter beftimmt find. Man weiß nidt, © 


man fich über das Gräßliche des Inhalts oder über die rohe, 


rückſichtsloſe Sprache, weldye in diefen angeführten Yragmenta 
berrfcht, mehr verwundern fol. Bouvet fpricht die Überzeagung 


aus, daß die Verjagung der Iefuiten und alles @infchreiten der 


weltlichen Macht keinen erfolg baben wird, fo lange den k 
thelifchen Prieftern durch die Beichte und das Gölibat rin b 
geheimnißvolle Gewalt und eine fo eigenthümliche Stelung ge 


geben if. 
und. |. 


Reiſeſkizzen aus Schweden. 
Schweden hat in füngfter Zeit: in Deutſchland haͤuftz Ir 


reich ift diefe Land, wenn auch nicht geradezu eine terra i# 


‚ cognita,, doch beimeitem minder befannt und von dem Spur 
geiſte der Tagesfchriftfteller unausgebeutet geblieben. Bir en 


halten jegt eine anfprechende Reifebefchreibung, welche in mt 
als einer Beziehung Intereffe und Beachtung verdient. 
führt den Zitel: „Voyage a Stockholin”, von Amedie Cr 
ſade. Die Partie, welche ber Beſprechung deutfcher Städte Ir 
widmet ift — Hamburg allein erhält drei Eapitel —, hat 
türlic) für uns Fein anderes Intereſſe als dasjenige, welches 
darin befteht, daß wir hier die deutſchen Zuftände von rm 
einficht8vollen und unparteiifchen Ausländer beurtheilt fe 
In Schweden felber begnügt fi) der Verf. nicht mit dem Bir 
derfäuen oft befchriebener Punkte. Befonder@ anzichend Mm 


feine Darftelungen aus dem hoͤhern ſchwediſchen Geſellſchaft* 


leben, welches ihm eine gaſtliche Aufnahme darbot, und 


ke 
ſtreichen, wenn auch nur fluͤchtigen Betrachtungen über M' 


gei 

———— Berhaͤltniſſe Skandinaviens. In letzterer Beziehen 
war der Reiſtade von beſonderm Slucke deguͤnftigt, indem es IM 
vergoͤnnt war, den Sitzungen eines Gelehrtencongreffes, we | 


ſich gerade verfammelt hatte,. beizuwohn 
— Druck und Berlag von F. X. Drockhans in Leipgis- 


en. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 


B 





Sonntag, 


u m m nn 





Sermaniens Völferftimmen. Sammlung ber deutſchen 
Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volks⸗ 
liedern u. f. w. Herausgegeben von Johannes 
Matthias Firmenich. Erſter Band. 

(Beſchius aus Nr. 32.) 

In der Mundart von Aachen gibt es eine Gedicht 
ſammlung von Sanfen (1815) und als Anhang zum 
BWörterbuche derfelden von I. Müller und W. eig 
(1836), Darunter eine fpöttifche Nachahmung des mar⸗ 
Killer Marfches aus der erften Kranzofenzeit in dem Sinne 
des aachener Sprüchwerts (15) „Wälfch Blue thut keinem 
Deutihen gut“. Bon I. Müller iſt auch eine gute Ab- 
handlung daher‘ niederrheinifche Provinzialismen (1838), 
Eins der aachener Lieber ift abermals eine Übertragung 
4 „Erikönig”, deffen Stelle ber dort heimifche Kobolb 
Backauv vertritt, welcher in Geſtalt eines großen Kalbes 
(Kauv) mit fenrigen Augen und raffelnden Ketten Nachts 
dem Wanderer auf den Rüden huckt und fih bis an 
feine Thüre tragen läßt. Gin anderes erzählt von dem 
feurigen Manne, der alfo erfcheint, weil er den Grenzpfahl 
verrudt hat, wofür fonft auch das Umirren als Irrlicht 
Strafe ift. Unter den 182 Sprüchwörtern find treffende: 
Zwei harte Stein’ mahlen felten xein; Neue Beſen keh⸗ 
ven gut, fegen aber die Winkel nicht aus; Wenn Dred 
zu Mi wird, läßt er ſich fahren; Gleiches Vieh leckt 
fih gern; Liebe Kinder haben viele Namen. „Wer am 
längften lebt, kriegt Stolberg” (146) fodert eine gefchicht- 
liche Erklärung. Neben den reichlich bedachten Mund- 
arten um Köln und der Eifel erfcheint auch die von 
Firmenich. 

Bonn erzaͤhlt von der Hexenſalbe und Hexenfahrt aus 
dem Schornſteine und beſingt den Dreikoͤniggabend. Im 
Siebengebirge, wo Siegfried die auf den Drachenfels aus 
Worms entführte Chriemhild vom Rieſen und Drachen, 
und von den Nibelungzwergen ben Hort gemann, finden 
fih nody Zwerge (Querge) mit ihrem König im Heins- 
derge, in welchem ein Hündlein zu ihren Goldfpenden 
leitet. Der glühende Mann eines andern Liedes ift doch 
wol ber obige Grenzverrücker: fonft fünmte man aud) au 
Dietrich’ von Bern (Verona, wie auch Bonn heiße) 
Beuerodem denken, womit er, Taut ber „Niflunga-Gaga”, 
im Kampfe gegen Hagen zulegt deſſen Rüſtung erglüht 
und dann bis zum Süngfien Tage mit Ungtheuern ſtreitet 





Eigenthümlich ift die Sage von der gottloſen Stadt auf 
dem Altenberg im Giegerland, wo bie Kutſchenräder und 
Felgen aus Wecken gebadn und mit Gold «befchlagen 
waren; ihren Untergang verkündet ber Gang eines wun- 
derfchönen Voͤgleins auf der Linde vor dem Thore, wel⸗ 
hen fpäter ein eisgraues Männchen wiederholt: „Alle Zei- 
hen gehen in Erfüllung und Feuer fällt vont Himmel.” 
Bedeutfam ift auch die Blodenfage vom Kindelsberge, 
in beffen Xrümmern ber Gchmeinhirt Engelmart eine 
ausgemwühlte Glocke findet, welche er heimſchleift: er ſoll 
ale Glockendieb gehängt werden, da verkündet der eherne 
Mund der Blode ſelbſt feine Unfhuld, weran nod auf 
dem Thırrme zu Krommig ihr Beldute mahnt. Die Er- 
zählung von ber fchönen und ftreitbaren Agnes von Elz, 
wo fie noch als Burggeift umgeht, ift ein guter Roman⸗ 
zenſtoff, auch wel ſchon dazu benugt. Die Koblenzer 
freuen fi in der Umarmung bes Mheins und ber fi 
windenden Moſel der fchönen Heimat. Vom Hunsrück 
ertönt dagegen ein MWanderlied nach Brafilien. Ein an- 
deres Lied und zwei Erzählungen biefer Gegend (©. 532) 
find eine Anwendung ber bekannten alten Erzählung von 
der halben Dede (in meiner Sammlung „Gefammtaben- 
teuer” Nr. 48), Zu Trier feiert ein Lied den Nikolas⸗ 
tag (6. Dec.) für die Weihnachtbefcherung, wie in Güd- 
dDeutfchland. In Grevenmachern ift das Freierlied eines 
unlängft bort verftorbenen Baͤnkelſaͤngers, bed blinden 
Matthias, jegt Volkslied. Das Männchen von der Un- 
kerkaule (Höhle) an der Mofel dort geht auch um, weil 
e6 die Grenzen verrückte; jedoch nicht feurig, ſondern mit 
bleiesnem Mantel hängt es ſich Vorubergehenden auf 
und laͤßt fih bis zur Kapelle tragen, wie der aachener 
Backauv. Ruremburg (Lügelburg) gibt einige herzliche 
Liebeslieder, daneben mehre Gedichte in Wlerandrinern 
mit franzmännifchen Spigen, doch ohne Sprachmengerei. 
Men fpricht in diefer Gegend noch „ich fie, fe‘, für „id 


bin’; und „alle Ritt“ für „alle Mal”. 


So haben wir den rüfligen Wanderer hier bis an 
die Grenze des Vaterlandes begleitet und wünfchen recht 
fehr, ihm bald wieder, zunächft in den mittelbeutfchen 
Bauen, zu begegnen. Erfreulich ift die vielfeitige thaͤtige 
Theilnahme, welche auch in den Nachbarländern, Bel: 
gien, Holland, ja felbft jenfeit des Weltmeers in Morbame- 
rika fein linternehmen gefinben, and läßt uns hoffen 





39 
ſowie wünfchen, daß er ein fo meitfchichtiges Werk, 
welches „dem großen einigen bdeutfchen Vaterlande im 
Liebe und DBegeifterung gewidmet” ift, in allen Theilen 
ausführen, und fich fo die Deutfchen nicht nur in ihrer 


Gefammtſprache, fondern- and in der Zuſammenwirkung 


für diefelbe ale: Eins und einig zeigen werden. 
8. S. von ber Hagen. 


Cyklus dramatifcher Charaktere. Bon H. Th. Roͤtſcher. 
(Beſchluß aus Nr. 262.) 


Der Berf. nimmt jegt Gelegenheit, die Begriffsbeftimmun: 
r des Wriftoteles über das Weſen und die Sompofition des 
baraftere im Verhaͤltniß zum modernen Drama zu erläutern; 
er führt und damit das Wefen der alten Kunft im Gegenfage 
sur modernen überhaupt vor Augen. Indem Xriftotelcs ut 
Kent, daß weder der fchlechthin vortrefflichde noch der ſchlecht⸗ 
bin böfe Charakter im Drama zuläffig fei, weil diefe unfer 
menſchliches Antheil außfchließen, hat er das Gefep für die 
Charafterbildung der alten Welt ausgeſprochen. Das antike 
Leben, weldyes nur die unmittelbare Einheit des Geiſtes und 
der Natur zu feiner Subftanz hat, vermag auch in allen ſei⸗ 
nen Gebieten den vollen Gegenfag, welchen die moderne Welt 
im Leben wie im Drama geftattet, nicht auszuhalten; wo fich 
der Gegenfag geltend macht, ericheint er auch als ein die ge: 
biegene Einheit auflöfendes Princip, welches das Leben nicht 
aufzunehmen im Stande ift. Hingegen ift gerade die Stärke 
des modernen Lebensprincips, die Zufpigung des Gegenſatzes 
nit nur ertragen zu koͤnnen, fondern fogar in der Bewaͤlti⸗ 
gung defleiben feine höchfte Aufgabe zu löfen. Die moderne 
Kunft hat dadurch eine große Ermeiterung erlitten; Diefelbe 
geftattet auch die bis zur äußerften Verworfenheit, zu einer 
Berhöhnung alles göttlichen und menſchlichen Rechts fortfchrei- 
tende Individualität, und gerade der vornehmfte Zräger der 
modernen Iragödie, Shaffpeare, wirkt durch diefe® Ertrem (3.2. 
in „Richard III.) am ftärkften. Die fittlide Weltordnung des 
modernen Dramas vermag aber auch felche Dämonifche Charak⸗ 
tere, welche uns einen Augenblid .faft an der Wahrheit und 
Macht aller Sittlichleit verzweifeln laffen, durch ihren eigenen 
Proceß fo aufzulöfen, daB fie zur Verherrlichung des erigen 
Rechts dienen. Es ift derfelbe Sieg, den die freie Sittlichkeit 
aus ihrer Entzweiung mit fih, aus der Vernichtung des Boͤ⸗ 
fen. erringt. Un diefe höchft intereffante, aus Quellenftudien 
geſchoͤpfte Ausführung reihen ſich noch mehre Abfchnitte über 
Die Berfinnlihung des Charakters durch tramatifche Darftel: 
lung, die wir hier freilich nicht näher berühren können. 

Die dramatifchen Charaktere, welche der Verf. entwickelt, 
find: Riharb III., Hamlet, Macbeth, Don Quitierre und Othello, 
Marinelli, Nathan, Burleigh und Leiceſter; Fallſtaff in „Hein: 
ri IV.“; ferner die Frauengeftalten: Gretchen im „Fauſt“, 
Claͤrchen im „Egmont”, Donna Mencia im „Arzt feiner Ehre” 
und Desdemona im „Othello“, Lady Macbeth, Cordelia im 
„König Lear“. Um wenigftens einen Begriff von der Gedie⸗ 
genheit der Arbeit zu geben, wollen wir nur die Grundlage 
zeichnen, auf welcher Rötfcher die weitere Entfaltung der bei- 
den rätbfelvoliften Beftalten, naͤmlich Richard's III. und Fall⸗ 
ſtaffss, unternimmt: Um die Erklärung Richard's hat fi in 
neuefter Zeit Ulrici großes Berdienft erworben; das wird auch 
bier anerkannt. Richard III. gehört feinen Zwecken, Verbrechen 
und feinem Untergange nach der Gefchichte an; er muß fich dem: 
nad auch und aus ihr erflären, wie er auch nur durch fie 
gerichtet wird. Durch den Kampf der Geſchlechter York und 
Lancaſter ift der Staat der Selbſtſucht der einzelnen Glieder 
fortwährend geopfert worden, und Alle find in den Kampf 
allmälig fo hineingerathen, daß Jedes irgendwie mit Schuld 
belaftet if. Diefe Schuld wälzen ſich die Gefchlechter einander 
gu, wobei das formelle Recht an die Krone zu etwas Gleich 


* ® 
* - nn .” 
$ ... 
x I. 2 .t 
* 
807 , 


une 


gültigem wird. Aus dem Gchoofe ſolch ſchuldbeladener Ihaten 
ift Richard entſprungen; er hat die ganze Entfittlichung feiner 
Vorfahren als die rundlage feines Lebens mitempfangen: in 
ihm vereinigen fich die Züge der Einzelnen zu einem Sefammt: 
ausdrude. Dadurch wird Richard das furchtbare Bild der 


Selbſtſucht und des Despotismus. Mit ihm fät die legte I: 
‚Iufion ‚eines formellen Rechts an den Thron, hinter welchen 


die frühern Glieder ihre Selbſtſucht verbargen, und der dem 
vorigen Kampfe zum Grunde liegende Gedanke, den Staat alt 
ein Privateigenthum anzufehen, ift bei ihm auf die &pige ge 
trieben. Richard iſt hiernach die Nemeſis des Weltgeiſtes, die 
das Haupt Derer trifft, welche die Entfittlichung theilen; in 
dem er Allen ihr Recht anthut, ebnet er a zugleid die 

Stätte, auf welcher fi aus der Zerriffenheit vieljeitiger In: 
tereflen ein neuer Staat erheben Bann, wenn er auch als Pre 
duet de ſich auflöfenden Gemeinweſens in dem Proceſſe felhf 
in Grunde geht: denn Verbrechen müffen gefühnt und das 

erkzeug muß ‚fortgefchleudert werden, fobald die blutige Ar: 
beit vollbracht ift. Dur diefe Betrachtung gewinnt Rider 
ſchon ein erhabenes Poflament. Um aber alle die Hindernife 
zu befiegen, Die fich ihm entgegenftemmen, muß Ridard mit 
denjenigen @igenfchaften ausgeftattet fein, durch welche man 
die Menfchen und VBerhältniffe zwingt und beherrfcht. Ein 
durchdringender Verſtand, der Alles durchfchaut, eine fih im 
Kampfe härtende Beharrlichkeit, die Kunft der. Rede, die Ge 
müther zu bethören, cine todesmuthige Tapferkeit: Dies find 
bie gıoßen Gaben, die Richard zu Gebote ſiehen. Durch did: 
pofitiven Eigenfchaften, die den großen —* machen, iR 
er auch fähig, der Held eines Dramas zu feinz und zwar nf 
feine Heldengeftalt damonifch wirken, indem Diefe großen Ge 
ben der rüdjihtslofeften Selbftfucht dienen. Zu diefen beide 
Seiten, die Richard's Charakter erBlären, tritt endlich noch dal 
pſychologiſche Moment hinzu: es führt uns auf die Quelie fd 
ner furdtbaren Richtung zurüd. Richard ift von Ratur nt 
ftelt und verwahrloft und darum von feiner Umgebung unge 
liebt und vernachlaͤſſigt: fo glaubt er auch die NRaturgeieg 
nit achten zu dürfen und liegt von Haus aus mit den Fe 
fegen ber fittlihen Weltordnung im Kriegszuftande, die nu 
für Diejenigen Verbindlichkeit haben, welche von ihres Blei: 
hen geliebt werden. Diefer Born gegen bas von der Kıtı 
begangene Unrecht bewaffnet ihn gegen alles Recht und Geſch 
das doch feine legte Wurzel in den auf der Liebe ruhenden ft 
lichen Berhältniffen hat. Er wirft fi darum mit voller Ener 
gie auf Die entgegengefegte Leidenſchaft des Ehrgeizes, dım 
bier ift „er felbft allein‘ und Feines Individuums zu ſeinn 
Ergänzung bebürftig. Diefe Leidenfchaft, Die Alles um ie 
zum Mittel der Befriedigung berabfegt, füllt feine ganze Eerl 
aus; fie fpornt ihn zu raftlofer Thätigkeitz fie bringt ihn a 
dem Gipfel feiner ſelbſt. Da aber Die Befriedigung de Er: 
geizes bei ihm Beinen fubftantiellen Gehalt, Bein wirklichet ir 
tereffe hat: fo kann, ungeachtet der Energie des Willen: m 
Verſtandes, dieſe Leidenfhaft zu einer wirklichen Gärtigum 
fommen, und das Gefühl der Dde ift bei Richard immer Kt 
troftlofe Refultat, dad aus feiner vernichtenden Thaͤtigkeit, ff 
aus der Erringung des legten Zieles, der Krone, emportuuht 
Der Despotismus iſt der einfame Felſen, auf dem Kidat 
nad allen Stürmen landet, um dort mit dem Bewuftfir fi 
ner furchtbaren Ode zu enden. 

Fallſtaff — zeigt Roͤtſcher — bat bisher noch Beine bar: 
digende Zöfung erhalten. Die frühern Kritiker haben ben dur 
ber, der über biefer in die Materie verfenkten Geſtalt fhmeht 
zu erklären verfucht, indem fie ihm moralifch irgendwie zu tt 
ten bemüht waren. Schlegel meint, der Wig und die Lau 
feien das Werföhnende an biefem liebenswürdigen Squfte; U 
rici, der allerdings der Sache näher kommt, fagt, daß Zul 
infofern nicht ſchiechthin böfe fei, als er daB Schlechte nur alt 
Mittel zur Grlangung Deffen, was ihm Glückſeligkeit heiß, 
betrachte. ine ſolche moralifhe Rechtfertigung kann zur Er 
klaͤrung Fallſtaff's nicht hinreichen; denn wenn wir ihm 


me geringe Doſnd ſitilicher Kraft zutbeilen, fo erſcheint c# 
immer unbegreiflidh, wie Jallſtaff und gerade am crgöglichften 
in diefen Situationen wird, wo er am weiteften entfernt if, 
den Gedanken an einen fittlihen Kern in uns auflommen zu 
laſſen. Fallſtaff muß vielmehr aus einem Principe begriffen 
werden. Gr ift cine hochkomiſche Figur, darin find Alle einig; 
aber er iſt sine folche nicht nur für Undere, fondern auch für 
ſich. Nicht nur die Verhältniffe und Gonflicte bringen feine 
komiſche Natur ans Licht, fondern er felbft bringt mit dem 
volliten Bewußtfein, von Unfang an, den ganzen Umfang ſei⸗ 
ner finnlichen Luft und alle feine Untugenden, durch weldye er 
ſih den Genuß finnliher Behaglichkeit Keigern, erhalten und 
ihügen will, ins Gefecht, und führt dadurch die komiſchen 
Geiten mit Freiheit herbei. Und doch reicht diefe Selbitparo- 
die feiner eigenen Sinnenluf für die Auffallung feines Lebens 
principd nicht aus. Fallſtaff's innere Natur geht vielmehr auf 
die Auflöfung alles Ernftes des Lebens, aller Leidenſchaften, 
Affecte, welche den Menſchen unter ihre Herrſchaft bringen und 
ihm die volle Freiheit de6 Gemüths rauben, aus; er ift die 
Ironie über jeden Ernſt, über jede den Menſchen wahrhaft er: 
greifende Beftimmung, über jede Leidenfchaft, welche die menfd: 
Ihe Bruft beherrſcht und erſchüttert. Fallſtaff ſchwebt mithin 
auflöfend über jedem befondern Intereile, welches für den Men⸗ 
ihen einen erchufiven Werth hat und fein Inneres in eine wirk⸗ 
liche Spannung verfegts er iſt der. Feind aller idealen Interef: 
fen und Leidenfcgaften, und Ruhm, Ehre, Heltenmuth, Ge: 
meinfinn, dies Alles find Mächte, welche Fallſtaff mittels 
feines Humors vernichtigt. Wenn aber Fallſtaff diefe Zugen: 
den heuchelt, fo muß man fi büten, dieſe ind Ungemeflene 
gehenden Prahlereien, diefe gigantifhen Lügen, bie den Zweck 
baben, fi in den Augen Anderer auch einen Antheil an ge: 
wiffen guten Eigenſchaften zu geben, als ein ernfthaftes Trach⸗ 
ten danach aufzufaflen. Mit folder Vorftelung einer nadten 
Heuchelei würde man das Bild Fallſtaff's vollig verrüden und 
denfelben zu einem profaifhen, ungeſchickten Prahler machen, 
der nicht einmal fo viel Geiſt befigt, über den Widerſpruch 
feiner Mittel ein volles Bewußtfein zu haben. Die Wahrheit 
und Einheit dieſes Charakters liegt vielmehr darin, daß Fall 
ſtaff auch in denjenigen Wendungen, durch melde er etwa fei- 
nen Seldenmuth und feinen ritterlihen Sinn in ein helles Licht 
zu ſtellen verfucht, ſich zugleich durch die Kraft feines Humors 
über ein ſolches Streben erhaben zeigt und den Ernſt ſolches 
Strebens ununterbrochen felbft auflöft. Nach dieſer Entwicke⸗ 
lung liegt alſo der Zauber, den Bere auf und ausübt, nicht 
in einem Accidentellen, fondern in ber formellen Freiheit feines 
Gemüths, welche feine eigentliche Subſtanz, fein Eebensprincip 
if. Diefes Princip der Regativität jedes beftimmten Pathos 
ericheint aber entweder in der Geſtalt diaboliſcher Ironie, oder 
in Geftalt des Humors. Die Ironie loͤſt alles Beſtehende auf, 
weil fie fi gegen alles Seiende kehrt; der Humor hingegen 
verhält id nur gegen alled Einzelne negativ, weil es der Bat: 
tung nicht entfpriht. Der humoriſtiſche Fallſtaff richtet ſich 
daher nicht gegen die Eriftenz, er läßt alle Lebensformen frei 
gewähren; allein ex erkennt in ihnen feine bindenden Lebens: 
mächte und ift darum in feinem Humor verföhnend und, ob» 
wol garz in die finnlichen Lebenselemente verftridt, ergöglich 
und ohne fittliche Indignation. Eine Vertiefung erleidet auch 
die allgemeine Bedeutung feines humoriſtiſchen Bewußtſeins 
noch durch die concrete Beftimmung, daB er fammt feiner ko— 
mifchen Compagnie die ganzen geſchichtlichen Zuftände und Ber: 
bältniffe Englands in feiner Zeit parodirt. 

Werden die theoretiſchen Bemühungen ſolch faͤhiger Män- 
ner au unmittelbaren Ginfluß auf bie Hebung des na- 
tionalen Dramas und der nationalen Schaubühne haben? Wir 
glauben wenig. Bei Einzelnen, die nad) Bewußtſein in ihrer 
"Kunft ringen, mag das Wort zünden; der Umſchwung des 
Ganzen, die Vertilgung der erbärmlichen Theaterwirthſchaft, 
die Entfaltun der dichteriſchen Productivität, die allgemeine 
Begeifterung haͤngt — und Dies kann fich auch der Verf. nicht 


ſowie überhaupt des 


bergen — nach von ganz andern Umfländen ab als von der 
Aufklärung, die und über den Gegenftand die Wiſſenſchaft ge 
währt. ‚Die Blüte der dramatifchen Kunst fällt immer in bie 
Blütezeit der Völker. Sie fällt in die Beit, wo ein Volk in 
Bildung und Bemwußtfein Einheit errungen, wo die allgemeinen 
Lebensgüter mit Behaglichkeit genoffen werden, wo bie öffent 
lichen Intereffen, das Gtaatöleben, zu einem Abfchnitte, einem 
Ruhepunkte gelangt find. In unferer Zeit aber, welche Kämpfe, 
Reibungen und Shöpfungen, welche Ummwälzungen, felbft auf 
dem Gebiete bes theoretifchen Geiſtes, haben wir vor unß lie 
gen! Die Löfung eines wiflenfhaftlichen Problems, feibft in 
der Kunft, fann darum nur mittelbar wirken; jeder Fortſchritt 
ift auch hier nur ein Ferment in dem allgemeinen Procefie, aus 
dem fi eine Zukunft emporringt. Aber auch unter diefem 
Geſichtspunkte haben Männer wie Roͤtſcher aroßes Verdienſt, 
und der Einfluß und die Anerkennung werden ihm gewiß nicht 
entgehen. 104. 





Ulrich von Hutten, der Ritter, der Gelehrte, ber Dich⸗ 
ter, der Kämpfer für die deutfche Freiheit. Darge- 
ftelle von Auguft Bürd. Dir einem Bildnif U. 
rih’® von Hutten. Dresden, Arnold. 1846. 8. 
ı Thlr. 


Wir meinen, daß Herwegh nicht leicht eine beſſere Stro⸗ 
phe gedichtet hat als die folgende auf &. 108 der „Gedichte 
eines Lebendigen”: 

Wie lang mit Korbern überfhätten 
Wollt ihr die fräntifhe Etandarte? 
Wann hängt einmal in deutfdyen Dütten 
Der Qutten ſtatt der Bonaparte? 


Daher gilt es uns als ein recht zeitgemaͤßes Unternehmen, das 
Andenken des edeln Hutten, nachdem vor etwa 15 Zah 
ven Ernft Muͤnch in begeifterter Liebe die langfchlummernde 
Erinnerung in Deutfchland gewedt hatte, zu erneuern, und 
wir freuen uns, daß es von einem Manne, der, wie Dr. 
Bürd, zu fchreiben weiß und das politifch » patriotifche Streben 
bes Kitters zu würdigen verfteht, ausgegangen iſt. Derſelbe 
bat nicht verfannt, daß die großen, eigenthümlicyen Helden des 
Beitalterö der Reformation, die durch Geift, Gefinnung und 
That mächtig eingegriffen haben, fi uns eigentlih nur im 
biendenden Kichte beftimmter Auftritte zeigten und daß die 
gleichzeitigen Schriftfteler uns über die Unmittelbarkeit der 
— nur wenige Nachrichten hinterlaſſen haben. Bei 

utten genießen wir nun zwar ben Vortheil eigenhaͤndiger, 
reicher Schriften, die uns nicht nur die Eigenthümlichkeiten 
bes Mannes erklären, fondern auch wichtige Auffchlüffe über 
fein Leben geben; aber dennoch verſchwindet auch er wieder oft 
in bem Gedraͤnge des heftig bewegten Lebens, und fo bleibt 
das Bebürfnif einer ausführlichen Lebensbefchreibung Qutten’s, 
wie feiner Freunde Sidingen und Pirkheimer, trog Muͤnch's 
verbdienftlicher Biographien noch immer ein Wunſch Derer, 
welche die vaterländifhe Geſchichte mit nit alzu flüchtigen 
Blicke durchſchauen wollen. 

Hr. Bürck hat nun die richtige Unficht gehabt, Ulri Yon 
Hutten in feiner Seit zu fehildern, und dazu die nelehrten For⸗ 
[dungen eines Wagenfeil, Mohnike, Ranke, Muͤnch, Hagen 
und Anderer fleißig benugt, dabei aber ich ein Berdienft er- 
worben, das in Betreff Der geiftigen Auffaffung und Richtung, 
ebens nad) gerechter und angemeflener 
Darftelung, unferer VE: ſehr würdig if. Das Buch 
fol übrigens Beine Parteiſchrift für Hutten fein: der Verf. be: 
fhönigt 3. B. die lebenvergiftende Krankheit feines Helden 
durchaus nicht, nur läßt er es ungewiß, ob er jenes Übel, das 
uns jegt als fo ſchmaͤhlich gilt, durch einene Schuld ſich zugezogen 

abe ober nicht; auch halt er die Außerung nicht zurüd, daß 





ten nie habe Tempe an einen Orte leiden Manen umd da 
n fein unrubiger Geiſt, fowie die Sehnſucht nach Bewegung 


und Kampf, aus den beiten Verhältniſſen weggetrieben hätte. : 
ber in der gweiten Sälfte berichtet ev nur Bobenämwerthe von 
46m und nimmt ihn gegen die Angriffe feiner gleichzeitigen 


BE imurdin I Hutten’6 Sugendgeffiäte ergäptt und fein 
amuthig ıft Hutten's Jugendgeſchi e und 
Yertigkeit in der Tateinifchen Fan * 


uns heutzutage zu thun pflegen. In die oͤffentlichen 


Bewegungen, welche damals Aufſehen oder Bangigkeit erreg⸗ 
ten, und fo wird die Privatſache zu einer öffentlichen Angele⸗ 
Hr. Bürd hat ihre mit Recht eine befondere Aus: 


ührlichfeit gewidmet, die wir auch bei vier andern Hauptab: 


theilungen des Hutten’fhen Yatriotismus wahrnehmen. Diefe 
find die Abfaffung der „„Epistolae obscurorum virorum”, feine 


Satire „Nemo” gegen die Mönche und die Rechtsgelehrten, die 


Vorrede zur Schrift des Laurentius Valla über die Schenkung 
Konſtantin's, feine gewaltige Rede an die Deutfchen über die 
Rothwendigkeit des Tuͤrkenkrieges und das Buch „Vadiscus 
oder die roͤmiſche Dreifaltigkeit“, nach Hutten's eigenem Ge⸗ 
ſtändniß das Freieſte und Stärkſte, was bisher gegen die rö⸗ 
miſchen Blutſauger geſchrieben war. Aus allen dieſen Büchern 
Hat der Verf. mit vieler Geſchicklichkeit zweckmäßige Auszüge 
in gebundener und ungebundener Rede veranftaltet und da⸗ 
dur) den Hutten ſchen Schriften einen Weg unter der zahl: 
reichen Leferclaffe diefes Buches angebahnt. Muͤnch's Ausgabe 
ift zu theuer, als Daß fie in die Hände der weniger Bemit: 
telten hätte kommen koͤnnen. | 

Richt minder anſchaulich tritt und bei Hrn. Buͤrck Hutten 
in den Anfängen der Reformation entgegen und in feiner kraͤf⸗ 
Hgen Verbindung mit den Männern, welche wirkfam in jener 
Richtung handelten, vor Allen mit Luther felbft und mit Franz 
von Sidingen, der freilid auf den allgemeinen, für große Ent: 
ſcheidungen reifen Zuftand der Dinge meitausfehende Plane 
"baut, die Hutten nur infofern theilt, al8 er den Adel und bie 
Städte zum Kampfe gegen die Fürftenmadht vereinigt zu ſehen 
wünfchte. Als warme Zreunde und Geiſtesverwandte nennt 
die Biographie außerdem noch Martin Bucer, Pirkheimer, 
Dfolampadiuß und Andere, aus denen wir befonders den edeln 
Hartmuth von Kronberg hervorheben, deffen Eifer Feine Gren⸗ 


zen kannte und der, mo ihn eine höhere Überzeugung antrieb, - 


in Rede, Schrift und That felbft vor dem Gefährlichften nicht 
zuruͤckbebte. 

J Bir können bei den und geſetzten Schranken nicht dem 
Verf. in allen einzelnen Bezügen folgen, in denen er uns feinen 
Helden bald in Fulda, bald in Augsburg, bald in feinem 
Elende in Pavia und Verona, bald auf feinem Schloffe Stedel: 
berg oder zu Mainz an dem glänzenden Hofe des Erzbifchofs 
Albrecht erblicken läßt, auch jegt nicht ausführlich jenes fri» 
fen und bewegten Lebens oder der „frommen Collequien 
auf Sickingen's Schloffe Ebernburg gedenken, wo Hutten eine 
fihere geeiftatt gefunden Hatte und wo die heftigften Schriften 
geihrieben und yedrudt wurden, die Hutten in deutſcher 
Sprache verfaßt hatte. Wie ſchwer ihm, deffen ganze Bildung 
eine lateiniſche geweſen und deſſen Denk⸗ und Ausbrudis: 
weite darin gewiffermaßen aufgewachſen war, ein foldhes Un: 
ternehmen fallen mußte, bat Hr. Bürd gut bemerkt und den 
edeln Entfchluß des Nitters nach Ber ienft belobt. Luther”, 
ſagt er auf ©. 202, ‚übertraf ihn alerdings in der Kraft der 
Sprade, aber au Hutten wurde unter feinen Zeitgenoffen 
noch immer einer der vorzüglichften Deutfchfchreibenden und na: 
mentlich einer der beften Dichter, indem er aus voller Seele 


e keineswegs als ein Hin« : 
derniß feiner vollsthämlichen Wirffamkeit angefehen, wie eb 
wol die Berächter Tateiniicher und griechiſcher Bildun —* | 
uftände 
Deutjchlands wird er durch die fchmählihe Ermordung feined 
Vetters Hans von Hutten von Der Hand des Herzogs Ulrich 
von Würtemberg unwillkürlich eingeführt; er vergißt Beine der 





weil er feinen decken, beg Gebaufın tiam m. 

geſuchten, nakurlichen Ausdruck geb.’ Gin Beiſpiel gibt da 
Jahre 1520 verfaßte Gedicht: „Die Klag und 

gegen dem übermäßigen Gewalt des Pabfled zu Rem und de 

ie Geiſtlichkeit“, das Hr. Bürd auf 525 fg. mie: 

t at 


Nach dieſen Ausbrüchen eines Präftigen Lebens wird der 
Leſer mit Bedauern bei Hutten’s leuten Schidfalen nah dem 
Tode Sickingen's (30. Aprit 1523) verweilen. Unftät in 
flüchtig, krank und arm, durchzog er die Schweiz und Deuth 
land und Tämpfte neh einen böfen Streit mit Eratuus u 
Bafel, mit dem Manne, den er über Alles liebte, und in 
fh nit blos im Unglück feig von ihm —XA fondera 
auch in der berüchtigten Strei rift „Spongia“ hoaͤmiſche Bit 
terkeit, Schimpf und Spott auf den einſt von ihm fo geprieſe 
nen Mann bäufte. Es ift Died ein trauriges Stud aus de 
Gelchrtengefchichte unſers Vaterlandes. 

Die letzten ruhigen Tage verlebte Hutten im Haufe Zwinglit 
von wo aus er bie Inſel Ufnau im Zürcherſee bezog und au 
derſelben am 29. oder 31. Aug. 1323, erſt 36 Sabre alt, zu 
ewigen Ruhe einging. 

Wir glauben in unferer Berigterftattung genug gefagt m 
Haben, um ein Buch zu empfehlen, das zu unfern guten Boll 
buͤchern gehört und als folches nicht bios in den Bibliothein 
zu ftehen verdient, fondeen in den Bücherfammlungen unjar 
gelcehrten Schulen und aller Familien, die deutſchen Sinn m 
deutfched Leben zu fchägen wiflen. - D. 


— — ——— — 


Literariſche Anzeige. 





Orientaliſche Fiteratur. 


Im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig iſt erſche 
nen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 

Die Märhenfammlung de Somadenn hatt 

“aus Kafhmir. Aus dem Sanskrit ins Deutfk 
überfegt von m. Brockhaus. Zwei Theile. &r. 11 
1843. Geh. 1 Thlr. 18 Nor. 

Sitopadefa. Eine alte indifche Fabelfammlung. Au 
dem Sanskrit zum erften Male ins Deutfche überieft 
von FÜ. Flüller. Gr. 12. 1844. Geh. 20 A 


Andifche Gedichte. In deutfchen Nachbilbungen von. 
Hocker. Zwei Lefen. Gr. 12, 1844. Geh, 1. 


Mosliheddin Sadi’d Rofengarten. Nah va 
Terte und dem arabifchen Kommentar Gururi's an 
dem Perſiſchen überfegt mit Anmerkungen und Ju 
gaben von R. 9. Graf. Gr. 12. 1846. Gi 
1 Thlr. 6 Rgr. 

Lathàâ Sarit Sägara. Die Maäaͤrchenſammlung bi 
Sri Somadeva Bhatta aus Kaſchmir. © 
fies bis fünftes Bud. Sanskrit und deutſch he: 
ausgegeben von Hm. Brockhaus. Gr. 8. 133 
Sch. 8 The. 

Prabodha Chandrodaya Krishna Misri Gomoetit. 
Edidit scholiisque instruxit Hır. Brockhaus. Gr. \. 
1845. Geh. 2 Thir. 15 Ngr. 


Borantwortlicher Herausgeber: Heinrich Wradhans. — Drud und Berlag von F. SE. Wuoddaus in Leipzig. 











Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Montag, 


— Nr. 264, — 


21. September 1846. 





König Friedrich's des Großen Befißergreifung von 
Schleſien und die Entwidelung der öffentlichen 
Verhältniffe in Diefem Lande bis zum Jahre 1740 
dargeftellt von Heinrich Wuttke. Zwei Theile. — 
A. u. d. T.: Die Entwidelung der öffentlichen Ver- 
haͤltniſſe Schlefiend, vornehmlich unter den gebe 
burgern. Erfter und zweiter Band. Leipzig, Eingel- 
mann. 1842—43. Gr. 8. 4 Thlr. 22%. Nar. 

.Es iſt gewiß ebenfo wahr als es bereits bis zum 

Überdruß wiederholt worden, daß der preufifche Staat 

gtoß geworden durch feine Könige, durch die Gründung 

der unumfchränften Fürftengewalt, die alles felbftändige 

Ren der Gorporationen zum Dienft an ihren Zwecken 

beugte und, von dem Getriebe der Funftreichfien Ma- 

fhine unterflügt, mit politifchem Zafte und ftarter Hand 
in die großen europäifchen Verhältniffe eingriff. Auch 
lehrt ſchon ein Blick in Stenzel’d ausgezeichnetes Werk, 
dab diefes Stoffes, ber in der Darftellung der regieren- 
den Perfönlichkeiten, ihrer Regierungsmaßregeln und krie⸗ 
geriihen Thaten ſich bewegt, die Gefchichte der Haupt: 
ſache nad bereits fi) bemädjtige habe. Mag daher 
auch mandes Einzelne, ja felbft Gewichtiges noch der 

Vervolftändigung harten, wird auch manches dunkele 
erhältnig jener Periode, erſt wenn die noch fehlenden 

arhivalifhen Ergänzungen hinzugetreten, zu einer feften 

Thatſache ſich abſchließen: uns will es doch fcheinen, ale 

ſei jtzt weniger dieſes Vermehren und Vervollſtaͤndigen 

a6 die Arbeit in einem beiweitem unangebautern Felde 
an der Zeit, und ed müffe jegt die Gefchichte der ein- 
ihnen Provinzen und ihrer politifchen Zuftände, ehe 
ft eingefugt in den Mechanismus der alten Monardie, 
als fie noch felbfländige frifche Zweige trieben an dem 

Baume des germanifchen und flawifchen Volksthums, 

der fchwierige Vorwurf der preufifchen SHiftorlogra- 

ohie fein. 

Hat man doc bisher meiftentheils fi) begnügt nad)- 
umeifen, wie die meiften Provinzen, fei es durch Krieg, 
ei es durch Erbfchaft, an die preußifche Krone gefommen, 
die mit eiferner Hand die Könige die alten ftändifchen 
Rechte gebrochen und die Landſchaften zu preußifchen 
Itopinzen, noch richtiger, zu preußifchen Regierungsbezir- 
en hinabgedrückt. Sind aber, fragen wir, nachdem 
‚ahrhunderte hindurch dieſes Syſtem des firengften Ab⸗ 


ſolutismus durchgeführt worden — ein Syſtem, das ebenſo 
ſehr der reichen Gliederung des Germanenthums und 
der in ihm lebendigen Sehnſucht nach individuellem 
Sichausleben widerſpricht als es das mächtige Empor⸗ 
ſteigen Preußens möglich gemacht —, find dadurch alle die 
befondern Individualitäten vernichtet, welche die preufi- 
hen Landſchaften in ihrer frühern felbftändigen Art und 
Weife entwideln? Man darf nur ein flüchtiger Beobach⸗ 
ter der Ereigniſſe fein, die feit dem legten Thronwechſel 
das weitgebehnte Zändergebiet erfüllt, der Gefinnung, in 
welcher die preußifhen und anbers die märfifchen, an- 
ders wieder die vheinifhen Stände gefprodien und bier 
und da fogar gehandelt, um diefe Frage, ich meine mit 
patriotifcher Freude, mit eben jenen Gefühlen, bie auf 
anderm Gebiete die reihe Mannichfaltigkeit des Natur⸗ 
lebens erweckt, geradezu zu verneinen; um zu finden, daß 
diefelben Inftitutionen von den leitenden Ideen an bie zu 
den gleihen Waffenröden und Thalern im Oſten und 
im Welten zwar gültig find, fie aber darum noch nicht 
uͤberall die angeftammten und hiſtoriſch gewordenen land⸗ 
ſchaftlichen Individualitäten uniformirt, die politiſche Ge⸗ 
ſinnung nicht zu der Scheidemünze des beſchränkten Un⸗ 
terthanenverſtandes herabgedrückt haben. Iſt Dies aber 
eine Thatſache, und will man nicht in jener kleinlichen, 
einer verſchollenen Zeit angehörenden Auffaſſung Ereig⸗ 
niſſe von fo ſprechender Bedeutung für das vergängliche 
Wert des Augenblicks erklären, etwa die gehaltvolle und 
gehaltene Oppofition der altpreußifchen Stände auf Ca⸗ 
price, auf den Einfluß bedeutender Perfonlichkeiten, auf 
Nachäfferei des Franzöfifchen Liberalismus reduciren: fo 
wird man nicht umhinkönnen, die Urfachen dieſes ver- 
fhiedenen, ja entgegengefepten Sprechens und Handelns 
in der Mannichfaltigkeit der landſchaftlichen Individua- 
litäten des preußifchen Staats aufzufuchen. Und eben 
aus der täglich mehr ſich aufdrängenden Nothwendigkeit 
folder politifhen Erwägungen wird für den Hiſtoriker 
die fchöne Aufgabe refultiren, bis in die Zeit der felbftän- 
digen Zerritorien hinauf den Spuren jenes individuelfen 
Seins und Strebens nachzuforſchen, und feine leifen 
body nie ganz verlöfhenden Yulsfchläge herauszufühlen, 
auh unter dem Drud des vollendeten Mechanismus, 
bie endlich in der Zeit ber Roth, da man nicht mehr 
der Zöpfe und Kamafchen bedurfte, fondern siner todes⸗ 








1954 


muthigen Wehr des Landes, das eigene Leben der Pro- 


vinzen am Morgen der Freiheitskriege erwachte. 

-Man wird fi freilich darüber beruhigen müffen, 
dag, an diefem Maße gemeffen, der ohnehin nicht bedeu- 
tende Reichthum der Werke über preußifche Geſchichte 
noch mehr in’ die Enge zufammenfchwindet. Iſt ed doc 
das ftete Geſchick der Hiftorie, daß die folgende Genera- 
tion ihre und der Menfchheit Vergangenheit unter an- 
derm, wie man gewöhnlich meint, unter höherm Geſichts⸗ 
punfte betrachtet. Hier durfte in der That auch ber 
Geſichtspunkt für die preußische Geſchichte ein höherer 
werden, um fo viel höher, als die Darftellung Deffen 
was ein Volt erlebt, eine reichere ethilhe Bedeutung 
hat als die Schilderung einzelner Perfönlichkeiten, und 
fhmüdten fie auch ruhmvoller nod bie Thaten ihrer 
Regentenlaufbahn als die Kronen die fie getragen. 

Das vorliegende Werk will offenbar in diefem Sinne 
die Vergangenheit einer der preußifchen Landfchaften dar- 
fielen, nit etwa die fchlefifhen Geſchichten in ihrer 
ganzen Breite, wie fie fo oft ſchon Andere zufammen- 
getragen, auch nicht etwa, wie man nad dem erften 
Titel glauben könnte, ein einzelnes Factum, die Beſitz⸗ 
nahme Schleſiens dur Friedrich den Großen, nur nad) 
der Seite des triegerifchen Ereigniffes, fondern vor Al⸗ 
lem nach feiner Bedeutung für die innere Entwidelung 
des Stammes, in feiner Beziehung zu der früheren Ver⸗ 
faffung und damit zugleich in feiner Bedeutung für die 
ſpaͤtern Zuftände der Landſchaft. Blutige Kriege, fagt 
Hr. Wuttle, die den Wohlftand der Völker minderten 
und das Vorfchreiten der Menfchheit zu höherer Geſit⸗ 
tung hemmten, Siege und Eroberungen der Herrfcher 
diefer Erde hätten die Gefchichtfchreiber aller Zeiten mit 
Wohlgefallen berichtet; fie hätten in dem dadurch verän- 
derten Befisftande der Fürftenhäufer einen Abfchluß der 
Ereigniffe erblidt. Und doch fei der Wechfel des Ge- 
biet® nur dann von erhebliher Wichtigkeit für der 
Dölter Wohl und Gedeihen, wenn in Folge der Erobe- 
zung eine fremde Volksthümlichkeit in dem unterworfe 
nen Lande zur Herrfchaft gebracht werde ober einer durch 
Jahrhunderte in Einem Geifte ausgebildeten Regierung 
eine andere in verfchiedener Regierung feit und ſcharf 
ausgeprägte folge. 

Bon folder Wichtigkeit ift die Befigergreifung Schlefiens 
durch Priedrich den Großen, den dritten König in Preußen. 
Diefe Begebenheit will ich erzählen. Was ihr voranging, wie 
fie gefhah und wie viel fie bedeutet, will ich berichten. In⸗ 
dem ich, ein Schlefier, die trügerifchen Nebel zerftören muß, 
in welche Inechtifche Lobredner die Wahrheit gleißneriſch um⸗ 
huͤllt, gedenke ich zugleich darzuthun, welche Güter das fchlefi- 
{he Bold dem preußifchen Staate verdankt... Des fchlefiichen 
Volkes Rechte und Freiheiten, feine alte und ehrwürdige Ver: 
faſſung ftieß Friedrich 11. mit einem Gewaltacte um, trat fie 
mit Präftigem Fuße nieder und fchritt über fie weg als unum⸗ 
fchränkter Gebieter und Herr: er that's gegen göttliches Recht, 
gegen das Recht des won Kart und gegen fein eigeneß hei: 
liges Wort — und dennoch ift ihm zum innigften Dante Schle⸗ 
fien verpflichtet. 

Die, mittelalterlihen Geſchichten Schlefiens, deren 
kurzer Überblick das Werk einleitet, kommen natürlich. 


- eigenen Schwerpunftes es Pflanzſtaͤtte. 


bier nur inſofern in Betracht, als in ihnen die Grund 
lagen erfichtlih, auf denen die politifche Entwidelung 
des Landes beruht. Berhältniffe die dahin zielen, Ele 
mente des focialen Lebens, die einer organifcen Fort: 
bildung fähig, beginnen erft mit der deutfchen Coloniſa 
tion. Das Land, von Alters ber dem Chrobaten und 
nachher den Ezechen gehorchend, trat zunaͤchſt buch die 
Vermittelung Polens, dem es Boleslaw Chrobry unter 
worfen, in nähere Berührung mit den Deutfchen, in 
den Staatenverband und die Religionsgemeinſchaft dei 
römifch-deutfchen Kaiſerreichs; fpäter fiedelten wie in den 
übrigen öftlihen Ländern auch hier deutfche Einwande— 
rer fih unter dem Schuge der Kirche und ber Polen 
feindlichen Herzoge an und riefen, wohin fie famen, 
deutfche Verhältniffe, Freiheit des Eigenthums, Körper: 
haft, ftändifhe Entwidelung ins Leben. Mit diefe 


Einbildung einer fremden Nationalität in die eigene be 


ginnt zugleich die duch alle fpätere Jahrhunderte fert- 
wirkende Abhängigkeit Schlefiens von dem gefammten 
deutihen Vaterlande. 


Es war in der Ungunft der Staatsverhältniffe eine di 


Darum 4 
es in ihrem Wefen — und ihre Gefchichte bekundet es —, de 
Entwidelung des Mutterlandes unbedingt nachzufolgen und ı 
einer jeden Zeit von den Einflüffen beftimmt zu werden, meld 
das große deutfche Kand bewegten. Was im Kerne Duty 
lands Großes volführt wird, entfcheidet zugleich über Edie 
fin. Bon außen wurde die Reformation und ihr Gegernzt 
wicht, der Iefuitismuß, gegeben. In plöglichem ſcharfen Bed: 
fel ändert bald die Mühlberger Flucht, bald der Paſſauer Fr 
trag, bald der Ausgang der Prager Schlacht, Guftun Welt 
Kader Siegeslauf, Karl's XII. Triumph und Fall fein & 
i 


Schon oben bemerkten wir, daß der eine Titel dei 
Werkes, bie Befigergreifung Schlefiens durch driehrid 
den Großen, nicht das ausſchließliche Thema des Bırkt 
anbeute, zu bem fich dann Die übrigen Theile des Bert 
nur wie eine übermäßig über zwei Bände ausgedehnt 
Einleitung verhalten würden. Die Anlage des Bed 


ift vielmehr, fo viel wir abfehen, auf eine hiſtoriſce 
Gruppe gerichtet, deren Mittelpunkt Friedrich der Ink 


und die Befigergreifung Schlefiens: an ihn lea fd 
wenigftens die übrigen Theile bequem als Glieder I 
die Gefchichte des Dreißigjährigen Krieges freilich, i 
man zugeben muß, in zu ausgedehnter Geftalt. 

fogleich die Darftellung der ftändifchen Verfaſſung Edl 
fing am Anfange des 16. Zahrhunderts und fur mr 
ber; denn die Grundzüge diefer Verfaſſung beftande 
noch als Friedrich der Große das Kand in Befig nah 
und diefe Befignahme lag, wie Hr. Wuttke erklärt, nich 
fowol in der friegerifhen That, als vielleicht eindrug 


licher no in dem Umſturz der altehrmwürdigen Dr 


faffung. 
Die Befugniffe nun, welche den Ständen der (hf 


fhen Fürftenthümer, namentlich der Erbfürftenthüme 


zutamen, übertrafen an Ausdehnung wie an inne 
Gehalte beimeitem die Rechte heutiger Stände, ja fe 
conftitutionneller Kammern: nicht nur daß Kitterfäsl 
und Städte fich felbft, nur unter Aufſicht der Zürken 


1055 


regierten,, fo beauffichtigten fie auch in ihrer fländifchen 
Bereinigung alle cerheblihen, das Land betreffenden 
Schritte des Herzogs und feines Statthaltere; von ih- 
nen Bing die Bewilligung der Steuern ab, die fie felbft 
erhoben; bei ihnen Sediglih und allein war bie geſetz⸗ 
gebende Bewalt, und allgemeine Landesordnungen wur⸗ 
den von ihnen entworfen, von ben Fürſten zum Geſetz 
erhoben. Die Gompofition der Stände ruhte auf rein 
bemofratifher Grundlage: ein Jeder, der Etwas zu be- 
deuten hatte, erfchien, fo er wollte, zur Berathung, bie 
meift von den Herzogen veranlaft wurde; jeder Stand, 
Corpus genannt, flimmte und beflimmte für fih. Auf 
folhen allgemeinen Landtagen, wo ein Zeder feine Mei⸗ 
nung vertrat, jedes Corpus für fich berieth und ftimmte, 
mag es denn oft gar lebhaft hergegangen fein, — wie 
ein Actenſtück des fchlefifhen Provinzialarhivs uns eine 
folde fländifhe Zuſammenkunft ſchildert. 

Hiernach waren alle Bufammengetretenen in einem engen 
Zimmer verfamnmelt, und Zeder ftand an der Stelle, die ihm 
gerade beliebte, nicht hübfch befcheiten an feinem feftgefenten 
Page. Ste ftehen, gehen herum und heraus, wie ed ihnen 
eben in den Sinn fommt; man unterhält fi) von ganz fremd» 
artigen Dingen, man ſchreit, fällt einander in die Rede und 
macht einen Lärm, daB daß eigene Wort kaum' hörbar if. 
Bon Ordnung feine Spur. 

Körperfchaften wie bie Stadtgemeinden und der Kle⸗ 
rus hatten meift ſchon früher. nur Vertreter abgeordnet; 
indem im Laufe des 16. Jahrhunderts, um der Laften 
und Koften diefer oft fehr häufig berufenen Landtage 
überhoben zu fein, auch die Nitterfchaft diefem Beifpiele 
folgte, kam es allmälig in allen Herzogthümern dahin, 
dag die fländifchen Befugniffe für gewöhnlich einem 
Ausfchuffe übertragen wurden, ohne daß man jedoch auf 
das Recht perfönlicher Theilnahme verzichtete. Wie 
überhaupt dieſes Zeitalter die allgemeinen Ordnungen 
begünftige und der Centralifation der Gewalten zuneigt, 
fo findet man jept in jedem Kürftenthum vier befoldete 
Landesoffiziere: den Landeskanzler, den Landesbeſtallten, 
den Randesfteuereinnehmer und den Ranbesichreiber; fer- 
ner in jedem Kreife als Borftände beftimmte Landes⸗ 
öltefte und eine befondere Landeskaſſe mit ben erfoder- 
Iihen Beamten. Seitdem wird auch der Befchäftsgang, 
überwiegend fchriftlich, um Vieles fünftlicher. Allgemeine 
Landtage, Kreistage und engere Landeszufammentünfte 
bilden nunmehr in der Art die fländifche Repräfenta- 
tion, daß die beiden erflen — die allgemeinen Landtage, 
zu denen die gefammten Profeſſionirten und die Depu- 
tirten der Stifte und Städte, das „Collegium von Land 
und Leuten‘ ſich bei hochwichtigen Angelegenheiten, vor- 
nehmlih zur Ermählung der lebenslänglichen Landes⸗ 
offiziere auf dem herzoglichen Fürſtenſaale verfammelten; 
und die Kreistage, auf denen die Stände eines einzel- 
nen Diftricts zur Abnahme ber Kreisfteuerrechnung, zur 
Vorbereitung befchloffener Maßnahmen und zur Wieber- 
befegung erlebigter Randesälteftenftellen zufammentamen — 
in ihrer fländifchen Thätigkeit gegen die Ausfchüffe, bie 
engern Landeszuſammenkünfte zurüdtraten. Diefe, wie 
fit auch wol genannt wird, ordentliche, vepräfentative 


Landeszufammentunft, aus den vier Landesbebienten der 
Kreife, den Landesälteften und den Landesdeputatis ge⸗ 
bildet, verfammelte fi) meift alle Monate, an einem 
Tage, den die Stände vorgefchlagen, der Landeshaupt- 
mann ausgefchrieben, um über bie allgemeinen „publi- 
quen“ Sachen der Fürftenthümer zu befchliegen. Der 
Landeshauptmann übergibt „corpori statnum‘ durch den 
Landesbeftaliten feine Vorfchläge, das Collegium zieht 
bie vorgelegten Propofitionen in Erwägung, ohne Bei- 
fein der Iandesfürftlichen Beauftragten „und sine ullius 
praesidio, allermaßen die Stände unter fi felbften 
fein Praesidium vorftellen”, jedes der Corpora, der Ba⸗ 
zone, Nitter, Prälaten und Städte für ſich und nad 
Stimmenmehrheit, indem darauf aus biefen votis col- 
lectivis der Landesbeflallte einen Schluß formirt. Diefe 
ſchriftlich abgefaßte „unvorgreifliche Randeserklärung der 
gefammten Stände” wird durch eine Deputation dem 
Zandeshauptmann überbracht. ber ben einzelnen Lan- 
besherzögen und ben Fürftenthumsftänden, deren gefon- 
berte Thätigkeit in feiner umfaffendern Wirkſamkeit all» 
mälig verringernd, ftand ber Fürftentag, auf welchem 
die Fürften und Stände des gefammten Schlefiens un⸗ 
ter Direction eines Oberhauptmanns die allgemeinen, 
auf das ganze Land ſich beziehenden Sachen beriethen, 
übrigens in ähnlichem umftändlichen Gefchäftsgange wie 
bie repräfentativen Landeszuſammenkünfte, und mit den- 
felben überwiegenden Borrechten der ftändifchen Glieder, 
nur daß die Zürften, indem fie auf die Propofitionen 
ber Töniglichen Commiſſarien den erfien Rathſchlag ga⸗ 
ben, hier am meiften in den Vordergrund treten: ber 
König von Böhmen als oberfter Herzog von Schleſien 
fann Beachtung feiner Artikel nur bitten, und feine 
Commiffarien müffen mit dem erhaltenen Beſcheide zu⸗ 
frieden fein. Mit diefem Fürftentage hingen außer dem 
zur Wahrung der Brundgefepe beftellten Oberhauptmann 
noch Die ebenfalls das ganze Land umfaffenden Behör- 
ben, bie finanzielle ide8 Generalfteueramts und bie ge- 
richtliche des Oberrechtes, zufammen.. Man fieht, die 
Summe der öffentlihen Gewalt liegt in den Händen 
diefer fländifhen Gorporationen und in ihren Tagen; und 
wie demnach die Randesherzöge und die Staͤnde frei 
von jeder obern Bevormundung in ihrem Gebiete wal⸗ 
ten, fo duldet die überall Hindurchblidende Selbftändig- 
feit des Lebens auch nicht ben Gedanken an eine anger 
borene Oberherrlichkeit des oberften Herzogs. Der vä- 
terliche Thron wurde, wenn auch die Stände meiftens 
ben Sohn in ber väterlihen Würde annahmen, der 
rehtlihen Idee nah duch die Wahl bes fchlefifchen 
Fürftentags in Gemeinſchaft mit den böhmifchen und 
laufigifhen Ständen befept, wie dies Ferdinand I. in 
feiner 1527 den fchlefifchen Ständen ausgeftellten Ver⸗ 
fiherung befennt, nur auf fein 

fleiffiged anlangen und begehren, Sie wollten uns auch der» 
maffen, wie zu Böhaimb gefcheben, zu einem König erwöhlen, 
annehmen und gefallen laſſen, übrigens ohne einigerlei Pflicht 
vor begebener ab. Dieweil es dann am Lage ift, daß ge» 
melte Fürften, Herren und Stände der Lande Schlefien uns 
auf Anlangen und Begehr frei und gutwillig zu einem Könige 








r 


1056 


und Erbherrn erwehlet, erkohren und angenommen haben, fo 
fol und mag ihnen und ihren Nachkommen die Wahl, fo uns 
zu Böhmen gefchehen, zu welcher fie auff diesmal nicht gefor: 
dert, an ihren privilegien, Freyheiten und Gerechtigkeit, wie 
fie die einigerley deßhalben hatten, Feinen Schaden oder Rad): 
theil gebähren oder einführen. | 

Freilich hing aber auch bei diefer mehr auf Gewohn⸗ 
beitörecht beruhenden Verfaſſung das wirkliche Maß der 
töniglihen Gewalt ebenfo fehr von der Perfönlichkeit 
und den andermweitigen Hülfsmitteln des oberften Her- 
3096 als von dem Charakter ber ihm gegenüberftchen- 
den Zürften und Stände ab. So hatte ſchon früher 
nad) erfhöpfendenm Kampfe mit Böhmen Matthias Cor- 
vinus die centrale oberherrlihe Gewalt erhöht: der friege- 
müden Gemeinde zu Breslau ließ er rathen, ſich fortan 
um die Stadtgefhäfte nicht zu fümmern, fondern ihrer 
Nahrung zu warten: | 

Man muß Euch jo weit bringen — fagte er —, daß Ihr 
Euch nicht unterfanget, mit Königen zu Eriegen, Königen un: 
gehorfam zu fein und fie Keger zu heißen, Ihr Bauern von 
Breslau. 

Noch kräftiger flieg die Eönigliche Macht durch die 
Sorgfalt, welche die oberften Herzöge den allgemeinen 
Landesbedürfniffen, der Abftellung des greufichen Fehde— 
wefens, dem Verkehr, der Policeiordnung widmeten. 


(Die FZortfegung folgt.) 


Literarifhe Notiz aus England. 


Bemühungen für Wiederbelebung der erfijden 
Sprade. 

Es ift eine eigenthünnliche Zeiterjheinung, daB man es 
fih überall angelegen fein läßt, beinahe erlofchene oder dem 
Erloͤſchen nahe Sprachen wieder zu beleben und damit auf den 
Trümmern zerftörter oder zu Grunde gegangener Nationalitä: 
ten die Bedingungen erneuerter volksthuͤmlicher Entwidelung 
zu ichaffen. Ob Dies bei der univerfellen Richtung, welcher 
Seifter und Ereigniffe augenfcheinlich zuftreben, auf die Dauer 
gelingen wird, ift freilich cine Frage, die nur von Wenigen 
bejahend entfchieden werden möchte. Wie in Der politifchen Ge: 
ftaltung der Reiche das Gefeg der Schwerkraft ſich umwider: 
ftehlich geltend macht, jodaß die Mächte von allgemein ftaat: 
licher Geltung Immer weniger werden müffen, fo läßt fi ein 
ähnlicher Gang audy von den verfchiedenen Sprachen voraus: 
fagen: wo die Bedingungen der Affimilirung vorhanden, wird 
das Schrifttum der großen Sprachſtaͤmme über das der we— 
niger verbreiteten endlich den Sieg davontragen. Holländiſch 
und Flämifch 3. B. werden, in ciner nicht fernen Zußunft viel: 
leicht, wie heute das Niederdeutfche nur noch auf den Eharaf: 
ter des Dialekts Anfpruh zu machen haben. Sprachen hin: 
gegen, welche vereinzelt ohne ftammverwandte Sprachmacht, 
welcher fie ſich anfchließen können, daftehen, werden und müffen 
untergehen, trog aller Anjtrengungen, ihnen neues Leben ein: 
zubauchen. Auch in Irland, dem Smaraydeiland, find feit meb: 
ren Sahren dergleichen Bemühungen gemacht worden, um bie 
alte erfifche Sprache wieder zu Anfehen zu bringen und mittels 
derſelben das Volk, welches fie noch fpricht, zu unterrichten. 
Eines der eifrigften Mitglieder der Gefellfchaft, welche jich vor 
längerer Zeit zu diefem Zwecke gebildet, Chriſtoph Underfon, 
bat unlängft eine in folhem Sinne abgefaßte Schrift: „The 
native Irish and their descendants“, veröffentlicht. Wenn man 
aber erwägt, daß in jenem Lande in Folge der allenthalben 
errichteten Schulen die englifhe Sprache allgemein verftanden 


wird: fo läßt fi vorausfehen, daß diefe Bemühungen ihres 
Ziels irregehen müffen. Denn fehr wahr bemerkt eine engliihe 
Zeitſchrift bei Beurtheilung diefer Schrift: es gelte nicht nur 
eine vorhandene Sprache zu erhalten, fondern eine neue wirt: 
li) zu fchaffen, da feit 400 Jahren die erfifche Sprache ohne 
alle Fortbildung mit dem Zortfchritt der Gefittung nur im 
Munde des ungebildeten Volkes geblieben und fie de&halb nim: 
mermehr das Werkzeug zum Unterricht und zur Erziehung det 
Volkes abgeben Fönne, wie ſolches von dem gegenwärtigen Brit 
alter beanfprudht werde. „Es fragt ar nicht”, äußert der 
Kritiker, „ob das Keltifhe in der That eine beflere Sprache ik 
ald das Engliſche. Niemand leugnet wol die Vortrefflihkeit 
des Provengalifchen vor dem Beutigen Franzöfifchen; aber Din: 
jenigen wird man mit Recht für einen Narren halten, der jr 
ben Berfud machen wollte, die Langue d’oc als Rational 
ſprache wiedereinzuführen. Es handelt ſich einfach darum, c 
das Irifche, wie es dermalen beſchaffen, reich und biegſam genus 
ift, um ald Mittel zu dienen, Kenntniffe ins Volk zu bringen, 
wie fie das 19. Zahrhundert erfodert. Die eingefleifchten Keiten 
werden ſich genöthigt fehen, die Frage verneinend zu bet: 
worten. Sie mögen immerhin behaupten, daß ihre Sprike 
der Ausdehnung und der Entwidelung fähig ift — aber die ır- 
foderlihe Entwidclung würde der Erfhaffung einer neun 
Sprache gleihfommen —; und während eine folche fid im Bi: 
dungöproceß befände, müßte das Englifche Doch die Sprade ii 
Unterriht& und der Erziehung bleiben — und auf diefe Brit 
würde fie die Nothwendigkeit irgendwelcher andern überfluin 
ericheinen laſſen.“ Diefe Betradhtungen fönnen ſich auch unfer: 
Stawophilen zu Herzen nehmen, befonders jene, die darı 
träumen, daß fie die wendifche Bevölkerung in Der Kaufig Lurd 
Schriften in einer Sprache bilden können, von der fie drei Pur: 
theile felbft erfunden, oder aus Ezechifchem, Rufjifchem, Polniicen 
und IUyrifhem zufammengetragen haben. N. 





— r — — — — 





Bibliographie. 


Ahrens, E., Johann Hornung, der Schöpfer wmierer 
Eſthniſchen Kirchenſprache. Zur Ehrenrettung des Untetrüd: 
ten. Reval, Kluge. 18495. Gr. 8. 15 Ngr. 
Braune, K., Monnika und Auguſtinus. Ein bieg 
phiſcher Verſuch zur rechten Würdigung der Macht des Ch: 
ſtenthums. Grimma, Gebhartt. 5. 27 Nor. 

— — Des Weibes Stellung und Bedeutung. Ein Ei: 
tray. Grimma, Gebhardt. 8. 8 Rgr. 

Drei Bücher von Kirche und Staat. Aus den Pariren 
des jcheintobt begrabenen Rechtsanmalts. Iftes Bud. Grin, 
Gebhardt. Gr. 3. 12 Ngr. , 

. Beuerbad, F., Allgemeines Formularbud für Geſchei 
männer jeder Art in den deutfchen Bundesftaaten, fomchl ft 
den Öffentlichen und Gemeindebeamten, als für den Birzr 
und Landmann. Ulm, Ebner. Gr. 8. 1Thlr. 8 Ror. 

Gengler, H. ©., Quellengeſchichte und Syſtem des im 
Königreihe Bayern mit Ausfchluß der Pfalz geltenden Privat: 
rechts. After Band: Einleitung und Quellenkunde. Erlangen 
Palm. Gr. 8. 17%, Nor. 

Heinroth, 3. C. A., Lebend:-Studien oder Mein It 
ment für Mit: und Nachwelt. Mit einer DBorrede ven ®. 
Hermann. ?ter Band. (Schluß) Leipzig, D. WBigand. N 
1 Zhle. 

Hop 
Menschen in der praktischen Heilkunde. 
Vorlesung. Bonn, König. 5 Ngr. 

Sachſens Regierung, Stände und Bolt. Manheim, Bei 
fermane: 8. 20 Ror. 

Weckſtimme eines Deutichen zur allgemeinen Belebung des 
deutſchen Volkes. Grlangen, Palm. Ib. 15 Rear. 


pe, J., Das Princip der geistigen Erhebung dei 
Eine öffentlide 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockkans. — Drud und Verlag von F. WE. Brockhaus in Leipzig. 





Blaͤtter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 





König Friedrichſs des Großen Befigergreifung von 
Schleſien ıc. dargeftelt von Heinrih Wuttke 
Zwei Theile. 

(Beortfehung aus Nr. 264.) 

Die fchlefifchen Reformationsgefchichten haben bei der 
durchgängig fihtbaren Abhängigkeit Schlefiens von dem 
deutihen Leben darin ihr hauptfächliches Intereffe, daß 
wir hier auf abgegrenztem Raume, in einer beflimmten 
Eandesphufiognomie den Ausdrud ber Motive beobach⸗ 
ten, welche das geſammte deutſche Vaterland in ſeiner 
geiſtig reichſten Zeit bewegen. Freilich geſtatten die ſpar⸗ 
ſam fließenden Quellen nicht eine genauere Auseinander⸗ 
haltung der Begebenheiten, wie wir in Sachſen nad) 
Ronaten, ja nach Jahren fie durchführen können: indef 
genügt es auch, wenn von dem bewegenden Gentrun der 
Reſormation aus die allgemeinen Momente — das Zerfal⸗ 
len ber bisherigen kirchlichen Zuftände und das Aufkommen 
teinerer reformatoriſcher Tendenzen, die Ruͤckkehr zu dem 
Grangelium und der Rechtfertigung aus dem Glauben, 
die Geſtaltung der veligiöfen Bewegung zu einer der 
umifh-tathofifchen gegenüberftehenden Kirche — als ord» 
nende Rubriten gegeben find, um wieberum der allge- 
Meinen Reformationsgefchichte in den bier vorliegenden 
individuellen Creigniffen und fpeciellen Daten die er 
wünfchtefte Vervollftändigung zu Theil werden zu laffen. 
So finden fich befonders zahlreiche Belege für das Ver 
duben und die. Verachtung, in welche aud bier bie 
rimiſch⸗ katholiſche Geiftlichkeit verfunten: wie z. B. die 
Shutzrede des breslauer Rathes auf ein päpftliches Ab- 
Bihnungsfchreiben fagt: 

Bir mußten von ihnen daß ewige Leben kaufweiſe an uns 
bringen, welches, das ewige Leben, ein jeder nach feinem Ge: 
allen, hoch oder nieder, theuer oder wohlfeil, geſchaͤtzet haben. 
Dieſer obgemelter Pfarrer (zu Sanct Maria Magdalena) uff⸗ 
at und Schinderei habt ihr euch von Jugend auf vor göttlich 

zut Ding eingebildet. Dann es fei jemandes geboren oder ge: 
torben, fo iR alles denfelben Pfarrern zu Sins und Wucher 
jelaufen. Uber, das am allererbärmlichften ift, feyn die Tod⸗ 
en etwas höher, denn die Lebendigen gefchäget worden, daß 
uch wohl zu glauben ift, daß der poetiiche Eharon ihr vie: 
im nicht fo befhi 
iſen —; 
re einft in Breslau im 3. 1515 die Abtiffin der Cla— 
flerinnen und, der Abt des Franciscanerkloſters vor al 
© Welt ſich Sffentlich ‚geprügelt,; — da Tief. das Bolt 


g geweſen ift als unfere Pfarrer in Begräb: - 


zuſammen, fah zu, Tachte und rief: „In nomine domimi 
taufen fih Mönche und Nonnen!“ — wie 1499 ein 
Herzog zu Sagan, als ihm in Rom die Ehre bes Fuf- 
kuſſes angetragen wurde, ermwibert: „er ſehne ſich nicht 
nad) ſolcher Rederei”; wie endlich das Volk, als der 
päpftliche Ablaf ausgeboten mwurbe, über die Vergebung 
gefpottet, welche „des Satans Maftfchweine, die Herren 
Patres‘‘, austheilen wollten. Ausführlicher und motivie- 
ter wäre wol der Einfluß diefer Birchlihen Bewegung 
auf die Zuftände Schlefiens barzuftellen: hier erwähnt 
der Verf. nur die Begünftigung monardhifcher Richtun⸗ 
gen und bemerkt am Schluffe diefes Abfchnitts im All⸗ 
gemeinen: 

Die Umwälzung des Kirchenwefens, die, wie wir fahen, 
in dem Misverhältniffe zwifchen der vorgefchrittenen Bildung 
und ber Form des Birchlichen Lebens begründet war und aus⸗ 
ging von Preſſe und Kanzel, hatte ſich alfo vollzogen. Die 

olt6bewegung nahm einen ruhigen Gang, weil die Obrigkeis 
ten fi) an ihre Spitze ftellten. Das ganze Anſehen Schlefiens 
atte fi inzwiſchen weſentlich verändert: die Kirche war auß 
ihrer abgefonderten Stellung herausgeriffen und untergeorbnet 
dem fort und fort fi erweiternden politifchen Spftem der Aü- 
gemeinheit; auf ihrem Ruin hatten Städte und Fürften die 
eigene Hoheit erheblich erweitert. Das Gewicht bes einzelnen 
Geiftlihen war geblieben: ehedem war'& eine gebietende äußere 
Macht, rechtlich oder mindeftens durch das Herfommen bes 
gründet; jegt wurde es ein tiefareifender Ginfluß, den jeder 
Prediger fi felbft mit Mühe und Arbeit erworben hatte. 
Der Menſch ift im Ganzen freier und geläuterter geworben; 
die Reibung wird Jedem ein Stachel zur Außerften Kraftan- 
firengung. Alles Tann herrlich gedeihen, wenn Einficht, Pflicht 
und Wohlwallen die Regierenden lenkt. 
. Natürlicy ging auch Hier diefe veligiös-kirchliche Um 
wandlung nicht ohne Kampf ab. Schon während bie 
Reformation in Schlefien fi) ausbreitete, vernahm man 
bier und da von Verfolgungen evangelifcher Geiftlichen 
und von einzelnen doch wirfungslofen Angriffen gegen den 
gereinigten Cultus; eine entjchiebenere Reaction gegen 
das Lutherthum begann unter Leitung bes oberften Her⸗ 
3096, Ferdinand's von Böhmen, als in dem Schmalkaldi⸗ 
ſchen Kriege die Stände Schlefiens den gefoberten. Zu⸗ 
zug vermeigert, leider aber in ihrer Zwietracht mit den 
Böhmen eine gebietende Stellung einzunehmen verfäumt 
hatten, bie Mühlberger Schlacht alfo auch ihr Schickſal 
entſchied. In kirchlicher Beziehung blieb es indeß bier bei 
Berfuhen. Wie gern auch die Römifch-Katholifchen ben 








ı 0, 
günftigen Zeitpunkt benugt, um der Neuerung wenig- 
fiens in den unmittelbaren Herzogthümern ein Ende zu 
machen — man begann fihon die evangelifchen Geift- 
lichen zu vertreiben, und im Jubeljahre 1550 fandte 
Papſt Zulius einen Legaten zur Hexſtellung des alten 


Kirchenwefend — : fo mußte man doch bald erkennen, wie 


der evangelifhe Geift ſchon zu tief in dem Volke Wur- 
zel gefchlagen, als daß eine Vertreibung aller evangeli- 
ſchen Geiftlihen möglich gemefen. Die Misverhältniffe 
Ferdinand's zu feinem Bruder unterflügten ebenfo wie 
der Sieg der proteftantifchen. Sache unter Morig bie in 
dem Lande felbft erwachende Reaction, und der Augs— 
burger Religionsfriede gab auch bier dem Proteftantis- 
mus Schug und Frieden. Beimeitem nachhaltiger wirkte 
Ferdinand's Gieg auf die politifche Lage des Landes 
ein, wenn auch die Fürbitte des breslauer Biſchofs und 
ſchleſiſchen Oberhauptmanns, des milden Balthafar von 
Promuiq und die eigene Einſicht in die Nachtheile, welche 
die zu harte Behandlung der Böhmen und Lauſitzer ihm 
fetsft getragen, Schlefien vor ähnlicher Bebrüdung be» 
wahrten. Sein nur legthin noch angefochtenes Anfchen 
im Lande zu erhöhen, die Machtvollkommenheit des ober- 
fen Herzogs den fländifchen Rechten gegenüber zu ftei- 
gern, dazu wurde diefer Augenblid des entjchiedenen 
Uebergewichts raſch und mit glücklichem Erfolge benugt. 
Befonders anf die wibderfpenftigen Städte fohien man es 
abgefehen zu haben: der ihnen auferlegten Geldfirafe 
folgte bie Abſezung aller 1546 thätigen Bürgermeifter, 
em Berbos gegen die Berathungen der Obrigkeiten mit 
den Gemeinden — satis dietum est intelligentibus, meint 
ein zeitgenoffifcher Geſchichtfchreiber — und die Aufhebung 
der Zünfte, Innungen und ihrer Freiheiten. 

Diefe Berordnu ‚ welche bei der. herrfchenden Ermu: 
thigung einen Bireritand fanden, gaben der Selbſtändigkeit 
der Städte beinahe den Todesſtoß. Es hatte den Anſchein, 
als wolle Ferdinand fie wie Fönigliche Kummergüter behandeln. 
Die eigenmädtige Thaͤtigkeit der früheren Geſchlechter ſchwin⸗ 
det, der Gefichtskreis des Bürgers in den folgenden Jahrhun⸗ 
derten fchrumpft fichtlich zufammen, das Anſehen der Staͤdte 
verfält rafd. Über den Gebeugten erhob ſich ihr oberfter 


Herzog, deffen Bedeutung in dem Maße zunafm als bus 
Land beffer centralifiet wurde. 


Den ftändifhhen Behörden, dem: Beneralfteueramt 
und dem Oberrechte, gegenüber: ſetzte der Sieger das 
neueingerichtete Appellationsgericht in Prag zur höchften 
Inſtanz für die fchlefifhen Berichte und: eine königliche 
Kammer zur DBerwaltung der Regalien und feines ge- 
ſammten Einkommens in Breslau nieder. Seit diefer 
Seit mußten: die Erbfürſtenthümer in des Könige Krie⸗ 
gen NRitterdienft feiften, und die einzelnen. Landeshaupt- 
Iqute wurden dem oberfien Hauptmann mehr und mehr 
untergeerdnet. Dem Yürftentage gegenüber nahm. ber 
oberfte Herzog eine gebietendere, an. die Gerechtſame ber 
 Crände: wenigen gebundene Stellung. ein. 


(Der Beſchluß folgt.) 





1853 


Briefe aus und über Tirol, gefchrieben in den Jahren 
1843 — 45. Ein Beitrag zur nähern Chart. 
riſtik dieſes Alpenlandes im Allgemeinen und der me 
raner Gegend insbefondere von E. von Hartwig. 
Mit Anſichten von Schloß Tirol und vom Schim 

gebirge, und vier meteorologiſchen Tabellen. Berlin, 

Dunder u. Humblot. 1846. Gr. 8. 3 Thlr. 15 Ngr. 


wei Gründe haben den Verf. vorzugsweiſe beftimmt 
feine „Briefe aus und über Zirol” zu veröffentlichen: einmil 
war es fein Zwed, die geographiſchen, ethnographifchen und 
bifterifchen Verhaͤltniſſe nach allen Seiten hin mit Gruͤndlich 
deit und Unparteilichkeit zu beleuchten und damit einen Bei: 
trag zu einer Charakteriſtik des Landes im Allgemeinen zu ge 
ben; daneben leitete ihn aber auch der fpecielle Wunſch, Der: 
jenigen, welde, wie der Verf. felbft, fich durch Bruftleiden 
veranlaßt finden follten, das milde Klima von Suͤdtirol auf 
fuchen, manche nügliche, auf unmittelbare Erfahrung geftitt 
Winke zu geben. Um fi zu einer längern Reiſe nad AUrel 
vorzubereiten, bat der Verf. viele Studien in den betreffinten 
Werken gemadt. „Obwol nun”, fagt er, „die Literatur über 
Tirol keineswegs arm zu nennen ift, fo entſprach dod kind 
der vochandenen Bücher Dem was ich ſuchte. Beda Warr 
«Das Land Zirol» (3 Thle.) enthält außerordentlich viele un 
höchſt intereflante Details, aber es fehlt ihm, außer einem genügen: 
den biftorifchen Überblick, eine gewiffe Überfichtlichkeit des Stoft 
namentlich habe ich eine Mare Anfchauung der geographiiie 
Berhältniffe fehr vermißt. Staffler's «Tirol und Norarltıry 
gibt ein unfchägbares Material für Den, welcher ſich über de 
ftatiftifchen Verhältniffe Tirols belehren will, ift aber für cin 
Nicht: Einheimifhen von geringerm Intereffe und kann eat 
ih nur zum Nachſchlagen benugt werden. Lewald's 2f 
darf wol Baum einen andern Anſpruch als: den einer lid 
Unterhaltuug machen. Ginzelne Gegenftände, wie ;. D. % 
Geſchichte des Jahres 1809, find zwar vielfach und ausführih 
behandelt worden, dennoch fehlt auch diefen ein allgemeiner b: 
ſtoriſcher Überblid der ganzen Geſchichte, oder theilß hifrildt 
Grundlichkeit, theils Unparteilichkeit.” Im Buche felf 1 
fih dann nech eine ungemeine Belefenheit. Man erfant 
auf jeder Seite, wie dem Berf. die Liebe zu Tirol tief mb pt 
ewachſen ift, und hat zugleich alle Urſache ſich über feine lube 
angenbeit, Ruhe und Klarheit zu freuen: Eigenſchaften cu} 
Literaten, welche fo leicht in Sefabr fonımen, wenn eine beſen 
dere Borliebe zu einem Lande und Wolke ihm: die Weder bemz 
Das kefende Publicum dürfte duch den Titel des Bud 
gar Weiche etwas getäufcht werden. Damit ſoll aber naht 9° 
rade ausgeſprochen fein, als ob der Zitel des Bude Ihr 
haupt nicht ganz richtig wäre, fondern daß dieſe Ridtigfet 
worüder fidh erft nach dem Lefen des Werkes urtheiln IR, 
anderes Urt if als vorher nach der Dauptüberfcrift w Ir 
halt vermufbet werden: konnte. Briefe aus und über Tin. 
Wer Das lieft, wird unwillfürlich am Die gersaltige Bist M 
leichten und fehr oft Teichtfertigen. Neifebefchreibungen da 
vielen männlien und weiblichen fchöngeiftigen Zouriften cu 
nert. Mef. gefteht nun ganz unverholen feine Schwäche, M! 
einem zu ſchnell fertigen Vorurtheil das Buch zur malt 
Durdfidt zur Hand. genommen zu haben. Er verfprad # 
von dem Werfe auf einige Tage angenehm unterhalten p— 
werden; er machte jıch gehapt auf modern ausſtaffirte Bar 
beit und Dichtung in Reifeerlebniffen, in ſtark gefärbten Ei 
der» und Wölfergemälden, in ausführlichen Beſchreibungen M 
Städte, Dörfer, Yaläfte und Hütten, der Bildungshöhe, I 
fiti® und Kirchlichkeit, der Kleidung, Gitte und Gharaftek‘ 
fligfeit des Tirolers: — überhaupt er erwartete nicht Wehr a 
nicht Zeniges als eine eben jene hoͤchſt beliebte Belletri 
Erhnographie, mit fabricirten Reiſeabenteuern und feinftet 
Hieit durchwũrzt. Indeß er täͤuſchte fich! Wach dem Leſen* 
niges Biäkter: Rand die uͤberugig on fi, deß er [MM 


wreilig e Erwartung, wieder aufgeben müßte. Deu 
Werth des Buches war underkennbar ein fehr folider, von Dem 
ſich nücht anders als mit hoher Achtung reden läßt. Der 
Berf, beberricht den Stoff feines Werkes wie -ein ſtimmberech⸗ 
tigten Sachkenner: er tritt mit zuverſichtlicher Entſchicdenheit 
af, wie ein Mann, der feine Tuͤchtigkeit fühlt und der Über 
yuzung lebt, daß feine Urbeit einen bleibenden Werth haben 
werde; er führt überall eine ernite, inhaltsrciche, fhöne Sprache, 
welche in einer wiſſenſchaftlichen Gründlichdeit wurzelt, aber 
doch überall leichtfaßliche Früchte trägt, die von jedem gebil- 
deten Denker mit Beifall und Dank entgegengenommen wer 
den. Ganz befonders interefiant if die geographiſche Seite 
des Buches; fie hut fich Die neue, von dem genialen Ritter ins 
Jeben gerufene vergleichende Erdkunde, welche underwandt das 
eine Auge auf die Natur, das andere auf den Menſchen und 
kine Geſchichte gerichtet bat, in den vier erften Briefen zur 
Richtſchuur genommen und ift im Verfolge derfelben durchweg 
ſehr glücklich geweſen. Da indeß dies Anterefie Bein ullge- 
meines, fondern mehr ein fperielles, für die Geographen von 
dach berechnete ift, fo hat der Verf. wohl gethan, fi ge 
sode in diefem Theile feines Werkes nur auf das Wiſſenswuͤr⸗ 
digfte zus beichränden. Der hiftorifche Theil bildet den Haupt» 
fonds des Buches; er bringt uns in ſechs Briefen eine po 
pelaire Geſchichte von Tirol, welche in jeder Hinſicht aus» 
eignet ift, aber ganz beſonders beacdhtenswerth wird durch 

euheit der Anfichten über die neueften Vorfälle Zirole. ‚Der 
Berf. führt bier eine begeifterte feurige Sprache. Er ift ein 
edler warmer Menfchenfreund, den Wahrheit und Wirklichkeit 
die einzigen Leitflerne, Ziel und Zweck find; darum fieht man 
ihn bier auch beftändig mit einem ſcharf gefchliffenen Pritifchen 
Schwerte fih Bahn brechen. Er theilt manche Diebe auß, 
welche oft auf Leben und Tod geben, er deckt mande Blößen 
auf, weldye mit Sorgfalt und durch Rüdfichten bisher bemän- 
telt gewefen find; aber er thut es nirgend ohne triftige 
Gründe. Dem tirofer Volke und Lande ift er mit heißer Liebe 
jugetban, aber diefe Liebe macht ihn nicht blind, er fieht 
ebenſo Ear Lie ſchwachen wie die ſtarken Seiten dieſes liebens⸗ 
würdigen Menfchenfhlags und weiß herrlich ins Licht zu ſtel⸗ 
ien, wie all daß viele Unglück, welches über dies thatkräftige 
Bölkchen Fchon feit Jahrhunderten hineingebrochen ift, rein nur 
der fehlerhaften Leitung und Benugung der Großinadht zur 
pr print werden Tann, welcher es den Uinterthaneneid ge 
eiftet habe. 

Berlaffen wir den allgemeinen Faden unferer Beſpre⸗ 
dung und wenden wir und mehr dem ©peciellen zu, fo muͤſſen 
wir die Schilderungen der Jahre 1703 und 1809 als fchr ge 
lungen bezeichnen; der Verf. hat diefe Glanzpunkte der tiroles 
Geſchichte fo recht überfichtlich offen vor die Seele feiner Lefer 
geführt. Won beiten Jahren wollen wir das Eine oder dad Andere 
wur Mittheilung bringe . Der Kurfürft Marimilian Emanuel 
ven Baiern war den 17. Juni 1703 mit einem Heere von etwa 
12,000 Mann eigener und franzöfifcher Truppen in Tirol ein 
gedrungen; Kufftein, Hall, Innsbrud waren in feinen Hün- 
den, ehe das Bolk fi von dem Schrecken der Überrumpelung 
erholen Eonnte. „Am 3. Suli, alfo am Zage nah dem Ein» 
juge Maximilian Emanuel's in Innsbruck, ftanden die verei- 
nigten Landeövertheidiger unter Merdinger und Brandis, fc» 
wie die meraner Schügen unter Flugi, mit 350 Mann negrel 
liſcher Musketiere, in der von den Baiern geräumten Ver: 
Mhanzung auf dem Brenner und wirfen biet den Angriff fo 
mergifh zuruͤck, daß ber Feind an 100 Mann verlor, wäh: 
tend von ihrer Weite — ald Beweis, wie vortheilhaft die Gtel- 
lung fein mußte — nicht ein Mann verwundet wurde. Schon 

man im Begriff, in die Dffenfive überzugehen, als der mit 

Mann Imfanterie und SU Dragonern herbeieilende oͤſtrei⸗ 
chiſche General Guttenſtein, aus völlig unerklaͤrlichen Gründen, 
den Kückzug nad) Sterzing befichit und den flaunenden Baierr 
die Verſchanzung freimilig überläßt. Welche Abſicht der Ge; 
neral: bei dieſem widerfinnigen Manoeuvre haste, it um fo un⸗ 
begreiſlicher, als er, Daum in der- Gegend von Gitrging- ange 


| 
| 


fommen, wa er von dem ins Unmuthe nad Hauſe yi 

den größten See des Landvolks verlafien fieht, 8 u. 
kehrte, — aber freilich, um den Poſten ſchon vom Feinde be 
feat zu finden. Überdies mußte bier ſchon Kunde von den gün- 
Pigen Vorgängen an der pontlager Brüde eingegangen Pin, 
bie um fo mehr, wenigftens zum Feſthalten der Verfſchanzung 
anfgefodert haben follte. Im Oberinnthale war nämlid, und 
zwar bier ausſchließlich, vom Landvolle — denn man weiß 
von keinem dabei betheiligten Adeligen — unter Benutzun 
bee überaus vortheilhaften Zerrainbildung ein Schlag u 
die unter Marquis von Novion und Grafen Zauflirdgen 
zur Befegung der Finſtermünz hinziehende Truppenabtheilun 
bef&loffen. In demſelben Wirthshauſe zu Lande, wo die 
bairtfhen Offiziere und Soldaten fehmelgten, wurde am 29 
Juni von dem Wirthe felbft, Johann Linfer, zu dieſem Zwecke 
eine Verſammlung feiner Vertrauten gehalten. Beſonders auf 
Undringen des Guraten Landerer von Perfuchs wurde der al« 
Ierdings mit wenig Gefahren für die Pundigen Angriffe ver« 
bumdene Plan verabredet, den an Zahl fo geringen, faum 350 
Mann ftarden Feind in dem engen Innthale bei der pont⸗ 
lager Brüde zu überfallen. Zu dem Ende wurden Boten an 
den Pfleger von Laudegg, Andreas Sterzinger, mit dem mar 
fh fchen im Allgemeinen vorher verftändigt hatte, abyefcndet, 
damit diefer mit den Dverländern die Bruͤcke abtrüge und die 
nöthigen Vorbereitungen zur Vernichtung des Feindes träfe. 
Mit greßer Umſicht wurden alle Anſtalten von Sterzinger ge: 
troffen, jede Communication mit Lande unterbrechen, bie 
Brüde am 30. Juni abgetragen, und die Steinbatterien am Fließ 
berge, fowie die Verhaue, welche man gemacht, mit 400 Mann 
und 100 außerlefenen Schügen befest. Man muß die Ber 
ſchwiegenheit bei fo vielen Mitwilfenden bewundern; denn dem 
Beinde blieb der unter feinen Augen befchloffene Plan vollkom⸗ 
men verborgen, fodaß er am J. Juli, chne Kundſchafter, chne 
einen Zortrab voranzufenden, man Pann fagen blind in fein 
Verderben rannte. Erft in dem YAugenblide, wo fi die Go: 
lonne der Brüde näherte und im Bereihe der Steinbatterien 
und der verftedt liegenden Schügen angekommen war, fchöpfte 
man Berdacht; aber es war Dies auch zugleich der Augenblick 
ber Entfcheidung. Ohne Widerftand Leiften zu fönnen, wurden 
die von Schrecken betäubten Truppen, in dem ſchmalen Raume 
zwifchen dem reißenden Strome und der fteilen Felswand des 
Fließberges eingeengt, mit einem Hagel von Steinen, Fels: 
ftüden und Kugeln überfchütfets wer mit dem Leben davonge⸗ 
fommen war, fuchte in eiliger Flucht nad xande feine Net 
tung. Hier aber empfing die Gefchlagenen und Gehetzten bie’ 
landecker Sturmmannſchaft, und es entftand an der Inn: 
brüde und in den Käufern des Dorfes ein neues furdtbares: 
Gemetzel, wobei denn wieder die ganze Wuth des losgelaſſenen 
Bolksgeiſtes ſich geltend niachte. Die Anführer: Maraquiß von: 
Kovion, Graf Tauffirhen und ein paar andere Dffiziere, die 
mit einigen 230 Bragonern glüdiich durch Lande! gekommen 
wären, wurden an der zamfer Brüde gefangengenommen, 
fodaß nicht ein Bann entkam, der dem Kurfürften von: 
diefer Niederlage Kunde bringen konnte. Bon den Land 
leuten war übrigens diefer Sieg — wenn man bie geführlofe 
Niedermegelung von 350 Menfhen durch nahe an 4000 einen 
Sieg nennen will (id) kann darin nicht die große Deldenthat 
finden, wozu die tiroler Gefchichtfchreiber fie erheben wollen) — 
fehr mwohlfeil erlauft worden; nur ein Mann war getötet, 
e freilich: verwundet worden, denn die Baiern hatten wie 
Perzweifelte gefämpft.” Allerdings läßt fich diefer Sieg, für 
fi. genommen, durchaus nicht als Heldenthat begeichnen,, das 
gegen kann doch nicht in Abrede geftellt werden, daß der erfte 
Entichluß des Volkes, unter den fo ſtark bebrängten Umfän« 
den: dab Fremdherrſcherjech abzuwerfen, diefe That zu einer 
eldenthat geftempelt hat, woraus dann fpäter noch eine ganze 
eihe von: unbedingsen Heldenthaten erwachſen ifl. 


(Dee: Beſcluß folgt.) 








0 


Venezianiſche Nächte von Eduard Maria Dttinger. 
Zwei Bände. Leipzig, DO. Wigand. 1846. 8. 2 Thlr. 


Wer licht das Benedig nicht, wie ed George Sand in 
ihren Eleinen Rovellen fo reizend gefiltert hat? „Venedig, 
du einzige Stadt, die nicht durch die Hand, fondern durch den 
Geift des Menſchen gefchaffen ift, die du gemacht fcheinft, um 
den Seelen der Gerechten zum vorübergehenden Aufenthalt zu 
dienen und für fie eine Stufe von der Erde zum Himmel zu 
fein ; Paläfte, einft von Keen bewohnt, die noch jept ihren ma» 

ifhen Hauch ausſtroͤmen laſſen; luſtige Säufenhallen, die im 

turme ſchwanken; Leichte Spigen, die fich mit den wogenden 
Maften der Schiffe vermifhen; Arcaden, in welden taufend 
Stimmen zu wohnen fcheinen, um jedem vorüberhufchenden 
Zone zu antworten; Myriaden von Engeln und Heiligen, welche 
auf den Kuppeln ihre Flügel von Erz und Marmor zu bewe⸗ 
en ſcheinen, wann der frifche Hauch des Morgens über ihre 
Fucten Stirnen binzieht; du Stadt, du einzige Stadt, bie 
nicht wie alle andern auf ſchmuzigem Boden ruht, fondern 
glei einer Gruppe von Schwänen auf den Wogen ſchwebt!“ 
Auf diefem Gebiete fpielen unfere vorliegenden Erzählungen: 
Leichte, loſe Blätter, die Beinen Bufammenhang untereinander 
haben als den des gemeinfchaftlihen Hintergrundes. Es find 
novellenartige Skizzen, mit Friſche gefchrieben und mit man» 
hen hiftorifhen Notizen durchwebt. Auf Bedeutung wollen 
und koͤnnen fie feinen Anſpruch machen, da ihre Anlage und 
Ausführung flühtig und vorüberraufcdyend ift, wie eine wahre 
Nacht Italiens. Es glänzt und fhimmert zwar manches fchöne 
Gefühl als leuchtender Stern durch diefelben bin, manch frifche, 
gefunde, finnliche Anfhauung weht als Fühlender Luftzug durch 
diefelben ; aber gar Vieles ift doch auch blos nur fo gang ober: 
flächlich hingefchleudert und fo manches Undere verlegt unfer 
Gefühl, beleidigt unfere Denkweife, ohne daB man gerade den 
fittliden rigoriftiihden Standpunkt anzulegen nöthig hat. Wir 
brauchen nur an „Die Laube von Zion’ zu erinnern, wo man 
Vieles überfehen Bann, wenn eb ald eigentlich getreues und 
wahres Bild des üppigen, ausfchmeifenden Lebens der Laqu⸗ 
nenjtadt gelten fol; aber eine Scene ruht doch auf fo wider: 
lihen Motiven, daß Niemand im Stande ift, diefelbe als Poe⸗ 
fie hinzunehmen. Ein venetianifher Robile überrafcht nämlich 
Die Frau eines Anhern, feines vorgebliden Freundes, in einer 
Sondel, worin fie eben ihrem Gemahl, dem Sohne des Do: 
gen, auflauert, der feine Nächte in Ehebruch mit einem Juden: 
mädchen zubringt; er fucht fie für fih zu gewinnen, ſchildert 
derfelben feine Liebe und fleht um Erhörung; fie weift ihn ftolz 
ab. Die Leidenihaft wirft um fo ftörfer auf das Gemüth des 
ausfchweifenden Robile: er erfticht die ſchoͤne Frau, die fi 
mit ihrem Stolze und ihrer Zucht feinen Lüften entgegenftellt, 
um an dem Leichnam die Krucht zu pflüden, die ihm das Le: 
ben verweigerte. Eine ſolche Scene hat und Eann Bein Gebiet 
in der Porfie haben, da fie ng und widerlidh iſt. Die An⸗ 
lage foft aller Skizzen diefes Buches ift leicht, die Erzählung 
flufiig, aber auch zum Theil oberflächlich und feicht, ohne tiefe 
Bedeutung: 92, 


— Q— 


Literariſche Notizen. 


Die Geſchichte der heiligen Veronika. 

In den dunkelſten Zeiten des Mittelalters kam der Ge⸗ 
brauch auf, das Antlitz des Erloͤſers auf Stückchen Zeuch zu 
malen; die völlige AÄhnlichkeit mit dem Original oder die 
kcon (s/xwr), wie man das Bildniß nannte, wurde dadurch 
beglaubigt, daß man darunter die Worte „Vera icon” (wah⸗ 
red Abbild) fchrieb, was allmälig in Veronica verdorben 
wurde. Miele Gefchichtfchreiber erwähnen dieſer Veronica; 
Mabillon führte als Gewährsmänner in diefer Hinficht Stellen 
aus Romanud, Petrus Gaffinenfiß und Auguftinus Patricius 
an. Auch erwähnt er der Bittſchrift einer gewiſſen Xbtiffin 


deckt: Hic jacet!” 


ber@iftetcienferinnen an den Raylan des Papſtes, Jocobut von 
Trecis, aus dem 3.1249, worin fie Diefen bittet, er möge ihr 
doch eine Eopie des in der Peterskirche befindlichen Bildnifiee 
des Heilandes ſchicken. Er entfprach ihren Wünſchen und er 
fuchte fie, die Gopie anzunehmen als ‚eine heilige eronica, 
Ehrifti treues Abbild oder Gleichniß“. Die nächfte Staffel der 
Legende war die Entdeckung, daß die urfprüngliche Veronica 
ein wirklicher Abdruck von dem Antlig des Heilandes gemefen 
fei, der durch ein Wunder bei irgend einer Gelegenheit flat: 
efunden haben follte: nach Mabillon während des Gebetd amd; 
erge, nah Ducange auf dem Gange nach dem Caldarien 
berg, während Dies nach Andern der Unführung von Baronius 
zufolge auf dem Schweißtuch in der Gruft gefchehen wirt. 
Aber das Maͤrchen war auch fo noch nicht vollkommen; dem 
zulegt fand man, daß Veronica der Rame einer Heiligen fi, 
die unfern Heiland nah Golgatha geleitete und die, indem 
fie von des Erlöfers Stirn mit einem Tuch den Schweiß trof 
nete, als Lohn dafür das wunderbare Abbild feines Gefihts 
erhielt. In der Peterskirche befindet ſich ein riefenhaftes 
Standbild diefes Weibes, weldder Baronius den Ramen Ber 
nice beilegt; und was noch fehlimmer, ihr Bildniß nimmt in 


‚den Herzen eines unwiſſenden Volkes eine hervorragende Eile 


ein. Die Kirchengewalt, weit entfernt die Taͤuſchung aufuhe 
ben, bat eine Belohnung auf den Glauben daran ausgeſett; 
Johann XXI, der 1316 Papſt wurde, verfaßte ein Geht, 
durch deſſen inbrünftige Wiederholung unter ebenfo inbrünftigen 
Unfhauen des Antliges EhHrifti ein Ablaß von IN,UON Tagu 
erlangt werden Eonnte. In bdiefer frommen Hymne wird m 
bem „unfehlbaren“ Dichter folgende abergläubifche Lesart da 
Legende gegeben: 
Salve, sancta fucies 

Mei redempteris, 

In qua nitet species 

Divini spleadoris. 

Impressa pannieulo 

Nivei candoris 

Dataque Veronicae 

Signum ob amorin. 

Salve, decus secali, 

Speculum sanctorum, 

Quod videre eupiant 

Spiritus coelorum. 

Nos ab omui macula 

Paorga vitioram, 

Atque nos consortio 

lunge beatorum etc. 


Das Schweißtuch der heil. Veronika wird als Reliquie bei ge 
wiflen Gelegenheiten in Rom zur Verehrung öffentlich aufs 
ſtellt; vielleiht macht Fein heit des römifchen Ritus an 
ftärkern Eindrud auf die Sinne und die Einbildungskuft de 
unmwiffenden Bolfes. Daß alle diefe Sagen über ein Gonterti 
des Heilandes bare Erfindungen find, geht hinlänglich aus I 
Schriften der älteften Kirchenväter, namentlich de heil. Yuzw 
ftin hervor, welcher Legtere ausdrücklich erflärt, dag weder ? 
dem Erlöfer, noch von der Jungfrau Maria, noch von ber heil 
Familie, noch endlich von den Apoſteln jemals ein Abbild gr 
nommen worden fei. 


Die AUllmaht des Todes. 

. Bir Walter Raleigh's „History of the world” [hl 
mit folgenden Worten: „O beredter, gerechter und maͤchtige 
Zod! Du haft Den überzeugt, dem Niemand zu rathen vermoßtti 
was Keiner gewagt, du haft es gethan; du allein haft Den, des 
die ganze Welt geſchmeichelt, aus der Welt gefchmiffen un 
veradhtet ; du haft al die fernficghinftrediende Größe, allen 
Hochmuth, alle Graufamkeit und allen Ehrgeiz des Menden 
zufammengezogen und Alle mit den zwei Pleinen BBortın be 


Berantwortlicher Herausgeber: Helnrig Wrodyans. — Drud und Verlag von F. WM. Brodhans in Leipzig. 


Blätter 


. ftr 


literarifde 


Unterhaltung. 





Mittwoch, 





C(veſainß au Bir. 265.) 


Der Raum verbietet uns in gleicher Ausführlichkeit 
auch die ibrigen Partien bed Werkes zu behandeln; 
indeß dürfte die bisherige Relation ſchon genügen, um 
auch im weiterm Kreife bie Aufmerkſamkeit auf die ei- 
genthümlichen Vorgänge zu lenken, die neben ben ge 
wöhnlichen Grfoberniffen, 3. B. einer fleifigen Quellen⸗ 
ferihung, die vorliegende Arbeit des Hrn. Wuttke aus- 
zeichnen, auf die Kenntniß nämlich, mit welcher der Berf. 
auf dem ſchwierigſten Gebiete der Geſchichte, in ber Ent- 
widelung innerer Verfaffungsfragen, ſich bewegt, ſowie 
uf den umfichtigen Takt, mit weichen Das, was in 
Schiefien ſich zugetragen, ſtets In den innigſten Zuſam⸗ 
menhang mit dem Sein und Werden bes gefammten 
Barerlandes geſezt if. Don dem Standpunkte aus, 
den wir bei der Geſchichtsforſchung preußifcher Rand» 
ſchaſten gegenwärtig beachtet zu fehen wünfchten, intereſ⸗ 
firen uns natürlich aus den folgenden Darſtellungen vor- 
zugsweiſe die weitern Veraͤnderungen in ber Verfaffung, 
deren Brundzüge wir oben mitgetheilt haben. Und 
nachdem wir bereits bei der Reformationsgefchichte Schle⸗ 
find es angebeutet, wie der Einfluß biefer veligiöfen 
Bewegung auf den Beruf der fländifhen Machtvolltom- 
menheit und die Erhebung des oberften Herzogs hinge⸗ 
wirkt, bleibt uns hier nur noch ein kurzer Dinblid auf 
die fernere, in gleicher Richtung aber in fleigender Pro 
gerfkon fortichreitende Bewegung, wie die Theilnahme 
Schlefiens an der Wahl des pfälzifchen Friedrich und 
der Dreifigjährige Krieg mit feinen Greueln fie bewirkt. 
Es geht bier im Grunde diefelbe Veränderung vor, 
die faſt in allen Staaten Eusopas während der bamali- 
gen Beit ſich bemerklich : der Steg der regierem 
den Haͤuſer und der Landeshoheit über bie corporative 
Serbftändigkeit..der Wölker, der In unfern deutſchen Lan⸗ 
ben wie befannt unter ber eigenthümlichen Mobification 
äntritt, daß ebenfo vaſch als die kaiſerlichen Gerechtſame 
Über das Reich zerfallen, die fürſtliche Hoheit in den 
Erblanden bis zu abſolutem Regimente ſich erhebt. Will⸗ 
Zur, Gewalt der Waffen, Bruch ber alten Rechte be 
merken wir auch bier ale bie mächtigften Hebel biefer 
fürflihen Nevelution, bie: fpäter in ebenmäßigen Ge⸗ 


23. September 1846. 





ebenfo wenig aber kann man verlennen, daß aud in Schle⸗ 
fen bie Stimmung und politiſche Haltung, innerlich ge 
brochen und in fich haltios, jenen Proc ber Der- 
nichtung erleichtert. Der rechte Sinn für hie Frei⸗ 
heit, wichtiger für bie politifchen Freiheiten, if verlo- 
sen: gegenüber den zerfallenden cosporativen Zuflänben, 
deren früher notwendigen Schug das georbnetere Leben 
jege entbehrlich machte, Die jehht meiſtens nur in bem 
laͤſtigen Druck ihrer Vorrechte fi bemerklich machten, 
erwachte in dem Volke ſelbſt das Bedürfniß nad einem 
allgemeinen Willen, einer einigen und alifeitigen oberiten 
Leitung, und indem Jeder auf bie Erhaltung feiner per 
fönligen Eriſtenz, hoͤchſtens noch der Glaubensfreiheit 
fich befihsäntte, kam jene troſtloſe, aus der trüben Der 
mifchung des politifchen und veligiöfen Gebiets erwach⸗ 
ſene Idee von dem leidenben Gehorſam auf, die das zu 
Unterthanen herabgedrückte Bolt ſich willig unter bie Mon» 
archie des oberften Herzogs beugen lieh, um fo williger, 
als das allgemeine Oberhaupt beimeitem mehr als bie 
zerfallenden KRörpesichaften dns geſammte Land, Das all⸗ 
gemein Löhliche ind Auge faßte, der Großen willkürli⸗ 
den Sinn zu beugen und dem (Beringern t zu 
ſchaffen ſuchte. 

Am Schluſſe dieſer revolutionnairen Bewegung, etwa 
unter ber Regierung Leopold's I., finden wir zwar noch das 
alte Gerüfte ber Verfaſſung, fie felbft aber dat nicht mehr 
die frühere Kraft und Autoricat. Der Oberhauptmane 
tft nicht mehe ein Organ regierender Stände, fonbern ber 
vom kaiſerlichen Hofe eingefegte Praͤſſdent eines Gollegium, 
deſſen fämmtliche lieder die kaiſerlichen Intereſſen zu 
wahren eidlich verpflichtet find. Der ſchleſiſche Fürſten⸗ 
tag, ſetzt Conventus icns genannt, war, qchalich wie 
der Senat bes Latferlichen Roms, zu einer bloßen Ber- 
waltungsbehörde hevabgefunken, die unter Aufſicht des 
Dieramtes, bem das votam eonelusivem jafteht, bie 
Paiferlichen Propoſitionen meiſtens über Steuerfachen ve 
Yandelt, beffen eigene, „per modam conditionum einge 
rüdte Schluͤſſe“ einmal ein allergnaͤbigſtes Refeript be 
hin beſcheidet, daß Solches, wider die Convenienz unb 
Wohlanflaͤndigkelt zu fein ſcheine“, daher „ber Conzen- 
was publions im Zukunft alle nicht ad postulata gehhren- 
den Vorftellungen anslaffen folle, damit Weitlaͤufigkeiten 
vermieden würden”. Die alten Fürſtengeſchlechter wa⸗ 








jr 3 
ren allmälig ausgeflorben: unter demſelben Namen, doch 
obne das Recht der Befteuerung und Gefeggebung, ohne 
die höhere Gerichtsbarkeit, an andere meift öftreichifche 
Gefchlechter vergabt, war die Herzogswürde Nichts als 


x 
> 
3 


ein leerer Tirel, dem ſogar ber goldene Kammerherrn- 


fchlüffel ſchon als eine Auszeichnung galt.. Inu entfpre- 
chender Weife finden fih auch noch ftändifche Zufam- 
menkünfte der einzelnen Fürſtenthümer, aber nur unter 
Bormiffen des königlichen Amtes und in der Art, daß 
„unter feinem Praesidio et accedente voto conchisivo 
der Schluß abzufaffen und zu veröffentlichen”, „feiner 
Batificatioa und Confirmation” alle Gefchäfte „unter 
geben”, überhaupt ihm „die gebührende Direction und 
Inspection in denen Landesſachen“ ftetE überlaffen war. 
Diefe „koniglichen Amter”, der Landeshauptmann nämlich 
und die ihm zur Geite ftchenden königlichen Regierun- 
gen, fämmtlich Eaiferliche Beamte, jedem Winke des 
Dberamtes gehorfam, hatten jept das Heft der Regie⸗ 
rung in Händen. Die politifhen Elemente, auf deren 
gediegener Grundlage bie alte Verfaſſung des Landes 
geruht hatte, befinden fi) in völliger Auflöfung. Das 
ftädtifche Regiment war in den Händen einer abgefchlof- 
fenen Geſchlechterariſtokratie, welche die Zünfte von aller 
öffentlichen Tätigkeit verdrängt hatte, unb die gefammte 
Bermaltung, fofern das Oberamt nicht befehlend eingriff, 
durch die aus ihrer Mitte ermählten Stadträthe leiten 
lief. Aus den Rittern war ein gefchmeibiger Hofabel 
geworden, ber unter dem Schutze des Kaifers der Stifte 
und der beften Beamtungen ſich zu bemächtigen, bie 
Städte vom Lanbdbefige fernzuhalten und die freien 
Landleute von Grund und Boden zu verdrängen fuchte. 
Der gemeine Mann auf dem Lande, durch den langen 
Krieg am ſchwerſten getroffen und dem Andringen des 


Adels erliegend, war ohne die allerminbefte Geltung: . 


Dienfte und Leiftungen nahmen wie in andern bdeutfchen 
Ländern jegt überhand und ſchienen von Nechtöwegen 
und. von jeher vorhanden; planmäßig und folgerecht 
wurde der Niedrige in ben Staub getreten. Alles war 
an Unterthänigfeit gewöhnt. 

Eine traurige Zeit, trauriger noch dadurch, daß bie 
öftreichifche Adminiftration, eine formenreihe aber faum- 
felige und in Alles ſich einmifhende Beamtenmwelt und 
ein barter Steuerdrud, auch die materielle Wohlfahrt 
bes Landes lähmte. Innerhalb dieſes Gebiets liegen 
unftreitig Friedrich's des Großen bebeutfamfte Verdienſte 
um Schleſien, und Ref. möchte daher fchließlih den 
Wunſch noch ausiprechen, daß der Verf. nach ben fchle- 
fifhen Kriegen nicht blos den Umfturz der alten Ver⸗ 
faſſung, fondern auch den Aufbau der neuen Verwal⸗ 
tung, die vielleicht mechanifche, jedenfalls aber die mate- 
rielle Wohlfahrt des Landes fördernde Organifation Schle- 
find unter preußiſchem Scepter barftellen möge. Es 
gebört doch auch nach der urfprüungliden Anlage Diefes 
noch näher in das vorliegende Werk ale die fonft gewiß 
höchſt dankenswerthen Excurſe über die ſchleſiſche Dichter- 
ſchule und die Katholiſirung Schleſiens. 105. 


ww ı: 
un 


| Briefe aus und über Zirol, gefchrieben in den Jahım 
1843 2-45. Bon ©. von Hartwig. 


( Beſchluß aus Nr. 266.) 


Bei dem Buffande der Ziroler 1809 blickte unfer Bert. 
fortwährend vergleichend zu dem Sabre 1703 hinäber, um 
man kann nicht leugnen, er ift oft fehr glücklich im Auffinden 
der Parallelen. Andreas Hofer ift fehr richtig geſchildert all 
ein Mann der Umflände von gediegenem inneren Werthe, ohne 
in jeder Beziehung groß und audgezeichnet zu fein; als ein 
Mann aus dem Volk mit treuer Liebe fürs Volk, aber zugleid ein 
wantendes Rohr zwifchen den Einflüfterungen von der ver: 
legten Kirche und von dem gedemüthigten Paiferlichen Hofe; 
ald ein Mann von ungemeinem Volksvertrauen, von oft far: 
fem Willen und theilweife energifhem Handeln, der blos das 
Unglüd Hatte, nicht immer ganz glücklich geweſen zu fan, de 
neben feinen vielen Vorzügen leider auch die Schwaͤche befaf, 
fih gelegentlih zum Werkzeug der beleidigten Großen un) 
Frommen faft willenlos benugen zu laflen. Der Kapujiner 
Haspinger übte eine bezaubernde Kraft über den großen Kann 
aus. „Es unterliegt keinem Zweifel, daß man in Wie ba 
der Drganifation des Aufftandes daran dachte, einige Männer 
aus dem Volke zu gewinnen, die einen bedeutenden Einfıf 
hatten, zugleich aber dem Kaiferhaufe treu ergeben, ohne che 
geizige Abfichten waren. Hormayr ſchreibt ſich das BVerdien! 
zu, auf den fpäter von ihm fo berabgewürdigten Sandwich 
Hofer aufmerffam gemacht zu haben, welcher durd fein & 
Ihaft al Wein» und Branntweinhändler im ganzen Lumk 
herumkam, der italienifchen Sprache vollkommen maͤchtig wu 
und Durch feine auffallende Perfönlihleit — er war ein fh 
ner, Präftig gebauter Mann mit einem großen ſchwarzen Ber, 
den er nicht verfchnitt, in einem kurzen grünen Tuchrock, m 
den braunen Lohdenzaden der Paſſeyer durchaus verſchicden ge 
Meidet — Jedermann befannt. Hofer war auch ganı der 
Mann, wie man ihn brauchte; denn vielleicht hätte ihn en 
höherer Grad geiftiger Kräfte und mehr Selbſtgefuͤhl (fteilih 
vermißt man Beide an ihm) nicht fo zu einem bloßen Bat: 
zeuge werden laflen, wozu man ihn maden wollte. Er ri 
eine einfache, fromme, treue Ratur ohne andere Tridfem 
als die für Religion, dad Vaterland und den Kaifer, welätn 
er perſoͤnlich anfänglich war. Denn obgleich er beim Bıyım 
des Aufftandes allerdings dem Bankrott fehr nahe mar, R 
bat er doch die ZSeit feiner Herrfhaft nicht zu eigennützize 
Zwecken benupt, wozu ſich ihm doch die befte Selegenheit tar 
bot. rigend wird von Perfonen, welche als Beamte ba da 
Hormayr’fchen Intendantfchaft und zugleich unter Hofer! Ir 
giment hohe Poften einnahmen, bezeugt, daß der alht 
«Samer» mehr Einigkeit, Buben Drdnung und Sichcheit 
Lande erhielt als der geiftreihe und hochgebildete Hormir- 
Aus diefer wie aus mehren andern Stellen gebt Bar het, 
wie wenig unfer Verf. geneigt ift, die Werdienfte dei sm 
don Hormayr anzuerkennen, welche diefer in feiner bekannt 
„Geſchichte Andreas Hofer’s' Nichts weniger als Plein 
ja nicht felten ſtark aufgeblafen der Welt auspofaunt. 

Daß tragifche Ende diefes glücklich begonnenen dt 
digen Aufftandes ift von unferm Verf. ungewöhnlich fur # 
faßt, aber dennoch wird eine tiefe Wirkung nicht verfehlt. D 
Franzoſen und Baiern waren endlich nach langem vergeblicha 
Kampfe mit gewaltiger Übermacht die Beherrfcher Zirold F 
worden. Gegen Ausgang des Jahres 1 war wieder 
im Lande. Ein Hirtenbrief des Erzbiſchofs von Briren, Ir 
wie eine Proclamation ded General Baraguay d'Hilliers 
neten fi duch Milde aus und mußten das Bolt zu german 
und au bekehren. 
nen Milde vorwalten ließ, fo fanden doch bei der vorgene® 
menen Entwaffnung mehre militairifche Erecutionen ſtatt RM 
fuchte fi) befonder& der Anführer des legten Aufftandes wu we 
mächtigen; indeß entkamen Alle bis auf Peter Mayr, 


„Dbwol Baraguay d’Hilliers im Algamt 


ın der Rahe, welcher am 30. Yebr. zu Bogen erfchoſſen wurhe, 

md Hofer. Diefes hatte fich in die Berge des Paſſeyrthals 
geflüchtet, und obwol ihn alle feine Wreunte dringend zur 
Muct auffoderten,, welche ihm leicht gelingen Eonnte, blieb er, 
in einee Art von Apathie, zurück, wie er fi) ausdrückte, 
«dem Schuge der GSottesmutter vertrauend». Freilich konnte 
er nicht ahnen, daß er in der Perſon feines Gevatters, des 
Jeſeph Staffel, einen Berräther finden würde, welder dem 
General Huard, für den auf feinen Kopf gefegten Preis von 
ION Gufden, den Mufenthaltsort Hofer's in ber Gennhütte des 
pfandier entdeckte, und dadurch die Werachtung bed ganzen 
Landes auf ſich 209g. In der Radt vom 37. zum 28. Ian, 
1810 wurde Hofer mit feiner Frau und feinem Sohne dort 
überrofeht und nach Meran abgeführt. Es ift befannt, daß 
man ihn in Mantua, deſſen Commandant berfelbe General 
Briffon war, der im April bei Innsbrud capituliren mußte, 
vor ein Kriegsgericht ſtellte. Weil ex nach der unterm 25. 
Dt. zugefandten Begnadigungsamneftie dennoch wieder die 
Baffen ergriffen, und weil man bei feiner Sefangennehmung, 
im Widerfprucde mit dem Yatente des Bicekoͤnigs vom 12. 
Rov., Waffen gefunden hatte, wurbe er zum KTode verurtheile, 
und diefes Urtheil am 5. Febr. 1810 an ihm vollzogen.” 

Am Schluffe diefed Hiftorifchen Iheils des Werkes macht 
der Berf. noch auf den großen Jubel aufmerffam, womit man 
in Tirol wieder öftreichifh gerorden war, wie bereitwillig 
Berfpredungen gemacht, wie froh man fi) der fihönften Zu: 
funft hingegeben. „Es waren bier”, wird bei diefer Gelegen- 
beit ſehr richtig bemerkt, „wie überall damals in Deutſchland, 
die Erwartungen zu hoch geſpannt geweſen, man hatte viel: 
licht zu viel verfprodden und — zu viel erwartet.’ 

Die hierauf folgenden drei Briefe find Beſchreibungen ei» 
niger Reifen in Zirel, welche überhaupt intereffant zu lefen 
find, aber doch vorzugsweife für Lefer Intereffe haben, welche 
on an Ort und Stelle gewefen find, oder eben mit der Ab» 
fit umgeben eine ähnliche Reife gu machen. Daran fehließen 
fh vier Briefe über politifch » religiöfe Werhältniffe, welche 
Ref. gern gelefen hat, weil fie nirgend dis zu den jetzt fo bes 
liebten Ertremen ausſchweifen, aber dennoch mit einer ehren. 
werthen Freimäthigkeit gefchrieben find, wohinein fi unfere 
deutiche Tagespolitik gar nicht gut finden Ffann. Ganz befon- 
ders intereffant ift der Abfchnitt über die ekſtatiſchen a 
frauen in Zirol. Die eine, Maria von Mörll, hat der Verf. 
ſelbſt gefehen und zwar in dem ergreifendften Momente hoch⸗ 
gefpannter Berzüdung. Ob die wunderbare Erfheinung auf 
Wahrheit oder Betrug beruht läßt der Verf. ziemlih ganz un: 
beantwortet. Er hütet fi, feine Glaͤubigkeit auszufprechen, 
und verwahrt fih ebenjo ſtark gegen den Schein der Ungläu- 
bigkeit. Dies betrübte Eapitel der Berirrungen der Menſchen 
ift durch Prof. Ennemofer ausführli bekannt geworden. Im 
der Befchreibung der tiroler Kirche hätte fih der Verf. viel 
leicht Bürger fallen koͤnnen. Mef. will es wenigftend fo ſchei⸗ 
nen, ald wenn der Gebrauch des Weihwaſſers, dad Knien, die 
Gredigt, Ohrenbeichte, Eommunion, das Meßopfer, der Ro- 
ſenkranz, überhaupt der ganze roͤmiſch⸗katholiſche Gottesdienſt 
ſchon fo bekannt voranszufegen war, daß eine Beſchreibung 
und Erffärung recht gut eripart werden konnte. Die legten 
fünf Briefe geben Charakterzüge aus dem Volksleben, Schil⸗ 
derungen aus dem italienifchen Tirol, Excurfionen in die Um⸗ 
gegend von Bogen und Innsbrud, Plimatifche Verhaͤltniſſe der 
meraner Gegend. 

Die ganze Anlage des Werkes ift eine fehr gelungene zu 
nennen, nur will die Briefform nicht fo recht natürlich zum 
Sanzen paffen. Es ſcheint, als wenn Dies der Verf. auch ge 
fühlt habe, denn er gibt eigentlich Beine Briefe; Das was er 
fo benannt hat, würde Niemand dafür nehmen, wenn es nicht 
fo benannt wäre. Die einzelnen Schreiben find datirt und von 
irgend einem genannten Drte auß gefchrieben, aber an Beine Perfon 
gerichtet; es find überhaupt alle perfönlichen Interefien ftreng 
vermieden, ſodaß fie unmittelbar gu Borträgen, zu Abhandlungen 


werden, fobalb man ihnen ihr „Münden — Geptember 1843", 
„Meran... 1868” u. f. w. wegnimmt. 52, - 





Dliver Crommell über Gewiffensfreibeit. 


Thomas Garlyle hat feinem Werke, worin er mittels dee 
fanımelten Reden und Briefe des großen Protectors Dliver 
mmwell die Ehrenrettung des vielgef[hmähten Gharalters 
diefed merkwürdigen Mannes verſucht *), einen Rachtrag unter 
dem Zitel „Supplement to the first edition of Oliver Crom- 
well’s Letters and speeches‘' folgen laffen, welcher der zweiten 
Ausgabe dieſes Werkes einverleibt worden, aber für die Be 
figer der erſten Uusgabe auch befonders gebrudt erſchienen iſt. 
Diefer Rachtrag enthält eine Menge ebenfo wichtiger Urkun⸗ 
den wie das Wert felbft, Die ihm von vielen @eiten nad 
Beröffentligung des legtern und durch die damit erzielte An⸗ 
regung Derer, die fie in Händen hatten, zunefloffen find. Der 
Herausgeber findet durch den Inhalt Liefer neuen Beiträge 
das frübere Urtheil über feine Helden nur beftätigt. Wir thei- 
len daraus ein Schreiben Srommell’s an den Generalmajor 
Stamwford, vom 10. März 1643 datirt, mit, weil ed die An» 
ht eines Mannes über Gewiſſensfreiheit darftelt, den man 
ch nad den bisherigen Schilderungen immer als einen heuch⸗ 
leriſchen Fanatiker vorgeftellt hat. Es betrifft die gegen einen 
andern hoͤhern Dffizier von Seiten mehrer feiner Kameraden 
erhobenen Anlagen. „Dieſe Anlagen‘, fchreibt Cromwell 
„Sind bier eingetroffen; der Oberbefehlshaber war aber dur 
Seſchaͤfte ſo behindert, daß er noch nicht Zeit gefunden hatte, 
feine Vertheidigung entgegenzunehmen; die einfache Gerechtig⸗ 
keit aber erfodert, daß man ihm, ſowie jedem Andern, biefe 
zugeftebe, ehe man ein Urtheil über ihn fälle. Während feines 
Aufenthalts hier und feiner Abmefenheit von Euch bat er mich 
wiffen laflen, wie ſehr es ihn ſchmerzt, von feiner Stelle ent⸗ 
fernt zu fein, befonders in diefem Augenblid, wo das Regi⸗ 
ment in Zhätigkeit gefegt werden fol; und da er mich um 
meine Meinung Traate gab ich ihm den Rath, fchleunig zu Eu 
zuruͤckzukehren. ahrlich! Ihr ſeid nicht wohl berathen, Eu 
eines der Sache ſo treu Anhaͤngenden zu entledigen, der über⸗ 
dies ſo geeignet iſt ihr zu dienen, wie dieſer Mann. Erlaubt 
mir, daß ich Euch ſage, daß ich durchaus nicht Eurer Mei» 
nung fein kann. Preilih wird ein Mann, der tmegen Gott 
Iofigkeit, wegen Fluchens, Saufens übel berüchtigt ift, in Eu⸗ 
rer Buneigung nicht die Stufe einnehmen, die Ihr Dem ein⸗ 
räumt, der fi zu fluchen und zu fündigen ſcheut; ſolche Ei⸗ 
genf aften werden Eure Wahl von Männern ald geeigneten 
erfzeugen in feinem Dienft nicht beftinmen! Aber der Dann 
ift «ein Wiedertäufer». Seid Ihr Deflen fo gewiß? Uber Dies 
felbft zugegeben, fol Dies ihn unfähig machen, dem Gemein⸗ 
wefen zu dienen? «@r iſt unbefonnen.» Es mag in manchen 
Fällen fich fo verhalten ; aber wir Alle Haben menfchliche Schwach: 
beiten. IH fage Euch, daß, wenn Ihr Peine andern als ſelche 
«unbefonnene Männer» um Euch habt, und es gefiele Euch, 
fie freundlih zu behandeln, Ihr einen fo guten Schirm für 
Euch in ihnen finden würdet, als Ihr Euch nur ausfuchen 
könnt. Mein Herr! Der Staat darf, wenn er fi Leute 
für feinen Dienſt auserſieht, niht nach ihren Rei» 
nungen fragen; wenn fie bereit find, ihm treu zu 
dienen, fo genügt Dies! ®®) Ich gab Euch früher den 


) Bergl. Hieräber Nr. 101 d. BL. D. Red. 


 — war der Mann nur fonften brav und tächtig, 
Ich pflegte eben nicht nach feinem Stammbaum, 
Nach fenen Katechismus viel zu fragen — 
laͤßt Schiller Wallenſtein fagen, und fo hielten's alle „großen“ Po⸗ 
tentaten und Gtaatäömänner, die etwas Großes In ber Zeit ſchaf⸗ 
fen wollten und zu ſchaffen mußten; bie @egentheile haben dagegen 
ſtets einen entgegengefehten Grundſat feftgehalten. 








ath, mit Leuten, die im Dinken von Euch abweichen, Mac 
zu haben; hättet Zhr damals meinen Bath befolgt, Ihr 
würdet, wie ich glaube, nicht & viele Steine, worüber Ihr ger 
Roipert, auf Euerm Wege gefunden haben. Möglich, daß &r 
anders urtheilt; aber ich fage Euch was ich darüber denke. 
wünfche, daß Ihr diefen Mann wieder zu Gunſten auf: 
nehmt und eine guͤnſtige Meinung von ihm faßt. Ih glaube, 
Haß, wenn er meinem Nath Gehör ſchenkt, er nur Eure Ach⸗ 
$ung verdienen wird. Hütet Euch, allzu ſcharf zu fein ober 
ud von Undern leicht gegen Diejenigen zeigen zu laſſen, de 
non Ihr Wenig mehr vorwerfen koͤnnt als daß fie nicht allent⸗ 
halben in den Anſichten über reigiöfe Dinge mit Euch zufam- 
mentreffen. Cote ein anderes Vergeben ihm zur Laft fallen, 
fo muß Died auf gerichtlichen Wege entfchieben werden. Ich 
weiß, daß Ihr felbft ed nicht für gegiemend erachtet, daß man 
einen Yelbhauptmann anders als im 
Dienstes entlaffe. Ich zweifle, ob Ihr oder ich irgend einen 
Vorgang dafür anführen koͤnnt.“ 12. 





Bibliographie. 


(Sgmwargene rg.) Als Manufeript gedrudt. Wien. 
Thlr. 10 


Nor. 
Bohn, E., Walhalla gefchichtlicher Heldenthaten und 
Ubenteuer in Balladen für die Sugend und das Boll. Nord: 
baufen, Fürſt. Kl. 8. 121, Nor. 

Delius, R., Die Tieckſche Shakſperekritik beleuchtet. 
Bonn, König. 8. 20 Rear. 

Fiedler, ©, Geſchichte der volksthümlichen ſchottiſchen 
Liederdichtung. Zwei Bande. Zerbſt, Kummer. Gr. 8. 
2 Ihlr. 22%, Nor. 

,  Krand's, 3., geiftliche Lieder. Nach der Ausgabe letz⸗ 

ter Hand ‚unverändert herausgegeben von 3. 2. Paſig. Nebſt 

einem Anhang dazu gehöriger Driginalmelodien. Grimme, 

Gebhardt. 8. 12 Rgr. 

Drer fidele Gaſtwirth. Oder prachtvolle, machtvolle Kreuz: 

und Dumgüge durch Höteld und Kneipen. Nordhaufen, Fürft. 
. Nor 


Höfken, G., Englands Zuftände, Politik und Machtent: 


widlung, mit Beziehung auf Deutſchland. Zwei heile. Leip⸗ 
zig, Mayer. Gr. 8. 4 Ihr 
Zfidor 
Serbft, Kummer. 8. 
2 Thlr. 20 Nor. 
Köberle, 3. G., Rom unter den legten drei Päpften 


(v. M.), Gefammelte Schriften. Tter und Ster 
Band: Novellen und Grzäahlungen. 
und bie zweite Reformation in Deutfland. 2ter Band: Die 


italtenifche Revolution und Lie deutfche Nationalkirche. Leipzig, 


Grunow. 8. 2 Zhlr. 

Lacroir, 9., Die Abenteuer ded großen Balzac. Ko: 
miſche Erzählung aus den Beiten Ludwig's XIII. Drei Bände. 
Kordhaufen, Zürf. 8. 1 Ipir. 15 Rgr. | 

Meinbold, W., Gefammelte Schriften. 2ter Bund. 
Reipzig, Weber. 8. 1 Thlr. 15 Nor. 

Memoiren eines deutichen Arzted. Bon ihm felbft erzählt. 
Iften Bandes Ifted Heft. Bredlau, Trewendt. 8. 5 Nor. 

Mörtl, J., Lieder und Sagen. Straubing, &chorner. 
Gr. 12. 1 Zple. 

Müller, ©, Der Rachtwächter. Cine komifche Scene. 
Neue Auflage. Straubing, Schorner. 1845. 8. 23 Nor. 

‚Murray, ©. A., Der Prairie-Vogel. Scenen aus ben 
Mildniſſen des weſtlichen Nordamerika. Rah dem Englihoen 
von W. Corte. Zwei Theile. Zerbft, Kummer. 8 3hlr. 

Nüdert, E., Troja's Urfprung, Bläthe, Untergang und 
Wiedergeburt in Latium. ine mythologifche, chronologiſche 


Wege Nechtens feines | 


| 20 Ngr. 
Aus dem Wanderbuche eines verabfchiebeten ganzncahtt, | 


| aM. Gießen, Heyer. Gr. 8 





ud . i d 22 2 
au Bar en Get ie 


ie römifehen Setiriter. Wüs gebildete. Leſer Übertrag 
und wit den nöthigen Erlaͤuterungen verſehen von H. Dun 
gez. Ifte Lieferung. Breumfchweig, Meyer sen. Lar.d. 1 

Biographiſche und Literarifche Skizzen aus dem Lehen un) 
der Zeit Kari Forſter's. Herausgegeben von 2. Körkır 
Dresden, Setifhald. Gr. 8. 3 CThlr. 

Udo der Stählerne oder die Ruinen von Drudenftein. Ein 
niederſaͤchſiſche VBolksſage vom Berfofler Wallcabs von Suede 
horn. Rordhauſen, Fürk. 9. Rur. 

Urliche, L., Römische Topographie in Leiput 
Il. Antwort an Herrn Becker. Bomn, König. Gr. 3. 1), Np. 

Bittmann, G. M., Uberfegung und Erklärung de 
Dfalmen. Rah des Verfaflere mundlichen Borträgen herauk 
gegeben von M. Singel und einem feiner Freimde. Wit 
dem Bildniß des Berfaflers. Straubing, Schorner. Gr. 


r. 
Wolaaski’s, T. v., Briefe über elawische Alterbi- 


mer. liste Sammlung. Gnesen, Günther. Gr. 4. | Tir. 








Tagesliteratur. | 
Album der Lutherfeier der Gefejcpaft JIris zu Frantfut 


re. | 
Asber, C. W., Quid ——* nos ⁊ Deuuchui 
| 





England und der freie Handel. Versuch einer Beantw- 
tugg des unter dieser Rubrik im Janus (1836 Nr. 2) # 
haltenen Artikels, Berlin, Besser. Gr. 8. 8 Ngr. 

Aufruf eines der älteften Beiftlihen an feine Amtsbtide 
Mit Hinweifung auf den religiöfen Zuſtand von Galyien = 
Schlefien. Oppeln. 12. 3 Rgr. 

Befte, W., Sendfchreiben an den Bürgerverein zu Braut 
ſchweig. Zugleich, eine populäre Critik der von dem Her. Di. 
gan gegen die Achtheit der Soangelien vorgebrachten Grin 

raunfchweig, Meyer sen. Gr. 8. 10 Nur. u 

Chronit der 3Wjährigen Todesfeier Dr. Mart. Luthers 
am 18. Febr. 1846, in Frankfurt a. M. Herausgegeben 0: 
G. Friedrich. Prankfurt a. M., Dehler. Gr. 3. 16 8 

Heſekiel, &., Preußenlieder. Magdeburg, ’ 
hofen. 8. A Rgr. 
Memorial an die hohe Tagſatung von den fünntihe 
Gemeinden des Bezirks Murten, den Befchluß des Lit Sr 
fen Raths vom V. Juni betreffend. Bern, Fifcher. 8. 2% 

Perty, M., Die Gymnaſien als Bildungsanſtalten 
ben Humanismus im weitern Sinn. Mit befonderer A 
auf das höhere Gymnafium zu Bern. Rede. Bern, Hör 
Gr. 8. 4 Rgr. 

Schiller, S. M., Die Heiligung des göttlichen Rena 
Ein Kanpeloertvag über Eyechiel 36, 17—26. Leipzig, FW 
2 Nor. 


Gr. 8. 
Sybel, H. v., Über die heutigen Tories. Rede. Ku 

burg, — — 8. 3 Ror. "a 
‚„ Wie iſt dee Roth des Volksſchullehrer durch eine wur 
mäße Wffociation unter denfelben dahin abqubelfen, fie 8 
Abend ihres Lebens nicht hungern. Soldin, Giebert. 5. 24. 
Beller, H., Die fünf erften Chriften. Betzadtun übe 
Joh. Kap. I, 8. 3551. Straßburg, Levrault. 12. 33H 
— — Der Hauptmann Cornelius; oder wann und M 

man Chriſt wird. Straßburg, Levrault. 12. 3 Nar. 

— Das dumm gewordene Sale. Straßburg, Lori 


12. 7 Nor. Ä | 
Über den Seitgeiſt. Straßburg, Levrault li 


3 Ne. 

— — Wie man den Willen Gottes mit Gewißheit alt 
nen Tann. Gtraßburg, Levrault. 12. 23 Ny. m 
0 Bachaus. Betrachtung über Luc. Kap. 19, 81-1 
‚Straßburg, Levrault. 12. 2 Rear. _ 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdauns. — Drud und Verlag von F. SE. Brockhaus in Leipzig. 


Blaͤtte r 


literariſche 


Für 


Unterhaltung. 








Königeberg und die Käuigdberger von Alerander 
8, dir. 


Der Berf. fagt von feinem Buche, ba es Dichtung 
wit Wahrheit gefelle: es fei kein ängfiliches Meferat, 
jondern eine freie Production, zum Theil ein Drama 
des Gegenftandes, und daß der Socialismus das innerſte 
Princip wie das Reſultat der Schrift fei. Betrachten 
wir danach zuerft die Darfielung. : Die Schrift zerfällt 
ineine „Allgemeine Charakteriftit‘‘, eine Abtbeilung „Po 
litiſch⸗ ſociale Bewegung”, eine Kirchlich⸗ſociale Bewe⸗ 
gung”, und in „Literariſche Zuſtände und Genrebilber“. 
Die allgemeine Charakteriſtik hefchäftige ſich mit einer 
men Skizzirung der Lage der Stadt und g 
wiſſer Vorgänge: eines Speicherbrandes, einer naͤcht⸗ 
lihen Zranslerirung eines Kirchhofs und Anderm, wel⸗ 
hes zu ſchildern der Verf. gerade Kunft und Meigung 
big. Hier ift in der That wicht wenig Dichtung vor- 
Yanden, und wenn die Hauptſache des Verf. ift, bie 
Bewegung eines univerfellen Socialismus auch in den 


Handlungen der königeberger Bürger nachzuweiſen, fo 


begreift man die Beziehung biefes Theils zum Ganzen 
nit recht. Strafen, Pläpe, Räben, ober die elenden 
„Dzimken“ (polnifche Reibeigene), welche der Verf. mit 


Behaglichkeit fchildert, ſcheinen doch mal nicht mit dem 


gegenwaͤrtigen Willen der Eönigeberger Bürger in irgend 


üner Beziehung zu ftehen. Ob aber hiexfür ber afiati- 
ihen Cholera eine Wirkung zugeflanden, umd fie dem 


Boden aufgelodert habe, wie der Verf. fagt, getrauen 


Br und nicht zu verneimen, da foldhen Geheimniffen 


unjers planetarifchen Lebens Alles möglich fein Tann. 
Ein einfaches Urtheil aber aus gewöhnlichen, begreif- 
sten Thatſachan möchte behaupten, daß noch mehre 
Rıle die Cholera über Königsberg hätte hereinbrechen 
innen, ohne den Willen zu eines Bürgergefellfhaft zu 
Geugen, wie fie entftanden, wenn nicht Motoren der 
ſewegung dageweſen wären, bie ihre Erkenntniß aud- 
fuhrt hätten. Zu diefen gehört aber unter keinen 
mftänden der vormalige Oberpräfibent v. Schön, wie⸗ 
ol ihn der Darf. ald Hauptrepraͤſentanten der königs⸗ 
ger Bildungephafs, au der fommenhen, bezeichnet. 
a diefen Mann wurden nur in einer langen Zeit ge- 
fe Hoffnungen geknüpft megen feines Mitwirkens in 











siner bekannten frühern Beit, und weil.er von bem ge 
genwaͤrtigen Koͤnige als Kronprinzen nicht nur mit unver⸗ 
Icnnbaver Auszeichnung, ſondern vielmehr felbft mit an- 
ſcheinender Freundſchaft behandelt wurde. Uls jene Hoff, 
nungen mit Schör fielen, waͤre es bei demonſtrirenden 
Ghrenbezeigungen geblieben, ja ſelbſt, daß die Foderung 
bes Huldigungs⸗Landtages als unſtatthaft bezeichnet 
wurde, haͤtte nur bei Denen, bie es verſtanden, eine 
gewiſſe Misſtimmung erregt, wenn eben nicht zur That 
aufgefodert worden wäre. Dieſe Auffoderung geſchah 
nun, wie ber Verf. ſagt, vom „einigen Literaten und 
andern gebildeten Männern“, in Folge einer gewünſch⸗ 
ken Nachahmung von Handiwerkervereinen, die bereits 
in andern beutfhen Städten beftanden, namentlich in 
Berlin und Magdeburg. - Die neue und jene Män- 
ner auszeichnende Erkenntniß wurde nun bie: in einem 
Vereine alle flaatsbürgerlihen Stände gleich zu umfaſ⸗ 
fen und den Willen diefer Bürger an Erkenntniß und 
freied Urtheil zu Tnüpfen. . | 

Bürger ſoll fein, wer eine ehrenwerthe, dem Gemeinwahl 
bingegebene Gefinnung Bar Bürger, wer ſich frei weiß von 
innen heraus, aber auch frei fein will nach außen hin, ſoweit 
ed die Preiheit feines Nebenmannes, foweit es die Drdnun 
des Ganzen zuläßt; Bürger, wer das Geſet achtet, aber au 
fodert, daß das Geſetz ſeibſt Leine Willtür übe, Bein gefchrie 
bener todter Buchſtabe ſei; Bürger endlich, wer einen Stand⸗ 
punft bat, auf dem ex fidher fußt, einen Boden, den er durch 
Urbeit bebaut, die er aus dem Grunde verfteht, Die dem Ber 
meinmohl zu ftatten kommt. Der Stand macht nicht dem 
Bürger, fondern die Gefinnung, die Arbeitstüchtigkeit maden 
ihn; alle Stände follen miteinander verkehren, leicht, Fröhlich, 
ohne allen Verdacht, ſchnell miteinander vertraut fein. 

Diefe Darftellung iſt nicht ohne Wahrheit. Man 
wollte in der That Solches in Königsberg. Es iſt nur 
au bedauern, daß aus der Darftellung bed Dramas ei- 
nes Dereinsabends, nad) dem Merf., hervorgeht, daß 
jener Wilfe einen noch fehr rohen Boden vor ſich hatte: 
Rauchen, Effen, Trinken, Schreien und Brüllen find 
die Thätigkeiten des Chors, d. i. der Gefellfchaft, als 
Antwort und Mitwirtung der vedenden Perfonen, deren 
Kamen wir nice erfahren, wahrſcheinlich weil fie bie 
Meder, wie fie in dem Buche ſtehen, gar nicht gebaf- 
ten haben, worauf ber Verf. etwas aufmerffam zu mar 
hen nicht vergeffen hat. Vielleicht aber iſt bie Kpatig- 
keit des Chors auch nicht fo wirklich geweien, und ‚der 








> 
> . 2 . 
e : . Pr 


Berf. hat nur aus Rüdfichten der Kunft nöthig gehabt, 
ben Humor des Drama hervorzuheben. Es ift denn 
boch übel, daß man aus Dichtung und Wahrheit, aus 
einer freien Production, die weder ein Gedicht des Ob⸗ 
jects noch ‚des Subjects fein fol, ſich ein Urtheil über 
wirkliche Thatſachen und Vorgänge zu bilden veranlaßt 
wird. Hierin liegt nicht nur ein großer Fehler, fondern 
auch eine Schwäche der Darftellung und Auffaffung. 
Denn mag man bie gegenwärtig in Deutfchland zu 
Zage gehenden Handlungen auch nur als ein Refultat 


einer fogenannten Bewegung anfehen, fo ift fie doch 


dem Ziele nah, das man ihr beimift, zu ernfter, ja 
heiliger Natur, als daß fie nicht ein- 
die für fie nothwendige Auffaffung und Darſtel⸗ 
lung zu fodern. Jene ift aber die Erkenntniß, dieſe 
die Wahrheit; nicht daß Jemand einen Blumen- 
firauß zu ‚feinem Gefallen und zu feinem Spiele ſich 
fammelt. Ein Mehres ift, der Bearbeitung nach, bie 
vorliegende Schrift nicht. Wen der Strauß ‚gefällt, 
wird Behagen daran finden; aber auch nur fo lange 
ale die Blumen frifh find. Dan wird nicht einmwen- 
den können, daß zu einer höhern kunſtgemäßen Darftel- 
lung Dichtung gehöre; denn wollte man auch über- 
fehen, daß es fi bier um Geſchichte ‚Handelt, fo foll 
doc, ſelbſt das Gedicht nicht Dichtung, fondern Wahr: 
heit, eine Folge oder wenigftens ein Verſuch der Er- 
kenntniß fein. Nur dem Gubjecte mag es freiftehen, 
über fich felbft eine Dichtung zu ‚geben. 

Denn uns nun danad die Bearbeitung zu viel 
von Zändelei im Idealen an ſich zu haben fcheint, ein 
Vorwurf, der auch den übrigen Schriften des Verf. 
wol gemacht werden koͤnnte, fo foll uns Diefes doch 
nit abhalten, die Erkenntniß des Verf. vom Socialis- 
mus und von den Beziehungen der Bürgergefellfchaften 
zu deffen Entwidelung, foweit e8 angeht, mit Lob her- 
vorzubeben. Er fagt: 

Alle find zur Wahrheit, zum Rechte, zur Erfüllung des 
Sefetzes berufen; Alle follen darin fortfchreiten, und Dies zus 
fammen erft, daß man die öffentliche Berbindung für die Für: 
derung der Wahrheit, des Rechts, des Geſetzes in der größten 
Rannichfaltigkeit ſchlingt, in der meiteiten Ausdehnung vor 
A gehen läßt, und ſolches Streben in einer Berfaffung con» 
ſtituirt: Dieſes ift Socialismus. 

Und an einer andern Stelle: 


Das ſcheint uns der Hauptſegen der Buͤrgergeſellſchaften 
in Deutſchland überhaupt und der nigeberger insbeſondere, 
Das der eigentliche Fortſchritt des liberalen Elements zu fein, 
daß die Partei über fich felbft Hinausgerüdt wird, daß bie 
Partei es durch diefe ihre Ausweitung in die Geſellſchaft, durch 
diefe mündliche Veröffentlichung ihrer Anfihten an die Bür- 

er, daß fie es durch die Kritik des gefunden und praktiſchen 
enfipenverftandes, welche fie erfährt, durch fo manche außer: 
dem in der Berfammlung vielleicht noch vorhandene andersden- 
Sende Perfönlichkeit genugfam erkennt, was an ihr Schwindel, was 
altung, was an ihr Fanatismus, was gefunde Praris gewefen. 

Burgergefellfchaft ift die Berichtigung der Partei in dop- 

elter Hinfigt: einmal, indem die Partei zu ihrem Rechte 
mmf, inwieweit fie Recht hat; und fodann, indem die Par» 
tei fi) eines Beſſern belehrt, wo fie dem Unrechte gehulbigt. 
Die Partei verliert ſich keineswegs in der BDürgergefellfchaft, 


Recht hätte, 


wiefern fie etwas Tuͤchtiges, und vor Mllem etwas Sittliches 
Bernünftiges bezwedt, fie gewinnt ſich vielmehr in einem his 
hern Bewußtfein wieder, aber fie wird jent aud ihrer Ohn 
macht inne, wo fie zu weit gegangen, ihrer Anmafung und 
Schuld, die fie fo oft für Zugenden gehalten, und muß fe 
jene ihre Erankhafte Griftenz ein: für allemal darangeben 
Mir beziehen das Befagte natürlich auf jede Partei ohne Auf 
nahme, da die Partei als folde immer im Gefahr ſieht, ſich 
im Fanatismus abzuſchließen und ſo Tyrannei uͤber Fremde 
und über ihre eigenen Mitglieder zu üben. Dies Fanatiſche, 
dies Fixe, dies Tyranniſche nun ſoll eben gehoben werden 
durch Die ſociale Freiheit und Humanitaͤt, durch die jorick 
Bewegung, welche alle eigenfinnige Rechthabereien der Partei 
aufzehrt, Die vorwärtstreibende Macht der Partei dagegen m: 
palt und dieſe Macht befonders in der Debatte, in der Ri 

ung mit bem ®egenfage in Thaͤtigkeit ſetzt; . . die Bern: 
lichkeit des Einzelnen fol potencirt werden durch die Geſel⸗ 
fhaft; ... und - . . das Bürgerthum in deutfchefter Beder 
tung des Worts ift das Hauptfundament im Gebäude iu 
Staats und eigentlich auch im Baue der Kirche. | 


Wenn diefes Alles merkwürdige Wahrheiten fir die 
Geſellſchaft, insbefondere deren irdifche Form, ben Ext, 
find — denn über die Nationalität wird unfer Geſchehen 
nie binausfommen —, fo zeigt fich doch an ander 
Stellen ein ebenfo merfwürdiger Irrthum zum Rıf 
theile Des Socialismus, welchen man nur dann um 
richtig für die irdifche Zukunft halten Kann, nen 
man ihn nicht über den Staat binausgehend dat. 
Der Berf. fagt nämlich, daß die Idee der Repräfente 
tivverfaffung für den Staat eine Errungenſchaft m 
fönigsberger Intelligenz fei. Aber gerade diefe Firatim 
im Staate ift das größte Hindernif für die Freiheit m 
foeialen Ausbreitung. Alle follen zum Staate beufa 
fein, und Doc wiederum nur eine Beine Anzahl fir 
ihn wirken? Die Partei foll aufgehen, und doch mie 
berum in einer Verfaffung nothwendig werden? Beldı 
Widerfprühe! Die Bürgergefellichaften haben nm dann 
für den Socialismus eine Bedeutung, wenn fie ums 
gend find, den Staat über bie Vergangenpeit aim 
Berfaffung hinauszuführen, die das Bedürfnif einer dei 
erſchaffen bat, in der weder Alle von ihrem Berufe am 
Staate mußten, noch auch Verſtand und Kunfl gg 
hatten, über ihren Willen öffentlich zu reden. Di Bir 
gergefellihaften müffen Keime von Staatsgemeint 
werden, in denen alle freien Staatsbürger gleick 
ſamkeit und ein gleiches Recht zu derjenigen Handlın 
haben, die ben focialen Staat conflitwirt: Kortbidun 
ber Geſete. Daß das preufifche Cabinet, weil nun gr 
rade von Königsberg hier die Mede ift, dem Andringen 
nad einer Repräfentativverfaffung fo beharrlic mie 
ftanden und dadurch den Willen mehr auf Zortbildum 
der Gemeindeverfaffung geleitet hat; dag in Preuks 
Gewerbefreiheit ift: Das werben fpätere Zeiten als ba 
größten „Hebel der Handlungen für fociale Zwede | 
vorliegenden Art anerkennen. Denn mag man noch # 
viele und noch fo erhabene philofophifche Hülfsbezeich 
nungen wählen, das Einfache der Bürgergefellfchaft mt 
und mußte fein: die Fortbildung des Gemeinbebuͤrgete 
zum Staatsbürger auf focialem Wege. Ein ſolcher Gr 
danke Tonnte aber eben nur da erfaßt werden, wo d 








1061 


tmen freien, wirfamer Gemeindebürger gab, und mo 
deffen Repräfentation als Staatsbürger gehemmt war, 
da mußte man bie perfönliche Erhöhung verſuchen. 

Freilich iſt Diefe zu dem angegebenen Zwecke nicht 
das Höchfte des Strebens ber Perfonen, welche vornehm- 
ih Kinder Gottes fein follen. Ob aber das Heran⸗ 
mahfen zum Reiche Gottes auf focialem Wege befür- 
dert werden kann, ift fehr die Krage; Das aber ift ge 
wiß nicht wahr, dag das Reich Gottes, wie der Verf. 
meint, bier Wermirkfichkeit werden könne. Solches zu 
behaupten ift entweder ein ungeheurer Irrthum oder 
eine Schwäche einer verweichlichten Einbildtung. Das 
fieht durch mehrtaufendjährige Erfahrung feit, daß das 
Verbrechen hier nicht aufhört, und der Menſch nur ale 
ein befonderer DWolkögenoffe geboren wird. Damit If 
aber ein fittliche® und univerfelles Reich von biefer Erbe 
ausgefchloffen, welche Eigenfchaften doch mol mefentliche 
Beſtandtheile eines Reiches Gottes fein müßten. Gleich⸗ 
wol ift der Glaube daran die höchfte Erhebung bes 
Geiftes, diejenige keimende Bulle, aus welcher der fitt- 
lihe und univerfelle Wille hervorbricht, welcher für das 
Reich Gottes, das in der Wahrheit und nicht in der 
Wirklichkeit befteht, nothiwendig und wahr if. Nun aber 
ft der Glaube weiter das eigenfte Eigenthum ber Per: 
jonen, die Koncentration ber Subjectivität; wie wollen 
nun Zwei einen Contract miteinander fchließen, gerade 
nur an etwas Beſtimmtes zu glauben? Einen andern 
Einn jedoch hat eine kirchlich-ſociale Bewegung nidt. 
Ran fuhrt, fowol in dem Neu -Katholicismus als auch 
in den proteftantifhen Vereinen, als auch, ſpeciell in 
Königsberg, in der Freien evangelifchen Gemeinde, fich 
gtgenfeitig über einen Glauben zu verftänbigen. If 
ber die Annahme auf diefe Weife für das Weſen 
Ws Blaubens etwas Höheres als die Annahme auf 
Befehl der Hierarchie der Kirche? Es ift der große Irr⸗ 
thum, auch den Verf. beherrfchend, daß die Nerven ber 
Kirche in die Sefellfchaft münden. Im Gegentheile; ber 
Geiſt fol nicht gefellfchaftlicher, d. h. wirklicher, fondern 
ifolirter oder idealer, wahrer werden; das Leben foll 
über die Geſellſchaft, d. i. die Wirklichkeit in die Höhe 
gungen werden; aber in unendlichen Differenzen. Ein 
Bid if: wenn ein Kreis durch feine Function in eine 
unmdlihe Reihe entwidelt wird; die Wahrheit diefer 
ft das allgemeine Glied, auf welches jedes befondere, 
wirfliche beftimmte Beziehung hat und in jenem ent- 
halten ift; aber jenes Wahre wird nie wirklich; Das 
Integrale ift nur differenzirend. Dabei ftehen wir kei⸗ 
neswegs an, die Kolgen zuzugeben, welche der Proteftan- 
iſche Verein und der Neu -Katholicismus für die Ge- 
elichaft oder den Staat — nie zu vergeffen die befon- 
ere deutfhe Nationalitit — gehabt haben oder haben 
Önnen; aber daraus folgt immer nicht, daß jene bie 


ahren find. Sind die Einzelnen jener Vereine fittlicher, 


nd univerfeller geworden? Das wäre die Hauptfache. 
ft Diefes aber nicht der Fall, fo liegt es freilich an 
er Schwantung im chriſtlichen Glauben, die unver- 
ennbar, mag man fich dagegen firäuben wie man will, 


% 


_ [53 — — — __ —— — —— — — — — — 


dentzatage eingetreten if. Der chriſtiche Slaube hat 
die Zeit ſittlicher gemacht; er ſoll fie jetzt univerſeller 
machen. In dieſe Phaſe tritt er ein, auf dem Boden 
des Materialismus, und das iſt auch zugleich der Grund 
obiger Schwankung. Aber immer iſt jedes Einzelnen 
Wille als Frucht des Glaubens noͤthig, und dazu 
hilft keine Vergeſellſchaftung; denn der Einzelne muß 
ſeinen Willen allein beweiſen. Wir woltten durch 
dieſe Bemerkungen dem Verf. nur entgegnen, daß eine 
kirchlich ⸗ ſo ci a le Bewegung, oder richtiger: ein kirchlich⸗ 
ſociales Handeln, eine irrig gezogene Hülfslinie ſei zur 
Erklärung der Vorgaͤnge. Es paßt nicht Alles auf Ei⸗ 
nen Leiſten, oder alles Leben iſt nicht im Kreiſe der 
Geſellſchaft eingeſchloſſen; es ſtrebt nach Freiheit und 
Unſterblichkeit im Individuum. Dies ahnt auch der 
Verf., wenn er ſagt: | ’ 

Sodann erkennen wir in der kirchlich⸗ſocialen Bewegung 
eine Beziehung auf die Zukunft der Religion, nämlich das Bes 
müben, die Gewiffensfreiheit eines jeden Individuums, aber 
no‘ mehr: die Gleichberechtigung eines Jeden zur Religion, 
und innerhalb der Religion zur öffentlichen Feſtſtellung, zu eis 
ner unmandelbaren Inftitution fortzuführen;s daß ſchon von 
ſelbſt nicht erſt durch Bugeftändniß von Seiten eines Andern 
ein jeder Menfch feiner Abflammung nad) wie feinem Berufe 
ein Bürger der wahren Kirche ift, und als folcher in feiner 
Freiheit von allen Andern unangetaftet bleiben müfle. 

Wie folhe Säge mit dem Princip des Socialismug 
zu vereinigen find, ift nicht einzufehen. Der Verf. fagt 
von Dr. Rupp, er wiſſe nicht, wie die Ideen, welche 
von jeher die Menfchheit bewegen, realifirt werden fol- 
len; ex fehe zu, bag man von ihm nicht Daffelbe fage. 
Wir können diefe Abtheilung nicht verlaffen, ohne nicht 
noch einer Bemerkung des Verf. zu begegnen, Die zu 
häufig fonft auch ausgefproden ift, und deren Gegen⸗ 
ftand zu wichtig iſt, um übergangen zu werden; näm- 
ih: dag das Chriſtenthum für alle Menſchen fei. Das 
ift wahr und nicht wahr und bebarf: baber erft einer 
beflimmten Erklärung. Un und für fi find auf ber 
Erde, oder in ber Weltgefhichte, gar Feine Menfchen, 
fo parador Diefes auch Elingen mag; es find nur Zeit 
genoffen, die Menfchen, d. h. Geift werden können, 
wenn fie wollen, unb biefer Wille hängt wiederum 
vom Glauben ab, Und fo erft ift das Chriſtenthum für 
jeden Menſchen; fo kann man das Sprüchwort verfte- 
ben, wenn es von den Chriftlich - Confirmixten fagt: fie 
feien zu Menſchen gemacht worden. Auf gleiche Weiſe 
find im Raume, oder im Weltfein, viele Geſtirne, aber 
es ift nur Ein Sonnenſyſtem, Ein Reich des Lichts, 
welches die Befchichte des Geiſtes producirt. Auch ber 
germanifhe Sinn, als der Inhalt der gegenwärtigen 
Zeit, ift für das Chriſtenthum gefhichtlih berufen, und 
welcher andere Zeit- oder Volksgenoſſe Ehrift und Menſch 
werden will, muß, um es zu können, fich zuerft jenen 
Sinn angerignet haben. So muß leider wieder .ein 
Urtheil des Verf. über einen Mann gegen ihn felbft ge 
fehrt werden, wenn er von Dr. 3. Jacoby fagt: ihm 
fei das germanifche Weſen in feinem tieffien Grunde 
und in feiner eigentlihen Bedeutung für die Weltge⸗ 
ſchichte nicht zugänglich geworden. 


“r m 1m me Dr — — ee A 


J 
J 
J 
| 
| 
|; 
| 
| 
| 
| 
| 
) 
| 
| 


Ba nn, EEE 57 | ww En © 2 


—— 


- —.- 


nn — — — 
— mr Tb — —— —— — — 
- .. . 


nn 
- = nr — —. — m [1 opeun:s 





DT nn — 





’ 


Schlieglich noch einige Weete ben bie Abtheilung 
Litereriſche Zuſtaͤnde und Genrebilder“. Roſenkrauz, 
DHurdach und Lobeck bier aufzuführen if unnüg; da⸗4 
Sub keine Königsberger, ſondern deutſche Männer. In 
Bönigeberg blüht weder ihr Rob noch fällt ihr Tadel 
ba eb. 
zode, Wechsler; aber ba fie mehr handelnd Leben, ge 
böpt billigerweife ein Urtheil über fie ber Zukunft an. 
Der Verf. aber der vorliegenden Schrift, der ſich ſelbſt 
zugeſellt, hat unter Anderm unumwunden erklaͤrt: er 
habe an der in Rede fichenden Bürgergeſellſchaft, bie den 
größten Theil feines Werkes einnimmt, nur heil ger 
nommen, weil es ihm nah feinem Gtandpunfte fo 

efallen; er hat fodann für nöthig gefunden, die Wahr⸗ 
it mit Dichtung aufzufhmüden. Wir möchten ihn alfe 
nicht zu den Königsbergern zählen, ihm aber mol feinen 
Standpunkt über ihnen belaffen. 
I Marquard. 





Literarifche Notizen aus England. 


Brieffteller der Borzeit. 


Der als fleißiger Sammler gefchichtlicher Urkunden rühm: 
lich bekannte Sir Henry Ellis ift fürzlich mit der dritten Ge: 
rie feiner „Original letters, illustrative of English history ; 
including numerous royal letters from autographs in the 
British museum, the State paper office etc.’ (2 Bde.) hervor: 
Außer den wichtigen Beiträgen, welche dieſes Werk 

ur Die politifche Gefchichte Liefert, indem der Briefwechfel 
berühmter Staatömänner, darunter der ded Cardinals Wolſey 
mit feinen Geſandten und Rundfchaftern, mitgetheilt wird, gibt 
es auch intereffante Aufſchluͤſſe in cultur⸗ und fittengefchiehtlicher 
Hinſicht. Es werden eine Menge in englifcher Sprache abge: 
faßte Briefe von berühmten Leuten bis zu Wilhelm dem Erobe⸗ 
rer binauf mitgetheit, darunter ein Schreiben des Legtern 
elbſt an Papft Gregor VII. Nah Sir H. Ellis iſt die ältefte 

iefliche Urkunde, die fih in England vorfindet, ein Schreiben 
Des Biſchofs von London, Wuldher mit Namen, an Beretuald, 
Erzbiſchof von Canterbury, weiches Schreiben von der Abhal⸗ 
tung eines Goncild handelt. Da leptgenannter Prölat diefe 
Mürde in den Jahren 692 — 731 beBfeidet, N ift der Brief 
über 1100 Zahre alt. Er befindet fih in der fogenannten 
„Cottonian collection”. Der Herausgeber hält es für wahr: 
ſcheinlich, daß die Einführung des Papiers in Europa, die 
men den Kreuzzügen verdankt und welche gegen Ende bes 13. 
Jahrhundert aus dem Morgenlande über Stalien ihren We 
auch nach England gefunden, dem bis dahin feltenen Sebraud 
des Briefwechfeld großen Vorſchub geleiftet, obwol aus ber 
Zeit vor dem 15. Jahrhundert im Verhaͤltniß nur fehr wenig 
echte ſolcher ceulturgefchichtlihen Urkunden haben aufgefunden 
werben fünnen. Daß aber das Briefichreiben ſchon fehr früh 
gewiffermaßen einen Gegenftand des hohern Unterrichts. aus: 
emacht, weift EUi aus einem in der Harlei’fhen Bücher: 
ammtung befindlidhen ‚Complete letter-writer” aus der Zeit 
Eduard's III. nach, welcher nich früh in der &t.-Edmundsbury: 
Abtei befunden bat. Die Mufterbriefe in diefem alten Brief: 
fteller find im damaligen Frangöfifchen abgefaßt, die Überfchrif- 
ten und Regeln hingegen lateiniſch. Erſt werden die allgemei: 
nen Borfchriften zur Abfaffung von Briefen mitgetheilt: Ex- 
pliciunt regulae faciendi literas in gallicis et plura alia se- 


candum novum usum”, dann folgen die Beifpiele.. Das erfte 


iſt das Schreiben König Eduard's III. an Heinrich Herzog von 


Lancafter, mit der Antwort des Letztern; das zweite ein Brief 


Anders ift es mit Jacoby, Jachmann, Wales⸗ 


Entgegnung, Hiera bie. Beiſpiele durch alle damals 
vorhandenen Stufen ni eſellſchaft: ein Graf an einen Bu: 
ton, ein Baron an einen Ritter, ein Ritter an einen freien 
Srundbefiger (esquire), ein Esquire an Seinesgleichen, ein 
Kaufmann an einem andern, Vater an che, Bürger an Bir 
ger, der Lord an feinen Verwalter, Freund an den Freund; 
jedes Beiſpiel zuglei von der Antwort begleitet. Hierauf 
beißt ed: „Nunc sciendum de religiosis.” Dieſes Eapitel be 
oinnt mit dem MWriefmufter eines Erzbiſchoſs an einen Be 
vom; es felgen Schreiben eines of. an einen Mitter und 
einen Abt, eines Ubts an einen Esquire, eines Priors an 
einen Kaufmann, eines Mönchd an den andern, eines Batırt 
an den Lehrheren feines Sohnes u. f. w. Die dritte Abthei 
lung enthält die Überfchrift: „Nunc dicendum est de mut. 
ribus et primo de regina ad militem; et fininntur in es 
dem.” Da findet man denn ein Schreiben der Königin Ph 
lippa an einen Ritter, eines im Gefängniß figenden Kitter 
au feine Gemahlin, einer vornehmen Dame an ihren Sahınalk, 
einer Abtiffin an eine adelige Dame, einer Mutter an ihren fi: 
direnden Sohn, eines Mädchens an ihre Schweſter u. ſ. m; 
alle Briefmufter gleichfalls mit ihren dazu gehörigen Antworta 
verfehen. in ſpaͤterer Sriefſteller dieſer Art aus der det 
Richard's IL befindet ich in derfelben Bücherfammim. & 
iſt ausfchließlich zum Gebrauch für die Engländer beftimmt us 
enthält ald Einleitung einen Burgen Unterricht in der franzöfige 
©prade: „Adroit parler et &crire doulz françois.“ Zu 
ward in England, wo fi Das Volktbewußtſein und der Br 
tionalitolz ſehr früh ausbildete, dad Briefwechſeln im Bra 
fhen ſehr bald bei Seite gelegt; denn ſchon ein halbes IE 
bundert nah Richard UI. findet man alle Stände ihre Erf 
in der Volksſprache Altenglands abfaffen. 


Rationale Hundenntipatbie. 

Der Berfafler des Werks „Algeria in 1845. A visit u 
the French possessions in Africa. By Count St.-Marie, fu- 
merly of the French military service’, welches ein rk 
Beanefen fehr wenig ſchmeichelhaftes Bild von den Zuftänte 

ver neuerworbenen Befigung und ihrem Werhalten dert m 
wirft, ergäbtt als merkwürdiges Factum: daß der Hm ds 
dortigen Gingeborenen einen eben folhen Haß gegen den Eu 
ropäer kundgibt als ihn der curopäifche Hund gegen tu arabı: 
ſche Race zeigt, ſodaß die Ihiere aus Naturtrieb den Bil 
willen zu theilen fcheinen, welchen die Stämme, zu denen It 
Herren gehören, gegeneinander hegen. Beiläufig ſei hir a 
wähnt, daß die Zweifel, weldhe in Gngland über den Il. 
dieſes Werkes laut wurden, indem man annahm, daß ter Kan 
ein geborgter fei, Denfelben zu einer Erklärung veranlaßtn, 
er wirklich fo heiße und von dem Stallmeifter Georg's dit 
Namens abfkamme, welcher das Keben diefes Monardn m M 
Schlacht von Deffingen gerettet. Auch fügt der ck Ki 
die Behauptung hinzu, daß er wirklich acht Jahre in Lt 
gedient und zwar in einer Stellung, um alle die Thatje 
die er mittheile, perfönlich kennen gelernt zu haben. 





Literarifhe Anzeige. 


Reu erfchien foeben im Verlage von F. IE. Mendpans 
Leipzig und ift durch alle Buchhandlungen zu erbalten 


Skizzen 
aus dem häuslichen Feben. 
Aud dem Schwedifihen. 
Zwei Theile. 


Gr. 12. 


des Kronprinzen an den Brafen von Korthampton nebft der Geh. Thlr. 15 Rgr. 
Berantwortlicer Herausgeber: Heinrich SBrockzans. — Drud und Verlag von FJ. X. Brockhans in Reipjis. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 


m Nr. 268, ö— 


25. September 1846. 





Dramatiſche Buͤcherſchau für das Jahr 1845. 
Dritter Urtibet.‘ 


11. Dramatifche Werke von Kari Gutzkow. Erſter Band. 
Zweite vermehrte und verbefferte Auflage. Leipzig, Lord: 
1845. 8. 1 Thlr. 20 Rgr. 

Ein dramatifcher Dichter, defien Werke bei uns innerhalb 
fünf Jahren eine zweite Auflage erleben, ann wahrlich 
nicht über er an Iheilnahme im Yublicum oder gar 
über miskanntes dienft Plagen; vielmehr ift die Zahl Derer 
notärlich gering, denen ein foldher Erfolg zu Theil wird. Eben: 
derielbe aber beweift, daB Gutzkow's dramatifche Productionen, 
die und von vornherein fo fremdartig vorkommen, wirklich Et⸗ 
wos enthalten, daß die Geifter wie etwas Neues, noch nicht 
Dagewefened zur Iheilnahme aufrief und fie, mindeftens eine 
ze lang, mit diefem neuen Reize feflelte. Wir wollen auch 
gu nit leugnen, DaB dies Reue, wenn ed eben auch Feine 
neu Charis ift, wirflih vorhanden ſei; es befteht vielmehr 
amd beftebt in einer gewiſſen Kühnheit, mit der die fpröbeften 
Stoffe ergriffen werden, und in einer überaus dreiften, unge⸗ 
Rirten und Darum ungewöhnlichen Art zu fprechen, wie es 
Ginem ums Herz ift, verbunden mit der den Deutfchen ſtets 
ſo theuern Vorliebe zur Reflerion. Diefen Borzügen Gutzkow's 
fehen feine Fehler gegenüber. ein Hauptgebrechen als dra- 

matiiher Dichter ift, daß er viel zu fehr serfegenner Kritiker 
iſt. Dos Ratürliche erfcheint ihm als das Gewoͤhnliche, Tri⸗ 
viale; feine Kunft fucht nach dem Ungemeinen, haſcht nad 
dem Seltfamen und eignet ſich Stoffe und Motive an, welche 
meiftens nur eine reflective Wahrheit haben, Beine praßtifche, 
keine uud dem Leben gegriffene. Beiweitem feine meiften Ar 
beiten haben daher etwas Cigenfinniges . an ſich, etwa wie 

Bethoven in der Compoſition es hat; es ift ſtets als wollte 

et ums fagen: „„Diefer Stoff iſt eigentlich unnatürlidy und zu 

petiiher Geſtaltung ungeeignet; ich will euch, ich will der 

Belt aber zeigen, daß ſich do ein Drama daraus machen 

I" — und nun verfährt er damit nicht als Dichter, nein — 

ganz als kritiſcher Kunſtrichter. Die Wahrheit diefer Säge 

beweiſt fich nirgend deutlicher als in den zmei Stücken, welde 

Nr vor und liegen, in „Richard Savage” und in „Werner”. 

Einas Raturwidigeres als diefe beiden Stoffe ift kaum zu 

tinnen. Ein Sohn, der feine ſtolze Mutter durch das unver: 

tünftigfte Verhalten zwingen will ihn anzuerkennen, und cin 

Sharafter wie Werner haben ficherlih kaum anderswo als 
R ter Phantafıe dieſes Dichter Beſtand. Die Kritil fagt 
ne, jie feien allerdings möglich, aber mehr auch nicht, und 

as Leben ftellt Verwandtes kaum dar; fie find Erzeugniſſe 

it iſchen Scharffinns, und der Geift der Dichtung, im engern 

Bertfinne, bat eigentlih Wenig damit zu thun. Bleiben wir 

nen Yugenblid bei Werner und dem Hauptiharakter in die: 





»Vergl. den erſten und zweiten Artikel in Nr. 5 und 
r. ms -—-2309 dh. 9, 0 D. Re. 


fem Drama ftehen. Der Dichter verlangt von und, daß wir 
an die Wahrheit eines Charakters glauben, den er felbft fo 
mit inneren Widerſprüchen ausftattet, daß er, wäre er Mehr, ein 
Wunder, ein Engel oder fonft etwas Beliebiges wäre, nur Bein 
menſchlicher Charakter! erner ift innerlih unglüdlih, weil - 
er ein geliebte Wefen aus Ehrſucht und Weltliebe verlaffen 
bat; er erflärt dieſe Handlungsweife felbft mit folgenden Wor⸗ 
ten: „Es war über mich ein winterlidh froftiges Sedankenleben 
gefommen: eine Palte, nach dem Biendenden haſchende Privoli- 
tät verfchneite den Frühling meiner ®efühle Jetzt — thaut 
die Dede wieder auf’ u. f.w. Was fou nun diefe Phraſe? 
Iſt die Sache felbit denkbar! Kann derfelbe Menfch tieffüb: 
lend fein und nichtsfühlend? Rein, es ift unmöglich, daß Wer: 
ner fo liebt und fo vergißt, um plöglich wieder fo zu lieben, 
und fomit fällt die ganze Möglichkeit diefes Dramas Hinweg. 
Wir erkennen an diefem Beifpiel, wo ed Gutzkow recht in der 
Ziefe des Dichtenden Geiſtes eigentlich Fehlt — es ift die Wahr- 
beit feiner Anſchauungen, die wir zu bemängeln haben; feine 
Dichtungen find wefentlich Pofitionen des tednenden Berftan: 
des, nicht Anſchauungen des bichtenden Geiſtes. Hieruͤber 
täufcht nur zuweilen die Kraft und der Blütenreichthum feiner 
Sprache, dba, wo er beide nicht misbraudht, was indeß auch 
vorsommt. 


18. Die Peri. Ein dramatiſches Gedicht in drei Abtbeilun: 
gen von RE A. Selbe. Leipzig, Dörffling. 1846. 8. 
Thlr. 15 Nor. 


Wenn diefe Arbeit auch nach Form und weſentlichem In- 
halt einer „abgethanen‘ Gattung, nämlih den Sacontala⸗ 
Dramen des erften Jahrzehnds unferd Jahrhunderts, angehört, 
fo iſt fie doch an einzelnen poetifchen Intentionen und an 
ſprachlichen Schönheiten fo reich, daß wir fie. als eine will 
fommene Gabe ‚bezeichnen müflen. Die Geſchichte der Liebe 
und der Buße der Peri — welcher Alles nur nicht die Liebe 
zu einem Menfchenkinde erlaubt ift — iſt und zwar nur durch 
ihre ungemein zarte Behandlung von Interefle; allein in dem 
Beftandtheilen des Gerichts, welche die Natur und die Men- 
[hen überhaupt zum dichteriſchen Object haben, zeigt ſich der 
Verf. als ein begabter Poet, dem die höchften Zielpunfte und 
bie beiten Mufter vorfchweben. In der Roth des Kriegs wird 
der Narr ausgefendet, den verlorenen Ihronerben aufzufuchen, 
und feine Wanderung ift ein &Stüd trefflichftier und reichfter 
Poefie, die fih in einzelnen Partien dem zweiten Theil des 
„Fauſt“ an die Seite ftellt. Poeſie ift namentlih in dem 
„TIheatrum mundi’ anzutreffen, das der Rarr durch die Kappe 
des Einfiedierd erblickt. Hören wir nur, wie Berg, Mond und 
Weſtwind ſprechen: 

Ein Berg. 
Das heißt doch recht die Berge plagen 
Mit dieſen ewiglangen Tagen. 
Kaum legt man ſich zum Sdlafen nieder, 
So kommt auch fon die Sonne wieder, -  - - " 








Und zwingt und, weithin in den Gründen 
Ihr taͤglich Nahen zu verkünden. 
Da lob' ich mir die Winterzeit, 
Die laͤßt und doch mit Muße träumen, 
Bann, biö zur Kuppe eingefchneit, 
Am Betz wi liegen warm u wol. J 
ot ſpakt's und plärst’S auf allen Bäumen, 
J — vu ven En, der Henker be! 
Birken (füfternd). 
Horcht nur, wie der Alte brummt, 
Was er in dem Barte fummt! 
Stoͤret ja nicht feinen Schlummer, 
Welt ihn nicht, den alten Brummer; 
Wacht er auf, To wird ex grob. 
Mond. 
Hört ide Here’n umd laßt euch Tagen, 
Die Blode hat — 
Weſtwind (ein Stuser). 
Was hat fie geſchlagen? 
Mond (verblüfft). 
Ba — was — man ftöre mi nit im Dienfl. 
Weſtwind. 
Wer rief dich, Alter, daß du erſchienſt? 
Mond. 
Man laffe das dumme Waagen, 
Sonſt nehm’ ich das Buͤrſchchen beim Kragen. 
Weſtwind. 
Fange mich! (Er ſtoͤßt auf eine junge Birke.) 
Sieh da, mein Schas! Ich bitte, ein Kußchen! 
Junge Birke. 
Ad Gott, fo warten Sie body ein hidden — 
Die Mutter fieht's — 
Weſtwind. 
Die kuͤ ich auch. 
Und fo in der allerammuthigſten Weiſe fort, bis Maulwurf 
and Hawfter erfeheinen, von denen der legte den Bauberring 
an der Pfote trägt, durch welchen der Prinz von dem Karren 
aufgefunden wird. Richt minder geiftreich ift fpäter das Wir: 
ten der NRaturkräfte in den Gnomenſcenen, die reine Liebe in 
Suleicha, die Pflicht in Gulnare und in Erwin der vielbewegte 
Menſchengeiſt repräfentirt. Mit Recht gilt und daher das 
Ganze für, eine ebenfo zarte ald geiftvolle Arbeit, der wir nur 
Raum wünſchten, um fich genießen und gelten zu machen. 
Aber ah — poetifcher Genuß, wie Wenige ſuchen den noch 
in einem Dichterwerke! 


19. Zwei Zrauesipiele. — Stolz und Liebe. — Cine Schaw 
fpielerin. Stuttgart, Sonnewald. 1845. 8. 1 Shlr. 2 Nur. 
Diefe beiden Dramen eines Unbefannten gewähren den 

@inblid in eine ſolche Welterkenntniß und befunden eine folche 

Kraft und Mat der Auffaffung und Darftellung, wir 

den Berfaffer zur Mblegung feines Incognito auffodern 

müflen. Es ift Biel in diefen Arbeiten, das und an ei⸗ 
nen berühmten Theologen in der Raͤhe des Berlagortes er⸗ 
innert, und eine ſolche Autorfchaft wäre eine (iterariie Me» 
würbdigkeit. Das erſte diefer beiden Stüde hat zur Aufgabe, 
den Conflict der Liebe mit dem Stolze zu fehildern, die, wo 
fie fi feindlih begegnen, allerdings die Vernichtung des In: 
Moiduums herbeizuführen pflegen. Wegen diefe Arbeit finden 


wir jedoch zu erinnern, daß, wie wahr und tief geſchoͤpft auch - 


die einzelnen Motive erfheinen, wie Lobenswerth aud Die Zeich⸗ 
nung einiger Charaktere, 3. B. der des alten Mölle, ſich zeige, 
in dem ganzen Plan des Dramas doch viel Übertriebenes und Maß: 
loſes bemerkbar ift. Übertreibung ift die Specialfünde unferer 
‚Seit, in der Kunft wie im Leben, und es if noch fehr die 
Keane, ob Kraft oder Schwäche die Mutter dieſes Kindes fei. 
iſt der gewaltfame Ausgang bed Stücks eine offenbare 


| Son höchfter Wirkung And 
Life und ber iꝛ 


Übertreibung der Motive zu nennen, welche jedenfals ci 
leichtere Löfung zuließen. 

In dem Zrauerfpiel „Eine Gchaufpielerin” iſt cm 
tiefe Kenntni der innern Bedürfniffe und Lebensfoderu 
gen bes Künfkfers niedergelegt und trefflich zur Darſtel 

ng gebracht, wie wenig, dick ben Bedinzun 
en eined beſchränkten und zufiedenen üthölchens enb 
reden. Der Emnflick der Liebe mit jenen Beduͤrfniſſen if 
vollfommen naturwahr und das Intereffe, wie wir eb an bie 
fem Gonflict nehmen müffen, bleibt geſpannt und lebend. 
Allein au bier fündigt der Verf. wieder durch Übertreibung, 
indem die Mache, Reinhold an der untreu geglaubten 
Gelisbten nimmt, einem Charakter, wie er nur in Reinhold 

ſchildert wird, geradezu unmöglich fein muß. Muſterhaft un 
dagegen die Charaktere der Jante 
arie, Di ‚ weldge eine us 
fchiedene Begabung ded Verf. für das Gefuͤhlvolle und Aut 
empfundene befunden, und die dem Stüde das Geyräge cin 
reihen, warmen und wahren Lebensbildes mittheilen. Ru 
Pils ift allzu fehr im Stil des Secretair Wurm in „Cabal 
und Liebe’ gehalten und koͤnnte füglih etwas weniger Sur: 
fein. Rad diefer Probe erwarten wir von dem unbekannt 
Verfaſſer noch Vorzügliches. 


DW. Das verlorene Kind. Luſtſpiel von Robe. Hirkhbr;, 
@ucas. 1845. & 15 Kar. Hr 
Eine trefflihe Leiftung, obwol wenig bühnengemif, # 

Geiſte des unfterblichen Falſtaff, die eine Fülle glͤcklichen fe 

mors und eine feltene Macht des Ausdrucks vor und entikt, 

folcher Art, daß wir wie mit unmwiderftehlicher Gewalt nit 

beiterfte Sphäre der Poefie verfegt werden. Die Kabel ik mi 

Lünftlerifcher Einfachheit erfunden: Zwei Junglinge und m 

Gel, der Wundarzt Da Medicina, lieben daſſelbe Mörge, 

eben jenes verlorene Kind; der eine der Zünglinge ermeik ih 

als der Bruder, der Ge wird abgeführt und Severin erhäl 
die Braut. Die Art aber, wie Da Medieina gefoppt wird, de 

@eftait diefes trefflichften Miles glorioeus, bie 2* 9— 

Big, welche diefem zweiten Falſtaff mitgegeben iſt: Dil 

macht das Stück zu einer ebenfo ergöglichen ald eigenthümlice 

Erſcheinung. Allerdings verdankt der Dichter einen —X 

fpeare viel; denn ſowie Da Mebicina in Körperumfang, gef: 

tiger Zölpelei und prahleriſcher Feigheit eine Balfoffik: U 

Fnattung if, fo ift auch fein Page Gwiccio in Suͤßlichken m 

Sefühisüberfüße eine Wiederholung des Lancelot; allein Dier 

fört die Wirkung der heiterften Ergüfle der Laune nit, 7 

denen dieſe Arbeit firogt, und der Lachgeift überwältigt mm 

ſtets mit ficherer Gewalt bei den Monologen des Mundart 1 

der Kifte und in andern Klemmen. Bir müffen Lachen, mas 

er, nachdem Alles zu einer lange gefuchten Bade beri ih 
dem Guiccio, ber ihm den Degen reicht, guruft: „Dust! 

Lebt der Menſch von Kindesbeinen in eimer civilifirtn BR 


Gutes Maß, gefchiete Borm, treffender Husdrud 


nicht gerade fogenannte Geheimmifle der Ratur enthüllt. 


21. Schirin. Dramatifhes Gedicht von C. Sondershar 
fen. Leipzig, Pönide u. Sohn. 1845. 16. 15 RI 
Nach Form und Inhalt würde diefe Dichtung, waͤrt jt 

vor 20 Jahren erfchienen, Freunde und Beifall gefunden bo 

ben; in unfern Tagen trifft fie ein ſtorriges Geſchlek 
das Sinn und füt ſolche Beiftungen verloren 

Die Beit, in der wir leben, fodert gebieterifch Gefinnung u 

Gedanken: ein fließender Vers, b Wehllaut und möhr 

Gefuͤhlswaͤrme befriedigt fie nicht mehr, und um fo menge, 


1021 


wenn der dramatifihe wie hier, eig fagenhafter iſt. Dig 
Trauerſage von , irin, gewinnt uns nur ein Mini⸗ 
mum von Theilnahme ab, obgleich der, Poet fie a zur Der 
ftellung bringt und hin und wieder fprachliche Erfolge erringt. 


23. Iheater » Katechiömus, oder humoriſtiſche Erkiärung der im 
Buͤhnenleben üblihen Fremdwoͤrter. Gine Xoilettengabs 
von Franz Löhle. Mit Ihuftrationen. München, 
Piloty u. Löhle. 845. Ge. 8. 1 Am 5 Ne 
Allerliebfte ſatiriſche Kunſtblaͤtter und eine postifche Gr 

täuterung des Bähnenlebens vol glüdlihen Humors empfeh⸗ 

len diefe fonderbare Gabe, welche Vielen Freude machen wird. 

Ohne es auf eine ſtrenge Kunſtkritik abzuſehen, definirt ber 

Berf. dieſer Theater⸗Didaktik die Begriffe in poetiſcher Auf⸗ 

faffung natürlich und trägt in anmutbigen, 3 eien Ver⸗ 

fen viel Brauchbares und Wifjenswerthes meiſtens im hums⸗ 
riſtiſchen Stil vor. Zu einer Probe fehlt es an Raum; doch 
mag und der Verf. ſagen, wie er den Humor deſinirt. 
Dumor, des Geiſtes wundervollſte Blüte, 

Die Sean Paul „Poeſie des Komus heißt, 

Iſt felten echt, wie florentiner Huͤte, 

Und metaphoriſch Nichts ald Menſchengeiſt. 

Der ſchoͤne Bund des Ernſten mit dem Heitern, 

Der mit dem Wite, feinem treuften Freund, 

Gemeinfam firebt, die Bahn und zu erweitern, 

Die endlich und mit der Idee vereint u. f. w. 


23. Die Ubtrünnigen. Drama in fünf Ucten von Paul Frei: 
herr v. Wangenheim. Leipgig, Weber. 1346. 8, 
1 Ihr. 10 Rgr. 
Ein ziemlich unverftandened und darum unverfländliches 
Bild von der Serlenverwirrung, welche der kirchliche Abfall 
bei Denen hervorzurufen pflegt, die fidh ihm ergeben, und ins 
foweit zeitgemäß. Die dramatiſche Kunſt hat jedoch bei dieſem 
unzeifen Verſuch wenig. Yusbeute gehabt; bie Yandlung, fofern 
ne überhaupt vorhanden, ift karg, unklar und wirkungslos 
geblieben. Der Stil bewegt fich zwilchen Ernſt und ſeinſollen⸗ 
der Laune haltlos auf und ab, und zu einem didaltifgen Ziele 
gelangt der Berf. nicht. Das teofllofe Hin» und Herreden 
über den Gegenftend reißt ebenſo plöglid und motivios ab 
als es begaun, und es ſteht bei uns, ob wir dem Dichter glau⸗ 
ben wellen, daß — auch in der Zrennung Bereinigung fei, wie 
er uns fast, als Hippelyt endlich von Frida fi trennt, da 
ihre zeigen Unfichten ihre Verbindung unmöglich machen. 
Der Berf. hat ſich erft noch deutlich zu machen, was das Drama 
eine Auſgabe bat und was es fein fol. 
34. Der Zungfernfprung. Dramatifche Studien in fünf Auf: 
in von Ulrich Riesler. Speier, Lang. 3849. 8, 
x. 


Bir Eönnen dem Berf. ein eg:>ilee Zolent für dra⸗ 

iſche g und für den Stil des Dramas zugeſtehen 
und dennoch behaupten, daß ſeine Arbeit vor der Kritik 
nicht beſtehen könne. Am nervus dramatis, an einer Sand: 
lung von Bedeutung, fei ed für die innere Welt des Ge: 
muͤths, fei es für die äußere Geftalt der Begebenheit, mangelt 
& bei aller Wirkſamkeit mander einzelnen ‚Scene, bei 
unverkennbar glüdliher Zeichnung des Hauptcharakters und 
efectvoller Formgebung mander Einzelheit. Das Stud ift 
dem befannten „Kaͤthchen“ verwandt und würde fi) bei et« 
wos forgfamerer Ausführung fo ziemlih dem MWerthe ber 
Keift’fchen Arbeit nähern. Allein der Verf. iſt zu eilig gewe⸗ 
fen; er bat ſich zur Wustiefung feiner Motive nicht die nö- 

e Zeit genommen. Dagegen gelingt’& ihm in fprachlicher 
Beziehung mehr als einmal, einen guten Effect hervorzubrin: 
gen. Kolgender Trinkſpruch auf Deutfchland verdient feiner 
Wärme wegen Wlfbewahrung: 

Walram. 
... das deutſche Reich, 
Das große, deutſche, theure Vaterland, 


Mit feinen Bergen, feinen weiten Gauen, 
* Mit feinen Thaͤlern, ſeinem gränen Rhein, 
Mit feinen Eichenwälbern, Bartenauen, 
Mit feinen Saaten, feinem goid'nen Wein, 
it feiner ämf'gen Städte Friedenspracht, _ 
Mit feiner trog’gen Burgen Feindesmacht, j 
Mit feinen Maͤgdlein, zuͤcht'gen Frauen, 
Mit ſeiner Heldenjugend edler Schar, 
Mit ſeinen Maͤnnern, bieder, treu und wahr, 
Vom Alpenwalle bis sum Meeresſtrand, 
Behüt’ es Gott, das liebe Vaterland! 


35. Karl der Zwoͤlfte vor Friedrichehall. Mit einem Bor: 
wort herausgegeben von Heinrich Lindner. Deffau; 
Aue 1845. 16, 15 Ror. 

Die Herausgabe diefer Haupt: und Staatsaction aus 
dem Anfang des 17. Jahrhunderts gewährt inſoweit ein In: 
tereffe, als fie dem Herausgeber Beranlaflung gibt, in einem 
lefenswertben Borwort die Geſchichte der Dramaturgie von 
Dpitz bis zur Gottſched'ſchen Periode überfichtlih und gut darı 
zuftelen. Die Arbeit felbft ift von der bekannten troſtloſen 
Breite und Abgeſchmacktheit, die wir heute an den poetifdh- 
feinfollenden 2eiftungen jener Epoche entdedien, und die ihre 
komiſche Wirkung auf und nicht zu verfehlen pflegt. Daß bie 
Helden diefer Stücke wie die Docenten jener Beit auf ihren 
Kathedern fpradyen, ift noch Pad Mindefte und fommt matatis 
mutandis auch jegt noch vor. Allein daß Karl XII. in einem 
vier Seiten langen Monolog feine gefammte Genealogie und 
vorträgt, 3. B.: „Karl XL, ein Sohn Karl Guftav's, war 
mein Vater und meine Mama war Ulrifa Eleonora, König 
Friedrich's MI. von Dänemark Tochter, die er mit Sophi 
Amalia, einer Yrinzeffin u. f. w., zeugte, von welcher ih Anno 
1682 den 19. Juni Morgens zwiſchen 7 und 8 Uhr zu allge 
meiner Freude u. ſ. w. geboren wurde —“: Dies hätte zu al» 
len Beiten als ein Widerfinn erfannt werden koͤnnen und fol: 
len, da die Fiction, daB Jemand in diefer Art zu fi ferbft 
ſpreche, ganz unzuläffig if. ' 


(Die Bortfegung folgt.) 


F. ©. Schloſſer's Weltgefchichte für das deutfihe Volk, 
Unter Mitwirkung des Verfaffers bearbeitet von ©. &, 
Kriegk. Erſte bis neunte Lieferung. Frankfurt a. M., 
Varrentrapp. 1844 — 46. Gr. 8. 3 Thlr. 22’, Nor. 


Der Titel dieſes Werkes bedarf einer Berihfigung. De 
dert Geheimrath Schloffer Peine Weltgefchichte für das deutſche 
olk gefchrieben hat, hat Herr Dr. Krieg? fie auch nicht break 
beiten Tönnen. Genau genommen müßte das Wer? daher über: 
ſchrieben fein: „Weltgeſchichte für das deutſche Volk, aus den 
verfchiedenen univerfalhiftorifchen Werken J. C. Schlofler’$ unter 
deſſen Mitwirkung bearbeitet von Kriegk.“ 

Es ift aber nicht ſchwer zu fagen, warum bad Yu) die» 
fen Zitel nicht erhalten hat. Line Weltgejchichte das 
deutſche Volk ıft eine der fhwierigften Aufgaben, die man nur 
erfinnen mag, wenn nämlich mit dem Worte Vol kein will. 
türlihed Spiel getrieben werden fol, fondern alle Stände 
darunter begriffen werben ſollen bi6 zum Bauern herab, Ale, 
denen die feine Bildung fremd ift, Ku denen daher in einex 
‚ganz andern Sprache geſprochen werden muß als in ber ges 
wöhnlichen der Bücher. Es müßte eine ungeſuchte Raivetäs 
der Auffaflung darin herrſchen, eine ber Herodotiſchen ähnliche, 
aber als Weitgeſchichte müßte Alles ungleich gedrängter fein 
als bei dem Griechen; fie müßte allgemeine, hochſt faplihe, 
raſch zu überfehende Umriſſe enthalten; die Sprache müßte er» 
haben fein, und dabei naturgemäß einfach, mit Ginem Worte 
bibliſch, ohne dis Wffectation der Rachahmung Aber wer 
würde ſich getrauen, ein ſolches Werk zu fchaffen! Ich glaube, 





\ u 
4 
t 
x . 
zu Du 
\ 
fr 


ih 
’ . 
8 
* 
‘ 
7 — 
4265. 
J 
7. 
A| 
‘ 
* 
5* 





* 


1072 


die beiden größten jetzt Lebenden Meifter der biftorifhen Kunft 
und Darftellung in Deutfhland, Ranke und Karl Adolf 
Menzel, würden zurüdichreden, wenn man es ihnen zumu: 
thete! Und Hr. Dr. Krieg, der ſich bis jegt nur in geogra- 
phifchen Arbeiten verfucht hat, fallte e6 vermögen! Er follte es 
u fchaffen vermögen aus und nach den Arbeiten des Hrn. Ge⸗ 
— Schloſſer, der bekanntlich immer auf Form und Dar: 
ſtellung, auf ſorgfältige Gliederung und Geſtaltung des Stoffes 
weit weniger Gewicht gelegt hat als auf den Stoff ſelbſt, auf 
die breiten, ungefügigen Raſſen deſſelben, die er vor den Le: 
fern baftig ausſchüttet! “ 

In der Borrede wird jener gewichtige Ausdrud allerdings 

vermieden. Als die Wbficht des Werkes wird hier angegeben: 
„den univerfalhiftorifchen Abriß und die Weltgefdhichte in ei» 
ner jeden Gebildeten, nicht blos den Gelehrten, für welchen 
fie allein berechnet waren, anfprechenden Form herauszugeben“. 
Dadurch würden nun allerdings Erwartungen und Aniprüche 
nicht wenig berabgeftimmt, aber das hochtönende Wort Bol 
ſteht nun einmal auf dem Titel, und Hr. Seheimrath Schlofler, 
der fih hier fogar felbft das Zeugniß gibt, nicht zu den „lite: 
rarifchen Speculanten” zu gehören, hat ed zu verantworten. 
Doß jene Werke für Gelehrte allein berechnet waren, erfahren 
wir übrigens hier zum erften Mal. In den Vorreden zu ders 
felben war von jungen Leuten und vom Jugendunterricht bie 
Rede. Auch begreift man nicht recht, wie Bucher, in welchen 
der Verf. die Pritiihen Erwägungen immer nur andeutet, nie 
durchführt, für Gelehrte beftimmt geweſen fein koͤnnen. 
:.. Beben wir der VBorrede zu der vorliegenden kritiſchen Um: 
aeftaltung noch etwas weiter nad. Sie enthält manche Belt: 
famkeiten, wie verfchiedene andere des berühmten Hiftorifers, 
denen bie Kritik ſchon lungft ihre Aufmerkſamkeit hätte wid» 
men follen. | 

Wie nüglih ed für die Kefer ift, dag gerade Hr. Kriegk 
die Arbeit der Herausgabe übernommen hat, wird S. v daraus 
erwiefen, daß derfelbe Gelehrte dem legten Bande des Schlofler': 
fhen Werkes über alte Geſchichte fhon ein Suͤndenregiſter, 
d. i. ein genaues Verzeichniß der von ihm in den neun Bän: 
den wahrgenommenen Übereilungen, Berfehen und Irrthümer, 
auf des Berf. Bitte beigefügt hatte. „Der Verf. glaubt”, 
heißt es, „daß ein Buch, welches einen beftimmten Zwed hat, 
und lange durchdachte Betrachtungen über den Menfchen und 
über menfchliche und göttliche Dinge enthalten fol, in gewiffen 
Sinzelbeiten mangelhaft fein, daß der Verf. Teffelben manchen 
Fehler begehen Bann, der fih durch einen Bli in das erfte 
befte Compendium leicht befeitigen läßt, ohne daß dadurch dem 
Hauptzwed im geringften gefchadet werde.’ Dick: vorgebals 
tene Schild wird nicht fonderlid Viel abwehren. Der Irrthum 
ift allerdings ein Erbfehler unferer Natur, und ein hiftorifches 
Wert wird vielleicht weniger als irgend ein anderes wiffen: 
fhaftlihes von Verſtößen frei bleiben können; aber immer 
ein Compendium befragen zu müffen, um fidher zu fein, von 
dem Werk, welches man ftudirt, nicht in die Irre geführt zu 
werden — ift Doch cine mislihe Sache. Und warum fol man 
denn dem „erften beften” Gompendium mehr glauben als dem 
berühmten Hiftoriter Schloffier? Man würde, wenn man zu 
dem Leptern noch nicht alles Bertrauen verloren hätte, nicht 
weiter fommen als bid zum Zweifel, und wo fi Abweichun⸗ 
gen finden, immer ein weiteres Zeugenverhör anftellen müffen. 
Welch eine feltfame Iumuthung für Gefchichtöfreunde! Auch 
war Hr. Geheimrath Schloffer früher fo mild gegen Verſehen 
Beineswegs geftimmt. Weltgefchichte, Bd. III, Ih. 2, Abth. 1, 


:&. 14, ruft er über Daru, weil diefer Robert Guiscard Roi 


[fentt Duc] des Norınands nennt, ein ohe! ohe! aus und er: 
rt, aus diefer einzigen Stelle habe er auf den Unwerth des 
Buches geichloflen. Woher nun diefe Sinnesänderung? Stammt 
fe vielleicht aus ſeitdem gemachten eigenen Erfahrungen über 
ie menſchliche Schwäche ? ' 

„Bei diefem Werke dagegen‘, heißt es weiter, „wird we⸗ 


ber auf Gelehrte noch auf andere Zuger gerechnet, fondern 
daffelbe fol Alles berüßren, und es it daher fehr nüylig, 
wenn felbfk kleinere Webler vermieden werden. Aber di 
find es noch keineswegs alle. Hr. Kriegk, von dem das „Bür: 
denregifter”‘ herruͤhrt, hätte hier noch eine Rachleſe halten ſel⸗ 
ien, zum Beften feiner Überarbeitung. So hätte er ;. 2. 
Bd. I, S. 338, feinem Original die völlig aus der Luft ge 
griffene Nachricht nicht nachſchreiben follen, daß der Dichte 
Almen am Hofe von Sardes gelebt babe. Er war nur in 
Sardes geboren und lebte in Lakonien; womit denn aud der 
zwifchen ihm und Tyrtäus aufgeftellte Gegenfag , gleich dem 

fhen der Lebenbluſt Der üppigen Lydier und der altfpartani: 
hen Zucht und Sitte, zu Boden fällt. 

S. vir: „Hr. Kriege bat durchaus nicht nach Schönfdrei: 
berei geftrebt, fondern fih auf Klarheit, auf einfache und un: 
gefuchte Zierlichkeit und Nichtigkeit des Ausdrucks befchränkt.“ 
Ref. bedauert, dieſes Lob nicht unterfchreiben zu können. Die 
Sprache ift oft vernachläffigt, eintonig und fchlaff, und ein 
Sag, wie folgender (Bd. I, &. 189): „Der Argonautenzuz if 
eine von jenen auf Beute, Abenteuer und Heldenruhm abge: 
febenen Unternebmungen, welde in den beroifden 3a: 


ten der Bölker öfters vorkommen” — nicht einmal gramm: 


tiſch richtig. 

S. ıx: „Die orientaliihden Gefchichten diefer Abtheilung 
iind ſchon aus dem Grunte fehr abgekürzt, weil fie gewähnlid 
mit großer Ausführlichkeit behandelt werden, da der Hark 
das Wunderbare und Räthfelhafte liebt.” Da Bönnen unfr 
Drientaliften, fehen, welche Lejer fie haben, und aus weite 
Gründen. Übrigens ftimmt diefe Rechtfertigung ſchlecht = 
Seite vorher, we verliert wurde, daß hier Nichts wegzt 
laffen werden fol, weil es ſchon in andern Huülfsmitteln en: 
halten ift, wie in den größern Werken. 

S. xvı: „Über die Babylonier und Aflyrer Hatte on 
führlicher gehandelt werden müffen, wenn das Bud für Er: 
Märer der hebräifhen Propheten, für Deuter der afiatiſchen 
Symbole und liederlichen Myſterien, oder für Diejenigen be: 
flimmt gewefen wäre, welche die über Handel und Berker 
vorhiftorifcher Zeiten mit Hülfe neucrer Neifebefchreibungen ge: 
ſchaffenen Syſteme kennen lernen wollen; für das große Publ 
cum war es nöthig, ſich kurz zu faſſen.“ Anſpielungen und 
Hiebe auf Creuzer und Heeren, durch befondere Feinheit us: 
gezeichnet... Ich wüßte kaum Etwas, was geeigneter wäre, du 
Wichtigkeit der Fragmente alter Überlieferungen, nicht für die 
Geſchichte der Könige und ihret Kriege, fondern der Eultm, 
auch dem großen Yublicum anſchaulich zu machen, als du 
überrafshende UÜbereinftimmung uralter und neuer Zufine 
Es ift die großartigfte Dauer in der Geſchichte ſelbſt, nicht 
6108 der Monumente, gegenüber ihrem ewigen Wechſel. Ir 
Hrn. Schloſſer's Publicum muß feinen leidenfchaftlicyen Bid: 
willen gegen Deeren büßen. 

So viel, und vielleicht ſchon zu viel, aus biefer erfıt 
Vorrede und über diefelbe. Auch in zwei andern, Dem zweit: 
und fünften Hefte vorgefegten, ermüdet Hr. S. nicht, det 
Lob feines Epitomators, wegen der ausgezeichneten Trefflichken 
der Arbeit, zu verfünden. In der legten wird fidh das Fu: 
blicum am meiften für die Nachricht intereffiren, daß der Berk 
auß feinen Heften über Bildung und Literatur des Mitreld: 
ters diefer populairen Gefchihte eine Anzahl Paragraphen ner 
beifügen will, die fi in dem ihr zu Grunde fiegenten %- 
lehrten Werk nicht finden. 

Und hiermit wäre unfer Gefchäft beendet. Denn da fid 
die Arbeit des Hrn. Kriegk in der That meiften® ziemlich ge 
nau an die Schloſſer'ſche anfchließt, jo müßten wir, um di 
erftere bis in ihre Einzelheiten hinein zu begleiten, eine Ann! 
der jestern fhreiben, was ganz außer unferer Abfidit licy: 
Im Allgemeinen aber läßt R über die von Hrn. Kriegk ver 
genommenen Modificationen in Inhalt und Ion Wenig jagen. 
da fie fehr verfchieden ausgefallen find. 106. 


Verantwortliher Herausgeber: Heinrig Brodfand. — Drud und Berlag von F. X. BSrockvans in Leipzig. 








Blaͤtter 


für 


literariſche unterhaltung. 





Sonnabend, 





Dramatiſche Buͤcherſchau fuͤr das Jahr 1845. 


Dritter Artibkel. 
(Bortfegung aus Nr. 288.) 


%. Der Kauf der Ehre. Dramatifches Gedicht in fünf Auf: 
zügen von Karl Beidtel. Leipzig, Brodhaus. 1845. 
&. 8. 16 Rear. 

Endlich nach vielem Troſtloſen treffen wir wieder auf ein 
Gedicht, das diefen Ramen verdient, dab die Geſetze der Kunft 
enithaft nimmt, die gegebenen Schranken ermißt und ausfült, 
und da6 von der dichterifhen Begabung des Verf. Zeugniß 
gibt. Große, einfach: Ihöne Motive, Gedankenfuͤlle, fpzachliche 
Gewalt, kornige, feite Beichnung der Charaktere und eine Hand» 
lung, die, fo einfach und wenig neu fie auch hervortritt, den» 
roh auf den Zuhörer ein fpannendes Intereffe ausübt — das 
nd die leicht erkannten Vorzüge diefer alle Lobes würdigen 
beit. Es ift Paum moͤglich, einen dramatiſchen Stoff mit 
größerer Einfachhzeit und mehr fittlihem Ernſt aufzufaffen als 
ber Dichter bier gethan hat. Die Handlung begibt ſich zwi: 
fhen vier Perfomen, vielleicht überhaupt das Minimum von 
Charakteren bei einer wirklich dramatiſchen Eomplication: denn 
mit einer geringern Anzahl Handelnder wird, wie die Erfab- 
rung lehrt, einige Gewaltfamkeit in der Scenenreibe nie zu 
vermeiden fein. Robert hat ein Mädchen geliebt, ift nach fer: 
ner Wetgegend gezogen, ehrt zurüd und findet die Geliebte 
als die Battin feines Freundes Rinkenau wieder. Sie ift un- 
gücklich: die alte Neigung erwacht in beiden Seelen. Der 
Freund fol die Gattin abtreten. Durch eine Machination Hcl- 
fing 6, Robert’8 Water, Dazu getrieben, obwol er felbft mit 
Bertalda nicht glücklich iſt, vergreift er ſich in Leidenſchaft an 

fing und tödtet ihn. Bon hieran hätte der Verf. die 

idlung ſchneller als er thut verlaufen laffen müflen ; zur 
tubigen Entiwickelung des weiten Verlaufs blieb nun feine 
det mehr übrig. Hier ruht der Fehler des Stücks für Dens 
mgen, der gewohnt ift einen foldyen in jedem Drama zu ent 

. Genug aber, Rinkenau vwiderfteht jeder Verſuchung, 
Bertalda aufzugeben und nimmt lieber Bift anftatt fih zu 
etten. Diefe Ausdauer öffnet Bertalda's von Leidenfchaft um⸗ 
unfeltes Auge. Sie erkennt den Treuen in feinem Werth 
nd den früher Geliebten in feiner Selbſtſucht. Ihr Herz 
endet fi) dem fterbenden Gatten wieder zu und Robert ift 
n die Frucht feiner Veranftaltungen betrogen. 

SH war betrogen — mir gehört die Reue — 

Ihließt Bertalda die Scene einer Handlung, die zwar in 

ren Motiven zuweilen der Erläuterung, ja der Vervollſtaͤn⸗ 

gung bedarf, die aber im Ganzen genommen volltommen 
uelih erfinden und mit vielem ſprachlichen Reiz ausgeſtattet 

„Sleich im Gingang malt Robert die Qualen des Heim: 

hs überaus warm und poetifch; fpäter gibt die Übereinftim: 

ng in der Liebe der beiden Freunde zu fehonen und tiefen 
danken über Rothwendigkeit der Gegenſätze in der Ratur 

(fahen Anlaß. 


Der Vaterſtadt den Rüden ehren, in 
Die Fremde geh'n — es fpriht fo leicht ib auß, 
Auf meined Vaters Gruͤnde fällt der Strahl 
Der Sonne g’rab und heiß — der Palmbaum, 
Das Zuderrohr wird groß, der ſchlanke Mais 
Wogt in den Lüften eined ew’'gen Sommers — 
Und doch — 's ift nit das Rand, dad mich ald Kind gefeh'n. 
34 Homm den Berg hinauf und richtete 
Das Antlig nah ber Heimat heil’gem Boden. 
Ib ſah fie nicht — ach, zwiſchen ihr und mir 
Lag uferlod dad Meer und über mir 
Gin and’rer Himmel! 


So löblidher Stellen hat das Gedicht gar viele. Unwillfom: 
mene Ausdrüde, unftatthafte Freiheiten im Bersbau kommen 
freilich auch vors wir betrachten fie aber als Übereilungen, die 
der Übung, dem ernften Willen weichen werden. Bei fo un- 
zweifelhaftem Zalent, wie diefe Arbeit ed kundgibt, können wir 
ten Verf. nur auffodern fortzufahren, ed an Bemühung um 
völlig reinen Stil nicht fehlen zu laffen und den Geiftestrieb, 
der in ihm lebt, durd gute Nahrung großzugiehen. Gr 
fheue nicht, vollſtändig motivirte Wendungen in feiner Drama: 
tiſchen Handlung aufzufudhen, er befeftige fih in Erkenntnif 
des einfach Schönen, das ihm ſchon bei diefer Leiftung fo treu 
vorgefchwebt Hat — und er wird und noch oft zu Dan? verpflich⸗ 
ten für fo frifche, jugendBräftige und befonnene Arbeiten, wie 
„Der Kauf der Ehre” cine if. 


27. Robeöpierre. Drama in fünf Aufzügen. Bon R. Gott: 
fhalt. Reiſſe, Burkhardt. 1845. Gr. 8. 25 Nor. 


Es fehlt an einer wiflenfhaftlihen Bezeihnung für Ar: 
beiten diefer Art: fie find weder Geſchichte noch find fie Dra⸗ 
men im Sinne ber Kritif; die Erfindung — der eigentlid 
poetifche Inhalt — wird zur Magd der Giforie; ed ıft eine 
unmwürdige Gattung, ein Zmwitter ın dem Gefchlecht der poeti⸗ 
chen Kinder, das nie den Tag erbliden folte. Zwar haben 
Zwitter nach römiſchem Recht die Wahl des Geſchlechts: allein 
in der Kunft möchte diefer Sag fchwerlich gelten, befonders 
wenn wie bier weder Hiftorie noh Drama des neuen Un» 
koͤmmlings jich zu freuen haben. Zu diefem Allen ift in diefer 
Arbeit fo wenig Studium der Gefchichte und ihres Locald zu 
bemerken, daß Greigniffe an Orten geiaehen, wo fie ganz un» 
möglich find. Mag daher auch der Charakter ded Helden nad 
der befieen Erkenntniß, die man von ihm in jüngerer Zeit ge: 
wonnen bat, richtig aufgefaßt fein — hier handelt es fih um 
fein Schwanfen, ob er die Dictatur anzunehmen habe oder 
nit —, mögen auch St. Juft, Tallien, Couthon, Eoffinal im 
Ganzen nicht üble Portraits aus der Reihe jener Blutmenfchen 
fein, die allen Maßſtab für die Schägung irdiſcher Dinge 
mordbberaufcht verloren hatten: das Drama felbft bleibt eine 
Fehlgeburt in der unerquidlichften Form und Sprade. „Du 
zagſt?“ fagt 3. B. St.⸗Juſt zu Robespierre. „Hat der Con⸗ 
vent dich eingefhüchtert? DO, wir wollen diefen weifen Ephoren 








U 


ihr Weisheitsmonopol morgen ins Gefiht werfen, daß fie da- 
figen follen wie die Schuljungen !” 


28. Das lepte Opfer Robespierre's. Trauerſpiel in drei Auf: 
zügen. Bon Hermann Scharffv. Scharffenftein. 
Mit freier Benugung eines Dramas von I. Daliere. 

FTrankfurt a M., Keßler. 1845. 8. 20 Ror. 

Roh eine Robespierrade, jedoch etwas minder proſaiſch; 
es find weniäftens menſchliche Gefühle, Seelen, mit denen 
wir es zu thun haben, nicht Rechnenerempel. . Der Gegenftand 
ift des jungen Ehenier Zod, der irrthümlicy hingerichtet wird. 
Bekanntlich kam Dergleihen in der franzöfiihen Revolution 
mehrfach ver, ohne gerade viel Kopfzerbrehen zu verurſachen. 
Darum eben eignen fi Stoffe aus diefer Geſchichtsepoche fo 
wenig zu dramatifher Geftaltung, weil das höcdfte Gut 
des. Lebens, dab Leben, fo fehr allen Werth verloren hatte, 
daß fein Verluſt kaum mit einer tragiihen Empfindung 
zu umMleiden iſt. Der Zod ift Feine Buße mehr; die 
Tragik ift um ihre Wirkung, um ihre Bedeutung betrogen. 
Was wird noch wichtig fein, wenn ed der Berluft des Dafeins 
nicht mehr ift? Es ift daher von vornherein ein bedenklicher 
Umftand, ja vielleicht eine Unmöglichkeit, einen Stoff aus der 
Revolutionsgefhichte tragifch geftalten zu wollen ; es fei denn, 
daß die Idee der trauernden Menfchheit den tragifchen Hebel 
abgebe. Der Verf. thut was er kann; er malt die ringende 
und fämpfende Liebe in guten Verſen und bringt einige Licht: 
momente glüdlih in Das ſchauerliche Gemälde. Ein Zrauer: 
fpiel hat er nicht zu Wege bringen Pönnen; hin und wieder, 
in Monologen ohne Motiv, fpürt man überdies den austrock⸗ 
nenden Einfluß eines franzöjifchen Vorbildes, von dem er fi 
nicht genug befreit hat. 

2. Gefammelte dramatiihe Werke. Bon Roderih Bene: 
dir. Erſter und zweiter Band. Leipzig, Weber. 1846, 
8. 3 Thlr. 

Wir Pennen den Verf. als einen Luftfpieldichter, der mehre 
Stoffe der heutigen gefellfchaftlihen Entwidelung glücklich auf 
die Bühne gebradt hat. Es fcheint und jedoch, er fei am 
Siele: fein Vorrat von Ideen, fo hat es das Anfehen, wird 
nich weit über die vorliegenden zwei Bände hinausreichen, 
und daß cr fie jegt fen fammelt, ift eben kein Beweis für 
das Gegentheil. Das beſte und das anerkfanntefte der vorlie: 
genden Stüde ift „Dr. Welpe‘, eine ganz gute Satire auf 
das Sournaliftenthfum. „Die Mode” ift auch noch reich an 
nicht zu oft dagewefenen Gedanken und Empfindungen. Da: 
gegen ift ‚„„ Der Weiberfeind ’ von friſchen Anfchauungen fehr 
entblößt, „„Der Gonntagsjäger” nicht viel mehr als eine Als 
bernheit, „Das bemoofte Haupt’, ungeachtet feiner Bühnen: 
beliebtheit, eine große Zrivialität, und „Die Männerfeindinnen‘ 
entbehren vollig des Reizes, deflen der Verf. fich fonft wol 
mächtig zeigt. Am fchlimmften jedoch ift es mit den „Skla⸗ 
ven”, Drama in drei Aufzugen, beftellt, infofern ed Kunſt⸗ 
anfprüche macht und die Unbefugtheit des Verf. auf folche be: 
Fundet. Den urfprünglich tragifchen Ausgang der Begebenpeit 
bat der Verf. ganz willfürlich in einen heitern umgeändert und, 
wie wir glauben, ſchon damit bewiefen, in welchem Maße ihm 
die dramatifche Kritik abgeht: daneben ift die Verwickelung 
dunkel, unmotivirt; die Charaktere find haltlos, willkürlich; die 
- Sprache ift ohne Reiz; der Vers formiod umd ohne alles 
Berftändniß wechfelnd. Wir ratben dem Berf., von diefer Ar: 
beit auszuruben, ſich zu fammeln und nicht eher wieder au 
fhreiben, als bis er eines frifchen Ideenvorraths mächtig ift, 
der zur Yußerung drängt; thut er Dies nicht, fo läuft er Ge 
fahr, einen raſch erworbenen Beifall ebenfo raſch und unwieder⸗ 
bringlich einzubüßen, was einigermaßen zu bedauern wäre. 


30. Agnes Bernauer. Zrauerfpiel in fünf Au ügen. Don 
AbolfBöttger. Leipzig, Große. 1845. Er. 8. 1 Ihir. 
Eine geſchickte und glückliche Wendung des befannten und 

allerdings vorzüglichen tragifchen Stoffes ift in der vorliegen: 

den Arbeit nicht zu verkennen; ja mehr, der Verf. zeigt fi 


. 








D 


mit den Kunftgejegen nicht blos vertraut, er gibt aud Pro⸗ 
ben des Berufs, fie anzuwenden. Nur gegen die Gewaltfam: 
feit, mit der er das böfe Princip des Stuͤckes, den Kanıle, 
zum Liebhaber der unglüdlien Heldin macht, wäre doch Ran: 
ches einzuwenden. Wir hätten gewünfdt, ed wäre und ein 
natürlicheres Verhaͤltnih vorgeführt worden; der Barf. hätte 
den Kanzler nur von der Staatsraifen laffen bewegt fein und 
hätte hiermit feiner Arbeit mehr innere Wahrheit, mehr Wirk 
und mehr geſchichtliche Treue gegeben. Hiervon abgefehen iſ 
bie Führung der Fabel wirkungsvoll und die Geſtau der Br. 
gebenheit durchaus dramatiſch. Hin und wieder macht ſich je 
doch ein Übergewicht des Lyrifchen bemerklich, und Berie mie: 
Almädtiger Bott — mein gequältes Herz 

Briht vor Angft und Schmerz — 

Dein befeelender Hauch 

Dat Leben au 

Diefem Genzen gegeben. . 

Du kannſt es breden, du haft es gegeben. 

Dod die Gefühle, mein Schnen und Lieben, 

Die mich zu ihm, zu ihm nur getrieben, 

Werden im Tode nicht flarren und ſchweigen — 

Sie find mein Eigen, 

Kannlt fie nit tödten, Gott, 

Sie find dein Gigen, 

Sind fo unflerblich und gottlih wie du. 


zeugen Doch fehr von Mangel an Beherrſchung und von am 
gewiffen Hingebung an das gedankenleere Wort. Dagegaf 
die Haltung des Herzogs Ernft würdig, und Balded, Kt 
zu Vohburg, ift eine wirjame Bühnengeftalt. Das Gun m 
—* fih zur fcenifhen Darſtellung durch Effect und ge 


rache. 

31. Amalaſuintha, die Gothenkönigin. Hiſtoriſches Trauc 
ſpiel in fünf Aufzügen. Bon es bert Särfden 
Würzburg, Stahel. 1845. Gr. 8. 15 Kar. 
Diefelbe firenge Form, welche der Berf. in der Berihei 

rung der „Pazzi“ zum Vorbild nahm und die nahe an die ale 

franzöfifhe Schule oder an Alfieri erinnert, und mit diir 
ihre Wirkung in das Rhetorifcye fegt, herrſcht auch in dieſer 

Arbeit vor. Wir haben Nichts dagegen, daß gegen di mar 

loſe Zormfreiheit der deutſchen Zragödie Oppofition gemaht 

werde — denn dieſe ift der leidige Quell der Seibſtvernichtung 
fo vieler fonft ganz geiftvollen deutſchen Tragödien —; ala 
wir find der Meinung, daß die franzöfifcge Strenge uns nu 
als Regulator zu dienen habe, nicht als Vorbild nachzuahme ie 

Unfere Freiheit daran zu meffen, den ſchweifenden Geift ja ik 

urüdzurufen, die Erfindung gewiffermaßen, wie um cn 

fen Kern, um die Regel zu jammeln und zu verdie: 
ten: dazu ift fie gut, nicht als nachzuahmendes Bakil. 

Cine an jich fo einfache Handlung wie die Zragödie „Amir 

fuintha’’ iſt ftet6 in Gefahr, in bloße Mhetorik zu verlaukt 

wenn Erfindung und Austiefung der Motive fehlt; und dus if 
bier der Full. Die Wirkung des Ganzen bleibt daher cub 
unbedeutend, wenngleid eine geſchickte Scenenfolge und hit 
und ba eine poetifch: befeelte Sprache nicht fehlen. 8 ideint 
dem Berf. doc felbft an dex rechten Erwärmung für feine 
Stoff etwas gemangelt zu haben. 


(Die Fortfegung folgt.) 








Paul Gerhard. Ein kirchengeſchichtliches Lebensbild aus 
ber Zeit des großen Kurfürſten. Bon C. A. Bil 
denhahn. Zwei Theile. Leipzig, Gebhardt u. Rail 
land. 1845. 8, 1 Thlr. 15 Rgr. 

Der DVerf. diefes wohlgelungenen Buches ift ſchon duch 


andere Leiftungen, namentli durch feine Schrift: „Leben un | 
Sterben. Mittheilungen aus dem Tagebuche eines Geiſtlichen“, 
| 





1075 


und noch mehr durch die der vorliegenden verwandte: „Ph. 3- 
Syener. Eine Gefchichte vergangener Zeit für die unſere“, 
ruͤhmlich bekannt und Vielen lieb geworden. Gr bietet hier 
in „Lebensbild , das wir als treffend und freu unbedenklich, 
aber als geſchichtlich nur in befchränktem Sinne anerkennen. 
Denn obwol daß hifterifche Element vorwaltend, Feine aus den 
Quellen zu ermittelnde Thatſache verſchwiegen noch entftellt 
it, jo nımmt doch die romanhafte Buthat jo viel Raum ein, 
daß wir dieſes Gewebe von Wahrheit und Dichtung unter Feine 
andere Rubrik ſtellen koͤnnen als die des hiſtoriſchen Romans. 
Eine andere Stellung nimmt auch der Verf. für fein Werk 
nit in Anfpruc. 

Man faßt gewöhnlih, aber irrthümlich, Wahrheit und 
Tihtung als Gegenfüge auf. Sie find es nicht. Denn auch 
die Dichtung bat, wenn fie rechter Art ifk, ihre Wahrheit, 
eine ideale, die aber zugleich eine reale ift, obwol nicht eine 
zeſchichtliche. Der dichteriichen Wahrheit entbehrt auch das 
sorliegende Lebensbild nicht; wie denn Geift und Charakter 
des Helden, der hier zur Anſchauung gebracht wird, und der 
bervorragendften biftorifchen Geftalten, die in den Gang der 
Begebenheiten eingreifen, nit minder als die eigenthuͤmliche 
Stimmung des Zeitalters, dem fie angehören, mit unverfenn- 
barer Zreue dargeftellt find. Gleihwol mögen gegen eine ſolche 
Verſchmelzung der Poetiſchen und hiſtoriſchen Wahrheit, wie fie 
hier vorliegt, gerechte Bedenken fid) regen. Zwar — 
es nicht dem mindeſten Zweifel, daß wie der dramatiſche ſo 
uud der freiſchaffende Romandichter volllommen berechtigt iſt, 
1 einer hiſtoriſchen Perſon zu bemachtigen und dieſelbe rein 
poctiſch, ohne an die geichichtlich conftatirten Thatſachen ges 
bunden zu fein, redend und handelnd barzuftellen; wo aber 
das biographiſche Material jo entfchieden prädominirt, daß die 
voice Geſtaltung nur eine untergeordnete Rolle fpielt, da 
enifteht ein Zwitterwerk, das, zwifchen Biographie und Roman 
iwebend und ſchwankend, der firengen Kritik in keiner Be: 
dung genügen kann. Um nachdrücklichſten werden ſtrenge 
Hiſeriker gegen die Kühnheit proteftiren, in ihr ſcharfbegrenz⸗ 
Ih Gebiet einen romanhaften Luxus einzuſchwaͤrzen. 

Es kann aber ein Buch, ohne eben den Foderungen, welche 
Alig an ein Kunſtwerk gemacht werden, zu genügen, doch in 
ünderer Hinficht befriedigend, fehr anziehend, lehrreich, erbaulich 
fin; und Dies gilt von unferm „kirchengeſchichtlichen Lebens: 
bilde" ganz vorzüglich. Der Berf. hat unverkennbar, bevor er 
Hand ans Werk legte, gründliche Studien gemacht, den gan- 
sen geſchichtlichen Stoff, den er zu verarbeiten gedachte, fich 
ngerignet und mit bemfelben was er aus eigener Erfindung 
hinzugethan finnig in Einklang gebracht. Seinen Helden, der 
in Diefem Bilde, wie einft im Leben, als ein ftarfer Glaubens: 
beld fi bewährt, hat er mit der Liebe, die für ihren Gegen⸗ 
fand entſchieden Partei nimmt und doch nicht parteiifch ift, 
ewie mit tiefer Einficht in feine Individualität, mit gründ- 
dem Berfkindni® feines Strebens und Wefens aufgefaßt und 
anfeen liederreichen, im euer vieler Prüfung durchläuterten 
Paul Gerhard iebendig dargeftellt. Neben ihm fteht liebens: 
würdig eine fromme, in der Schule mannichfacher und lang» 
Dirriger Leiden gereifte und bewährte Gattin, und der geift: 
wandte Eomponift feiner Lieder, ber treffliche Mufikdirector 
Ebeling, gegenüber die bobe, ebrfurckhtgebietende Geftalt des 
geoßen Kurfürften und fein wackerer Geheimrath, der Ober: 
prafident der Mark Brandenburg, Freiherr von &chwerin. 
Rächſt ihnen ragt unter den in die dargeftellten Ereigmiſſe ver» 
webten Perfonen befonderd hervor der ehrfame Zuchmacher 
Reifter ung, ein treffliher NReprüfentant des wadern deut⸗ 
den Bürgertbums, und deffen hochherzige Tochter Dorotbea, 
ine Jungfrau, die, in frommer Bucht und edler Sitte aufge» 
wachſen, der Gerhard’fchen Familie von Kindheit auf befreuns 
det, eine außgezeichnete Bildung fich erworben hat. Wider: 
wartig erfcheint der reformirte Sofprebiger Stofch, in welchem 
der greuliche Sektenhaß, der damals Reformirte und Luthe- 
riſche gleich undpriftlich erbitterte, mit arglifiger Wosheit fich 


vereint. Das eigentlich boͤſe Princip in der Geſchichte if aber 
Stolpe, der Geheimſecretair Schwerin’s, ein fatanifher Menfch, 
ber, in früͤheſter Kindheit von Vater und Mutter verlaffen, 
binausgeftoßen in eine feindlihe Welt, von den Menſchen er» 
barmungslos verfäumt, gedrücdt, gemisbraudt, in der Schule 
der Verbrechen gereift, unverföhnliche Feindfchaft dem ganzen 
Geſchlecht geihworen hat und nur darin, daß er Unheil fact 
und Berderben bereitet, Genugthuung, Genuß und Freude fin: 
det, und den felbft die einzige beflere Regung, die mit daͤmo⸗ 
nifher Gewalt ihn beberrjchende Liebe zu Dorothea, nur tie 
fer verwirrt. 

Die Gryählung bervegf ſich um jenen Revers, durch deſſen 
Unterzeichnung auf Befehl des Kurfuͤrſten die lutheriſchen Geiſt⸗ 
lichen ſich verpflichten ſollten, ſich alles Scheltens und Schma⸗ 
hens der Reformirten und ihrer Lehre zu enthalten. Dies 
ſchien nun ganz unbedenklich und unverfaͤnglich, da ja ebenſo 
ſehr die Würde des Predigtamts wie die chriſtliche Liebe 
ſolche Enthaltung von leidenſchaftlichen und erbitternden Auße⸗ 
rungen gebot. Aber die Faſſung des vorgeſchriebenen und 
durch die Unterſchrift buchſtaäͤblich anzuerkennenden Formulars 
ſchien die Freiheit des Bekenntniſſes, die Vertheidigung der 
lutheriſchen und die Widerlegung der entgegengeſetzten Lehre 
dergeſtalt zu beſchraͤnken, daß Biele in ihrem Gewiſſen ſich ge⸗ 
drungen fuͤhlten, die Unterzeichnung ſtandhaft zu verweigern 
und lieber Abſetzung und Verbannung zu erdulden als den 
Vorwurf oder auch nur den Schein einer Verleugnung ihrer 
Überzeugung und Berufspflicht auf fih zu laden. Es beftä- 
tigte fih, auch hier die alte Erfahrung, daß alle, auch bie 
beftgemeinten Verſuche der weltlihden Gewalt, durch Zwangs⸗ 
mittel Eirchlihe Yarteiungen zu befeitigen und die Leidenfchaft 
der Streitenden zu Dämpfen, ihren Zweck verfehlen und, zum 
Martyrthum herausfodernd, das Übel nur ärger machen. 

Der Berf. führt und, zweckdienlich einleitend, zuerft in 
das Wirthshaus an der Langen Brüde zwifchen Berlin und 
Köln. Dort find in der Mitte des Februar 10666 am Feier⸗ 
abend ebrenfefte lutheriſche Bürger, die Stammgäfte um einen 
Tiſch ber, von dem gefchäftigen Wirth aufmerkſam mit einem 
Labetrunk bedient, eben nicht fröhlih, fondern in Erfolg der 
Beitverhältniffe ſehr ernft verfammelt. Die Unterhaltung kreiſt 
um jenen ärgerlichen Reverd, um die Beläftigung der Geiſi⸗ 
lichen mit der gebotenen Unterfehrift und die eintretende Härte 
gegen die Widerftrebenden, um bie feheinbaren und wirklichen 
Gefahren für das echte Lutherthum. Meifter Jung führt das 
Wort, freimüthig aber nicht unbefonnen. Der Mufifdirector 
Ebeling fpricyt mildernd und verföhnend dazwiſchen; der ängfl» 
lihe Wirth, der (ein wenig di oft) fi rühmt über den Bars 
teien zu fteben, verfucht die Gefahren, mit welchen allzu kuͤhne 
Meden feine Nahrung bedrohen, abzuleiten. Stolpe, der lauernd 
fih eingeſchlichen und mit argliftiger Freundlichkeit ſich das 
Anſehen gibt, als flimme er den ‚gerechten Beſchwerden der 
Lutberifhen bei, reist durch kecke Außerungen bie aufgeregten 
Geiſter zu rüdhaltlofern Anklagen der Purfürftlichen Maßregeln 
und eilt bann, was er gehört und mehr no am rechten 
Orte anzubringen. . 

Im Sprechzimmer des Freiherrn Schwerin unterhandelt 
Diefer und der argliftige Hofprediger Stoſch mit dem lutheri- 
ſchen Propft Fromm, welcher, friedliebend und zur Bermittelung 
zwifchen den freitenden Parteien geneigt, durch unvorfichtige, 
von Stoſch gemisbrauchte Außerungen fich compromittirt hat, 
und mit einem armen Landgeiftlichen, welcher in einer andern 
Angelegenheit vorgelaben ift und nun mit der Auffoderung zur 
Unterzeichnung des Reverſes überrafcpt wird, Beide verwei⸗ 

ern ſtandhaft die Unterſchrift und empfangen vorlaͤufig die 
nkuͤndigung der Suspenfion vom Amte. 

Bei der frommen Hausfrau Paul Gerhard's klagt Doro⸗ 
thea ihr Entſetzen uͤber die Liebesbriefe Stolpe's, ihre Angſt 
vor dem Unheil, welches Dieſer ihrem Vater bereiten moͤchte. 
Der ehrwuͤrdige Sänger tritt ein, nach ihm der Wuſikdirector 
mit der Compoſition des Gerhard'ſchen Liebes: „Der wunder» 





1076 


volle ind“, das im traulidyen Verein alsbald gefungen 
wird und in das finnreihe Gefpräd eingreift. 

Paul Gerhard fteht vor dem Gonfiftorium, mit ihm ber 

jreife Propft Filius, welcher, feines Amts entfegt, endlich fi 
Beioegen fieß, zwar nicht den Revers zu unterfchreiben, aber 
einen ähnlihen mit Vorbehalt, durch welden er fein Gewif- 
fen zu wahren fuchte, auszuftellen, und nun wieder in fein 
Umt eingefegt wird. Ruhig und befceiden, aber feft entfchlof- 
fen und tapfer, lehnt Paul Gerhard das Anfinnen ab, den 
Mevers zu unterzeihhnen. (Er beruft fi) darauf, daß er daß 
Sqmaͤhen und Käftern der Andersdenkenden fih nie erlaubt 
habe; er Teugnet aber aud nicht, daß er felbft feine Amtsge ⸗ 
noffen ermahnt und geftärt habe, in ihrem Bekenntniß ftand« 
Haft zu beharren und die Unterzeichnung des Reverfes, die wi⸗ 
der Glauben und Gewiffen fei, zu verweigern. Die milde Zu 
ſprache des Präfidenten bewegt ihn zwar, die ihm angebotene 
achttägige Bedenkzeit anzunehmen; aber alsbald fühlt er fih 
gedrungen, feeimüthig zu erflären: er werde und Eönne ſich 
nicht anders befinnen noch je den Revers unterfchreiben. 
Darauf wird ihm angekündigt, daß er von feinem Amte ent- 
taffen fei und den weitern Befehl, Stadt und Land zu meiden, 
gu gemwärtigen habe. j j 

Die Rachricht von Gerhard's Dienftentfegung hat die Bür- 
ger fehr aufgeregt; wieder im Wirthehaufe verfammelt, wer: 
den fie durch Meifter Zung beſchwichtige welcher den Magiftrat 
um Berwerdung beim Kurfürften zu bitten empfiehlt und, auf- 

jefodert,, das Geſuch alsbald niederfchreibt und von den anwer 
Penden Vorftehern der Gewerbe unterzeichnen läßt. 

Dorothea tröftet indeß die gebeugte, doch nicht verzagte 
Hausfrau; Ebeling erheitert fie durch Überreihung der gedrud 
ten Compofitien ven zwölf Kiedern Gerhard's; Diefer kommt 
dazu, fpricht, feiner würdig, demüthige Unterwerfung unter 
die graufame Entfheidung aus, aber auch feinen tiefen Schmerz 
über die Entfernung vom Predigtamte. Dreißig ehrbare Bürs 

jer treten ein und Magen ihm ihr Leid darüber; er ermahnt 
% zur Ruhe, fügt fich aber in ihr Begehren, fie durch eine 
feomme Anfprahe zu erbauen. inmüthiger Gefang erhöht 
die ftide Feier; dann gehen Ale ftil auseinander. Siolpe hat 
dieſe Hausandadht belauert und frohlockt darüber, weil es eine 
verbotene Handlung ift. 

Wieder find im Wirthshauſe die lutheriſchen Bürger ver: 
fammelt, zahlreicher und fürmifcher als früher. Die erbetene 
und freundlich bewilligte Verwendung des Magiftrats ift ver- 

eblich gewefen; ein kuͤrfürſtliches Refeript weiſt faft ungnädig 

fe zurüß und erregt, da e8 in der Berfammlung vorgelefen 
wird, lebhafte Außerungen von Unmuth. Wieder beſchwichtigt 
Meifter Jung, empfiehlt ein zweites dringenderes Gefuch, ver: 
fast daffelbe und übernimmt, nachdem e6 alsbald unterzeichnet. 
worden, die Übergabe. 

Der Bürgermeifter Tiefenbach ein verftändiger und wohls 
gefinnter Lutheriſcher, trifft al6 Abgeordneter des Magiftrats 
in Kleve ein, wo der Kurfürft weilt. Ihn begleitet feine Gat ⸗ 
fin, Meifter Jung und Dorothea. Alsbald findet fih Stolpe 
ein und bietet feine guten Dienfte an. Tiefenbach erhält Au« 
dienz beim Kurfürften, wird mit Vorwürfen beftürmt und 
big ungnäbig.entlaffen. 

Während Dorothea im Gafthaufe allein ift, dringt Stolpe 
ein, verkündet ihr die bevorftehende Verhaftung ihres Vaters 
und verfpricht ihn zu retten, wenn fie ihm nur erlauben wolle, 
in Berlin fi) ihr zu nähern. Gr wird abgewiefen, wie von ihr 
fo von dem Vater; der Verhaftsbefehl wird erlaffen, und nur 
mit Mühe, fi felbft verbürgend, erlangt e8 Tiefenbach, daß 
Jung ohne Begleitung der Gerihtödiener heimreifen darf. 

‘In Berlin wird ber Werbaftsbefehl vollgogen. Dorothea 
figt teauernd mit Paul Gerhard am Krankenbette feiner Gattin 
in ernftem Gefpräh. Cr wird abgerufen, weil mehre Bürger 
ihn zu fpvechen begehren. Sie lagen ihm ihr Leid, ihren Un- 
muth; er entläßt fie mit ernfien Warnungen und Grmahnun- 


gen, bittend, daß fie für ihn nicht weiter fih verwenden mö- * 





g Indeß hat Dorotpea einen Entfeluß gefaßt: fie mil in 
jater, der fon drei Woden im Gefängniß liegt, befreim. 
Sie verfpricht nämlich dem Mufikdirector, der fie zärtlih, da 
fie Eindlich liebt, ihre Hand, um die der ältere Mann nitt 
zu werben wagte, wenn er ihr beiftehe, den Bater zu befteien 
Der entzüdte Ebeling verfpricht Ale was fie begehrt. 

Bon ihm begleitet, begibt fi Dorothea zum Dberprät: 
denten, der, während Stolpe die Anmeldung von einem freut. 
lichen Blic der Jungfrau abhängig machen will, unemırtt 
eintritt und die Audienz gewährt. Dorothea fpridt mit hir 
veißender Beredtfamkeit für die Befreiung ihres Baterd un 
enthuͤllt endlich die Ränke des feindfeligen Geheimferretii 
In Gnaden entlaffen, Eehrt fie hoffend heim, und bald erſchert 
der befreite Vater und fegnet die Verlobten. 

In einer Confiftorialfigung vertheidigt fi der Prek 
Zeomm gegen die böslihen Infinuationen des Hofpredigrt 
verweigert entſchloſſen die Unterzeichnung des Meveried un 
wird nun völlig feiner Amter verluftig erklärt. Er verlik; 
eilend Berlin und zieht nach Wittenberg. J 

Yaul Gerhard figt bei feiner Teanfen Gattin und efihn: 
ent, daß fie ſich feine ftärkende Kahrung bereiten fi. 
weil — Geld fehle. Er fuht in allen Taſchen und Kite 
und findet aud fi Da tritt, wie ein hülfreidper Guy. 
Dorothea mit Präftiger Speiſe ein, Ebeling bringt des de 
ters Antheil an dem Erlös aus dem verfauften zweiten Dur 
der componirten Lieder und dringt ihn auf, fo fehr Gert 
ſich dagegen fträubt, nicht minder ald gegen den von dınlet 
baren Bürgern zufammengefteuerten Grfag der entzogen | 
foldung, welchen Meifter Jumg überreicht. Die Hülfe == | 
Roth darf nicht verweigert werden. j 

Gerhard wird zu dem fterbenden Greis Lilius ger 
welder, wegen Unterzeichnung des Meverfes don Gemifii | 
fen geängftet, durch die Vorwürfe und &chmähungen ir 
Collegen —8 Loft begehrt. Gerhard ftraft ipn un f 
nes San jelmuthö, tröftet ıhm um feiner Buße willen; <br 
aber im Begriff ift, ihm das heilige Abendmahl zu reist 
gott er, daß ihm jede geitliche Amtshandlung unterfagt f 

eilt, den Diafonus Lorenz zu rufen, welchet nah 
tiger Beichte die Abfolutton ertheilt und daß heilige Lam 
darreicht. Der Grquicte firbt, und an feinem Lagr gaben 
die beiden Eollegen von neuem unverbrüchliche Treue im Hart 
haften -Beßenntniß der Wahrheit. 

(Der Beſchlußs folgt. ) 








Miscellen 
Wie man in Rom Heilige madt. 

Ein merkwürdiges Beiſpiel ber Leichtfertigkeit, mit mid 
man in Rom bei der Heiligipredjung zu Werke ging, mt“ 
Mabilon als ein Vorfall erwähnt, der ſich noch zu feine de: 
in Zolofa zugetragen. In den römifhen Katakomben fan n* 
eine römifche Infchrift, die folgendermaßen lautete: 

D. Mm. 


Julia Buodia Filia Feeit 
Castae Matri Et Benemerenti 
Quae Vixis Annie LAX. | 
Kraft diefes Epitaphiums, welches die Julia Euodia ibret “| 
tigen und mohlverdienten Mutter errichtet, und weldhet dit 
aus feine Spur des Chriftenthums, fondern cher dab 85) 
theil enthält, wurden die in Diefem Grabmal gefundene 
beine für beifig erHärt und der heiligen Julia Guotia ar | 
deren „Reufchen Mutter” zugeſchrieben. 


_— l 

Einfache Grabfgrift. | 

Huf dem Grabfteine des englifhen Schaufpielers Burkif 

eines Zeitgenoffen Shakfpearg'6, flehen die amei Worte: Bi 
Burbage! {Burbage geht ab!) n. 








Berantmorttiger Heraudgeber: Geincid Wroddane. — Druk und Berlag von . W. Mrotbans in Leipjig- 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


—— Rt, 270. — 


27. September 1846. 





Dramatifhe Bücherfchau für das Jahr 1845. 
Dritter Artikel. 
(Zortfegung aus Nr. 369.) 


3, Die Opfer der Spielhölle. Zeitbild in vier Aufzügen. 
Rah einer Thatſache bearbeitet von pbilipp als 
burg Kramer. Konſtanz, Bannhard. 1345. 8. 
10 Kor. 

Die Arbeit eines Theaterdirectors kann nicht wol anders 
ald mit Theatereffecten, Bein und groß, auftreten. Bu den gro: 
ben Gffecten gehört die Wirkung des Giftes, welches Polyrena 
derſchluckt, zu den Beinen der Italieniſch⸗Deutſch radbrechende 
dettialdi. Das Ganze ift eine von den dürren Gervorbringun- 
gen, welche das jept geltende Stichwort, gegen die Bade⸗Spiel⸗ 
banfen, in diefem Sabre hervorgerufen bat. Es ift davon 
Rchts su fagen, als daß der Wille gut, die Kraft aber ſchwach 
wur. Iffland's „Spieler ift aber in diefer Richtung hun⸗ 
dettmal wirffamer als alle diefe neuern Verſuche. 


D. Die Theaterprobe. Lyriſches Irauerfpiel in einem Acte. 

de E. Pabſſt. Muͤnſter, Wundermann. 1845. 8. 

gr. 

Entweder iſt dieſe Arbeit irgend eine verſteckte Satire ge: 
gen irgend eine unbefannte theatralifche Schlechtigkeit, oder fie 
if, wenn ernft gemeint, bie wunderlichfte Geiftesverirrung 
die fih erdenken läßt. Zwei Schaufpieler lieben die Zochter 
des Theaterdirectors und ermorden diefelbe aus Eiferfucht bei 
der Probe eines Stückes. Das heißt denn doch mit dem Ge: 
ſet der Ttagödie ſeltſam umſpringen! Dazu ein Sprachunge⸗ 
heuer in dem Verſe wie: 

Eh' ich dich verlaffe, 
Ermord' ich Welten im Verzweiflungshafſſe — 
un Erclamationen wie: 
Mörder, e w'ger Mörder! 


iR poetiſche Blüten gelten, und das den gefunden Menfchens 
eitend fortwährend mit Küßen tritt! 


d. Spanifches Theater, herausgegeben von Auguft Wil: 
beim von Schlegel. weite Ausgabe beforgt von 
Er. Böding. 8wei Baͤnde. Leipzig, Weidmann. 1845. 
Gr. 16. 1 Thlr. 10 Nor. 

‚ Zur Empfehlung der bekannten Schlegel'ſchen Überfegung 
nger Dramen Calderon's bedarf es nicht vieler Worte: 
Niſt zur Beit noch immer die beſte Die es gibt, poetiſch 
D treu in dem Maße wie beide Gigenfchaften fich in zwei 

verichiedenen Idiomen nur immer vereinigen laflen. Der 
ausgeber hat nach ded Verf. Andeutungen, denen er nahe 
nd, nur einige Verſe, die Druckfehler der erſten Ausgabe 

d die Drthographie zum Theil geändert; alles Wefentliche 

aus den fruhern Ausgaben beibehalten worden. Aber es 


macht eben der Lefewelt ſelbſt Ehre, daß eine zweite Ausgabe 
diefer claffifchen Übertragung nöthig wurbe. 


35. Wilhelm von Letce. Trauerſpiel in fünf Acten. Bon 
M. Bedmann. Dönabrüd, Meinders. 1845. Gr. 12. 
15 Nor. _ | j 
Kaifer Heinrih VI. bat den König Wilhelm von Sicilien 
und Apulien, den man von Lecce nennt, des Thrones und des 
Reichs beraubt, ihn geblendet und im Elend verſchmachten laſſen. 
Auf feinem Grabhügel bei Agofta, auf dem er, von der Jagd 
müde, bürftend, ausruht, wird er von feiner Witwe, Margare 
the von Weißenfels, die ihn rächt, vergiftet und ftirbt mit die 
fer. If Dies nun eigentlich genügender Stoff zu einer Tragö⸗ 
diet Wir glauben nit. In diefer Begebenheit ift Alles 
äußerlich, Nichts im Sinne der Kritil, im antiken Wortſinne, 
tragifh. Wo bleibt der reinigende Schredien, die Läuterung 
der Leidenfchaft, die Umkehr in uns, die Enmvidelung der 
Ihat, trog der Mahnung bes beffern Geiſtes in dem Ihäter? 
Denn wenn auch Heinrich fterbend feine Graufamkeit gegen 
Wilhelm v. Lecce bereut: dieſe Reue allein, obenein fo 
lauwarm und matt ausgedrüdt, vertritt den tragifchen 
Schreden wahrlih nit. So fehlt ed denn dem Stücke zwar 
an den wefentliden Kriterien einer wirblichen Tragoͤdie, in» 
deß ift die Form nicht ſchlecht. Verſchiedene Charaktere find, 
wie Phillpp von Schwaben, des Kaifer Bruder, und diefer 
felbft, wirfungsvoll ergriffen und gut ausgeftattet; und ſchleppt 
auch die Handlung zuweilen etwas, fo find einige &cenen, bes 
fonder6 die des zweiten Acts, Doch nicht ohne Dramatifche Be: 
deutung. Vers und Sprache find durchweg forgfältig und gut 
bedacht und auch in der Iyrifhen Bewegung ift der Verf. fei- 
ned Ausdruds Herr. Gluͤcklich iſt er vorzüglich in der Malerer 
der Liebe (achte Scene im dritten Act), und der Auftritt, wo 
der Kaifer die Liebenden, Margarethe und Wilhelm, überrafcht, 
ift, indem er die eigentliche Kataftrophe des Stückes bildet, zu⸗ 
gleich die ergreifendfte Scene des ganzen Zrauerfpield. Die 
maßlofe Wuth, ber Heinrih fih bier überfäßt, bereitet die 
Rache vor und motivirt fie. Bon dem fprachlihen Vermögen 
des Verf. gibt eben diefer Auftritt die beften Proben. Mar: 
garethe erwartet den Geliebten; fie ruft Bertha zu: 
Komm, (hmüde mid für meinen Freund! 
Es ſchmuͤckt mit Perlen ja von Thau 
Die Blume fib auf grüner Au, 
Bann ihr ber junge Tag erſcheint, 
Ste laͤchelnd grüßt, fie heil umſtrahlt 
Und Ihren Kelh mit Purpur malt. 


36. Zannhäufer und der Sängerfrieg auf Wartburg. Große 
romantifhe Oper in drei Acen. Bon Rihard Wag⸗ 
ner. Dresden, Mefer. 1845. 9. 3 Nor. 


Ein treffliher Opernftoff ift Hier mit poetifhem Schmuck 
und mufilalifhem Borgefühl fehr glüdlich zur Darftellung ge: 
bracht. Fehlte e8 uns nit an Raum, fo gäbe dies Stud 


„1008 


mb Saeczenheit, Das was eine Dper fein fol an ihm vol“ 
zu erixtern, und e6 würde fid) dann zeigen, daß in diefer Ar- 
beit faR alle Unfoderungen, die wir an eine folche zu ftellen 
bereditigt find, ihre Befriedigung finden. Mit diefem allger 
weinen Anerkenntniß müffen wir uns hier genügen laſſen; 
ermuntern jedoch den begabten Verf., fich zu größern Unternehr 
mungen werden, denen er ſich durch eine 
über Die Gprade wol gewachſen zeigt 

37. Einige Dichtungen von Percy Buffhe Shelley. 
Oeuiſch von F. Pröffel Mit dem Leben und Sinnife 
35 at Braunfpweig, Weyer sen. 1845. 

Yy Rar- 

Der kuͤhne Geiſt Shelley’s, diefes flüchtigen Schweiffterns 
der englifdgen neuern Literatur, Ift in Deutſchland nicht unbe 
Bannt. Rad einer guten Darftellung feines Wirkens und Le: 
bens werden uns bier zwei feiner Valuptarbeiten: „Beatrice 
Eenciꝰ, Zrauerfpiel, und die „Bee Mab“, nebit einigen andern 
Bleinern Dichtungen geboten. „Beatrice” ift ein wirkungsnol- 
46 und in der dramatiſchen Literatur Englands hervorragen- 
tes Stud, allerdings nicht frei von den eigenthümlichen Un: 
iea der medernen englifgen Dramaturgie: langer, pompöfee 
was bohler Meben und forcirter Effeete aber ebenfo ausge: 
zeichnet auch durch treffliches Studium der Charaktere. Die Über: 
fegung ift tadellos. ie Iprifchen Bugoben empfehlen ſowol 
ben Liter wie den Überfeger unferer Iheilnahme. „ee 
Mais’ ih das berühmt gewordene Gedicht, in dem ber 
Yunying Chelley feinen jugendlihen Born gegen alles Ber 
Mıteacı austchte, und das ihm im freien England eine Ber: 
netgeiiung als Getteslaſterer zuzog, über welche mir in 
Tauıtelıne Raunen mußten. 

1 dns Sa fe. Tragi · Komödie, frei nah 3. H. 
Mille sm 8. Ehtenfhläger. Leipzig, E. Fleiſcher. 
Im, 9. 3 Kar, 

Gare — Beiehmönie, wie 3. H. Deſſel s, des bäni- 
Men Liane, rieb ohne Gtrümpfe”, ift bekanntlich {dwer 
FH at in ein fremdes Fe —— Diefer 
% ii, nenommen, auch bei der vorliegenden 
Yan Anm Bas uns darin befriedigend anfpricht, 
8 olım Os allgemeine Satlre gegen die ganz verfhraubte 
Busur der altfranzbfiigen Zragödie, wogegen uns die volks · 

en Ei⸗nen ** völlig verloren gehen und gehen müſſen 

madgen bie gereimten Wlerandriner allerdings eine recht 

Bumiihe Wirkung 8. 8. Mag: 

Ze mirs wm Eirsben Beltz jegt dindert aicht Gewalt; 
4uas pe vuhhg bin ig, mödtern und zu kalt; 

Ms bes, ber Berben wiil, muß heiß fein, Hingeriffen. 

EM murum bin ig Haltt — Das mag der Himmel wiffen! 
W. 6a Weib aus dem Volke! Drama in fünf Yeten. rei 

a Dennery und Mallian von 3. Mendelsfohn. 
Gusbenrg, Berendfohn. 1845. 16. 10 Rar. 





in brei Acten von 


ww Bar zarrihene, Kolle_ mit 
en 188. 8. 


2 L Hırnıoy. Pu PH 
in 


HH Mi 006 ber Borftadt oder: Ehrlih währt am 
ru dan Yole in drei Weten. Bon Joh. Reftroy. 
Wis, sebaufler. 1845. 12, 15 Mor. 

2 enſqhlichet Lachſtoſſ dagegen in dieſen beiden, 

Fer Pr in km erfien © — beften tee den 

Yin unlh unnei al⸗eichlichen Malmund! Fuͤrwahr, die 


jöne Gewalt | 
} feefli 









Friſche diefes Seife 
Humor find für die Mi ü 1$ und verdienen eier 
fpätern Generation, die an alem Diefen vieleicht nod irn 
ift als wir es find, aufbewahrt zu werben. Die Perfilage 
ber weltmüben Zerriffenheit, d. h. des halben Wolens bei vi 
iger geiftiger Ohnmacht, ift in dem zerriffenen Capitalifte 
Kipe, gerne dem rohen Waterialismus Gluthammer's, ter: 
&h zur Darftelung gekommen; nebenhex ift haft keine Zei 
ohne ihren befondern Lachftoff, für den wir Ade, die wir un 
der Beit leiden, dem Berf. dankbar zu fein Urſache haben 
Im zweiten Stück ift der Gedanke geringer, der ocal: mt 
Wortwig aber nicht minder anregend. WUe Jahre jmi 
folge Stücke gewährt viel Erfag für viele dramatiſche Lanz: 
— — wie fie der Recenſent in dieſem Fach kide u 
ven hat. 


42. Das Privat: und Haustheater. Bon &. Schönftein. 

Erfted Bändihen. Bien, Walishauffer. 1845. Gr. 1. 

8 Ror. 

Gleich diefe Arbeit kann für eine jener leidigen Lanzm 
ligeiten gelten, welche wir eben im Auge hatten. „Dis wm 
terbrochene Due‘, Poffe in einem Mrt, enthält auf feinen 1) 
Seiten nicht fo viel Heiteres als ein Blatt de& „Zerriflner" 
darbot, und das Ruftfpiel „Der Bürgermeifter‘ ift wenigfas 
ſchon zwölf mal in unferer dramatiſchen Literatur vorhante. 
Der bier preiögegebene wiener Wig gehört jener breiten u! 
unangenehmen orte an, die nur ın bem kleinſten Ik 
Deutſchlands verdaut werden kann. Gegen Refttoy'e fir 
Friſche iſt er teigin und zäh zu nennen; Privattheatet de 
haben beffere Sachen zur Auswahl. 


43. Das Liebhabertheater. Eine Sammlung der neuen m 
beften leicht barftellbaren Theaterftüde, für Privatbihın 
und Famiiienkreiſe herausgegeben von Ih. Hell. Grid 
Fig Heft. Grimma, Berlags:Comptoir. 1346. K 

t. 





Dergleihen beffere Sachen finden ſich ſchon in dien 
Sammlung, wenngleich freilich meiftens dem Auslande it 
lehnt. Das Luftfpiel „Sur Geſundheit“, nach Anzelet u 
Dupont, ift allerliebfl. „Der Schag aus Hypir“, 
Driginal von P..., unterhält wenigftens leidlih: “6 
die „Homdopathifche Eur’ ift paflend und ausgewählt ıd gu 
übertungen. „Maske für Maske” und „Bold und Ah 
von Schröder find ihrerfeits alte und bewährte Bafid 
zum Hausgebrauch ganz geeignet. 


44, Gnrico und Blanca, oder: Die Heirath aus Race. Tart 
iel in fünf Acten, von Ernft Drtlepp. Binterijun 
jegner sen. 1845. 16. 9 Nor. 

Einem Anfänger verziehen wir, wenn er uns in kam 
erften gebrudten Srauerfpiel in ein Ührte, de mt 
anders zu löfen ift, als dag alle feine handelnden Perjonen, iu 
nad) der andern, auf die Bühne hinaustreten und fih ana 
Doich in das Herz ftoßen. Gin junger Nragöde braußt — 
aus Blutz nachſtt dem Blut aber hat er Nichts fo mechz ð 
Geiftererfcpeinungen ! Wie gefagt, wir Halten ihm Bed U 
gute: allein ein ſchon erfahrener und geübter Schrif Da 
unfer Verf. ift, follte Mittel finden, am Cchiuf feines Grid 
auch noch andere Perfonen als den Gouffleur allein am fr 
ben zu laffen, feine Seenen nicht fo, wie hier geſchieht, m! 
Blut zu überfpannen, und nicht zur Ungebühr Banguo’s Sit 
erfepeinen zu iaffen. Michtödeftoweniger if Dalent in dien 
Arbeit erkennbar und wir möchten fe bahıe für eine Erftin: 
gabe des feitbem fortgefhrittenen Dichters halten, bie nur :7 
Ungeit vor das Yublicum tritt. Amar iſt die Handlung u 
oft bagemefener und etwas trivialer Erfindung; indeh verbü 
fi Dies theus unter einer blühenden, poetifchen Dicion, the 
umter der Fühnen Zeichnung einiger Charaktere. Unter Dice 
ift des Helden Bruder, Petro, Bein übles Gegenftüd zu Ari 


+. 


Moor, und wenigftens ebenfo ſeht Schurke ald Iener. (Enrico 
und Blanca — Leptere, durch einen wohlgemeinten Betrug 
des Vaters getaͤuſcht, ihre Hand aus Rache Orſino reicht — find, 
außer in der Liebe, allerdings Nullen ; Dagegen find einige Volks⸗ 
kenen und der Schluß in feiner hypertropiſchen Geftalt Doch 
nenigftend von Wirkung. Die Sprache iſt durchaus zu loben; 
der Vers if Präftig und gut. Blanca 8 Monologe (8. 33 u. 73) 
erinnern felbft an die beiten elegifhen Partien in Schiller: 
Aus welchem felgen Parabiefestraum 
Hat mich das Schifal plöglih aufgerüttelt? 
Bol Blüten Rand der Doffnung junger Baum, 
Gin einz'ger Sturm Hat all' fie abgefchüttelt. 
Dabin find nun die goͤttlichſten ber Stunden, 
Und meiner GSesle Ruhe iſt verſchwunden u: f.w. 
Rad) allem Diefen werden wir berechtigt fein, dies &Stüd, das 
fh au durch eine prägnante Kürse und Bebrungenheit des 
dandlung auszeichnet, für die Jugendarbeit eines Geiſtes 
# halten, in der ſich beflere Leiflungen vorbilden. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Paul Gerhard. Gin kirchengefchichtliches Lebensbild aus 
ber Zeit des großen Kurfuͤrſten. Bon E. A. Wil- 
denhahn. Zwei Theile. 

ECBeſchluß aus Nr. 269.) 


‚ Im zweiten Xheile führt der Verf. und zunäch in dad 
immer der frommen Kurfürftin Luife Henriette, die ihr Ges 
mahl am Morgen des Y. Ian. 1667 betend findet und die nad 
am traulichen Geſpraͤch für den ihr theuern Sänger unauf- 
zfodert eine Fuͤrſprache einlegt, nicht erfolglos. 

An demfelben Zage empfängt Paul Gerhard durch einen 
Vgeordneten des Herzogs von Sachfen⸗Merſeburg den Untrag, 
dat eine Predigerftelle anzunehmen. Obwol bedrängt und bie 

liefung vom Amte immer ſchmerzlicher empfindend, lehnt 
et gleihwol den Antrag ab, weil er fi) von der Berpflichtung 

gen feine treue Gemeinde noch nicht ganz entbunden hält. 
Vährend er darauf mit feiner noch immer Franken Gattin 
über feine Lage fich unterredet, Ebeling Beforgniffe für die 
Zukunft erregt, tritt ein kurfürſtlicher Geheimferretair ein und 
bringt ftatt des gefürchteten Verbannungsurtheild die Freuden⸗ 
botſchaft, daß der Kurfürft, wie Derfelbe foeben dem vorgela⸗ 
denen Magiftrat felbft anfündige, ihn in fein Amt wieder ein- 
juffgen befiloffen habe, ohne die Unterfchrift des Reverſes zu 
egehten, in dee Zuverficht, daß er auch ohne ſolche, als ein 
getreuer und aufrichfiger Mann, den Edicten nicht zuwider⸗ 
handeln werte. Diefer verfängliche Zuſatz trübt alsbald die 
Freude des gewiſſenhaften Mannes; denn eben jene Edicte 
d Ai ie gegen welche fein Glaube und fein Gewiſſen 

äubt. 

. ‚3m Wirthshauſe frohloden die wohlbefannten Gäfte über 
die fröhliche Botſchaft und preifen den Kurfürften, noch mehr 
line edle Gemahlin. Die Alten erzählen von den feühern Beir 
ten, die fchlimmer gewefen, da vom Hofe und den Großen aus 
Öreuel der Hoffart, der Wöllerei und Unzucht fi im Molke 
verbreiteten. 

Yaul Gerhard predigt am nächſten Zage, aber, in feinem 
Seifen beunzugigt, fo wenig freudig, daß feine Kraft gebro- 
Gm fheint, und mehre vertraute Bürger eilen zu ihm, die 
Urfache feines Kummerb zu erforfchen. Er verheplt ihnen den- 
felben und die Urfache nicht, und als der Bürgermeifter Ziefen- 
 hinzubommt und hört, was den theuern Mann ängfligt, 
dergeftalt, da er die Kanzel nicht wieder befleigen will, bis 
© In feinem Gewiffen nicht mehr durch die vorausgeſetzte Ver⸗ 
idtung auf die ärgerlichen Edicte gebunden fei, verfpricht 
eine neue Verwendung des Magiſtrats bei dem Kurfürften. 

. Benige Tage nach einem traulichen und erbaulichen Ge: 
prä der Werlobten zieht Ebeling mit Dorothea in zahlrei- 


hen Geleit zur Kirche. Die Braut erblidt in deren Nähe ben 
lauernden Stolpe und erbebt. Paul Gerhard vollzieht, obwol 
noch immer geängfligt, doch berzergreifend die Xrauung. 

‚, Ziefenbach begibt fi in das Schloß, eine Aubdienz zu er» 
bitten. Im Vorzimmer badert mit ihm der greife Obertrabant 
Nikolaus, ein eifriger Reformirter, der es nicht laffen Fann, 
die Lutherifchen anzuflagen und zu fehmähen. Der Kurfürft 
ſelbſt zurnt und entläßt den armen Bürgermeifter abermals in 
Ungnaden, mit dem al8bald ausgefertigten [chriftlichen Beſcheid, 
daß, wenn Paul Gerhard fein Amt wieder anzutreten Beden⸗ 
ten trage, der Magiftrat unverzüglich einen andern geeigneten 
Prediger zu präfentiren habe. 

in mit zitternder Hand gefchriebener Brief ladet drin. 
gend Dorothea ein zu einer Franken, fterbenden Perfon. Erſt 
zweifelnd, dann entfchloffen begibt fie fich mit ihrem Gatten 
in die bezeichnete einfame Wohnung. Dort findet fie den uns 
glüdlihen Stolpe, der, son feinem Herrn entlaffen, in Krank 
beit und Elend ſchmachtet, fih fammelt, die Leidensgefchichte 
feines verwilderten Lebens zu erzählen, gefteht, daß er im Ber 
griff gewefen, die Braut auf dem Wege zur Kirche au tödten, 
von ihr Vergebung und Zroft empfängt und bald darauf flirbt. 

Paul Gerhard figt wieder am Bette feine® einzigen tod⸗ 
kranken Kindes, bemubt, felbft troftbebürftig, die trauernde 
Mutter zu tröften. Indeß ſtuͤrmen lutherifhe Bürger in das 
Trauerhaus; der gebeugte Vater muß fein, wie es fcheint, eben 
fterbendes Kind verlaflen, um die aufrübrifhe Schar zu bes 
ſchwichtigen. Es hält ſchwer; die tobende Menge vergißt felbft 
die Ehrfurcht vor ihrem geliebten Seelſorger, der mit gebro- 
chenem Herzen alle Kraft feiner Beredtſamkeit aufbietet, den 
Sturm zu flillen. Da eilt Meifter Jung berbei, ftraft die 
Aufrührer und beihämt fie. Als fie ruhig ihren Weg gehen 
wollen, tritt freudig die fohwergeprüfte Mutter ein und ver: 
Fündet, das Kind babe ſich erholt und fei gerettet. Der Vater 
ſinkt betend nieder: — ein Entfchluß ift in feiner Seele erwacht. 
Er hat eine Audienz erbeten. Im Vorzimmer hadert auch mit 
ihm der fanatifche Obertrabant. Die fromme Kurfürftin tritt 
zu ihm und ermutigt ihn; der Kurfürft hört ihn bald gnädig, 
bald ungnädig an; die freimüthige Wurde, die unverkennbare 
Redlicgkeit und Gewifienhaftigkeit Gerhard's ergreift ihn; aber 
er entläßt ihn mit dem troftlofen Beicheid, daß fein Geſuch um 
ganz freie Predigt des Glaubens nicht erfüllt werden koͤnne. 
Der letzte Verſuch ift gefcheitert. 

Noch verging ein halbes Jahr mit vergeblihen Bemuͤhun⸗ 
gen vieler Bürger und des Magiſtrats, Yaul Gerhard zur 
Wiederannahme feines Amtes zu bewegen. Der Kurfürft hatte 
indeß den ſchon angeſtellten Beiftlichen die Unterzeichnung des 
Reverſes erlafien; da aber die Gültigkeit der anftößigen Edicte 
nicht aufgehoben war, fo blieb das —*8* Gewiſſensbedenken. 
Run kuͤndigt Tiefenbach traurig dem Betrübten an, der Kur: 
fürft habe —— einen Andern zum Diakonus ernannt; 
vogegen werde der iftrat zwar proteftiren, aber dennoch 

55 fehreiten müflen, wenn ber alte geliebte Geclforger 
Fein Amt nicht wieder übernehme. Diefer, welcher bis dahin 
nicht ohne Schmesz die Amtswohnung und Beſoldung noch be- 
halten, leiftet ient auf Beides Verzicht. Meifter Jung tritt 
dazwifchen, erkennt Die nothmenbig eit dieſer Werzichtleiftung 
am, beweift ihm aber, daß er die Beweife der RKiebe feiner Ge⸗ 
meinde nicht zurudhweifen dürfe, bietet ihm fein eigenes wohl« 
eingerichteted Haus zur Wohnung an und führt ihn mit Weib 
und Kind fammt der armen verwitiweten Schwägerin und de: 
ren pier unmündigen Kindern froh, aber unter dem Wehkla⸗ 
gen des vor dem Diakonat verfammelten Menge, aus dieſem 
in die bereitete Stätte ein. 

Eine neue Prüfung kam über unfern Paul Gerhard. Im 
März 1668 farb feine Gattin. Die Schilderung ihrer legten 
Stunden und feiner Trauer bezeugt eine durch geiſtliche Er» 
fahrungen geübte Hand. Ihr Tagebuch, das der Witwer nad 
ihrem Tode findet, erquidt ihn. Im Haufe Jung's fehlt es 
ihm nie an dem Unentbebrlichen, am wenigften an theilnehmen- 


— — — —— — — — — — 


der Liebe. Als Ebeling einen günftigen Ruf nach Danzig er⸗ 
halten hat und Bedenken traͤgt, ihm zu folgen, weil Dorothea 
den Vater und dieſer ſeinen Paul Gerhard nicht verlaſſen will: 
ergeht an den Letztern die Einladung zu einer Gaſtpredigt für 
daß erledigte Diakonat zu Luͤbben, und er nimmt fie an. 

So fließt das hier ffizzirte Lebensbild. Ein Rachtrag 
berichtet noch, wie der große Kurfürft endlich feine Strenge 
mäßigte, beiden Parteien die Predigt freigab und befcheibene 
Widerlegung der Andersdenkenden geitattete, aber aud dann 
noch, felbft bei feinen weltlidhen Räthen, mannichfachen Wider- 
ftand fand. Es wird noch einmal der frommen Kurfürftin, 
Schwerin’s, des entlafenen und fpäter von den Iefuiten ver: 
führten Propftes Fromm, des Oberhofpredigers Stofh, Ebe⸗ 
ling’8 und der Seinen gedacht. Paul Gerhard felbft hielt am 
7. Zuni 1669 in Lübben feine Antrittöpredigt und jtarb dort, 
710 Jahre alt, am 7. Det. 1676. Sein Sohn überlebte ihn; 
deſſen Schickſal aber iſt unbefannt. 67. 





Literariſcche Notiz. 


Archiv für das Studium der neuern Sprachen. 


Unter den Männern, denen man es vorzüglich verdankt, 
daß Der modernen Philologie im Kreife der Wiflenfchaften die 
ihr gebührende Stelle zu Theil geworden ift, fteht der rübrige, 
flreitluftige Mager obenan. ir nennen ihn nit den Be: 
gründer diefer Disciplin, deren Bedeutung für die Gegenwart 
fih noch immer erweitert; denn dieſe Ehre wird er wol den 
beiden Grimm, dem trefflihen Diez und den übrigen Männern 
laffer, welche den kritiſchen Ernft der claffifhen Philologie auf 


das Studium der modernen Sprachen übertrugen. Der Ruhm 


aber „ der ihm zugefchrieben werden muß, ift der, daß er mit 
feinem lebendigen, einjihneibenden Worte diefer neuen Wiſſen⸗ 
ſchaft, die fih bis jegt alzu befcheiden zurüdhielt, Bahn ge⸗ 


brochen bat, fodaß fie fernerhin von den Sprachforfchern nicht 


mehr ignorirt, noch über die Achfel angefehen werden barf. 
Wir durfen es dreift behaupten: derjenige Philolog, welcher 
e8 noch in Frage ftellt, ob er dem Studium der neuern Spra⸗ 
hen das Recht und die Bedeutung einer Wiffenfhaft einräumen 
ſoll, ſchreibt fich felbft ein Armuthszeugniß und bethätigt offen- 
bar, daß er von der geiftigen Entwidelung der Gegenwart 
unberührt geblieben ift. Eine wefentlidhe Bedingung nun bes 
Gedeihens diefer neuen Disciplin ift eine möglichft innige Ver- 
einigung der Kräfte, welche fih ihr zugemwendet haben. Es 
fehlte bis jegt noch an einem Centrum, mit Einem Worte, an 
einem Journale, welches fich die Förderung und Belebung der 
modernen Philologen zur Aufgabe geftellt hätte. Ein foldher 
Mittelpunft, ein ſolches Organ wird uns jegt geboten. Zwei 
anerkannt tücdhtige Schulmänner, ubwig Herrig und Heinr. 
BViehoff, würdige Vertreter der neuern Sprachſtudien, haben 
fih zur Herausgabe eines „Archivs für das Studium der 
neuern Sprachen” vereinigt. Don diefem Sournale, welches 
in der Korm einer Bierteljahrfchrift erfcheint, liegt uns die 
erfte Rummer vor, und mir wollen bier auf den reichen 
Inhalt, den biefelbe bietet, mit einigen Worten aufmerf: 
fam machen. In dem Borworte werden über den Plan und 
die Aufgabe, welche fich die Herausgeber geftellt haben, genü- 
gende Andeutungen gegeben. Es wird hier ausdrüdlich her⸗ 
vorgehoben, daß, wennfchon die Entwidelung der modernen 
Sprachſtudien das Hauptziel ausmacht, welches fie fich geftedkt 


2 — — — —— — — — — ne ——— 
— — 


haben, doch auch die didaktiſchen Zwecke, welche damit in Ver- 


bindung ſtehen, nicht zuruͤckgedraͤngt werden, indem außer der 


wiſſenſchaftlichen Aufgabe auch die praktiſche Anwendung der 
aus derſelben gewonnenen Reſultate für die Schule Berückſich⸗ 
tigung finden fol. Wenn man dieſes doppelte Ziel ins Auge 


faßt, fo wird man es erflärlich finden, daß zunaäͤchſt das Deut: 
ſche, das Franzoͤfiſche und das Engliſche die Trias bilden, der 


eine befondere Pflege zugeroenbet werden muß. Indeſſen wer: 


den auch die übrigen Sprachen, infoweit fie für die vergleichende 
Sprachkunde von Intereffe find, in den Kreis ber Befprehun; 
gezogen. Wir wiſſen nicht, ob die längere Erfahrung ben Ser: 
außgebern eine Erweiterung oder fehärfere Abgrenzung ihre 
Plans wünfchenswerth erfcheinen laſſen wird; aber maß un 
betrifft, fo will es und bedünfen, daß das vorliegende Hei 
im Allgemeinen ein genügendes Bild von Dem was ihnen ki 
der Gründung dieſes erfreulichen Unternehmens vorgeſchwedt 
bat, zu geben im Stande wäre. Kür die deutfche Sprache fat 
folgende Auffäge von Interefje: 1) „Uber Soethe's Heinere die 
matifche Dichtungen”, von Biehoff; 2) „Uneigenkliche Präp: 
fitionen der deutſchen Sprache”, von Rodnagel; 3) „Einiges 
über den Reim‘, von Teipel; 4A) „Über das Princip der frei 
Rhythmen mehrer Gedichte von Goethe”, von Biehoff; m 
5) „Das bürgerliche Element in der deutſchen Sprache‘, va 
Rodnagel. Der Behandlung der franzöfifehen Sprache fir 
folgende Artikel gewidmet: I) „Ronfard und fein Verhiing 
zur Entwidelung der franzöfiiden Sprache”, von G. F. Sun: 
tber; 2) „Blandricismen“, von Duesberg; 3) „Über ii 
Gerondif in der franzöfiihen Sprache“, von Herrig; mi. 
4) „Zur Texteskritik des Corneille“, von Bromig. Die m; 
liſche Sprache und Literatur ift endlich in dieſen Auffägen ve: 
treten: 1) „Die Entwidelung des englifcden Dramas", xı 
Herrig; 2) „Studien über englifche Dichter”, von Pic 
lippi; 3) „Tempus und Modus der englifchen Sprae 
von Fölfing; 4) „Grundbedeutung von to get“, m 
Schipper; und 5) „Beiträge zur Lehre von der Auskck 
des Engliſchen“, von VBoigtmann. Man fiebt, diem 
[diebenen Auffäge, deren Zitel wir, von ber auf Rai 
altigkeit zielenden Anordnung der NRedaction abweichend, m 
Überfichtlichfeit wegen aufammengeftellt haben, bieten eine tik. 
Fülle intereffanter Punkte. Dieſes erfte Heft, dem durd mı 
angemeſſene Eritifche oder bloß referivende Berüudfichtigung da 
hervorragenden Crfcheinungen auf dem Gebiete der num 
Sprachforſchung eine größere Vollſtaͤndigkeit gegeben ift, bite 
den vielverfprechenden Anfang eined Unternehmens, dem mi. 
weil es zeitgemäß und in feinem Plane wohl durchdacht if, in 
beften Fortgang wünfchen koͤnnen. u 








titerarifhe Anzeige. 


Bei F. U. Brockhaus in Keipzig erſchien und if in ale 
Buchhandlungen zu erhalten: 


Fulleborn (FB. &.) 
wei Abhandlungen: 


1) Der Einheitötrieb als die organifche Luik 
| ber Kräfte der Natur. 
2) Dad Pofitive der von dem Kirchenglauben ge 
fonderten chriftlichen Religion, durch die Einheit: 
lehre anfchaulicher gemacht. 
Rebſt einer die Gmnbeitsichre al ua. Mienfäaft begrus® 
Gr. 8. Ge. 1 The. 


Das Spftem des Verfaffers, das auf Feines der biöherigen 5be 

Iofophifchen Syſteme fi) gründet, ift aus diefer Schrift, die ! 

einer jedem Gebildeten verftändlichen Sprache geichrieben. del 

ftändig zu entnehmen. Chriſtliche Neligionsphilofophie und die 

Regeln der Ratur ftehen nady dieſem Syſteme in vollkommenen 
Einklang. 


Verantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Brockhans. — Drud und Verlag von F. E. Srockhans in Leipzig 


Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Montag, 


— Nr, rl. — 


28. September 1846. 





Dramatifche Bücherfchau für das Jahr 1845. 


Dritter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 970.) 


45. Beiträge zur beutfhen Bühne. Bon Johann v. Plöp. 

Bote Band. Münfter, Franz. 13455. 8 1 hir. | 

gr. " 

Der befcheidene und gebildete Verf. liefert und in dieſem 
Bande: „Der Haustyrann”', ein Eharaktergemälde in fünf Acten, 
nah Duval zeitgemäß bearbeitet, ein Stud, defien guter Ruf 
fett langer Zeit feſtſteht. Welche Notb Härte des Charakters 
in das Innere einer Familie bringen koͤnne, und mit welchen 
Mitteln eine ſolche Anlage zu heilen fei, zeigt und dies treff: 
Ihe Stud in erfreulicher Art: es ift ein echtes Charakterbild 
im Geifte des „Geizigen“ und des „Zartuffe”. „„Der Ruf, oder die- 
Sournaliften’ ift bier frei nady der Idee Scribe's und recht 
gelungen wiedergegeben. Endlich ift der „Verwunſchene Prinz’, 
ein Driginalfchwant vom Verfaſſer, auf der Bühne ziemlid 
beliebt geworden. Wir möchten dem Berf. jedoch nicht rathen, 
fd, ferner mit Erfindungen diefer Art, die denn Doch einen 
ſeht unſchmackhaften Bodenfag nach der Darftellung zurüdlafs 
ſen, zu befaffen, felbft wenn die Idee dazu neuer und frifcher 
ware als bier der Fall if. Es ſcheint uns, als hätten 
wir etwas Beſſeres von ihm zu erwarten als ein leere Mas: 
dengaukelipiel ohne nachbleibenden Ertrag, den die Arbeiten 

det eritn Bandes doch datboten. 


46. Amulius, König der Albaner. Trauerſpiel in fünf Auf: 
zügen von Falfenberg. Dresden, Arnold. 18145. 
&.3. 24 Ror. 

68 iſt vielleicht zu bedauern, daß Der deutiche Literatur: 
geiſt fh für jegt von Stoffen der vorliegenden Art fo entfchie: 
den abgewendet hat, daß es ein poetiſches Wagniß geworden 
it, fih mit ihnen irgendwie dichterifch zu befaflen. Wir haben 
damit vielleicht einen freiwilligen Gebietöverluft erfahren, 
der und über kurz oder lang reuen wird. Wenigftend zeigt 
die Erfahrung, das jüngfte Beifpiel Ponſard's in Frankreich, 
der mit feiner ‚„‚Rucretia” die ganze dramatifche Welt in Be: 
wegung brachte, welch hohes und edles Kunftinterefie bei glück⸗ 
licher Behandlung noch immer, felbft im bochromantifchen 
Deutſchland, für folche Gegenftände, wie entrüdt fie auch ſchei⸗ 
ner mögen, in Bewegung zu fegen if. Allerdings aber muß 
der poetiſche Impuls ein neuer fein, und darf weder die claſſi⸗ 
den Zragöden der Franzofen noch unfern Colin oder Klinger 
um Vorbild nehmen. Unferer fhönften dramatifchen Dichtun⸗ 

gen eine aber bleibt, „„Ipbigenia‘ von Goethe und felbft 
Grillparzer hat mit feiner „Sappho" nicht wenige Freunde 
gemonnen. Solcher neuen Impulfe nun wie dort entdeden 
Mir freilich in dem eben angezeigten Zrauerfpiel nicht, wiewol 
das Gange nicht ohne gute Intentionen und ohne gewandten 
Ausdruck, ja felbft nicht ohne poetifches Werdienit ift und 
durch flrenge und gehaltene Compoſition fi empfiehlt. Aller: 
dings Dürfen Stüde Diefer Urt nicht zu Traͤgern fubjectiv: 
moderner Gefülfle und Anfhauungen gemacht werden ; allein 


Shakfpeare ſowol wie Goethe in der „SIphigenia’” haben ge: 
zeigt, wie das Allgemein: Menfchlihe aus antiken Stoffen auch 
den fpäteften se ponen zum Verſtändniß zu bringen und zum 
Hebel edler Gefühle bei ihnen & verwenden if. Wir moͤch⸗ 
ten nicht freiwillig dies ganze Gebiet von dramatifchen Stof: 
fen für immer aufgeopfert fehen, blos um gewiſſen Anſpruͤchen 
an die Zeitintereffen, die uns mitunter ſehr unberechtigt 
fheinen, Genüge zu leiften. In der That geht eine augen- 
blickliche Bühnenrichtung in Rorddeutfchland ſogar noch über 
unfere Roderungen hinaus, indem fie und ein SInterefle für 
folche claffifche Tragödie, wie „Odipus auf Kolonos‘, „Antigone“ 
und „Philoktet“ find, abzugewinnen bemüht iſt. Wir meinen, 
dag Dies, ald Genügung eines Bühnenbedürfnifles, zu weit ge: 
gangen fiheint, daß ein wahrer theatralifher Genuß auf die 
ſem Wege faum anzutreffen ift; allein wie Dem auch fei, zum 
Beweiſe unſers Sapes wird ein folcher Verfuh immer dienen 
fönnen, des Gedankens nämlih, daB aud antike tragifche 
Stoffe einer ſolchen Bearbeitung fähig find, mitteld welcher fie 
und — unferm Herzen und unjerm Berftändniß — nahe tre⸗ 
ten. Der Verf. der vorliegenden Tragoödie beweift Dies auf 
praßtifhe Art. Nicht blos Amacius, Romulus und Remus, 
fondern felbft die geringer ausgeftatteten und ausgeführten 
Geftalten des Kauftulus, des Numitor und Potitius, der Sil⸗ 
via und Julia gewinnen in feinen Stücke Geftalt, Xeben und 
Anziehungskraft für uns: er bat die Mittel, mit ıwelchen Pon⸗ 
fard eine fo unbeftrittene Wirkung hervorgebracht hat, gut 
ftudirt und gut nadhgeahmt. Die Entdedung, die Erkennung 
der Enkel Numitor's ift bier mit einem fo ftoffartigen Inter: 
efle, von fo reicher Erfindung umlleidet, daß wir der Entwide: 
lung mit nicht nachlaffender Spannung entgegenfehen ; die 
Sprache, der Vers zeugen von forgfältigiter Arbeit und ſtreng⸗ 
fter Vermeidung ſowol der undramatifchen Abweichungen, welche 
die claſfiſche Zragödienform allerdings nicht dulden fann, als 
des Riedrigen und Geringen, das jich fo leicht eindrängt, wenn 
der Poet fi) der modernen Willkuͤr rüudhaltlos hingibt. Ein: 
zelne fogenannte ſchoͤne Stellen find an bdiefer Arbeit daher 
auch weniger hervorzuheben, als daB das Ganze vielmehr ge: 
ſchmackvoll und tüchtig, vorzüglich aber treu den Geſetzen der 
dramatifehen Kunſt, gearbeitet ift. In diefer Beziehung fteht 
diefe Arbeit unter den Hervorbringungen diefes Zeitabfchnittes 
einfam da und verdiente als ein Mufter feiner Gattung eine 
nähere Beſprechung. 

AT. Rorddeutſche Thalia. Taſchenbuch für Freunde des Then: 
ters auf das Jahr 1846. Herausgegeben von Karl F. 
Dttmann. Danzig, Bertling. 1845. 5. 1 Zhle. 
10 Nor. 

Wir kommen nun zu einer Reihe von Sabresgaben, unter 
welchen die vorliegende nicht gerade die fchlechtefte if. Holtei's 
Beitrag: „Eines Schaufpielerd Morgenftunde”, hat an vielen 
Orten gefallen und ift dazu berechtigt. „Die dramatifchen Frauen: 
harakterc” von Wehl lefen fi) angenehm. „Ein Rendezvous” 
von Ott mann paffirt als Schwank. „Der Malerfame‘ von 
NR. Bürkner und die „Mufikalifhen Reifeffisgen” von Mars 





- . “ % - 
“ \ “ & 


kull erfcheinen jedoch mehr als Lüdenbüßer. Wir möchten der 

„Norddeutſchen Thalia“ doch fürs nächfte Jahr zu einer etwas 

ernftern Füllung rathen. 

49. Dramatifches Allerlei. Bühnenfpiele in Überfegung und 
Bearbeitung. Bon WB. Friedrid. Erfter Sabhrgang. 
Mit einer Keberzeichnung. Berlin, Springer. 1846. 16. 
I Thlr. 10 Ror. 

Zür diefe Jahresgabe mag ihr Inhalt ſprechen. „Mutter⸗ 
fegen, oder: Die neue Fanchon“, „Koöck und Guſte“, Aleflandro 
Stradella”, Oper, find alle bekannt; der Kritik unterliegen 
folhe Sachen faum. „Major Haudegen”, Schwank in einem 
Act, und der „Schierlingstran?”, VBerdfpiel in zwei Aufzägen, 
nad) dem Franzöfifhen, machen etwas mehr Anfpruc und be: 

eben eine billige Beurtheilung s fie find wenigftens unterhal: 
tend und nicht geradezu verbraudt. Hiernach fehlt allerdings 
noch Bielerlei in dem vorliegenden „Allerlei”. 


49. Jahrbuch deutſcher Buͤhnenſpiele. Derausgegeben von 
F. W. Subig. Fuͤnfundzwanzigſter Jahrgang. Berlin, 
Bereinsbuchhandlung,. 1846. 8. 1 Thlr. 20 Nor. 
Ehrwürdig und achtenswerth vor allen andern dramati: 

fchen Jahresblüten ijt das berliner Jahrbuch, das Die Au: 

torität der Jahre und die der Namen zugleich für fih zu ha⸗ 
ben pflegte. Wir finden bier Em. Leitner's (E. Raupach's) 
einft vielberühmte „Gefhwißter, ein Stud, das Deutichland 
unendliche Thränen gekoftet hat, und dem aud die firengfte 

Kritit eine ungemeine dramatifche Wirfung nachrühmen muß, 

gleich „Cabale und Liebe”, follte die Handlung darin aud) 

ebenfo wenig eine wahrhaft tragifche fein wie dort. Der dra> 
matiſche Effect liegt in der That außerhalb der Gejege; die 

Kritit hat eigentlich mit ihm Nichts zu ſchaffen. Er ıft ein 

Bollsverdict — das fih ja auch nur felten um feine geſetz⸗ 

mäßige Begründung kümmert, ja oft geradehin gegen die Ges 

fege des Denkens ergeht und fie abweift. „Mutter und Sohn”, 

Schaufpielvon Charlotte Bird: Pfeiffer, nad den „Nach: 

barn‘ von Frederike Bremer gearbeitet, enthält etwas weni- 

ger qualvolle Gemüthöverrenkungen als die Dramen dieſer Dichte: 
rin gewöhnlich darzubieten pflegen, und macht feine dramatiſche 

Wirkung geltend. Gin vorzügliches Luftipiel, dem zur Giafficität 

nur wenig fehlen möchte, ıft von W. v. Merdei in den 

„Blauen, oder: Die Liebe ald Arzt’ dargeboten. Cine fo tiefe 

Auffaffung der unnatürlihen Drefiur und Eulturverhältnifie 

unferer Zeit würde ſtreng genommen über die Grenzen des 

Zuftipiels hinausgehen, wäre nicht andererfeits fo viel Heiteres, 

Mildes und Berjöhntiches in dieſer Auffaſſung. Die Diction 

ift ungemein reich und ſchoͤn; nur würde die Darftellung doch 

die nothwendige Kürzung allzu langer Reden, befonders in 
der Molle der Deformais, bedingen. Sedenfalld ift das Luſt⸗ 
fpiel das audgezeichnetfte Stud feiner Gattung in unferm Jah: 
redertrage. „Ehemann und Junggeſell“, Luftfpiel in vier Ac⸗ 
ten von U. P., gehört auch zu ben beffern Leiftungen die⸗ 
ſes Zeitabfchnitts und erfreut durch feine und fehr geſchmack⸗ 
volle Wendungen der Eonverfation. Bon nit ganz jo gutem 

Ton, jedoch auch reigend und unterhaltend ift das Luftfpiel 

„Die beiden Kandidaten”, in drei Aufzügen; wenigftens gibt 

das theologiſche Verhör derfelben, wenn es auch auf der Bühne 

nicht feinen eigentlichen Platz hat, heitern Lachfloff genug her. 

Und fomit hätten wir denn faft alle Beiträge dieſes Jahrbuchs 

zu loben gefunden, was dem Herausgeber, der zu wählen hatte, 

unftreitig mit zur Ehre gereicht. 

50. Dramatiſches Vergißmeinnicht auf das Jahr 1846 aus 
den Gärten des Auslandes nah Deutfchland verpflanzt 
von Theodor Hell. Dreiundzwanzigfted Bändchen. 
Dresden, Arnold. 1846. 12. 1 hr. 

Auch in diefer nun fchon bejahrten Iahresgabe läßt fich 
das Verdienſt einer zweckmaͤßigen und geſchickten Auswahl 
nicht verfennen. Indem uns drei Stüde aus der jüngften fran- 
zoͤſiſchen Dramaturgie, und zwar von Arnould, von Scribe 
und Dupont und von Bayard und Laya geboten werden, 


4“ 


dürfen wir erwarten, wenigftens nichts an ſich Verwerfliches zu 
erhalten. In der That ift auch der „Wirrkopf, oder der Un: 
gluͤcksvogel“ ein alerliebftes Luftfpiel, „Der gute Ruf” von 
Arnould muß für einen gefälligen Bühnenlüdenbüßer gelten, 
und nur „Die Vormünder“, in drei Acten, Eönnte etwas 
inhaltreiher, und unfern deutſchen Berhäleniffen argemefenn 
fin. Die Überfegung ift, wie immer, gefehmadvol und mit 
guter Bühnentenntniß gearbeitet. *) 19. 





Geſchichte Heinrich's des Grlauchten, Markgrafen zu 
Meißen und im Ofterlande, und Darftellung de 
Zuftände in feinen Landen. Bon Friedrih Bil: 
helm Zittmann. Zwei Bände. Dresden, Arnolı. 
1845—46. Gr. 8. 3 Thlr. 21 Nor. 


„Dieſer Markgraf Heinrich”, berichtet ein Demfelben gleich 
zeitiger Schriftfteller, „ragte in Reihthum und in Ruhm ver 
allen Fuͤrſten Deutichlands hervor. Er war fehr freigebig, ven 
einer großen Zahl Ritter und Knechte umgeben, immer heiter, 
immer in Glanz und herrlichem Xeben (semper vivens in ar 
gnis deliciis et honore). Nicht blos Baronen und Kittem, 
Kapellanen und Knechten, fontern auch Fürſten und Gicda 
gab er reichlich bis zum Überfluffe Speife und Foftbare Kr 
dung. In folder Pracht (in tanta gloria et prodigalitate) 
erfchien er am Hofe des Kaiferd, daß er nicht blos bei gun 
und Edeln, fondern auch bei dem Kaifer felbft Staunen er“ 

Allet des Fürften perfönliche Lebensverhältniffe Betichek 
enthält die zweite Abtheilung des zweiten Bandes (2. 11- 
286) in Geftalt eines Jahrbuches (geb. 1218, ge. IN 
Nichts ift hier berichtet, was der Verfaffer nicht urkuntlid k 
legt hätte, und jeder Umftand ift berichtet, den er im Sun 
war urkundlich zu belegen. Um wenigftend an einem Vi 
ſpiele den Fleiß des Verfahrens in Mittheilung des Detait ;ı 
belegen (dem jedoch die annaliftifhe Vertheilung des Stefti 
alles verwirrend übereinander Laftende ferngehalten hat), m 
fen wir die Stelle &. 235—289 aus: | 

„Der entfeelte Körper des Markgrafen ift in der Gruß 
des Klofterd Alt» Celle beigefegt worden. Die Franciscanrt & 
Seufelig behaupteten von Markgraf Heinrich auf feinem Zr: 
bette eine Berfchreibung erlangt zu haben, wonach fein Bi 
gewefen fei, bei ihnen beitattet zu werden. Allein die Bin 
Eliſabeth und ihr Sohn Friedrich bezeugten in Urkunden, td 
er das Klofter Alt» Celle zu feinem. Begräbniß gemählt har 
Aber der Zranciscaner Anfprüche feheinen hiermit ncd nik 
abgewehrt worden zu fein: denn in einer andern Urkunde 9 
15. Juli 1288 gibt die verwitwete Markgräfin Zeugniß de 
Franciscaner zu Seufelig hätten von Heinrich auf dem I 
bette eine Verſchreibung, daß er zu GSeufelig beerdig IM 
wolle, zwar gejucht, aber nicht erlangt. Sie hätte dir Rcun 
abhören laſſen und diefe hätten ausgefagt: eine ſolche Bırihtt 
bung koͤnne nicht gegeben worden fein; hätten fie eine, ſe } 
ten fie Misbrauch mit dem fürftlichen * getrieben, dad Mt 
fih zuweilen zu ihren geheimen Angelegenheiten exbeten hattım. 
Zur Belohnung der Dienftbefliffenheit, welche die Möndı fi 
der Beftattung des Leichnams bewiefen hatten, und zum I 
der Seele des Baters hat Landgraf Albrecht, nun zugled Ur 
ter dem Zitel eines Markgrafen von Meißen und vom 
Iande, am 23. Februar 1288 in einer aus Celle ausgefteli® 
Urkunde diefem Klofter 150 Mark verfchrieben, von nah 
Balpurgistage an wögenttig eine Mark zu zahlen.” 

Hoffentlich bedarf dieſe Bollftändigkeit in Mittheilung S' 
fundlicher Nachrichten einer Entſchuldigung am allerwenizit 
in einem fpecial :biftorifhen Werke. Was ein Zeitalter ug" 
zeichnet hat, ift in demſeiben beachtenswerth gewefen, und id 
Dasjenige,, dem ein Zeitsiter Wichtigkeit oder Bedeutung KT 





*) Wir loffen noch einen vierten und Ieplen Artikel im Ron 
ber folgen. D. Reh 


1088 


gelsgt hat, eben dadurch ein Monument der gleichzeitigen gu 
ſtände. Die Zuftände in Heinrich's des Erlauchten Landen, den 
zanzen erftien Band und die erfte Abtheilung des zweiten auß: 
fallend *), bilden in diefer Anordnung, welche das Befondere aus 
dem Allgemeinen hervortreten läßt, den zweckmäßigen Hintergrund 
des Jahrbuches. Gedachter feiner Ausdehnung nach uͤberwie⸗ 
gende Beftandtheil des Werkes ift zugleich auch Dem intenfiven 
Gehalte nach der bedeutendere. Zu dem Anerkenntniſſe, es jei 
terfelbe mit entfprechender, feinen irgend beachtenswerthen Ge: 
genftand unbeachtet Laffender Ausführlichkeit zufammengeftellt, 
wird Ref. ſchon um deswillen nicht legitimirt fiheinen, weil die 
Berechtigung zu folddem Lobe Dem Gegenſtande und dem Umfange 
nach gleiche Studien voraudfept und ed in des Bert. Stel: 
lung liegt, Daß Riemand auf Heinrich's des Erlauchten Leben 
und alle Demfelben gleichzeitige Verhältniſſe ebenfo umfängliche 
und ergiebige Studien Bann gewendet haben. Um Nichts weni⸗ 
ger ift Ref. im Stande, jenes Lob mit beftem Gewiſſen aus: 
zuſprechen und davon, daß er Dies fei, jeglichen Lefer zu über: 
engen. Man mache das Erperiment und werfe ſich die Frage 
auf: Wie viele, jede eine befondere Rubricirung verftattende 
Beziehungen des öffentlichen und häuslichen Lebens Bann es, 
mit eingeſchloſſen das Lirdgliche, im ſocialen Zuftande überhaupt 
geben, und um wie viele fönnen diefe Rubriken in der von Hrn. 
Zittmann behandelten Partie des Mittelalters vermehrt gewefen 
ſein — erwägt man, daß im Mittelalter weniger ald in neuerer 
 Zat „die Wagſchale fig widerftreitender Elemente im Gleich: 
gewichte” (8. 15) und fomit des Beſondern auch ungleich 
mehr als des Allgemeinern war. Man bringe die gewonnene 
Antwort auf Biffern und es wird auch bei genaueftem Verfah⸗ 
ven die Tittmann'ſche Schrift dennoch einen bedeutenden liber: 
ſchuß folcher Rubriken erfichtlich machen. Ungeachtet der hoͤchſt 
überfichtlichen Vertheilung des immenfen Stoffs, welche für den 
Verf. mit unendlicher Müpfeligkeit muß verbunden geweſen 
fein, war Ref. es um Nichts weniger durch die Maffe des 
Ttoffes fehr ſchwer, den Punkt auszufinden, weicher der vor: 
welch geeignete fein dürfte, zum Gegenfland ber Beſpre⸗ 
hung vor dem Publicum dieſer Blätter gemacht zu werden. 
Ref. glaubt diefen Gegenftand in des Verf. Anfichten vom 
Rittelalter gefunden zu haben, um jo mehr, als chen dieſe 
Anfihten den geiftigen Eentralifationspunft des Buches ab» 
a Er dem und bauptfächlih die Rubrit Religion 
:9— 114). 

Ber Jahrzehnden, wo die Begeifterung für das Mittel: 
alter und deffen Apotheofirung eine unbegrenzte war, ſprach 
gegen die Neuzeit der größte und gediegenfte Stimmführer 
ter Mittelaiterlichkeit folgendes Anathema aus: 

Ab. dieſe Zeit hat Glauben nicht noch Liebe; 
Wo wäre denn bie Hoffnung, die ihr bliebe ? 

Wie Rand es in derjenigen Partie des deutihen Mittel 
ülters, in welche und die vorliegende Schrift die genauefte 
Einũcht eröffnet, um die drei genannten chriſtlichen Cardinal⸗ 
tsgenden? Der geiftliche Stand, beftimmt, Depofitorium und 

arium jener Zugenden zu fein, war allgemein als fit« 
tenlos verrufen. Bon einem Geiftlihen erwartete offenbar 
Niemand Beobachtung des Geluͤbdes der Keufchheit; denn 
(I, 124) von dem Biſchof Friedrich von Merfeburg 
(1263-—-823) wird gerühmt, daß er höchſt keuſch geweien 
und als Grund für Diefed Lob angeführt, daß nah mancher 
Perfonen Behauptung Derfelbe bis am fein Lebensende nie eine 
Untkeuſchheit fih babe zu ſchulden kommen laflen. Bor Allem 
ten (&.127) die Auguſtinermönche des Kiofters Zfchillen ein 
Beifpiel wilden, zügeliofen Lebens. Sie fcheuten fih nicht, am 


*) Zu gedenken iſt der Vorrede (SS. 1—12), melde in die Rus 
Eriten; 1) Gegenſtand, 8 Quellen, 3) Zeitrechnung zerfült. Als 
Beifpiel, wie ſchon allein die Worrebe wichtig für den Hiſtoriker non 
Sach if, nur bie einzige Remerkung, dab Hier aus ben Urkunden 
und Ehroniten jener Beit mit Sicherheit macdhgetwiefen wird, ber Ans 
fang des Jahres fei nad dem 25. März gerechnet worben. 





Zage vor Pfingften, als der Propft gegenwärtig war, ihre 
Behte zu hören, bewaffnet auf ihn einaubrin en and ihm 
Bein abzubauen, den Prier tödtlih am Kopfe und am Halfe 
u derwunden. Bon Klöftern, die zu Spielftätten mit Wein: 
hant dienten (f. ebendaf. &. 125), ift nach foldyen Vorgängen 
Bein Aufheben zu maden. In Summa: Sauferei, Voͤllerei 
jeder Art, Unzucht, Prügelei und Zodtfchlag fo ziemlich habis 
tuell in den Klöftern, Welche Möglichkeit geiftliher Tugenden 
bei ſolcher Geiſtlichkeit! 

Über den Glauben der Zeit ſpricht der Verf. (IT, 100 
— 101) fih alfo aus: „Im 13. Jahrhundert war es ge: 
wöhnlid oder wurde wol mehr gewöhnlih, mit dem Worte 
Gott ſchlechthin Jeſus Chriftus zu bezeichnen, ſodaß in 
Chriſti Perfon der Begriff der Gottheit aufgeht; und zwei⸗ 
tens, was damit zufammenhängt, daß vorzüglich damals die 
Anbetung der Mutter Jeſu aufkam und vorgugsweife von ihrer 
Berwendung das ewige Heil ber Seelen erwartet wurde. Jetzt 
ward auch in unfern Urkunden häufig ausgefprochen, daß Diele 
oder jene Schenkung an eine Kirhe zur Ehre Gottes und ſei⸗ 
ner Mutter, der heiligen Jungfrau, geſchehe. Hierbei haben 
wir eine aud der Ratur der Gefühle und der menſchlichen Faſ⸗ 
ſungskraft zu ziehende Erklaͤrung nicht zu überfehen. Unfer 
Gemüth mie unfer Berftand kann nicht über das Menfchliche 
binausreichen, fo wenig über den Geiſt als über die Börperliche 
Seftalt des Menfhen. Wollen wir uns eine Vorſtellung oder 
ein Bild von dem Böttlihen oder von einem Wefen höherer 
Art machen: immer geftaltet es fih nach menfchlicher Weiſe. 
Un dem Bilde aber hängt das Gefühl. Darum ift der menſch⸗ 
gewordene Gott in feiner faßlichen Geftalt und übrigens in feis 
ner Hoheit und Milde den Menfchen näher als die reine, ge 
ftaltlofe Idee der Gottheit. Und ähnlich ift ed mit der Wutter 
Ehrifti. Immer war do in diefer Seite der Neligiofität jener 
Zeit die Borftelung der Hoheit, der Reinheit, der Zartheit, 
und es ging daraus Ermedung des Sinne für Verehru 
hervor. Hierzu kam aber die Vorftelung, welche in Gott ei 
nen ftrengen, zu fürdtenden Richter ſah. Diefer konnte nicht 
mit gleicher Liebe und Innigkeit verehrt werden wie der Gott» 
menfch, der fih zur Erlöfung der Menfchen in den Tod gege⸗ 
ben hatte, und jeine Mutter, die heilige Jungfrau, auf deren 
Bürbitte man fo viel Hoffnung der Vergebung der Sünden 
—— daß Friedrich der Freudige uͤber den Gedanken der Er⸗ 
olglofigkeit ihrer Fuͤrbitte in Geiſteskrankheit fiel.” 

Die Hoffnung dieſes Glaubens lief auf ein Erhandeln 
der ewigen Bei eit hinaus, Die man naͤchſt jenen Zürbitten 
der fräbaren ottheit duch fromme Werke abzubingen ges 
Dachte, für die der Imperativ in keinem Sittengeſetze gegeben 
war, fondern einzig und allein (&. 114) in der Erwartung 
ewiger Strafe oder Belohnung. Und jene frommen Merke, 
worin beftanden fie? In Mildthätigkeit, Almofenfpenden, 
Kranken zugewendeter Pflege und Verſorgung u. f. w., Die aber 
für verdienſtlich nicht als bethätigte Liebe galten, ſondern in» 
fofern fie, eigene Entbehrun und Selbftüberwindung erfo- 
dernd, eine Form der Ibffverleugnung des Fleifches waren, 
weldhe man für abfonderlicd gnabeverbienend vor den Augen 
der judtmeifterifchen Gottheit hielt, wenn fie ganz eigentlich 
als Förperliche Pein und Marter geübt ward. „Unumwunden 
befannte man”, fagt der Verf. (8. 102), „Daß man nicht um 
des guten Werkes willen, Damit es geſchehe, fondern zu Er⸗ 
langung des eigenen Bortheild ſchenke; und man bezeichnete dieſe 
Abficht geradehin mit dem Worte Tauſchhandel.“ Die ur 
kundlichen Worte find: cencambire aeternis transitoria, 
mercari protemporalibus aeterna. Dos Alleriprechendfte in 
biefer Beziehung ift, was der Verf. S. I04—105 fagt und 
wörtlid hier mitzutheilen ik, damit der Lefer auch den Verf. 
felbft fpr echen höre und zuslid ſich überzeuge, daß Deflen Urs 
theil ebenfo mild als unbefangen if: 

„Aus unjerm Kreife ift eine hauptfächliche Quelle für Er⸗ 
kenntniß der Art der Froͤmmigkeit in den Rachrichten von der 
beiligen @lifabeth, Gemahlin des Landgrafen Ludwig’ IV. des 








1084 


Seiligen von Thüringen. Ihr Leben ging ganz auf in religiö- 
fer Richtung, und in Religiofität war fie ganz den edelſten 
Zugenden, der Demuth, der Selbftverleuanung, der Wohl: 
thätigkeit Hingegeben, die fie freilich nur als chriſtliche, nicht 
als menfhliche Zugenten erkannte. So fehr folder Sinn ge: 
eignet ift, unfere Gunft, Liebe und Hochſchätzung zu ermer: 
ben, und fo fehr daher jeder nicht unzarte Sinn Scheu tragen 
wird, einer Erfcheinung fo Herrlicher Zugenden ihren Werth 
w verkürzen: fo ift Doch nicht zu verbehlen, daß dieſe edelften 

igenſchaften von der Verkehrtheit der Zeit verdreht und ver: 
dorben, daß fie in der Wunderlichkeit der Übertreibung felbft 
ihres Werthes beraubt wurden. So erfhien Glifabeth ſchon 
ihren Zeitgenofien. Rod) vor ihrer Vermählung war die Art 
ihrer Demuth ſchon ihrem Schwager und ihrer Schwägerin 
und andern Umgebungen zum Gefpötte, und e& wurde deshalb 
dem Landgrafen Ludwig geratben, ſich nicht mit ihr zu ver: 
mäblen. Und diefer Rath möchte leicht auch durch das bei 
alter Tugend wunderfihe Betragen Eliſabeth's, die ſich befla: 
gen konnte, daß fie dem jungfräuliden Stande entriffen und 
verbeirathet worden fei, eine Beftätigung zu erhalten geſchie⸗ 
nen haben. Der Tugend, die ſich verkehrt äußert, muß In: 
nerlichkeit und Ziefe mangeln ; denn das Unnatürlidhe kann nicht 
aus dem Innern Pommen und jede gute Cigenfchaft verliert 
dur Misverftändniß ihren Charakter. Selbft bei den edelften 
Eigenfchaften, bei der Demuth und der Wohlthätigkeit, tritt 
vor dem Tugendhaften das Wunderlicdye hervor, wenn die Fürs 
ftin fih die Erlaubniß erbat, von Thür zu Thür Almofen zu 
fuchen ; wenn fie Widerliches felbft that, was fie konnte durch 
Andere tbun laflen: den armen Leuten die Kleider nicht nur 
machte, fondern auch reinigte, oder die Armen felbft budete 
und allen Handlungen ihrer Förperlicden Pflege fib felbft un» 
terzog; wenn fie mit ekelhaften Krankheiten behaftete Kinder 
zu fi nahm, um fie immer felbit um fi zu haben, fie zu 
wafchen und ihre beſchmuzten Kleider zu fäubern; wenn fie das 
Waſſer tranf, worin die Armen ihre Züße gewaſchen hatten; 
wenn fie ihr geliebtes Kind von fidy entfernte, um fidy nicht 
der Liebe zu ihm zu ſehr hinzugeben. Und wenn die gegen fi) 
fo ftrenge Frau dennoch von ihrem Beichtvater, dem bekannten 
Konrad von Marburg, bei unerhebliden VBeranlaffungen Maul: 
ſchellen und ſolche Geißelhiebe, daß man nach drei Wochen noch 
die Striemen ſah, nicht nur erduldete, fondern auch mit Dank; 
barkeit hinnahm: fo fühlt man fich veranlagt, der dankbaren 
Qulderin ebenfo zu zurnen als dem Peiniger.“ War die Liebe 
und die Hoffnung folder Art, fo bedarf es auch weiter kei: 
nes Zeugniffe® genen den Glauben, woraus jene beiden ent: 
fprangen. Ebenſo wird der Berfaffer von den Enthufiaften 
für, Alles und Zedes, was Mittelalter heißt, arg verkegert, 
gerabehin ihm alle Gnate im Himmel und auf Erden für fol: 
gende, ebenfalls der neuzeitigen Mittelalter » Apotheofirung op: 
a le abgefprochen werden (vergl. die Rubrif „Poefie“, 

, ): 
„Gern wird Jeder die dunkle, einft vielleicht wol zu Dun: 
el erfchienene Zeit durch irgend ein Moment des Strebens und 
der eeiftung erhellt fehen, und Riemand wird gern Andern 
und fi felbft die Befriedigung entziehen, Wertbvolles und 
Schönes zu finden, um eine vergangene Zeit höher ftellen zu 
Tonnen. Darum widerfpreche ich nicht gern einem Urtheile, 
welches unter die Rieblingsirrthümer der Zeit gehört. Uber die 
Sefchichte, welche in der Poeſie jener Zeit die Art der Bildung 
des Zahrhunderts erkennen will, kann nicht umbin, bei den 
Minneliedern zu fragen, welcher Werth, welche Kunft, welche 
Schönheit zurüdbleibt, wenn der Eindrud ded Reims, des 
Berfes und eines und fremden Ausdrucks abgezogen wird. Der 
unbefangene Blick wird diefen unbeholfenen, durchaus profai« 
fen, in Bildern wie in Gedanken ſich nicht erhebenden, ob: 
wol bombaftifhen Ausdruck nicht für ein Werk echter Kunft 
nehmen. Er Tann die Unmwahrbeit nicht überfehben in dem 
Preiſen der rauen, nicht bloß, wie wir es bei ben Trouba⸗ 


dours finden, der Ginen Verehrten, fondern au, was tie 
Leerheit noch mehr verräth, des Geſchlechts der Frauen, welthe 
alle fhön und liebenswürdig und tugendhaft waren — dielk: 
wahrheit in der Liebeständelei, in dem eintönigen, Sein Geprig 
von Ziefe und Innigkeit tragenden Klängen von Leid un 
Freud’ der Liebe.” 

Indeß, daß auch diefe Stelle wohl erwogen iſt und das L:: 
theil eines vielfeitig gebildeten Mannes enthalt, wird die damır 
im engften Zuſammenhange ftehende (II, 130) belegen, wo &r 
ter der Rubrik „ Sittlicher Charakter ’’ gefagt ift: 

„Verehrung der Frauen und zarte, hingebende Liebe, iv 
wie Zugendhaftigkeit der Frauen iſt dem Mittelalter und nı 
mentlich feiner Ritterlichkeit nachgerühmt worden. Hierüber ıt 
an diefer Stelle zurüdzumeifen auf den Abfchnitt von ie 
Poeſie, wo wir ſchon darauf geführt worden find, daß der Sr: 
halt der Minnelieder, der Quelle jenes Ruhms, ein erfunden, 
nicht ein gefühlter und gedachter war; Daß das Bingen ve 
den Zugenden der Frauen wie von den Gefühlen der Gänze 
feinen Grund hatte; dag die Sänger blos fingen wollten ut 
dazu erdachten, was in der Mode lag; daß fie nur zu oft mr 
Biel fehr gemeiner, niedriger, iinnlicher Liebe verrathen. Du 
fen legten Zug bat noch der unvergleichlihe Dichter des «de 
Quirote» zartfinnig- übergangen, als er in feinem Helden mer. 
der Schönen von Zolofa nicht blos eine Nusartung der Sular 
terie feiner Zeit, fondern den wahren Charakter der affectinet 
Galanterie des Mittelalterd zeichnete. Was in der Ausarızy 
zur Garicatur wird, bat doch ſchon in feinem Welen ur: 
feinem Keime das Falſche getragen, daß zulegt fi fer: 
Saricatur verzerrt. Cervantes ftellt überhaupt das Leere ıer 
angebiichen Verehrung der Frauen und das Grundloſe ih: 
Ruhmes dar. Rur einer ſehr unklaren Zeit Fann ed begegr 
daß fie zugleich den Spott preift und den durch den 9” 
vernichteten Gegenftand hochhaͤlt.“ 

Wie abhold allem Argerniffe nur immer, wird der mi 
gefinnte Verf. auch noch in ganz andern Beziehungen Argerrä 

egeben haben; fo z. B. mit Dem was er (1, 234-2 
überfchrieben hat: „Der Adel”. 

Nur auf die Behauptungen beſchränken wir und; die ®- 
lege wird Der, welchen fie intereffiren, im Buche ſelbſt wir. 

„Die, welde im 13. Jahrhundert Edle oder Mei 
(nobiles) genannt wurden, oder aud) Herren, waren T&: 
was man nachher den hohen Adel genannt bat, damals'!:: 
allein Adel, den Fürften ebenbürtig, in zweifelhafter Une 
ordnung unter den Fürſten“ u. ſ. w. 

„Hiermit wäre der Wbfchnitt vom Adel abgethan, wer 

nicht noch von Dem zu handeln wäre, was Damals keint: 
wegd Adel war, aber jegt dafür genommen mit. 
weil fi fpäter ein Adel daraus gebildet hat. Ritter us A 
diſeriglen waren damals noch, weit entfernt Adelige uk? 
uf. w. 
„Auf den erftien Bid muß ſchon die Phyſiognonit u 
Adels und des Mittelalter Ichren, daß Diefer Adel nur de 
Mittelalterd Kind fein Bann. Und zwar ftammt er ven des 
fpätern und fpäteften Mittelalter. Unfer heutiger Adel t 
fiert Nichte, wenn wir wiſſen, daß er im 13. Zahrdar 
dert noch nicht gewefen iſt. Das Erfoderniß wie das Ki 
des Beſitzes hat feine Grenze. Soweit der Befipftant ein Rech 
begründen ann, find einige Jahrhunderte genug, ſenſt Mi 
Zahrtaufende. Bei der Frage, was der Adel jept gelte ci“ 
gelten folle, wird das Recht weder mehr befeftigt, wern © 
weiter binauf in der Geſchichte reicht, noch wird es gefühlt“ 
wenn jein Urfprung nicht weiter hinaufzuführen iſt als bi ® 
das 15., höchftens das 14. Jahrhundert. Kein Verhältnik :* 
öffentlichen Lebens ift von jeher geweſen“ u. ſ. w. 

Wir brechen bier um fo unbedenklicher ab, als chne” 
fhon durch den Namen tes Verf, diefe feine ncuefte SH" 
dem Yublicum beftens empfohlen ift. 2. 


Verantwortlicher Herausgeber: Seinrich Brodhaus. — Drud und Verlag von F. X. Brockpans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 


+ 





Srinnerungen für edle Frauen. Von Elifabeth 
von Stägemann. Nebſt Lebensnacdhrichten über 
die Verfaflerin und einem Anhang von Briefen. 
Zwei Bände. Mit Portrait und Kacfimile. Leip- 
zig, Hinrihe. 1846. 8. 2 The. 15 Near. 

Man hat ed unter uns öfters beklagt, daß manche 

Dentwürbigfeiten und Briefe ausgezeichneter Männer 

ınd Frauen des vorigen und dieſes Zahrhunderts zu 

pit herausgegeben wären, und daß, indem ihr Lebens⸗ 
reis erlofchen ift und fie weber Lob noch Tadel von Be- 

'heiligten aufzuregen vermögen, ihre Wirkung im Ein- 

‚einen nur zu häufig verfümmert wird. Cine ähnliche 

Trfahrung machen wir auch bei dem vorliegenden Buche, 

defien Verfpätung weder durch politifche ober andere 

Rudjihten noch durch das ausdrückliche Gebot der Verf. 


veranlaßt if. Es würde nämlich diefe Hinterlaffenfchaft 


einer edeln und geiftreichen Frau unftreitig vor zehn bis 
woolf Jahren, wo noch Viele aus dem Kreiſe ihrer 
Freunde und Verehrer lebten und ihr Name im frifchen 
Andenten blühte, eine fehr große Wirkung hervorgebracht 
haben, während fie jegt von der unterhaltungsfüchtigen 
Welt leicht als veraltet angefehen oder gar bei dem Mangel 
fchmelgerifher Gemüthserregungen, fpannender Ereigniffe 
und anderer Zuthaten aus der heutigen Romanfabrif 
langweilig gefunden werden. Wir fehen dies mit auf: 
tihtigem Bedauern; denn das Buch legt in feiner kla⸗ 
ren, durchfichtigen Schreibart ein fo ſchoͤnes Zeugniß für 
diefe Art des Talents bei weiblihen Schriftftellerinnen 
ab, und ift auf der andern Seite durch Geiftesanmuth, 
Tiefe und Innigkeit der Gedanken und gereifte Lebens⸗ 
tfhauung fo ausgezeichnet, dag wir ihm eine recht 
tnögebreitete Aufnahme in den eblern Kreifen der heu- 
igen Zrauenwelt wünſchen. Es hat in allen bdiefen 
zeziehungen große Ahnlichkeit mit dem Romane „Agnes 
on Lilien”, der befanntlic von Schiller’8 Schwägerin, 
er geiftvollen Frau von Wolzogen, herrührt, aber bei 
inem Erſcheinen ein Gegenftand fo allgemeiner Be- 
'Yunderung mar, daß die einfichtsvollften Kunftrichter 
in für ein Werk Goethe's hielten, der um dieſe Zeit 
e deutfche Lefewelt mit feinem „Wilhelm Meifter” be- 
denkt hatte. Ebenſo ſchrieb auch F. 8. Huber, einer 
nferer beften Schriftfteller, den jept aber die Wenigſten 


nen, an die Verf. unter dem 12. Juli 1804, nach⸗ 


dem er von ihr einige Bruchflüde ber „Erinnerungen ” 
für die Quartalfchrift „Flora” (jedoch ale das Werk ei- 
ner andern Frau) empfangen hatte: daß der unendliche 
liebe und fchöne Brief der Mutter an ihre Tochter Eli⸗ 
fabeth nicht anders als wahr und wiederum nur von 
Goethe fein konnte. Diefen Brief finden aber die Lefer 
jegt auf S. 37 fg. des erften Bandes der „Erinnerun- 
gen” ale das unbeftrittene Eigenthum unferer Verf. 

Über diefe müffen wir aber nothwendig einige Worte 
aus den von Dorow, der dies Buch herausgegeben hat, 
gefammelten Xebensnachrichten beibringen. Es fet in- 
deſſen gleidy bier bemerkt, daß Dorow biefe Veröffent- 
lihung ganz nad dem Willen und im befondern Auf: 
trage der Verf. kurz vor feinem Tode vollendet hat, und 
bag alfo die ihm fonft gemachten Vorwürfe eines unbe- 
fugten Vordrängens oder der unzeitigen Enthüllung von 
Privat- und Familienangelegenheiten in dem gegenmwär- 
tigen Falle nicht fönnen wiederholt werden. 

Frau Elifabeth von Stägemann, die am 11. Juli 
1835 in Berlin geftorben ift, war früher in Königs» 
berg, feit dem Jahre 1796 in Berlin eine der fehönften 
Zierden biefer Stäbte und ſtets von einem Kreiſe der 
geiftreichfien Männer umgeben. Die Namen eines Geng, 
Borowski, Brinkman, Barıhagen von Enfe, Dlsner, 
Neichardt mögen dies einftweilen beweifen. "Prinzen, 
Gelehrte, Dichter, Künſtler befuchten bad Stägemann'- 
ſche Haus und erfreuten ſich dort des heiterften Lebens- 
genufjes. Unter ſolchen Umftänden verlebte Elifabeth an 
der Seite des achtbarften Gatten „fehr glückliche Jahre, 
nachdem: ihre erfte Ehe mit dem Geheimen Juſtizrath 
Graun aus Gründen, die hier nur angedeutet find, un- 
gludlid, gewefen war und fie fih, nachdem fie von ih⸗ 
rem Gatten acht Jahre lang in Königsberg allein mit 
den Kindern zurüdgelaffen war, nad) einer fehr Furzen 
Wiedervereinigung zu einer Trennung biefer Ehe un- 
ausmeichlich gezwungen fab. Hierauf Fehrte fie nach 
Königsberg zurück und reichte im Sept. 1796 ihre 
Hand dem bafigen Criminalrath und Landſchaftéſyn⸗ 
dikus Stägemann, der feit 1784 ihr treuer Vereh⸗ 
rer gewefen war. Ausführlicher hat Dorow ſowol vor 
dem erften: Bande der „Erinnerungen als im britten 
und vierten Bande feines „Erlebten” hierüber gefprochen, 
ohne jedoch diefe Notizen zu einem aneinanderhängenden 





1986 v 
’ % 
4 


Ganzen zu geftalten, ſodaß man fie jept an drei bie 


vier Orten fuchen muß. Es war dies bie leidige Ge⸗ 
wohnheit jenes Mannes: er hat viel fchägbares Material 
zufammengehäuft, aber es nie zu einer Fünftlerifchen An- 
ordnung bringen wollen oder können. 

Nah Eliſaheth's Tode gab ver tiefgebeugte Gatte 
1835 die ſeit 1788 an die theme Gattin gerichteten 
Sonette unter dem Titel „Erinnerungen an Elifaberh “ 
heraus, aber nur als Handfchrift und zum Gefchent an 
befondere Freunde des Haufes. Daher find fie au 
nur in einem kleinen Kreife bekannt geworben, und dem 
größeren Yublicum bürfte nicht leicht Mehr aus denſel⸗ 
ben mitgetheilt fein als von uns mit Benugung eines 
zur Anficht geflatteten Exemplars in einer kurzen An- 
zeige („Wügemeine Literatur - Zeitung“, 1836, Nr. 156) 
geichehen if. Denn neben den herrlichen Kriegsgefän- 
gen Staͤgemann's, deren Heldenftimme einft mit kuͤhnem 
Muthe unter den größten Gefahren raſtlos zum Kampfe 
rief und dann mit hoher Siegesfreude alle Schlachten 
und Gefechte begleitete, Liegt würdig und reizend in je- 
nen Sonetten ein Kranz anderer Gebichte, die fanftern 
Empfindungen mit demfelben Keuer gewibmet find und 
uns das ceinfte Eheglück in der edelften Sprache vor- 
führen, Es ift daher fehr zu loben, daß Dorow biefe 
Lieder der Liebe den „Erinnerungen“ einverleibt und 
mit einem bisher ungedrudten Sonett vermehrt hat. 
Wir theilen das letztere bier mit: 

Eliſabeth! Wie man entfchlaf'nen Bräuten 
Auf ihren Sarg die Myrtenkrone legt, 
&o wand ich dir zum Kranze, tiefbewegt, 
Die Liebesblüten, die Dich einft beftreuten. 
Mir war ats ob fie lieblich ſich erneuten, 
Bon meinen heißen Syraͤnen frilh gepflegt. 
D, diefes Herz, das laut in ihnen ſchlaͤgt, 
Wird jeder Bruft die Blumenfprache deuten. 
Sch durft' es wohl, ich durft' ein irdifch Reis 
In deine-Palmenkrone trauernd weben! 
Du gabft mir ja in dir den fchönften Preis. 
Jedwedes Blatt entpfluͤckt ich deinem Leben, 
in Engel haucht' es mild ambroſiſch an, 
Bing nur füß und bitt're Thraͤnen d'ran! 

Bon der Hand biefer einft fo hochgefeierten und in⸗ 
nig gellebten Frau vühren alfo bie vorliegenden „Grin 
nerungen” ber. Sie wurben lediglich ans innerm An⸗ 
teiede und in filller Zuruͤckgezogenheit, ohne alte fehrife- 
ſtelleriſche Gitelkeit, verfaßt und 1804 beendigt. Erſt 
3810 dachte Frau v. Stägemann nad; wieberholter 
Durchſicht an die Bekanntmachung bed Ganzen, und 
Barnhagen v. Enſe war von ihr auserſehen ben Drud 
zu beforgen. Hören wir nun ibn ſelbſt hieruüber in ei⸗ 
nem Briefe an Dorom vom 26. Dec. 1842, der im 
VBorworte zu den „Erinnerungen“ leider nur abgekürzt 
aus dem britten Bande des „Erlebten“ (8,9: fa.) auf⸗ 
genommen iſt und Alles, was wir ſelbſt zur Charak⸗ 
teriftit und Empfehlung des Buches zu fagen hätten, 
auf das vollfländigfte ausfpricht: 

Die felige Frau v. Gtägemann hatte min dieſe Hefte mit 
dem inmi Bertrauen übergeben; ich follte fie lefen, prüfen 
und — falls ich es thunlich und meinem Sinne gemaß fände — 


gum Drud befördern. Ich war damals in- andern Riä 

efhäftigt und Hielt mich zum Herausgeber eines folden Bu: 
ches kaum geeignet, wünfchte aber lebhaft, ſchon um der Ba: 
fafferin willen, daſſelbe erſcheinen zu fehen. Denn fie betpeuer: 
mir, daß dies Buch ihr eins der wichtigften und liebſten Ur 
Biegen ihres Lebens fei: fie. habe darin ihre eigenften Capſa 
dungen, ihre reifften Erfahtungen, mit Einen * das Bee 
Hres Weſens ausgeſprochen, und fie Bönne nicht wuͤnſchen, dd 
diefe Frucht ihres Dafeins vergeblich hervorgegangen fei; wid 
mehr ſchmeichle ihr der Gedanke, in diefem Gebilde eın Din: 
mal und Beugniß ihres Lebens zu binterlaffen, den Yerfone, 
die fie gefannt, zu liebevoller Erinnerung, den unbekannten 
Spätern, die mit ihr fühlen würden, zum ſtillen Gruße. Ber 
den Hohen und reinen Sinn der vortrefflichen Frau jemals er 
fannt, wer das Glüd gehabt, das ruhige Walten ihrer fhönn 
Seele längere Beit zu ‚ Dem Bann bei ihrem Bus 
fche, diefe Schrift nicht verloren, fondern durch den Drud ie 
wahrt zu willen, kein Gedanke fehriftftellerifchen Chraeizes ca 
fallen; der Wunfch ging aus der Geiftesanmuth und Heyak 
wärme bervor, die ihr eigen waren und bie alles wahrk 
Innerliche liebevoll hegten. 

Nach diefer Zeit blieb die Handfchrift zwar une 
druckt, aber im Befige der Verf. noch immer der & 
genftand unausgefegter Sorgfalt, bis biefelbe 1827 5 
Dorom, ale den Sohn ihrer älteften Freundin, zur Ar 
ausgabe überantwortet ward, jedoch zur Benugung edıch 
ihrem und nad) Stägemann's Tode. Nachdem ba & 
tere am 17. Dec. 1840 geftorben war, hat Doren k 
Herausgabe nicht länger verzögern wollen, und wir m 
pfangen Hiermit das Werk, vor beffen Bekanntwetde 
auch ihn der Tod abgerufen bat. 

Diefe „Erinnerungen für edle Frauen” find die ir 
fache Lebensgefdichte zweier Freundinnen, in Brieffon 
von denen Eliſabeth v. Stägemann fich und ihe ride 
Semüth in dem Charakter der Eliſabeth gefchilbert = 
Wahrheit und Dichtung in den aͤußern Kebentvehl 
niffen, deren Ahnlichkeit mit den eigenen unverken 
ift, verflochten hat. Meta ift dagegen, wie wir hi, 
das deal einer Freundin, wie fie ſich dieſelbe für IV 
Leben gewünfcht, aber nicht gefunden hatte. Beide ii 
in ſtiller laͤndlicher Ginfamkeit unter der Pflege da 
Eliſabeth's Mutter und unter der Obhut eines min 
gen Landgeiftlichen erwachfen, bis Eliſabeth  Fi® 

ater, ber von ber Mutter getrennt in Berlin Ih, $ 
rüdtchrt und mit wundem Herzen aus dem fl If 
[hen Xeben fih in das Gewühl der großen Stat 
fegt ficht. Meta wird um biefelbe Zeit die at 
nes hoͤhern Beamten. Sie ift ein fröhliches Bit 
das alle Dinge von ber rechten Seite zu nchna 
fie wird auch) eine glückliche Frau; aber fie ſchrübt 
Bezug auf biefen Umfland: „Wenn mir Midas 
beirathen, fo müffen wir unfern Katechismus v 
dern, die Sache iſt darum eben noch nicht ſchlimmc 
aber andere.” Eliſabeth dagegen ift weich, phan 
fiereich, voll tiefen, lebendigen Gefühle, gebildet dad 
Wiſſenſchaft und Kunſt, aber zugleich fehr reizbat md 
leicht ducdy äußere Berührung verſtimmt; ihre gast 
Natur, fchreibt ihr Meta einmal, if fo vorzüglid, 4 
fie fich weit ſchwerer als die ihrige in Das projaifk 
alltägliche Leben fügen wird. Daher lebt Meta auf 


heiter und zufrieden in einer angenehmen Haͤuslichkeit, 
während Elifabeth, ohne eigentliche Neigung, mehr nad 
Bunſch und Willen des Baters, die Sattin eines Regie⸗ 
rungsrathes M.*) wird und nach einem gereizten und 
geftörten Brautſtande zwar den Vorſazt ſich in die ihr 
unangenehme Verbindung zu fchidlen mitbringt, aber 
dech im Ganzen ſich kalt und zurüdhaltend gegen einen 
Hann benimmt, der nur Geſchäftsmann ft, dazu noch 
ein kraͤnklicher, und ein liebebedürftiges Herz wie das 
ihrige ganz und gar nicht verſteht. Im neuen Wohn⸗ 
orte Königsberg „‚Ichleicht fie aus einem leeren Wochen: 
tage in den andern”, bis fie die glüdtihe Mutter einer 
Tochter wird und nun erſt bie Wahrheit der praf- 
tiſchen Rathſchlaͤge ihrer Freundin einfieht. Ihr Kreis 
von Bekannten erweitert ſich, ihre Schönheit, ihr ganzes 
Benehmen gewannen mehrfache Theilnahme: Gerſon (d. h. 
Stägemann), ein Vetter ihrer Freundin, bezeigt ihr eine 
ſtille Verehrung; ein weit feuriger Anbeter wird unter 
der Bezeichnung Leopold's oder des Grafen Werdenberg 
eingeführt (es ift aber der Herzog Friebrih Karl Ludwig 
ven Holſteün⸗Beck, fpäterer ruffifcher General); ein Drit⸗ 
ter tritt als H. (Kapellmeifter Reichardt) Hinzu. Aber 
die Ehe Bleibt durchaus unbefriedigend für Eliſabeth; 
ihr Kind flirbt, und endlich löſt auch ber Tod ihres 
Mannes ein Verbältnif, von dem Gerfon an Meta 
ſchreibt: es wären beide Gatten ſich in allen ihren Nei⸗ 
gumgen und Gigenfchaften fo wenig ähnlich gewefen, daß, 
wenn das Schickſal abſichtlich die beiden Ertreme der 
Benfhennatur zufammenbringen wollte, dies nicht beſſer 
hätte. gelingen koͤnnen. 

Sept regten fi Eliſabeth's befte Thaͤtigkeiten und 
Empfindungen (mir brauchen die eigenen Worte der 
Berf.), die unter dem Joche einer misvergnügten Che 
niedergehaften, unter taufend Armfeligleiten und Küm⸗ 
merniffen faft erflorben maren, wieder mit erneuter 
Kraft. Sie lebte in einer glüdlichen "Unabhängigkeit, 
in einem angenehmen Beifammenwohnen mit einer überall 
verehrten Tante; Muſik, Zeichnen, Lecture füllten ihre 
Stunden aus. Um fo mehr drängte man fih um die 
fhöne junge Witwe, der ihre Freundin ſolche Anlage 
zu einer liebenswürbigen Afpafia gar nicht zugetraut 
hätte unb die fie herzlich ermahnt, mit ber Liebe nicht zu 
bergen. Denn mit ebenfo viel Schwärmerei als Be⸗ 
Narrlichleie drang Werbenderg in fie, ihre bürgerliche 
Hand in die feinige zu legen, und die deshalb gefchrie- 
benen Briefe find nah Dorow's Zeugniß die echten, 
weiche bis zu Eliſabeth's Tode verwahrt geweſen waren. 
Aber fie widerſtand mit Feftigfeit dem Andringen, ohne 


dadurch den Freund zu verfteren, ber ſich nachher mit 
einer Sräfin von Schlieben zu Gerbauen und Ganditten 


vermählte, die in den „Erinnerungen” Valeska genannt 
fl. Als ein anderer Freund ihrer Jugend wird G. 


9 Wir mülfen dieſe Bezeichnungen bush Anfangsbuchſtaben für 


unpaffend halten, weil fie durchaus Bein Bilb oben irgend eine Bor | 


Relung hervorzurufen im Gtanbe find. Weit beffev wären die er⸗ 
wälmten Perfonen nad ihrem Taufnamen gewannt werben, wie «d 
wenigftend bei einer derfelben geſchehen ift. 





(Geng) neben dem fchon eriwäßuten H. genaunt; Weiße 
blieben ihr bis in das höhere Alter mit unveränbertes 
Liebe und Hochachtung zugethan. Werdenberg's ſtiller 
Nebenbuhler war Gerſon, der unter anſcheinender Zu⸗ 
rückhaltung und Beſcheidenheit die Glut ſeines Innern 
verbarg, feine Wünſche verheimlichte, fo lange der An⸗ 
dere ſtürmte, und auch nach Deſſen Abreiſe ein Weib 
wie Eliſabeth zu hochgeſtellt glaubte, als daß er ihr 
fein Meines Glück anbieten bürfte. 

Ih hänge — fo ſchreibt er nad) einer unfreundlichen Be: 
gegnung Eliſabeth's — noch an Ihnen mit der Freundſchaft, 

mein Herz immer an dem Ihrigen gebangen bat; ob» 
glei es blutete, als Sie es loszureißen ſuchten, hing es 
doch feſt und wird feſthangen, bis es ausgeblutet hat. Und 
werden Sie etwa je in eine Lage geworfen, in der Sie einen 
Freund brauchen, der Leben, Sie und Rube für Sie aufzu⸗ 
opfern im Stande fein muß: fo vergeffen Sie nicht, daß i 
noch in der Welt bin, und daß ich, fo fange meine —88* 
liche Seele dauert, Sie höher ſchäätze als Ehre, Stud und Leben. 

Unter ſolchen Umfländen redete bie verftändige Meta 
zum Beften ihrer Freundin: fie follte wieder heirathen, 
denn bie Ehe ſei doch trog aller Ungemädhlichkeiten, de⸗ 
nen wir und dabei unterziehen, immer die zweckmaͤßlgſte 
Einrichtung in der bürgerlichen Welt, unfere Ruhe und 
Sicherheit und felbft den Frieden unfere Herzens zu 
fügen. Einen beffern, treuern Mann aber als Gerſon 
gäbe es für fie gar nicht. lifaberh kaͤmpfte mit ſich ſelbſt; 
weiblicher Stolz, Mistrauen, Angftlichkeit erfüllten ab⸗ 
wechfelnd ihre Seele, bis endlich ein glücklicher Augen- 
Bi fie in Gerfon’s Arme führte und nad) langen, ger 
fäbrlihen Ummegen an das Ziel, welches bie Den 
Ei Freundin früher finden lieg und ber richtige Sinn 

erſelben fchneller als ihr eigener erkannt hatte. 

Bon jegt an werden ihre Briefe ſeltener. Meta 
est darüber und Glifaberh erwidert ihr die ſchönen 

orte: 
Die Bufriedenen ſchreiben wenig, denn ber Reichthum 
ihrer innern @efühle verbreitet fi am liebften auf die ger 
liebte Heine Welt, die fie umgibt. Wenn ter Orkan audger 
tobt, der die Wellen empört und die Bewohner des Ufers er» 
chreckt, zieht der Strom langfam und leife unter gem aufger 
keiten Frühlingshimmel und zwiſchen blühendem Geftade fort. 

nährt und tränft die duftenden Kräuter, die ihn umbiähen, 
und nur die Kinder, die unter den Blumen fyielen, und bei 
laufchende Wanderer achtet auf feinen Lauf. 

Der legte Brief, aus dem dieſe Worte genommen 
find, ift eines der fchänften Gtüde der ganzen Samm⸗ 
tung und ſchließt mit einem echt kuͤnſtleriſch entworfe- 
nen Landſchafts⸗ und Familiengemälde. | 

Das find die Umriſſe diefer „Erinnerungen“. Ske 
enthalten Beine fpannenden Vorkommniſſe, Feine dramati⸗ 
fen Entwidelungen, aber einen reichen Schag an rüh⸗ 
render Einfalt, Treue und Wahrheit; fie geben ums bie 
(hägbarften Beiträge zur weiblichen Seelenkunde; fie 
ſchildern vor Allem bie ehelichen Berhältniffe mit großer 


' Sicherheit und find daher in unferes Zeit, Die gar zu 


gern von Ungebundenheit bes Weibes träumt, eine Quelle 
der koͤſtlichſften Belchrungen, wie fie unfere Frauen und 
Jungfrauen nur immer aus den Schriften eines ihrer 


' weifeften Freunde, des tuefflichen Jacobs, entnehmen 


1088 


fönnen. Und da man nun weiß, wie glücklich Stäge- 

mann und feine Gattin faft vierzig Jahre miteinander 

gelebt haben, fo ift der Werth jener Vorſchriften und 

Betrachtungen durch die Anſchauung eines wirklichen 

Lebens in der ermwinnfchteften Weife erhöht worden. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifche Notizen aus Frankreich. 
Der Schweizerdichter Petit:Senn. 

Die Schriftſteller der franzöfifchen Schweiz haben eine ei: 
enthümliche Stellung. Entweder müffen fie ihre Eigenthüm- 
ichkeiten im Wefen der franzöfifchen Nation aufgehen laffen 
und auf jeden Anſpruch einer ındividuellen Färbung verzichten, 
oder fie dürfen auf Peine Anerfennung von Seiten der franzö: 
fiſchen Kritik zählen. Nur äußerft noemigen von denjenigen 
Schweizerdichtern, welche ed verfchmäht haben, ihr ganzes We: 
fen nad) parifer Muftern umzumodeln, ift es — und auch meift 
erft nach langer Zeit — gelungen, ihrem Ramen auch in Fran: 
reich einige Geltung zu verfchaffen. Einer von den Wenigen, 
denen in der franzöftfchen Literatur jegt nun ein ehrenvoller 
Platz gefichert feheint, ift der vor kurzem verftorbene Genfer 
Zöpffer, welcher um fo felbftändiger und originelier erſcheint, 
ald er, wenn man von einigen ältern Erfcheinungen aus ber 
Feder Nodier's abfieht, eigentlih ber einzige wirklich bedeu⸗ 
tenbe Humorift genannt werden muß, der fid) der feanzöfifchen 
Sprache bedient hat. Wir wollen in d. BI. nun auf einen 
andern genfer Dichter aufmerkfam machen, der zwar in einzel: 
nen Partien eine gewiſſe Verwandtſchaft mit feinem eben er: 
wähnten Landsmanne verräth, defien Talent ſich aber auf dem 
Gebiete der Lyrik am reinften entfaltet. Diefer Poet, den wir 
bier dem Leſer zum erften Male vorführen, heißt I. Peltt-Senn, 
und dad erfte feiner Werke, welches und zu Geficht gekommen 
iſt, führt den Titel „Bluettes et boutades”. Das Vorwort 
ift aus der Feder von Louis Reybaud, welcher ben ihm be: 
freundeten Autor in der literariſchen Welt von Paris einführt, 
weil — wie Petit:Senn fagt — in Paris unfere Freunde uns 
u Erfolgen verhelfen, während in der Provinz uns unfere Er: 
(ge Freunde ſchaffen. Der größte Theil der „„Bluettes’’ be 
ſteht aus Aphorismen und kurzen, abgerifienen Bemerkungen, 
deren Reiz zum Theil in der Driginalität des Gedankens, Mehr 
aber noch in der Anmuth des Ausdruds und der ganzen Faſ⸗ 
fung beruht. Eine große Tiefe wird man in diefen epigram: 
matifch gehaltenen Sagen nicht ſuchen. Sie erheben auch Bei: 
nen Anſpruch auf philofophifhe Geltung, obgleih ſich unter 
den zerftreuten Gedanken manches inhaltsvolle Schlagwort be: 
findet. Es Bann natürlich nicht fehlen, daß bei den vielen Be: 
merfungen, welche fo ziemlich alle Beziehungen des Lebens be: 
rühren, auch manche Zrivialität und mancher abgenugte, un: 
bedeutende Sinnfprud mit unterläuft. Aber im Allgemeinen 
ift es nicht zu leugnen, daß die Geſchicklichkeit des Epigram- 
matiften fich oft gerade darin am glänzenditen zeigt, daß er 
felbft gewöhnlichere Gedanken durch irgend eine Weinheit bes 
. Ausdruds oder durch eine glücliche Wendung zuzuftugen weiß. 
Auch bei Petit » Senn liegt der hauptfächlihe Werth in der 
prägnanfen und angemeflenen Darftellung, und wir wollen 
deshalb Die wenigen kurzen Saͤtze, die wir bier mitzutheilen 
beabfichtigen, unuberfegt laſſen und lieber in ihrer urfprüng: 
lichen Form geben. „Pour qui jouit seul le plaisir boite. — 
8i l’hypocrisie mourait, la modestie devrait prendre au moins 
le petit deuil.— La flatterie u beau se grossir comme une 
montagne, l’amour-propre Pavale comme un grain de mou- 
tarde. — Nous sommes plus souvent dupes de nous-me&nmes 
que des autres. — Il faudrait se voir avec l'oeil du voisin. — 
Les amities politiques sont trop souvent des haines en com- 
mun.“ Bon den größern Auffägen und Darflellungen des vor: 
liegenden Bandes find die meiften humoriſtiſcher Art und be» 
wegen fich auf dem Gebiete der Earicatur. Sie find zum gro⸗ 


Ben Theil dem Sournal „Wantauque” entnommen, deſſen Br: 
baction der Besf. einige Zeit hindurch gehabt Hat. Bor kr: 
zem ift uns endlich noch eine Heine Saminlung von Gedichten 
dr Geſicht gelommen, welche Petit:Senn zu Genf unter tm 
itel „Les perce-neige” herausgegeben hat. Diefe zierlihen 
Poefien find reine, zarte Klänge, in denen fich eine melande: 
liſche Seele und ein unverfälchtes, religioͤſes Gemuͤth Lut 
macht. Wenn man au in der ganzen Stipimung und hir 
und da felbft in einzelnen Anklängen den Lamartine'fhen Ein: 
fluß erkennen dürfte — feine „Epitre a M. de Lamartine" 
ehoͤrt zu den anſprechendſten Gtuden der Sammlung — |: 
ehlt ed dem Dichter doch nicht an felbftändiger Haltung, un 
man würde ibm fehr unrecht thun, wenn man ihn als Rab: 
greter fremder Manieren bezeichnete. Als Probe bieten wi 
folgende Berfe: 
Aiusi j’achöve ma earriere, 
Le regard au ciel adresse, 
Sans que je le tourne en arriere 
Pour regretter lo temps passe. 


Mon äme monte et se dirige 
Loin d’un oorps presque inanime, 
Comme une flamme qui veltige 

Sur le tison noir consume. 


Mais cette flamme varillaute 
Qui brilie et disparait aux yeux, 
Eleve sa lueur mourante 

A Tasur iafini des ciem. 


Die Irrenanftalten in Englant. 

Die Berbefferung der Gefängniffe, ſowie die richtiger & 
bandlung der Geiſteskranken hat in der legten Zeit unentih 
Fortſchritte gemacht. Befonders ift in Nordamerika und C5 
land in diefer Beziehung außerordentlich viel gefchchen, un ® 
muß deshalb jeder Beitrag zur nähern Kenntniß der Yafix 
und Einrichtungen, melde in jenen Ländern beftehen, mit le 
baftem Danke entgegengenommen werden. Wir erhaltın & 
genwärtig ein Werk, welches interefjante Mittheilungen ir 
die Behandlung gibt, durch welche man die Irren zum nit 
gen Gebrauche ihrer Vernunft zurüdguführen oder he un! 
ftend für die Gefammtheit unſchädlich zu machen ſucht. 2: 
felbe führt den Zitel: „De l’aliönation mentale et des & 
blissements destines aux alienes dans la Grande - Bretagı:. 
Der Berf., H. Eurchod, hat, nachdem er längere Zeit e 
Borlefungen des Profeflors Baillarger an der Galpetritt: ' 
gewohnt hatte, feine Beobachtungsreife nach England wohl zer 
bereitet unternommen. Die Refultate, welche er in jim® 
Laufanne erfchienenen Schrift niedergelegt hat, gewaͤhret act: 
faches Intereffe. Ein großer Theil feiner Angaben berk =! 
dem Berichte, welcher von der zur Beauffichtigung &_F 
fammten Irtenanftalten Großbritanniens niedergefepten &* 
miffton bem Lordkanzler erftattet ift, und auf andern authent: 
ſchen Documenten. Der Verf. theilt überall moͤglichſt gm 
ftatiftifche Angaben über die Zahl der Geiſteskranken, übe!“ 
Einrichtung der Häufer, in denen fie ſich befinden, und übe 
die Anordnungen mit, welde zu ihrer Pflege und Heli 
beobachtet werden. In Bezug auf den Krankheitszuſtand ki? 
beobachtet Eurchod die von den englifchen. Commiſſaren eing 
baltene Glaffification in zehn verſchiedene Formen und Sb 
fungen ber Geiftesjerrüttung, ohne indefien dieſe Eintheilu. 
als die allein richtige hinzuſtellen. Bei der Erörterung =" 
die Behandlung, welcher die Irren unterworfen werten, ge 
der Berf. in ein großes Detail ein, welches ſich nicht ab 
über die in Anwendung gebrachten Mittel, fondern jelit = 
das Perfonal der bedeutendften Anftalten erſtreckt. Um dl: 
diefer Schrift gibt der Verf., welcher den berübrten Gege 
ftand noch weiter zu entwickeln verſpricht, die Überjegung © 
niger auf Irland und Schottland bezüglichen Stellen aus der 
Werke unfers berühmten Julius. . h. 


Berantwortliher Herausgeber: Heinrich Brockzaus. — Drud und Verlag von F. E. Srockhaus in Leipzig. 





Blätter 


für 


iterarijde Unterhaltung. 





ir edle Frauen. 
tägemann. Zwei Bände. 
( Beſchlus aus Nr. 878.) 


Außer dieſen „Crinnerungen“ enthaͤlt der zweite Band 
och: „Fragmente in Stunden der Muße niedergeſchrie⸗ 
m. Angebinde einer deutſchen Mutter für ihre Tochter 
ihrem ſiebzehnten Geburtstage”, und zweitens: „Phan- 


hinnerungen Von Elifabeth 


von 


afien”. Die erfien erinnern nicht zu ihrem Rachtheile 
n die Stellen aus Ottiliens Tagebuche über verfchie- 
me Gegenflände des Lebens und der Runft in „Wil- 
aim Meifter's Wanderjahren” und beziehen ſich auf 
Mufit, Sefang, Kunft, Bücherlefen, weibliche Freund⸗ 
Haften, Erziehung der Kinder und andere Zuftände des 
nnern und gefelligen Lebens, unter denen wiederum Die 
chelichen Verhältniffe mit befonderer Vorliebe befprochen 
ind. Wir koͤnnen uns jedoch hier nicht auf die Mit- 
theilung einzelner Sentenzen einlaffen, ebenfo wenig als 
auf Auszüge aus den ‚‚Phantafien”, in denen manches 
\efenswerthe Wort fieht, wie es eimer reinen und fchö- 
nen Seele entquollen iſt. 

Damit nun aber dem herrlichen Bilde Eliſabeth's 
feine wahre Beleuchtung nicht fehlen möchte, fo ift es 
dem Derausgeber gelungen, uns aud) einen Xheil ihres 
Briefwechſels vorlegen zu können. Freilich immer nur 
innen fehr Heinen Theil, aber doc darunter einen höchft 
nertwürdigen Brief der edeln Frau an Gens, der 1794, 
venn nicht fchon im Dec. 1793 gefchrieben ift, alfo vor 
ihrer Heirat) mit Stägemann, als fie noch von Graun 
getennt in Königsberg lebte. Geng hatte bekanntlich 
ich 1783 und 1784 in Königsberg aufgehalten und durch 
dant's Morträge in feinem bisherigen dumpfen, ſchlaf⸗ 
en Weſen eine gänzliche Beränderung erfahren. Geift- 
eich, Tebhaft, kühn und gewandt wie er jegt mar, hatte 
: audy Elifaberh’s Bekanntſchaft gemacht und war von 
je hingeriffen worden. Er fihreibt in dem bier abge- 
rudten Briefe ans dem 9. 1793: 

Sie wiffen, was Sie mir waren, Sie willen, daß wir 
ufendmal — o und wie unendlid, wie ewig wahr! — wann 
ir unfere Berhältniffe und Die Berpättniffe ber Menſchen um 
a ber berechneten, dem Falten, unerbittlihen Schickſale vor: 
elten, Daß ed und nicht füreinander gefchaffen hatte. 

In den ftolzeften Morten erklärt er nun ferner, daß 
zwar unſaglich an Bildung nach wahrhaft fchredii- 
yet Wanderung zugenommen habe, daß er aber Elifa⸗ 


30. September 1846. 


2m — — —n-..- 


fegt Elifabeth eine weit ruhigere Sprache entgegen. Cie 
verhehlt ihm nicht, daß fie für ihn fortmährend bie alte 
Sreundfchaft fühle, aber eben um biefes Antheils. willen 
fragt fie ihn, ob er au glücklicher fe: 

Mich dünkt nein. Ihre Sprache iR nit die Sprache 
eines ruhig Glücklichen. Schelten Sie. nicht, wenn Ich unrecht 
babe, aber mich duͤnkt, Sie leben im depit mit der Weit — 
Sie find dahin gefommen, die Menfchen verachten — haſſen 
zu lernen. 

Und nun ermahnt fie in einbringlicher Weiſe dem 
Gefühle der Kraft, welche feinen Geiſt und fein Herz 
emportrug, nicht zu fehr zu vertrauen, nicht blos zu lie- 
ben oder zu haſſen. Dann gedenkt fie nach feiner Auf⸗ 
foberung des Verhaͤltniſſes zu ihrem Manne, von dem 
fie die „alten, bekannten Übel” entfernen, und erklärt 
mit Beſtimmtheit, nicht auf ihr jegiges Exfcheinen in 
Berlin dringen zu wollen, weil fie keineswegs die ruhige 
Stimmung, in der fie fich befinde, und die Süßigkeit 
eines vollig unabhängigen Lebens gegen einen häßlichen 
Contraſt zu vertaufchen geneigt fei. 

Freilich fühle ih in wehmüthigen Stunden die Beftim- 
mung meines Geſchlechts — nur für ein Wefen zu wirken und 
zu leben — dem wir angehören, Dem wir gern angehören, daß 
den geringften Handlungen in einem häuslichen thätigen Leben 
Zweck und Intereffe gibt: Das gemeinfte Weib, die bon ein 
paar kümmerlich erfparten Grofen mit froher Geſchaͤftigkeit 
ihrem Manne ein Fruͤhſtuͤck macht, dünkt mich dann glücklicher 
als ich. An meinen Kindern ſehe ich den einzigen Zweck — 
und freilich einen großen Zweck — warum ich lebe. 

Sechs Briefe Elifabeth’s an Meicharbt bieten fchöne 
Belege eines heitern und anhänglichen Verkehrs zwiſchen 
diefen beiden Menſchen, dem auch dreizehn Briefe Reis 
chardt's vollkommen entfprechen. Die erftern fallen ge- 
rade in die Zeit, wo die zu unwürdiger Zeffel gewor⸗ 
dene Verbindung Eliſabeth's endlich gelöft war; die an- 
dern, deren erfier aus bem 3. 1782, der legte aus bem 
3. 1811 iſt, beziehen fih auf Mufit, Theater in Ber- 
lin und Weimar, Literatur, auf Reichardt's Journal 
„Deutſchland“, auf feine Außen Verhältniſſe feit der 
Gründung des Königreichs Weſtfalen. tiber Goethe und 





u. — 
v . i 


Schiller findet fi) auch manches Bemerkenswerthe, Rei⸗ 


chardt iſt auf den Legtern wegen ber „Xenien“ ſehr er- 
grimmt, mit Goethe aber waren’ weit angenehmere Be⸗ 
ziehungen eingetreten und fein Beſuch in @iebichenftein 
wird böchlich befobt,. \ 

Die Briefe des Huber'ſchen Ehepaares an Elifabeth 
rechnen wir zu den bedeutendern heilen des uns vor- 
liegenden Buches. Huber’s fünf Briefe find zwar eigent- 
(ih nur Gefchäftsbriefe, aber mit einer folchen Feinheit 
gefhrieben und mit fo wahren Bemerkungen über weib- 
Fiche Schriftftellerei durchflochten, dag man fie wieber- 
holt mit Vergnügen leſen wird. Die Anſicht einiger 
Brudftüde aus dem Werke Elifabeth's hatte ihn zu 
dem Vorſchlag verankaft, fie möge das Ganze „Erinne: 
rungen für edle Krauen, von einer Frau“ benennen. 
So entftand ber fegige Titel. Der erfte Brief Therefe 
Huber's ift am 7. Auguſt 1805 gefchrieben und ent« 
hält den herzlichften Dank für die ihr nach dem Tode 
igves heißgeliebten Gatten bewieſene Theilnahme. Der 
Brief diefer vielgeprüften Dulderin gehört nach unferm 
Gefühle zu den ſchönſten Frauenbriefen, die in neuerer 
Zeit bekannt geworden find, und ift nach Inhalt und 
Sprache ein ſchoͤnes Seitenftüd zu dem Briefe der Frau 
Schiller's nah dem Tode ihres Mannes, den Hennes 
in der Schrift über. Fifchenich (Stuttgart 1841) ver- 
öffentliht Hat. Die Mittheilung einer Stelle können 
wir uns daher nicht verfagen. S. 264 heißt ee: 


Der Schmerz allein iſt's nit, was mein Loos fchwer 
macht. Es ift das Einzeinfteben fir em Weib, die jünger 
ift als ihre Jahre, weil die zärtlihe Liebe ihres Gatten fie 
jung am Herzen erhielt. Es iſt die beftändige Verlegung des 
Gefühle in der Rothwendigkeit felbft zu handeln in meinem 
‚eigenen Ramen. Ich war immer thätig und feften Sinnes, 
ja gegen die Engelömilde von Huber’s ganz idealiſchem Cha⸗ 
rakter erfchien ich oft flarr. Für unfer Beider Gluͤck lag in 
diefem Eontraft das Mittel der Vervollkommnung, die ewige 
Erneuerung unfers Bundes. Uber nun ich allein bin — nun 
fühle ich bei der Nothwendigkeit zu handeln alle Schwäche 
des Weibes. Und flolz und meines Berfprechend in feine ge: 
liebten todesfalten Hände eingedenf, muß ich ſtark fein und 
alle meine Pflichten erfüllen. Man hält mid für männlidy, 
man glaubt, weil ih mit Herrſchaft über meinen glübenden 
Kopf, kalt und entſchloſſen, handle, ich fei ruhig, weil ich gei- 
ig mit meinem blutenden Herzen meinen Schmerz beberriche, 
ich fei heiter. D die Thoren, o die glüdlichen Ihoren! Mein 
Berftand rettet mi. Ich arbeite und nehme an Allem, was 
mich umgibt, eine Art biftorifchen Antheil — bis dann der 
Punkt kommt, wo ich gewohnt war, mit ihm ven der neu auf: 

faßten Idee zu reden — dann ſtehe ich wieder einfam an 
einem Grabe. 


In dem andern Briefe Herrfcht diefelbe Wärme bes 
Gefühle neben der entfchiedenen Refignation, die weh- 
müthige Erinnerung an die Vergangenheit und die liebe- 
vollfte Sorge für ihre Kinder, über die fie in echt müt« 
terlicher Weife der geiftesverwandten, perfönlic) aber un: 
befannten Frau v. Stägemann ihr Herz eröffnet. Zwi⸗ 
hen biefen Beweifen nicht gewöhnlicher Geifteshelle und 
Beiftesftärke Iefen wir von manchen Zages- und Kriege: 
ereigniffen und finden eine längere Stelle über Kogebue, 
ber wegen feines blinden Franzoſenhaſſes getabelt, we: 


9 . 
gen feiner Leichtigkeit im Darſtellen, feiner Feinheit 
Biegfamteit und Empfänglichkeit aber gelobt wirt. 

Unter den übrigen Briefen behandeln zwei von Air 

ewetter Gegenflänbe der natürlichen Religion, einer wa 

artoldi ‚und einer von Byrowdki Famllienangelegen 
beiten, einer von Brentano iſt sin Empfehlungsbrief fir 
einen jungen Edelmann, v. Below. 

Das dem Buche vorgefegte Bildnis Eliſabeth' mil 
zwar den jegigen rauen wegen. feiner Goftumirumg 
nicht gefallen, hat aber das Verdienſt das gelungenfle 
Bild zu fein und zugleich ein Beweis ihrer Kunftfer 
tigkeit, indem es nad einer von ihre ſelbſt verfertign 
Sepiazeichnung geftochen ift. an, 





Deutfhe Helden in deutfchen Erzählungen von Beni 
Hefekiel. Erſter Theil: Der deurfche Michel. Aut 
den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. Zweiter Theil 
Erfte Abtheilung: Prinz Eugen unter Kaifer Leo 
vom ale. Leipzig, Kollmann. 1846. 85. 2 äh. 
15 Ngr. 


Es ift immerhin ſchon ein erfreuliches Zeichen, wen nd 
die Literatur das Streben und Ringen bes Volkes nad =s 
ftarken, geſchloſſenen Nationalität bin ſich zu einer berifa 
Aufgabe fell; wenn fie entweder das gegenwärtige Leben "t 
es in der Bamilie und im Staate fi erzeugt, auf dem Bir 
der Kunft in fih aufnimmt und es zur Darftellung bring 
oder wenn fie dad Feld der Geſchichte betritt, und die al 
Helden mit ihrem Streben und Eifer zum Borwurfe ihre ® 
zählungen. nimmt, um fo allmälig Das Deutfche Volk wieder m 
feiner Gefchichte bekannt zu machen, feine Vergangenheit ie 
wieder zum Bewußtfein zu bringen. Um deswillen vertienten ze 
„Die Dorfgefchichten” von Berthold Auerbach und die „EA 
ſches Leben in deutfchen Novellen ” von Heinrich Kam 
die wir beifpielöhalber blos anführen, fo fehr und mit IR 
die Anerkennung, die ihnen zu Theil ward. Auerbach tt: 
und fand feine ergiebigen Stoffe in dem Bauernftande, mE 
Theile des Volkes, der von dem Sturme und Drängen !t 
Ipeen, welche die obern Claſſen bewegen, noch nicht erfejt * 
der mit Sartnädigkeit und entfchiedenem Willen an dem Ge 
wordenen fefthalt; aber zugleich, welche kernhafte Natur, wild 
feifches Leben bot fi ihm bier dar! Und Auerbach benkt de 
fhöne Talent einer genauen ſcharfen Beobadhtungegitt ar 
einer wahren, volfsthümlichen Darftellungs die äußere Erik" 
nung lenkt feine Beobachtung nicht ab, der Stoff verien rat 
ihn feine Sprödigkeit und Härte, indem ex auf die inner U: 
——— auf das Rervengeflecht, vor dem alle die 6 
ſcheinungen nur angeregt werden, feine Zarftellung Fi! 
Dadurch Haben feine Erzählungen jene Friſche un? Bahr! 
erlangt, die jeden Beſchauer, der noch nicht allen Sim Ru 
das einfache fchlichte Leben, für Ratur und Poeſie abgeſturen 
bat, erhebt und begeiftert. Joſeph Rank, den wir wegen de 
Ahnlichkeit der Stoffe noch erwähnen wollen, bleibt dagegen & 
feinen „Bier Brüder aus dem Volke“ noch in der äußerliät 
Erſcheinung des Volkslebens ſtecken, die Perfonen haben ked 
rechtes Interefle, Bein rechtes wahres Leben; für die Kennt: 
der Sitten und Gebräuche in dem böhmiſchen Volke hat = 
Buch zwar gute Verdienfte, aber für den kuͤnſtleriſchen Sta 
punft nur wenig Werth. Koenig bat in feinen Roveden M 
das Leben der höbern Stände, ihre Gonflicte und Leidenfgaht: 
fih zum Vorwurf gewählt; wenn feine Erzählungen hier &: 
immer die beflimmte arte, die klaren Umriſſe gewinnen, 
liegt Dies weniger an dem als vielmehr in 8 
Leben der gegenwärtigen Geſellſchaft ſelbſt, die annoch 


Yon 


und hin» und hertuſtet, Ju Feiner beftimmten Form und Ge: 
flaltung noch gelangen fann, namentlich der Kreid der Geſell⸗ 
ſchaft, in weldyem feine Erzählungen fih bewegen und den wir 
vorzugsweife mit dem Ramen des „bürgerlichen“ belegen, 
während Sternberg bei der Darftelung feiner Abelsfamilien 
und ihrer Beſtrebungen leichtere® Spiel findet, indem jene mit 
ihren alten bergebrachten feften Schranken für den Schrift⸗ 
fteler gefchloffenere Bormen und Rormen bieten. Heſekiel hat 
in den beiden vorliegenden Bänden den Weg der Geſchichte ber 
treten und zwei Helden auserwaͤhlt, die allerdings früher einen 
großen Ruf befaßen und au fpäter noch im Bewußtſein des 
Volkes lebten. Bei ſolchen geichichtlichen Wiedererweckungen 
gibt es vorgugsweife für die künftlerifche Behandlung, wenn 
wir von der eigentlichen Seſchichtsſchreibung als ſolcher abfehen, 
zwei Wege, die der Schriftfteller einfchlagen kann. Er nimmt 
entweder feine Perſonen mit ihren Ideen und Beftrebimgen in 
ihrer Zeit und ihrem Charakter auf, bringt fie aber unter den 
Brennpunkt der allgemeinen Weltgefchichte; bier erfcheinen die 
Handlungen in einem höhern Lichte, nur alles Wichtige ge 
winnt Bedeutung, die Jufälligkeiten fallen ab wie die welken 
Blätter, die Yerfonen und ihre Handlungen werden nad dem 
höbern Maßftabe der Gefchichte gemefien, ihre Berechtigung in 
der Zeit und für diefelbe tritt deutlich hervor, es entfteht fo 
ein eigentliche8 großartiges Gemälde, das die temporaire Befan- 
genheit und Beſchränkung abgeftreift hat und das unter den 
Händen des Dichters zu einem gediegenen Runftwerke werden 
kann, wenn er ed veriteht, die Motive der handelnden Perfo: 
nen genau zu entwideln, wenn er die nadten Thatſachen auf 
ihren pfochologifhen Hintergrund, auf ihre Quelle zurückzu⸗ 
führen verftcht, Burg, wenn er das Allgemeine wieder zu indi⸗ 
rıdualifiren, zu durchgeiftigen vermag. Der andere Weg, der 
noch übrig bliebe, ware der, daß der Schriftfteller, unbeküm- 
mett um die Folgen und die VBorausfegungen, das Bild nimmt, 
wies ich ihm ald ein felbftändiges Ganzes darbietet. Er fchält 
es fo gewiffermaßen von dem geſchichtlichen Hintergrunde los 
ursd behandelt die individuellen Seiten deſſelben, er theilt die 
Befimgenheit feiner Helden und die Löfung und Verwickelung 
war mehr durch Umftände herbeigeführt, die nur in dem 
Willen feiner Perfonen ihre Berechtigung finden und nur nad 
dem Raßſtabe der eigenen Individualität gefchägt werden koͤn⸗ 
wer. Der große Rahmen bes biftorifhen Romans verengert 
f@d hier zu der Heinen Umfaffung eines hiftorifchen Genre: 
b ildes, und während auf dem erſten Wege mehr die allgemei- 
rzen feſten Höhenpunkte zur Beſtimmung bervortraten, fo wer⸗ 
den für den andern mehr die befondern, einzelnen, zufälligen 
Erſcheinungen hervorgehoben werden. 

Heſekiel hat Beinen der beiden Wege eingefchlagen und es 
fonnte faſt fdeinen, wenn wir feinen eigenen Worten trauen 
feltn, worin er ausfpriht, daß er das Andenken eine 
Mennes herzuftellen bemüht fei, der es nicht verdient habe, 
toh man ihn fo bald vergeffe, wenn nicht im Buche felbft eine 
Miaſſe von yphantaftifhem Beiwerke und vom (Begentheile 
überzeugte — es koͤnnte faft ſcheinen, fagen wir, als ob er bios 
eine Monographie, eine hiftorifche Rettung verfuchen, wolle. 
Senn übrigens der Verf. glaubt, daß eine fo große Ahnlich- 
seit zwiſchen unferer Zeit und der Mitte des 17. Jahrhunderts 
veftche, fo erfcheint Dies doch nur für eine ganz oberflächliche 
Betrachtung. Die theologifche Debatte war dem bdeuffchen 
Botfe zwar damals über Den Kopf gewachfen, oder vielmehr 
te war ihm in die Fauft gefahren, das Schwert follte ent» 
cheiden, wer den beften, den reisten Slauben habe. Daß 
eutfhe Volk war in der Befangenheit damals, daß es eine 
nnere Sache des Gefühls und der Anfchauung auf äußere, ma: 
erielle Weiſe entfcheiden wollte; die dem Feudaldrud des Mits 
elalter& entlaufenen Deutfchen waren begeiftert von der Frei⸗ 
eit der Religion, fie waren enthufiasmirt, betäubt, Einer 
sollte dem Andern feine Begeifterung, feinen Glauben auf 
ringen, und weil Dies nicht auf gute Weife ging, fo griff 
aan zum Schwerte und ſteckte es nicht eher in die Scheibe, 


j ald bis eine gegefeltige Ermattung und Berblutung einge- 


treten war und bis man endlich eingefehen hatte, daß man 
auf diefe Weiſe Richts enticheiden koͤnne, daß man fich dulden 
müffe, weil man eben Beine äußere Gewalt gegeneinander mehr 
hatte. Heutzutage ift aber die theologifche Debatte uns kei⸗ 
neswegs, wie ber Verf. meint, über den Kopf gewachfen, 
fondern gerabe hinein: der Kopf foll entfcheiden, der Verftand 
prüft, die Vernunft richtet und fegt die Entfcheidung weder 
auf die Spige des Schwertes noch auf die materielle Dhn⸗ 
macht, fondern fie überläßt einem Jeden mit jich jew fertig 
je werden; und gerade bier haben wir auch auf religiöfem Ge⸗ 
iete den Wahlſpruch: Alles paßt fi nicht für Alle! Und wenn 
der Grundfag einer allgemeinen Duldung noch nicht überall 
anerkannt ift, ſo haben wir doch wenigftens den Troſt, dag es 
an andern Umftänden liegt als an der Überzeugung der Wahr: 
peit des beutichen Volkes. Wenn au im 17. Jahrhundert 
ie Religion da6 Banner der Parteien führte, fo Fam Dies da- 
ber, wei Proteftantismus und Katholicismus damals Gegen: 
füge waren, bie es heutzutage nicht mehr find, weil die Fee 
Wiffenfchaft nur Gegenfag der religiöfen Meinung if. Was 
heutzutage als Gegenläge auf dem Gebiete des Voikslebens er: 
fcheint, das ift himmelweit von jenen alten veifchieden; wir 
baben nicht mehr zum Feldgefchrei: Proteftant! Katholik! fon: 
dern auf dem Banner der Gegenwart flammen die Worte Frei: 
heit! für den Staat, für die Kirche, für den Einzelnen! Und 
der Gegenfag! Run den Pennen wir Alle. 

Hefekiel behandelt in dem erften Theile die Gefcyichte des 
fühnen Neiteranführers von Dbentraut, den fein Bater, weil 
gerade kein Rame im Kalender ftand, Hand Michel taufen 
ließ. Er hieß fpäter allgemein der deutſche Michel, und wo der 
deutfhe Michel mit feinen Reitern einhieb, da gab's leeren 
Raum und Blut; alle Welt kannte ihn auch in der Schlacht 
an feinem Beldgefhrei: Prag und Hagenau! und feinen Eurzen 
Spruchfägen, die er fehr liebte. Sehr bezeichnend für Denfelben 
ift, daß, als er in ber Schladht bei Seetzen toͤdtlich verwundet 
ward und ber feindliche General Tilly zu ihm am Schlacht: 
felde berantrat und den Verluft diefes wadern Mannes, ob- 

teih feines Feindes, betrauerte, der deutfhe Michel Burz 
agte: „In ſolchem Garten pflüdt man ſolche Roſen!“ Und hier 
wies er auf das Schlachtfeld und auf feine von Blut überftrö- 
mende Wunde und verfchied. Heſekiel fucht überall die Er⸗ 
zählung in dem &eifte jener fo reich bewegten, verwirrten Zeit 
zu halten, aber es fehlt feiner Anſchauung die gehörige Breite 
und Tiefe; die Wirren, der Iammer, die Berwüftung, die 
Roheit jenes dreißigjährigen Bruderfriegs werden durch einige 
Stihwörter, einige Schlachtrufe nicht anſchaulich gemacht. 
Ebenſo treten die Helden in ihrer rohen Kraft, in finnlidher 
Schöne vor unfere Augen, dadurch, daß fie gemaltig effen und 
trinken, und felbft wenn fie Dies „wie Wölfe” thun (I, 184). 
Überhaupt ift in der ganzen Erzählung die Gefchichte, der 
reine gefchichtliche große Sintergeund des Dreißigjährigen Krieges 
nicht zu erfennen, und die einzelnen Bruchftüde, die aus dem 
Ganzen herausgebrochen find, werden wiederum fo fehr durch 
willfürlide Erfindungen und Berwidelungen verborben und 
unkenntlich gemacht. Die ganze Husführung hat fo viele Ähn 
lichkeit mit dem Stile der alten Ritterromane: Entführun en, 
heimliche Zrauungen, Gefpenfter, Entfagungen ſchlingen fid) fo 
bunt durcheinander, DaB der geſchichtliche Kern faſt felbft mit 
ur Fabel wird. Um wie viel beffer würbe eine einfache Auf: 
affung des deutfchen Michel fih darftelen, wenn all der 
Schnickſchnack weggeblieben wäre, den man uns fo oft als 
Poeſie aufbringen will. Seid wahr, ihr Poeten und Schriftftelter, 
feid natuͤrlich! Denn mit diefen Potenzen könnt ihr mehr errei« 
hen als mit alle dem alten Plunder und fentimentalen Plit- 
ter. Die Darftellung verläßt gar oft ihren erzählenden Cha⸗ 
rakter, der Schriftfteller tritt hervor und „ladet erpreß dazu 
ein, und verräth uns, daß ber Wanderer eine von ben Per- 
fonen ift, die fi gütigft entfhlofien haben (wie ehgiqpaeth, 
eine Stelle in unſerer Geſchichte zu übernehmen” (S. 6). 


Der zweite Band, ‚der bis icht 3* :$ behaudalt, iß in 
demſelben Stile gehalten; er ßt iedoch nur als erſte Ab⸗ 
theilung das Leben Eugen's unter Kaiſer Leopold dem Vater. 
Auch Hier iſt die Geſchichte durch ein Beiwerk pon wunderli⸗ 
chen, feltfamen Abenteuern und bizarren Verwickelungen bis 
ur Unkenntlichkeit entftelt und verdozben. Es wäre dad end» 
Is einmal Beit, daß unfere Schriftfteller einfähen — viele, die 
heiten haben es langft gethan —, daß eine ſo zugeftuute Ge⸗ 
ſchichte weber unterhalten noch beichren kann, ba ftens 
sine ungebildete KRähterin fie Sonntags in ihre Hände nimmt, 
oder ein Unteroffizier feine langweiligen Badtabendflunden da> 
mis todtfälägt. | 

Der Stil in beiden —— Bänden iſt matt, ſeicht, 
oftmals trivial; entfeglich weitſchweifig find namentlich immer 
die Schilderungen, wo die außere Erſcheinung eined Helden 

oder einer Heldin dem Lefer vor Augen nefübrt wird. Be: 
denke man doch, daB folhe Schilderungen, felbjt wenn jie mit 
Talent und Geift ausgeführt werben, immer etwas Langwei⸗ 
lige6 haben; nimmt man aber eine Schilderung wie U, 123, 
man follte euden, ed spare eine Inftruction für eine Yugmas 
cherin: „@in ärmellofes, Himmelblaues Kleid von gefchorenem 
Sammet, bas nicht ganz bis auf die Knochel hinabreichte, 
Strumpf von rother Seide, durchbrochenes Gewebe, Atlas: 
chuhe; das Kleid weit ausgefchnitten, das Linnenhemd fein ge 
ältet, mit ſchweren Silberquaften und Schnuren kreuzweis ge 
thnürt. Darüber ein weißes ficilianifches Florhemd mit Armeln, 
auf der Bruft eine Smaragbfchnalle, an den Armen Brace 
lets“ u. f.w. Der Berf. hat auch unfere Sprache durch eine 
neue Wortbildung bereichert, er fagt nämlich ſtatt muͤtterlich 
behandeln: „bemuftern” (1) und läßt eine Jungfrau Worte wei: 
nen: „Eugenio, weinte die Jungfrau.” Doc gun‘ Ber 
Iugen wil im wilden Tann, noch manches ffen Anden 
ann! . 


Bibliographie. 


Anderfen, H. C., Abenteuer und Maͤhrchen einer Reu: 
jahrsnacht, auf einer Zußreife nach Amack. Ins Deutfche über: 
fragen und wit einem biographifchen Lebensbilde des Berfaf: 
ſers eingeleitet von Le Petit. Nebft des Verfaſſers Bildniß. 
Hamburg, Gobert. 12. 1 Thlr. 7%, Nor. 

Belli, Maria, Weine Reife nad) Eonftantinopel im Jahre 
1845. Frankfurt a. M., Sauerländer. 8. I Thlr. 15 Kor. 


Brunner, ©., Der Babenberger Ehrenpreis. Neue, 
umgearbeitete Auflage. Regendburg, Manz. 8. 1 Ahr. 3%, Nor. 
— — Der deutfhe Hiob. 2te Auflage. Negendburg, 


Banı. 8. 1 Ihr. 7% Near. 
ordelia, Julie und Marie. Briefe über den katholi⸗ 
[pen Kultus. Köln, Bachem. 8. 20 Nor. 
Denkwuͤrdigkeiten eines Prieſters. Aus bem Feuilleton 
Des National überfegt von ©. Fink. Zwei Bände. Leipzig, 
Surany. 8. I Thlxr. 15 Rgr. 

Seller, 8. E., Die Staatöpapier» und Kctien « Börfe. 
Gnthaltend Auskunft über alle befannte Staats, Provinzial-, 
Stadt: und flandeßherrliche Anlehen, über Pfandbriefe und 
ktien allerlei Urt, nf den neueften Aufftellungen der Staats⸗ 
nangen. Beipaiß, Müller. Gr. 12. 1 Ahlr. 20 Nor. 

aß, W,, Georg Ealirt und der Synkretismus. Cine 

aegmenhiftsrifihe Abhandlung. Breslau, Goſohorsky. Gr. S. 
[3 5 / 


r. 
—*8 Mein! Taſchenbuch für 1847. 16ter Jahrgang. 
mit M Stahlſtichen. Wien, Pfautfh u. Comp. Ki. 8. 2 Zhlr. 


’ Göhren, Caroline v., Die Aoptivtochter. Ein Ro: 
Kr Zwei Theile. Leipzig, Kretzſchmar. Br. 12. 2 Thlr. 
3 x. 
räfenhan, A., Geschichte der klassischen Philolo- 
gie. ter Band. Bonn, König. Gr. 8. 2 Thir. 2) Ngr. 


omex's Zins, in Gesamt übenieg von H. Rorji 
5 t 0. M., t vländer. 3. 12. I Ih. ve 
Kiesewetter, R. G., Geschichte der +surpiid- 


abendländischen oder unsrer heutigen Musik. 

ihres Ursprunges, ihres Wachsthumes und ihrer stafenne- 
sen Entwicklung, von dem 1. Jahrkunders des Chrise- 
thums bis auf unsere Zeit. ?te durchgesahene uad ver 
gehrte Ausgabe. Leipzig, Breitkepf und Härtel, Gr. L 
“ r. 


Kutscheit, J. V., Herr Prof. Dr. Lepeius und de 
Sinai. Prüfung und Beseitigung der von nntem Bern 
Professor auf seiner Reine nach der Malbingel des Sissi 
für die biblische Geographie gewongenen Resultate. Ber 
lin, Moeser und Kühn. 8. 5 Near. 

Löſchke, 8. 3., Die religiöfe Bildung der Ingend m 
ber, fittliche and ber Schulen im 16. thundert. x 
Beitrag zur Ge qichte der Paͤdagogik. Breslau, Graf, Barh 
u. Comp. Gr. 1 TIhlr. 

Mariotti, L., Italien in ſeiner politiſchen und Kinan 
ſchen Entwidelung und in jeinen gegemmwärtigen Zuftanee. 
Beute von 3. B. Scybt. Leipzig, Lord. Er. 8. 2% 

gr. . 

Rettig, G. F., Über Platon's Phädon. World. 
Bern, Huber u. Comp. 8. 5 Nur. 





TZagedliteratur. | 


Aßmann, W., Der Urfprung der Iutgerifchen Ai 
tion aus dem Beitbewußtfein. Gin Vortrag zur Verftäntim | 
über die Bedeutung des veligiäfen Beitbemußtfeind. Bram 
fhweig, Vieweg und Sohn. Gr. 8. 5 Kar. 
Döllinger, J. Drei Reden, gehalten auf dem bay 
ſchen Landtage 1846. Megensburg, Manz. Gr. 8. RE 

‚ Bingerzeig zur Negation ber Regation und dadurch 
Wiedererkennung und Sheitpaftwerdung des wahren fiatt dd 
falſchen geiftigen Lebens und Lichtes, in Wittheilungen au da 
Briefen eines Freigeborenen der oberen Laufig an feinen Ihe 
logie ſtudirenden geiſtlichen Pflegling. Magdeburg, Fuller 
berg u. Comp. &r. 8. 714 Rear. 

‚ Gedentet an eure Lehrer! Evangeliſche Beugniffe aus fiel: 
baiern bei Gelegenheit bes 18. Febr. 1846. Herausgue 
von J. Schil ler. Frankfurt a. M., Zimmer. Gr. 8. löRr 

Geiger, A., Borläufiger Bericht über die Thätigkeit da 
Jitten Fegegniung deutſcher Rabbiner. Breslau, fadız 
r. ð. a Auf. 

.— — Die dritte Berfammlung deutfcher Rabbiner. Ca 
Fria rige ot zur Berfländigung. Breslau, Leudar. 
r. 8. r. 


Luther Lebt noch! und: eb lebe Luther! doch nicht mu-ta 
Buchſtaben, fondern im lebendigen Geiſt. „,, Der Buhi 
tödtet, aber der Geift macht lebendig!““ Gpiftel an du Ir 
tenmacher und Schwarmgeifter des 19. Jahrhunderts venXt: 
divivus Lutherus. Magdeburg, Zaldenberg und Cm 
Gr. 8. 2% Ror. 

Moll, 8. B., Der Weheruf des Herren. Predigt 
Bußtage. Stettin, Weiß. Gr. 8. 2%, Nur. 

Sendſchreiben Schannes I. an Johannes Menge in Kıird 
des Glaubens⸗Bekenntniſſes, nebft einem Wort zunächkt für al 
die wahrhaft allgemein : hriftlich Gefinnten in dem gefunat: 
beutfchen Volk und Baterlande. Magdeburg, Yaldenberz un 
Comp. Gr. 3. 5 Ngr. 

Zimme, F., Die Wiedergeburt des Menſchen und ta 
erfon Chriſti. Rad Evang. Joh. 3, 1 —21. Magbebuts 
algenberg u. Comp. ‘Gr. 8. 10 Rgr. 

_ Über die Rothinenbigfeit evangeliiher Prediger- Semi, 
zunächſt für Preußen. Von einem evangelifghen Geikliges 
Magdeburg, Kaldenberg u. Comp. Br. 9. 21, Kor 

Wie orte, R., Predigt, gehalten in Berlin am 21. Ju 
d, 2. B in, Enslin. 8. 1% Rer. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinurich Brockdaus. — Drud und Belag von W. *. VBrockhangs in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerstag, 


— Nr: 74. — 


1. October 1846. 


sur Nadridt. 


Bon diefer Zeitfchrift erfheint täglih eine Nummer und ber Preid beträgt für den Jahrgang 12 Thlr. Alle 

Buchhandlungen in und außer Deutfhland nehmen Beftellungen barauf an; ebenfo alle Poftamter, bie fih an bie 

Koͤnigl. fächfifhe Zeitungsezpebition in Reipzig wenden. Die Verſendung findet in Wochenlieferungen und 
in Monatöheften flatt. 





Die neuefte Literatur über Rußland. 
Erſter Artikel. 


Seit unſerer legten Anzeige mehrer durch das Werk 
des Marquis v. Cuſtine hervorgerufener Schriften über 
Rußland *) find deren viele von gleicher Tendenz erfchie- 
am: naͤmlich Mußland als das in jeder Hinficht heil- 
Ifefe Band dem cultivirten Europa barzuftellen; nur 
darin untereinander abweichend, daß einige den Grund 
der Heillofigkeit in der gänzlichen Verdorbenheit der Na- 
tion felbft, andere faft einzig in der gegenwärtigen Re 
gerung finden wollen. Wir verkennen nicht, daß die 

Vitfaſſer ihre Anſichten mit Kenntnif und unleugbaren 
dWatſachen durchzuführen verfucht haben, ſodaß diefe 
Sthriften ung einen tiefern Blick in das innere Getriebe 
dieſes anomalen Landes gewähren und in foldher Hin- 
ſicht Höhft belehrend find; allein ebenfo wenig ift zu 
terfennen, daß große Einfeitigkeit darin ftattfindet und 
an gewiffer Kanatismus die Verfaffer befeelt, ſodaß felbft 
unfere unbefangene Anzeige bei dem Einen der Verfaf- 
ft, deren Schriften vor un liegen, feine Gnade findet, 
ſondern es von ihr heißt: 

Ber die Recenfion über die neuefte ruffifche Literatur (Nicht 
k: die neuefte Literatur über Rußland war der Gegenftand unfers 
Aferats!) ſcharf nehmen wollte, Fönnte auf den heillofen Ge: 
tanken gerathen, fie habe verſteckt der ruffifchen Partei gegen 
den Franzoſen in Die Bande arbeiten wollen. So ift e8 gewiß 
nicht! (Rein, gewiß nit! Wir würden aber auch wahrlich 
den Scharffinn bewimdern, der Das aus unferer Anzeige ber: 
ausfände.) Sie ift nur die Frucht eines ruhigen Nachdenkens, 
Beides mit der Dberfläche recht zufrieden ift und aus Befchei- 
denheit ſich in die Tiefe nicht wagt, um nicht hier und da 
dab Anfehen eines burſchikoſen Bergmanns zu haben. 


Nun, das ruhige Nachdenken wollen wir uns auch 


”; Vol. Nr. 267 und 28, B7— 20 und 32336 d. BI. f. 184, 
D. Red, 


bei der Anzeige der vorliegenden Schriften bewahren 
und dem Lefer das weitere Urtheil überlaſſen. Wir 
werden übrigens die Polemik des Verf., ber im Ganzen 
bis auf einige derbere Ausfälle noch ziemlich Maß hält, 
wenn wir feine — wir geftehen es vorläufig gem — 
in mehren Partien gediegene Arbeit befprechen, nur in⸗ 
foweit beachten, al® wir zur richtigen Anfiht nicht um- 
hin können. Sein Unmille wird vorzüglich dadurch er 
regt, daß wir dem Hrn. Marquis v. Cuſtine nit Als 
les aufs Wort glauben. Ber Verfolg wird vielleicht 
darthun, dag wir daran fehr wohl gethan haben, befon- 
dere in feiner Darftellung ber Zrubetztoi’fchen und der 
Pernet'ſchen Angelegenheiten, zweien Glanzpunkten in 
feinem Werke zur Verherrlihung feiner Perfon, der wir, 
allee Demonftrationen des Verf. ungeachtet, feinen be- 
fondern moralifchen Werth beilegen können, ohne des⸗ 
wegen eine Parallele zwifchen dem Marquis v. Cuſtine 
und dem ruffifhen Staatsrath Gretſch ziehen zu wollen; 
denn wir kennen ebenfo wenig Jenen und Diefen nod) 
die Herren Tolſtoi, Jakowlew,“ Golowin und wie fie 
heißen mögen, näher als den ungenannten DBerf. ber 

Schrift „Rußlands inneres Leben“, db. h., aus ihren 

Schriften: Unſer Urtheil über diefe und den Gegenftand 

ihrer Verhandlungen ift unbeftochen und unbefangen. 
Zunächſt liegen vor une: | 

1. Geheimniſſe von Rußland. Ein politifches Sittengemälde 
des rujfifchen Reiche. Nach den Manufcripfen eines Diplo» 
maten und eines Reifenden verfaßt von Friedrich Lacroir. 
Deutih von Friedrich Oßwald. Zwei Theile. Regent: 
burg, Manz. 1845. 8. Thlr. 10 Rgr. 

2. Das enthüllte Rußland, oder Kaiſer Nikolaus und fein 
Reich. Nah dem englifhen Driginalmer® „Revelations 
of Russia’ bearbeitet von Adolf Heller. Zwei heile. 
arinm, Verlags : Eomptoir. 1845. Gr. 8. 4 Ahlxr. 

r. 

3. Rußlands inneres Leben. Dreiunddreißigjährige Erfahrun⸗ 

gen eines Deutſchen in Rußland. Drei Baͤnde. Braun⸗ 


ſchweig, Weſtermann. 1846. Gr. 8. 4 Thlr. 20 Rgr. 


1994 


4. Rußland unter Kaifer Rikolaus I. Von Iwan Solo: 
Di Grimma, Verlags : Comptoir. 1846. Gr. 8. 
2 Ihlr. 


Dies find vier Schriften über den nämlichen Gegen- 
fland von vier Nationalitäten: einem Sranzofen, einem 
Engländer, einem Dentfchen und. einem Ruſſen; und 


Son vier nationalen Standpunkten: dem dew verlegten 


Nationaleitelkeit, der Nebenbuhlerfchaft in Politit und 
Handel, des Rechtsgefühls und der Philanthropie, endlich 
des mosfowitifchen Ariftofratismus. Alle vier find für 
die Kenntniß Rußlands nicht zu überfehen. 

1. „Seheimniffe von Rußland‘ ift ein bis ins Detail 
ausgeführtee Gemälde a la Euftine, aber felbftändig und in 
mehr als einer Hinficht bedeutend, und zwar in einem weit 
höhern Grabe ald das Euftine’fche, weil mit tieferer Kennt- 
niß, mehr bocumentirter Glaubwürdigkeit und weniger per- 
fönlicher, obgleich vieler Nationaleitelkeit. Man erflaunt 
über das teihe Material, das der Verf. zu feiner 
Chronique scandaleuse von Rußland — denn das ift 
diefe Schrift — fich zu verfchaffen gewußt hat: alle 743 
Seiten der beiden Theile find gedrängt voll, mworunter 
e6 freilich denn auch an unrichtigen Angaben, an, ein 
feitiger Auffaffung, an Wiederholungen und an Über: 
treibungen nicht fehlt. Uber die Tendenz der Schrift 
befehrt uns eine Einleitung, von ber wir nicht erfahren, 
ob fie dem Verf. oder, wie wahrſcheinlich, dem Überfeger 
angehört. Darin heißt es: 

Die wahren Hülfsquellen und wirklichen Kräfte Rußlands 
nachzuweiſen, die Maske abzureißen, welche feither die Gebre⸗ 
den und Schwächen diefes nordiſchen Koloſſes bedeckt hat: Das 
ift der Zweck diefed Werkes. Geheime Documente, eine große 
Anzahl bisher noch unbekannter Thatſachen, die Gefchichte, die 
Biographie, die Statiftif, daß Zeugniß von Männern, welche 
an Drt und Stelle die Wahrheit gefehen und erforfcht: Dies 
find die Autoritäten, welche dem Verf. der ‚‚ Geheimnifle von 
Außland’ feine Aufgabe erfüllen halfen. 

Nach diefer marktfchreierifchen Ankündigung gibt uns 
eine gebrängte UÜberficht einen VBorfhmad von dem Bilde, 
das wir aus dieſer Schrift kennen lernen follen. Die 
Übertreibung in einzelnen diefer Züge, fowie in der an- 
Hefügten Schilderung des Autokraten, welcher an der 
Spige diefes, wie die Einleitung fagt, „wurmflichigen 
Geruͤſtes fteht, deren maßlofe Bezeichnungen wir nicht 
wiederholen mögen, weil wir fie nicht für ſtichhal⸗ 
tig erkennen, fpringt wol in bie Augen; es if aber 
für die Menfchheit und zunächft für Rußland felbft un⸗ 
gludtich genug, daß ſich der Grund zu bdiefen Zügen 
nicht wegftreiten läßt, und die Schrift, der fie entnom⸗ 
men find, weißt diefen Grund größtentheils fchlagend 
nach, nicht in Raifonnements und Declamationen, wie 
Guftine, fondern in beglaubigten, oft höchft pikanten 
Thatſachen. Wenn aber in der Einleitung angeführt 
wird, Katharina 11. habe den Keichnam ihres ermorde- 
ten Gemahls mit Füßen getreten, fo müffen wir 
folhe unwahre Übertreibung ebenfo rugen als die An⸗ 
deutung von der wiffentlichen Mitſchuld Kaifer Hieran- 
der's an der Ermordung feines Vaters. 

Die Schrift felbft zerfällt in die Rubriken: „Des⸗ 
potismns” (dem Verf. mit Recht der Grund alles Übels, 


mit vollftändiger Anführung bes merkwürdigen Kathi 
mus, auf Befehl der ruffifhen Regierung im J. 133 
gedrudt und zum Gebrauche in den Schulen und Kir: 
hen der ruffifch-polnifchen Provinzen beſtimmt — cin 
Ihauderhaftes Document ftlavifcher Vergiftung ber Ju 
gend); „Der Kaifer (dem Verf. der verkörperte Dit: 
potismus) mit feiner Familie“ (mit imdiscreter Verdri- 
tung über die innern zartern Verhältniſſe); „Die gehei- 
men Gefellfhaften und die Verſchwörung im 3. 1325 
(in weichem Abfchnitt man die Eingeweihten leicht «- 
kennt); „Portrait und Charakter der Ruſſen“ (wor 
fi der Ingrimm des Franzofen über die feindfeliger 
Sefinnungen der Ruſſen gegen Frankreich und fin 
Ideen erfhöpft und wobei der Verf. ganz vergißt, di 
1812 die Franzoſen ganz unberufen in Rußland car 
brachen, meil es ben unerträglichen Anmaßungen m 
gewaltthätigen Übergriffen ihres kaiſerlichen Despoten en 
„Nicht weiter!” entgegenzufegen wagte); „Kitten un 
Gebräuche" (Höchft carifirt); „Petersburg“ (ger 
ter gegen Peter 1. als Euftine); „Religion und Get. 
lichkeit“ (die Geſchichte der Zefuiten, die Rußland mi 
vollem Rechte ausgetrieben bat, ift hier völlig um 
dargeſtelltz; „Politifche Organifation, Regierung, & 
waltung, Policei” (der wunde, ja brandige Flecken Ai 
lands, fowie) — „Befeggebung, Juſtiz, Gefüngk. 
Sibirien” ; „Der Adel” (faft durchweg aufs heit 
verdorben und zwar nicht blos im Geburts⸗, fonter 
faft mehr noch in dem beftechlichen, ſervilen, räuberiide 
fogenannten Verdienft-, eigentlich Amts = oder Rangar 
ben Berwaltungs- und Gerichtsbehörden); „Der Pr 
telftand (nur nominal exiſtirend, unbedeutend) und X 
Leibeigenen“ (verthiert); „Das Heer’ (ſtlaviſch dreir. 
ohne Ehrgefühl und Intelligenz, ſchamlos beftohle = 
ber Verwaltung); „Die Marine” (Loftbares Spiels 
doch nicht politiſch fo unbedeutend als hier geſchildenn 
„Nationalreichthum“ (I, 351, heißt ee: 
Die ruffifche Regierung ift — trog d ' 
tel, Mr Boden —E — ee —* 
die Bedürfniffe eines fo zahlreichen Heeres und die pelitit: 
Lage des Reihe bedenkt. Was den Rationalreichther ® 
trifft, fo gründet er fih auf einen U ‚ der, 
Regierenden! nur den vierten Theil von Dem einbrin, ou 
er erzeugen koͤnnte; auf eine Induftrie, deren Zortignit: v 
fünftelt find und die eine höchft zweifelhafte Zufunft ver ĩd 
bat; und endlih auf einen durd folhe Geſetze eingenz? 
Handel, welche der Xhätigkeit der Wölder den Todesieh :ı 
fegen und ihren Wohlſtand untergraben): 
„Rußlands Politit gegen beftegte und unterjochte 9 
ker“ (ein fhauderhaftes Bild, in welchem die bie ul 
die neueſte Zeit unbelannt geweſene pelitifch « religuM 
Bekehrungswuth zur ruffifchen Kirche, die den Bültes 
weit weniger gibt als ihnen genommen wird, eimff 
Hauptzug bildet); „Schluß“ (über die politiſche Bit 
tigkeit Rußlands, zu welcher es bereite — das als ci 
zopäifhe Macht kaum anderthalbhundertjährige Reid - 
bedrohlich vorgebrungen ifl). Es heißt (I, 409: 
Rimmt man aber die Gache von einem allgemeinen E* 
tifhen Standpunkte aus, fo hat Mußland feit einigen Jahr“ 
eine Wichtigkeit erlangt, weiche nicht anzuerkennen Kati 


wäre. Diefe Stellung Rußlands ift die Frucht feiner Kühn» 
beit und Ausdauer, feiner unermübdlidhen Thaͤtigkeit, der an- 
greifenden und beunruhigenden Rolle, die es ohne Unterlaf 
efpielt hat, feiner ungeftraften Ufurpationen, feiner frechen 
Fntriguen und feines fchamlofen Gharlatanismus. Wären die 
wirflihen Hülfsquellen dieſes Reiche beſſer gefannt, fo würde 
es auch von feinen Rivalen einer folden Achtung und Rüd: 
fiht gewürdigt. 

ir befennen, bag wir nicht verftehen, was ber 
iegte Sag fagen fell: wahrfceinlich eine Misgeburt des 
Überfegere, der uns, beiläufig gefagt, in einer Note 
(1, 228) belehrt, dag eine Dbole eine ruſſiſche 
Kupfermünze fi. Nur der ebenfalls fchielend genug 
wiedergegebene Schluß ſcheint uns ein Verſtaͤndniß an: 
judeuten, wenn es beißt: 

Bir leben nicht der Hoffnung, die irrige Unficht, welche 
aus Rußland ein Schreckbild macht, völlig vernichtet zu haben; 
allein wir würden uns glüdlich fhägen, hätten wir Durch unfere 
Entdeckungen (9) das Blendwerk, von dem wir foeben fpra- 
den, etwas vermindert. Das Reich der Zaren wird weniger 
fhwer wiegen von dem Augenblide an, wo der ernftere (fol 
wol heißen „denkende“?) Theil der Menſchheit überzeugt fein 
wird, daß diefe auf ihre Kräfte und ihren Anſtrich von Civi⸗ 
liſation fo flolge Nation, flatt durch feine (ihre) prahleriſche 
Stellung auf die Entfcheidungen der europäifchen Regierungen 
wgend einen Einfluß zu haben, im Gegentheil unter deren 
ſtrenge Bormundfchaft geftelt werden follte, glei Kindern, 
weiche eine frühreife Demoralifation und die Keime unheilba⸗ 
ur Schwäche zu einer ebenfo ſchmachvollen als unfidern Eri- 
fen, verdammen. 

Was meinen die Ruſſen dazu? Sie werden fehr 
empfindlich fein und fi) bitter beklagen. Der Franzoſe 
laͤßt fie (I, 202) fagen: 

Wenn wir fo find, wie ihr uns macht, warum und dann 
richt zum Guten ermuthigen? Warum nicht durch eine freund» 
ſchaftliche Sprache, durch fiebreichen Rath dahin fireben uns 
zu beflern und das Berlangen nach dem Fortſchritt einzuflößen ? 

Der Franzoſe antwortet darauf: 


Heuchlesifche Demuth! Wenn ihr gu der Zahl der Voͤlker 
gehörtet, welche eifrig das Licht ſuchen, fo haͤttet ihr ſchon 
langt Rupen aus dem Unterricht gezogen, welchen der Drcident 
euch unaufhörlich gibt. Ihr hättet e8 gemacht wie die Vereinigten 
Staaten, welche, viel jünger als ihr im politiſchen und focialen Le⸗ 
ben, euch dennoch um taufend Meilen überfchritten und fidh tapfer (?) 
on das civilifirte Europa angefchloffen haben. Aber ihr, ihr 
bleibt in euern monfttuöfen Einrichtungen feſt verſchloſſen. 
Ihr verfcpließt eure Ohren gegen das oben (?) der Ideen, 
deren Kampf rings um euch ertönte. Was fage ich! Mei jeder 
Gelegenheit habt ihr euch willig gezeigt den Geift der Neue⸗ 
tung zu bekaͤmpfen. Wo iſt die Zeit, in der eure Katha⸗ 
tina IL ſich durch Boltaire und Boccaccio begeifterte, um ee 
Inftruction zum Coder Rußlands zu fchreiben, welche die Ehre 
hatte, in Frankreich in das Megifter gefept zu werden? Wie ein 
flörrifches und zaͤnkiſches Kind habt ihr euch beharrlich gerorigert, 
euch an die große Bewegung der großen focialen Familie anzuſchlie⸗ 
Sen; allein euern Brüdern, den übrigen Völkern, gegenüber ſtets 
eine anmaßende und drohende Stellung eingenommen. (Eure 
Regierung iſt das Sinnbild des Kückſchritts, der Repraͤſentant 
eines Zuftandes, welcher im übrigen Europa verabfcheuungs: 
würdige Erinnerungen erweckt. Eure Geſellſchaft erſcheint edein 
Seelen als ein ungeheurer Grenzſtein mitten in dem Raume, 
in welchem fi das Menſchengeſchlecht bewegt: als ein ſtarr⸗ 
koͤpfiger Anachronismus, ein Granitblock, welchen die Anſtrengun⸗ 
gen von zehn Generationen nicht von der Stelle bringen konn⸗ 
ten. Fahrt nur einen einzigen Dienft an, welchen ihr der 
Belt erwiefen?t Wo find eure großen Schriftfteller, Philoſo⸗ 


pben, „Gelehrten, euve Staatsoͤkonemiſten, eure begeifterten 
Redner? Was verdanken wir euch, wir, deren Radıfiht ihr 
anfleht?t Ihr würdet unter uns mit Recht als eine Null gel: 
sen, wenn eure: Kraft des Widerſtandes und eure paſfiv⸗ 
feindliche Rolle euch nicht bis zu einem gewiflen Punkte ge 
faͤhrlich machten. Ws Austauſch für die Kennmifle, welde 
wir. euch eingepfropft haben und denen ihr materielle Wohl: 
fein und eure Kraft zu verdanken habt, brachtet ihr uns 
Nichts als Krieg, Nichts ald den Kampf ohne Bnade und Edel⸗ 
muth. Ihe feid die Feinde Frankreichs wegen feiner Beftre- 
bungen; Englands wegen Aſiens; Oſtreichs wegen bes Orients; 
Preußens feiner felbfk wegen. Ihr habt uns einen Theil un- 
ferer Wiſſenſchaften, unferer Genüffe, unferer Bortfchritte in 
ber Kriegdfunft genommen (?) und zum Danke unferer Bruft 
die Langen eurer Koſacken vorgehalten. 

So geht es fteigernd weiter. Die Wahrheiten in 
diefer herben Antwort zugeflanden, könnte der Moskowite 
unmaßgeblich erwidern: 


Deine Diatribe ift do wol an Rußlands im Staate und 
im Heere wirkenden Adel gerichtet: diefer Adel ift aber ja von 
Franzoſen erzogen, denn faft für alle große Häufer gab es 
feit vielen Decennien nur franzofifche Utſchitel (Hofmeifter) und 
Sowvernantinnen oder franzöfifche Penfionnate, woraus andere 
Nationen ſchon lange für Rußland nichts Gutes prophezeit 
haben, und unfere ®roßen aichen in Karavanen nad Paris, 
um ihre Grziehfung zu vollenden: wir find euer Bildwerf, 
warum fäftert ihr und denn, daß wir find wie wir find? 

Der Deutfhe aber von 1792 — 1812, wo Gott in 
Rußland das furchtbare Gericht über den franzöfifchen 
Übermuth hielt, faßt die weltbeglüdenden Beftrebungen 
der Franzofen von ber unverfennbaren Farbe bes Verf. 
fefter ins Auge und ſagt ohne Franzofenfreffer zu fein 


mit uns: 


Germanen, bütet euch vor Beiden: vor den weitaußgrei« 
fenden Fangen des ruſſiſchen Doppeladlers und den Sporen 
bes trompetenden gallifhen Kampfhahns! Doc verachtet fie 
nicht, überſchätzt euch nicht 5 aber erkennt euern eigenen 
Werth, feid einig, und dann fürdtet Richt. 

Wir glauben den Beift, in weldhem diefe Schrift 
abgefaßt ift, durch das Geſagte hinlaͤnglich charakterifirt 
zu haben. Was darin über die einzelnen Rubriken ge- 
fagt wird, ift bis auf einzelne Belege und Anekdoten 
im Allgemeinen ziemlich bekannt. Das Urtheil fteht 
feft, dag Rußland nody außerhalb der curopäifhen Cul⸗ 
tur ift, fo viel es fih auch in feinen höhern Ständen — 
zum Volke ift fie noch gar nicht Durchgebrungen — ba- 
von bereit6 mag angeeignet und noch mehr angemaßt 
haben. ine Rubrik enthält aber eine offene Darlegung 
nicht fo allgemein bekannter Berbältniffe, die bekannt 
zu werden verdienen, um ein Urtheil zu faffen, wie ſich's 
wol mit Rußland in der nähern oder fernern Zukunft 
geftalten dürfte. Das ift die dritte Rubrik, welche von 
der Verſchwörung bei der Thronbeſteigung des gegen- 
wärtigen Autofraten 1825 handelt und bie mit voll- 
tommener Sachkenntniß abgefaßt fcheint. Wir bedauern, 
daß der geftattete Raum uns befchränkt, nur darauf 
aufmerffam machen zu können, da bier ein helles Licht 
auf manche der dunklern Partien diefes in der Yusfüh- 
rung unfinnigen, in der Organifation höchſt merkwürdi⸗ 
gen graufenvollen Attentat6 unb der Darin verwidelten 
Derfonen (3.8. des Fürftenpaars Trubetzkoi) fällt. Es 





1096 


ſtellt fich heraus, daß es auf nichts Geringeres abgefehen 
war als auf die Ausrottung des ganzen Faiferlichen Hau⸗ 
fe, welches den Berfchworenen als ein antinationales, 
fremdes, eingedrungenes erfhien. Und mas hält der 
wohlunterrichtete Verf. von der Zukunft Rußlands? Wir 
wollen ihn felbft reden laffen. Wir lefen (II, 174 fg.): 


Man muß gewiß bekennen, daß in Rußland für Revolu⸗ 
tionspläne fo lange Feine Ausjiht auf Erfolg ift, als fie ihre 
Anhänger nur im Adel und Heere, den beiden einzigen Gewal⸗ 
ten im Staate, zählt. Die prätorianifchen und ariftoßratifchen 
Berſchwoͤrungen koͤnnen aber nie den Charakter allgemeiner 
Sympathie haben, welche die demokratiſchen Revolutionen fo 
gewaltig madt. In Rußland iſt das Volk Nichts, ed macht 

einen heil der Gefellihaft aus. Selbſt das bewaffnete Vol, 
der Soldat, ift in jeter Beziehung eine vollfommene Null. 
Das Streben nad) politifhen Veränderungen kann daher nur 
von den herrfchenden Kaften ausgehen, und es tft fchwer ans 
zunehmen, daß diefe, vol von Norurtheilen, welche ſich auf 
ihre eigenen theuerften Interefien gründen, je eine volfsthüm- 
liche Revolution unternehmen werben. Man bat bereits ge 
fehen, auf was die Ideen von Neuerungen der geheimen Ge» 
felfchaften, von denen wir gefprochen haben, hinaußliefen . . . 
Die revolutionnairen Ideen, welche von Frankreich nah Ruß⸗ 
land gebraht wurden, werben ihren Weg geben, daran ift 
fein Zweifel... Blaubt man vielleicht, daB in diefem Lande 


feine geheimen Gefellfchaften mehr beitehen? Wir wollen nicht 


fagen was wir in diefer Hinficht wiffen, aus Furcht, achtungs⸗ 
würdigen Sweden und Plänen, welche wir von Grund des 
Herzens billigen, zu fhaden. (Avis au lecteur!) Wir befchrän- 
fen uns darauf, zu fagen, daß die Gefahren, welchen Radical: 
mittel entgegengefegt zu haben ber Kaifer Nikolaus fich ſchmei⸗ 
chelt, noch) immer drobend find. (Beweis: die 1838 in Mob: 
kau entdedite geheime Geſellſchaft, die offenbar auf den Truͤm⸗ 


mern der von 1825 gebildet worden.) Wir befchränten uns ' 


auf diefe Thatſache, weil fie allgemein bekannt ift; hüten uns 
aber wohl, folge, um welche wir perfönlich willen, zu veröffent- 
lichen, und glauben, daß Nikolaus’ Policei an ihnen ſcheitern 
wird, da die Ruflen die zwei Haupteigenfchaften eines Ber: 
ſchwoͤrers befigen: eine bewährte Didcretion und eine undurch⸗ 
dringliche Verſtellungsgabe. Unglüdlicherweife find die Ele: 
mente, deren die aufgeBlärteften Köpfe zur Ausführung ihrer 
Abfichten ſich bedienen wollen, entweder ungenügend oder in 
geradem Widerſpruche mit dem Werbe der Regeneration: — 
Alles trägt denn dazu bei, DaB man glauben muß, das Licht 
werde noch nicht fo bald über Rußland hereinbrechen und die 
Wohlthat der Freiheit fei eyft Fünftigen Geſchlechtern dieſes 
Landes aufbehalten. Indeffen werden ſich Palaftrevolutionen, 
ohne Rugen für die untern Stände und die öffentlichen Ein- 
richtungen, wiederholen u. f. w. 


So Hr. Lacroix. Die Überfegung ift fehr mittelmäßig. 
(Die Kortfegung folgt.) 


2iterarifhe Notiz aus Franfreid. 


Populaire Behandlung der Medicin. 

Diejenigen medicinifchen Schriften, welche auf die Bebürf: 
niffe und das Interefje des größern Publicums berechnet find, 
erfüllen in der Regel ihre Aufgabe deshalb nicht, weil fie fich 
entweder zu fehr innerhalb der ärztlichen Theorien halten, oder 
weil fie bei populairerer Faſſung leicht in die Kategorie der 
widerlichen praßtifhen Rathgeber u. ſ. w. herabfinten. Nur 
felten wich der richtige Ton und die würdige Haltung, welche 
von wiflenfchafttiger Terminologie und von der Plattheit und 
Zrivialität gleich entfernt bleibt, getroffen. Rur wo fich ein 


tiefes Studium, eine große praftifche Erfahrung und ein durqh 
Iiterarifche Bildung entwickeltes Darftelumgstalent vereinigt 
finden, darf man darauf zählen, daß hier etwas wirklich Ge 
diegenes geleiftet wird. Wir wollen bier auf ein Bat 
aufmerfam maden, bei deſſen Verfaffer wir die angebeute: 
ten Eigenfchaften in feltener Verſchmelzung finden. Es it die 
eind von den wenigen populairen Handbücheen der mebicinifchen 
Literatur, welches außer den rein praßtifchen Sweden auch cin 
höhere Anregung gewährt. Der Titel lauter: „Hygiene des 
familles, ou du perfectionnement physique et moral de l’'homme", 
von Francis Devay (2Bde., Lyon). Der Verf. ift Arzt bin 
Hötel-Dieu in Lyon· Er bekundet neben einem fehr gründ 
lihen mediciniſchen Willen eine fehr vielfeitige allgemeine Bi: 
dung. Bon ber hohen Aufgabe feines Berufs durchdrunge, 
bat er den bekannten Ausſpruch von Iofeph de Maiftre: „Die 
moralifden Übel fönnen die Bahl und bie Intenfität der Krank 
heiten in einer nicht zu berechnenden Ausdehnung vermehren, 
ſowie die fcheußliche Herrichaft des phyfifdyen Übels gleichſal⸗ 
in einem Maße beichränkt werden Bann, welches gleichfalls nit 


zu berechnen ift”, gewiſſermaßen zu feinem Wahlſpruche gewählt 


Daher kommt es, daß er nirgend an der Oberfläche haften bleitt, 
ſich nirgend mit Dem begnügt, was man gemeinhin das Praktiſhe 
nennt, fondern überall die tieferliegenden Beziehungen auffucht 
Am meiften tritt Dies in dem Abfchnitte hervor, welcher „Des 
religions considerdes comme modificateurs hygieniques“ be 
titelt if. Der Inhalt dieſes wichtigen Capitels ift in file 
den Worten zufammengedrängt: „Wenn die religiöfen a: 

bensanfichten bei einem Volke Geſetzeskraft haben, fc mia 

fie die Lebensart deffelben entweder im guten oder im ſchei 

ten Sinne wefentlih mobificiren. Sie beftimmen gewifle Ex 
richtungen, gewiffe Gebräuche, und verſchlechtern oder erkeet 
die Bevoͤlkerungen je nad) dem Geiſte, der ihnen eigenthinl 
it. Es folgt Hieraus, daß der menfchliche Geift ein Kriteriz 
befigt, um die Güte und Wahrheit einer Religion zu beurtki 
len. Wenn die Verrichtungen (pratiques), welche fie fetert, 
der Natur und den Bedürfniffen des menfchlichen Organismus 
angemefien find, wenn durch ihren Einfluß die meniclik 
Pflanze gedeiht, fo kann man gewiß fein, daß dieſe Reli: 
die Wahrheit enthält. Wenn eine Religion wahr ift, fo ma 
fie die Elemente enthalten, welche die Organifation des Wr. 
Shen im guten Sinne entwideln. Dies ift mit dem Chrife: 
thum der Kal, welches auch in hygieniſcher Beziehung ck 
andern Religionen übertrifft. Daher fchreibt ſich Die mädtix 
Gewalt, welche in demfelben liegt und melde Veranlaſſung ı- 
worden iſt, daß es feit Sahrhunderten über das Seſchid im 
wahren Sivilifatton entfcheidet.” t". 





titerarifhe Anzeige. 


Reu erſcheint in meinem Berlage und ift in allen Budhet: 
lungen zu erhalten: 


Reifen in Dünemaorf 


und den Herzogthümern 


Schleswig und Golftein. 


Von 
I. ©. Kohl. 
Zwei Bande. 


8. Sch. 6 Thlr. 
Eeipzig, im September 1846. 
$ e a. Brockhans. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heluri Brockdaus. — Druk und Verlag von F. et. Brockhans in Eeipzig. u 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung, 





7 


Freitag, 


— Nr. 775. — 


2. Oetober 1846. 








Die neueſte Literatur über Rußland. 


Erſter Artikel. 
( Bortfegung aus Nr. 274.) 


In der lefendwerthen Vorrede von Nr. 2: „Das 
enthüllte Rußland“, fucht der Verf. den Geſichtspunkt 
aufzuſtellen, aus welchem er fein Wert will aufgefaßt 
wiſſen. Nicht Haß gegen die ruſſiſche Nation, in beren 
Charakter er einige Züge gefunden, die mit ihr felbft 
in ihrer Erniedrigung verfühnen und fie mehr als einen 
Gegenſtand des Mitleids exfcheinen laſſen; nicht Haß ge- 
gen den Kaifer (den er übrigens in Zügen der Incar⸗ 
nation bed Despotismus zeichnet, wie er von Peter I. 
gegründet, durch feine Nachfolger auf dem Throne, be 
Inder durch Die Gentralifirung nad) und nad) heran- 
gebildet ift) Habe feine Feder geführt, fondern der Wunſch, 
ten Anhängern des ſocialen Principe, welches fich gegen- 
nättig in England zum Heil der Menfchheit gegen 
Kıften- und Parteiweſen geltend made und deffen Ge- 
genftand das Wolk ift (nämlih die WBefiglofen, die 
Prolktarier), zur Kunde von Thatfachen zu verhelfen; 
denn (8, xxı) Heißt es: 
Es naht die Zeit, wo die Haltung Englands Rußland gegen⸗ 
über ſih auf beffewe Gründe ftügen wird ald auf nationale Eifer: 
fuht und auf Handelsruüͤckfichten. Als Vorbereitung dazu ift 
. % nöthig, daß mehr Licht über jened fremde Regierungsſoſtem 
und über deffen Einwirkung auf die Völker verbreitet werde. 
— Beleuchtung ſtrebte der Verfaſſer das Seinige bei⸗ 


Wir wiſſen nicht, ob unſere deutſchen Leſer den welt⸗ 
beglückenden engliſchen Liberalismus in der Handels⸗, 
dabtik- und Meeresherrſchaft und das von dem Verf. 
angedeutete fociafe Princip, das folgerecht nur im Com⸗ 
munismus feine Befriedigung finden kann, fo hoch an- 
Ihlagen werden. Die dann folgende Einleitung ift 
darauf berechnet, die Gefahr bemerkbar zu machen, 
nelhe aus Rußlands von den übrigen Mächten und 
befonders von England aus kurzſichtigen Privatrückſich⸗ 
ten felbft beförderter Vergroͤßerung nicht blos für die 
von ihm gekmechteten Wölker, fondern für die Menfch- 
keit überhaupt erwachſe, dagegen Englands Vergroͤße⸗ 
rung in Indien, welche bie ruſſiſche weit überfleigt, 
1 Ig vheit nur zum Segen gereiche. Es heißt 


Der Ehrgeiz des Zaren mag nicht groͤßer ſein als der 
Englands und duͤrfte endlich nicht von ſolchem Erfolge beglei⸗ 
tet werden. Aber die Ergebniffe find bei Beiden ſehr verſchie⸗ 
ben. Der Vergrößerung Englands folgt unfehlbar die @ivilis 
fation. Das Scepter Rußlands wirkte ſtets entfittlichend und 
unter Nikolaus mehr als jemals. Unter ihm finten felbft be: 

abte und einſichtsvolle Elaffen und ganze Rationen zu dem 
uftende der byzantinifchen Griechen herab, und die an ſich 
rohen und barbarifchen Stämme werden nur noch roher und 
thierifcher, indem die Lafter der Eivilifation zu ihren vorhan- 
denen Fehlern hinzutreten. Wenn Nikolaus ftürbe, — würde 
das Syſtem, welches mehre Regierungen hindurch gewaltet hat 
und daß er fo Eräftig weiter führte, wol mit ihm untergehen! 

Zugleich verheißt aber auch der Verf. den Beweis zu 
führen, daß die große Macht, die man geneigt iſt Rußland 
beizumefien, ein Irrthum, der feine Vergrößerung erleich⸗ 
tert und befördert, nur fcheinbar ift und am menigften etwa 
aus dem Volke, das der Kaifer beherrfcht, felbit hervor» 
gehe; denn diefes theilt, wenigftens in den 50 Millionen 
bes Moskowiterkerns, den man nicht mit den Ukrainern 
und Kofaden verwechſeln muß, nicht den Eroberungs⸗ 
drang feines Herrfchers: aber es folgt blindlings feinem 
Willen, denn ihm ift der Kaifer geiftlicher und weltlicher 
Statthalter Gottes auf Erden. Diefe Aufgabe hat der 
Verf., der weit beffer unterrichtet ift als Hr. v. Gufline, 
mit den vorangezeigten „Myſterien“ gemein. Die nädfte 
Abtheilung beleuchtet den Kaifer und feine Unter- 
thanen. 

Waͤre der unumſchraͤnkte Despotismus der ruſſiſchen Re⸗ 
gierung nicht allgemein anerkannt, ſo könnten die dortigen 
Einrichtungen und Geſetze, die umſtaͤndlichen Verordnungen, 
wie die amtlichen Berichte, welche die kleinſten Einzelheiten 
des Fortſchritts und Gedeihens mittheilen und auf triumphi⸗ 
rende Art für die Weisheit der Gefege und der Verwaltung 
fprechen, und Rußland auf dem Papier ald ein wirkliched Uto⸗ 
pien erfcheinen laffen... Mit bergleichen Papierberichten aber 
täufcht die ruſſiſche Regierung und — wird durch fie getäufcht. 
(Sie dienen nur zum Dedimantel für alle Arten von Betrug.) 
Rußland befigt weile Geſetze und treffliche Verordnungen, die 
nur leider ein todter Buchftabe find... Obgleich zahlloje Stämme 
und Bölkerfchaften unter ruſſiſchem Scepter leben, die in Sprache 
und Sitte fo verfchieden find als Nationen nur immer fein 
Tonnen, fo bildet der Moskowiter⸗Stamm doch ben eigentlichen 
Kern des Reiche. Er redet diefelbe Sprache, bebennt ſich zu 
gleicher Religion und wird von einem gewiflen Nationalgefühl 

efeelt. Bei der ungeheuern Ausdehnung bes Landes, über 
welches die Bevölkerung verbreitet ift und das durch fleißige 
Bearbeitung fehr fruchtbar gemacht werden Eönnte, kann es 
nicht fehlen, daß fie noch zu einer größern Millionenzahl an- 





s 
“ 


wachſe, da fie unter dem Schupe einer civilifirten Regierung 
fi) fhon bedeutend vermehrt hat. Wir haben indeß nicht nö⸗ 
thig im voraus zu berechnen, was died Volk in Zufunft wer: 
den fann. Wenn wir die 61 Millionen nur nehmen wie jie 
find, diefe Leibeigenen, zufrieden in ihrer Unwiſſenheit und mit 
abergläubifcher Bingesung einem Herrſcher zugethan, der in 
feiner Perſon, als Haupt der Kirche, die geiſtliche Gewalt 'mit 
er weltlihen Macht des Zaren vereint und im Befiß der 
ganzen mechaniſchen Eentralifation über die Künfte der gebil: 
beten Welt gebietet, um jener Macht Nachdruck zu geben, — 
fo dürfen wir fragen: lag jemals in den Händen eines Einzel 
nen eine fo ungeheuere unumfchränkte Gewalt? (I, 26.) 


Und kein Adel, keine öffentliche Stimme ftört die 
Ausübung der Faiferlichen Gewalt. Keine der drei Elaf- 
fen, in welche ſich das ruffifche Volk eintheilen Läft, 
kann der Willtür des Autokraten entgegentreten: nicht 
der unterjochte Grundadel, noch Beamtenadel (zu dem 
auch die Geiftlichkeit gehört), noch das Landvolk. 


Die erfte diefer Elaffen, der Grundadel, welder, mehr 
äußerlich verfeinert als wahrhaft gebildet, fi) unter dem Ge: 
. fühl feiner Erniedrigung den Ausfchweifungen und ber Ber: 

fhwendung überläßt, ift durch geringe Ball. durch Mangel 
an Thatkraft und durch die Wacht der Regierung, die feinen 
einst fo großen Einfluß auf die Keibeigenen gebrochen hat, ganz 
unbedeutend geworden. Er bemüht ſich nicht einmal dieſen 
Einfluß durch Ausbreitung einiger Bildung unter feinen Erb» 
börigen (ift gefeglich verboten) wiederzugemwinnen, wodurch 
er der Regierung gefährlich werden Fünnte. Seine Mitglieder 
müffen nothwendig in ihren Herzen die bitterfte Zeindfchaft 
gegen den orientalifhen Despotismus hegen, der fie in den 
Staub drüdt. Am Schluß der Regierung des Kaiferd Aleran» 
ber machten fie den legten Verſuch, die herbe Iyrannei abzus 
fhütteln. Die zahlreichen geheimen Gefellfchaften, welche ge: 
gen den Thron verfchworen waren, zählten in ihrer Mitte 

prößlinge aus den erften Familien des Reichs und alle Her: 
zen der Angehörigen fchlugen für den Erfolg. Ziefe VBorbereis 
-tungen endeten mit einem baftigen und thöricht geleiteten Un: 
griff bei der Ihronbefteigung des jegigen Kaiſers. Diefer un 
terdrüdkte die Empörung auf energifche Weife, und halt feit« 
dem feinen Fuß feft auf dem Naden der hülflofen Ariftofratie, 
die feine Allmacht anzutaften wagte... Der befiegte Adel kann 
demnach nur als ein gefahrlofer Feind der Krone gelten. Die 
zweite Claſſe oder der Beamtenadel, in dem Zreibhaufe der 
Gorruption und Käuflichkeit gezeugt, und nicht allein ohne al 
len Semeinjinn, fondern felbft ohne alle gemeine Ehrlichkeit, 
ift jedes patriotiſchen Gefühle unfähig. Er Pönnte nur durch 
Selbftfucht geleitet werden, und diefe würde ihn unfehlbar auf 
die Seite des Stärkern führen, wenn eine Bewegung ftatt: 
fände. Die untern Reihen diefer Claſſe, welche den größern 
Theil bilden, find in der traditionnellen Überzeugung aufge 
wachen, die Baiferlihe Macht fei die dauerhaftefte und uner: 
ſchuͤtterlichſte aller menſchlichen Schöpfungen. Die dritte von 
diefen drei großen Claſſen, welche beiweitem zahlreicher tft als 
die beiden erften zufammengenommen, bildet den Kern, die 
Macht und den Rerv der ruffiihen Ration. Sie befteht aus 
Sandleuten, die der Givilifation fern geblieben find und Beinen 
Strahl vom Licht der Erkenntniß empfangen haben. Denn 
daß Einige jegt die Buchſtaben kennen und die &ebete felbft 
lefen, die ihnen früher vorgefagt wurden, — daß fie mit dem 
Gebrauch des Zuders und Tabacks vertraut geworden find, 


wird die Behauptung nicht entkräften, die wir unummunden, 


äußern: — fie find jegt noch ebenfo große Barbaren als vor 
den Zeiten Peter’ J. In Vorſtellungen, Sitten und Tracht 
fin fie diefelben wie vor anderthalb Jahrhunderten, nod) ebenfo 
find abergläubifch, ebenfo Enechtifch wie damals, mit dem Un- 
terfchiede, daß fie diefe Gefühle von ihren Patriarchen und Bo: 
jaren auf einen @inzigen übergetragen haben. Rechnet man die 


wirken. 


vielen Millionen dieſer Claſſe zu den Tauſenden der beiden 
erſtern, erwägt man ihre Barbarei zu ihrem blinden Eifer, ſ 
erblidt man ein fürchterlies Werkzeug zu guten oder böfen 
Bweden in den Händen Eined Mannes, bereit, deſſen Befehle 
mit rüdfichtölofer und fanatifcher Hingebung zu vollziehen. 
Diefer Eine ift Kaifer Nikolaus. (1, 33.) 

Der Verf. ruft dann auß: 

Gewiß ift es die edelfte, fchönfte Aufgabe, die je einm 


Menſchen zu Zheil ward, einen fo unmittelbaren Einfluß auf 


das Schickſal fo vieler Millionen menſchlicher Wefen zu über, 
für deren Bildung, Glück und Zufriedenheit fo viel zu thın 
ift, daß des Dichterd Worte: „Wie wenig (% fol wol heiken 
viele?) Wunden Fann ein König ſchlagen, wie wen'ge hei 
len‘, hier nicht anwendbar jind. 

Und was find ed denn für Umftände, die dieſe une: 
meßliche Macht 

faft neutralifiren, indem fie jeden wirklichen Fortſchritt fo ſchwit 
rig machen, daß nur ein Mann ihn durchzuführen im Stande 
wäre, der in fih mit dem Willen für dad Gute aud einen 
fo hohen Grad von Feftigfeit, Umfiht und Zalent verbänte, - 
Eigenfchaften, welche die Welt felten in den Händen unum: 
ſchraͤnkter Macht vereint erblickte? 

Die von dem Verf. gezeichnete Charakteriſtik des Ru— 
nes, „dem die Vorfehung diefe erhabene Miffton amr- 
traut hat”, ift an fich gerade nicht ungünftig. Eskt 
von ihm unter Anderm (I, 102): 

Unleugbar wünfcht der Kaifer Kikolaus den Fortiärt 
fo weit er nicht mit feiner Eiferfucht gegen den Adel, mit iq 
Politik feines ehrgeizigen Haufes und mit feiner überjpannt: 
Idee von Baiferliher Allmacht collidirt. Diefen Interefien tr 
ten dann freilich die meiften Anderungen des Zuſtandes entı 
gen; aber e8 würden noch einige Reformen übrigbleiben, rel 
mit jenen Schranken nicht in Berührung kommen dürften, un 
diefe möglichen Reformen gleichfalls als todtgeborene Beriuk 
zu erbliden ift in der That fhmerzlih. Die Urfachen, wel 
nit allein des Kaifers Macht hemmen, fondern au du 
garze Stuatögebäude durchdringen und untergraben, liegen !: 
der fchamlofen Entfittlihung und Beſtechlichkeit aller De. 
welche die Paiferlichen Knöpfe tragen und bei der Berwalt 
angeftelt find. Bon der Thür bes Faiferlichen Borzimar 
an, von feinen hoben Hofbeamten bis zur Schildmadt 
Thore ift Ieder der Erprefiung und Beraubung am Yublime 
ſchuldig. Alle find zu einer allgemeinen beftändigen Beriirt 
rups verbunden, den Einzigen im Reiche zu täufchen, der miät 
zu beftechen ift, den Herrn des Reichs. 

Dog in diefer Allgemeinheit gefprochen die Beidu- 
digung unwahr ift, fpringt in die Augen, ohlah 
wir geftehen müffen, daß es unter ben im .Dienft ang 
ftellten Ruffen allerdings nicht fo gar viele Ausnahmm 
geben möchte. Wollte es doch felbft einem Peter I. it 
feiner Energie und feinem Geifte nicht gelingen, 8: 
tin im Geifte feines Volkes eine WVeränderung zu be 
Die Deutfchen aber — denen ift unfer Verl 
überhaupt wenig hold: fie koͤnnen fi nicht zur libe 
ralen Handelspolitit Englands erheben und haben dit 
„antibritifchen Zollverein” errichtet. Da heißt es dere 
(I, 49): 

Dem Umftande der beftändigen Verbindungen ber, Rem 
now mit deutfchen Familien mag auch ihre Vorliebe far der! 
ſches Weſen zugufchreiben fein, obgleich ſchon das natürlidt 
Mistrauen des Despotismus die Begünftigung von Zremdt 
auf Koften der Eingeborenen erflärt. Deutſche nehmen DE 
Viertheile ber wichtigen Staatsaͤmter ein, ſowol jegt wie IF 
dem Ende des letzten Jahrhunderts. 


Aber wenn die Ruffen fo find wie der Verf. fie 
Bildert, und befondere Arbeitfcheu ein ndzug im 
Charakter des Vornehmen wie bes Beringen if, wo foll 
denn die Regierung ihre Beamten hernehmen? Es 
heißt dann weiter: u 

Biele Diefer Deutfchen find zwar aus Eſthland, Liefland 
und Kurland gebürtig oder Abkömmlinge von Fremden, die in 
das Land Famen, um bier ihr Glück zu machen. Aber aud) 
die außer dem Reich Beborenen werden begünſtigt. Im Al: 
gemeinen bildet die deutfche Abart in diefem Lande, wo fie fo 
viel Einfluß hat, eine fih überhebende anmaßende Kafte und 
ſcheint zu ihren heimiſchen Fehlern noch einige ruffifche Un- 
tugenden hinzugefügt zu haben. 

Des mag bei Einzelnen der Fall fein; aber der Verf. 
kennt gewiß die achtungswürdige deutfche Bevölkerung 
ebenfo wenig als die Herren v. Euftine und Lacroix. 


Bon einer wirklichen Abftellung des Misbrauchs (der Ber 
ſtechlichkeit und Untreue) bat fih unter Allen bis jept 
Riemand weiter entfernt als Nikolaus. Gr hat 3. B. be 
fchlen, daß jede Entſcheidung ſtreng geſetlich ſein ſoll. Unter 
den vorhergehenden Regierungen Paul's und Alexander's ward 
ſelbſt die Form beifeite geſezt. Jetzt wird der Schein 
beebachtet. Der Praͤſident eines Gerichtshofs oder deſſen Se⸗ 
cretair findet unter der Maſſe von ſich widerſprechenden 
Ukaſen immer Etwas, das einer zweifachen Entſcheidung pro 
und contra als Stüge dienen kann und ihr einen Schein des 
Rechts verleiht: aber die Entſcheidung bleibt deswegen doch 
Sache der Beftehung. Und wie kann Das anders fein, ivenn 
der nominelle Gehalt des Richters kaum ausreicht feinen Be» 
dienten zu befolden ? 


So wahr, daß felbft die firenge Beftrafung diefer Mis⸗ 
briuche oft eine Ungerechtigkeit fein würbe. 


Ohne eine zehnfache Gehaltserhöhung für die Beamten iſt jede 
Idee von Reform hohle Einbiltung. Doc felbft wenn ber 
Staat mittels großer Opfer und einer Reduction der Zahl der 
Beamten im Stande wäre Dem zu genügen, fo fragt es ſich 
bei der tiefeingetwurzelten Unfittlichleit noch immer, ob nicht 

Dffiziere md Beamte wie der Haushofmeifter jenes Edelmanns 

denken mößten, ber, ald man ihm unter der Bedingung künf⸗ 
tiger Ehrlichkeit Zulage anbot, aufrichtig ermiderte: es wäre 
immer nicht fo gut wie zuvor. (I, 108.) 

Die Folgen diefer Übelftände find nicht blos im Ein- 
zelnen nachtheilig, fondern lähmen die Macht des Reiche 
im Großen. Bei den Verwaltungen ber Flotten, ber 
Arfenale und der Heere, bei allen wird ſchamlos geftoh- 
im, fowol am Material als an den Rationen der ar- 
men Soldaten, ſodaß denn beinahe Nichts übrig bleibt 
und fie zum DBetteln gezwungen find (melches auch wol 
den Subalternoffizieren von der Linie begegnen Tann), 
daher fie am menigften Kraft zur Ausdauer haben, 
und der Abgang der Heere bei Märfchen und fonftigen 
Strapazen ins Unermeßliche geht. Es heit (1, 118): 

Es unterliegt Teinem Zweifel, daß der Kaifer das Gerüft 
einer Heeresmafle von mehr als einer Million befipt, und daß 
er diefe, wenn er fie nicht wirklich unter Waffen hat, doch ge» 
wiß haben Tönnte; er bezahlt wenigftens ſchon jegt dafür. 
Die ungeheuern Hülfsquellen feines großen Gebiets und feine 
unumfchränkte Diöpofition gewähren ihm die Geldmittel, dieſe 
Mat für einige Feldzüge in Bewegung zu ſetzen; doch ſchwer⸗ 
lich für einen lÄngern Krieg. Es iſt ausgemacht, wenn jelbft 
jeder Hebel angewendet würde, ließen ſich hoͤchſtens zwiſchen 
Hundertundfunfzig: bis zweimalhunderttaufend Mann ins Aus: 


Iand ſchicken, und es würbe ſchwer fein fie dort zu unterhalten. 
Unter dem erwähnten Syſtem fchrumpfen ruffiiche Armeen in 
Brigaden zufammen und Brigaden in Bataillone, noch ehe die 
fremde Grenze erreicht if. Es folgt ihnen ein Feind, der fit 
unaufhörlich befämpft und ohne Raſt decimirt: — ihre eigenen 
Offiziere. Keine Strenge, Bein Beifpiel vermag biefem unwe 
[en ‚zu fleuern: die Gewohnheit wurzelt zu tief im Volke, fie 
cheint ihm angeboren. Man koͤnnte ehento gut verſuchen einen 
Haufen von Zrunfenbolden oder Spielern von der Verſuchung 
der Flaſchen und Karten zurückzuhalten. Die gerechte Ent: 
rüftung eines Herrſchers und feine Macht mögen einen Schul: 
digen vernichten, aber fie kann den Nachfolger deffelben nicht 
hindern, zu handeln wie der Vorgänger. 


Wir koͤnnen dem Verf. unmöglich in alle Einzelhei- 
ten folgen, welche die Beweiſe für feine Behauptungen 
liefern; allein — daß auf diefe Weife die. unermefliche 
Macht eines ruffifhen Kaifers gewaltig eingefehrumpft 
ericheint, wird ihm wol Niemand in Abrede ftellen. 

(Die Fortſetzung folgt.) 





Romanliteratur. 


1. Der Herzog von Richelieu. Gin militairifcher Roman von 
Jakob Ziegler. Zwei Theile. Belle⸗Vue, Verlags: und 
Sortiments · Buchhandlung. 1845. 8. 19 Nor. 

Der Krieg Frankreichs gegen Oftreih, welder auch in 
Italien ausgefochten und 1748 dur den Frieden zu Aachen 
gefchloffen wurde, ift Die Zeit der Handlung. Der Herzog von 
Nichelieu erfcheint ale gewandter Krieger und feiner Diplomat 
auch in Benugung weiblicher Schwächen. Das Alles und ei- 
nige Manoeuvtes der Truppen geben jedoch tem Buche Feine 
Berechtigung zu dem Xitel eines militairifhen Romans, da 
diefe Manoeuvres lediglich nur als Mittel erfcheinen, die Söhne 
eined fchweizerifhen Dorfichulmeiftere, von denen durch Wer: 
berlift Wilhelm unter die Oftreiher, Georg unter die Franzo⸗ 
fen gerathen ift, jich auszeichnen und zufammenführen zu Lafs 
fen. Iener wird Nittmeifter, Diefer Unterlieutenant. Der Letz⸗ 
tere bat in der Heimat eine Geliebte zurüdgelaflen, wird zu 
Genua in die NRege einer Zofe verftricdt, entgeht ihnen jedoch 
und kehrt zu der erften Geliebten zurüd. Diefe ift mittlerweile 
Mutter geworden und von einem reichen Obrigkeitsherrn, der 
eigentlich ihr Water ift, aboptirt worden, ſodaß Beide ein ge: 
fegnetes Leben führen. Der Rittmeifter wird Oberft und hei: 
ratbet die Tochter eines ungarifchen Magnaten. Das Buch ift 
im Allgemeinen ganz gut nefchrieben, doch gibt Das keinen Er- 
fag für den Mangel an wirklichen Snterefte 


2. Die Quäßerftadt und ihre Geheimniffe. Amerikanifche Nacht⸗ 
feiten. Nach dem binterlafienen Manufcript des Herrn K. 
Vier Bände. Leipzig, D. Wigand. 1846, 8. A Ihr. 

Das Buch foll aus den Yupieren eined alten Advocaten 
in Philadelphia hervorgegangen fein und bietet allerdings Nacht⸗ 
feiten der entfeglichften Art, wie denn auch die Hauptfachlichften 

Scenen in einige aufeinanderfolgende Nächte verlegt worden 

find. Die Ihatfadhe, daß der Reichthum den Lurus, und die⸗ 

fer Berbrechen erzeugt, beftätigt ſich aud bei den Quälern, 
fomwie, daß weder Staatd: noch Kirchengefehe each Verbrechen 
und Verworfenheit ſchutzen, im Gegentheil oft genug Schlau: 
beit und Heuchelei herausfodern. Rordamerita, das fo oft 
gepriefene und geſuchte Mufterland, ift in dieſer Beziehung 
nicht befler daran als die alte Welt. Wenden wir und zu dem 

Buche ſelbſt, fo müffen wir nur gleich darauf verzichten, die 

darin mitgetheilte Geſchichte auch nur einigermaßen überfichtiich 

bier darzulegen. Das auf allen Seiten wiederkehrende Thema 
ift Schlemmerei, Verführung, Mord, Yalfhmünzerei, und den 
auptſchauplatz gibt ein altes weitläufiges Gebäude her mit 

Fallthuͤren und Kellergemwölben. Die meiften Scenen follen 


[4 





31199 


Entſeten und Abſcheu erregen; allein bie flete Wiederkehr der⸗ 
felben, der ſchroffe, verzerzende Farbenauftrag in ihrer Dar⸗ 
Rellung ſtimmt den Lefer ſehr bald zum Indifferentismus und 
zu der Anfiht, daB Sue, wenn nicht überboten, doch copirt 
werden foltee Man mag die Wahrheit folder Scenen nicht 
bezweifeln, denn kein Buch der Welt hat jemals bie Erfchei- 
nungen in berfelben erſchoͤpft. Nur liegen dieſe Erſcheinungen 
in der Wirklichkeit weiter auseinander; fie werden durch den 
nirgend fehlenden Gegenjag des Guten, Rechten und Schönen 
gemildert und zugleich hervorgehoben, und Das ijt der größte 
Fehler dieſes Buches, daß es und nirgend den Ruhepunkt eines 

hen ®egenfages gewährt und eben durch den Mangel deſ⸗ 

elben die fo fichtlich gefuchten Effecte abftumpft. Wenden wir 
uns von diefem Sodom der Quäßerftadt Philadelphia in die 
weftlichen Wälder! 


3. Die Regulatoren in Arkanſas. Aus dem Waldleben Amer 


ee von Friedrich Gernäder Drei Bände. Leip⸗ 
zig, D. Wigand. 1846. 8. > son. 
Auch hier ift ed nicht wie es fein koͤnnte und follte. 


Pferdediebftahl, Mord und Raub haben die Farmer eines wei- 
ten Diſtricts bei der Uniulänglichkeit der Hülfe im Btantäge 
fege zu einem formlichen Bunde der Selbfthülfe vereinigt 

find die Regulatoren, welche die Obſervanz des Lynchgeſetzes 
handhaben, ein Gefeg übrigens, daß um fo gefährlicher ıft, als 
unter dem Dedimantel der Selbſthülfe nicht felten die zügellofeften 
Leidenfchaften ſich Bahn brechen. In dem vorher angeze gien 
Buche begegnen wir einem Prediger, einem gewaltigen Eife: 
rer gegen die Sünden und Berbrechen der Päpfte, einem Be: 
förderer von Miffionen, Zractätchen, Mäßigkeitsvereinen und 
Bibelvertheilungen, einem unmwiderftehlichen Erwecker ber Mild- 
thätigkeit, der gleichwol Orgien feiert und ein junges Mädchen, 
welches ihn für ihren Bater halten muß, entehren will. Hier 
auf dem Lande ift es ein Methodiftenprediger, der es verfteht, 
die Srömmigfeit, vorzüglich Die der Frauen, im Schach zu er: 
halten, und auf dem Punkte ſteht, die Liebliche Zarmerstochter 
Marion zu heirathen, und gleichwol der ärgite Pferdedieb, ein 
Mörder und Räuber iſt. Diefe beiden in zwei verſchiedenen 
Büchern von einem Amerikaner und einem Deutfchen vorge: 
führten Erfheinungen gewähren auch bier einen tiefen und lei- 
der nicht erfreuliden Bli in das Thun und Zreiben folder 
Menſchen, denen leicht Vertrauen und Hingebung entgegen: 
kommt, und wie ed bekanntlich in Nordamerika die feltfamften 
und widerwärtigften Sebtenerfcheinungen hervorruft. Wir ha⸗ 
ben das Bud mit vielem Antheil gelefen und uns in dem fri⸗ 
hen Waldduft defielben wieder erquidt und geſtaͤrkt nach der 
Moberluft der Quäkerftadt. Ungeachtet der nicht geringen Per⸗ 
fonenzahl, welche im Buche auftritt, ift faft jede einzelne Fi⸗ 
gur anfprechend charakteriſirt; die Handlung, wenngleich ver⸗ 
widelt und mit einem unpeildrohenden Hintergrunde, ift gut 
und meiftens fpannend fortgeführt; die Scenerie ift gefchict 
behandelt: Die Raturfilderungen find angemefien, idylliſch, 
oft erhaben und prachtvoll, und zwiſchen dem Unheimlichen ber 
gegnen wir den freundlidhften Bildern in dem Raturleben der 
Zandleute, von mandem guten Puff gewürzt. Hoͤchſt charak⸗ 
teriftifch bewegt ſich durch Die ganze Handlung ein Indianer, 
der feinem Glauben treu bleibt, während fein Weib der Ge: 
meinde des Methodiftenprediger& angehört. Gr ift eine Haupt: 
perfon im ganzen Drama als rächended Princip. Möge der 
Berf., welcher den Boden und das Leben Amerikas aus eige: 
ner Anfchauung Fennt, uns ferner ſolche Schilderungen vor: 
führen: jie werden gewiß mit Dant aufgenommen werden. 





Biblisgraphie. 


Müller, W., Bettler Gabe. ur An 1847, 
13ter Zahrgang. Berlin, Yuttlammer. Idter Jahrgang. Berlin, Puttkammer. 8. 1 Zhle. MO Ror. | Berlin, Eflinger.- Gr. 8. 6 XRc. — 


Pfahler, 3. G., Hiſtoriſche Skizzen. Uſtes Baͤndqhen. 

Konſtantin der Große. Lindau, —2* 8, Nor. 
Prediger Almanag. In Berbindung mit einigen Feen: 

ben und Brüdern herausgegeben von 3. Schiller. fral: 

furt a. M., Zimmer. 8. 1Adhlr. 

" Reigenb ed, H., Glimmer. Bier Baͤndchen. Rem 

burg, Manz. 8. 3 Thlr. 15 Nor 

Röder, K.D. A., Grunde 

der Rechtsfilosohe. Heidelberg, ir 


des Naturrecht oder 
inter. Gr. 8. 


Schilling, G., Für Freunde ber —8 Klin 
Schriften Bermifßten, Inhalts. Ifter Band. Kigingen, Kipp: 
finger. 1845. 8. 2 Thlr. 


‚, Simonyi, L. v., Geschichte des Lombardisch - Veae- 
zianischen Königreichs (von 1300 vor Chr. Geb. bis 14} 
nach Chr. Geb.). Mailand. 8. 1 Thir. 15 N 
Thiele, 9., EChriſtliche Meditationen n einen Ge 
ſfa oe die Berföhnung: mit Gott. Bürich, Meyer u. Zee. 

Br. 


Zobler, 6. Sclumbub. Epifhe Dichtung. Zürich, Ran 
. FXplr. d Kor. 


u. Seller. 

Ullmann, €., Die Sündlofigbeit Iefu. Cine apolege 
tifche ak Ste, Ze Theil neu bearbeitete Auflage. 
Hamburg, F xthꝛe I Ihir. 6 Nor. 

Bilmar, A. F. C., Gefchichte der deutſchen Ratiesd: 
Literatur. 2te vermehrte, und verbefferte Auflage. Ifte ide 

Marburg, Elwert. Gr. 8. I 
Vogt, K. W., Venediger Nächte. Ste Auflage. ka 
burg, F wet. 12. 24 Neger. 
IEmuth, 9., Wiffenfchaft der empieifigen Adi 
in —8— Entwicklung. Trier, Ling. Gr. 
gt. 
Waitz, G., Das alte Recht der salischen Fraxia 
Kiel, Schweres. Gr. 8. I Thir. 25 Ngr. 
Wolff, D. 2. B., Hausſchatz der Volkspoeſie. Sumz 
lung der vorzüglichften "und eigenthümlichften Volkslieder al 
Länder und Zeiten, in meteifchen beutfehen Überfegungen. ki 
zig, D. Wigand. Ler»8. 1 Thlr. 10 Ror. 


Zagedliteratur. 
Adreffe der Heidelberger. Adreſſe aus Leipzig, Bes 
ſchweig, Breslau und mehreren Pleineren fchlefijchen Stäta, 
und aus Darmftabt an die Schleswig⸗ Holfteiner. Adreſſe de 
Mannheimer an die II. Kammer ber badifhen Stände. Kit 
einer Überficht aller bid zum 24. Auguft durch den offenen Bi 
ded Königs von Däncmark hervorgerufenen Altenftüde. Has 
burg, Bödeder. 8. 2 Xgr. 
Der offene Brief des Königs von Dänemark und dei tat: 
ſchen Volkes Antwort. Autbentifche Aktenſtuͤcke. Leipzig, Scoun⸗. 
Gr. 8. 7, Nor. 
Seft. a n F 8 a! —— Seitfragen. 2 
e uther's Tod und Luther's Bedeu ran 
Sauerlaͤnder. Gr. 8. 16N kung. Frantfant 
Die Eximirten und bie Ommune. Ein Beitrag zu Bir 
digung des meklenburgiſchen Staͤdteweſens aus der landkiztr 
ſchen Pertretungepfug Parchim, Hinſtorff. Gr. 8. 7, Rp 
Frantz, T., Über Gegenwart und Sußunft der preußiicn 
Berfaflung. Halberfabt, Srang. Gr. 8. 20 Nor. 
Hanffen, ©., Über öffentliche Arbeits. Rachiweifunge-dr 
ftalten. „Heibeberg, Winter. Gr. 8. 4 Ror. 
Heber, P., Die Gültigkeit des Augsburgifchen Bekennt 
niffes als gehrnorm der evangelifch:proteftantifchen Le 
des Broßberzogthums Heſſen ee nachgewieſen. 


furt a. M., Zimmer. Gr. xg bie wahre * 


v. — Wie —* 
zum geoffenbarten Worte Gottes und wur anni unit 
3 


rer Zage? Gehen, Bartholomäus. r 
„Aphorismen über Keine Kunftrinl, 


Koſſak, 2 
Berlin, Eflinger. — 8. 6 Rgr. 


rung. 


Verantwortlicher Heraudgeber: Heiurich — — Druck und Berlag von ö— eranmortlißer Drraudgeber: Geinzid Wrokbans. — —— in Seine. EA. Brockhaus in Beipig- 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Die neueſte Literatur über Rußland. 


Erfter Artikel. 
(Bertfegung auß Wr. 276.) 


Die Gapitel „Der Leibeigene”, „Die Kofaden”, 
„Beſtechlichkeit der ruſſiſchen Beamten“ geben uns ein 
iebhaftes, mit vielen unleugbaren Belegen documentirtes 
Bild der bedauernswürdigen Rage der 45 Millionen 
Gllaven, von denen 20 Millionen, minder gebrüdt, dem 
Raifer als Kronſklaven und 25 Millionen, der oft rohe⸗ 
ken Willkür preisgegeben mit Rechten, die nur auf dem 
Dane fiehen, dem Grundadel angehören. Es heißt 

‚99 fg.): 

‚ Seit Katharina (I.) war die Befreiung der Privatfllaven 
vittlich das Biel der Politik aller ruffifchen Herrſcher; doch der 
It Kaiſer verfolgt dies Suftem mit dem größten Eifer... . 
Der größte Sflavenbefiger des Reichs, der Kaifer (die IB Mil: 
nen Kronſklaven ftehen zu im in demfelben Verhaͤltniß wie 
die Frivatfflaven zu ihren Grundherren), ift für die Aufhebung 
der Reibeigenfchaft, fo weit es fih um die Sklaven Anderer 
handelt. Jeder neue Wu, jede neue Verordnung deutet auf 
die Rihtung Hin, den Bauer van bem Joch feines Grbheren 
übte... Weshalb gibt der Raifer feine eigenen 
Oaden nicht Frei? Wie folen wir eine fo gepriefene Li: 
eralität bezechnem, wenn wir finden, daß der Leibeigene un: 
ter drei viertheilen der Faͤlle, die ihn aus dem Joche der 
6* verei befweien, direct zur Krondomaine über: 


Die Antwort dünkt und leicht: Weil er ihnen dann 
ud den Grund und Boden, ben fie für die Krone be» 
buen, zu ihrer Erhaltung erblid) fhonken müßte Da- 
fi würde der Staat unftreitig gewinnen, allem Das 
Dre beftimmt das Zeishen zum Xufflande der Privat⸗ 
libeigenen gegen ihre Erbherren, die tobtgefchlagen wür- 
den wie in Galizien. Als Kronleibeigene firb fie doch 
Hudlicer als die Peivaterbleute; wenigfiens find fie es als 
Claſſe. Wenn auch nicht gerade neu, fo ift die Be⸗ 
merkung (1, 75) doch für das Urtheil über Rußland in- 
tereitant : 

. Ein auffallender Charakterzug des Muſchik (Bauern) i 

jan entſchiedener Birermite gegen allen — 28 und —* 
tbenihaft für den Handel. Darin läßt er fi nur mit dem 
—FA und Juden vergleichen, d. h. mit dem zerſtreuten 
anne H denn bie alten Hebraͤer zeigten, wenngleih von 
—* eibenden Nationen umgeben, ebenfo wenig Sinn dafür 
ber A opernen Zuden diefen Dang im Ubermaß entwideln. 
nm 5. Dort kurzem hatte der Moskcwiter wie der Jude feis 

Handelsfinn nit über den gewöhnlichen Verkehr außge: 


dehnt in Manufacturen, und Alles was Handarbeit erfobert 


ſchteckt ihn ab. Diefe angeborene oder Pünftlih auferlegte 
Richtung iſt in einem Lande fehr zu beklagen, deffen Haupt⸗ 
ſchaͤze dem Boden angehören; aber das Übel ift fo allgemein, 
daß vieleicht nur die Leibeigenfhaft oder der Mangel bie 
Mehrzahl abhält ihre Habe im Handel anzulegen. 


Gine Anmerkung fagt: 


Der Hauptgrund des Übels liegt wol in der Reibeigen- 
ſchaft und in dem großen Culturſyſtem, welches dem Bauer 
Beinen Antheil umd Leinen Genuß am Boden geftattet. 

Eine nicht weniger interefjante Bemerkung fcheint 
uns die (I, 87): 

Wenn wir die Geſchichte der Mosbowiter und ihren jegi- 
ga Charakter zuſammenhalten, fo werden wir ven der großen 

übigfeit dee Race betroffen. Rur mittels ihrer pafliven Le: 
benskraft ift die Gattung aufrecht geblieben und hat alle ihre 
Feinde überdauert ... Die frübeften Perioden der Geſchichte 
dieſes Nenſchenſchlags bis zu neuerer Zeit zeigen eine ununter⸗ 
brochene Reihe von Unterjochung, Plünderung und Bebrudung 
durch die Normannen, Mongolen, Xataren, Schweden un 
Polen. Der Moskowiter⸗Stamm wurde aber durch die beftan: 
digen &iege feiner Unterjocher weniger erfchöpft al6 dieſe durch 
ihre Triumphe, unt die Fruthtbarkeit der vuſſifchen Mütter 
(Katharina rechnete zwölf Kinder auf eine Familie), w 
weit mehr Söhne geboren ald die Schwerter des wilden | 
oberer vertilgten, bat der Ration endlich die Herrſchaft über 
einen großen Theil des Dftens gelaflen. Hebraͤer und Zigeu: 
ner haben fih durch Jahrhunderte von Berfolgung zwar zer: 
ftreut erhalten; aber die Motzlowiter wuchſen feit und unver⸗ 
ruͤckt über die fremden Stämme hinaus und wurben diefen zu 
mächtig. Unter den Bauernclaffen finden wir überall die Zuͤge 
Ihrer orfahren wieder: — fie pflanzen fi fort unter einem, 

ruck und Elende, die jeden andern Stamm aufreiben würden, 
Sie zeigen diefelbe paffive Dulbung, dieſelbe Anhaͤnglichkeit an 
den Boden, denfelben Mangel on K uf. Zum Erſat fie 
mancherlei Übel hat die Ratur dem ruffifchen Bauer einen bei- 
tern Sinn verlichen: er ift ebenjo wenig bitter oder grauſam 
als muthig und kriegeriſch. j 
Nelken und höhnen mag er gern, und reizt ihn Dab- 
fucht oder Rachſucht, fo bleibt er auch wahrlich ir der 
Grauſamkeit nicht zurüd. Run, Das hat er mit dem gro⸗ 


‚sen Haufen aller Völker gemein, der fich auch bei guͤnſtigern 


Verhältniffen in wahrer Eultur nicht fo gar fehr untet⸗ 
fcheidet. Wir wollen nicht zu ftola auf das untere zuffı- 
ſche Volk herabfehen. 

„Petersburg und feine Bewohner.“ Der ſtädtekun⸗ 
dige Verf. ſagt: 


Kıine Stadt in Eusopa erſcheint dem Beichauer ſo mufe- 
ſtaͤtiſch wie Petersburg, — der Anblid weniger Städte der 


4“ 


Welt dürfte einen fo impoſanten Eindruck machen. Dieſe 
Pracht der öffentlichen Pläge, Gebaͤude und Kanäle und dieſe 
vortheifhafte Sruppirung der bedeutendften Monumente auf 
einem Punkte findet man nirgend wieder. 
So vergänglic aber wie Petersburg dem Verf. durch 
fein Material und feine Rage fcheint, dünkt es uns denn 
‚doch nicht, fetbft bei den Meeresüberflutungen, denen es 
wie 1824 ausgefegt ift, da es denn doch höhergelegene 
Stellen hat und der verderblihe Weſtwind fchwerlich 
lange anhält. Aber er findet die Möglichkeit des Un- 
tergangs noch in andern Berhältniffen. 
Die Umgegend ift hauptfählih von Yinnen bewohnt. Das 
gegenüberliegende Ufer der Rewa ift finnlänkijcher Boden und 
die Grenze des Großherzogthums Finnland, in dem alle Her: 
in für Schweden ſchlagen, ift nur einige Meilen entfernt. 
ie die Sinne und Gedanken des Mufelmannd dem Grabe 
des Propheten zugewandt find, fo richten jich die Erinnerun: 
en und felbft die Hoffnungen des finnifhen Stammes auf 
shweden, von weldhem es erft vor kurzem gewaltfam losge⸗ 
riffien wurde... Schweden und Rußland ftehen jept freilich 
gegenüber wie David und Goliath; aber wer ift im Stande 
zu fagen, ob der Gang der Ereigniffe und die Politif des eu: 
ropaͤiſchen Weftens nicht dem Schweden die verhänynißvolle 
Schleuder in die Hand geben mag? Es gibt alſo mehr 
Gründe als einen, weshalb in Zeit von einem Jahrhundert 
von der Refidenz des Zaren leicht weniger Spuren anzutref: 
In fein uetken als ſich heute von dem Lager Attila’8 zeigen. 

S. 131 verwechfelt der Verf. den Marmorpalaft an 
dee Rewa (der aber feine fihöne itafienifche Fronte in 
dem Dofe, ehemals eine Straße, hat und den die Kai- 
ferin Katharina nie bewohnte, der auch nie Potjemkin 
gehörte) mit dem Tauriſchen Palaft, wie ihn Potjemkin dem 
Zaurier zu Ehren genannt, ber weiter die Newa hinauf 
aber nicht an dem Strome fteht und alfo auch nicht 
der Akademie ber Künfte auf Waſſily⸗Oſtrow gegenüber. 
Der Neiterftatue Peter's J. weiche Cuſtine fo herabfept, 
läßt der Verf. ihr Recht wiberfahren. Die Erfcheinun- 
gen der petersburger Welt in den verfchiedenen Equipa⸗ 
gen und deren Inhalt find mit Laune und Wahrheit 
gezeichnet, und der Pferdeliebhaber findet dabei manche 
interefjante Bemerkung über, die Pferderacen. „Die 
geheime Policei“, deren Nothwendigkeit der Verf. für 
Rußland zugibt, deren Demoralifation und Demoralifi- 
rung aber ins Schauberhafte geht, ſodaß Vaͤter ihre 
Söhne ihr uͤberliefern und dafür belohnt und öffentlich 
belobt werden, gibt dem Verf. im Gegenfage zu Euftine 
zu folgender Bemerkung Anlaß (I, 183): 

Bir eilen einen vielleicht aus dem Vorhergehenden ent 
nommenen luß zu berichtigen, daß nämlich ſolche Fälle auf 
Schwaͤche der Familienbande und der natürlichen Neigung deu: 
ten. Sole Annahme wäre eine große Ungerechtigkeit gegen 
die Ruſſen aller Stände. Es ift im Gegentheil ein verföhnen- 


ber Bug in ihrem Charakter, daß nirgend fo viel treffliche 
Söhne, Mütter und Väter find als unter ihnen. Ruſſiſche Ver: 


wandte koͤnnten in mancher Hinficht der Welt zum Muſter dienen. 

Wir gehen über diefes Gapitel und über das fol: 
gende: „Die Eivilpolicei, Befege und Zribunale”, hin- 
weg, weil wir von biefen Gegenfländen in der zunächſt 
anzuzeigenden Schrift gründficher unterrichtet werden, 
und verweilen in Hinſicht des Gapitels: „Verſchwoͤrung 


1103 


des ruffifchen Adels und Aufſtand am 26. Der. 1825” 
auf die vorangezeigte Schrift „„Beheimniffe von Rußland“, 
wo der Hergang ber Begebenheiten weit äuthentiſcher un 
offener dargeftellt ift. „Religionsverfolgung in Rußland — 
Staatereligion.” Intoleranz iſt fonft ber griechiſchen Kirche 
nicht eigen, welches auch der Verf. politiſch zu begründen 
ſucht. Daher fpricht er auc) den Synod von den jekign 
Erſcheinungen des Gegentheils völlig frei: fie gehen vom 
Koifer aus nad) ber unglücklichen Manie Alles ruſſifi⸗ 
ven zu wollen. Was der Verf. aber über den Übertritt 
ber Kaiferin und der Gemahlin bes Thronfolgers fügt, 
dag der Kaifer ihn veranlaßt habe, fo weiß er nidt, 
daß von je an alle Frauen, welche in die Faiferliche Zami- 
lie heirathen, ehe fie fi) vermählen, unerlaßlich zur grir 
chiſchen Kirche, übertreten müffen, wie in Schweden zu 
evangelifhen. Beſonders aber ift der Verf. über bie 
Mafregeln gegen die Juden an der polnifchen ren m- 
pört und vermweift den Deutfchen gar fehr ihren Mas 
gel an Sympathie für diefelben. Wer die Judenwirch 
[haft im frühern Polen und die tiefe Erniedrigung de 
Volkes duch fie kennt, wird wahrhaftig wenig zu 
Sympathie fi) angeregt finden, wie auch nur die hihk 
Kurzfichtigkeit in Deutfchland, deſſen Reichthum m 
Wohl fat ganz in die Hände Diefes antigerme 
ſchen Metallvolkes gefallen ift, zur Sympathie ir 
mit — nicht als Menſchen oder ihres Glaubens, ſor 
dern als Juden ihres Nationalcharakters willen get 
oder umgetauft — geneigt fein kann, wobei die Ir 
gabe des Verf. (I, 301): „man follte bebenten, mit 
wenigſtens in Deutfhland ein unermeflicher (!" 
Theil wahren Talents den Juden, biefem unterbrüdta 
Volke, angehört”, eine wahre Blasphemie iſt. Ru 
verfteht der Jude beffer mit feinem Talente, das et 
glänzend ift, aber felten tief geht, zu rouchern alt ie 
Deutfhe. Das ift ein furchtbares Thema, das in je 
ner Wichtigkeit erfannt werden wird, wenn ber deutiä 
Vofkögeift zum Bewußtſein erwacht. Wir wiſſen uhr 
gens nicht, ob dieſe bei den Haaren herbeigezogene Di: 


tribe gegen Deutfchland dem Engländer ober dem Im. 


Adolf Heller (vielleicht feibft ein Israelie?) angeer. 
Ein chriftliher Deutfcher hätte Deutfchland ver dem 
Beifpiele Polens in diefer Hinſicht warnen ſollen. IM 
den Organismus ber griechifchen Kirche gäbe der Bei. 
umftändlihe Auskunft. Daß ber verflorbene rufe 
Finanzminifter Gancrin (in Hanau geboren von anm 
Vater, ber früher in heflifchen Dienften war) ein Jude 
gewefen fei, war und neu. In der griechifchen Kirche gibt ei 
mehre Sekten mit an ſich höchſt unbedeutenden Abm 
dungen, wie 3. B. ob beim Kreusfchlagen zwei et 
brei Finger gebraucht werden follen. 

Außer diefen Schismatikern follen in neuerer Zeit Ska 
aufgeftanden fein, deren Richtung den ganzen beftehenden | 
ciafen Bau bedroht. Ihr ſchnelles Umfichgreifen dürfte, ng 
der Meinung gut unterrichteter Ruffen, mehr als irgend etwal 
Anderes die Eriftenz des Kaiſerthums gefährden. (I, 321.) 

Der Verf. behält das Nähere einem folgenden Ci 
pitel vor; wir haben aber Nichts dergleichen gefunden 


2183 


Die Zahl der ruſſiſchen Geiſtlichkeit fchäge er auf 
500,000 Perſonen. BE Ze 

„Nord: und Mittelrußland, oder Moraft-, Wald- uud 
Getreideregion.” Mit diefem Gapitel beginnt der zweite 
Theil und eigentlich der wichtigere und intereffantere ber 
vorliegenden Schrift. Uberall bewährt fich hier der praf- 
tiſche Blick des Engländere, aber auch fein National- 
intereffe. Er befchäftigt fich nebft den beiden folgenden 
Capiteln: „Steppen und Viehweide — Bojaren”, mit 
der phufifchen Beſchaffenheit des fo dünn bevölkerten, 
unefchöpflich fruchtbaren, aber wenig benugten unermeß- 
lichen Gebiets, mit der höchſt mangelhaften Bobencultur, 
mit den fo höchft verfchiedenartigen Bewohnern und ih⸗ 
rer Lebensweiſe, mit intereffanten geſchichtlichen Exörte- 
rungen, fowie mit ben Producten bes Pflanzen⸗ und 
Thierreichs und des merkwürdigen Kebensweife der Thiere. 


Das bedeutende Thema „Militairmacht“ wird um- 
ſtͤndlich in vier höchft intereffanten Gapiteln und ſtets mit 
hiſtoriſchen Erörterungen behandelt. Wir befheiden ung, 
daß wir in Feiner Hinficht geeignet find diefen Unter 
uchungen zu folgen, für deren Angaben wir auch kei⸗ 
neswegs durchweg bürgen möchten; allein fo viel leuch- 
et uns cin, daß der Verf. feine Aufgabe mit Sorg⸗ 
falt, Sachkenntniß und Umſicht behandelt hat. Wir be 
mügen und daher die von ihm gefuridenen Nefultate 
niturheilen. Auf dem Papier ift der Beſtand des ruf: 
hen Heers in Zriedenszeiten 1,049,000 Mann, wozu 
noch bei dem erfien Kriegsrufe 72,000 als Reſerve⸗ 
bataillone kommen würden, die aber nicht bisciplinirt 
m. Den wirklichen Beſtand unter den Waffen gibt 
m Verf. nach der Schägung eines in dieſem Departe⸗ 
nent befihäftigten Offiziere nur auf 85,000 Mann an 
mit Cinſchluß von Referven, Veteranen und Invaliden. 
Er ſagt (I, 154): 

& iR natürlich unmöglich, diefe Angaben auf eine genaue 
Beftimmung zurückzuführen. Auch ift Das nicht von großer 
Sedeutung. Das Rahmenwerk des Ganzen ift vorhanden, 
venn auch Unterfchleife in der Verwaltung die Zahl im Frie⸗ 
en bedeutend verringern. Die Commandeurs müffen überall 
Hi fragen, die LZüden bei dem erften Kriegsgerüchte aus: 
Tuben. 


fin ſolches Heer könnte Beſorgniß ersegen, aber — ber 
fie Soldat ift nicht mehr Das, mas er war. 
* heiße (II, 64): 

3u ben Wundern, die er in den Heinen Heeren unter 
Hlabeth’& Generalen (gegen Friedrich den Großen) wie unter 
uwarow (in Italien gegen bie franzöfifchen Republikfoldaten 
ter Moreau, Macdonald, Zoubert) geleiftet, ift er bei ben 
geheuern Maſſen nicht mehr geeignet. In diefen hat Ruß 
d fih, gleich den meiften Staaten des Feftlandes, feit dem 
derblichen Beifpiele Frankreichs, abzuſchwaͤchen und zu er: 
ipfen begonnen. Es ift unmöglich, den Soldaten wieder auf 
m Punkt zu erheben. 
fehle den heutigen Ruffen feit Suwarow an Feld⸗ 
rntalent, meint der Verf. (II, 65): 

Roc heute macht die Infanterie das ruſſiſche Heer bedeu: 
> (Gr fegt fie über die preußifche und oͤſtreichiſche.) Aber 
Offiziere (außer der Garde), die immer mittelmäßig waren, 
d wenn eine geringe Bahl von Regimentern eine beflere 


Auswahl geftattete, find jeut hinſichtlich Der perfönli er⸗ 
keit wie der Bildung in — — —— rg * 
pen fi oft hinter Die Reihen vor dem Feuer zurüd und ver- 
eugnen alles Ehrgefühl.) Sodann hat das blinde fanatifche 
Bertrauen zu der Heiligkeit der Sache Die Truppen verlaflen. 
Zener mächtige Fatalismus, der früher die Maflen des Heexs 
befeeite und den Mangel einer ediern Begeifterung erfegte, die 
Stimmung, die Suwarow in den Reihen anzufeuern trachtete,, 
ift dahin. Ihre legten Lebenszeichen wurden in der Schlachs 
bei Borcdino fitbar, wo (von Kutuſow und Bagration ange: 
feuert) die Rekruten aus dem Bauernftande, ned in ihren 
grauen Röden, feſt und opme Wanken der Bernihtung ent 
gegengingen, wo fie ſich befreugten, - aber doch uorwärts, auf 
ihr erſtes und letztes Schlachtfeld, dem ſichern Tode in die 
Arme drangen. 


Und warum wären denn Das die legten Lebenszeishen, 
geweſen? Hier ift auch von den Militaircolonien bie 
Rede, die Araktſchejew (nicht Aratſchejew, wie er bier 
ſtets beißt) unter Kaiſer Alerander projectirte und an⸗ 
legte, und die fich fo ausbildeten, daß es dem Kaifer 
ſelbſt gerathen fchien, ihren Fortfchritt zu hemmen. Es 
heißt (II, 131): | | 

: Die allgemeine Ginführung dieſes Syſtems würde bie, 
Militairmaht des Reichs zunächft um das Berhäftniß von 17 
zu 48 gehoben und dem Staate fomit nicht bios 2,800, 00 
Mann zur Verfügung geftellt haben flatt der einen Million, 
die für den öffentlihen Dienft unterhalten wird, fondern e&. 
würde fodann auch reichliche Mittel zu deren beflänkiger Ver 
pflegung und Disponibilität gewährt haben. 

Die bier flets durchwobene Gefchichte des ruffiſchen 
Militairs ift höchſt intereffant. 

„Die Marine” (II, 177): 

&o unbedeutend die ruffiihe Seemacht an ſich ift, fo ift 
fie Doch infofern für den englifchen Leſer von Intereffe, als aus 
ihren @inrichtungen wie aus der allgemeinen Politif des Ca⸗ 
binet6 hervorgeht, Daß die Regierung beabfichtige, ihre Plot: 
ten bei erfter Gelegenheit gegen England zu Ionen. 

Aus dieſem Geſichtspunkte, den der Verf. durch That⸗ 
ſachen, unter Anderm duch die, daß neuerlich Fein Eng⸗ 
länder bei der Flotte angeftellt wird, zu begründen fucht, 
ift das ganze Capitel durchgeführt, und da heißt es un⸗ 
ter Anderm (II, 185): , 

Es liegt nicht außer den Grenzen der Wahrſcheinlichkeit, 
daß wir noch einft eine ruſſiſche Flotte mit ihren SO,UOU Gee⸗ 
leuten fi) andern Mächten gegen uns anfchließen ſehen. Un» 
fere Landsleute würden badur in Staunen gefeht, wenn auch 
nicht erſchreckt werden. Sie ſollten ſich deshalb ſchon jegt um 
das aus Wehen und Lappen zufammtengeflidte Wefen befüm- 
mern, das in unBlarer Werne wie eine riefenhafte Vogelfcheuche 
erfheint. Naͤher beleuchtet wird es freilich mehr lächerlich als - 
furchtbar. 

Wir laffen den Verf. fein Thema duchfämpfen, bas 
ihn aud zu einer Betrachtung über „Zinnland und bie 
Standinavifhen Reiche im Berhältnig zu Rußland‘ führt, 
worin er für England in Finnland und Schweden jeder⸗ 
zeit brauchbare Werkzeuge gegen Rußland erkennt, „be 
reit, um zwei Drittel der Arbeit zu übernehmen, fobald 
das britifche Volk ihre Hülfe benugen will“, 

(Die Fortfegung folgt.) 





1104 


Literarifße Rotiz and Frankreich. 
Lacordaire's Predigten. 


" Mapignan und Lacordaire find wol die hervorragendſten 
unter den franzöfiichen Kanzelrednern der Gegenwart, wenig: 
ſtens find es Diejenigen, deren Wort überall mit der größten 
Begeifterung aufgenommen wird. Zaufende von Zuhörern haͤn⸗ 
gen Laufchend an den Rippen diefer Männer, welche Beide eine 

ste Stellung in der juriftifhen Laufbahn mit dem Prie⸗ 

de vertaufcht haben. Wenn wir eine Parallele zwiſchen 
Beiden anftetlen folten, fo würde ſich vielleicht ergeben, Daß 
Radignan den Eindruck, den er bewirkt, mehr dem Gewichte 
und dem Ernfte feiner Gedanken zuzufchreiben hat, während 
Zacordaire fein Wuditorium im Sturme der Leidenfchaft ein: 
nimmt. Wir wollen nur in Bezug auf den Legtern Hier cinige 
"Bemerkungen machen, au denen Die im Drud erfhienenen „Con- 
fererices” diefes beliebten Redner Beranlaffung geben. Was 
um fo eher bei ihm dazu berechtigt, bei einer Würdigung ſei⸗ 
ner geiſtlichen Reden mit der Form zu beginnen, ift der Um: 
ſtand, daß überall bei ihm das Außerliche überwiegend und der 

Srfelg, dem er nadyjagt, vorberrfchend aͤußerlich ıft. Offenbar 
legt Lacordaire auf die Form und den Ausdruck feiner Prediq⸗ 
ten großes Gewicht, und bei aller Leidenſchaftlichkeit, die ſei⸗ 
nem Worte zuweilen einen gewiflen Schwung gibt, it doch Für 
Jeden, der in Baden ded Stils nicht ganz unerfahren ift, 
leicht zu erkennen, wie viel Berenetes md Abſichtliches in 
der ganzen Darſtellung obwaltet. an but, wie um6 fcheint 
mit einigem Grunde, von Lacordaire gefagt, er verhielte fi 
zu Boſſuet und Maffilon etwa wie Victor Hugo zu Gorneille 
und Nacme. Diefe Beihnung fommt uns um ſo ſchlagen⸗ 
der vor, als in Lacorbaire felbft eigentlich viel romantiſches 
Element liegt. Seine ganze aͤſthetiſche Auffaflung, wenn wir 
fo jagen dürfen, ftimmt in den wefentlichften Punkten mit den 
Lehren und Anfichten der ehemaligen romantifchen Schule über: 
ein, und es ließen ſich ficherlich zwifchen dem Haupte derfelben 
und ihm manche Berübrungspunkte auffinden. Am deutlichſten 
zeigt ſich dieſe Wahlverwandtfchaft in der oft fiözenden Ber: 
miſchung des Großartigen und Gewaltigen mit dem Wlatten 
und Gemeinen, in dem Behagen an fonderbaren Sprüngen 
und einem Antithefenfpiel, welches im geiftlichen Stile nicht 
immer eben an der rechten Stelle zu fein ſcheint. Zuweilen 
ſcheint es fogar, als hätte er den allerdings in mehr als einer 
Beziehung verdrehten Sag: „Le laid c’est le beau“ auf feine 
Fahne gefchrieben. Wenn nun auf der einen Seite fein Hin» 
neigen zu den Xheorien einer Richtung, die auf dem Gebiete 
der Belletriftif längft fon zu Grabe geläutet ift, tadelnswerth 
„genannt werden muß, fo ift doch andererfeits nicht zu verken: 
nen, daß in allen feinen Reden neben unlsidlihen Auswüchſen 
wahrhaft erhabene Stellen vorfommen. Außerdem iſt es deut: 
lih wahrzunehmen, daß er in neuefter Zeit mehr und mehr 
bedacht geweien ift, die Schladien, welche ihm anfangs anhafı 
tesen, abzuftreifen. Man braucht dieReden, welche neuerdings 
von ihm gehalten find, nur mit der ältern Faſſung, wie fie in 
den frühern Iahrgängen der katholiſchen Zeitfhriften enthal- 
ten jind, zu vergleichen, um fich zu überzeugen, daß er ſich 
von feinen frühern Berirrungen mehr und mehr lodgemadjt 
bat. So werden befonderd die Stellen, wo der Redner aus 
einem ſchwungvollen Pathos jählings in einen wirklich gemei- 
nen Zon fällt, immer ſeltener. Rur im Ausmalen flörender 
Einzelheiten, über die es beſſer wäre flüchtig hinwegzugehen, 
vergecift er ſich noch zuweilen auf eine Weiſe, durch die man 
hoͤchſt unangenehm berührt wird. Auch fehlt es, befonders 
was die bildlihe Ausprudsweife betrifft, nicht an einer ftören- 
den Überladung. Der Gedanke verfiegt nicht felten unter den 
allzu üppig wuchernden Blumen, die er mit vollen Händen 
ftreut, und die, wie es überhaupt zu”gehen pflegt, wenn man 
einen übertriebenen Gebraudy von der metaphorifchen Sprache 
macht, zuweilen alle Wirkung verfehlen. Mit Necht hat Bol: 
taire ſchon gefagt: „Der Misbrauch der Metaphern macht den 


Gedanken nicht Harer, ſondern verdunkelt ihm im Gegenteil 
Gefährlich aber nun ift es, wenn ein Redner fo weit geht, da 
eg feine Bilder für wirkliche Gedanken und wol gar füs Grünt: 
Hält.” Daß Lacorbeire Dies thut, ließe fich in vielen Stella 
nahiweifen. Dadurch wird der Inhalt felbft nicht felten war. 
ke genadt und als ein bloßes Spiel einer verderblichen Se 
phiſtik hingeſtellt. Was nun den Inhalt, dem eigentlichen Ge 
möenbern- des Redners ſelbſt betrifft, ‚fo tritt auch hier dei 
ußerliche, Unweſentliche in den Bordergrund, ſodaß der Bar: 
wurf, gegen den er fi zu verwahren fucht, daß er nämlig 
die Dinge der Ewigkeit über den zeitlichen Uingelegenpeiten vr 
geffe, in voller Kraft bleibt. Ihn befchäftigen die vergäng 
lien Fragen des Tagts, weldhe den ewigen Lehren des Ehe: 
ftenthums gegmüber fo nichtig erfcheinen, lebhafter als der Ja: 
halt des chriftlihen Olaubens. Daher kommt es, daß in fe 
nen Reben die Vertheidigung der kirchlichen Satzungen imme 
den erſten vi einnimmt, flatt daß er auf Die Entwidelunge 
der tiefern Güge der Bibel bedacht fein follte. Wir fen 
bier nicht etwa Foderungen, welche mit der Richtung einet K: 
tbolifchen Predigers unvereinbar wären; nein, man vergleid: 
Laeordaire 8 Reden nut mit denen der berühmteften Bertretr 
des Katholieismus anderer Selten, um zu fehen, daß der Ber 
wurf der Kußerlichkeit, den wis gegen ihn befonders erheben 
begründet iſt. Ein Ausſpruch des verdienten Odilon : Bar 
der in Deu, auf die „Conferences“ von Lacordaire xiaf 
haben foll: „Ce n'est ni assez chretien, ni assez cathobm', 
hat einiged Auffehen erregt. Die pointenartige Faffung, ci 
er an fi trägt, mag geeignet fein, einiges Mistrauen na 
weden; aber tar Grunde ſteckt Doch eine große Wahrheit d:a 
welche ſich durch leere Betheuerungen ber Rechtgläubigkeit ni 
befeitigen läßt. Bielleiht bat Lacordaire denn doch ungest 
aller Proteftationen den Vorwurf, der ihm von einigen Ev: 
ſichtsdollen gemacht ift, gefühlt wenigſtens fieht es faſt mie ea 
Geſtaͤndniß und eine Conceſfton aus, wenn er foͤrmlich anfinti: 
daß er fich im nächften Jahre mit Jeſus Epriftus, feiner After 
feiner Gewalt und feiner Geſchichte befchäftigen werde. Balik 
man ven den geiſtlichen Norträgen halten, in denen er ih ® 
jegt bethätigt hat, wenn er es einer befondern Unkündisun 
für nöthig erachtet, daß er ſich Fünftig mit Diefen Fragen k 
ihäftigen ıverdbe, welche doch alle den Kern und das BE 
des Chriſtenthums ausmaden? In der That bat aud Laut 
daire — und wir müflen immer wieder darauf zurüdkomt 
daß er es jetzt felbft einzufehen ſcheint — bisher fih mehr = 
der katholiſchen Kirche als mit der reinen Lehre befaht. = 
diefe Weife bat es denn nicht fehlen können, dag er in ir 
Wirbel der Pirchlichen Streitigkeiten geriffen worden ik! 
daß er feine Karben nicht felten von der alühenden Orrak 
der Pamphlets entiehnt hat. Die „Conferences“, wit =: 
vorliegen, zerfallen in zwei heile. In dem erften beta‘ 
fi der Redner mit der Goͤttlichkeit der kirchlichen Gimibt: 
während er im zweiten Theile nachweiſt, daß das Huf 
Dogma die Sklaverei vernichtet, den Armen befreit, das Bd 
in Feine Rechte wieder einfegt und die Familie gegründt W 
In den Borträgen, welche diefer letzten Aufgabe gemibmet fe 
entfaltet der Redner zum Theil fein glänzendes Darfkdirz 
talent am mädtigften; er wendet fi 


bedeutfamften Hebel des Katholiciömus abgeben, und ch Fr 
men Stellen vor, welche an die begeifterten Crgüffe, in ter® 
Kamennais dem Socialismus dad Wort redet, erinnern. 

gen die Lehren, welche Lacordaire über die Inſtitutien 87 
Kirche aufſtellt, ließe ſich Mancherlei einmenden. Wir rerit 
ten aber auf Widerlegungen, weldye bier nicht en der Gl 
wären, und vermweifen flatt aller Auseinanderfegungen auf si 
vor kurzem erfchienene Schrift, welche dieſe wichtige As 
vom proteftantifchen Standpunkte aus beleuchtet, ohne ine" 
alle Behauptungen derfelben zu den unferigen zu maden. T 
Zitet dieſes Werkes lautet: „Esyuisse d’une theorie de legir 
chretienne”, von Ebmund Scheret. ! 


Verantwortlicher Derauögeber: Heiurih Brockkans. — Druck und Berlag von F. WE. Srockhans in Leipzig. 


bier nicht felten mit 
mannichfachen Leidenſchaften der Menfchen, die überhaurt de 


Blätter 


für, 


literarifde Unterhaltung. 





Sonntag, 


— Kr. 77. — 


4. October 1846. 








Die neuefte Literatur über Rußland. 
Erfter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 276.) 


Im zehnten Capitel: „Betrachtungen über den Dan» 
del, die Manufacturen und den Bergbau Ruflande — 
Preußen und der Zollverein”, fagt der Verf.: 


Indem die Rachfolger Peter's des Großen fämmtlich ber 
fifien waren in ihres Vorgängers Zußftapfen zu treten, liefer: 
ten je dur ihr Verhalten einen auffallenden Beweis von der» 
wmigen Verkehrtheit, welche noch der Theorie der Peffimiften 
dr Menfchennatur angeboren fein fol. Obgleich fie ſich naͤm⸗ 
ih von der Politik des großen Ahnen in vielen Punkten ent: 
fetnten, wo es weife gewefen wäre ihr treu zu bleiben, folg: 
me nur zu oft feiner Bahn, wo diefe zu Irrthum und Un» 
scht leitete. Unter den vielen Plänen, welche * einer 
pitern Ausführung überließ, hat man Nichts fo eifrig zu rea⸗ 
üften getrachtet ald das Trugbild eines Manufacturftaats. 
Chr Rußlands Ackerbauquellen entwidelt und bevor unentbehr: 
liche Verbindungswege eröffnet find, haſcht man jenem Schat⸗ 
m nah und vernadläffigt darüber nit blos die Ent: 
wicelung des Lan dbaus, fondern man zerflört ihn in feinen 
Grundlagen... Die ungeheuern Strecken reihen Landes, bie 
ten Behauer einzraladen fcheinen, liegen überall traurig ver: 
nadlijigt. Da run die Fabriken die wenigen Hände dem 
Boden vollends entziehen, dem fie doch eigentlich zufommen, fo 
vird der Verfall immer größer, und man muß entſchieden ſa⸗ 
gen: dies ift wahrlich Fein für den Manufacturbetrieb gefchaffe: 
nes Land. (Wir müflen bemerken, daß die Regierung in neues 
er Zeit auch ihre Fürforge dem Landbau zumendet und Zög- 
Inge in die verfchiedenen Agricultur : Inftitute des Auslandes 
abet, wo fie aber — nad ruffifher Art — brutalifiren, viel 
tunfen und wenig lernen.) Ohne die Grenzfperre und die un» 
kmeflen hohen Schugzölle, die faft einem gänzlichen Berbote 
kihfommen, önnte diefe erfünftelte Fabrifinduftrie Rußlands 
& nicht Halten. 

Es laͤßt ſich nicht mehr bergen, daß die Schupzölle, indem 
nur eine kränkelnde beimifche Induftrie friften und die frem- 
n Einfuhren ausfchließen, andere europaͤiſche Staaten zwin⸗ 
n, die Zufuhr von Rußland zu befchränten. Alles Das weiß 
er Kaifer und dennoch drüdt er das Landbauinterefle durch 
hoͤhte Schupzölle indirect nieder. Diefe in der Feindfelig: 
t gegen England begründete, aber ebenfo ſehr antirufft- 
t Pelitit richtet ſich hauptfächlich gegen die britifche Induftrie. 
der irgend entbehrliche englifche Artikel wird entweder ganz 
rboten, oder mit Böllen belegt, welche nur duch die Vorliebe 
Ig umenten für britifhe Waaren zu erfhwingen find. 


| Deutfhe Zollverein foll 
Und 


Selbfi der antibritifche 
f Einflüfterung Rußlands entftanden fein ! 


woher diefe Feindſeligkeit? Weil der ruffifhe Autokrat 
— meint der Engländer — nicht nach der Politik des 
Volkswohls, fondern nach ber Privatpolitit eines Ro⸗ 
manow beftändig von Univerfalherrfchaft träumt, und 
das ruffifche Cabinet ſtets dabei die Mahnung Peter’s 1.: 
„mit zu vergeffen, dab der Handel mit Indien den 
Schlüffel zur Herrfchaft über die Welt Tiefere” (I, 
245), vor Augen bat. Dies find die leitenden Ideen 
diefes Capitels, dem wir in feiner Confequenzmacherei 
unmöglid folgen tünnen. Nur fo viel geht aus dem 
Ganzen hervor, daß der Engländer als ein Recht für 
Großbritannien nicht allein die Seeherrſchaft, fon- 
dern auch die Fabrikherrſchaft für den ganzen Erd⸗ 
boden pofitiv anfpricht, und es ihm ein Eingriff in diefe 
Nechte erfcheint, wenn bie Völker ftreben fi) von dieſer 
Doppelherrfchaft freizumachen. Wir wollen damit die 
gewaltfam erkünftelte Kabritinduftrie für Rußland und- 
feine Grenziperre und hohen Schugzölle keineswegs in 
Schug nehmen. Es ift mit den Fabriken wie mit der 
Stiftung einer Akademie der Wiffenfchaften durch Peter 1., 
bevor Rußland noch Schulen hatte. Aber eine Anef- 
bote dünkt uns in Hinficht des Traums von Univerfal« 
berrfchaft zu merkwürdig, um fie unfern Lefern vorzu⸗ 
enthalten. Wir wollen fie mit den eigenen Worten bes. 
Verf. mittheilen (II, 250): 

Die große Autorität in Marineangelegenheiten, der Abs 
Eömmling und Namensgenofle ded Guͤnſtlings Peter's 1. (Fuͤrſt 
Mentſchikow, Marineminifter), mag ich, wenn er diefe Beilen 
lieft, vielleicht entfinnen, wie er nah Zifche zu feinen Offizie 
ren auf dem Verde des Dampffchiffs, das ihn nach Stettin 
führte — ein wenig unvorfihtig für Semand , der feines 
Herrn Vertrauen in fo hohem Grade befift —, äußerte: „Auf 
diefem Wege werden wir einft einen ruffifhen Vicekoͤnig nach 
Berlin ſchicken.“ 

Halt Er an, Herr!!! 
gefprochen. 

Die drei legten Capitel diefer reichhaltigen Schrift 
handeln von „Cirkaſſien und Georgien”, hauptſäch⸗ 
ih nad Berichten ruffifcher Offiziere, die bei den 
faufafifchen Feldzügen thätig waren. Hier fcheint fi 
uns das Räthfel zu löfen, warum denn das Länderreiche 
Rußland feit einem Jahrhundert und befonders in neuerer 
Zeit während einer Reihe von Jahren faft alle feine Kräfte 
aufmwenbet, mit den größten Opfern einen an ſich fo un⸗ 


Das hat wol der Champagner 











| . 1106 


bedeutenden Erdwinkel zu unterjochen. ET es bloße 
GEroberungsfucht oder Haß gegen die Unabhängigkeit freier 
Voͤlker? Es heißt (Il, 283): 


Girkaffien, der nörblichere und größere Theil, ift ein Land 
mit hohen Bergen, es ift die Heimat wilder und Priegerifcher 
Volksſtaͤnme, welche noch unabhängig und nur theilweife 
ünterworfen find. Es wird durch. den Fluß Cyrus oder 
Kur von dem weniger rauhen, fruchtbaren Georgien getrennt. 
Letzteres gehört zwar dem Zaren; aber es bildet einen höchſt 
precairen Befiß- 


Der Kaukaſus bildet eine ſtarke Grenzmauer. Es 


heißt (I, 288): 

Durch diefes Bollwerk, welches die Ruſſen überfhritten, um 
Georgien zu befegen, führen nur drei Pforten oder Engpäffe, von 
ungeheuern Feldwänden umgeben. Nur an biefen drei Stellen 
it, mit Ausnahme der Bergbewohner und Gemfen, für lebende 

eſen der Durchgang möglich ... LDögleih Rußland zwei 
von den Päſſen in Befig nahm, fo nennt es doch daß Boll: 
werk ſelbſt noch nicht fein. Es ift fomit immer der Ge 
fahr bloßgeftellt, daB die Thore plöglih Hinter ihm gefchlof: 
fen werden konnen. Dann fühe das Heer fi von der Ber: 
bindung mit Tiflis plöglich abgefperrt, wie auch von den 
transfaußafifchen Provingen. In eine folhe Lage Pönnte es 
iden Augenblick verfept fein, wenn die Bergbewohner einig 
wären. Nachdem man fih durch Verrath, Gewalt und Ber 
trug Georgiens bemaͤchtigt bat, zeigt fih die unerlaßliche 
KRothiwvendigfeit, die.Berge im Rüden zu fihern. Diefe könn⸗ 
ten nicht allein zu jeder Zeit den Fortfchritt der ruffifchen 
Macht hemmen und ihre Eroberungsabfichten im üben hin- 
dern, fondern fie mödten leicht auch Das, was Rußland be: 
reitd gewonnen, aufs Spiel fegen. 


Ferner heißt es (li, 291): 

Auf den„erften Anblick kann es befremden, daß Rußland 
ſich feit fo vielen Jahren anſtrengt, den Kaukafus zu unter 
werfen, und daß es nicht gleich nach der Einnahme von Geor- 

ien für eine gute Berbindung buch das Schwarze Meer forgte. 
Kadurh ließen fi nämlich die Engpaͤſſe des Gebirgs ganz 
vermeiden. Iſt Das auch nicht ganz leicht, fo hätte es doch 
längft geſchehen Fönnen, da die Küfe von Imiretien, bie 
zwar ebenfalls vom Innern durch Berge getrennt if, 19 feit 
langes 3eit in Rußlands Mefip befindet. & darf dabei Fol 
aendes nicht überfehen werden. Sobald diefe Macht mit Eing- 
land weſtlich in Streit geriethe, fo würde die Seecommunicas 
tion nicht nur auf der Stelle abgefchnitten und die transkau⸗ 
Bafifche Provinz iffen werben, fondern ed würde auch ein 
raſtios thätiger, gefährlicher Zeind, das unbefiegte Cirkaſſier⸗ 
voll, — * das ruſſiſche Heer bedrohen. Ehe alſo die kau⸗ 
kañiſchen Stämme nieht unterjocht find, kann Rußland an bie 
Gefüllung feiner Wünfche nicht denken. 
Die Schilderung bed Landes und feiner intereffan- 


tm Bewohner iſt fehr Iebenbig und anſchaulich. Die 
deutfche Darftellung ift, wie die angezogenen Stellen 
beweifen, oft fehr breit und nicht zu loben. — So der 
Engländer aus feinem Standpunkte über Rußland und 
feine Zuftände; und nun der Deutſche? 


3. „Nufands inneres Leben" ift von feinem unge⸗ 
nannten Verf. am feine beutfihen Landsleute gerichter. 
GE heißt im Unfange bee Widmung: 

Heilen durch diefes Meich, ſelbſt mit Unparteilichkeit und 
lauterer Walgcheit gefchrieben, wollen eurer Siebe zur Grund» 
lichdeit nicht genügen. Sie will den Kern, die Bewegung der 


Innenwelt des Bandes, bei befien Betrachtung die Gegner 
euh zum Aufmerken vielftimmig ruft. Ich babe das Berlun 
gen gelefen nad) einer Karte jittliher Beobachtungen innerhalb 
ber Kreisflaͤche der euch geographiſch, ftatiftifch, bio, 08 
turgeſchichtlich und ſonſt mannichfach gezeichneten Yeriphern 
Euer Blick geht im ein Kaleidoſkop, wo Dahrheit, Irrtum, 
Widerſpruch, Lüge fo durdeinander fallen, daB der Schr 4 
keinem feftftebenden Wandiableau gelangen kann, um ſic n 
die Gegenden hinter Berg und Thal, in die vorgemalten Stäbe 
und Dörfer hineinzudenten, ohne nachher die Entdedunz u 
machen, daß er wie die vermeintliche nordiſche Semiramis ve 
aufgetündhten Breterwänden und getriebenen, aufgepupten Ver 
fhenhaufen auf frohlockende Städte gefchloffen und einen ofen 
baren Betrug ald Lohn feines Denkens empfangen habt. 

Der Wunſch, diefem Berlangen entgegenzulomuen, 
bewog ben Verf. zu feiner Darftellung, wobei er etma 
moftifh andeutet, dag Deutſchland noch nicht fo mei 
fei, die freie Sprache der Wahrheit über ein ihm in ie 
der Rüdficht fremdes Volt zu hören. Ci, warum denn 
niht? Nur heraus damit! Nur daß uns Frei un 
Frech nicht für Synonyme gelten, wenn fie auch die Wurui 
gemein haben. Des Verf. Zweck war: durch Das, mas 
er „aus dem Norden und feiner Automatopolis, wo hi 
fiedenden Theekeſſel die Freiheitslieder fingen“, wir 
bracht hat, dem Deutſchen Gelegenheit zu geben, kr 
jegt erwachende Seele, den Geift des Rechts mit ia 
des norbifhen Wandnachbarn vergleichen zu fire. 
Unglücklicherweiſe weift er ihn dabei auf feine Bar 
nahbarn im Welten bin, für die er eine bejont 
Sympathie äußert, die wir nun einmal mit Dem, na 
uns die Erfahrung feit mehr als einem Zahrhunket 
und nur noch in den legten Decennien fo eindringid 
gelehrt hat, nicht mit ihm theilen können; voraus F 
doch keineswegs folge, bag wir und etwa dem nordilde 
Nachbar mehr zuneigen. Seinem Bilde läßt er ® 
Grundirung vorausgehen. Zuerft tritt er mit er 
gen Gemeinplägen auf, wie: „Die Bahn der Merit 
beit geht von, ber Nacht durch die Dämmerung 1m 
Tage”, und Ahnliches, und bemerkt dann, baf er 3 
Jahre in Rußland gelebt habe und daß er feinem Fr 
terlande befonder6 feine Erfahrungen reiche, „weil a 
Europas Herz deſto größere Pflichten gegen ander fat 
Völker auf fich bat, je mehr fie auf feine Wadleia 
wie auf feine Vormaner bauen“, d. 5. Deutfchlan bil 
Frankreich vor dem Ranzen der Kofaden fchügen. Am 
wir hoffen, Deutſchland werde ſich wol um feiner fh 
willen den Zudringlichkeiten des nordifchen wie des mil 
lihen Nachbarn erwehren. Der wäre Letzteres unſern 
patrietifchen Deutfihen etwa nicht vet? Er fagt: 

Das Mitgebrachte ſchreibe ich auf einem Boden nie, 
den ich für fo frei halte, daß innerhalb feiner Grenzen du 
Wort der Wahrheit über ein fremdes Land micht nur in da 
engen Schranken ber Rede bleiben, fondern auch geicriebt 
und gedrudt werden barf. 

Gr ſchrieb fein Werk in Preußiſch⸗Sehleſſen umd fie} d 
bruden in Braunſchweig. Ex fährt fort: 

Ich gehöre Peiner Partei an. Meine Sehnſucht geht nad 
bem Bunde, „der dad Schwert des Geiſtes in ber Hand de 
meralifchen Kraft hält’. (Findet er diefen vielleicht in Parid!) 
Über drei Decennien babe ich in der Schule besitzt, wo da 


. 1107 


Wenig unterrichket wird, unter dee Taucherglocke bes Autori⸗ 
tätöglaubend wiederzufahren im dunfeln Meere, um Perlen zu 
en. Ich Habe die Fahrt nie erlernen Eönnen. JIch bin 
ohne Perlen beimgerehrt, aber ich weiß, wie fie ausfehen und 
was fie gelten. Sie find es, die ich befchreibe. 
Bon den Verhältniffen des Berf. in Rußland erfahren 
wir weiter Nichts ale beiläufige Andeutungen. Es Heißt 
(I, 5): 
Ber mi fragt, wie haft du es fo lange dort aushalten 
fonnen? Dem werde ich antworten, wenn er mir fagt, auf 
welche Art er Meifter des Schickſals geworden fei. Wer mir 
aber entgegnete, daß es body in einem Lande, wo man fich ein 
anzes Generationsalter freiwillig niederläßt (und allem Un: 
ein nach nicht unbehaglich gelebt hat), nicht fo fchlimm als 
man vorgibt fein Ponne, Dem bleibe ich vielleicht die Antwort 
ſchuldig, weil ich ihm nicht erwidern möchte wie jener Schall: 
Ihe heimiſchen Stockfiſche feld wir gegrhßt: 
Vie ſchwimmt Ihr Hug in der Butter! 
Bie ih es anfing mi ald Hospes in ber ſchweren Schule zu 
erhalten? Mein Mille war, in Rußland nur ein Romadenzelt 
aufzuſchlagen. Dennod war ich nicht gefommen, um Land und 
teute anz ; ich war vielmehr auf die Menſchen recht 
aufmerffam. Ws ich aber fand, daß ich Das Romabenleben 
mit einem feſtern Wohnfig vertauſchen werde, befuchte ich au 
de Somitien, und die Kenntniß der Berfaffung zeigt fig über: 
haupt jedem Fremden fo zudringlih, daB Keiner das Land ver- 
tft, ohne eine Plare Anficht davon in die Heimat mitzunehmen. 


Bon ftatiftifchen, topographifchen, commerciellen und 
ähnlichen Notizen fol bei dem Verf. nicht die Rede fein. 
Er erklaͤrt (I, 5 fg.): 

Uber ein Bild des Lebens möchte ih geben. Ich will fa: 
gen wie man in Rußland lebt, denkt und handelt... Ich Habe 
die Grundidee des Begriffs Staat”, das Recht und befien 
Bollziehung zum Standpunkte meiner Zeichnung genommen, 
weil ih weine, dab die Hand der Juſtiz den Eoder der Mo⸗ 
ral des Staats aufſchlage und die Zhür feines Gewiſſens 
öffne... GSibt es ein Land ſchwet kennen zu lernen, fo ift es 
RKußland, weil ed zu Viel verbirgt, weil der Blick, der ſich in 
andern Staaten ergangen und getibt bat, hier auf fo Unge: 
wohntes, Unglaubliches ftößt, daß die Seele wie aus einem 
Traume erwacht und fi erſt befinnen muß wo fie iſt, und 
daß fie im Gebiete der Wirklichkeit lebt. Die vuffifhe Welt 
kann nut aus fich felbft erklärt werden. Wer es (fie) mit eu: 
topäifhen Ideen ſich verftändlich machen will, geräth in ein 
Labyrinth, aus dem er ſich nicht zurechtfindet, und er kann 
am wenigſten Undern einen Zwirnknaul in die Hand geben, 
um Dana in den Irrgaͤngen zu wandern... Ich gebe nur 
ein Miniaturbi®, in dem aber daB lebende Driginal Mm 
Srbensgrbße kenntlich fein wird. Ih gebe Thatſachen, meift 
öffentliche, Eigenerlebtes, und wo ich nicht ſelbſt Beuge war, 
Höpfte ich aus Quellen von Berghöhen und in Ihalgründen, 
Peuftaihel und nur Wenigen & im Ih berühre aber 
auch Vieles, was an die große Glocke gehängt ift... Der gute 
Mensch misdeutet nicht abfihtlih. Aber auch dem Beften rufe 
ih bei feiner Beurtheilung Rußlands zu: „Srenne das Dber- 
haupt von den ausübenden Dienern feines Willens!” Kur 
bitte ich meinem Surufe Beine Lobhudelei unterzutegen ... Wenn 
die Großen manchmal nieht fo find sie fe ein folten, wer 
iſt ſchulde Sie oder die Kriecher? Wenn die Frohnfuhren, von 
eigener Infamität auferlegt, aufhören, fo wird nad dem 
Schmagen auch das Kragen ein Ende nehmen. 


Wir haben den Verf. fich felbft über Zweck und 
Inhalt feiner Schrift ausfpregen Laffen, weil wir glau⸗ 
ben, fo am beften feine Tendenz, feinen Humor, feine 
Befähigung zu der unternommenen Darflellung zu che: 


rakterifiren. Unter den brei deutſchen Schriftſtellern, 
benen er den wahren Blick das Ruffenrhum zuer- 
kennt, dürfte aber wol nur Arndt eine Autorität fein. 
Diefer ruft den Deutfihen au: 

Die ruffiſchen Entwürfe und Umtriebe müffen mit raftlofer 
Aufmerkſamkeit beobachtet und verfolgt werden. 

Über er rief auch dem deuffchen Volke in feiner Rede 
Hr 3, wo er über die Befreiung vom franzöfifchen Joche 
udelt, au: 

Bee aber Denen, welche jet nicht fühlen, daß ein 
beutfches Baterland IR... Wehe auch allen deutſchen Bu: 
ben und Verraͤthern, die noch mit den Fremden zetteln und 
fpinnen! 

Berner Heißt es (I, 9): 

Mir treten bei den Rufen in eine ganz eigene Walt. 
Einer Ration wie fie, fo durchgaͤngig tief bis in Das Weſen. 
des Charakters unähnlich der unferigen und den übrigen Böl- 
fern Europas, einer ſolchen Nation war ed möglid, die Por: 
traitaͤhnlichkeit mit feinen Vorfahren aus Jahrhunderten nidyt 
zu verändern und den Kortfchritten ihrer Nachbarn zusufehen, 
ohne einen Reiz zu Achtung oder Racheifer zu fühlen, weil die 
Grundlage nicht vorhanden war, auf der aud fie hätte fort: 
bauen fünnen. Erft fpat trat fie auf die Stufe der Nachah⸗ 
mung. Und thut Rachahmung etwas Anderes ald forfbauen F 
Zu großen Anderungen verfteigt fie fi nicht. Hier und da 
fegt fie nur Etwas au, fchneidet dort etwas Übelgeforntes ab 
oder fügt es wol gar zu... Die Ruſſen find eine Nation, die 
mit Aſiens Gewohnheiten nad) Europa gekommen ift und ſich 
durch Lift, Fäuſte und Dpiate nicht nur bei und feſtgeſetzt, 
fondern fih in die Gauen Deutfchlande Thon ein Stuͤck vor: 
geſchoben hat. ' 

Der Berf. geht dann bie verfihiedenen Schriften über 
Rußland durch und gelangt fo zu dem Werke des Mar- 
quis v. Euftine und feiner Wirkung im Auslande und 
befonders in Rußland, fertigt die darüber erfchienenen 
Schriften kurz ab und kommt auf bie Anzeige dieſer 
Schriften in den „Blättern für literarifche Unterhaltung”. 
Bir erwähnten Deffen im Eingange der gegenwärtigen 
Anzeige. Sollen wir und auf feine Parteipolemif, denn 
das ift fie, einlaffenk Bas lohnte wol! Ref. hat be- 
bauptet, daß Hr. Marquis v. Euftine Rußland, und 
befonders Betersburg, vom einfeitig ariftofratifchen, 
einfeitig höfiſchen, einfeltig roͤmiſch-katholiſchen, 
einfeitig arhiteftonifchen und vom Standpunkte un⸗ 
gemeffener Eitelkeit aus aufgefaße habe. Glaubt ber 
Verf., daß er ihn widerlegt habet Odet glaubt er, die 
Hand aufs Hetz, daß er ihn widerlegen könne? Einfel- 
tigfeit enthält nın wol WBahrbeit, aber nicht bie ganze: 
und Das war es, was Ref. benierfbar machen wollte, 
und darum ließ er auch den Gegenſtimmen ihr Recht 
und erkannte in ber des Hrn. v. Zolftoi, den er damals 
nicht als den Verf. der Schrift „Em Wort über Mar- 
quis Tuſtine's Rußland im Jahre 1839 kannte, den 
aeiftweihften und inſofern fiegreichften Kämpfer unter 

nen, die für ihr Vaterland flritten; und wir glauben, 
unfere Leſer werden barin einftimmen. Und was die 
Staubwirdigteit des Hm. Marquis betrifft, To hat es 
ſich mehrfach Heransgeftellt, dag es gerade fein Ber- 
brechen ift, nicht auf jedes feiner Worte zu ſchwoͤren. 
Alle Andeutungen und Confequenzen des Berfaffers, Re- 





[nn — 


1108 


ferenten zu verbächtigen, weifen wir als nicht zutreffend 
und feiner unwürdig zurüd. Die Schrift felbft ift in 
mehre Abfchnitte mit eigenen Rubriken getheilt. 

Der erfte Band befchäftigt fi noch nicht mit Rußland 
ſelbſt unmittelbar. Die „Erinnerungen aus Oſtpreußen“ 
geben ein getreues und geiftreiches Bild von der Stim- 
mung bdafelbft, ale die Ruſſen und Franzoſen dort hau« 
ften. Der Verf. ftreifte an Polen bin und konnte dem 
Drange nicht widerftehen, alte Univerfitätsfreunde wieber- 
zuſehen. Diefes Wieberfehen begeiftert ihn zu einem 
Lobgefang über Polen, wie wir deren von unfern jün⸗ 
gern Männern viel mal haben anftimmen hören, ohne 
daß wir gerade in jede einzelne Strophe einflimmen 
tonnten, fo groß auch unfere nicht unthätige Theilnahme 
an dem traurigen Scidfale, — nicht ber ritterlichen 
Adelsrepublik (das Volk, der Sklave, zählte nicht, eher 
noch die Juden), wol aber an bem traurigen Schiefal Ein» 
zelner ihrer edeln Söhne fein mochte, und an dem fürd)- 
terlihen Schaufpiel einer hingemordeten bedeutenden Na⸗ 
tionalität. Alle riethen unferm Reifenden ab, allein feine 
Reifeluft war unüberwindlich und er hatte einem ruffi- 


ſchen Fürften, der ihn eingeladen hatte und ihn fehn- 


lich — zu welchem Behufe erfahren wir nicht, zu einem 
bloßen Beſuche nicht, Das ift wol erkennbar — erwar- 
tete, fein Wort gegeben. In Königsberg hatte er auf 
der ruffifchen Paßkanzlei das feltfame Abenteuer, daß 
feine Zegitimationspapiere mit denen reifender Handwerks⸗ 
burfche dur) die Einfalt eines ruffifchen Schreibers mit 
einem Orden im Knopfloche (einen der uns wohlbefann- 
ten Tſchinownike) von Grobheit begleitet verwechfelt wur⸗ 
den, was diefem vom Chef der Kanzlei berbe Zurecht- 
weifungen zuzog. In diefem Chef fand unfer Reifender 
das Gegenſtück jenes Tſchinowniks, einen ebenfo gebilde- 
ten als humanen Ruſſen höhern Standes, der ihm allen 
Vorſchub leiftete. Auf der Reife von Polangen nad) 
Detersburg hatte er verfchiedene ruffifche Abenteuer zu 
beſtehen. Mitau und Riga hatten feinen verdienten 
Beifall in ihrer gebildeten Lebensweiſe. ,, Petersburg. 
Schade um das Werk, daß diefer Abfchnitt der in Galle 
getauchten, von Leidenfchaft geführten Feder des Verf. 
enttropft ift: er könnte jeden Kundigen leicht verleiten, 
das Ganze für ein abfichtliches Pasquill auf Rußland 
zu halten und es wegzumerfen. Der Verf. überbietet 
noch Cuſtine, Petersburg als Stadt herabzufegen. Mit 
Recht ift über die Efftafe des alten unlängft ver- 
ftorbenen hamburger Domherrn Meyer, ber in einem 
Gnadenrauſche durch Petersburgs Gaffen taumelte, zu 
laden; allein in den Zerrbilde voll Sarkasmen, das 
uns bier geboten wird, wird Der, welcher Petersburg 
mit gefunden Augen gefehen bat, es ebenfo wenig als 
im Guftine’fhen Bilde wiedererfennen. Wie der Verf. 
verfährt, kann man ein Zempe in einen wüften Moraft 
ummandeln. Der Verf. hat fi bei feiner Schägung 
zu weit dur den Arger führen laffen, dag die ruhm⸗ 
redigen Ruſſen Alles bei ſich als das Ausgezeichnetfte in 
der Welt anpreifen und beiweitem überfchägen, und feile 





Schriftfteller darin einflimmen. Gr ſchrieb ja aber nicht 
für Nuffen, fondern für Deutfche, und biefen hatte er 
Wahrheit zugefagt: dies Bild von Petersburg iſt kim 
Wahrheit. Beiläufig wollen wir bemerken, daß Sum 
row's Statue auf dem Marsfelde von Martos, einem 
Auffen, ift, und daß alfo nit alle Denkmale in Pu 
tersburg von Ausländern angefertigt find, wie ber Ba, 
zu behaupten beliebt. 


(Die Fortfegung folgt.) 


Mancherlei. 


Entweder die Begriffe gehen mit dem Menſchen durch, eder 
der Menſch geht den Begriffen durch. Erſteres iſt haufiga 
als das Letztere, obwol man meinen möchte, ein Denker mut 
ſich nicht unter die Herrfchaft der Begriffe, feiner Diener, fd 
len und koͤnne ſich leicht vor folcher Schwäche bewahren. Allein 
den Geizigen reißt der Begriff des Geldes fort, den Ehrgrie 
gen und Eiteln der Begriff des Ruhms und des Lobes, din 
Senußfüchtigen der Begriff des Genuſſes, ja felbft den Aſteten 
der Begriff von Heiligkeit. Schwerlich bleibt der Einzelne oder 
ein ganzes Zeitalter frei von gewiflen Unterjochungen durd Fr 
tiffe, und wenn in ber franzöfifcgen Mevolution Freiheit 
leichheit Loſungsworte wurden, fo waren e8 eben die Kind 
bezeichneten Begriffe, tweldhe mit den Kranzofen durchgug 
Noch heute gibt es Begriffe von Ehre, welche gegen Geiae 
und Strafdrohung zum Zweikampf und zum Tode fuhren, rs 
Jedermann natürlid) findet und wenn nicht Zeigheit ihn na 
ftärfer beherrfcht, wider Willen von ihnen fortgeriffen mitt. 

Wo ift der Held, welcher allen anmaßlichen Begrifa 
durchginge und zu ihnen ſpraͤche: „Weichet von mir, beriik 
fühtige Hausgenoflen, ich werde euch rufen, wenn id eu 
bedarh, euer Platz iſt die Gefindefammer, nicht mein Cabinet 
Er ift feltener als ein Selbftberrfcher aller Reußen. 

Indem die Hegel’jche Dialektit neben den Tugenden aus 
die Untugenden der Begriffe enthüllt, ließe fih vermuthen, R 
fei das rechte Sicherungsmittel gegen unbefugte Begriffshet: 
Ihaft und keiner Bäme zur Gewalt, den fie nicht nad Bit: 
dazu eingefegt. Allein ber Begriff der Dialektik felber ik m 
dieſer Philofophie Durchgegangen und fie wird fo ftrenge ra 
ihm regiert, daß fie den gefunden Berftand beleidigt, den jt 
nah Sibirien verweift. 

Übergänge, d. h. Vertauſchung der Begriffsherrſchaft, ind 
nicht unerhört, und fie bilden Epochen in der Lebendgeidät? 
des Einzelnen wie der Menfchheit. Demokraten werben Ink 
kraten, Heterodoxe orthodor, Allopathie geht über in Homiw:! 
und umgefehrt. Die Menfchen find inAbficht ihres Denkufnt 
zu theilen in Begriffscandidaten und Begriffsapoftaten. Jet 
Candidat ift gewöhnlich auch ein Apoftat, felbft Rapoleon war dr 
des, als er den Confulatbegriff mit dem Kaiferbegriff vertauihte 

Im 18. Jahrhundert wollten die Kirchenſchafe nicht mehr 
germeibet werden, waren alfo Upoftaten diefes paffiven Bere 

egriffs; im 19. Jahrhundert find fie Eandidaten beffelben un? 
ihnen entfpricht der active-geiftliche Gegenbegriff des Weident 
Im 16. Jahrhundert entlief man dem Papftbegriff, im | 
fuht man ihn wieder und ärgert fi ordentlich, wenn cr U 
Macht einbußt. Wie im Il. Jahrhundert der Begriff ver 
Kreuzzügen mit dem Zeitalter durchging, fo im 19. der &e 
griff von Monumenten. Preßfreiheit geht durch mit dem jur 
gen Deutfchland, Cenfur mit dem alten. Richt die Menid 
befehden fi, denn jie jind nach Puffendorf geſellig und fur 
liebend, fondern ihre Beherrſcher, die Begriffe, raufen mitein 
ander und zeigen dabei eine Hartnädigkeit, die ihren Unter 
thanen zu großem NRachtheil gereicht. Quicquid delirant regen 


plectuntur Achivi, 





Berantwortlider Herausgeber: Heinrich Brodtdans. — Drud und Berlag von F. SE. Broddaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





Montag, 





Die neuefte Literatur über Rußland. 


Erſter Artikel. 
(Eortfegung aus Nr. 777.) 


Der folgende Abſchnitt: „Die baltiihen Provinzen”, 
! geeignet mit bems Berf. auszuföhnen. (Er enthält für 
mfland bittere Wahrheiten; allein es find, bis auf 
ne, die wir dahingeftellt fein Taffen — die vom franzöft- 
hen Standpımdte aus gefaßte Anklage der Trennung 
# Yord’fchen Corps von Machonald in ber verhäng- 
ifollen Periode von 1812 —, lautere Wahrheiten. Die 
1 fo bedrängten Oſtſeepredinzen find in der ruſſiſchen 
hone die beftgefchliffenen koſtbarſten Solitaire, mit de⸗ 
en von hirnloſen ruffifchen Chemikern Erperimente ver: 
kt werden, die nichts Anderes bewirken fünnen, als 
np fih die herrlichen Edelſteine im ruſſiſchen Schmelz. 
gel verflüchtigen. Griechenland war eine materiell un⸗ 
ohte Provinz Roms, aber geiftig Sieger über Rom; 
md konnen ſich Die Oftfeeprovingen auch nicht mit Grie⸗ 
henland meffen, fo fichen ihnen gegenüber aud) feine 
Km. Rußland hat diefen Provinzen in geiftiger 
Pinfiht Viel zu verdanken: es fchöpfte daraus feine 
bebeutendfien Staatsmänner — und feine ehrlichſten. 
Bieleiht ift Dies gerade der Grund feiner neuern Ab⸗ 
gung. Der Verf. wurde von feinem Protector, der 
ort Güter hatte, dahin geführt, gerade als bie Franzo⸗ 
M gegen Rußland, und zunächſt gegen die Dina in 
lemarſch waren und man den Übergang über den Fluß 
ind die Belagerung Rigas Erwartete. Einen Haupt: 
und, daß fih die Ruffen, trog aller getroffenen unge- 
euern Vorkehrungen, gezwungen fahen fich ſtets zurüd- 
heben und eine Poſition nad) der andern aufzugeben, 
edurch fi eine fo ungeheure Furcht vor dem Zeinde 
let Gemeinen bemächtigte, findet der Verf. in der Eifer- 
&t der ruffifchen Befehlshaber gegen die Ausländer, 
ie einen Barclay de Tolly, den fie felbit als einen 
trräther verfchrien, was den edein Kriegshelden bewog 
n Kaifer Alerander zu bitten, einen Nationalruffen 
ı die Spige zu ſtellen. Die Greuel der unmetivirten, 
ſt tückiſchen Verbrennung der fogenannten reichen Vor⸗ 
idt Rigas auf des Beneralgouverneurs Effen Befehl 
mit den lebhafteften Farben gefhildert. Effen wurde 
gelegt und Paulucci trat an feine Stelle. Hier fin- 


ber Verf. Anlaß, des hochherzigen rigaifhen Haupt« 


paſtors Sonntag ehrenvell zu erwähnen, welcher der Will⸗ 
für der weltlichen Gewalt mit Würde und Erfolg emt- 
gegentrat. Die Geſchichte und Beurtheilung der Uni⸗ 
verfitit Dorpat, bie planmäßig zu Grunde, gerichtet 
wird, iſt zwar nicht neu, aber hoͤchſt intereffant. Es 
ift wol nicht zu tadeln, daß die Regierung darauf dringt, 
dag ihre künftig in Dorpat gebildeten Beamten ber ruf- 
ſiſchen Sprache zum Gebrauche maͤchtig fein follen; al⸗ 
lein die Foderung, daß die Profefforen wenigſtens eines 
ihrer Gollegien in rufliicher Sprade leſen follen, bie 
noch zu wiſſenſchaftlichen Vorträgen gar nicht die erfo⸗ 
derlihen Ausbrüde hergibt, ift an fih ohne Sinn und 
verfegt der Univerfität den Todesſtoß. Des Verf. Ur- 
theil über die Religionsbedrüdung und Rekrutirung in 
den Oftfeeprovinzen, deren Kolgen auch trog aller Pri- 
vilegien bald an bie Iutherifche Konfeffion fommen wird 
(oder bereits gekommen ift), ift gefund und das Bild der 
Lebensweife in diefen Provinzen, wo e8 von Real heißt: 
„Heiterkeit und ungezwungener fittliher Ton zeichnet «6 . 
befonder6 aus. Ich zmeifle, daß ſich in diefer Hinſicht 
ein Ort in Deutfchland mit ihm meffen kann‘, iſt wahr 
und intereffant: anheimelndes deutſches Sein, wenngleich 
durch den Rufficiemus übertüncht. Wird es fidh gleich 
den übertinrchten Gemälden des Mittelalters unter ber 
Tünche erhalten und vielleicht einft von dem Anwurf 
befreit in der eigenen Färbung wieder hervortreten? Der 
Berf. fagt in diefer Dinfiht (1, 256): 

Daß die baltifhen Provinzen nad und nach verruflen 
müffen, daran ift nicht zu zweifeln, wenn die Winde vom Eib- 
meer die vorherrfchenden bleiben und die Saaten burchwehen- 
Jedes Jahr wälzt neue Ballen mit Verordnungen hinein. In 
den Handelsftand, Lehrftand, Beamtenftand fchiebt Petersburg 
Ruſſen, die defto brutaler ſich breit machen, je mehr fie unter: 
fügt werden. Biele deutſche Söhne kehren aus dem Militair- 
ftande in ihre Heimat mit deutfhem Weſen zurüd, viele brin- 
gen den ruffifhen Dünkel fammt al feiner widrigen Adiutan⸗ 
tur mit und befördern unwillkuͤrlich ruffifcdes Streben. Das 
Begehren nach ruffifchen Verzierungen, fonft unbefannt, wirb 
reger. Die Zeiten, wo ein von H., an beflen Berdienfte 
um feine Provinz die ruffiſche Regierung glaubte auch ein 
Drdenchen hängen zu müffen, ſich öffentlich weigerte, dies Zei⸗ 
chen der Belohnung feined Werthes anzulegen und mit bem 
Tſchinownik⸗Schreiber oder Faͤhndrich einerlei Geltung und Aus⸗ 
zeichnung zu haben, die Zeiten find nicht mehr... . Der del, 
befonders in Eſthland, ift nicht durch Berſchwendung, ſondern 

ih zaͤrtliche Einmiihung in das Wohl feiner Yro« 
vinzen bedeutend ärmer geworben. Seine Befigthümer gehen 


1110 


in die Hände reichgeworbener Handwerker, die, an Bildung 
ſchwaͤcher, ohne Geſammt⸗ und Baterlandeinterefie, ohne Bu: 
fammenhalten als Eorporation, dem Rufficismus weder Wider: 
fand leiſten können noch mögen, weil fie gegen ben Abel ab- 
fichtlich begünftigt werden und eine Schwä ung bed Adels im 
‚Egoismus der Autokratie liegt ... . Graf Benkendorf war ein 
Efthländer. Durch dad Gewicht bei zwei Kaifern war es ihm 
möglich, ruffifhen Einfluß auf Die Provinz feiner Geburt noch 
in Schranken zu halten. Sehr rechtfchaffene Deutiche des al: 
"ten Adels aus diefen Provinzen ftehen in Petersburg noch an 
der Spige ruſſiſcher Verwaltung, find in des Kaiferd Gefolge; 
aber theüs zu weit in das ruffifche Intereffe gezogen, theils 
durch das aufgethürmte Übergewicht deffelben verhindert, kann 
ihr befter Wille zu Feiner gegenwirtenden Kraft mehr wer- 
den... Der junge, Durch metallene Verdienfte gefchaffene Adel 
vermag feinen Glanz» und Stützpunkt nur in Petersburg zu 
finden: er ſchließt fih an die ruffiiche Influenza; in der Nähe 
wollen weder Güter, noch Parks, noch Zreibhäufer den He» 
ringsſchwanz verdecken ... Die Söhne ded ärmer gewordenen 
Adels find genöthigt eine Laufbahn fih in Rußland zu eröff: 
nen, und wenn von Denjenigen derfelben, die ſich dem Tſchi⸗ 
nownikthume bingeben, noch eine unverfehrte, frühere, edle Ge» 
finnung übrig bleibt, fo darf man e8 unter die Wunder zäh: 
Ien... Aus den Marken der Deutichen an der Dftfee ward 
feine Lyra Venuſiums gehört, Keiner war dort, der von ber 
Natur der Bötter, dem Berhängniß wie Zener in Zusculums 
Schatten ſchrieb; aber viel Biederkeit herrfcht, viele Thaͤter der 
Pflichten und Wächter der Ehre find da, und mancher Klang 
geiftigen Herzens verichönt das Leben. 


Armes, unglüdliches, preisgegebenes Deutfchthum! 
(Die Fortfegung folgt. ) 


Zur Zagesliteratur. 


Nachdem die Glaubenskriege in Deutfchland in dem Weft- 
fätifchen Zrieden ein Ende genommen und neben der Fatholi- 
ſchen Kirche befonders zwei Geſellſchaften reformirter Eonfelfion 
— gefunden hatten, begann in dieſen ein gelehrter Glau⸗ 

ensſtreit und die hiſtoriſche Kritik, die Dogmen aufzuloͤſen 
und das Bekenntniß ſchwierig zu machen. Die Philoſophie des 

18. Jahrhunderts that das Ihrige zur Aufklaͤrung der Menge, 

und die von einer deutſchen Staatsregierung anbefohlene Union 

jener beiden voneinander getrennten Confeſſionsgeſellſchaften 
das Ihrige zur mechaniſchen Durcheinanderwerfung. So iſt 
es denn gekommen, daß die Glieder der proteſtantiſchen Geſell⸗ 
ſchaften mit ihren Bekenntniſſen ihre reale Gemeinſchaft, ihre 

Kirche, verloren haben. Auf Grund dieſer Wirklichkeit haben 

fi) in ihnen zwei Parteien gebildet. Die eine iſt unabläffig 

darauf bedacht, den Proceß der Trennung dur die Einmwir- 

Pung der Freiheit des Geiſtes au ſteigern; die andere fucht Ei» 

nigung durch dad bindende Mittel einer von ber Politik der 

©tantöregierungen freien proteftantifchen Kirche. Aber wie es 
den Gedanken des Zaged zum Schmude gereicht, fie flattern 
auch auf leihtbefchwingter Pſyche von dem Boden der Wirk: 
lichkeit weg in das ewigblühende Reich der Träume. Es wäre 
eine taͤppiſche Kritik, ſoiche Erfcheinungen einzufangen; es ge 
nüge ihr, darauf hinzudenten, um fo mehr, als jegt auch die 
Traͤume theologifcher Doctoren eine deutfch nationale Färbung 
aben, welche gewiß aus vielen Gründen zart zu behandeln ift. 
u den Schriften diefer Gattung gehört: 

1. Der deutfche Kirchenbund zum Chriſtenthum der Eintracht, 
im dritten Jubeljahre des Beginnes beutfcher Glaubenskriege 
mit vier Priedensworten zur Beſprechung gegeben von 
Friedrich Böttcher. Dresden, Adler und Dietze. 1846. 
&. 8. 7 Rear. 

Richt in Einheit von Blaubensfägen und Formeln einer 
Partei, oder in einer deutſchen Rationalkirche unter dem un: 


ſichtbaren Dome einer Glaubensformel weitefter Zaffung, eins 
geringften Maßes des Blaubens, getragen von dem fortiher: 
tenden Boden der religiöfen Durchſchnittsbildung der Zeiten, di 
zu finden eine religiöfe Arithmetik erfunden werden mag; ad 
nicht in einer kirchlichen Univerfalmonarcdie oder einem ſoube 
rainen chriſtlichen Staate — ift die Einigung zu fucen, {m- 
dern darin, daß „an die Geite ‘des Staatenbundes ein Kirhen 
bund trete, fol anders Die beutfche Ration dahin gelangen, ka 
ihr gebührenden Rang in der Weltgefchichte einzunehmen”. 
Diefer Kichenbund fol nun auf dad Trachten nah den 
Reiche Gottes und feinem Aufbau unter uns, in gemeinfamm 
Birken, foweit es aus unbeftritten gemeinfamem (?) Denken 
fließt, und in Verbrüderung gläubiger Gefinnung gegrünkt 
werden. "Aber zu folhem Kirchenbunde müßten doch unzweiſel— 
haft alle Deutſche gehören, nicht blos die Vorſteher und Au 


- gierungen der Staaten und Kirchen; er würde alfo niht u 


die Seite, fondern an die Stelle diefer treten; es märe di 
Vereinigung unſers Volkes zum Beten, was Die Andern hab: 
wahrfcheinlich nicht übelnehmen werden. Aber gewiß, es wir 
eine Bereicherung unferer Literatur, wenn auch wir an ba 
Ufern der Rewa oder der eine fifen und an Zion gedenken 
koͤnnten, Klagelieder dichtend. Sind wir doch nad dem Kr. 
nur ein Dichter: und Denkervolk, dem der Himmel übrig gelafra 
worden. Aus diefem Hoden am Spinnrade des Himmelreihs mr 
unfere Achtung vor der Welt fommen! Gott gebe feinn & 
gen! Wahre wohl,. liebes Buch, du haft einen wunder 
Sang; wir glauben nur nicht recht daran. Wir wol td 
ale Volk lieber an der Wirklichkeit unferer Staaten fahkn 
und in dieſen unferer Gefchichte gemäß handeln. Fliegn m 
darüber hinweg, klingt's über uns recht ſchoͤnz aber dh? 
uns Nichts, am allerwenigften wenn wir und in das infa 
auf den Staat geheime Thun unfers Gemüths verkricha 
Und wie? Jenes Trachten nad dem Reiche Gottes, dir Ex 
des fraglichen Kirchenbundes, iſt diefes angeboren? Ei mit 
zuerſt gelehrt, dann erfahren, dann unterftüßt und geübt. Zee 
wo foll nun Lehre und Hülfe fommen? Alſo neben dem Ko 
chenbunde Aller wieder der geiftliche Theil der Kirche, und w 
find fo klug wie zuvor. Endlich aber ein unbeftrittens 
meinfames Denken, aus dem ein gemeinfames Wirken fit 
ift geradehin eine Unmöglichkeit, wenn die Denkenden frei ir. 
jenes Denken ift nur eine Aufgabe des Iefuitismus, und K 
deutſche Kirchenbund foll doch nicht dahin ſich neigen? — E 
reihen an dieſes Bud: 


2. Die Kicche der Zukunft. Ein Beitrag zur BVerfländign; 
über die Glaubenswirren der Gegenwart, von 4. Gen’ 
berg. Berlin, Schulge. 1846. Gr. 8. 10 Rar. 


Rah einer Skizzirung der kirchlichen und Bekenatirt 
teien und =» Fractionen erfahren wir, daß die Kirche da 
mit ihrem Bekenntniſſe verföhnend in die Mitte treim Kl 
nicht in der Halbheit eines gemachten abftracten juste- mtl 
vielmehr aus dem vollen Gemeindebewußtfein heraus. Das 43: 
binde nicht dad Gewiſſen, es fei nur fein Kern, bie 
Staubensfubftang, welche die Formel ais Hülle umfdlich wo 
wahrt, zum Bewußtfein und ins Leben zu bringen. Das Er 
bol bezeuge die Rothiwendigkeit wie der Entwidelung fe !i 
individuellen Glaubens und Lehrfreiheit. In der Kirche fei Ri 
für Ale, die in Demuth, auch im abgefchiwächteften (?) Su 
Gottes Gemeinſchaft durch Ehriftum ſuchen, die, wie ſch 
auch im Wiſſen, wie matt im Bekennen, wie anſcheinend 
different, chriſtlicher Gefittung nachſtreben, treu in der Abe: 
tung ihres Berufs, gewiffenhaft in der Erfüllung ihrer PX 
ten, unfträflih nach dem Geſetz. Aber zu principieller Gei- 
tung bdiefer (fehr fubtilen und fehr gebuldigen) Kirche wäre d 
no lange Beit; denn der durch die Wiflenfhaft bewirkte u 
fall vom chriſtlichen Glauben fei durch die wiebererwachte Hrit‘ 
liche Wiſſenſchaft beiweitem nicht fo neutraliſirt, daß das Et 
meindebewußtfein auch nur von dem Principe und der &# 
flanz der chriftlichen Wahrheit durchdrungen wäre. G# fi ss 











1111 


von Geiten des Kirchenregiments auf dem eingeſchlagenen Wege 
milder Weisheit zu beharren, das Recht freier Entwickelung 
nit zu beengen, der &ubjectivität, nur mit Befeitigung no⸗ 
terifchen Argerniffes, weiter Raum zu gewähren, an der Augs⸗ 
burgiſchen Eonfeffion aber als der obiectiven Grundlage der 
Kirche feſtzuhalten, fodaß man als Ziel der Entwickelung Das 
im Auge behalte, daß die Kirche ihren Glauben, ohne den In» 
halt und die Bedeutung, fo er von jeher hatte, zu verfehren, 
in vollendeterer‘ wiſſenſchaftlicher Faſſung darzulegen befähigt 
werde. Soweit der Berf. Wir wollen nur fragen: Wie nun, 
wenn die geftaltende chriſtliche Wiflenfchaft niemals Gemeinde⸗ 
bewußtfein und Kraft der Gemeinde wird Und aller Unfchein 
iR hierfür, da theologifche Welchrfamkeit und deutſche Schul⸗ 
philoſophie in den Inhalt jener Wiflenfchaft binüberfließen müf: 
fen, um ihn erft recht tief zu füllen. Uber die chriftliche Kirche 
iſt nicht Object, fie ift Subject, Perſon. Lehrer! rief Chri⸗ 
us den Apofteln zu, nicht fragt und unterbandelt, wie man 
yern wohnen möchte. Die Gemeinde hat nur das Necht, Lehre 
und Hülfe, Die geiftlihde That der Kirche zu verlangen, nicht 
diefe zu geben. Darum lehret wenn und wie ihr es wißt, 


und helfet wenn und wo ihr Bönnt, fo lange ed noch Zag 


it, aber fpigt nicht allerlei Zufünftiges zu oder ſchlagt es 
breit; das ift Do nur der Zraum eurer Freiheit — möchten 
wir den Kirchenverbeſſerern durch Bücher zurufen. " 


Zu den die Zagesliteratur fehr bereichernden Beftrebungen 
im Lebenskreiſe der deutſchen evangelifhen Gemeinden gehört 
auch die Dppofition gegen die fogenannte preußifche Conñſto⸗ 
rialklirche, zu welcher die preußifche Union den Grundſtein 
durch ihre regiminale und bureaufratifhe Gntftehung gelegt 
babe. Hierüber verbreitet ſich: 


3. Theologiſches Gutachten in Betreff der preußifen Union 
mit befonderer Rüdfiht auf einen fpeeiellen vorliegenden 
Fall. Gin Sendfhreiben an D. ©. in H. von A. G. Ru: 
delbach. Leipzig, Yrinfche. 1846. Er. 8. 3 Nor. 
Alle Kircgenfreiheit neben der Union erfcheine nur als zeit 
weilige Eonceffion, die unter veränderten Unftänden wieder zu: 
rüdgenommen werden koͤnne. Durch die fogenannte Deutſch⸗evan⸗ 
geliihe Conferenz in Berlin und die Generalfynode fei die 
Union in das Stadium ihrer Verwaltung gelangt, daß fie fi 
als identiſch mit der evangelifhen Kirche Deutſchlands oder 
wenigſtens als ein nothiwendiges Beer etungegtie derfelben 
betrachte. In Preußen felbit aber hatten den Widerftand der 
Ausdauer Diejenigen geübt, welche der alten reinen Iutherifchen 
Kirche treu bleiben wollten. Rachdem fie befanntlih neuerlid 
conceffionirt worden, bat ſich von einem gewichtigen Mitgliede 
derfelben folgende Stimme vernehmen laflen: 


4. Über den Sinn der „Generalconceffion für die von der Ge⸗ 
meinfhaft der evangelifhen Landeskirche ſich getrennt hal» 
tenden Lutheraner vom 23. Zuli 1845". Bon Ph. &. Huſchke. 
Breslau, Mar und Eomp. 1846. 8. 5 Kor. 

Mit verzeihlichem Stolze wird ausgeführt, daß die ver 
ſchiedene —*5 — Entwickelung der ſogenannten evange⸗ 
liſchen Landeskirche und der lutheriſchen Religionsgeſellſchaft 
im Berhaͤltniß zum Staat auf einen wichtigen Unterſchied führe. 
Die erftere fei in den Verfaffungsorganismus des Staats felbft 
verwoben. Ihre Behörden feien koͤnigliche; die Befeggebung 
über fie und über das ganze kirchliche Geſammtleben, foweit 
cs in das äußere Nechtödafein eintritt, ſtehe dem Staate zu. 
Die ganze Berfoflung der lutherifchen Religionsgeſellſchaft ruhe 
dagegen in diefer felbft; ihre Behörden feien lediglich kirchliche 
und ftänden bios unter den kirchlichen Vorſchriften. 

Ein thätiger Widerftand ift durch Julius Rupp in Be 
wegung gefetzt worden. In ber Schrift: 

5. Die Symbole oder Gottes Wort? Gin Sendfchreiben an 
die evangelifche Kirche Betialembe von gutius Rupp. 


Leipzig, D. Bigand. . 8. gr. - 
fragt er: „Bolt ihr die Kirche dev Hengſtenberg'ſchen Kir- 


denzeitung und des Finigsberger Gonfifloriums oder die freie 
evangeliihe Kirche? Wollt ihr die Kirche des Lönigsberger 
Gonfiftoriumb, das jeden Prediger entfegen muß, der auf Grund 
der Heiligen Schul gegen die Sagungen der Symbole pre 
digt, oder wollt ihr die freie evangelifche Kirche, die nicht 
zweien Herren dienen Tann, fondern das Evangelium ihr ein« 
jiges Geſetz nennt und jeden Geiſtlichen als den ihrigen ers 
ennt, der auf Grund des Evangeliums gegen die Symbole 
predigt?‘ Die Symbole feien nur Zeugniffe, theuer und werth 
als Dentmale von dem Glaubensleben und den Blaubensthaten 
Derer, die vor und auf ihre Weile für die Wahrheit Zeug⸗ 
niß abgelegt. Nur der Glaube an die Offenbarung, an das 
Wort Gottes in der Schrift, fei das Grundgefeg der evange⸗ 
tifchen Kirche; und diefe Offenbarung fei einfach und Mar, fie 
heiße: Gott ift die Liebe. 

Wenn nun Rupp Stimmen aud der evangelifchen Kirche 
über feine Angelegenheit zu vernehmen verlangte, fo bat dies 
fem Wunſche entſprochen: 


6. Das Athanaſiſche Glaubensbekenntniß, der Paſtor Rupp 
und das Gonfiftorium zu Königsberg. Eine Stimme aus 
der evangelifhen Kirche. Bon Karl Eduard Reined. 
Berlin, Bethge. 1846. Gr. 8. 3 Ror. 


Sowol Rupp als auch Ulle, bie feine Amtsentfegung ver⸗ 
Fit, wären im Irrthum, weil das Athanafifche Bekenntniß 
feine Bekenntnißſchrift, fondern eine Glaubensſchrift und als 
folche nicht verbindlich fei.-_ Wir wollen nicht weiter unterfuchen, 
inwiefern der Verf. wiederum mit diefen Definitionen im Irr⸗ 
thume ſei; aber daB Komiſche am Schluſſe der Schrift wollen 
wir hervorheben: „Wird nicht dazugethan, daß bie evanges 
liſche Kirche zuerft ein neues Glaubensbekenntniß befommt, fo 
wird der Bruch in derfelben groß, fchredlich werden. Es fleht 
nicht Mehr und nicht Weniger auf dem Spiele als das deutfche 
Bolk ſelbſt. Run Bott weiß ed am beiten, und die Deutfchen, 
als Diejenigen, welche am meiften von Gott wiſſen, follten 
doch fünlih auch Das wiflen, daß die Völker auf ganz andern 
Grundlagen fteben und gehen ald auf Glaubensbekenntniſſen. 
Indeß jeder Bogel bat feinen Sangs wer mag es ihm wehren, 
es fchadet ja Nichts.“ 

Keine andere Beachtung verdient: 

7. Mein Glaubendbetenntniß in unbefangener Huldigung der 
Wahrheit und des Lichts. Niedergefchrieben von Funk, 
Borgetragen in der neuproteftantifchen Gemeinde von Rupp 
in Königeberg. Leipzig, Frieſe. 1846. 8. 4 Rar. 
Bemerkenswert gt unter Anderm für die Bedeutung der 
rift, daß der Verf. fagt: er glaube, daß auch menſch⸗ 

Lie Einrichtungen und Handlungen heilig zu ſchaͤtzen find, 
infofern fie dem reinen Liebesgebote Gottes entfprießen oder 
bemfelben entiprechend als Sräger der Ordnung für die Ver» 
haͤltniſſe des irdiſchen Lebens in vielem vernunftgemäß fich als 
nüglich bewähren. Bu folchen heiligen und nüglichen menſch⸗ 
lichen Ginziptungen und Dandlungen wird nun geist: utes 
Regiment durch Volksvorſtaͤnde, Gebet, Ehe, Taufe, Abend⸗ 
mahl, Hinübergang durch den Tod, Gottesdienſt! In 
der That, man moͤchte rufen: Bleibe bei deinem Leiſten! Es 
iſt eine gute Probe von der conſtituirenden, chriſtlich bewegten 
Bernunft. 

Sn dem , 

8. Dffenen Briefe an das Confiftorium gu Königsberg von 
Julius Rupp. Zugleich als Antwort für die „Stimme 
aus der evangelifchen Gemeinde‘ und für den Profeſſor der 
Recht: — Fr. Jakobſon. Leipzig, D. Wigand. 1846. 

r. 8. r 


gr. 
vertheidigt ſich der Verf. genen Circularverfügungen bes Eon» 
fiftoriums in feiner Angelegenheit und Angriffe gegen bie neue 
Gemeinde. Es ift hier nicht der Drt, Berechtigungen zu Hand» 
Iungen und Xhatfachen, zumal deren Anfänge, kritiſch zu prü⸗ 
fen und in Frage zu ftelen. Das Leben ift ihr Richter. Aus 





1112 


demfelben Grunde enthalten wir uns bes Urtheils über Pre⸗ 
vigten derfefben Richtung, die uns don Dekrott vorliegen. Es 
tofre Shorheit, diefe alß Mufter der Kunſt anzufeben, and fo 
nur koͤnnten fie hlexher gehören. 


. (Der Beſchluß folgt.) 


— — — — — 


Literariſche Notizen aus England. 


Staatswiſſenſchaftliches. 

Bu den intereſſanteſten neuern Erſcheinungen auf dem 
ſtautowiſſenſchaftlichen Gebiete gehört Lord Henry Brougham's 
Merk: „Political philosophy“ (3 Bde., London 1842 — 44). 
Der Einfluß der verfchiedenen Regierungsformen auf die menſch⸗ 
lichen Angelegenheiten kann biftorifch, theoretifch oder praktiſch 
betrachtet, oder mit andern Worten, zum Gegenflande einer 
Geſchichte, einer Wiffenfchaft oder ciner Kunft gemacht werben. 
Lord Brougham bat diefe drei Methoden vereinigt und ift da⸗ 
per genöthigt gewelen, den Gegenftand dreier Abhandlungen 
n eine zufammenzubrängen. Dies hat demnach fein Werk voll- 
ftändiger im Umriß und weniger vollftändig im Detail gemacht, 
und mithin den Sufammenhang und die Eohäfion der heile 
deffelben geſchwaͤcht. Der beiweitem größte Theil dieſes Wer: 
des iſt rein biflorifh. Bon den 20 Gapiteln des erften 
Bandes find die zehn letzten der Gefchichte des KRönigthums in 
Frankteich, Deutfchland, Italien, Spanien, Portugal, Däne 
mark und Schweden gewidmet, und ber größte Theil der übri⸗ 

Capitel handelt von der Gefchichte der aflatifchen Gewalt: 
errfähaften (Despotismus) und von dem Feudalſyſtem. Der 
zweite Band enthält 28 Gapitel, von denen blos die ſechs 
erfin von der Ratur und den Folgen der ariftefrati« 
fhen Regierung handeln; die übrigen 22 enthalten die Ge⸗ 
ſchichte von den MWriftofratien Polens, Ungarnd, Rome, 
des alten Griechenlands, des neuern Stalien® und Der 
Schweiz. Der dritte Band enthält 35 Kapitel, von denen 
die erften 21 von der Demofratie und der gemifchten Re⸗ 

ngeform handeln, und die übrigen enthalten die Ge⸗ 
hichte von England, den Nereinigten Staaten, Frankreich, 
Holland, Belgien und der Schweiz. Übera find Unter» 
fuhungen über den Einfluß der verjhiedenen Regierungsfor: 
men auf menſchliches Gluͤck eingeflochten, und oft, nachdem der 
Verf. die Mängel eriftirender Inftitutionen nachgewieſen, gu 
er auch die Mittel zu ihrer Abhülfe an. Der hiftorifche Theil 
des Werkes ift mit vieler Geleyrfamleit und vielem Scharffinn 
dußgeführt und enthält manche glänzende und klare Zuſammen⸗ 
ftellungen,, manche treffende Wergleihungen und Eontrafte und 
viele fchäpbare ſowol gefdyichtliche als politifhe Kritit. Nicht 
minder interefiant und belehrend ift der raifonnirende oder wiſſen⸗ 
ſchaftliche Theil, wenn wir auch nicht jede Anficht des berühmten 
Lords unterfchreiben möchten. Übrigens geht er, wie die politi« 
ſchen Schriftfteller Englands und Frankreichs gewöhnlich zu thun 
pflegen, von evidenten Vorausfegungen und möglichft klaren 
Begriffen aus, gefwörft zum Theil aus ben Anerkenntniſſen 
des gefunden allgemeinen Menfchenverftandes, zum heil aus 
bewährten Erfahrungen oder aus unbeftreitbaren, wenn auch 
tieferliegenden Bernunftwahrheiten. Dabei hat feine, haben 
ihre ehren eine rein praßtifche Iendenz, jind vom Schulſtaub 
fubjectiver Theorien ſowie vom Doppeljinn, von eitiem Wort: 
ſchwall, von gelehrter Affectation frei und der Anwendung 
aufs wirkliche Leben ohne kuͤnſtliche Deutung empfänglidh. Dies 
fommt daher, daß in England und Frankreich meiftend nur 
Staatsmänner, d. h. ins öffentliche Leben durch eigene thätige 
Zheilnahme Eingeweihte, über Politit und Staat fchreiben. 
Bei uns Deutfchen verhält fi) Dies oft anders. Die meiften 
Lehrer der Staatswiſfenſchaften in Deutſchland durchwandern, 
um zur Löfung der dem ewigen und allgemeinen Rechte ange: 
börigen ragen, fowie der eine allfeitige Werftändigung fo- 
bernden politifchen Probleme zu gelangen, entweder die Irrſale 


— — — — 


einer dunkeln Metaphpfik, oder ergoͤtzen ſich an den pidm 
einer rein fubjectiven, in jedem ser wieder andere Gebilde 
keugentben hantafie, oder fie verhüllen endlich den einfache 

Inn nad Tiegender Wahrheiten in ſeltſam klingende Phraſen 
und prefiöje Verkuͤnſtelung. 


—— U] 


Biographiſches.. 

Bor iſt in London in zwei Bänden erſchimen 
„The life and correspomdenoe of "Themas Arnold“, von L. P. 
Stanley, und vom englifchen Publieum mit dem größten Veiſcl 
aufgenommien worden. Bor wenigen Jahren war ber geiflreiht, 
gelehrte, edie und hochgefimnte Mann mißverjbanden, gemik 
deutet und geächtet. Beſonders zeichnete fily der Erzbiſchof von 
Ganterbury als fein Berfolger aus, und der Haß der Geiſtich 
keit von der Hochkirche war fo groß, daß ſelbſt das damalige 
Wbig-Minifterium es nicht wagte, ihn zu dem ihm gebühre: 
den Play als Profeflor gu erheben. Der barbariſche Lärm, der 
ihn umgab, war fo viel von Martyrthum als moderne Ba: 
folger wol zu ſehen hoffen Eonnten, und die ihn ſchmaͤhten, om 
folgten und ausjtießen, glaubten Gott einen Dienft damit u 
tun. Do blieb Dr. Arnold ungebeugt und Lich weder Aa 
noch Hoffnung finten, daher ift fein Lob jegt in Aller Rus 
Db er in feinen Plänen zu einer beſſern Kirchenverfaflung die 
ihm fo viele Feinde zugezogen, recht ober unrecht hatte, fat 
uns bier ziemlich gleichgültig fein. Andeterſeits find wie we 
zeugt, daß Beine neue, diefen Begenftand betreffende Wahchets 
entdeckt werden koͤnnen, die wir halb fo nöthig haben alı ie 
fi) und jegt darbietende Gchaufpiel unzaͤhliger Menſchen d 
den verfchiedenften Anfichten, bie fi vor feinem driflise 
Wandel und feiner edeln Natur in Ehrfurcht beugen. Ex 
partielle Reaction hatte Burz vor Arnold's Zod angefangen, de 
groͤßtentheils durch feine Söglinge bewirkt wurde. Diet k 
men unmittelbar von ihm nach der Univerñtät au Dpford ut 
brachten in ihrer Liebe und Anhänglichkeit zu ihm und ink 
vom mufterhaften Betragen das befte und ungmeifelhaftefte deu; 

8 zu feinem Gunften. Seine perfönliche Gegenwart an de 
legtgenannten Hochſchule als Profeſſor der Geſchichte Hätte er 
der Zeit noch mehr wirken müffen. Aber Baum mar cr. 
diefe neue Bahn eingetreten, als fein Tod dem Hm. Stark 
einem Freund und Schüler, die Gelegenheit Darbot, den fedr 
lofen Charakter feines Lehrers durch eine treue Darftelung is 
Lebens zu vertheidigen. Wenige Perfonen von Dr. Arnold's Ei:* 
find fo Viel vor den Augen des Publicums in ihrem Leben und 
fo vielen Bahnen geweſen. Er war der erfte englifche Heat 
geber von Thukydides und der Erfte, welcher Riebuhr's „ut 
iche Gefchichte” bei den Engländern Eingang verfchaffte. Er r 
auch 14 Zahre lang der erfte Schulmann in ganz Eu: 
und das — was am ſchwierigſten ift — bei einer ö 
Schule. Und faft während diefer ganzen Beit hatte cr af 
kaͤmpfen gegen die neue Form orfordifchen Pfaffentrugs, MU 
her (ebenfo liftig als Fühn) die gegenwärtige Generetien U 
Verwirrung und Beftürzung gebracht, indem er die Rıfımk 
tion herabzuwürdigen und Zwietracht in Lie Kirche England 
zu fäen noch fortwährend bemüht if. Unter der einem ii 
der andern diefer Benennungen als Gelehrter, Schumann * 

olemiker war Dr. Arnold giemtic allgemein bekannt, währe® 

a8 was an ihm am meiften gekannt zu werden verditk 
(was er wirklich als Menſch war) außer dem engen Kek 
feiner Familie und feiner Schule nur von Wenigen rihiis ® 
fannt wurde. Erſt nach feinem Zode hat man feinen ganze 
Werth verftehen und fehägen gelernt. Sein Thukydides IM 
Borlefungen über die Geſchichte, feine geiftlichen Reden ı# 
feine gemifchten Schriften find alle Beweiſe von feinem 
feinen Kenntniffen, feiner Fähigkeit und feinem Edeiſian. Dd 
wiegt die Gefchichte feines Lebens fie alle auf, indem u d 
uns in ber ganzen Reinheit und Größe feines ber Menldt? 
Gluͤck und Heil bezwedienden Strebens darſtellt. 3. 





Verantwortlicher Herausgeber: Heiurih Brodpaus. — Drud und Verlag von F. X. Brodbans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





6. Dctober 1846. 








Die neuefte Literatur über Rußland. 
Erſter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. W.) 

Der zweite Band dieſer Schrift beſchaͤftigt ſich mit 
den Brandflecken Nußlands: 1) „Rnechtfchaft”; 2) „Bu« 
reaufratie. Dffentliche und geheime Policei; 3) „Juſtiz“. 
Bir vernehmen im erften Abfchnitte die Sprache eines 
warmen, für Menfchenwohl glühenden Herzens und ſchau⸗ 
berhafte Schilderungen nach dem Leben. Zwar ift das 
Volt duch den despotifchen Drud feiner Herren, feiner 
Befiger, verdummt, flumpffmnig und verthiert; allein 
ungelehrig, unzugänglich der Vernunft ift es nicht. Der 
Verf. fagt (II, 10): 

Ich babe den ruffifchen Bauer wie ein Oemopnbeitsthier 
meinem Grade gefehen, daß er fi von dem Hunde faum un: 
irrfgied, der bei einem Katholiken aufgewachſen war und ber, 
an nen Proteftanten verkauft, Freitags Bein Tleiſch anrühren 
weite. Ich habe auch den Bauer in Rußland gefehen, ber 
kin Renfchfein fühlte. Er Eonnte fehlen gegen die Ordnung, 
aber er ichnte ſich nie gegen die Regierung feines Landes 
af Gr weiß, Daß er dem Befehl Gehorfam ſchuldig ift, 
denn Geſeze kennt er nicht: er bat Dieb bewiefen bei allen 


Imultn. Die Stimme des Volkes kennt, woher die Bez | 


tridungen Kommen. (Ref. gefteht, daß ihm der ogifche Zur 
ſammenhang hier nicht ganz einleuchtet.) 

Der Verf. führt felbft aus der Zeit der Cholera Bei⸗ 
piele an, wo er fo glüdlich war, in Petersburg Durch ver- 
Nunftige Vorftelluungen auf Maffen erbitterter Mufchits 
u wirken; er erwähnt dabei der Wirkung ber Erſchei⸗ 
ung und der Lurzen und ſcharfen Rede des Kaifers 
Ritolaus auf das, wie auch im übrigen aufgellärten 
* durch Unwiſſenheit misleitete Volk, und ſagt 

15): 

Der Kaifer Nikolaus kennt fein Volk, das Volk weiß daß 
r de Gerechtigkeit will, und am Willen, feine Herrſcher⸗ 
acht für eine fefte Juſtiz in feinem Lande zu üben, daran 
bit 6 dem Kaifer ganz und gar nicht. Das zahl: und na: 
enlofe Unrecht, welches in feinen Grenzen’ ausgeſprochen und 

Mführt wird, gefchieht ohne fein Wiffen, und ich ſpreche ihn 
dieſer Hinfiht aus vollfommener Überzeugung von jeder 
chuld frei, zu welcher der Schein ald auf ibm ruhend ver: 
hrt. Ich kann es thun, weil ich durch Beifpiele reichlich be- 
nt bin, wie ihm Dinge zur Entfcheidung vorgetragen wer: 
n, und welche Fähigkeiten, felbft abgefehen von jedem böfen 
len, fie ihm vortragen... Ich ſpreche den Kaifer nicht von 
hlern frei. Organismus und Erziehung influirt auf ihn 


ebenfo wie auf andere Menſchen; 


Willen heraus, geht er gewiß nicht die Wege zum Unrecht. 
Un dieſem Präftigen Willen zweifeln hieße behaupten, der 
Kaifer kenne zwar das Gebot der PYrincipien von Vernunft 
und Gerechtigkeit, allein er kuͤmmere fih nicht um das Ihun... 
Das Urtheil der Welt bringt bei allen Männern, die fi be: 
merkbar machen, die Umftände, die feine Geburt umftanden, 
feine foctalen Berhältniffe und Grziehung in Anſchlag. Ein 
ruffifher Kaiſer kann davon nicht ausgefchloffen fein, weniger 
wie jeder andere Monarch Europas, weil man geneigt ift ihn 
für Alles verantwortlich zu machen, was in feinem Reiche ge: 
ſchieht. In gemwiffer Hinficht jas denn wer fi ald Führer 
voranftellt, übernimmt aud die Schwierigkeit und Verantwort⸗ 
lichkeit feiner Rolle. Mais stricte justice n'est pas justioe, 
et il n'y a que l’&quit& qui soit convenable à l’homme. 
Möge diefer Ausſpruch feiner Großmutter au bei Beurthei⸗ 
lung des Kaiſers Nikolaus gelten. 


Trefflich iſt die Schilderung, wie ber Autokrat von 
der Wiege an zum Despoten erzogen wird, und bazu 
fommt nun noch die Servilität, nad dem Verf. „der 
Chilus, der den ganzen Staatskörper ernährt”. Wo 
ift da Hoffnung? Der Verf. weift nach, wie alle Vor⸗ 
fpiegelungen von Aufhebung ber Leibeigenfchaft nur 
Taͤuſchung iſt. Er fagt (II, 36 fg.): 

— hört und lieſt man von der Stimmung des 
Oberhauptes, die Leibeigenſchaft aufzuheben. Aus Katharina's IT. 
berühmten Inſtruction für Geſetzgebung wird nur von heilſa⸗ 
men Abfichten für das Volk geſprochen. Wlerander I. gab den 
Eſthen und Letten die Freiheit. Nikolaus I. ſchickt feine Uka⸗ 
fen in alle Gouvernements, daflelbe Ziel überall zu erreichen. 
Ift aus dem Allen fon ein Körndhen Freiheit erwadfen? ... 
Wo es Breie gab, faßt ruſſiſche Eroberung fie in. Knechtſchaft 
ein. Die Oſtſeeprovinzen hatten nad heiligen ’unantaftbaren 
Berträgen Rechte aus den Zeiten ihrer freiern Bewegung. 
Eins nad) dem andern ift ihnen genommen ... Die Leibeigen: 
fhaft fol aufhören. Warum macht man nie einen Anfang 
damit? Herausfoderungslünfte find Bein Unfang dazu, und Pal 
liative heilen Fein Übel in einem Körper. Wlerander 1. bielt 
fih auch an das Hinhaltungsfoftem. Er fah den Liefen und 
Eſthen auch für fo aus⸗ und abgemergelt an, daß fie fid 
durch den Genuß einer gefunden. Nahrung den Magen verber: 
ben könnten. Er befahl eine dreijährige Vorbereitung. Wäh- 
rend Diefer Jahre follte der Bauer feine Seele mit der Idee 
bekannt madgen, nicht mehr das Eigenthum eines Andern zu 
fein. Er ſollte fih nach und nad an das unendliche Glück 
gewöhnen, welches man ihm bereitete. Als aber Die Zeit vor- 
uber war, war der Arme fo Hug wie vorher. Dean aud 
fonft wußte er, daB ihm ohne ein Stückchen Erde das 
Brot nirgend auf der flachen Hand wachſen werde, er moͤge 
befugt fein zu ziehen wohin er wolle, und daß es am (inte 


E vorfeplih, aus feinem 





1114 


fonft beffer für ihn war, da ihn als Leibeigenen fein Herr we: 
nigftens nicht fortjagen durfte, jegt aber ihm als freiem Sant» 
eulotten den Laufpaß geben Eonnte. 

Ya, da hängt’. Rußlands Boben ift in fefter Hand 
des Adels: wenn dieſe ſich nicht von felbft aufthut, was 
fol der Kaifer mahen? Man bebente was der Marquis 
v. Euftine über die angeblihe Außerung des Kaifers 
Niklaus beibringt, als die Bauern eines Diſtricts ihn 
baten, fie doch mit den Gütern anzufaufen und zu 
Kronsleibeigenen zu machen. Die Bauern fielen über 
ihre Herren her und zogen ihnen die Haut über bie 
Ohren. Es ift ein PVergehen, Jemand dafür verant- 
wortlid) machen zu wollen, was er nicht ändern ann. 
Traurig genug, daß es fo ift! Wenn aber bei Exrmäh- 
nung des Aufftandes der Truppen bei der Thronbeſtei⸗ 
gung des Kaifers Nikolaus es heißt (II, 46): 

Im Urtel warb diefer Zufammenrottirung Plünderung 
der Stadt imputirt, ohne Beweife dafür anzugeben. Doch im 
Urtel ſtand Vieles, was füglich hätte wegbleiben können, wenn 
man nicht dadurch Erbitterung gegen die Schuldigen hätte er: 
zielen und die elf unnöthigen Artilleriefalven mit Kartätfchen 
und deren fchauderhafte Wirkungen im einfältigen Volkshaufen 
(der mit den Waffen in der Hand bereit war den Kaifer und 
die Baiferliche Zamilie zu ermorden und die Parlamentaire an 
der Seite des Kaifers niederfchoß) hätte rechtfertigen wollen; 


fo vermeifen wir unfere Lefer auf die offene Darlegung 
des ganzen unfinnigen Aufftandes in den vorangezeigten 
„Mofterien”. Der Verf. verräth, wie feine Vorgänger, 
zu viel Sympathie mit den Aufrührern. Wir wollten 
fie unter andern Umftänden mol gelten laffen, wenn «6 
bei dem Aufftande nur wirklich auf das Beſſere abge: 
fehen gewefen wäre. , 

„DBureaufratie. — Öffentliche und geheime Policei.“ 
Beftechlichkeit und moralifche Verdorbenheit find in al- 
len Bureaus vorherrfhend, und bei dem geltenden 
Srundfag: Ein Oberer kann nicht unrecht haben ge- 
gen den Untern, der ſich in dem Zaren zufpigt, ift ein 
Jeder Despot nad unten und Sklave nad) oben. Der 
einzige freie Mann ift der Zar. Mit vollem Rechte 
fagt der Verf. (II, 64 fg.): 

Sonderbar und buntſcheckig ſchimmert es vor den Augen, 
wenn man in die Gewirre blickt, und der Berftand firaubt 
fi) darin die Ordnung eines Staats anzuerkennen. Es hängt 
mit der Gerechtigkeitsliebe des Kaiſers zufammen, daß er fich 
Mühe gibt und daß es ihm Sorge macht, einen fittlidden Zu⸗ 
fland in die ihn umgebende Sphäre zu bringen. Er bat es 
mit der lernäifhen Schlange zu thun: an der Stelle jedes ab» 
gefchlagenen Kopfes wachſen neue und vielleicht fchlimmere 
wieder. Der ganze Körper ift von der Krankheit angeftedt, 
ein Beifpiel entzündet fih am andern, wie der Brand in der 
äche mit feiner Wirkung binauf in das Haupt reiht. Das 

el geht alle Givilverwaltungen durd, und felbft der Mili- 
tairftand, defien Wagzunge das Ehrgefühl nach Scrupel ange: 
ben fol, fdhließt fi) von der allgemeinen Anftedung nicht 
gänzlich auß... Gaͤbe ed denn unter den Gewaltigern und der 
ren Untergebenen im ruffifhen Reiche nur Feinde des öffent 
lihen Wohls? Gewiß nicht! Es gibt Männer, die fi mit 
Unbefcholtenbeit erhalten, aber es find die Daniele in der Lö- 
wengrube, die feltenen Nachkommen von Anania, Yzaria und 
Mifael im Feuerofen.... Wo die öffentliche Meinung, als Macht 
gegen das Unrecht, mit Gewalt niedergedrüdt wird, da mögen 

nflalten mit den tugendhafteften Männern an der Spitze er: 


—— — — — — nn — — 
ee ꝰ ꝰ õꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰꝰõ õꝰõꝰõꝰõꝰõ ꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰõꝰꝰꝰꝰꝰ ma ee ———— Se SS a 


richtet werben, fie werden immer zu ſchwach fein rechtloſe übe: 
riffe auszurotten, weil biefe Übergeife das ganze Ball an 
andeln gegen das Geſet ſchon gewöhnt hat. 

Die Grundurfache diefes Laſters Haben wir hä 
Gelegenheit des vorfichend angezeigten Werkes be⸗ 
reits befprochen: die Unzulänglichkeit ber Befoldungen, 
bie von felbft dazu hindrängen. Und zu dem Alm 
fommt nun noch der Branntwein, deſſen Berpadtun 
einen fo anfehnlihen Theil des Reichsſseinkommens bilkt, 
und bie Trunkſucht überhaupt. Es heißt (II, 79): 

Seit der 2Wjährigen Bekanntfhaft Rußlands mit den 
Branntwein haben fich zweifelsohne die Lafter vermehrt ml 
vergrößert. 

Hier findet der Verf. gerathen hinzuzufügen: 

Ich hoffe nur, böswilliger Interpreten halber, die Bener: 
fung im Allgemeinen nöthig zu haben, daß nicht nur der gr- 
bildete Abel, fondern überhaupt die gebildete Welt an Zuth 
und Sitte fih überall gleih ift, daß auch Rußland die ie 
nige aufzuweifen bat, Die gewiß Seiner fremden nadftk, 
mit jeder wetteifert und in die Schranken treten kann; dal, 
wenn man alfo von einem Klettenfelde fpricht, eine Bir 
menflur von Aurikel⸗ und Blütenpuder darunter nicht gement 
fein Eönne, felbft wenn man behauptet, daB ein Verderbe z 
nerell fei, und Familien wie Socialleben durchdrungen ki 

Unter den aufgeführten Einzelheiten, wie ins de 
artige in Rußland das Nefas in ben Amtern betmit 
wird, fobaß Leute mit einer Befoldung von 2000 Ir 
bein Banco (750 Thlr.), bie bereits höhern Poſten ar 
gehört, ein Haus machen, das 20,000: Rubel verzchr. 
gibt es Löftliche Bilder, aus dem Leben gegriffen und ım 
Theil mit echtem Humor ausgeführt; aber — es rick“, 
Einem dabei kalt durch die Glieder, und noch mer bu 
den Schurfereien und Gemaltthaten der Policei w 
am meiften bei den Alles vergiftenden Greueln der gr 
heimen Police. Diefes Inftitut, welches Kaifer ir 
ander aufhob, fi aber bei dem Aufſprießen ll 
reicher Meutereien bald gezwungen fah es wiederhttu 
ftellen, bat unter Kaifer Nikolaus feine vollkommene Ir 
Hanifation erlangt, nach dem im Reichsgrundgeſez fil: 
fhweigend angenommenen Princip, daß „bie Anfalt er 
ner groß« und kleinartigen Policei zu ben Kebenspriri- 
pien des Staatsorganismus unumgaͤnglich nothwendig ii“ 
Die Vorftandfchaft diefes Inſtituts ift ein Amt di vb 
ſten Vertrauens. Der -unlängft verftorbene Graf Ba: 
fendorf fand an der Spige. 11, 163: 

Man lispelte nur, als ob das Femgericht an den Bart 
Laufchte, wenn der Name Benkendorf zufällig berührt wurde. Ku 
bebt nit vor Kaifer und Großfürſt, nicht vor Kriegsrath, Gens 
noch Synode, aber Schreck lauft durch alle Rnoden, wenn # 
tönt: „Der Chef der geheimen Policei hat gefodert.“ Fe 
gefürchtete Graf Benkendorf fchredt nicht mehr. War dem 
der Mann fo ſchreckliche Der Mann nicht, aber das Am 
deffen furchtbarer Schlüffel, der ſich auf fein Gebot nicht me 
im Schloffe dreht, wenn ein Unglüdlicher fern von der Bei 
vermodern fol. Graf Benkendorf war zu Feiner Zeit ein bo 
fer Menſchz daB nahe Stellungen an ihm aber nie eine 3 
Zeit hatten, ift ebenfo gewiß. Wer des Berftorbenen Rmit 
ren fchreiben möchte und dürfte, Dem koͤnnte ich Beiträge Ir 
fern. Über die Schwächen, die ſich weder mit dem Erik 
manne noch mit dem bloßen Federbuſche vertragen, 
Moos und Gras! Und doc wünfchte ich, er wäre ncd uni 
den Lebendigen geblieben. Richt meinetwillen, fondern Wilir 


1115 


nen wegen. Gin Bann von Humanität und fern jedem An- 
Ari von Brutalität ift auf diefer Höhe in Rußland ein ſcho⸗ 
nes Meteor. Gewiß, es ift dem Auge zu früh noch verſchwun⸗ 
den. Wer zeigt es mir in der ruſſiſchen Beichichte ? 

Der Berf. theilt uns die Organiſation diefer furcht- 
baren Behörde mit (I, 157): | 

Zu dieſem ehrenvolften aller Geſchäfte (dem Spionsge⸗ 
(haft) wird die Moralität aller Religionsparteien in Anſpruch 
genommen. Juden waren in der Kanzlei Diefer geheimnißvollen 
Anſtalt als Barone thätig, und bald war fo ein Mann Graf, 
bald Handlungsdiener, bald geftern angekommener Berliner, 
bald aus Aftrachan, bald Handſchuhmacher oder verabfchiedeter 
Major, je nachdem feine Metamorphofe eben nothivendig war. 
3u Juden hatte der verftorbene Graf Benkendorf ein vorra⸗ 
gendes Vertrauen ... Das Heer der Delatoren theilt fi in 
Befoldete und Unbefoldete. Diefe erhalten nur Zahlung nach 
der Wichtigkeit ihres Verraths. Ihre Zahl heißt Legion. Die 
Delatoren bringen ihre Erfchleihungen im Allgemeinen nicht 
in der Kanzlei an, fondern bei den verfchiedenen Obern, denen 
fe angewieten find. Die Wohnungen dieſer Chefs müflen die 
befondere Einrichtung haben, daß man durch Hinterthüren un: 
bemerft in ihr für Ungeberei beftimntes Zimmer gelangen 
kann, um die Judas Iſchariots gegen unberufene Augen zu 
deden, da unter ihnen gar flattliye Herren und Ritter turnen. 

Man denke jedoch nicht, daß man unumgänglich mit 
diefen Verhaͤltniſſen in Conflict kommen müfle. Ref. 
war vor AU Fahren über 14 Jahre in Petersburg mit 
igenem Hausſtande, und zwar felbft zu Kaifer Paul's 
intricater Zeit, ohne von ihnen empfindlich berührt zu 
werden. Zwar feheint fich feit 40 Jahren dort Manches 
ur Vollkommenheit ausgebildet zu haben, was vor- die 
kn nur einen ſchwachen Anfang hatte; allein der Verf. 
dr vorliegenden Schrift verlebte fogar 33 Jahre in 
Rußland und ift auch wie es feheint mit heiler Haut 
davongefommen. Dies fei nur zur Beruhigung Derer 
bemerkt, die Schidfal oder Laune etwa nach Rußland 
führt, oder die dort Freunde oder theure Verwandte ha⸗ 
ben. Es kommt gar viel auf das Individuum an. 
Koſtlich iſt die Entlarvung eines feingebildeten geheimen 
Spions in dem Augenblicke, wo er die Hand eines lie- 
benswürdigen Mädchens aus einer achtbaren Familie zu 
erhalten hoffte. 


(Die Fortfegung folgt.) 





Zur Zagedliteratur. 
(Beſchluß aus Mr. 2378.) 


Wenn auch gerade in einer Provinz des preußifchen Staats 

u Zage gekommen, fo haben doch die Proteftantifchen Freunde 
nit ihren Kampf gegen preußifche Staatseinrichtungen. Der: 
jelbe iſt weſentlich eine Zortfegung don dem des Nationalismus 
nn die Drthodorie, nur mit der zeitgemäßen Gigenfchoft, 
daß die Praris der Kirche das Object ift, nicht allein zu ſchrei⸗ 
bende und zu druckende Bücher. Doch diefen werden wir wol 
nie entgehen. &o liegen und auch mehre davon vor. 

9. Antiorthodor, oder gegen Buchftabendienft und Pfaffenthum 
und für den freien Geift der Humanität und des Ehriftens 
tbums. Bon J. W. Hanne. Braunſchweig, Weftermann. 

1846. Gr. 8. 28 Ror. 

. Die Schrift ift und dadurch interefjant geworden, daß fie 

eine pſychologiſche Benefis des proteftantifchen Pfaffenthums, 

um des Verf. Worte beizubehalten, verjucht. Es wird zuer 
von dem Ausübenden bes geiftlichen Berufs hoͤchſte Wiſſenſcha 


in allen &ebieten, Größe des Charakters, göttliche Liebe, 
Fa ein halber Gott zu fein verlangt. wird 
begreiflicgerweife jedem auf der Erbe Geborenen nicht leicht fein, 
zu folder Höhe zu gelangen. Der hochgeborene Ariftofrat, 
die Söhne der Beldmänner und einflußreihen Bureaufraten 
verfhmähen es fih dem geiftlihen Stande zu widmen; fo find 
es meiften® nur die insgemein unbemittelten Söhne der Geiſt⸗ 
lien felbft oder aus andern untergeordneten Claſſen ber Ges 
feufchaft, die dem en Stande beftimmt werden. Diefe 
können fi nur durch geiftliche Herrfchaft für den Mangel Defs 
fen entichädigen, was ihnen ihres unangefehenen und unbemit- 
telten Herkommens wegen ſtets nerfagt bleibt: für die Entbeh⸗ 
rung äußerlicher Herrlichkeit und weltlichen a al Daher 
klammern fie fih an da& Pofitive an, ald eine für fie nügliche 
Feſſel. Sind denn nun die Prediger der guten Seite alle hoch⸗ 
geborenen, reichen und angefehenen Standes? Waren es bie 
Belfen des Nationalismus im vorigen Jahrhundert? Ja war 
nit der hochgebildete, charaktergroße und liebevolle Phariſaͤer 
Yaulus, feiner Zeit entſprechend, orthodorer als die armen und 
ungelehrten Jünger felbfi? O gewiß, der Stand influencirt 
nit, wenn der @inzelne nicht will; der Stand bat nur Be 
deutung im Raume; der Menſch aber ift frei. Darin liegt es 
aber, daß man eine foldhe unfinnige Höhe des gelehrten Wiſ⸗ 
ſens für den Prediger des chriſtlichen Evangeliums verlangt, als 
wäre er ein ägyptifcher oder indifcher Zauberprediger. Es beißt 
nit: Gott ift die Gelehrſamkeit, Dogmatik, Hiftorifche Kritik 
u. f. w., fondern: Gott ift die Liebe; und der Ruf an feine 
Verkündiger ift ergangen: Lehret die Liebe und helfet die Liebe. 
Wie aber unfere Kinder ſchon feine Erziehung haben, damit 
fie bandelnde Perfonen werden und den Willen des Geiftes 
nach der Freiheit erfüllen: fo auch unfere GBeiftlichen Feine, um 
Perfonen der Liebe zu werden und den Willen des Geiftes nad 
der Liebe in Lehre und Hülfe zu erfüllen. Die Zeit ift vor» 
über, daß man wähnte, Gott durch das Nadelohr logifcher Bes 
weife ziehen zu Bonnen. Der Herr ift von neuem unter uns 
und klopft an unfer Gemüth. Daher fehnfüchtiges Fragen und 
Ringen überall. Wird nun ein Pulver getrodneter Begriffe 
ausreichen? Der Berf. des „Antiortbodor” muß wol der Mei» 
nung fein, denn er gibt, um „feinerfeits die befonnenern 
deutfchen Volksgenoſſen und insbefondere die ftudirende Ju» 
end’ zum wahren Ghriftenthum zu führen, 66 Säge eigener 
onception, den Kern des chriſtlichen Glaubens betreffend Es 
iſt wahrhaftig nicht anders als wenn ein neuerfundenes Spe⸗ 
cificum angekündigt wird. Angehaͤngt iſt noch ein Herbarium 
von Auszügen aus Schriftſtellern von Plato bis Fichte jun. 


Aus der Begierde, einmal etwas Zeitgemäßes zu fchreiben, 
feheint auch entflanden zu fein: 


10, Die Schrift, Chriſtus und der Geift, in ihrem Verhaͤlt⸗ 
niffe zueinander dargeftelt von Heinrih Eduard 
Schulge. Berlin, Mittler. 1846. Gr. 8. 9 Nor. 


Die Schrift fei verworren; das urfprünglid und neu in 
Chriſtus Gegebene fei Durch den richtenden Geift vermöge des 
Koͤders der een Kritik ſozuſagen hervorzuangeln. Was 
nun ber Berf. als Solches gefunden, ıft die Idee der Kindfchaft. 
Die Überzeugung der Wahrheit und GBöttlichleit diefer Idee 
beruhe auf dem Vergleiche derfelben mit unferm eigenen, inner- 
ften Heiligthume, dad uns durch den von Ehfifto ausgegange- 
nen Geiſt aufgefchloffen fei und in dem wir, nachdem wir durch 
Ehriftum zum Bewußtfein darüber gefommen find, daflelbe faͤn⸗ 
den. Gleichzeitig wird aber doch die biftorifche Kritik aufge 
fodert fi) zu bemühen, beſſer als es ihr bisher gelungen das 
neue und weſentlich Ehriftliche herauszufinden! Alſo das ei- 
genfte und innerfte Heiligthum des Menfchen, des Kindes Got: 
teß, ift Nichts gegen die Weber der Hiftorifchen Kritik! In der 
hat, man wird einen Mohren nimmermehr weiß wafchen. 
Auch die Kindſchaft fol Nichts weiter fein als das äußere Ver⸗ 
hältniß zu einem Vater. Dann aber wächſt der Menfch nur 
neben Gott hin, während er doch zu ihm und in ihn wachfen 








1116 


U, aus dem Pindlichen Keime des Gemuͤths. Die That des 
emüths ift aber nit Forſchung, nicht hiſtoriſche Kritik, fon: 
bern betender und beifender Glaube, Liebe, die That eines 
Kindes zwar, aber eines folchen, welches nicht neben, fondern in 
dem Bater if. Der geiftliche Theil der Kirche tft durch Lehre 
und Külfe das göttliche Bindungsmittel. ine evangelifche 
Kirche wird nicht eher Wahrheit werden, bis fie nicht dieſe 
Kraft errungen und Freiheit ihrer Handlungen daraus erhal: 
ten bat, dem Gefege Sottes allein gehorfam, welches die Offen: 
barung, verfündigt. 
iefe Betrachtung führt uns von den Büchern fort zu dem 
kirchlichen Streben der Proteftantifhen Freunde, worüber uns 
folgende Schrift belehren foll: 


Il. Die Proteftantifhen Freunde. Eine Selbftkritif. Send⸗ 
fhreiben an Uhlih von ®. Zfhiefhe. Altenburg, 
Helbig. 1846. Gr. 8. ge. 


Apgefehen von allem Wortftreit in Symbolik, Kritik, Hi⸗ 
forie u. f. w. ift das Hauptmoment der Proteftantifchen Freunde: 
a6 Princip der freien Gemeinde, als der wahre Begriff der 
Kirche, vermöge deſſen der Unterfchied zwifchen Geiſtlichen und 
Laien, zwifchen Pfarrherren und Pfarrkindern aufgehoben und 
die wahre Gemeinfchaft des Menſchen mit Bott durch den Hei: 
ligen Geift Jeſu Chriſti geſetzt fei. Es ift begreiflidh, daß Dies 
fes Yrincip auch ohne Berufung auf das nationale Trachten 
den weiteften Anflang finden muß. Die Freiheit ift der fchönfte 
Rame. Aber vergegenwärtigen wir und die Praxis folcher 
freien Gemeinde, zu der auch gewiß die Frauen gehören müſ⸗ 
fen, fo wird fie dem forfchenden Willen der Geiftlichen gemäß 
Hifterifche Kritik fein, damit die Dogmatit immer fombolifcher 
und det Geift immer freier werde. Das ift in der That dem 
Willen Sotteb fehr gemäß. Der Geift, als erfennender Ber: 
ftand, kennt freilich nur freie Handlung, feinen Willen; der Wille 
Gottes ik aber nicht mein Wille, und erft durch Religion foll 
ich zu ihm kommen. Diefe ift aber nicht meine Handlung, fonft 
brauchte ih ja an Peinen Gott zu glauben; es tft der Wille, 
den ich fühle, aber nie erreiche, defien Danach betendes Kind 
in der Kirche ih bin. Und foll ich zu diefer weſentlichen That 
der Religion nicht eher fähig fein, als bis ih, auch ald freie 
Frau, ſaͤmmtliche hiſtoriſche Kritik, felb fo roh fie jept noch 
ift, alfo mit Haut und Haaren in mi genommen? Die relis 
giöfe That des Ehriften muß jr einfach fein; denn Gott ift 
die Liebe, und der Menſch überhaupt braucht zur Religion nicht 
die Freiheit feined Verſtandes, fondern die Gebundenheit feines 
Glaubens. Zweitens aber wird durch jene Princip die in der 
Zukunft wahre Kirche mit einer zeitlichen Kirchengemeinde da- 
von identificirt, dieſe ald das Wefen jener gefegt, woher Ber: 
brödelung und Ohnmacht kommen muß. Aber nicht die nad) 
dem Meere zurüdftrömenten Flüfie jeugen Selbiges, fonderr 
deſſen ausftrahlendes und in einer bewegenden Quelle nieder: 
fehlagendes Sein jene. Das Meer ift die in der Zukunft wahre 
Kirche, ale Reich Gottes, deren erfannter Wille den Beiftlichen 
als eine Quelle bildet, die den Fluß der Gemeinde bewegt. 
Der Wille ift die Liebe, Gott ift das Meich der Liebe und ihre 
Erkenntniß fommt aus dem Glauben, nicht aus Dem Berftande. 
Die Gemeinde ringt, betet nad Erkenntniß des Glaubens aus 
dem Grunde des Gemüths, wie die Phantafie nach Verſtand; 
der Geiſtliche lehrt ihn; er ift Ehriftus in der Zeit, der Sohn 
vom Bater audgegangen, um ben Heiligen Geiſt, das betende 
Gemuͤth, fließend zu machen. Er iſt alſo das Haupt, der Re: 
gent der zeitlichen Kirche. In der Batholifchen ift Die Regent: 
ſchaft der Geiſtlichen in Einen concentrirt, in der evangelifchen 
regieren viele Landesherren. Auch bier ringen die Geiftlihen 
nach Regiment und fügen fi) dabei mehr oder weniger auf 
die Gemeinden. Die Proteflantifhen Freunde wollen ganz in 
fie untertaugen. Das Regiment der Geiftliden in der evan⸗ 
gelifchen Kirche ift neuerdings durch Bunfen bedeutend hervor: 





— —— — — — 


Fa ub — treinſtimmen und ohne fein Bet 


13. Die Knechtsgeſtalt der evangeliſchen Kirche, oder Noch 
und Hülfe. Ben Heinrich Thiele. Zuͤrich, R 
Seller. 1846. * 8. — Ari, Bon ı 
Bir glauben demnach urtheilen zu koͤnnen, daß das Bat 

von Bunfen Vorläufer und Vorredner der Handlungen di 

preußifhen Kirchenregiments gewefen ift 

B- Marquarbd. 





Miscellen. 


Bas iſt Wahrheit? 

a a — —— St eines , das dieſen Ge 
genſtand behandelt, ert von Cherbury, einen eige 
thuͤmlichen Begriff von der Wahrheit, der ſich jedoch In m 
lich allen pietiftifhen und gemütbhsfchwärmerifchen Leuten wi: 
berfindet. Als beſagter Lord Herbert nämlich mit feinem Bude 
„De veritate‘ zu Ende war, befielen ihn peinigende Zwei, 
ob er daffelbe veröffentlichen folle oder nicht. Um aus kieem 
Ungftigungen zu kommen, fiel er auf die Knie und flehte p= 
Dimmel um ein Beigen der Zuſtinunung. Es ward ikma 
einem „übernatürlihen Geraͤuſch“, welches er ſelbſt als „Iut‘ 
und doch „ſehr leiſe“ ſchildert. Auf diefe Weife Bam tu Ei: 
zu dem Glück de veritate unterrichtet zu werden. 


Eine verfehlte Artigkeit. 

Die oberfte Magiftratsperfon einer englifchen Stadt, med 
durch einen organifchen Fehler der Spra werkzeuge den != 
H nicht auszufprechen im Stande war, follte den König Bi 
beim IV. auf feiner Durchreiſe durch den Drt mit eine % 
rede begrüßen. Er that Dies in bombaftifcher Weife mit 3 
genden Worten: „Wenn zuPünftige Zeiten der Thaten En. 
jeftat gedenken, werden fie fügen, daß Sie ein Held (an Hs 
gewefen find.’ Unglüdlicherweife fam durch dat Herausice 
ein, aber ftatt des „Held“ ein „Nero“ (a Nero) um ge 

ein. _ : 





Literarifche Anzeige. 


In meinem Verlage ift erfchienen und dur alle Buchhantiui" 
zu beziehen: 


Luther's Leben. 


Erfte Abtheilung: 


Futher von feiner Geburt bis zum Ablaßſtrrit 
483-1517) 


Bon 
Karl Kürgens, 
Zweiter Band. 
Gr. 8 Geh. 2 Thlr. 15 Nor. 
Der erfte Band wurde zu Anfang diefes Jahres ausgszd“ 
und bat denfelben Preis. 
Reipsig, im September 1846. 
5. A. Brockhaus. 


— — 








— — — — — 


Berantwortlicher Herausgeber: Geinzih Brockans. — Druck und Verlag von J. N. VBrockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für u 





iterarifhe Unterhaltung. 


Nittwoch, 


7. October 1846. 





Die neueſte Literatur über Rußland. 


Erſter Artikel. 
(dortſetzung aus Nr. 299.) 


Der Abfchnitt „Juſtiz“ iſt voll geiftreicher Re⸗ 
tionen, dürfte aber wol am menigften befriedigen. 
hin, wo Nichts iſt läßt ſich allerdings nicht Viel be- 
Öten. Es Heißt (II, 199): 

Jurisprudenz gehört in Rußland unter die Allotria und 
uertlta. In Petersburg und Mosfau Tann man die Rechts» 
Hehrten wie Diogenes mit Der Laterne fuchen. Bei Lage fin: 
rt man Beine, und in der Nacht ift keine Spur von ihnen zu 
Weden. Niemandem ift es je eingefallen, wenn auch nur 
kofamen davon in ber Beamtenkafte zu fuchen... Was i 
ı der Refidenz unter dem beutfchen Abvocatenſtande von F 
ae, iſt rabuliftifcher, aber nicht juriftifcher Art, weil fie vom 
ken Alles, vom Leptern Nichts gebrauchen Tonnen. Dieje⸗ 
gen Advocaten, die fich mit den Secretairen in den Burcaus 
rkändigen und durch fie wiffen, welcher Entfcheidung in 
te pendente lucrative At a und die 
mftinde benugen, ftehen fi am beften. &ie haben deshalb 
ingt die Jurisprudenz, die fie vom Auslande mitbrachten, an 
n Ragel gehängt und dafür die in Rußland unensbehrliche 
emtraglihe Wiſſenſchaft einftudirt, die allen Ruflen angeborene 
Frutſhtiwiſſenſchaft, zu Deutfch Hakenwiffenfchaft, d. b. Inder 
gan aber möglichen Kniffe und Spigbübereien. Danach wird 
dab poßtide Recht tractirt und maltraitirt, je nachdem die Um: 
tände gebieten. Indeß wird auch dabei auf das Raturrecht 
Rüdfiht genomnıen ‚ quod natura onınia animalia docuit... 
Mm Petersburg und Moskau advorirt übrigens Jeder, der zu 
er Rruffihkiwiffenfchaft einen innern Beruf fühlt. Der Co⸗ 
iß der Serretair, der außer Brot Geſetzte, der verabfchiedete 
Mer, Alles was Winger hat j ſchreiben und Bunge zu be: 
"gm, gaunert als Streptſchnik in den Falten des Unterrocks 
" gefälligen Ihemis herum. Fand ich doch in diefer Ehren: 
zen auch einen abgedankten ruffiihen Kaufmannsprifa- 


N (Eommis), der fih zu recht anſehnlichen Gefchäften braus 
ef. 


ließ 

So fand Ref. es allerdings vor 40 Jahren; aber 
? Verf. erwähnt nirgend der vom Prinzen Peter von 
ldenburg geftifteten Rechtsſchule: gibt denn diefe nicht 
enigftens für die Zukunft einige Hoffnung zum Beſſern? 
ut ın den Gerichtshöfen ber Oſtſeeprovinzen fand ber 
erf. rechtsgelehrte Advocaten, die aber nach und nad) bei 
Mm Verfahren mit Dorpat eingehen werben. Gin folcher, 


amens Struve, glaubte Rußland einen Dienft zu leiften, 


um er eine allgemeine Gefchäftsorbnung für das Reich ent: 
erfe, woran es wie der Regen einem dürren Sommer fehlte, 
sit und fehlen wird, weil gerabe Ordnung ber vortreffliche 
eſen wäre, der daß Kehrig in einem Binkel zufammenfegte 


und Reinlichkeit und Reinheit in die Staatskammer braͤchte. 
In einer geordneten Haushaltung läßt ſich jede Unordnung 
entdecken, ergo fort mit der Drbnung die auf. Finger und 
Sachen gudt. (I, 202.) 

Das Manufeript, welches der Verf., aller Anden- 
tungen nach felbft Jurift, gelefen und hoͤchſt zweckmaͤßig 
gefunden, wurde den beiden Directoren der Geſetzeom⸗ 


miffton übergeben, aber fehr kalt aufgenommen. Spe⸗ 
ranski beachtete es gar nicht und Balugianski äußerte 
darüber höchſt charakteriftifch : 

Eine Gerichtsordnung braucht Rußland nicht. Das ſind 
Ideen. für Deutſchland, die Deutſchen können uns aber nicht 
belehren, was in unferer Zegislatur nöthig ift. Die Gerichts⸗ 
ordnung ift bei uns mufterhaft, und Bein Staat ann fi in 
diefer Hinfiht Rußland gleichftellen. (DI, 203.) 

Die Regenten Rußlands haben fhon in früherer 
Zeit an eine Gefeggebung gedacht, befonders war es 
aber Kaifer Alerander, der Ernft damit made. Er 
fegte eine Commiſſion nieder, die kaiſerlichen Ukaſen, bie 
einander widerfprachen, zu ſichten und zu ordnen. Es 
war eine Derculifche Aufgabe, und fie gerieth noch dazu 
in ungeeignete ſchwache Hände. Roſenkranz hieß, wenn 
Nef. ſich vecht erinnert, der wohlbezahlte Vorſtand. Es 
ging damit nicht vorwärts. Der KHaifer griff nachhalti⸗ 
ger ein, und noch mehr Kaifer Nifolaus. Der Verf. 
fagt (II, 197): | 

Ih bin überzeugt, der Kaifer Alerander ſowol als fein 
Nachfolger hatten in ihrer Idee nicht blos eine Mfafenfamm- 
lung vor Augen, als fie der Gefegcommiffion befahlen, ein Ge⸗ 
ſerbuch für das ruſſiſche Reich abzufaſſen. Der Körper ff), 
den vorzüglich Der gegenwärtige Kaiſer erwartete, ift nicht Das 
geworden, was er fich verſprach. Er wollte gewiß Vollkomme⸗ 
nered. Seine Abfiht war’ gut, er wollte Recht und Geredh: 
tigkeit, Das bewies jeder Schritt gleich im Anfange feiner Res 
gierung. Allein tiefgewurzelte Übel konnte er durch Gefege fo 
wenig ausrotten als ein Kranker fih zu heilen vermag, wenn 
er dad papierene NRecept des Arztes verfchludt. Rußland hat. 


Nichts gewonnen, daß die Bedruͤckung nad einem Eoder ge: 


fhieht. Einige Hundert Eennen die Gefege, 30 Millionen, die 
danach gerichtet werden, Pennen fie nicht, und Diejenigen vor 
ihnen, welche von dem Vorhandenſein eines Eoder gehört har 
ben und fih Recht danach holen wollen, fommen mit Ruthen 
für fi felbft zurüd. ’ 

Jetzt ift ein Codex da in 14 Zoliobänden, von 
unmwiffenden Menfchen ohne Rechtskunde, ohne Syſtem, 
ohne Philofophie zufammengefihmiert. Nun erfcheint jähr« 
lich ein Supplementband, der die Ukaſen enthält, wodurch 


"frühere aufgehoben werden. Da jeder Einfall des Re⸗ 





(eu "Wurr 4 See gi zu SE ie Eu DO > ee 


18  , 


genten ein neues Geſet bildet, wobei gemeinlglich auf 
frühere Regentenbeftimmungen feine Rüdfiht genommen 
wird, ohne daß dadurch ihre Gültigkeit aufgehoben ift, 
fo läßt fich leicht denken, wel ein Chaos ſich bilden 
muß. Daß der befte Wille- zumeilen den Ukas bictirt, 
ift in der Hamptfache unbedeutend. Wie glücklich wäre 
es für Rußland, wenn es eine Gerichtsordnung und po⸗ 
fitive Gefege hätte und der Autokrat groß genug bächte, 
feine Stellung nicht über fondern im Geſetze zu neh: 
men! Der Verf. läßt am Ende des Abfchnitte einen 


von den ruffifchen Gerichten hoͤchſt Gemishandelten feinem. 
Proceß erzählen: ob die Wahl ganz glücklich mar 


. "Der - dritte Band fpricht im vier Abſchnitten über: 
„Stimmen aus dem Kerker.” „Kirche. Schule.” „Dffent- 
liches und Privatleben. Bürgerftand. Adel” „Regie 
zungszeit Nikolaus’ 1.” Der Verf. führt uns im erften 
Abfchnitte nicht in das Gefaͤngniß, in welchem Diejeni- 
gen ein ziemlich freies Leben führen, ‚die falfche Wech⸗ 
ſel, Bankrott, Unterfehleife u. f. w., die über 300,009 
Nubel betreffen, ſondern in das Griminalgefängniß, mo 
vorzüglich die Gauner figen, die fid bei kleinern Gau⸗ 
nerelen haben ertappen lafien, ober todeswürdige Ver⸗ 
brechen begangen haben — oft auch nur berfelben ver- 
dächtig find. Diefe Staatsanftalt ift ſtets fehr bevölkert, 
deum die oben gefchilderte Policei und Juſtiz liefert veich- 
liche Opfer. Der Berf. erhielt feine fchauderhaften No- 
tigen von einem wahrbeitsliebenden zuverfichtlihen Mann, 
der über ein Jahr im Gefängniffe gehalten wurde. 
SM Das möglih, wenn er nicht ſchuldig wart D ja; 
denn Wen die Policei oder. der Gerichtöhof will einfper- 
ren laffen, gleichviel wofür, wird eingefperrt, ohne Mo⸗ 
nate lang zu erfahren warum, und wird auch gleich be- 
handelt als fei er ein Verbrecher. Diefer Mann wurde 
in das obere abelige Stockwerk gefchoben: ſechs geräumige 
Zimmer, ſaͤmmtlich erfüllt, größerntheils mit Verdienftadel 
(ruſſiſche Tſchinowniki), Beamten aus allen, auch den 
hoͤchſten Behörden, aus dem Senat, den Tribunalen 
u. f. w., die meiftene Gelder unterfchlagen, falfche Do⸗ 
cumente fabricirt und dergleichen kleine Künfte geübt 
haben; Trunkenbolden oder Beier aller Art, Alle gebo- 
rene Rufſen, und darunter manches unfchuldige frembe 
Opfer ber niederträdtigfien Cabale. Doc wir können 
nicht den Verf. in biefe ekelhaften, grauenvollen Höhlen 
des Elend und namenlofen Jammers begleiten. Wir 
würden ihm nit glauben, wenn wis nicht in je- 
dem Zuge das Nationalgepräge ertennten. ,, Kicche. 
Schule’; über die erftere das Bekannte: „Der Cha- 
rafter der ruſſiſchen Religion ift Bilderdienſt, Anbetung 
dee Heiligen und Übung einer Menge äußerer Geremo- 
nien als Pflichten in der Gottesfurcht.“ Was die Schu⸗ 
len betrifft, fo ift allerdings, wenn es ſich damit fo ver- 
Hält wie ber Verf. fagt, ein mächtiger moraliſcher Rück⸗ 
fhritt zu bedauern; denn Ref. kannte befonders die 
deutſchen Schulen in ganz anderer Verfaffung und Rich⸗ 
tung, weit entfernt zu ruffifieiren, und groͤßtentheils 
mit gefſchickten und würdigen Lehrern (meiftens Auslän- 
been) verfehen. Damals lernte die männliche umd weib- 


liche gend der civilifirten Staͤnde recht Biel un 
mit Geift, nur daß der vornehme Ruſſe fih, fe 
bald er die Schule verlief, von aller Wiſſenſchaf 
lichkeit abwandte. Dies ſcheint fi aber doch in 
weuerer Zeit fehr geändert zu haben, und an va 
neuern ſchriftſtelleriſchen Producten der Ruſſen ift ca 
folcher gänzlicher Verfall der Geiſtesbildung doc auf 
nicht zu bemerden, wenn wir auch ihre Richtung fein 
wege in Schug nehmen wollen. Es ift aber mehr al 
ungerecht, wenn ber Verf. die von uns geäußerte und 
zu unferer Zeit volllommen gerechtfertigte Hoffnung: Ruf 
land fei beftimmt europäifche Eultur in den Orient m 
tragen, für Papageiengefhmäg erklaͤrt. Und ift ei dm 
fo tadelnswerth, eine Nation auf ein würdiges Ziel af 
merffam zu machen? Daß es felbft den Ruffen vorſchweht, 
erhellt aus dem Werke eines fehr gebildeten Ruffen, deſſen 


Anzeige diefer folgen wird. Die Berbannung des dat 


[hen Elements in den Schulen mag wol vorzüglich dx 
Schuld am gegenwärtigen Verfalle tragen. „Offentlichei 
und Privatleben. Bürgerftand. Adel,” Hier ift eigentid 
blos vomNationalleben ber Ruffen unter ſich bie Rede; mit 
aber von dem gemüthlid, und geiftig höchſt behaglige 
ben in den Kamilien der 30,000 Deutſchen, Fra 
und Engländer in Petersburg und auch in Mun 
Bon diefem gibt die ganze Schrift kaum eine Ahmmı 
es gehört aber mwefentli zum Ganzen, denn ohne fi 
ſes würde ber gebildete Fremde in Rußland nid |! 
oder gar wie ber Verf. 33 Jahre leben können. Dr 
Schilderungen des ruflifhen Lebens ſind treffend m 
zum Theil hoͤchſt ergöglich; doch gibt es auch unter de 
ruffifhen Häufern felbft mande Ausnahmen. „Rt 
tungszeit Nikolaus’ J.“ Diefer Schlußabſchnitt if ı 
mehr als einer Hinſicht wohl zu beachten, beſonders m 
Deutfchland in Hinficht ber offen dargelegten moskowitiſce 
Politik. Vom Kaifer perfönlih ſpricht der Perf. mi 
Achtung und weit nur bier und da nad, daß er a 
einem falſchen und verberblihen Wege fei mit fen 
Ruffificrung, welche bie wenigen noch vorhandenen d 
lern Keime, denn Ruflande Cultur entfprießen kant, 
toͤdtet. Von ber Palferlihen Familie ſpricht u MR 
mit Enthuſiasmus. Uber den Aufſtand bei der äh 
befleigung geht ex leife hinweg. Über die polnifhe I 
volution erfahren wir mehre imtereffante Details. Mit 
biefe gehaltreiche verbienfllihe Schrift, bie und wird 
in das innere Leben Rußlands führt, da Beachtung ir 
den, wo die Macht iſt manche der gerügten üÜbelſinde 
zu heben und bie nicht zu hebenden ſchreienden Werhälteift 
mwenigfiens zu ordnen und dadurch ertwäglicher zu machen 


(Dei Beſclus folgt. ) 





Karl ber Große. Druchſtüche aus der Rattonalgefhidtt 
Darmſtadt, Jonghaus. 3845. Er. 3. 20 Rgt. 

Der Berf. diefer Meinen Schrift if, wie die Unterfäri 

des Vorworts zu erkennen gibt, kein geringerer Dann au 

der auf dem Feide der Diplomatie, der Findifhen Wirkjanti 

und der Wiſſenſchaft aUbekannte Freiherr von Gagern. 8° 


1119 


n wir nach der Entſtehungögoſchichte und nad Lem Ürunds 
wi Beröen dung dieſes Bahia, fo —8 wir es für 
daß Rurhfamfte eraͤchten, den Verf. in feiner Sch ir 
die ſich natuͤrlich auch Bier nicht verleugnet, ki reden zu lafs 
im, um fo mehr, da Manchem unferer Leſer dadurch wieber 
Gtwas ind Gebächtniß zurüudgerufen werden wird, was bem: 
fefben entfallen fein möchte: 

„Politiſche Gründe beſtimmten mich ſchon vor vielen Jah⸗ 
ten, die Natlonalgeſchichte zu verſuchen, von ben älteflen Er⸗ 
imerungen bis wir in Deutſchland ein Wahlreich wurden; ale 
ungefähr das erfte Iahstaufend unferer Beitzerhnung. Weiter 
ging meine Abſicht niemals. Bu Wien ließ ich den erſten ZHeil 
eikrinen, als eben die merkwuͤrdige Epoche anfing, die wir 
jegt den Refeeiungefrieg nennen die abes Damald noch Feines: 
wegd günftigere Geftalt angenommen hatte. Die Erſcheinung 
wurde als ein Manifeft, als eine Ermahnung, als eins Be» 
feftigung in beſſern Erwartungen begrüßt und günftig aufge: 
nommen. Gleich anfangs bezielte ich drei Theile: 1. Bis zum 
Gothenreich: 14, bis zum Frankenreich, und III. bis gur Iren 
mung von Reuftrien und Auftrafien oder von Gallien und Ger» 
manien Die Zitel waren zwar anderd, aber die Bade fo. 
Doc ich eilte damit keineswegs, und jener zweite erſchien arſt 
nach geraumer Zeit. (Er fand wenig Eingang: erflend eben 
wegen diefer Unterbrecyungen ; zweitens weil viele in ihrer Art 
tütige Männer fi) mit demfelben Gegenſtande befaßten und 
ein Ganzes der beutfchen Geſchichte lieferten, drittens weil 
Biele den Schluß meiner Arbeit abwarten wollen; viertens 
endlich, weil der erfte u feamue verrauht war, das Be: 
dürfniß gleichfam aufgehört hatte, die Warme ſchon erzeugt 
!dien. Meinen Borfag konnte Das zwar nicht fördern, aber 
ih blieb dabei doch ebenfo feft als bei meiner Gemaͤchlichkeit. 

aonum in annum ift laͤngſt übericritten; senectutem 
oblectant blieb für mich wahr; den dritten Theil, wovon noch 
tie Frage ift, beſtimme ich nun nit dem Buchhandel, fondern 
\mmt den übrigen zu Geſchenken an beutfche und amerikanifche 
höhere Schulen. @ie mögen fehen wie fie es gebrauchen wol 
kn. Rur der 35. Abfchnitt, Karl der Große, fchien mir zur 
Yusnahme geeignet und von allgemeinerm Interefies dod aus 
manden Gründen, ohne die zahlreichen Noten, die mehr für 
den Gelehrten und eben jene Lehrer beftimmt find.’ 

Wir lernen aus dieſen Außerungen des berühmten Verf. 
Zweierlei. Erftlih gibt auch die mit feinem Werke gemachte 
Erfahrung zus erkennen, daß die eigenthämlichen Regungen, 
Vuͤnſche und Anſichten, die fi) während des — tie: 
ges und durch denfelben gebildet hatten, und die felbft nicht 
ohne Einkuß auf die Beurthellung der Gefchichte des beutfchen 
Mittelalters und feiner hervorragenden Perſoͤnlichkeiten waren, 
einen ſchnellen Wechfel erfuhren. Mad, einem Saum zehmjähei: 
gm Beitraume trat eine ruhigere hiſtvriſche Yorfefung ein und 
ein beſonneneres Wirken der Miflenfgaft an die Stelle derie 
nigen Beftrebungen, die das Sit, was der Reuzeit aufgehen 
ſollte aus dem Mittelalter zu entlehnen fuchten. So hatte 
man denn auch Karl den Sroßen als das Ideal eines beutfchen 
Herrſchers wieder bingeftellt und namentlid mit einem gewif- 
kn patriotiſchen Feuereifer zu zeigen ſich bemüht, daß Rapo- 
leon nicht werth fei ihm die Schuhriemen mufzulöfen, obſchen 
es auch auf der andern Seite Einzelne gab, bie Beiden um 
ihrer Eroberungsiuft willen vor dem Kichterſtuhle dev Menſch⸗ 
heit ein Bexdammungsurtheil auswirken zu müflen glaubten. 
Nittlerweile hatte aber, wie wir ſchon bemeriten, bie Veſon⸗ 
nenheit der hiſtoriſchen Wiſſenſchaft wieder Platz gegriffen, und 


i der Geſchi reiche und 
nen Def 0 Gaiden 6 06: m 
nım gegeben if, eine erſ e und unparteiffche Biographie 


des großen fraͤnkiſchen Herrſchers zu tiefem, wenn fi$ nur 
der Kann fmden wollte, dem bie Kraft, Kenatniſſe und Ber 
hältniffe erlaubten, die ſchwierige Aufgabe zu öl ‚ Leider 
ward der Mann, des fi) durch die Herausgabe von Einhard's 
„Vita Caroli M.“ ſchon tüchtig vorbereitst Hatte, der jümgere 


Idelar, ein fröhgeitiges Opfer feines raeitgueifenden wiſſta⸗ 
ſchaftlichen Thaͤtigkeit. Des Bmweite, was wir ass ben ‚Kite 
ten unſers MWerf. abnehmen können, iſt eine gewifie Gimüthse 
verfümmung, die fich recht wohl erklaͤrt, nicht etwa aus einst 
gewöhnlichen ſchriftſtelleriſchen Eitelkeit, fendern vielmehr aus 
dem Gegenſatze, in welchen fih feine Grundfäge, Beftrebungen: 
und Wuͤnſche mit den Richtungen, Buftänden, und wenn man 
will, mit gewiſſen Verblendungen ber Zeit verfeht fehen. Une 
Gagern iſt auf der einen Seite ein viel zu patziotifch gefinz=: 
ter und gerader Mann, auf der andern Seite ein viel zu ſcharf 
ausgeprägter wad durch den Reichthum der Lebenserfaheungen 
unabhängig gewordener Charakter, als daß ex der großen Heer⸗ 
fteaße gewöhnlicher Meinungen folgen oder fi unbekümmert 
um höhere Intereflen und deren Gefahren in den Onmibus des 
gemeinen Verkehrs fegen follte. Es fieht ihm daher ganz aͤhn⸗ 
li, wenn er mit feinem geifligen VBermächtniffe für Amerikas 
Schulen und Lehrer erinnert willen will an Scipio's weltbe⸗ 
kannten Ausſpruch: „Undankbares Baterland, nicht einmal 
meine Ufche jolft du haben!” Hoffen wir, daß Die amerikanie 
hen Deutichen ein empfänglidderes Herz für feine geiftig- par 
triotiſche Hinterlaffenichaft bejigen und dankbarer find ais die 
europärfchen Volksgenoſſen, und daß auf dem Boten des neuen 
Gontinents die Früchte gedeihen mögen, zu Peren Erzeugung 
er theils das alte Europa nicht mehr für fähig hält, theil# - 
de Bewohnern nicht mehr zutraut, daß fie fich mit der 
Pflege diefer Früchte befaſſen wollen! 

Sragen wir jegt, was der Verf. in feiner Moncgraphie 
bes wiftenihaftlihen Welt vorgelegt bat, fo bürgt ſchon fein 
Name dafür, daß fie nichts Werthloſes qus feiner Feder er 
pfangen werde. Wir können zwar nicht fagen, daß diefe Mo⸗ 
nographie eine ganz befondere Auszeichnung verdiene, oder daf 
fie der hiſtoriſchen Wiſſenſchaft einen weſentlichen Dienft leiſte, 
was von ihrem befehränkten Umfange fi auch füglich nicht er⸗ 
warten läßt; aber wol gibt fie ein gut getroffenes umd dem 
li vollſtaͤndig ausgeprägtes Bild des großen Kaiſers; es iſt 
nit möglicher Genauigkeit nad den Quellen gezeichnet und 
druͤckt vorzugdweife die yolitifche Größe Deffelben aus, und es 
bat ſtets wicht nur ein befonderes Intereffe, fondern au in 
der Negel einen verzügliden Werth, wenn Staatsmänner über 
politifche Begebenheiten oder politiide Berühmtheiten fi aus: 
ſprechen: man lernt befonders in gewiffen Beziehungen, aus 
ihren Unfichten und Urtheien beimeitem Dicht ats aus den Dar» 
flelungen der gewöhnlichen Hiſtoriker. Daß der fränkifche 
Monary dem Verf. als ein wahrhaft großer Mann erfcheine, 
als ein Meteor das feine Beit erleuchtete, ließ fich erwarten 
und ann Hier nit unerwähnt gelaffen werden, weil eine völs 
lige einftimmung keineswegs obwaltet. 

Sehen wir nun noch auf die Urt, wie der Berf. feine 
Monographie gehalten hat, fo zeigt ſich die Darfkellung etwas 

iſch, iſt viekfach durch poetiſche und profaiſche Stellen 
aus den Urkunden oder auch aus Montesquieu unterbroden 
und knuͤpft fi an die chromolegifche Neibenfolge der Be 
gebenheiten an. Dagegen find die zahlreichen Roten — «6 
find deren nicht weniger als — nur dur Buhlgeidhen 
angedeutet, aber felbf nicht beigedruckt: fie follen allein dem 
Lehrer zur Erklaͤrung des Zertes dienen, der fir die Schüler 
beftimmt if. Diefer Umftand ſchließt denn auch die möge 
keit aus, die ganze Urheit Des Verf. zu überfehen und zu beur- 
theilen: man kann nur im Xügemeinen auf ben Umfong ‚ 
felben und die Studien, die ihr zum Grunde liegen, fchließen. 
Seinen Vorgängern, Leibniz, Heinrich von Bünau, Hegewiſch, 
Dippold, dem Franzoſen Gaillard, läßt der Verf. Ger 
wiberfaheen. Beſonders aber ift es und erfreulich gemefen, da 
er fo anerkennungsvoll von Bascov'6 ,Commentarü etc.’ 
ſpricht, und er hat ich felbft die Mühe nicht erfpart, in Leip⸗ 
gig und an andern Örten nach Maseon’s Manufcfipten zu fur 
Hm, die über die Barolingifche Periode handelten, wie aus der 
Borrede zu jenem Werke bervorgeßt, die jegt aber verſchwun⸗ 
den zu fein fipeinen. Aus den foeben gemachten Bemerküngen 


TE EEE ——— — —— 


1120 


geht übrigens deutlich hevoor, daß bes Verf. Werk, wenn es 
voilfrandig verdffentlicht worden wäre, ein ziemlich umfangrei⸗ 
ches Voltimen fein müßte, da es mit dem Terte der benutten 
Qusllenabfchnitte auch die neuere Literatur darbieten würde. 

- Bir Pönnten nun unfere Anzeige fchließen; allein wir glau» 
ben es unfern Lefern ſchuldig zu fein, ihnen die Parallele, die 
ber Verf. zwifchen Karl dem Großen und Rapoleon gezogen 
und am Ende feiner Monographie der allgemeinen Eharafteri- 
ſtik des Erſtern angefchioffen bat, bier mitzutbeilen. Sie lau: 
tet auf folgende Weife: 

„Kein anderer Fürft war feit Karl dem Großen fo fehr 
Kaiſer in dem Decident als Napoleon, fo fehr Herr und Ge⸗ 
bieter zugleich in Frankreich und Deutfchland, und in Italien, 
in Holland und der Schweiz, mit Allem, was je Burgund 
hieß. Mit ähnlichen, ja mit gefteigerten Tendenzen nad) Spa⸗ 
nien bin und der Weichſel, nach dem Drient unabfehbar. So 
fehr waren Beide in Avarien oder Ungarn mächtig, daß unfer illu> 
ſtrirter Zeitgenofle zu Presburg Frieden ſchloß. Nur war ber 
Pipinide überlegter, vorſichtiger und wandelte auf gewiſſern 
Bahnen als Napoleon Bonaparte. Beide waren nit Mei« 
ſter zur Sec; freilih in ganz verfchiedenen Lagen und Propor⸗ 
tionen. Aber Sorge und Bekümmerniß wandelte Beide fee 
mwärts an. Der ine, weil er in die Zukunft jah, der Andere, 
weil er bei Zrafalgar es fo fehr empfand. Zapfer waren fie 
wol in gleichem Grade; aber das ift ein gemeine Xob. Ber: 
glichen als Pelbherren war Napoleon unftreitig größeres Ge⸗ 
nie.. Er hatte mit ftärkern, oft überlegenen Kräften, mit ganz 
gleichen Waffen und Kriegsfunft, mit ebenfo tapfern Heerſcha⸗ 
ren zu thun als die feinigen nur immermehr. Feuergewehr 
aler Art war damals noch unbefannt, ein grobes Geſchüͤtz 
und deflen prompte Verwendung am rechten Drt; und von der 
Seite betrachtet wird folche Vergleichung der Reuern mit den 
Alten ftetd lahm bleiben. Und folche Bewandniß bat ed mit 
den Numerifchen der Armeen. Karl's Deere waren noch von 
den harten Schladten mit den Mohammedanern, ja aus den 
Bürgerkriegen der Majordom zwifchen Reuftrien und Auſtra⸗ 
fien an das Kriegshandwerk im Großen, und mit und gegen 
ale Waffengattungen ihrer Zeit mehr gewöhnt und geübt. 
Denn die Sachen, zwar ebenfo muthig und entfchloffen, kann⸗ 
ten doch nur Pleinere Fehden in noch ungefchlichteten föderali⸗ 
ftifchen Verhaͤltniſſen. Beide große Feldherren wußten mit un 
gemeiner Schnelligkeit auf dem felbftgewählten oder in Aus⸗ 
fiht genommenen Kampfplage zu rechter Zeit zu erfcheinen, 
durch Fühnen Angriff Eindrud zu machen, die feindlichen Heer⸗ 
baufen zu trennen, oder ihrer Bereinigung zuvorzukommen, 
und den Sieg rafch zu verfolgen. Karl konnte fih noch mehr 
auf die Söhne verlafien als Rapaleon auf feine Keldherren. 
Beide brausbten die Bundedgenofien und ſelbſt Fremde und 
Befiegte mit gleiher Geſchicklichkeit. Der Eine wie der Un: 
dere erlitten Verluſte und Niederlagen, aber fie wußten fie 
alsbald wiederherzuftellen; und bier neigt ſich die Wagfchale 
auf Napoleon's Seite. An Fürforge für ihre Heerhaufen, an 
Wahl guter Werkzeuge, an aufmuaternden Belohnungen ließen 
es Beide nicht ermangeln. Doch unferm Zeitgenoflen blieben 
mächtige, unerreichbare, in vielem Betracht überlegene Gegner 
im Welten wie im Often. Daß er fie nicht erreichen noch über: 
wältigen Eonnte, ift feiner Perfon nicht zuzuſchreiben.“ 

„Im Staotöhaushalt waren fie Beide gleih Plug und vor: 
fihtig. Nur Fonnte aus den obigen Umftänden weder der Eine 
noch der Andere ein wahres CEolonialfyftem gründen oder ver: 
folgen, was doc univerfalhiftorifh die Größe der Nationen 
ftempelt und vollendet.” 

„Die Unterfchiede, wenn wir fie als Politiker auffuchen, 
find alle zweiter Ordnung. Beiden war Religion oder vielmehr 
das Kirchliche mehr Mittel als Zweck. Beiden ftand das Papft: 
thum gegenuber und zu ihrem Gebrauch. Der Eine lebte in 
fehr dunkler, der Andere in gewaltig aufgeflärter Zeit. Karl 
fah die Wiflenfchaften faft verfchwinden und fuchte die Trüm⸗ 
mern mühfam und ohne große Sucsefle auf. Rapoleon hatte 


fie in ihrer Fülle gänzlich zu feinem Gebote. Schon in Loy: 
ten war er damit umgeben. Diefer Orient blieb für’ ihn fer: 
Erinnerung und Mahnung, für den Undern Gegenfland ter 
Reugierde, bis fein hoher Name eben dort in Fabel und Say 
überging.” " 

„Beide fuchten den Familienfreis und erkannten den Werth 
auch diefer Yrauenbegleitung. Bergleihung wäre müfige Yı: 
beit. Die Freundſchaft kannte offenbar der Germane beſſer. 
Der Yumanität, der Ratur und der Wahrheit war er edhtere 
und aufrichtigerer Sohn oder Anhänger. Jäger waren fi 
Beide, nur war bei dem Einen Wirktichkeit bis zur Leidenſchaft 
der Andere affectirte Die monardifche Mode, und Rarine une 
Shakſpeare, Talma und die Duchesnois gaben ihm beffere In: 
terhaltung. e Gärtner waren fie ohne Affectation, des 
« Capitulare de villis» fagt daven genug. Und auf dem Ku: 
pferftih meines Schlafgemachs wandelt Napoleon finnig nad: 
denkend und von Iſabey wohlgetroffen zu Malmaifon dem Ge 
waͤchs⸗ und Treibhaus zu, der in unferer Zeit fo weit gedie 
benen reichen Botanik ſich zu erfreuen, dergleichen er freilich 
auf St.» Helena nicht wiederfand. Wird je ein dritter Golder 
kommen Wird er vielleicht gar ald Beduͤrfniß, erwünfgt er 
feinen? Ob aus Neuftrien oder Auftrajien, oder mit grefen 
Genie aus irgend einer corficanifhen Eder Etwa wie er fh 
felbft rühmte, Anarchie zu bewältigen ?“ 

Was man auh im Einzelnen über diefe Parallele urk 
len möge, im Ganzen wird ihr gewiß jeder Unparteildr ; 
geftehen müffen, daß fie eines befonnenen Staatsmannd = 
Hiſtorikers, welcher den Ereigniffen feiner Zeit fo nahe kit, 
ja fogar in ihrer Mitte ſich befand, volllonmen würtis k. 
Der Berf. hat befanntlich niemals zu der in mehr als car 
Beziehung unbrauchbaren Claſſe der Franzoſenfreſſer gebir- 
er tft ſtets bemüht gewefen, das Heil und die Ehre dar 8 
terlandes mit einer würdigen Unparteilichkeit zu vereinigt 
und bat dafür k 3. einen fehr jchlagenden Beweis in feine 
Berhältniffe zu Zalleyrand und in der Beurtheilung Deſſelbe 

efiefert. Übrigens ift uns bei den Urtheilen gewiſſer Ler 
uder Napoleon der Ausipruch Goethes nicht felten anwendbt 
erfchienen: „Die Beinen Geifter riechen auf den großen hir? 
wie die Filzläufe auf dem Elefanten.‘ 2 


Ziterariſche Notiz aus Frankreid. 


Saiſſet. 

Wir haben den Namen von Emil Saiſſet beſonders ın ie 
erbitterten Kämpfen, weldye fi) wegen der leibigen Unteriht: 
freiheit entfponnen hatten, unter den Reihen derjenigen Erm: 
ter genannt, denen es auf eine unparteitfche Würdigen d 
Beleuchtung der ganzen Frage allein anfam. Dieter hl} 
Gelehrte, welcher fi bereits durch felbfländige philojeybißt 
Reiftungen einen geachteten Ramen gemacht hat, bietet uns IE 
eine Auswahl der Streitfcpriften, durch welche er in der „Re 
yue des deux mondes‘ und in andern wiffenfchaftlihen 3 
tern die Unfprüche der @eiftlichkeit auf ihr rechtes Maß zurüt 
zufüßren verfucht hat. Die „Kssais sur Ia philosophie et b 
religion au 1Bieme siecle”, welche wir von ihm erhalte: 
haben, enthalten indeß außer dieſen Auflägen, melde tr 
ganzen Aufgabe nad einen mehr oder weniger polemifchen Ei: 
rakter haben, noch andere intereffante Beiträge zur Kenntri 
der modernen philofophifcgen und religiöfen Beftrebungen. Ex 
fet, der zu den befähigteften Schülern Goufin’s gehört, zeig 
fih in alle Den was er fihreibt ruhig, umfichtig, und felht 
da, wo er der Polemik fi zumendet, geht er ſtets nur a 
die Sache felbft. In der vermittelnden Stellung, melde m * 
der Univerfitätsfrage eingenommen hat, wird er es freilih Kt 
nem recht machen, und nur Soldye, weldye dem ganzen Str: 
fernfteben, werden der Klarheit und der Reife feines Urtta® 
ihre Unerfennung sollen. I. 


Amfig 
9 0 


Berantwortlicher Serausgeber: Heinrich Wrodjans. — Drul und Verlag von F. E. Brockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


iterariſche Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


A Nr. 281. — ⸗ 


8. October 1846. 





Die neueſte Literatur über Rußland. 
Erfter Artikel. 
( Seſchluß aus Nr. 28.) 

4. Golowin's Schrift: „Rußland unter Kaifer Ni: 
laus 1,”, lehrt und gerade nichts Neues, als daß er 
Win mehren Werhältniffen Rußlands ein ausführ- 
heres, oft, wie in den Abfchnitten: „Vom öffentlichen 
taatsdienſt“; „Von den ruffifchen Orden”; „Won ben 
hen Verwaltungs⸗, Gefepgebunge - und Gerichtsbe⸗ 
ken”; „Bon den Minifterien”, höchft trodenes fta- 
kiihes, aber auch, wie in den: „Bon der Provin- 
avermaltung”; „Won ben Volksclaſſen“ hoͤchſt in- 
rachves Detail gibt, wodurch es in gewiffer Hinſicht 
Weine Ergänzung von Nr. 3 erfcheint. Allein bie 
Atrife ift auch infofern nicht unbedeutend, als fie das 
tugniß eines hochgeborenen und wohlunterrichteten den- 
den Ruffen ſel bſt für die Richtigkeit der Beurtheilung 
tuflande vom Ausiande her enthält, ſodaß Rußland 
% cultivirte Europa nicht mehr der Verleumdung zei- 
n far. Der Nationalgefihtspunft aber, von dem 
xt Darf, ausgeht, ift der Arger der moskowitiſchen 
Trifiofraten dasuber, daß Deutfche, die ſich Nomanow 
ennen, Rußland beherrfchen, und daß das germanifche 
lement fo großen Einfluß genießt, daß faft alle wid: 
gm Staatsftellen mit Deutfchen befegt find, mozu er 
ab die geborenen ruſſiſchen Unterthanen aus den Oft» 
provinzen und felbfi die Finnen rechnet. Beſonders 
At jedoch fein Zorn den Autokraten, der ihn wegen 
"elofamkeit gegen feine Befehle hat in Anklageftand 
Tegen und fein Vermoͤgen confisciren laffen. Nun 
as iſt allerdings einiger Grund zum Zorn. Hr. Iwan 
elomin, ein Abkommling des erften Minifters der aus- 
Ittigen Angelegenheiten unter Peter J., aus einer der 
ten Bojaren - Familien, ein Bruder des aus dem 
werfifhen Kriege befannten Generals Golowin, jept, 
an wir nicht irren, Generalgouverneur von Lief- und 
ihland, trat in das Departement des Grafen Reffel- 
* und erhielt von Diefem, der felbft ſchön fchreibt und 
f eine fhöne Handfchrift befondern Werth legt, den 
th, Schreibeftunde zu nehmen. Diefe Weifung ver- 
te ihn, ex glaubte feinem Vaterlande beffer dienen zu 
men als Schriftfieler denn ale Eopift, er nahm fei- 
n Abfchied und ging unter dem Vorwande feiner Ge⸗ 


Le ee — — — — — — 


ſundheit nach Paris, wo er ein Werk unter dem Titel 
„Politiſche Okonomie“ ausarbeitete. Da erhielt er nebſt 
dem Fürſten Dolgoruky, dem Verfaſſer der „ Mitthei- 
lungen über die erften Familien Rußlands, vom Grafen 
Almagro”, von dem Policeiminiſter Grafen Bentendorf 
durch den ruſſiſchen Geſandten den kaiſerlichen Befehl, 
ſogleich nach Rußland zurückzukehren. Wahrſcheinlich 
wußte man in Rußland, daß er eine Schrift unter der 
Feder habe und mochte dem Dinge nicht trauen. Über: 
haupt liebt die ruffifche Regierung ebenfo wenig wie bie 
ihr in den Principien ziemlich ähnliche öftreichifche, daß 
ein Unterthan, beſonders über fein Vaterland, im Aus- 
Iande Etwas druden laſſe. Fürft Dolgoruky folgte dem 
Befehle und fand bei feiner Ankunft die Verweiſung 
nad Wjatka an ber fibirifchen Grenze vor, von wo er 
dann nach kurzer Zeit zurüdberufen und zum Oberſtall⸗ 
meifter ernannt wurde. Unfer Verf. war noch mit ſei⸗ 
nem Werke nit ganz zu Stande und entfchuldigte ſich 
mit feiner Gefundheit, wobei er die Zufage ertheilte, ſo⸗ 
bald als möglich dem kaiſerlichen Befehle Folge zu lei- 
ften. Sein Werk erfchien und er fandte zwei Erem- 
plare dem Grafen Benkendorf, eines für ihn und das 
andere für den Kaifer. Der Graf fand die Worrede, 
die er, wie der Verf. behauptet, allein gelefen, höchſt 
aufrüuhrifch, weil er darin bie franzöfifche Baftfreundichaft 
für feine Gedanken in Anſpruch genommen, und wie- 
derholte fireng und peremtorifh den Befehl zur Rüd-. 
fehr, mit der Drohung: dem Saifer zu unterlegen, daß 
er, ftatt feines Heren Befehle zu achten, ohne Erlaubniß 
in die pyrendifhen Bäder gereift fei. Auch der Mini- 
fter des Auswärtigen Graf Neffelrode ließ an Hrn. Go⸗ 
lowin die nämliche Auffoderung ergehen, und Diefer, der 
von dem Grafen am wenigſten einen Befehl annehmen 
wollte, fchrieb an ihn einen (mie alle in diefer An⸗ 
gelegenheit gewechfelte Schreiben) hier mitgetheilten fehr 
fpigigen Brief. 

Graf Neffelrode legte diefen dem Kaifer vor, der 
darüber höchſt entrüftet befahl, dem Widerfpenfligen den 
Proceß zu mahen. Das ruffifche Geſetz verpflichtet 
ausdruͤcklich jeden Unterthan, bei ber erfien Auffode- 
rung ins Vaterland zurüdzufehren, und der Senat 
ſprach gegen Hrn. Golowin die Strafe der Verbannung 
nah Sibirien, die Entziehung ber bürgerlichen Rechte und 


1122 a 


die Gonfiscation feines Vermögens aus. Das Vorwort | 


der vorliegenden Schrift beginnt: 


als Thomas GBolowin von Boris Godunow (Zar von 
1593 — 1606) aufgefodert wurde (aus Lithauen, wohin er aus: 
gewandert war), in fein Vaterland zurückzukehren, antwortete 
er: „Sch werde yirüdfahren, wenn droi Sprüchwörter in Ruß: 
land nicht Mehr eriftigen: «AR mein Gut gehört dem Ja⸗ 
ren; — Nahe beim Zaren, nahe beim Tode; — Fuͤrchte dich 
- vor dem Richter!» — und wenn ich die männliche Sprache 
meines Vorfahren hätte nachahmen wollen, fo hätte ich ant⸗ 
worten müflen: Ich werde zurüdtehren, wenn ganz Rußland 
biß zur vierzehnten Claſſe vorgerüdt iſt (die Beamten der vier: 
ehnten Slaſſe dürfen nicht gepsügelt werden), wenn der Deub 
ide nicht mehr gilt als der Ruffe, und wenn die Feder fo 
Tower als das Eifen in der forialen Wage wiegt... Wenn 
ich in diefem Buche Üble von Rußland gefagt habe, fo ge: 
ſchah Dies nur aus Liebe zu ihm. Mit Gleichgültigkeit- ſieht 
man in der Fremde dieſelben Mängel, die uns daheim empoͤ⸗ 
ren, and ſtrenger ift man gegen Diejenigen welche man liebt 
als gegen Die an denen man nur wenig Shell nimmt. Üübri⸗ 
nd iſt Rußland für mich ein abftracter, großer und fchöner 

e ih gefalle mir in dem Gedanken, es in der Zu: 
Tunft erheben zu fehen... Noch weniger glaubte ich gegen 
bie Megierung nachſfichtig fein zw dürfen. &ie haft die namen- 
loſen Leiden, weiche auf Rußland laften, verurfacht; jede Scho⸗ 
nung gegen fie wäre Kleinmuth. Ihre Ungerechtigkeit gegen 
mich bat mich nicht ungerecht gegen fie gemadt: im Gegen: 
theile, fie vermehrte nur meine Befonnenheit, denn fie zeigte 
mir das Unheil jeder Imgeredtigkeit .... Wenn ich das Alles 
fagen wollte was ich glaube verſchweigen zu müffen, wenn id) 
Die Beweismittel vorlegte die ich fammelte, fo würbe man in 
die Wahrhaftigkeit meiner Angaben nicht den mindeften Zwei⸗ 
fel fegen; indeſſen mag ed genügen, wenn ich erklaͤre, daß ich 
durchaͤus Nichts erdichtet Habe. Im Übrigen fteht es bei Kilo: 
laus, zu beweifen, daß mein Urtheil über fein Verdienſt fatfch 
it und daß ex es verdient über das feiner Obhut anvertraute 
Boll zu hexrſchen. Er verfüge an feine Zvabanten (die gegen: 
wärtigen Minifter), tr fage zu Drlof (dem Chef der aebei- 
men Policei), daß er fortan mit Milde, Öffentlichkeit und Wer: 
frauen vegieren wolle und’ daß die geheime Policei aufgehoben 
ſei. Er fage zu Bludof (dem Juſtizminiſter oder Borftand der 
Sefegcommiffion ?), daß er fich nach erfolgter Sammlung ber 
tuffifchen Gefege überzeugt habe, fie feien zu Nichts gut als 
ind Feuer geworfen zu werden, unmwürdig des Zahrhunderts 
in dem wir leben, unwuͤrdig vor Gott und Menfchen: er folle 
erechte und weile ehe an ihre Stelle treten lafien. Er 
Page zu Panin (dem Miniſter des Innern?), daß die Diebe 
nit Die Machthaber fein follen, fondern mach Sibirien gehö: 
ren. Er fage zu Uwarof (dem SRinifter der Cultur), w; er 
Feine Marktfchreierei der Eivilifation mehr will und daß die 
legtere vein fein fol wie die Bläue des Himmels. Cr fage 
zu Perowsky (dem Minifter des ?), daß fein Rame fi an 
dab größte Werk de& Jahrhunderis Mnupfen muͤffe, an die 
Entfeilelung der —— wären bis zu einer gewiſſen, 
nicht entfernten Zeit die Bauern nicht freigegeben, fo wurden fie 
es kraft des Geſehes, denn auf einem chriſtlichen Boden kann 
und darf es keine Sklaven geben. Er fage zu Neſſelrode 
(dem Deinifter des Auswärtigen), daß Frankreich, der Herb der 


Bildung, aß feime Achtung verdiene und nicht länger fein 


Feind fein Sonne. Er fage auch, daB Polen ug gelitten 
babe und daß er ihm bie Ketten abnehmen —* Und wenn 
er das Alles geſagt, fo führe er es auch aus u. f. w. 


Aus biefen Erklaͤrungen des Verf. laͤßt ſich leicht 


abnehmen, mas in biefer Schrift verhandelt wird und 
in welchem Gelfte; man würde aber fehr irren, wenn 
man wähnte, alle Angaben bes Verf. feien nur der Lei- 
benfchaftlicgfeit vetlegter Gefühle und Sntereffen ent- 


‚muß diefe Hand no 


dort fein Leben, man tft Siegenfleif 


floffen. Leſen wir doc, felbft über den Hauptgegenfun 
feiner Ausſtellungen am Ende des „Nikolaus I." übe: 
fehriebenen Artikels,‘ nachdem er 30 Seiten lang die 
Beweiſe der Strenge des Kaifers, unter welden mander 


. Beweis fehr preblematifc, ja der eine, den Neffen Di; 


faben, Prinzen Pete von Olbenburg, betreffend, ohne 


- allen Zweifel unwahr ift, gehäuft hat (&. 1507: 


Bei alle Dem glaube ich nicht, daB Nikolaus Iyrann ven 
Ratur ift: er ift ed nur aus Überzeugung. Er glaubt, if 
bei einem andern Verfahren die Dinge nicht gut gehen wir: 
den, und er iſt fehr zufrieden mit der Art, wie fie unter je: 
nes Herrſchaft eben gehen. Um über Rußland zu herrſcher, 
bedarf es, wie die Ruſſen fagen, einer eifernen Hand, nur 

och fa e tragen. Nikolaus if md. 
ber Eifenarm, aber die Handſchuhe hat er vergeffen. 


Da die Anfıchten des Verf. von dem ruſſiſchen zu— 
ftänden im Ganzen von denen ber Verf. der vorangı 
zeigten Schriften wicht abweichen, fo glauben wir ha 
allem Intereſſe, das viele der 21 Abſchnitte, in mad 
die Schrift zerfällt, in den Einzelheiten darbieten, un: 
begnügen zu müffen, um Wiederholungen des Bel 
ten * vermeiden, nur Einzelnes herauszuheben, us 
bie Darftellungs » und Raifonnementsweife des Vai u 
harakterifiren vermag. In dem farkaflifch-ironifd 
haltenen Artitel mit der Überfchrift „Allgemeiner Un 
blick“, Der eine fcharfe Kritik der ruſſiſchen Zufint 
mit vielen bitteren Wahrheiten enthält, heiße es un 
Anderm (8. 43): 


Welch herrliches Loss haben die ruſſiſchen Adeligen! Eu 
Leben von Königen, von Halbgättern! Gin Edelmann auf e 
nen Gütern, mit einer fhönen Frau, an ber Spige einig 
Zaufend Bauern, mit großen infünften, führt ein Leben w 
man es ſenſt nirgend findet. Cr ift unumfepränkter Herr 
feinen Beflgungen. Alles beugt fi) vor ihm, Wie kriecht @ 
Staube und zittert bei dem Stlange feinec Skimme. if 
dem Peter oder dem Jakob 100 oder 200 Stosfchläge ger: 
einer Frau Die ihm gefällt praucht er nur fein Schnupftsd 
zuguwerfen: man ift Doch nicht onft Sultan. Laſſet 23 
jene Philanthropen, jene Himmelsſtuͤrmer reden, die aut Er 
ropa zu und kommen. Wir haben Beute geſchen 
die und unfere Wildheit, unfere Graufamleit ind Gefit ver 
warfen; Dann erwachten fie eines Tages in den Wrmes ruft 
vornehmen ruffifchen Dame, ließen fi fogar von ihr Kizie 
wurden große Herren und Bigenthümer ihrer Ländern u) 
Bafallen — und dach machten fie fich rhin wieder 20% 
und behaupteten, es gebe nichts dem Leben einen Bejaren in 
liches. Gebt, ihr Worthelden, wir wiſſen was ihr wert) IR 
und was wir jelbft werth find. Predigt andern Leuten ib 
wir find eure Moral; wir haben unfere eigene. it Keim 
wenigen Worten iR ganz Rußland Üdert. Wan friſt 
weit Kohl; man lud 
und findet Ausreden für Alles und man troͤſtet jüch damit, 
ed am Ende der Rechnung Ausgleichungen gibt. Der Ob 
mann hält fi für frei und denkt, es 8 ja bei ihm, wen 
er feine Freiheit für eine Stelle, für Auszeichnungen u. dert 
hingebe und fi aus einem Herrſcher, wie er if, zu cine 
Knecht mache; er behalte dach feinen Hof, feine Befidenz, ſeu 
i babe es fein Bewenden. Dex Leibeigene mul, 
fein Buftand fei ganz natürlih, von Gott eingefegt, un f 
würde namenfos ımglüdlich fein, wenn ex feet ware. (O. 
Berbet, die Leibeigenen zu unterrichten, verhindert die Keuit 
rung, daß fie die Wohlthaten eines freien Zuſtandes einſehn 
lernen, und verurtheilt jie gu einer Berbummung, in Ari 


deren fie fi in der Knechtſchaft gang wohl gefalen, heiſt u 








1138 


an einem andern Dust.) Dex Molbas denkt gar R 
fit ihm feine’ Zeit dazu, man überhäuft ihn meit Übungen, 
um feine Mußeftunden auszufüllen. Der Beamte finnt nur 
darauf fein Anepfloch zu ſchmuͤcken oder feine Taſche zu füllen, 
und Alles geht nach dem eifernen Willen, den der Herrſcher 
auſdrückt. Uber wohin geht edt Einer Revolution entgegen ? 
Sie it noch für lange Zeit unmöglich, denn das Holz, woraus 
man die Revolutiondmänner ſchneidet, ift in Rußland niet zu 
finden... Alem Unfcheine nach bedarf es mindeftens noch ei 
ner oder zwei Generationen, bevor es in d eine Revo» 
Iution gibt. Aber die Befchlüffe des Höchften find undurch— 
dringlich. Wo es fih um Wahrſcheinlichkeit handelt, erweift 
fh die Rechnung oft ganz falfch. 

Wir verfagen uns bed Names wegen ungern das 
aus dem Leben geriffene Bild eines ruffiihen Dandy 
bei feinem Lever zur Erheiterung unferer Lefer mitzu⸗ 
hellen, übergehen auch das von dem Berf. aufgeftellte 
Project zur Aufhebung der Leibeigenfchaft, das recht 
tiel Beherzigungswerthes, aber auch viele Widerſprüche 
mtbält, und wollen nur noch bezeichnen, wie fich ein 
Bejarentopf in der Politik ergeht. S. 80 leſen wir: 


Der Edftein des ruffifchen Reiches, feiner Macht, ſeines 
Reichthums wie feiner Politik ift Peter der Große. Man fins 
det ihn überall wieder und überall erhaben, bewunderungs⸗ 
m .. Bedeutende Fortfchritte haben auf dem von Peter 
dem Großen (zur Weltherrichaft) angebeuteten Wege ftattgefun- 
den. Polen trennt Rußland nicht mehr von Europa; die Zür- 
fi, mehrer Theile ihres Gebiets beraubt, ift nur noch ein Leich⸗ 
mm, und mit einigem militairifchen Zalent iſt die Beſetzung 
ven Konſtantinsopel eine Kleinigkeit. Perſien gehorcht Ruß: 
Id6 Befehlen; der Kankaſus, welcher feine fo blind in dieſen 
genden zerftreute Macht noch verhößnt, ift Fein unüberwind« 
ide Hinderniß. Rhima und die Bucharei flehen unter mos 
Imitiihem Einfluffe, ſodaß auf Mußlande Wink Aſien erzit- 
tet, Indien ſich erhebt und London in Berwirzung geraͤth. 
In Ofen treffen alle die hoben politifchen Fragen zufanmen; 
dert wird ſich noch einmal das Schickſal der Welt entfceiden. 
Yarkburg kann micht die ruffifche Hauptftadt bleiben: es ift 
an dergeſchobenes Lager, aus dem fein Gründer niemals ei- 
NER machen wollte. Konftantinopel ober Kalkutta, 
dab find Ne natürlichen Hauptfläbte des Reihe. Der Koloß 
mus in den Steppen ohne Meer erfticden, er ſtreckt baber feine 
Im nah dem Deean aus. Wird er ihn erreichen? Wah⸗ 
vend er den Dſten exoberte, würde Deutſchland in feinem 
todtahalichen Schlaf verfenkt bleiben ; Frankreich vermächte 

chne England und hätte darn nur zu wählen, ob Eng⸗ 
Id oder Außland Wfien befigen follte. land und Ruß» 
land Eonnten fich alfo in bie Welt theilen: das erftere, in 
alin ernſtlich , würde das letztere fi) gern am Bos⸗ 
Herus feftiegen lafſen; aber dann würde Öftreih auch feinen 
Deil haben wollen, Frankreich würde fein Vete entgegenfegen, 
nd wenn man es vurch Haypten entichädigte, müßte Polen 
in Deutſchland abgetreten werden, — was in der That no 
ein Bortheil für Rußland wäre... Ale diefe Fragen find alfo 
xrtagt, und es wäre beffer für Rußland, wenn man fie hätte 
Glofen laſſen, bis der tedite Mann gekommen wäre, der fie 
nit einem Schlage entfhieden hätte. Die Beharrlihkeit, wo⸗ 
uch fi) Die vuffsfche Politik auszeichnet, iſt ihr mehr nad 
eilig als nüglidg: es zieht bie allgemeine Aufmerkfamkeit auf fich 
md mat dadurch das Geheimniß und bie Überrafhung un 
aͤglich, welche im der Politik die erften Bedingungen eines 
lüdlihen Erfolgs find. Nichtsdeftoweniger hält man bie 
hefahr für dringend. In der ‚ wenn fi Rußland ein- 
m in ben Indien fegefegt bat, ift es um das polisifche 
AMeichgewicht gefchehen: feine Eroberungen in Afien find Vor⸗ 
heile, die eß über Europa gewinnt. Dhne Zweifel muß Aſien 
kuropa zinsbar werden, und man muß die Unterwerfung der Bar⸗ 


; man | bavei unter bie Giuilifation aus allen Kräften berkeiminiken. 
. Ohne Zweifel — durch "die lee — 


aber was wird alsdann das Schickſal der Welt, das Sch 

ber Preibeit fein? Sklaverei, zumal ſoldatiſche &Mavereit de. 
lange Rußland unter diefem Banner dient, koͤnnen die Freunde 
der Freiheit feinen Friegerifhen Unternehmungen keinen Er⸗ 
folg wünfdhen. An dem Zage, wo «6 ben Scepter der Welt 
erringt, iſt es um die Freiheit gefhehen... Die Nolle, welche 
Rußland in Alien zu fpielen beſtimmt ift, bat die Macht der 
Umftände ihm durch feine bloße geographiſche Lage gejichert. 
Sie ift ſchoͤn, fie ift graßs aber um fie den Befegen ber Bi 
ligleit und ber Vervollkommnung gemäß zu erfüllen, muß «& 
felbft auf dem Wege ber Givilifation fortfchreiten, wicht 
durch neue Eroberungen feine Lehrmeifter im Lichte und in der 
Breiheit zu berauben .... Dies ift das Ideal, und es ift im- 
ner fchön, einen weiten Geſichtskreis vor ſich zu haben, felbſt 
wenn man nie bis an feine Grenzen dringt. Anders aber 
zeigt fich die Wirklichkeit. Dieſe if träurig und befdhei- 
den. Bon diefem Geſichtspunkte aus betrachtet find Konftanti- 
nepel und Kalkutta nur Hirngefpinnfte, und Warſchau ift die 
Kugel des Galeerenfträflings, welche Rußland an einen ftet6 
zum Ausbruche bereiten Vulkan Bettet. 


So Hr. Golswin. Seine Schrift iſt aber nicht in 
die beften Überfegechände gefallen. Die vier angezeigten 
Werke betreffen Rußland im Ganzen. Ein zweiter Ar- 
tikel wird die Schriften zur Anzeige bringen, welche 
Einzefheiten gewidmet find. *) 57. 








Ernfte Stunden. Andachtsbuch für Frauen von einer: 
Frau. Zum Beſten des Cliſabeths⸗Kinder⸗Hoſpitals. 
Berlin, U. Dunder. 1846. 8. 15 Nor. 


Bu einem ähnlichen Bwedie wie die von uns in Nr. 261 
d. BL. f. 1845 beſprochenen Gedichte bes Fräuleins Elfriede 
von Müplenfeld find auch die vorliegenden religiöfen Gedichte 
einer Frau veröffentlicht worden. Wir ergreifen gern ie Ge 
legenheit, ein paar Worte über fie zu fagen und nach Moͤg⸗ 
ae zu einer folchen Verbreitung derfelben beizutragen, wie 
fie die obenerwähnten Gedichte bereit# in einer zweiten Auflage 
efunden haben. Der Eharakter diefer Lieder iR ebie Einfach⸗ 
eit und Innigkeit der Empfindung für Alles was ‚ein treues 
Frauen⸗ und Mutterherz bewegen kann die Sprache ift Zunft 
Io8, aber gebildet. In der Verf, felbft lernen wir ein ernftes, 
echt religioͤſes Gemüth kennen, das aber durchaus frei iſt von 

erſpannung und auch nicht die mindeſte Spur blicken läßt, 
als ob es von den firengfirchlichen oder den fogenannten Lich 
freundlichen Richtungen der Zeit berührt fe Zum Beleg füh- 
ren wir eine Stelle aus dem Gedichte „Sabbathsfeier“ an: 
Der Herr I freunblid und von großer Bäte! 
Er will das Gluͤck, ben fröhlichen Genuß; 
Er gab zur Frucht und aud den Reiz der Blüte, 
Und zur Nothwendigkeit den Überfluß. 
So weit fein Ddem reiht, iſt Alles Segen, 
Und feine Schöpfung jauchzet ihm entgegen. 
Nicht blos am Altar und in Kirdenhallen 
IR Gottes Jempel für ein füblenb Herz; 
Da, wo wir thun nad feinem Wohlgefallen, 
IN feine Gnabe mit und allerwärts. 
Bir dienen ihm in unſchulbsvollen Freuden, 
Im Lieheöwert, in fromm extrag’nen Leiden. 

Solche Stellen ließen ſich namentlich aus der bichterifchen 
Umfchreibung des Baterunfer noch anführen, die wir zu den 
gelungenſten Stüden der Sammlung rechnen. Die Raturlie: 
der erfreuen durch frifche Auffaffung und Lebendigkeit, ohne 


9 Gin zweiter Artikel folgt im naͤchſten Monat. D. Reb. 


1124 


ein Übermaß von Farbenpracht; die Lieder an chriſtlichen Feſten 
en Licht und Kraft in fhöner Vereinigung, wie 3. B. das 
aft- oder Weihnachtslied; Die „Geſänge aus dem Menfchen- 
leben” begrüßen die zarteften Seelenftimmungen in reiner, echt 
weiblicher Betrachtung und eröffnen uns die Einblide in ein 
Herz, das auch in den trüben Stunden des irdifhen Dafeins 
gelernt bat feinen Frieden mit Gott zu machen. Eins der 
ſchoͤnſten Gedichte diefer Art iſt das „Am Geburtsfefte tbeuerer 
Entſchlafenen“, welches wir für die Feier zum Andenken der 
Todten beftens empfehlen. Richt übergeben dürfen wir endlich 
die „Bier Gebete und Lieder für Kinder”, die voll einer fü 
ſchönen und edeln Einfalt find, da wir fie den gelungenften 
Dichtungen diefer Urt, wie 3. B. denen von Bey, an die 
Seite zu ftellen Bein Bedenken tragen. 20. 





Bibliographie. 


Althaus, ©, Gegen ten Strom. Roman. 
ſchweig, Rademacher. 8. 1 Thlr. 10 Ror. 

Bartholdi, ©., Zur Lehre von der Kirche. Parchim, 
Hinftorff. Gr. 8, 3% Nor. 

‘ Diefenbach, L., Vergleichendes Wörterbuch der go- 
thischen Sprache. Ister Band. Frankfurt a. M., Sauerlän- 
der. Gr. 3 Thir. 

Dieringer, F. X., Der heilige Karl Borromäus und 
die Kirchenverbefferung feiner Zeit. Köln, Bachem. Gr. 12. 
1 Thlr. U Ror. 

Groos, F., Der Zwiefache, der äußere und der innere 
Menſch. Als 2ter Theil der Schrift: Meine Lehre von der 
perfönlichen Fortdauer des menſchlichen Geiſtes nach dem Tode. 
Mannheim, Hoff. 12. 7Y, Ror. 

Handel, C. O., Die Volksſchullehrerbildung ohne Se⸗ 
minar. Ober⸗Glogau, Handel. 8. 12 Rgr. 

Heine, M., Beiträge zur Geschichte der orientalischen 
Pest. Petersburg, Eggers und Comp. Gr. 8. 1 Thlr. 

Honet, M., Dad Buch für Winterabende. Volkskalen⸗ 
der und Volksbuch für 1847. Gter Jahrgang. Mit Beiträ- 
gen von K. Andree, 8. Buchner, M. H. Geldern, 9. 
Harrys, M. Hartmann, Günther Ricol und Andern. 
Hannover, Kius. 8. IM Rar. 

Irving, W., Ausgewählte Schriften, herausgegeben von 
I 8. Adrian. Bracebridge: Hall oder die Charaktere. 2te 
forgfältig verbeflerte Auflage. Frankfurt a. M., Sauerländer. 
Gr. 16. 27 Rear. 


Kaifer Karl der Große und das fräankifche Zungfrauenheer. 
Ein Beitrag zum unvergänglichen Ruhme der Frauen, in 23 
Liedern von Frauenlob dem Juͤngern. Zürih, Meyer u. Zeller. 
Br. 8. 2 Thlr. 6 Rgr. 

Kohl, 3. G., Reifen in Dänemark und den Herzogthü⸗ 
mern Schleswig und Holftein. Ifter Band. Leipzig, Brock⸗ 
haus. Br. 12. Preis für zwei Bände 6 Ihlr. 

Lacroir, A.de, Gefchichte von Abd⸗el⸗Kaders politifchem 
und en. Aus dem Franzöfifhen. Grünberg, Weiß, 

Ir. 

Lindemann, 9. &., Die Denkkunde oder die Logik. 
Solothurn, Ient und Gaßmann. &r.8. 1 Ihlr. 7, Ror. 

Mühlbach, 2, Ein Roman in Berlin. Drei Bände. 
Berlin, Mylius. 8. 5 Thlr. 10 Near. 

Schnezlier, A., Aurelia’s Zauberkreis. Die schönsten 
Geschichten, Sagen und Legenden der Stadt Baden und 
ihrer nachbarlichen Thäler und Bergschlösser,, nebst einem 
Märchen-Cyclus von Mummelsee. Carlsruhe, Nöldeke. 12, 

Thir. 
2 Huing, 2., Novellen. Zwei Bande. Peſth, Hedenaft, 


r. 
Studien und Skizzen zur Geſchichte der Reformation. Ein 
Beitrag zur Würdigung derſelben, aus dem politiſchen und ſo⸗ 


x 


Brauns 


8. 


cialen Gefſichtspunkte. After Band. Schaffhauſen, Harte. 
&. 8. 2 Zhfe. 10 Nor. 

Iöpffer, R., Roſa und Gertrud. Aus dem Lehen ein 
Genfer Geiftlihen. Nach dem Franzoͤſiſchen. Berlin, Sprie 
ger. &r. 16. 221, Nor. 

Wiener KanzleirZuftände. Aus den Memoiren eines oͤſter 
reichifchen Staatsbeamten. Leipzig, Hartknoch. 8. 1 Ihlr. 15 gr. 

Wifer, T., Die Bergpredigt Jeſu Ehrifti, des Sohnd 
Gottes. In Betrachtungen auf der Kanzel. Zwei Baͤndchen 
Regensburg, Many. 8. 1 Thlr. IO Rgr. 


Zagesliteratur. 
D' Azeglio, M., Die jüngften Ereigniffe in der Romazaı 
Rach dem Italienifhen. Leipzig, Gerhard. Br. 8. 15 Ry 

Bouché, J. B., Gendſchreiben an Papft Pius IX. Deutiä 
von 2. Hain. Leipzig, Brauns. Er. 8. 4 Nor. 

Srueger, F., Anklage und Straferkenntniß gegen ka 
Buchhändier Theile zu Königsberg und die öffentliche Rein; 
daſelbſt. Ein Beitrag zur Characteriftiß der neueften ei. 
Leipzig, Mayer. Er. 8. 2%, War. 

Goͤppel, J. L., Das ewige Erangelium in feinem Kam 
mit der Religion des Zeitgeifted. Frankfurt a. M., Zimmer. 
Gr. 8. 7Y, Rer. 

Harleß, ©. C. U, Was Heißt: fich nicht fchämen de 
Evangeliums? Predigt. Leipzig, Dörffling. Gr.8. Sfr 

Gergetiuß, 8. A., Zur Berfländigung und zmeix 
lien Bereinigung der Partheien. Drei Predigten üb 
Pfingftfefl-Evangelien und über das Evangelium am 4. p. Tr 
Quedlinburg, Branfe Gr. 8. 4 Nor. 

Morning, R., Zeitgedichte. Leipzig, Gebauer. 8. Zi Fu 

Rorton, E., Der treue Führer des Auswanderer nt 
ben vereinigten Staaten von Rord : Amerifa, Zeras md in, 
Mobquito-Küfte. Rebſt ausführlidem Dollmetfcher. Mit ar 
Karte der vereinigten Staaten. Regensburg, Manz. 8. 27, Ry 

Drelli, H. v., Das Weſen des Sefuitenordens. — Li, 
d. A.: Politifde Beobachtungen. Seraufgegeben von WBt 
mann. Ites Heft. Potsdam, Stuhr. Gr.8. 1Thlr. 15 Ra 

Reife nach NRordamerika im Sommer 1845. Von F. A6 
San ort für Ausmwanderungsluftige. Regensburg, War.‘ 

r. 

chenkel, D., Die proteſtantiſche Geiſtlichkeit und ! 
Deutihkatholiten. Eine Ermwiderung auf die neuefle Shrfi 
von ©. &. Gervinus. Ate Auflage. Nebft einem Anbanz 
über den Standpunkt des pofitiven Ghriftentyums und feine 
Gegenfag, als Replik auf die Entgegnung von G. G. Ger 
im „Morgenboten”. Zürich, Meyer u. Zeller. 8. 3%. 

Schiller, 3., Dffener Brief an Hrn. Pfarrer Frans ın 
Ingenbeim. 2te Auflage. Frankfurt a. M., Zimmer. N. 

gr. 

— — Das große Unrecht des Nationalismus, yegmik! 
dem guten Recht der vereinigten Kirche der Pfalz. Spt, 
Neidhard. Er. 8. 3%, Rgr. 

Stimmen aus dem Auslande über fociale Zuftände. I. R: 
caulay, Betrachtungen über die Gefchichte der Paͤbſte. Is 
dem Engliſchen überfegt von A. €. Det. Zreiberg, Exzi: 
hardt. &r. 8. 6 Ror. 

WBoeniger, U. T., Die preußifche Bank. Gin geſchüb: 
licheBritifcher Beitrag zur Beurtheilung der neueften Bankrefera 
Berlin, Cohn u. Comp. Gr. 9. 22, RNgr. 

Wollersheim, TJ., Die gemifchten Chen und der 
Folgen. ine Zhatfache nebft 10 Fragen. Köln, Badın 
Gr. 12. 6 Nur. 

Zur Würdigung des dom Könige von Dänemark untir? 
8. Zuli 1846 erlaffenen offenen Briefes, die Erbfolge in der 
Herzogthümern Schleswig Holitein betreffend. Wis Anhang de 
Adrefie an Die Solfteinithe Ständeverfammlung berathen um 
unterfchrieben er Neumünſter am 20. Juli 1346.  Yarsıy 
Müͤller. Gr. 8. 3 Rear. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodpans. — Druck und Verlag von F. X. Drockhaus in Leipzig. 


2 


Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 


Die neueſten Schriften uͤber Goethe. 
Erſter Artikel. 

I. Briefe von und an Goethe. Desgleichen Aphorismen und 
Brocardica.. Herausgegeben von Friedrich Wilhelm 
Riemer. Leipzig, Weidmann. 1846. Br. 12. 2 Ahlr. 
„s Goethe und kein Ende!» werden Mandıe bei Er- 

blidung einer neuen Schrift über Goethe ausrufen; es 

wird ihnen zu viel werden, immer von neuem von ihm zu 
hören und zu leſen.“ So beginnt Riemer feine Vorrede 
zu dem vorliegenden Buche. Und daran fnüpft der ver- 
diente Mann eine Philippita über die Verkennung Goe- 
the's, wie wir fie ſchon aus feinen „Mittheilungen” Tennen. 

Uber follten die Keute mit ihrem Überdruß an Schriften 

über Goethe, der doch am Ende von einem -Widerwillen 

gegen Diefen felbft weit unterfchieden ift, fo durchaus im 

Umecht fein? Was ift der Zweck und (Charakter ber 

muiiten derartigen Schriften und am entfchiedenften der 

Riemer'ſchen? Ein Erläutern des Einzelnen und Allge- 

meinen, ein Einführen in Goethe's Denk⸗ und Did 

Tungöwerfe, ein mehr oder weniger geiftiges Scholiaften- 

thum. Gewiß ift Dies nicht ohne Nugen gewefen, auch 
mögen fich noch jegt in diefer Beziehung intereffante Ge⸗ 
fihtöpunfte aufftellen laffen, ſodaß man, was etwa noch 
ferner von diefer Art ind Licht treten follte, keineswegs 
von vornherein für überflüffig erklären darf. Aber man 
orientire fi doch nur darüber, was allein das Ziel ei- 
wer folhen Beſprechung der Werke des Dichters fein 
kann. Gewiß nicht Dies, daß jedes einzelne Individuum 
em Volke oder auch nur fede einzelne Coterie auf ben 

Standpunkt einer unbefangenen Anertennung Goethe‘ 

erhoben werde. Ein folches Ziel würde niemals erreicht 

werben können; es wird immer vergeblich fein, etwa die 
pietiftifchen ‚Kreife in diefem Sinne umflimmen zu wol- 

Im; auch ift Goethe an und für fich der Dichter nicht, 

ber in der Weife, wie e8 3. B. Homer gewefen, im 

Volke populair werden koönnte. Es fann ſich nur davon 

handeln, das Titerarifche Bewußtfein der Zeit überhaupt 

auf einen ſolchen Standpunkt zu fellen, oder dem Ein- 
seinen die allgemeine Möglichkeit ihn zu erreichen voll- 
ommen zu eröffnen. Und follte Dies nicht nachgerabe 

m genügender Vollftändigkeit gefchehen fein? Ich follte 

aenten, ed wären dazu fo gar große Anftalten faum erfo- 


7 Kr. 2382, 


9. Dcetober 1846. - 


als daß fie da ſei? Es mochten für bie Deutfchen ge- 
wiffe Reflerionen nöthig fein, um ſich in Goethe's Dicht: 
und Denkweiſe hineinzufinden, es mochten gewiffe Vor⸗ 
urtheile, die dem Genuffe feiner Werke entgegenftanden, 
binweggeräumt werben müffen; aber biefem Bedürfnif 
ift Genüge geleiftet, und von den bedeutendſten Männern 
und einmal für allemal. Wer fich noch jegt in darauf hin⸗ 
zielenden Betrachtungen ergeht, fcheint kundzugeben, daß 
ihm felbft die Sache nicht ganz evident fei, und wir 
haben alfo doppelte Urfache ihm zuzurufen: „Goethe und 
fein Ende!‘ | 

Indeffen gilt Dies nicht von aller und jeder Erörte- 
rung über den Dichter. Die wahrhaft wiffenfchaftliche 
Beſprechung Deffelben hat vielleicht kaum erft ihren An- 
fang genommen. Wir feiern in kurzem feinen bunbdert- 
jährigen Geburtstag ; man follte denken es wäre Zeit, 
daß wir im Betreff feiner einen andern Stanbpunft ale 
den der bloßen Bewunderung, des bloßen innigen Ein- 
lebend in feine Werke einnehmen lernten. Statt daß 
wir immer nur unfer Subject an ihn bingeben, muß 
er uns, nachdem wir in uns aufgenommen was er von 
böhern Bildungselementen darbietet, in feiner Totalität 
sum Object werden. Es braucht Feine Misachtung feiner 
Größe daraus bervorzugehen, wenn er uns noch mehr 
biftorifch werden wird; im Gegentheil wird feine Aner- 
tennung dadurch in mancher Beziehung wieberhergeftellt 
werben. Es iſt fchon jegt ein Bebürfniß der Art ficht- 
bar, das fih nur nicht den rechten Ausdrud zu geben 
weiß. Die heftige Anfeindbung, welche er in neuerer Zeit 
erfahren, ift Nichte als ein krampfhaftes Beſtreben, ſich 
der imponirenden Gegenwart feiner Erfcheinung, unter 
die wir und allerdings nicht in der Weiſe zu beugen 
vermögen, wie Dies Diejenigen feiner Zeitgenoffen, welche 
ihn überhaupt zu fhägen wußten, größtentheild gethan 
haben, zu entledigen, wobei ſich freilich in der Leiden⸗ 
fchaftlichkeit, die diefes Streben charakterifirt, fund gibt, 
wie wenig baffelbe über feine eigene Natur im Klaren 
fei. Statt einen Verſuch zu machen, ſich über Goethe zu 
fielen, ftellt man ſich ihm blos entgegen, womit man 
denn fattfam beurkundet, daß man ſich in der That noch 
nicht auf einem Standpunkte befindet, für welchen er 
volltommen hiftorifch geworden wäre. Es Tann fein 


werlich. Was bedarf bie Sonne weiter um zu leuchten ! Zweifel fein, daß es ber Zufunft überlaffen bleiben muß, 


1126 


diefe Aufgabe vollfommen zu löfen; wir find in den 
wichtigften Beziehungen, wenn wir auch nicht mehr auf 
Goethe's Standpunkt felbft ftehen, doch noch zu fehr in 
Reaction gegen Denfelben begriffen, ale daß wir einer 
vollkemmenen Unbefangenheit fähig fein follten. 

Goethe ſteht auf einem der wichtigften Wendepunkte 
der Zeit, er war, Zeuge der durchgreifenden Ummälzun- 
gen, welche den Übergang vom 18. ins 19. Jahrhundert 
bezeichnen : der Ausbruch der franzöfifchen Revolution 
fälle genau in die Mitte feiner Lebenszeit. Den Anfode- 


rungen, welche Daraus hervorgingen — fo lautet die Haupt 


anklage gegen ihn —, hat er nicht gerecht zu werden ge+ 
wuft. Man denkt dabei zunähft an das Politiſche. 
Aber gerade in Betreff diefes Punktes werben wir das 
erſchöpfende Urtheil der Folgezeit überlaffen müffen. Es 
ift unbillig, Goethe feinen Mangel an politifchen Zeit- 
ideen vorzuwerfen, denn das Politifche mar gar nicht 
der Mittelpunft feiner Intereſſen; fein Lebensberuf lag 
in feinen dichterifhen und künſtleriſchen Beftrebungen 
und in diefen ging er trog der Revolution feinen gera- 
den Weg fort. Hat biefelbe einen Einfluß auf ihn aus- 
geübt, fo ift ed nur der, daß fie ihn veranlaßt hat, ſich 
noch mehr auf die Gegenftände feines inneren Lebensbe⸗ 
rufes zu concentriren, ſodaß alfo die Erfüllung bdeffelben 
durch fie nicht gehemmt, fondern geradezu befördert wäre. 
Es ift untichtig, wenn man von dem Eintreten ber po- 
Titifhen Bewegungen an in feiner Thätigkeit eine allge- 
meine Erſchlaffung bemerkt Haben will; wenigftens bati« 
ven erſt feit diefer Zeit die umfaffenden kunſthiſtoriſchen 
und Zunfttheoretifhen Studien, die er in Bemeinfchaft 
wit Meyer und Schiller betrieb. Nun wird man frei- 
lich erwidern, eben Diefes, dab das Politifhe nicht Mit- 
telpunft feines geiftigen Lebens geworben, fei fein Man⸗ 
gel; denn Das fei der Kortfchritt der neuern Zeit, daß der 
Menſch fih nicht mehr als bloßes Individuum, fondern 
als Staatsbürger zu betrachten gelernt habe. Hier fragt 
es fih aber, ob nicht unfere Zeit, indem fie ihre 
Aufgabe in Begründung eines freien ſtaatlichen Lebens 
mit loben&werther Energie verfolgt, dabei in die entge- 
gengefegte Ginfeitigkeit verfälft, welche freilich zu Errei⸗ 
bung biefes Ziels nothwendig fein mag, bem Staats⸗ 
Jeben unter den verfchiebenen Elementen, welche das 
menfchlihe Reben bilden, ganz auf dieſelbe Weife wie 
jedes Individuum feinen beftimmten Lebensberuf für den 
allerhoͤchſten zu halten geneigt iſt, eine allzu ausſchließ⸗ 
Uche Wichtigkeit beizulegen; worüber denn, mie gejagt, 
die Zukunft entfheiben mag, bie von biefer zung 
nicht mehr gebrängt fein wird. Dagegen gibt «6 be 
flimmte Punkte, in Betreff deren es bereits möglid 
fein disefte, zur Löfung der genannten Aufgabe die erfle 
Hand anzulegen. 

Bir finden, daß Goethe auch auf dem äfthetifchen 
Gebiete in einen Gonfliet mit den Anſichten feiner ſpaͤ⸗ 
. tern SBeitgenoffen geräth. Hierüber koönnen wir ſchon 

her mit uns abſchließen, einerſeits, weil Goethe, welcher 
ja mehr als irgend ein Anderer auf dieſem Gebiete hen 
Abſchluß des 18. Jahrhunderts bezeichnet, werm ſich ihm 


bier ein Zurüdbleiben nachweiſen ließe, vor feinem eige— 
nen Maße nicht beftände; und dann find ja die Anfıd. 
ten, welche fidy ihm vor etwas mehr als einem halkm 
Jahrhundert entgegenzuftellen anfingen, wenigftens in de 
Form, in welcher fie urfprünglich auftzaten, für und anf 
fhon hiſtoriſch geworden, 

Es find Goethe’ Anfichten über die bildende Kunf, 
auf die ich hier hingedeutet haben möchte. Belanntiid 
finden fich diefe befonders in den mannichfaltigen Be: 
fen und Werkchen, die als gemeinfchaftliche Ereugnife 
der Weimarifchen Runftfreunde bezeichnet wurden, niede- 
gelegt. Ebenfo bekannt ift aber, daß biefe Schriften nur 
bem geringen Theil nad). von Goethe ſelbſt audgegangn 
find. Es ift ein fchöner menfchlicher Zug bei Goch, 
daß fi ihm das Intereffe für beftimmte Gegenſtände 
gern mit einem Verhaͤltniß zu gewiffen Perfonen, meld 
fi) demfelben ganz gewidmet hatten, verband, ja felbi 
in daſſelbe einkleidete. So bat. er die theoretiichen In: 
terfuchungen über die Dichtkunſt mit Schiller zufamme 
betrieben, die Muſik ward ihm durch Zelter vepräfentin, 
im Studium der griedifchen Dichtkunſt fand er id 
durch die Bekanntſchaft mit F. A. Wolf gefördert If 
diefelbe Weiſe verband er fi) zum Studium ber hie’ 
den Kunft und zu Einwirkung auf den Gang derſeba 
in Deutfchland wit Heinrich Meyer, den er in Rom 
2. Nov. 1786 vor einem Bilde von Pordenone famı | 
gelernt hatte; ja dieſes Verhaͤltniß kann infofern als du 
innigfle diefer Urt, welches er eingegangen, bettatte 
werden, als er In biefem Manne, was bie hifterik 
Kenntniß der Kunft beteifft, faft mehr ale einen M 
firebenden gefehen, nämlich ihn beinahe als eine unk 
dingte Autorität verehrt zu haben ſcheint. 

In diefer Beziehung ift der Briefmechfel zwiide 
Goethe und Meyer, welcher den weſentlichſten Theil bi 
ber nachgelafienen Sammlung des verftorbenen Rimt: 
der ſich durch Theilnahme an der Herausgabe der Gortk' 
fhen Werke feit 40 Jahren die mannichfaltigfen de 
bienfte um bie deutſche Lefewelt erworben hat, von Ir 
fer Wichtigkeit. Wenn er naͤmlich einerfeits das ing 
perfönliche Verhaͤltniß zwiſchen beiden Männern mer Ir 
gen legt, fo läßt er au auf der andern Seite, .®. 
bei Gelegenheit des Zriefes won Phigalia (5. 124), it 
tich erkennen, daß Goethe's Kunfturtheil, wo es fih nik 
auf Meyer's hiſtoriſche Kenntniß flügen konnte, nicht "= 
mer ganz ſicher geweſen. 

Man Lönnte zufolge dieſes letztern Umſtandes vl 
leicht zweifelhaft fein, inwiefern denn überhaupt Goch 
für Die Anfihten, weiche fih in ben Werken ber Weimar 
fen Kunſtfreunde ausgeſprochen finden, verantwertit 
zu machen fei. Denn freilich wird bei dieſen geiſtice 
Dingen der juriſtiſche Grund, daß er fie doch zum Zi 
durch Namensunterfihrift aboptirt habe, nicht ausreide 
Indeſſen wird es fich leicht zeigen laſſen, daß, wenn and 
die Einzelkenneniß, die fih in ihm kund gibt, größter 
theils von Meyer herrühren mag, die allgemeinen Fre 
eipien, auf die es doch hauptſächlich ankommt, als Ge 
the'6 Beiſteuer betrachtet werden möüflen. 








19 


G6 braucht nur kurz angedeutet zu werden, worin 
dieſe Anfihten fich ungenügend erweiſen. Sie machen 
die Schönheit ale Hauptgeſichtspunkt bei der Auffaffung 
und Hervorbringung der Werke der bildenden Kunft gel- 
tend und übertragen das Geſeßz der Sculptur auf bie 
Malerei. Vornehmlich geſchah Diefes im Gegenſatz zu ben 
Romantikern, welche einerfeits als gänzlich Moderne bie 
Malerei bevorzugten und auch wirflich in ihr einen neuen 
Aufſchwung heroorgerufen haben, andererfeits im Stre⸗ 
ben nach tieferm pfgchologifchen und beſonders religiöfen 
Yusdrud die Schönheit freilich bisweilen mehr als billig 
hintanfegen mochten. Am burchgreifendften hat’ Ru» 
mohr, der ſchon außerhalb biefes Gegenfages fteht, im 
eften Bande feiner „Stalienifhen Forſchungen“ zu verſtehen 
gegeben, woran jene Goethe'ſchen Anfichten krankten. Sie 
find nichts Anderes als eine neue Form jenes Strebens 
nah einem abftracten deal, wie es fih im 17. und 18. 
Jahrhundert im Gegenfage gegen ein ebenfo unkünſtleri⸗ 
ſches Abfchreiben der Natur geltend machte. Sie haben ei- 
nen durchaus afademifchen Charakter, wie denn aud) das 
Nittel, durch welches diefe Männer ein neues Aufblü- 
ben der Kunſt hervorrufen wollten, die Ausfchreibung von 
Preisaufgaben, ganz und gar in der Weiſe jener Zeit 
ft, die das perfönliche Verhaͤltniß des Schülers und 
Meiſters, meiches dem ntereffe der Kunſt am förderlich. 
Ren ift, durch ein fchulmelfterliches erfegen zu können 
glaubte, da doch, wo fi jenes Verhältnig nun einmal 
nicht wiederherftellen läßt, ein freies Anfchliefen des Kunft- 
jingers an die Kunſtheroen ber Vergangenheit, wie wir 
Ne in ihren Werken vor uns haben, den einzigen Aus- 
weg darbietet. ber diefe Punkte kann das Urtheil kaum 
mehr getheilt fein; die Außerung Riemer's in ber be- 
wild angeführtern Vorrede, daß bie Schriften der Wei- 
mariſchen Kunftfreunde eine geraume Zeit allein die deut⸗ 
ſcht Lunfiwelt zu unterhalten und zu belehren geeignet 
geweſen, iſt nicht ſowol als Urtheil über die Sache 
denn als eine Nachwirkung der Sache ſelbſt zu betrach⸗ 
ten. Auß marı ſchon einigermaßen von ber Kennt⸗ 
niß folder Gege nſtaͤnde Profeflion machen, um heutzu- 
er nur überhaupt noch zu mwiffen, wer W. 8. ge 
en. “ 
Diefe Erſcheinung ift räthfelhaft und bedarf um fo 
mehr einer Erklärung, je mehr man im Übrigen berechtigt 
Mt, die Erweiterungen des äfthetifchen Geſichtskreiſes, wel⸗ 
de der neuern Zeit gelungen find, auf Goethe zurüdzu- 
führen. Sie fcheint fürs erfle mit der Stellung, die 


Goethe als Dichter einnimmt, im Widerſpruch zu ſtehen; 


denn was jenem Unweſen, das man mit dem Ideal trieb, 
welches Rumohr charakterifirt, im Gebiete der Dicht⸗ 
hanft am meiften verwandt ift, die franzöfifche Tragödie, 
ibt auf Goethe durchaus keinen Einfluß aus, ja dieſelbe 
iegt ihm fo ganz fern, daß er nicht einmal gegen fie 
polemifirt; er ift eben als Dichter ganz und gar auf 
em Boden der lebendigen Wirklichkeit heimiſch. Ind 
das die bildende Kunft felbft betrifft, fo ſchließen ſich die 
Beimarifchen Kunſtfreunde in den allgemeinen Gefichts- 
yunkten, welche fie für dieſelbe aufftellen, fo durchaus an 


Bindelmann an, daß Otfried Müller in feiner „Yrchäole- 
gie” die „Geſchichte der Kunſt“ von Dieyer fchlechtweg als 
eine weitere Ausführung der Bindelmann’fchen Anfichten 
bezeichnen fann. Windelmann aber gilt allgemein für Den- 
ienigen, welcher ber abftracten Auffaffung des Alterthums 
gegenüber, -welche in ber Renaiffancelunft jeder Art vor» 
herrſcht, das reine Griechenthum geltend gemacht habe; 
und da diefes in der allerfrifcheften Ergreifung der Wirk» 
lichkeit befteht, jo muß er damit in einem ähnlichen Ge⸗ 
genſatze gegen das conventionnelle Wefen feiner Zeitge- 
noffen ftehen, wie Goethe als Dichter, wie er denn auch 
die theoretifche Geltendmachung der pofitiven Leiftung 
ebenfo wie Diefer die pofitive Leiſtung felbft der unpro- 
ductiven Polemik gegen das Verkehrte vorzieht. 
(Die Bortfegung folgt.) 





Die Lebens. und Leidensgeſchichte der Friefen, insbefon- 
dere der Friefen nördlich von der Elbe. Bon K. J. 
Clement. Kiel, Bünſow. 1845. 8. 15 Ngr. 


Diefes Buch muß jedenfalls zu den beflern Erfcheinungen 
der deutfchen Literatur gezählt werden, obwol es nur auf ſchlech⸗ 
te8 Papier gedrudt ifl. Der Verf. gehört zu ten Tendenz⸗ 
fchriftftelern; aber feine Zendenz ift eine Beine, egoiftifche, 
bergefuchte, fondern fie ift Peine geringere, als dem Volke der 
Friefen in Erinnerung zu bringen, daß fie auß einer edein 
Wurzel ftammen, um fie dadurch zu befeuern zur Ausführung 
alles Guten, Großen und Schönen, das ihnen in ihrer jegigen 
politifchen Lage noch möglich geblieben ift. Diefe Tendenz un» 
ferd Verf. wird ed als ganz natürlich erfcheinen laflen, daß 
feine Sprache kurz, Bräftig, fchlagend. iſt; er ergeht ſich nicht - 
in Bunftreich gedrechfelten Phrafen, fondern fpricht feine Ge⸗ 
danken bezeichnend, ſcharf, bündig aus. Man darf ſich aber 
nicht vorftellen, das Buch enthielte politifche Reden; nein, es 
ift vorherrſchend hHiftorifher Natur. Als folches hat ed noch 
den Vorzug, daß, fo reih es an Material, an Mittheilun 
von -Factis ift, man doch niemals ſich ermüdet oder gedrü 
fühlt durch einen Wuſt von Gelehrſamkeit; der Verf. — 28 — 
einen Stoff mit klarſter Einſicht und bat ihn mit großer Ge⸗ 
chicklichkeit vertheilt. Ramentlich findet diefes Lob Anwendung 
auf die Derbinbung bes Hiftorifden mit dem Statiſtiſchen, 
Topographiſchen und Beographifchen: eine Verbindung, weiche 
fih dur das ganze Bu binziebt. Mef. darf behaupten, in 
gleicher Weife wie der Hiftorifer für die Specialgeſchichte man: 
ches Reue aus diefem Werke erfahren wird, in gie Weife 
wird auch der Geograph, der Topograph, der Statiſtiker eine 
nicht geringe Menge intereffanter und wichtiger Angaben, die 
biöher wenig befannt waren, in biefem Werke finden. 

Das Land der Zriefen ift ber Außenrand von Weſt⸗Ger⸗ 
manien, von der Weſterſchelde an bis an die Grenze von Däne- 
mare. Bon hohem Intereffe find die Lineamente zu einer Ge⸗ 
fhichte der Nordſee, welche der Verf. gibt. Derfelbe ftelt näm- 
lic) die Behauptung auf, daß der Grund der Kordfee zwiſchen 
dem Zütifhen Riff und den Flämiſchen Bänken, von 07° bis 
52° nördlier Breite, einft eine mit hohen Geeftrüden unter: 
miſchte Marfchebene gewefen fei. Jetzt findet man, daß der Bo⸗ 
den des Meers größtentheild aus Kleie und Band befteht; 
zwiſchen England und Holland findet man viel fteinigen Grund. 
Als Hauptüberbleibfel der uralten &eefthöhen Bein en hervor 
das Juͤtiſche Riff, die Borren bei Amr’am, die Bänke bei Yar- 
moufh, Broad fourteens, und die Zlämifchen Bänke. Alle In- 
feln vom Xerel an bis zur Mündung der Ems und Wefer wa⸗ 
ten einft feftes Land von Friesland. Die ungeheuere Doggers⸗ 
bank ift 20-25 Meilen breit und 70 Meilen lang, fie zieht 


1128 


ſich durch die ganze Norbfee. Ws der Kanal zwiſchen Frank⸗ 
reich und England nody feftes Land war, ift auch Doggersbank 
noch Feſtland geweſen; durch den Strom der Straße von Do: 
ver ift es untergegangen. Unfer Verf. behauptet, daß der Strich 
von SZütland bis Flamborough-head in Yorkfhire ein zufammen- 
hängendes Land gemwefen fei; die Straße von Dover war ba: 
mals noch nicht durch Erbbeben aufgebrochen; wäre kein fefter 
Boden weſtlich von der jütifchen und fchleswig - bolfteinifchen 
Halbinfel gewefen, fo wäre daß jegige Land an feiner Weſt⸗ 
Lüfte nicht flach, fondern fteil. „Dad. Volk der Frieſen“, fo 
fagt unfer Berf. mit Recht, „ift beftändig gequält worden vom 
Wafler und von den Fürften; aber fie haben es nicht vertilgen 
fönnen.”. „Bon Fürftenmadt‘”, fo heißt es &. 40, „welche 
das Volk zu lieben Feine Urſache hat, ift es getreten, von der 
See zerfchnitten, wie eine Amphibie zertreten und zerfchnitten; 
aber wenn auch in Stüden, fo lebt es doch fort in unvermüft: 
licher Natur.” Die Waflersnoth ift ein Haupttheil in Fried: 
Lands Geſchichte. In u Buche werden die größten und 
fhlimmften Springfluten feit dem 3. 100 vor Chr. Geb., wo 
die Eimbern aus ihrer Halbinfel dur Sturmfluten vertrieben 
wurden, aufgezählt, bis zum 3. 1825 herab. 

Hieran fchließt fih ein Abriß der politifhen Gefchichte der 
riefen, welche weftlih von der Eibe wohnten, alfo namentlich 
im Amt Rigebüttel, im Lande Wurften und im Butjadinger- 
Lande; auch die Stedinger, im jeßigen Oldenburg, gehörten 
dazu. Intereflant ift die Mittheilung über die Theilnahme der 
riefen am Chriſtenthum, namentlich am römifch : Fatholifchen. 
Naͤmlich die Frieſen blieben, felbft Rom gegenüber, fehr felb: 
ftändig: fie verlangten, daß die Priefter verheirathet wären, 
„damit fie nicht anderer Leute Ehebett befledten”; Papſt 
Pius ll. machte ihnen dies Zugeftändniß. Werner gaben fie der 
Kirche weder Erftlinge, noch Zehnten, noch andere Abgaben. 
Vor dem 3. 1200 wurden die Friefen von dem Herzoge von 
Brabant und von den Grafen von Geldern und Kleve fo arg 
bedrängt, daß nach 1200 eine ganze Reihe von Zwingburgen 
von Utrecht bis nach Bremen hinlief. Weil die deutfchen Kai: 
fer Friesland doch nicht unterwerfen Eonnten, fo ließen fie es 
von den genannten Grafen und von den Dänen quälen. Un 
der Hunte und Weſer waren damald die Stedinger-Kriefen die 
mächtigften; die rafteder Chronik fagt: fie verhöhnten Kai: 
fer, Papft und Erzbifchöfe, und weil fie nicht roͤmiſch⸗katholiſch 
fein wollten, galten fie für Heiden. Es wurde ein allgemeiner 
Kreuzzug gegen fie gepredigt; der Herzog von Brabant, die 
Grafen von Didenburg, Kleve und Geldern fchloflen das Land 
eng ein. d— SUN) Stedinger wurden gemordet, die übrigen ent: 
Adben; fieben Jahre lang blieb das Land ganz unbemwohnt; erſt 
im 16. Jahrhundert wurden die Zriefen in der oldenburger 
Mari) ganz unterjocdht. 

Die Verfaffung der Friefen war ganz frei. Alle Amter 
woren Bolfseigentbum und wurden nur auf ein Jahr verlie- 
ben; ale Bürger und Bauern hatten gleiche Rechte. Wolke: 
verfammlungen wurden am DOpftalborm, zwiſchen Rahn und 
Welterende in Oftfriestand, gehalten; alljährlich in der Pfingſt⸗ 
woche wählte man die Vorfteher und Richters jede Bauerjchaft 
hatte einen Richter auf ein Jahr. Aller Streit wurde vor ei: 
nem Gericht entſchieden, welches zwei mal jährlich drei Tage 
lang zufammenfam; Antheil an den Brücen war des Richters 
Befoldung; wer ungerecht richtete, zahlte acht Marf, wurde 
abgefegt und fein Haus brannte man nieder. 

Diefe und ähnliche Mittheilungen, welche ganz genau bis 
u den feinften Specialitäten durchgeführt werden, find für die 

efchichte Deutfchlande, namentlich Holfteins, der Injeln Helgo⸗ 
land, Köhr, Sylt, Amr'am hoͤchſt wichtig. 
„. Zum Schluß theilen wir noch eine Bemerkung des Verf. 
über friefifche Sprache mit, weil fie zu mandherlei Discuffion 
Anlaß geben dürfte: „In der frieſiſchen Sprache ift ein ehr 
tiefes, ernſtes, poetifches Element, und fie eignet fi, wie bie 
englifche, wegen ihres Begriffsreichthums Leichter als Die Deutfche 


ur Poefie. Sie fagt Biel in wenig Worten, iſt reich an un 
vibigen Wurzelwörtern, in ihrer Begriffsbeſtimmung fehr (dar 
und treffend. Sehr oft läßt ſich das Friefifche nicht ind Deutihe 
übertragen, weil man bier auf Armuth in der Begriffbexid: 
nung, auf fehr unausgebildete Efemente, auf Mangel an Shirt 
und Feinheit im Grfafen der Ratur und der Sinnenwelt fökt; 
viel eher ind Engliſche. Die deutſche Sprache ift fehr lang 
ftielig, wie die Geſchichte des Volkes und alle feine politiſchen 
Vorgänge von jeher; die friefifhe kann hundert und taufm 
mal durch ein Wort ausdrüden, wozu die beutfche langgedehn 
tee Umfchreibungen bedarf. Die friefiihe Sprache hat ı. 2. 
ungewöhnlich viele Ausdrüde, um Ton und Schall in dern 
et aufs genauefte zu beftimmen und ſcharf zu ke 
zeichnen.‘ 

. Wir_boffen, daß der Verf. in feinem naͤchſten Werkt 
über friefifhe Spruchwoͤrter ſich über das Mitgekdeilte nd 
beftimmter ausſprechen und es rechtfertigen wird. Übrigen 
bleibt fein Werk allen Freunden deutfcher Geſchichte, deutihr 
Völkerkunde und Geographie angelegentlichft empfohlen. 





Literarifche Anzeige. 


‚In meinen Berlage ift foeben neu erfhienen und in allen Bub 


handlungen zu erhalten: 


Mosliheddin Sadi’s 


Rofengarten. 


Nah den Texte und dem arabifchen Commatı: 


Sururi's aus dem Perfifchen überſetzt nit Anm 


und Zugaben 


von 


8. 9. Graf. 
Er. 12. Geh. 1 Thlr. 6 Nor. 


Sadi's Mofengarten bildet den 56. Band der „Ausgewahr 
ten Bibliothek der Classiker des Auslande“. 


deren übrige "Bände unter befondern Ziteln ebenfalls cm 
abgegeben werden. Erſchienen find bis jept: 

I. il. Bremer, Die Rachdarn. Vierte Auflage. 20 Nor. — IL & 
mes, Ignez de Gaftro, überfept von te eo Kar. ” IV 
Das neue Leben, üÜberfept von Förfter. 20 Nar. — V. Bemr, 
Zöcter des Prälidenten. Vierte Auflage. 10 Kor. — VI. VIL Bunt 
Nina. Zmeite Auflage. 20 Nor. — VI. IX. Bremer, de &* 
Bierte Auflage. 20 Nor. — X. Bremer, Die Yamilie H. Zmet:!-” 
lege. 10 Rgr. — XI. Beevon n@rltes, Geihlcte ber Marc Min 


les, 
uͤberſeßt von Bülow. 20 Nor. XIXIVI. Dante, Leyriſche Gaue 
fept und ettlͤg pn eietet und Witte. —A —— 


kungen 


12 Nor. — XIV. Zaſſoni, Der geraubte Cimer, überfene ver I 
l 2bir. 9 Raer. — XV. Bremer, Kleinere Gryählungen. BET 
XVl. Bremer, Streit und Friede. Dritte Auflage. IN Nar- 


Boltaire, Die Dentiade, überfept von Schröder. 1 Abir. — IE 
Spuftan IU., Beute, überfcpt von eiR el. 1 Xhlr. 6 Rat. N 
N vera (Vitalis), Gedichte, überfept. von Kannegieher DRU- 
—ÄXHU. Woeeneeie, Das Delameron, üÜberfegt von Witte. Ir": 
Auflage. 2 zblr. 15 Nor. — XXIII-XXV. Dante, Die goöttuch 87 
die, „Rderfept von Kannegieher. Vierte Aufloge. 2 Ahr. 5 *3.” 
AXVI, Gelchina. ine dramatifche Novele. Aus dem Gpanikken if 
von Bülom. 1 XZBlr. 6Ner. — XXVN. XV. Eomadeva Shan! 
Mächenfammlung, überfept von Srockhaus, 1 Ihie. 19 Ngr. — MU 
. Bremer, Gin Tagebuch. W Rgr. — XXXi. XXX. Zafle, ° 

Ihe Gedichte, überfept von Körfter. Zweite Auflage. 1 Xbir. 15 IF 
— ZXXIll. Sitonabefa, Aus dem Sanskrit überfept von Müller. DI 
— IV. XXXV. Indiſqhe —A Zu deutſchen Rahbildunse 2 
Hoefer. 2 Zhlr. — XAXVI-XXXVIN. Galderon, Sheaufsilt, st 
vonMartin. 3 Thlr. — XXXIX. XL. Dante, Profaifde Ehrifirn. 1*° 
1. XLI Bremer, In Fit 


I. Sue, Der cwige Zube. 3 Abir. 1 ”E 
—LIV. LV. Madciavelli Ilotentinifche — ũberſedt an I 
m a n f Ele, — LVI. Gadis Rofengarten „ überfegt ver 3:1 


Eeipzig, im Dctober 1846. 
F. A. Brockhaus. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrih Wrodpans. — Druck und Berlag von F. WM. Wrodbaus in Leipzig. 














Blätter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


10. Dctober 1846. 





Die neueften Schriften über Goethe. 
Erfter Artikel. 
(Bortfegung aus Nr. 282.) 


Gleichwol ift die Mangelhaftigkeit und Einfeitigkeit 
der Goethe'ſchen Kunftanfihten gerade baraus abzuleiten, 
daß er nur den Windelmann’fhen Standpunkt einge- 
nommen und ihn in einem Gebiete, wo er nicht an ſei⸗ 
ner Stelle war, geltend gemacht; und daß er Dies zu 
iner Zeit gethan, als bereit anderweitige Foderungen 
laut geworden waren, läßt fich einzig und allein aus ſei⸗ 
nem dichterifchen Entwidelungsgange erklären. 

Wenn ed noch nicht gelungen ift, diefen Verhältniffen 
gegenuber einen vollkommen objectiven Standpunft ein- 
nehmen, fo rührt Dies daher, daß wir noch allzu ge- 
neigt find, und an Windelmann in ähnlicher Weife, wie 
Goethe und Meyer gethan, hinzugeben und uns von 
einen freilich unermeßlihen Verdienſten imponiren zu 
laſſen. Es gilt von Windelmann, was Guhrauer in 
feiner Schrift über Leffing’s „Erziehung des Menfchen- 
geſchlechts/ von Diefem ſagt: 

Wir haben treffliche Befchreibungen der Art und Weife 
feines Wirkens ald Denker, Schriftfteller und Charakter, aber 
unter dieſen Beine einzige Erklärung: und wenn nad Ariſtote⸗ 
les das Erftaunen der Anfang des Philofophirens ift, fo blieb, 
nu man wel fagen, die Gefhichte ter Literatur und Philo— 
chie in Rüdfiht auf ihn die Tängfte Seit auf dem Stand⸗ 
unfte des Erſtaunens. Endlich aber follte das Erftaunen auf: 
teen und dem Begreifen, dadurch aber erft recht der Bewun⸗ 
eng Plug machen. 

Und zwar gilt Died von Windelmann in noch 
ham Grabe als von Leſſing. Weil wir, was feine 
gemeine Anfchauung betrifft, noch fo durchaus in dem 
erhäftniffe der Schüler zu ihm ftehen, fo betrachten wir 
n immer nur in Bezug auf die Wirkungen, die er 
isgeübt, und vergeffen durchaus darauf zu reflectiren, 
elche Einflüuffe er felbft etwa erfahren und wie ihm die 
itverhältniſſe doch immer auf eine gewiſſe Weiſe dazu 
huͤlflich geweſen, Das zu werden, was freilich nur er 
reden Ponnte. Wir datiren von ihm mit Necht eine 
nn neue Ordnung ber äfthetifchen Dinge, und ba er- 
eine er und nun al6 eine Art von Deus ex machina, 
5 ein Genius, der gleihfam von außen her in die Ge⸗ 
ichte eingetreten und die Brücke, über die er. gekom⸗ 


men, binter ſich abgeworfen. Allein dergleichen Genien 
gibt es überhaupt nicht, mag es auch nüglich fein, daß 
die Zeitgenoffen eined ausgezeichneten Mannes ihn ge- 
meiniglid) für einen folchen halten; denn wollten fie ihn 
gleihh von vornherein altklug begreifen, fo würden fie 
ſich um die Wirkung bringen, die er auf fie auszuüben 
gekommen if. Alſo wird fih auch für Windelmann 
eine beflimmte Verknüpfung mit feinen Zeitgenoffen nach⸗ 
weiſen laffen. Und dadurch wird es denn fogleich vorläufig 
begreiflic gemacht fein, wie bei Goethe die weitere Aus- 
führung und Anwendung der Windelmann’fhen Grund- 
fäge ſich als eine Äußerung des Geiftes des 18. Jahr⸗ 
hunderts barftellen koͤnne. 

Winckelmann hat allerdings den geiſtigen Geſichtskreis 
ſeiner Zeitgenoſſen in zweifacher Beziehung beinahe ver⸗ 
doppelt; Das iſt ihm aufbehalten geweſen, und er hat da⸗ 
zu nur ſehr ſpärliche Vorarbeiten vorgefunden. Es hat in 
den modernen Jahrhunderten aus mancherlei äußern und 
innern Gründen unter den bildenden Künften die Male— 
rei das Ubergewicht gewonnen, und zu jener Zeit ward 
nicht nur in der Xheorie diefe allein ins Auge gefaßt, 
wie das 3. DB. der zweite‘ Titel von Leffing’s „Laokoon“ 
beweift, fondern es mußten ſich auch in der ünftlerifchen 
Praxis die Baukunſt und Sculptur ihren Gefegen viel⸗ 
fältig anbequemen. Im Gegenfage dazu machte nun 
Windelmann die Sculptur geltend, wie fie ein ganz ei- 
genartiges und fcharfbegrenztes Kunftgebiet ausmacht; 
und ‚war bewirkte er Dies nicht durch eine theoretifche 
Entgegenftellung in Weiſe der foeben genannten Leffing’- 
[hen Schrift, fondern dadurch, daß er, durch Vorliebe 
und Talent geleitet, in einer umfaffenden Darftellung 
den ganzen Kreis von Werken, den diefe Kunft in den 
Jahrhunderten, in welchen fie ſich einer befondern Pflege 
zu erfreuen gehabt, nad ihrem künſtleriſchen Verdienſte 
zu würdigen fuchte. Hieran knüpft fich ein Zweites. Es 
ift nämlich die Sculptur im eminenten Sinne als bie 
Kunft des griechifchen Alterthums zu betrachten, und fo 
ift Windelmann’s Werk die Quelle der tieferen Anfchau- 
ung des Griechenthums geworden, welche die neuere Zeit 
mit Recht unter ihre werthvollſten Erwerbungen zählt. 
Wie Diefes ganz beſtimmt zufammenhänge, in welchem 
Sinne die Sculptur bie Kunft des Alterthums zu nen- 
nen und gewiffermaßen als die Hauptäußerung beffelben 


130. . 


anzufehen fei, da doch bie geiflige That, dur welde 
ein Kunftwert hervorgebracht wird, nicht identiſch fein 
kann mit Dem, was man Zeit- oder Nationalgeift nennt 
—: folhe Fragen müffen einer andern: Unterfuhung zur 
Beantwortung überlaffen bleiben, genug, daß bie That: 
fache dieſes Sufsmmenhange für alle Folgezeit durch 
Windelmann’s Darftellung ans Licht geftellt if. Bei der 
unendlich folgereichen Aufftellung des Gegenfages zwiſchen 
dem Antiten und Romantifchen ging man ausdrücklich 
auf Windelmann zurück. F. Schlegel fagt in feiner 
Schrift „Uber das Studium der griechifchen Poefie“: 

Denn wiewol fein Unternehmen zunaͤchſt nur auf die bil 
dende Kunft gerichtet war, fo kann die Anwendung davon auf 
die Poeſie und auf die gefammte geiftige und fittlihe Bildung 
bes Alterthums nach dem gleichen hoben Schönheitsgefühle und 
großen Kunftverftande von diefer feiten Grundlage aus nun: 
mehr leichter gefunden und auch zur allgemeinen Anerkennung 
gebracht werben. | 

Und in demfelben Sinne hat fih F. A. Wolf, der 
zuerft die Philologie als in fi einige Alterthums⸗ 
wiffenfchaft begriffen hat, obgleich, wie Gocthe (XXX, 
196 — 200 der Ausgabe der legten Hand) erzählt, für 
die Gefchichte der bildenden Kunft als folder durchaus 
unempfänglih, niht nur zu ber Mitarbeit an Goe⸗ 
the's „Windelmann und fein Jahrhundert” bereit fin- 
den laffen, fondern auch felbft in dem Aufjage, den er 
zu dieſer Schrift beifteuerte, mas ihm Winckelmann bei 
ſolcher Verſchiedenheit der Intereſſen fein konnte, wie 
folgt ausgeſprochen: 

Winckelmann hatte einmal, ſeitdem er die Alten genauer 
zu ſtudiren begann, fein ganzes Augenmerk auf Dasjenige ge⸗ 
richtet, was auf Kunft und Künftler mehr oder weniger bezüg: 
lich iſt; er hatte jelbft hierin lange nicht Alles erichopft, wozu 
ein weit gemaͤchlicheres Sammeln und Prüfen noͤthig war; 
aber er hatte Etwas aus ben Alten gewonnen, was bie Philo: 
fogen von der Gilde gewöhnlich zulegt oder gar nicht lernen, 
weit es ſich nicht aus fondern an ihnen lernen läßt — ihr 
ren Geiſt. | 

Vielleicht iſt man eher geneigt, dieſes legtere Verdienſt 
als ein zweideutiges zu bezeichnen, denn er gab freilich 
dadurch Veranlaſſung zu jenem Abbeftilliven des Geiftes 
von dem Befchichtlichen, welches, als die fchlimmfte Art 
von Abſtraction, ber präcifen Kenntniß beffelben fo nach ⸗ 
theilig zu fein pflege; und da ein ſolches Verfahren nir- 
gend weniger ausreichen Tann als bei ber Betrachtung 
der Kunft, bei der es auf die ganz beftimmte Auffaffung 
des Ginzelnen und Nichts weiter ankommt, fo fcheint 
auf diefe Weiſe Windelmann felbft hervorgerufen zu ha⸗ 
ben, was die Wirkung feiner unftgefchichtlichen Darftel- 
lung ſchwächen mußte. Dem fei nun wie ihm wolle, 
fo muß gleichwel behauptet werden, baf doch gerade bie 
Erkenntniß des griechifchen Geiſtes der Punkt geweſen, 
von dem er ausgegangen. Er iſt nicht etwa auf dem 
Wege zu ihr gelangt, daß er ſich dem Eindrucke der 
Werke der Sculptur ganz hingegeben hätte, ſondern es 
war in ihm anfangs ein Intereſſe für fie nur inſofern 
lebendig, als fie eben griechifche hießen, und eine Em⸗ 
pfänglichfeit für den Geiſt der in ihnen lebt, weil er 
diefen Geiſt ſchon anderweitig, nämlich in ben griechi- 


Shen Schriftſtellern kennen gelernt hatte. Windelman 
iſt durchaus Gelehrter, und wenn es feine hiſtoriſce 
That ift, die Kunftgefchichte als eine eigene Wiffenfhaf, 
welhe auf der Anfchauung der Kunftwerke beruht, der 

lterthumskunde, die ihren Stoff aus dem geſchtiebenen 

uchſtaben zieht, entgegengeftellt zu haben — en Fo 
fhritt, in bem ihm, beiläufig gefagt, Manche noch hei 
gen Tages nicht zu folgen wiffen —, fo läßt es ſich dech 
genau verfolgen, wie fid) Dies in ihm erft ganz allmälg 
ausgebildet Hat. Er fagt zwar In der Vorrede um 
„Geſchichte der Kunſt“: 

Die Liebe zur Kunſt iſt von Jugend auf meine grehte 
Reigung gewefen, und ungeachtet mich Geziehung und Im 
ftande in ein ganz entfernte® Gleis geführt hatten, fc meldet 
fi) dennoch allezeit mein innerer Beruf. 

Und für die Wahrheit diefer Worte ift die „Geſchichte 
der Kunſt“ felbft der glänzendfte Beweis; aber zum de 
wußtfein über diefen innern Beruf ermachte er doc cha 
nur erft, als ex die „Geſchichte der Kunſt“ ſchrieb. Bir 
es die Kenntnig des Griechiſchen war, der er feine gie 
ftige Aufnahme in Rom verdanfte, fo war aud) fein W 
fehen bei feiner italienifhen Neife ebenfo fehr auf M 
lologie ald auf Kunft gerichtet, und wenn er eina te 
cififhen Sinn für die legtere in fi) verfpürte, jo nat 
er in demfelben nur ein verfommenes Talent de I 
übung zu erbliden. Er fagt in einem Briefe me: 
Jahre 1753: 

Gott und die Ratur haben wollen einen Maler, ma 
großen Maler aus mir machen, und Beiden zum Troh felt 4 
ein Pfarrer werden. Nun ift Pfarrer und Maler an mir w 
dorben. Allein mein ganzes Herz hängt an der Kenntnis = 
Malerei und Xlterthümer, die ich durch fertigere Zeichen 
gründlicher machen muß. Hätte ih noch das Feuer oder " 
mehr die Munterkeit, die ih durch ein heftiges Studiren © 
loren, ich würde weiter in der Kunft geben. Nunmehr IH: 
ih Nichts vor mir, worin ich mich hervorthun Fönnte, :' 
die griechifche Literatur. Ich finde Beinen Ort als Rem: 
ſchickter, diefelbe weiter und wenn es fein Bönnte aufs Kst 
zu treiben. 

Erft in Rom veranlaft ihn die Bekanntſchaft m 
Mengs und ber Beifall, den feine Schrift über die Rx 
ahmung der alten Künftler dort und im Franfıit ge 
funden, aus „diefer Art von Wiſſenſchaft“, nünlid da 
Kunſtkenntniß, feine Hauptbefhäftigung zu machen \ 
auch jegt Hat dies noch ein ganz antiquarifches Gar. 
Nom, fagt er, fei mit feinen Schägen weder den Ri 
mern noch den Ausländern befannt; ex denkt auf iM 
Beichteibung der Galerien in Rom und Italien, I 
fie Richardſon gemacht, der Rom nur durchlaufen; | 
projectirt hier etwas Ahnliches, wie er es fpater in © 
treff Herculanums gegeben hat, weiches auch gleich | 
demfelben Briefe erwähnt wird. Nach und nad M 
fieht in ihm das Apersu einer Gefchichte der Kunft. 3 
I. 1756 am 30. März ſchreibt er an den Bibliorkei 
Franke, er werde zu feinem angefangenen Werke üb 
den Geſchmack der griechifhen Künftier den Schluß ml 


‚ machen können, ehe er nicht Neapel gefehen, „benn d 


Zeit, in welcher der vaticanifche Apollo und ber Laokıt 
geazbeitet feien, müſſe durch Vergleichung ber her 


1131 


niihen womöglich beſtimmt werden“. Endlich am Ende 
des Jahres finden wir in einem Briefe an Walther zu- 
erſt erwähnt, daß er ein fehr weitläufigee Werk, eine 
Geſchichte der Kunft, angefangen habe. Bon jeht an fin- 
den wir, daß er das Studium der fhriftlihen Denk⸗ 
male des Alterthums um ihrer felbft willen mehr und 
mehr hintanfege. Gr potter über d'Drville, der andert⸗ 
halb Jahre lang täglich auf den Vatican gegangen, um 
einige Bereicherungen und Berbefferungen der griechi⸗ 
[hen „Anthologie” aufzufinden, und die Anftellung an die⸗ 
fer Bibliothef, die ihm den Zutritt zu ihren handſchrift⸗ 
lichen Schägen eröffnet, um den er fi im Anfang ſei⸗ 
nes römifchen Aufenthalte beim Papſte felbit bemüht 
hatte, ift ihm jege eine Lafl. Bei dem Allen aber fin- 
den wir zu irgend einer künſtleriſchen Ausübung bei ihm 
keine Neigung, faum hören wir, daß er auch nur zum 
Behufe der wiſſenſchaftlichen Erforfhung der Kunftwerke 
diefelben durch Abzeichnen zu firiren gefucht babe; viel 
weniger benugt er die Gelegenheit der Herausgabe ber 
„Monumenti inediti”, in eigener Nachbildung der Werke, 
die er zur Bekanntmachung beftinmt, als Künftler auf« 
zutreten, vielmehr rühren die Zeichnungen in dieſem Werke 
von Caſanova her, und feine eigene Arbeit ift ebenfo 
sehr darauf berechnet, die alten Schriftfteller durch die 
Kunftwerke als diefe durch jene zu erläutern. ‘ 

In der That konnte es ihm auch nur auf diefem 
Wege gelingen, den Geift ber Sculptur aufzufaffen und 
darzuſtellen; wäre er von einem reinfünftlerifchen In⸗ 
treffe ausgegangen und in Lünftlerifchen Kreiſen erzogen 
und gebilder worden, fo dürfte er fchmerlih im Stande 
geweſen fein, ſich von dem Einfluffe der Ideen, bie, wie 
eben angedeutet, Damals in diefen Streifen herrſchend wa⸗ 
ten, frei zu erhalten. Bon dieſem Geſichtspunkte aus 
erſcheint alfo, was er felbft freilich al6 das größte Hemm- 
niß feiner Entwickelung anfehen mußte, feine einfame 
und gedruckte Jugend und die fpäte Bekanntſchaft mit 
den Werken, für welche er der Welt das Verſtändniß 
iu eröffnen beftimmt war, als die nothmwendige Bebin- 
gung zur wahren und volfftändigen Erfüllung biefer 

eſtimmung. 

Inſofern ſteht alſo Winckelmann durch Dasjenige, 
was er geleiſtet hat, indem er damit ein ganz neues 
Gebiet der Erkenntniß eröffnete, durchaus außerhalb ſei⸗ 
ner Zeit, naͤmlich über derſelben; mie denn, wenn bie 
wahre Größe, wie man uns jegt bieweilen glauben machen 
will, darin beftände, daß Einer bios Das, was bie Zeitge- 
noffen wollen, zum Ausdruck bringe, alles hiſtoriſche Ver⸗ 
dienft auf eine Organiſation des Stillftandes hinauslaufen 
würde. Allein in dem Wie der Ausführung feines un« 
flerblichen Werkes ift er dagegen weit mehr als man 
bisher anerkannt zu haben fcheint von dem Geiſte feiner 
Zeit beſtimmt worden. 

Daß Winkelmann feinem allgemeinen Bilbungsftand- 
punkte nach, was man auch von dem antiken Stile fei- 
ner Perfönlichkeit fagen mag, feiner Zeit keineswegs fremd 
genefen, zeige fih aus vielen Stellen feiner Briefe. 


Imar von den Franzoſen, die damals in Deutfchland 


noch »iel galten, hatte er ſich gründlich emaneipirt, wenn 
auch vielleicht mit Hülfe der Römer, bei denen dieſel⸗ 
ben nach feinem Berichte fehr verachtet waren. „Gin 
Franzoſe“, fhreibt ey (1, 118), „iſt umverbefferlich, 
das Alterthbum und er widerfprechen einander.” Und 
von dem Philoſophen Wolff, den er perfönlich gehört, 
fagt er (ll, 30): was ihm wie im Mondfcheine von weis 
tem ein Ungeheuer gefchienen, fet ein Klop gemefen, ba 
er nahe gefommen. Dagegen meldet fich bei Gelegenheit 
bes Gonfeflionswechfels ein Wenig von ber Freigeifterei 
oder dem Deismus bes Jahrhunderts, er zeige fich als 
ein Beide nicht fo durchaus im antiken, fondern im 
ganz modernen Sinn. Yerner nennt er Mendelsfohn’e 
„Phaͤdon“ eins der erften Bücher, die er kenne, und 
empfiehlt dem Hrn. v. Berg Pope's „Essai on man’, 
den er fafl auswendig wifle, ja fogar, was man ihre 
unter Allen am wenigften zutrauen follte, Pope's 
Überfegung bes Homer! 

(Die Kortfegung folgt.) 


Romanliteratur. 


1. Reicher Burfh und armes Mädchen, eine oberichwäbifche 
Bauerngefhichte von Johannes Scherr. Ulm, Sei 
1846. 8. 11%, Nor. 

Die Vorrede, welche in nuce eine Gejchichte der fchönen 
Literatur feit Goethe bietet, bezeichnet die Hinneigung der Dich» 
ter zum Volke in Geſinnung und Stoff als hoͤchſt bedeutend 
für die Entwidelung der Literatur, als das große zu Löfende 
Problem des Jahrhunderts, und ed werden von Goethe an die 
Dichter nachgewielen, bei denen dieſe Hinneigung fi) zeig 
unter welchen jedoh Maler Müller nicht genannt wird. Ra 
diefer bis auf die zehnte Seite ausgedehnten Vorrede follten 
wir nun billig eine Erzählung von irgend einiger Bedeutung 
erwarten, fei es im Motiv, fei es in den Mitteln und deren 
Benutzungz allein da finden wir uns denn doc getäufcht. 
Schon die Form zeugt von einer Subjectivität, die fih in ih⸗ 
ser Ginfeitigkeit von diefen und jenen Inclinationen, gleichviel 
ob fie zur Sache gehören oder nicht, nicht zu trennen verma 
ohne doch den Verſuch zu wagen, fie irgendwie mit Dem Stoffe 
zu verſchmelzen. Es ift nicht die mindefte Nothiwendigleit ges 
zeigt, weshalb der Verf. von Parid kommt, um einen Stu⸗ 
diengenofien zu befuchen, der in Frohdorf Pfarrer geworden i 
Auch dieſer Pfarrer ift, mit Einfluß feiner durchaus nich 
anfpredhenden Liebhaberei, welche das Studirzimmer in Road 8 
Arche verwandelt, eine überflüfige Nerfonz ebenfo der Inva- 
ide, der alle Rapoleon’ichen Feldzüge mitgemacht hat und eb 
gentlih nur des Verf. Liebhaberei für den corjiihen Attila ver- 
treten muß. Die ganze Gefchichte ift Nichts weiter als daß 
ein junger Bauernburſche ein junges Mädchen liebt, währen 
der reiche Vater ihn mit der Zochter des reichen Nachbars ver⸗ 
heirathen will. Diefer Nachbar Hat wahrfcheinlih den Bater 
bes armen Mädchens vor Jahr und Zug in bie Donau ges 
ſtürzt. Warum er Das gethan haben Fönnte, wiflen wir nicht. 
Gleichwol ſtürzt er eben am Jahrestage dieſes unheimlichen 
Ereigniffes, und zwar ebenfalld an derſelben Stelle, in die 
Donau, und nun darf der reihe Burſch das arme Mädchen 
beirathen. Warum jetzt ? Das erfahren wir nicht; denn des 
Burſchen Vater hat dem Pfarrer gebeichtet, und ber katholiſche 
Prieſter Darf Nichts verrathen. Rur fo viel fteht fe, daß dem 
Beichtenden der Geift des ertrunkenen Nachbars erfchienen if. 
Eine ſolche Geſchichte bedurfte des langen gelehrten Vorrede⸗ 
anlaufs in keiner Weiſe. Die kurze Notiz wäre binreichend 


gewefen: Berthold Auerbach hat Dorfgeſchichten gefchrieben, 








1132 


Lie bedeutenden Anklang finden, alfo ſchreibe ih auch ber: 

gleichen. 

2. Sohannes Huß und feine Zeit. Hiſtoriſch⸗romantiſches Zeit 
emälde von Ludwig Köhler. Drei Bände. Leipzig, 
tb. 1846. 8. 4 Thlr. 15 Nor. 

Die religiöfen und politiihen Fragen der Gegenwart, wie 
fie zunächft in Deutſchland verfochten und bekämpft werden, 
lenkten den Verf. auf ähnliche Erfcheinungen der frühern Zeit. 
&o entftand fein „Thomas Münzer”, fo auch „Iohannes Huß”, 
beffen Zeitalter durchweg zerrüttet war. Es fah zugleich drei 
Päpfte, einen deutſchen König, einen römiſchen Kaifer. Die 
Macht der Kirche manifeitirte ſich durch zügellofe Ausſchwei⸗ 
fungen, und der Thron gehörte nur dem fiegreihen Schwerte, 
nicht felten in gedungener Rauberband. Johannes Huß, em 

ört von den fehnöden Gewaltſchritten kirchlicher Erpreffungen, 
Hand in den Ausſpruͤchen des Englaͤnders Wicleff, wol audy bei 
den Waldenfern, zunächſt einen Leitfaden für des reinen Wahr: 
heitöfinned tiefes Schamerröthen über die kirchliche Verſunken⸗ 
Heit, und das Concil zu Konftanz fah in feiner Wahrheit Ketze⸗ 
rei, welcher die katholiſche Kirche lange Zeit hindurch, und 
fo auch bier, nur durch den Scheiterhaufen zu begegnen ver: 
ftand. _ Für-die Macht ift Das allerdings ein Purzer Weg, ſich 
eines Überläftigen zu entledigen ; doch hat die Zeit gelehrt, daß 
diefer kurze Weg dennoh nicht zum Ziele führe. An den 
Sceiterhaufen des Iohanned Huß und Hieronymus von Prag 
entzündete fich bie vermwüftende Kriegsfadel der Huffiten. Dieſe 
mußten freilich erfahren, daß der Segen des wahren Chriſten⸗ 
thums nicht der blutigen Pflugfhar des Schwertes erbluͤhe; 
doch gelang es audy den Katholifchen nicht, das einmal ausge⸗ 
fprochene Wort der Wahrheit wieder zu vertilgen. Die Hufii- 
ten lebten fort in den Waͤhriſchen Brüdern. Un diefe reihen 
fi die Reformation ded 16. Jahrhunderts, der Dreißigjährige 
Krieg, und nun auch die Bewegungen der Gegenwart. Wie 
die leßtern fich entwideln werden? Auch fie bezeugen, daß das 
rechte Wort immer noch nicht gefunden ſei. Es wird nur durch 
fih felbft gefunden. Alle Concilien, Religionsfriedensfchlüffe 
und Synoden find nur Yalliative, nur ein Herd für neue 
Kämpfe. Das tft eine alte Wahrheit, und ftände die Gegen: 
wart nicht auf einem gährenden Vulkan, fo möchte es anma- 
Bend und überflüffig erfcheinen, an das Belannte bei jedem Un: 
laß zu erinnern. Wenden wir und nun zu dem vorliegenden 
Bude, fo fehen wir wol, daß es die Abjiht war, das oben 
Angedeutete zur Anfchauung zu bringen. Die politifhen und 
kirchlichen Zerwürfniffe follten den Schidfalen einer anfcheinend 
nicht bedeutenden Perfönlichkeit angereiht, dieſe mit jenen Zer⸗ 
würfniffen enger und enger verbunden werden. Allein wir fin 
den gar bald, daß der Faden zu ſchwach ift. Volkmar von der 
Hagen, wie fi fpäter ergibt, ein natürlicher Sohn des Kai: 
ferd Sigismund, lebt nur fich felbft, wird von den Umftänden 
ergriffen und umbergefchleudert, um uns irgend eine Beiterfchei« 
nung vorzuführen, die dann ifolirt daſteht. So fehlt dem 
Sanzen jener lebendige Organismus, der und von der Roth: 
wendigkeit des Einzelnen überzeugt. Huß erfcheint fpät und 
geht dann dur das Buch nur ald Nebenperfon, wie denn 
berhaupt fhwer zu fügen ift, Wen wir eigentlich als Haupt: 
perfon anzufprechen haben. Ebenfo ift es mit der Handlung. 
Rad dem Zitel müflen wir erwarten, daß von Huf, als dem 


Mittelpunfte des ganzen biftorifchen Dramas, Alles ausgehe, 


auf ihn zurüdigeführt werde. Dem ift jedoch nicht fo, da, wie 
fhon bemerkt, die Erfcheinungen ifolirt daſtehen. Die Dar: 
ſtellung überhaupt werläßt felten den Kreis der Relation, ſodaß 
die vorgeführten Scenen meiftens nur als Umriffe erfcheinen. 
Die Sprache ift nicht im Charakter der Zeit gehalten, und den 
Perfonen werden oft fehr moderne Ideen untergefchoben. &o 
dürfte 3.3. ſchwer nachzuweiſen fein, daß zu Huß’ Zeit irgend 
Jemand etwas von Menfchheit und Humanität gewußt habe. 
Wenn nun nad) diefen Andeutungen die Foderungen der Kritif 
aud nicht befriedigt werden, h gibt es doch Kefer genug, 


Verantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Brodpans. — Drud und Verlag ven F. X. Brockhaus in Leipjig. 


⸗ 


benen dieſes Buch Unterhaltung gewährt und einen Bd ır 
bie Zeit deffelben darbietet. 


3. Die Meife ohne Ziel. Aus dem Leben. Rad dem Yen: 
[hen tes Grafen von Skarbek. Deutſch von € rin 
Laffow. Zwei Theile. Berlin, Puttlammer. 1865, 8 
1 Ihr. 

Eine Reife ohne Ziel ift bei dem jegigen Paßweſen, x. 
züglih dem ruffifhen, eine ſchwierige Aufgabe. Eine Ki: 
ohne Zweck ift fchon leichter zu bewerkftelligen. Der hier ver 
geführte Reiſende hat, wie wir fehen, einen Paß und eigen 
lich auch einen Zweck. Er hatte eine Geliebte, die einem %ı 
dern heirathen mußte, dedhalb reift er, gebt durch Schkin 
über Breslau nach Dresden, macht einen Abftecher üser Fre: 
berg und Tharand, berührt dabei Manches, was ihm — 
deutſch erſcheint, und pilgert dann wieder der Heimat zu. 
dem Konaft findet er die Geliebte ald junge Witwe wie, 
Das ift die ganze Geſchichte. Die Begegniſſe auf der Kai 
find von Feiner befondern Bedeutung, doch Hin und wien 
ganz launig behandelt, fodaß fie im Driginal leicht vet x 
ziebend erſcheinen mögen. In einer berfegung verliert da 
gleihen immer mehr oder weniger, obgleich Die vorlmi 
leicht und fließend erfcheint. I 








Literarifhe Notiz aus Frankreid. 
DOrganifation der Arbeit. 


Man braucht nicht gleich focialiftifchen Theorien su bi 
wenn man auch die unleugbaren Miöverhältniffe unferer z:= 
wärtigen Zuſtaͤnde anerdennt und den Zeitpunkt heranzzt: 
wo benfelben abzubelfen wäre. Die ganze Frage von tat 
ganiſation der Wrbeit ijt überhaupt von fo großer Be 
tung, daß man die Augen von den Erfcheinungen, meld: — 
bie Erklärung und Deutung derfelben von Bedeutung ir 
nicht abwenden darf. Indeffen haben von den Schriften, =# 
fi auf dieſes hochwichtige Thema beziehen, eigentlich nı? 
jenigen Werth und Intereffe, deren Verfafler ihre pr: 
Befähigung folder Beitfragen dadurch) an den Zag legen. ii 
fie nicht im blinden Taumel der Reuerungsluft von ale 3 
siehungen zur Wirklichkeit abfehen. Nur Der ift berufen 54 
ein Wort mitzureden, ter dem Beftebenden fein Recht m‘: 
fahren laßt und zugleich bei der Beurtheilung des Ihr 
lichen auch die im Biftorifcen Entwidelungsgange ber: 
Rechtfertigung beachtet. Wie viele von den zahliofe Fis 
ſchriften und fliegenden Blättern, welche in dieſer Anz” 
heit von Stapel gelaufen find, haben volltönende Phrafa 8: 
veiche Tiraden und zum Theil felbft hochherzige Gerzfe :" 
Wuͤnſche aufzumeifen, aber ermangeln doch alles Wr: =" 
aller nachhaltigen Bedeutung, weil fie für ihre weit 
Reformen nirgend einen Anknüpfungspunkt finden. Untt‘ 
wenigen Schriftftellern, welche bei der Behandlung dies 8W 
mas ihren wahren Ruhm nicht in ein unbefchränßtes X:3:: 
aller beftehenden Ordnung, fondern in eine ruhige, aliet 
Beleuchtung der gegebenen Verhältniffe ſetzen, bezeihrer = 
Ih. Maurin als einen der befonnenften. Seine Schrift „E 
sur l’organisation du travail et l’avenir des classes la} 
rieuses“ ift in jeder Beziehung eine beachtenswerthe Eris 
nung. Wir finden hier eine klare Darlegung über den Z: 
der arbeitenden Claſſen in der Vergangenheit, aus der 
her Beitrag zur gerechten Würdigung der gegenwärtigen * 
ftände gewonnen wird, und Borfchläge zu Reformen, vö 
die Möglichkeit der Ausführung an fih tragen. Diele Ker 
niß der Gefchichte fichert dem Verf. zugleich auch das Sum 
auf die Zukunft, die von den Socialiften gewöhnlichen Z$.:: 
nur unter der Bedingung nicht preißgegeben wird, daß mar. 7 
zur Verwirklichung ihrer Utopien die Hand bietet. | 


















Blätter 


fir 


iterarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


14. October 1846. 





Die neueften Schriften über Goethe. 


Erfier Artikel. 
(Bortiegung aus Nr. 238.) 


Diefe Eympathien prägen ſich nun in der Geſchichte 
er Kunft auf eine eigenthämliche, aber darum nicht 
inder unvertennbare Weife aus. Im Allgemeinen lag 
hon darin, daß er nur überhaupt die Kunft zum Ge⸗ 
enftand einer gefhichtlihen Darftellung machte, ein au- 
erordentlicher Fortfchritt in der Auffaffung derfelben. 
Ran war nämlich in jener Zeit vermöge gewiffer hi⸗ 
terifcher Verhältniffe, auf die hier nicht weiter einge- 
angen werden kann, durchaus geneigt, die Kunfl nur 
uch der Seite ihres Inhalts aufzufaffen, was fi) am 
mifdyiedenften in dem Unftande fund ‚gibt, daß man 
br eine lehrhafte Abſicht unterfheb. Auch Winckel⸗ 
nann felbft zahlt in Diefer Beziehung in feiner Abhand- 
ung über bie Wllegorie der Dienfchlichkeit feinen Zribut. 
Über indem er eine eigenthümlidhe und allein in Dem 
Bein der Darftellung als folcher, nicht bes Dargeftell- 
ten bearimbete Entwidelung derfeiben nachwies, lehrte er 
fie ald etwas ‚für ſich Beſtehendes und volllommen Un- 
abhaͤngiges, das feine eigenen Gelege habe, auffaffen. 
Und doch war es biefer entfchieben theoretifche Geiſt des 
Jahrhunderts, weicher bie Mangelhaftigkeit feines Stanb- 
untte bedingte, der fpäter bei Goethe und Meyer zu 
isem pofitiven Ubelſtande werben follte. 

Wenn diefe Richtung auf das Theoretifche überhaupt 
xt Kunft ungünftig war, fo machte fie fidh, da die letz⸗ 
etc nun doc einmal eine nothwendige Sache bed Men- 
hengeiftes ift, welche durch einen bloßen Irrthum nicht 
ertilge werden fann, andererfeite auch im @ebiete der 
danſt felbft geltend. Es warb nämlich dieſe damals 
urhaus im Sinne einer Theorie ausgeübt. Eine folche 
onnte fich aber nicht wol anders geftalten, als daß fie 
uefindig zu machen fuchte, was in der Kunft in aller 
ind jeder Beziehung bas Richtige fer, und dieſes der 
Ausübung als unverbrüchliche Norm vorfchrieb. Und da 
Bar nun das erſte Axiom biefed, daß das Richtige in 
er antiten Kunft zu fuchen fei; nicht als hätte man 
affelbe in ihr wiedererkammt — benn man batte fie 
ben überall noch wicht erfannt —, ſondern wie Goethe 


fagt: „Nur immer Kunft und Alterthum, und Alter⸗ 
tum und Kunſt? Genug, das eine bat den Ruhm, 
die andere hat die Gunſt.“ Das allgemeine Bemuft- 
fein ftand noch auf dem Standpunkte, welcher das Mit- 
telalter für eine bloße beklagenswerthe Epiſode in bes 
Geſchichte hielt und allen Fortſchritt der Menfchheit, 
wenn man von der Religion abfieht, nur von einem 
möglichft vollftändigen Ruͤckſchritt ins Altertum erwar⸗ 
tete. Und fo verftand es fi) denn auch von felbft, daß 
alle Kunft Renaiffancelunft fein müffe. In diefem Sinue 
ſchrieb nun auch Windelmann feine „Geſchichte der Kunfl“. 
Es war keineswegs eine rein hiftorifche Anfchauung, von 
welcher er dabei ausging; er erzählt bie Entwidelung 
der antiken Kunft nicht als die einer vergangenen Kunft, 
fondern als die der wahren, als die der ganzen und al- 


ler und jeder Kunſt. Windelmann’d Ausgangspunkt zu 


feinem großen Werke ift eine Schrift über den Gefhmad 
bes griechifchen Künftlers, von welcher in feinem Brlef- 
wechfel vielfeitig die Rede ift; es währte mehre Jahre, 
bis fih ihm daraus die Idee einer Geſchichte der Kunft 
entwidelte. Wir fönnen nachmweifen, auf welchem Wege 
Das gefhah. Es konnte nicht ausbleiben, dag man in 
den Werken der griechiſchen Künfkler einen verfchiedenen 
Geſchmack entbedte, man hatte auch in der Verehrung 
der alten Kunft, ba man bei ausgebreiteter Kenntniß 
auf manche mittelmäfige oder ganz fchlechte Producte 
geſtoßen war, nothwendig in Verlegenheit fommen müf- 
jen. Es entftand die Srage, was denn nun am Ende die 
alte Kunft fer, welche nachgeahmt werden müffe, welchen 
Geſchmack man für den wahren zu halten habe. Die 


natürliche Antwort war, dag man ſich an die beften Zei⸗ 


ten halten müffe. Aber woran diefe epfennen, da une , 
feine beglaubigten Werke der erftien Künftler erhalten 
find? Man hatte bis auf Windelmann die abenteuerligg- 
jten Vorftellungen; man meinte ;. B. wie er felbft an- 
führt (II, 386), bie fchlechteften Werke feien immer 
als die älteften zu betrachten. „Hier gab es nur Ei— 
nen Ausweg, aber indem Windelmann diefen einfchlug, 
mußte er zugleich jenem G@eifte feines Jahrhunderts un⸗ 
wieberbringlich verfallen. Es mußte nämlich a priori aus 
dem Weſen der Kunft feſtgeſtellt werden, welches ihr 
Enmiddungsgang babe fein nüſſen, worauf dena, was 
ſich fo ergeben hatte, etwa durch die wersinzelten Nach 





134 7: 


richten der Ulten bekräftigt werben mochte. Windelmann'e 
„Geſchichte der Kunſt“ fängt mit dem Sage an: 

Die Künfte, welche von der Zeichnung abhängen, haben, 
wie alle Erfindungen, mit dem Rothiwendigen angefangeh nad) 
dem. fuchte man die Schönheit und zulegt folgte das Überflüf: 
fige: dieſes find die vorneßmften Stufen der Kunft. 


Auf diefe Weife wurde die „Gefchichte der Kunſt“ zu 
gleich zu einem Lehrgebäude, wie fie Windelmann felbft 
in der Vorrede bezeichnet. Er fagt hier: 


Die Geſchichte der Kunft des Altertbums, welche ich zu 
reiben unternommen babe, ift Beine bloße Erzählung der Beit- 
Ige und der Veränderungen in derfelben, fondern ich nehme 

das Wort Geſchichte in der weitern Bedeutung, welche daf 
felbe in der griechifchen Sprache hat, und meine Abſicht ift, 
einen Verſuch eines Lehrgebäudes zu liefern. Diefes habe ic 
in dem erften Theile, in der Abhandlung von der Kunft der 
alten Völker von jedem insbefondere, vornehmlich aber in Ab: 
ſicht der griechiſchen Kunft auszuführen gefucht. Der zweite 
Theil enthält die Gefchichte der Kunft im engern Verſtande, 
das ift, in Abficht der äußern Umftände, und zwar allein unter 
den Griechen und Römern. Das Wefen der Kunft aber ift in 
diefem ſowol als in jenem Zheile der vornehmfte Endzwed. 

Und wo er zu ber griechifchen Kunft gelangt, heißt 
es geradezu (IV, 3): 

Die Abhandlung von der Kunft ber Agypter, der Etrus⸗ 
ker und anderer Voͤlker kann unſere Begriffe erweitern und 
zur Richtigkeit im Urtheil führen; die von den Griechen aber 
ſjoll ſuchen, dieſelben auf Eins und auf das Wahre zu beſtim⸗ 
men, zur Regel im Urtheilen und im Wirken. 

Und daraus ergibt fih ganz unmittelbar bei Win- 


ckelmann eine Anſchauungsweiſe, die man als durchaus 


unbiftorifch bezeichnen muß, nämlih daß die Kunft nur 
unter dem Gefihtspunfte ihres Wachsthums und ihrer 
Abnahme betrachtet wird, da doch in der Gefchichte Nichte 
eine bloße Worbereitung zu etwas Anderm oder eine 
bloße Nachwirkung von etwas Anderm fein Tann, fondern 
Alles eine pofitive Bedeutung haben, etwas für ſich felbft 
Beltendes fein muß; wie uns denn auch neuere Forfcher 
gerade in den Werken des eifernen Zeitalter ber anti- 
fen Kunft die Keime einer neuern, ber mittelalterlichen, 
erbliden gelehrt haben. 

Indeffen gingen aus dieſer Einfeitigkeit Windel- 
mann’ für die Kunft felbft zunächft Peine nachtheiligen 
Folgen hervor. Es war gar nicht feine Abſicht, auf die- 


‚felbe einen Einfluß auszuüben. Nicht die Erneuerung 


der antiten Kunft in moberner Zeit war fein Abfehen, 


‚fondern die Anerkennung ber erftern ſelbſt. Diefe war 


ihm nicht ſowol das Höchfte, welchem man nachſtreben 
müffe, als vielmehr das Einzige, mit welchem metteifern 
zu wollen vergebens fein würde. Er weiß die moderne 
Kunft nur zu verachten, 3. B. wenn er in einer befann- 
ten Stelle fagt: 
Die Neuern find Efel gegen die Alten, von denen wir 
leichwol das Schönfte nidt m en, und Bernini ift der größte 
el unter den Reuern, die Franzoſen ausgenommen, denen 
man die Ehre in diefer Urt laflen muß. 


Den legten Sap hoffte er einmal in einer befom- 


dern Schrift zu ermeifen. Ober wenn er Etwas in ihr 
gelten läßt, fo ift es nur, weil er bafür hält, daß in 
ihm ein antites Princip bereite aufgenommen worden, 


9 


wie er denn gegen Hrn. v. Berg als ein Mittel, cum 
jungen Menfchen zum Berflänbniß bes Schönen zu hi: 
ben, neben Zeichnungen nad antiten Reliefs und & 
mälden allerdings auch bie Bibel des Rafael nennt, der 
er feiner Zeichnung wegen hochſchaͤtzte. Am entſchitden⸗ 
ſten fpricht ſich Dies in einem Briefe an Gefne vom 
Fahre 1761 aus. Es Heißt dort: 

Es war endlich einmal, nad fat 300 Jahren, Zeit, deh 
Jemand fih an ein Syſtem der alten Kunft wagte, nidt die 
unferige dadurch zu verbeffern, die es in Wenigen 
die diefelbe treiben, fähig ift, fondern jene betrachten 
und bewundern zu lernen. 

Diefer Freiheit von praktiſcher Verwickelung mit dm 
Zeitrihtungen verdankt Windelmann’s Werk den Ch 
rafter der Ewigkeit, welchen man vorzüglich im ug 
hat, wenn man ed als ein wahrhaft antikes Produn 
bezeichnet; es zeige fich in ihm, mögen die Schikſale da 
neuern Kunft ſich geftalten wie fte wollen, der Geift de 
Alterthums abgefpiegelt, wie er in hiftorifcher Abgeidiei 
fenheit dem Wechſel der Zeiten entnommen iſt. Bem 
wir aber darauf binweifen mußten, daß Mindelmun 
nur als Gelehrter auf den Inhalt, welchen er geim 
gemacht, habe geführt werben können, fo beurtum a 
fi) auch in der Etellung, bie er zu bemfelben einnum, 
als einen folchen, indem er, ohne auf eine praktiſqe de 
ziehung auszugehen, ſich begnügt, ihn in feiner nun 
Dbjectivität herauszubilden. 

Gerade das Begentheil findet bei Goethe flat. ir 
the's Kunſtintereſſe war vom Anfange an ein durdem 
praftifches, und alfo gänzlich auf die Gegenwart geik 
tet, wie es bei Künſtlern der Fall zu fein pflegt. Au 
war e6 durchaus in feinem Umgange mit Künftlern 6 
fprungen; er war von freühefter Sugend auf von Er 
chen umgeben geweſen: das Haus feines Vaters m 
eine Zeit lang ein förmliches Atelier, und er weiß dam 
zu erzählen, wie er als Knabe bei ber Erfindum de 
Bilder auch feine Vorfchläge machen durfte, ja dam 
Annahme derfelben von Seiten des Ausführenden i 
nicht wenig ermuntert gefühlt. Dazu macht Goethe fc 
in gewiffem Sinne auf ben Rang eines Künftlai I 
ſpruch. Das Zeichnen nahm bis in fein Gmimaler 
einen Theil feiner Zeit in Anſpruch, und gar mitt I 
im Dienfte feiner natur « und Eunfthiftorifchen Eure 
fondern als freie Kunftübung. Wir finden zwar mil 
daß er durch irgend einen äußern Schritt Lund gibt, N 
er fih zum Künftler beſtimmt glaube, indeffen erzählt ( 
mit ſichtbarer Genugthuung, daß man ihm in Rom geſat 
wenn er ein paar Jahre daran wenden wolle, fünn I 
was daraus werden. Auch merkt man ibm fpäter t 
gewiffen Schmerz an, daß ihm die Mannichfaltigkeit 
ner Intereffen und Beichäftigungen nicht Zeit gels 
zu einer vollftändigern Ausbildung biefes Talents 
gelangen. 

Unter biefen Umftänben iſt es nicht anders zu 
warten, als daß Goethe den kuͤnſtleriſchen Zeitideen 
ner Jugend volltommen hingegeben gemefen. Bir ſ 
er 3. B. einem Oſer gegenüber, der damals für cm 


1186 


pohm Bann golt, im dem Alter, in weichem er mit 
fin Umgang pflegte, eine eigenthümliche Auficht haben 
geltend machen Tonnen? Zwar find uns aus feiner er- 
fen Periode wenig Kunflurtheile aufbehalten, denn in 
Wahrheit und Dictung” herrſcht natürlich der Stand- 
punkt der Zeit, da diefes Buch gefchrieben worden; doch 
kommen uns die Sympathien, die dort erzaͤhlungeweiſe 
berichtet werben, über feine Anfichten aufflären. Sie 
find größtentheild auf die Niederländer gerichtet, wie Dies 
beſonders bei dem Beſuche der Dresdener Galerie ins Licht 
titt, und in der Zeit bald nach dem „Göt von Berli- 
Hingen” umd „Werther finden wir diefe Borliebe auf 
eine fehe markige und im Gegenfag zu feinen fpätern 
Lehren höchft bezeichnende Weife ausgeſprochen: 

Was der Künftler nit geliebt hat, nicht liebt, foll er 
aicht fidern, fann er nicht (bildern. Ihr findet Rubens’ 
Beiber zu fleifhig® Ic ſage euch, es waren feine Weiber; 
und hätt’ er Himmel und Hölle, Luft, Erde und Meer mit 
Wealen bevölkert, fo wäre er ein ſclechter Ehemann gewefen, 
und es wäre Bein kraͤftiges Fleiſch von feinem dleiſch und 
Bein von feinem Bein geworden. 

Auch die Anmerkung, melde er zu diefen Worten 
macht, ift für die damalige Periode charakteriftifch: 

In dem Stüde von Goudt nach Cisheimer „Philemon 
und Baucis” hat fi Jupiter auf einen Großvaterftupl nieder» 
gelaffen, Mercur ruht auf einem niedern Lager aus, Wirth 
and BWirthin find nad ihrer Urt befchäftigt fie zu bedienen. 
Jupiter bat fd indeffen in ber tube umgefehen, umd juft 
faden feine Augen auf einen Holzſchnitt an der Wand, wo er 





einen feiner Birbeafämänte, duch Mercur’6 Beipülfe ausge: 
führt, Aaͤrlich abgebildet findet. Wenn fo ein Zug nicht mehr 
werth ift als ein ganzes Beughaus wahrhaft antiker Zachtge ⸗ 
ſchirre, fo will ich alles Denken, Dichten, Trachten und Schrei⸗ 
ben aufgeben. 

Aber es fragt fi, iſt Dies nicht dem Geiſte jener 
Zeit, welche in allen äftpetifhen Dingen fo fehr zu anti - 
Mfiren liebt, gerade entgegen? So wäre es wenigſtens 
eine andere Richtung eben diefer Zeit geweſen; denn daß 
man damals die Rubens fehr yeangäben zeigt die große 
Role, welde feine Büder in den Galerien fpielen, die 
damals errichtet worden find. Aber es ift Dies gar nicht 
einmal eine Richtung, welche der antikiſirenden entgegen- 
zuſehen wäre; es ift.damit nur die Weiſe angedeutet, 
in der man biefe leptere auffaßte. Wir treffen bei 
Soethe zu jener Zeit noch auf eine andere Neigung ber 
Art, welche noch viel weniger in den Gontert der Mo- 
deintereffen zu paffen ſcheint, feine Begeifterung für die 
altdeutſche 8 
ſter entzündet wurde. Wenn fein „Erwin“ bei der jün- 
gern Generation viel Unklang fand, fo wurde der Sinn 
für den Gegenftand eben nur erſt durch diefe Schrift 
felbft erwedt; ein traditionnelles Wohlgefallen an diefen 
Bauwerken exiſtirte gewiß feis lange nicht mehr. Und 
doch ift hier nur das Princip ifolirt und für ſich felbft 
ausgefprodhen, welches ſich den Gefhmadsrichtungen der 

Zeit unbewußt belmiſchte. Die altdeutfhe Baukunft 
warb von Goethe bevorzugt wegen des Raturfräftigen, 
das fich in ihr darſtellt, der Wirkung, die fie macht; und 
eben Diefes war, dem franzoͤſiſchen Gefchmad gegenüber, 


jaufunft, welche durch den firasburger Mün- 


welcher die Kunft in der moͤglichſten Abſtraction von ale 
ler friſchen Natur fah, die Bedeutung feiner Vorliebe 
für die Niederländer. Gerade ein Streben nah Wir- 
tung ift es aber, und nichts Anderes, was fich im 
Gebiet der Sculptur in jener Einmiſchung eines male 
riſchen Elements kund thut, melde Windelmann zu ber 
kaͤmpfen hatte. 


Die Zortfepung folgt.) 





Ungarifche Volkslieder. Überfegt und eingeleitet von M. 
U. Greguf. Leipzig, ©. Wigand. 1846. 16. 
20 Nor. 

Während fidh feit Herder's erftem Verſuche einer allgemeir 
nen Sammlung von Bolßsliedern unzählige Sammler 8 Über» 
” " nüht haben, die Bolisdihtung faft aller bekannten, 

a oder ungebildeten, Boͤlker ind deutſche Schriftenthum 
en, ifk gerade das ungarifche Bolkslied eins der wer 
madhläffigten geblieben, ein Schickſal, welches es in ⸗ 
it dem gefammten ungarifchen Schriftentbum theilt. 

_ orener Ungar unternimmt e& bier, die füde einiger- 
mahen auszufüllen und den Deutſchen wenigftens eine Auswahl 
derfelben in Überfegung verzuführen: & ift nur eine kleine 
Sammlung, eine größere wil Hr. Greguß veranftalten, wenn 
die iafalldp -Befüfgaft ihre Gammlung ungarifcher Volks» 
lieder herausgegeben haben wird; aber fie wird binreichen, 
um uns die Eernthümligteitn der ungarifchen Volksdichtung 
mwenigftens im Allgemeinen erfennen zu laffen. 

Der Überfeger hat feiner Sammlung eine recht gut ger 
friebene Einleitung vorangeſchickt, in welder er ſich fel 
über den tcharakter der magyarifchen Voiksdichtung in 
rem Berhältniß zur beutfchen und flawifchen ausſpricht. 
zieht eine doppelte Parallele zwiſchen den Volksliedern diefer 
drei Wölfe. Das deutſche Volkslied ift ihm zunaͤchſt dat ger 
muͤthliche, wegen feiner finnigen, Maren, in fid abgerundeten 
und zufeiebenen Unfhauungsweife; das ſiawiſche dae melandjo- 
life, wegen feiner trüben, niedergebeugten Stimmung; das 
ungarifde endlich daß humoriftifhe, wegen feiner gilsen Kum · 
mer und Luſt ſprungweiſe abwechſeinden Laune. weit ſtim · 
men wir ihm vollkommen bei; wenn er aber das ſlawiſche Bolks⸗ 
lied daß epiſche, das deutſche das Iyrifhe und das ungarifche 
das dramatiſche nennt (der Slawe lebe in der Vergangenheit, 
betrauere daB verſchwundene Gluͤck und erzähle von den Tha- 
ten feiner Ahnen; der Deutfche lebe in der Bukunft, mit feir 
nen Liedern eine ſchoͤnere Beit prophetiſch verfündend ; der 
Ungar in der Gegenwart, obwol unzufrieden mit berfelben, der 
großen Väter gedenkend und für die Zukunft fämpfend, aber — 
den Lebenden gehört das Wild), fo haben wir dagegen Man» 
erlei zu erinnern. Das beutfche Bolkslied fol einen lyriſchen 
Charakter tragen; Hr. Se braucht blos die Upland’fce 
Sammlung ber altdeutfhen Volkslieder Durchzublättern, um zu 
fehen, daß rein lyriſche Gedichte faft nur Ausnahmen bilden. 
Das deutfche Minnelied ift Iprifch, dab deutſche Wolkslied vor« 

ſugsweiſe epiſch, oder wenn man will, fogar dramatiſch. Ur 
ke iſt anſchaulich in ihm, felbft bie lebloſe Ratur wird Leben» 
dig, Bäume und Blumen ſprechen, die Handlung wird in ra. 
fer _fpringender Weife vorgeführt und Scene auf Scene fol» 
em fi in echt dramatiſcher Weife._&o figen z. B. zwei Lies 

Bene unter der Linde und nehmen Abſchied: 

„Liebe Kind, wir müffen auseinander, 
36 muß nod fieben Jahre wandern.” 
„Duft du noch feben Jahre wandern, 





So deireid · ih mir feinen Andern.” 
WS die fieben Jahre vorüber find, erwartet fie ihren Ge 
liebten; er Bommt, von ihr nicht erkannt, und prüft ihre Treue: 
Geftern bin ich geritien durch eine Stadt, 
@o dein fein's Lieben hat Dochzeit gebat. 


11% 


Was khaͤtſt dur ihm wol wuͤnſchen, 

Beil er nicht gehalten fein’ Kreu’?“ 

„Ich wuͤnſch' ihm fo viel Segen, 

So viel als Troͤpflein Regen“ u. ſ. w — 

Was zog er aus ſeiner Taſchen 

Gin Tuch, ſchneeweiß gewafhen? 

„Trockn' ab, trodn’ ab die Äugelein. 

Du foUR hinfort mein Gigen fein.‘ 
Ebenſo raſcher dramatifcher Gang ift in dem allbefannten 
„Ich fand auf hohen Bergen” und in Hielen andern alten deut» 
Men Volksliedern. Wie das deutſche Volkslied ein Volkslied 
der Zukunft genannt ‚werden Fann, ſehe ich nicht eitt, man 
müßte denn die politifchen Lieder der Neuzeit Bolkslieder nen- 
nen, was fie doch ficher nicht find. Wenn je ein Volkslied es 
mit der Gegenwart zu thun hat, fo iſt es das deutſche; da ift 
Alles Ratur und Wahrheit, da ift Feine Sehnſucht ald nad 
der (Geliebten, von der der Dichter getrennt ift; was jie be 
fingen, haben fie ſelbſt geſehen oder erfahren und führen es 
fi) nun im Liede noch einmal vor. So ift das deutfche Volks. 
Led; fehen wir uns nun nad dem ber Ungarn um. „Jedes 
ungariſche Volkslied“, jagt der Verf. „iſt ein kleines Drama, 
und wenn die ungariſche Literatur ſich jemals geltend machen 
wird, fo wird fie dies hauptfächlich auf dramatiſchem Felde.“ 
Wir wollen gern glauben, daß die Ungarn Volkslieder genug 
mit dramatifhem Charakter haben mögen, aber er hätte uns 
doch auch in feiner Sammlung den Beweis in die Hände ge 
ben follen. Das ift aber nicht geſchehen; höchſtens ein paar 
Liedchen verdienen allenfalls diefe Bezeichnung: denn Liedchen 
wie das folgende (8. 41): 

„Liebchen, fag’, warum die Lippen bir fo roth?“ 

„gabe mid hineingebiffen, wurden roth.” 

„Meingebiffen, do nicht mit den Zähnen bein? 

erden wol von Bandi's Kuß geröthet fein.” - 

„Liebchen, fag’, warum bie Augen dir fo naß?“ 

„Hab' mid mit dem Thau gewaſchen, wurden naß.” 

„IR kein Thau, ift eine Thraͤne perlenrein, 

Dachteſt d'ran, wenn Bandi's Braut du wuͤrdeſt fein.“ 
und ähnliche (S. 49, 53) find dialogiſch, aber noch nicht dra⸗ 
matifh. Bon allen Liedern fann man das folgende noch am 
ebeften dramatifch nennen (S. 50): 

Reif bedeckt die weiten Fluren kalt und naß, 

Weide nicht mein Roß, denn Schaden bringt das Grab. 
Fleug mit mir zu meines Liebchens ftilem Haus, 
- Denn mein Herz -bridt in der Sehnfuht Flammen aus. 

Schollen liegen auf dem Wege hart und groß; 

Hüte deinen Fuß davor, mein theures Roß! 

Ginen famm’tnen Sattel, einen feid’nen Baum 

Kriegſt du — führe mich nur zu dem lieben Raum! 
Weithin rauſcht die gelbe Donau ungehemmt, 

Dat vieleicht aud meinen Weg fhon uͤberſchwemmt; 

Gelbe Donau, halte deine Waffer ein, 

Denn fie könnten meinem Roſſe ſchaͤdlich fein. 

Aus dem Kenfter blinkt der Kleinen Lampe Schein, 

Bei der Lampe fchläft ein braunes Maͤgdelein. ' 
Brauned Mädchen, ſchlumm're nimmer! Komm heraus! 
Dein Geliebter harret deiner vor dem Haus. 


Hr. Greguß bat und im Ganzen einige SU Volkslieder mit- 
getheilt, darunter 16 von bekannten Verfaffern; die von un: 
befannten Berfaffern, alſo die eigentlichen Volkslieder, theilt 
er in zwei Claſſen, in die Schämperlieder oder Lieder in epis 
grammatifcher Form, fämmtlich nur vierzeilig, und in bie län: 
gern Volkslieder, deren laͤngſtes ſechs vierzeilige Strophen ent: 
halt. Ob übrigens der Name Schämperlieder, ein norbbeut: 
ſcher Provinzialismus, auf die epigrammatifihen Liedchen paßt, 
möchte ich fehr bezweifeln; bei uns mwenigftend (in Anhalt:Def: 
fau) bezeichnet man mit diefem Ausdrude die alten Volkslieder, 


zaͤhlungen der Heldenthaten ibrer Defiger. 


namentli die Licbeslieder, deren Länge yewöhnikh da} Dep- 
pelte, häufig auch das Vierſache der längern Bolkölieder in 
Hrn. Greguß' Sammlung beträgt. Wir möchten diefelben cher 
mit dem Namen Volksreime bezeichnen; fie find im Allgeme: 
nen etwas verftändlicher als unfere deutſchen Volksreime te 
hätte die Mehrzahl berfelben ebenfo gut wegbleiben fünnen, 
wäre dadurch die ſchon Beine Sammlung nicht noch mehr pe: 
ſammengeſchmolzen. Gigenthümliches bieten fie wenig; om «i 
genthümlichften ift der „Spigbubenreim” (&. 32): 
Ohne Zlamme brennt kein Licht, | 
Ohne Maufen leb' ih nicht, 
. Bin ih doch Bein heil’ger Geiſt, 
Muß Helt Ieden wie ich's weiß. 


Schöneres bieten die längern Volkslieder umd die von be 
kannten Berfaffern, obwol auch bier Bieles vor der fr 
Kritik nicht beſtehen möchte: doch die Kritik darf es niit Boll 
liedern nicht allzu genau nehmen. | 

Die Austattung des Buches ift glänzend, ja fogar ver- 
ſchwenderiſch, daher der für den Inhalt des HUN Getezfeiten 
ftarfen Buͤchleins ziemlich hohe Preis. E. Fiebler. 


Bibliographie. 


Heinzen, K.,Politiſche und unpolitiſche Fahrten um 
Abenteuer. Zwei Theile. Mannheim, Hoff. 8. 1 Thir. Br. 

Honek, M., Prinz Eugen, der edle Ritter. Heike 
Rovelr. Zwei Bände. Hannover, Helwing. Gr. 12.3: 

gr. 

Kletke, H., Deutiche Gefchichte in Liedern, Romane. 
Balladen uno Erzählungen deutfcher Dichter, gefammilt rt 
mit Anmerkungen begleitet. Zür Schule und Haus. Bein. 
Adolf u. Comp. Gr. 8. 1 hir. 15 Nar. 

Die apoftolifche Lehre von der Verföhnung, Bermittelsz 
Vertretung und Zurechnung, Mar aus den Quellen dargeftät 
ein Gefpräch. Frei nach dem Englifchen. Zübingen, Balız 
erpedition. 8. Nur. 

Lelewel, J., Geſchichte Polens. Bollitändige ders 
Ausgabe. Mit dem Bildniſſe des Verfaſſers und einem IE 
riſchen Atlas von Polen. Ifte Lieferung. Leipzig, Zur 
&r. 8. 22%, Nor. 

Möller,I3.H., Hiſtoriſch-biographiſches Handmwörtertz 
Ifter Band. Ifte Abtheilung. Iftes Heft. Leipzig, 9. Fleiſhe 
Her. 3. Preid der ganzen Abtheilung von 25 Bogen I FE 

ar. 

Niebuhr, DB. &., Vorträge über römiſche Geſchichte 
der Univerfität zu Bonn gehalten. Herausgegeben ven N 
Isler. Ifter Band: Bon der Entftichung Roms bie zum L#- 
brud) des erften punifchen Krieges. Berlin, Reimer & N. 
2 Thlr. 15 Nor. 

Drphal, C., Militairifhe Wanderung eines prauiiin 
Ulanenunterofficier8 aus dem Pfaffenthale zu Kurembug st 
Spanien, oder Erinnerungen an meine Militairdienfiät 7 
Sachſen, Preußen, Belgien, Algerien und Spanien, mit Kein 
derer Ruͤckſicht auf die Franzöfifhe Fremdenfegion und den T: 
nifhen Bürgerkrieg. Gotha, Gläſer. 12. 22%, Nor. 

Sandeau, 3., Fräulein von Saint Saureur. Bieleik 
mehr ald Roman. Nach dem ranzgöfifchen frei bearbeitet — 
Ifidorus orientalis. Baugen, Schlüflel. Gr. 8. 224, War 

Staiger, &., Welt: und Lebensbilder. Fin Bud 
Haus. Billingen, Förderer. N. 


I Zhlr. 15 Ror. 
Starklof, 2, Sirene. Eine Schlöfler: und Hin 
ar Ir. 





Leipzig, D. Wigand. 8. 1 X 

ibiage's, M. v., GSeſchichte der berühmteſten A: 
burgen und Schlöffer Frankreichs, Englands, Deutſclardt 
der Schweiz 2c. Nebft deren Sagen, ?egenden und den & 
Deutfih von v. Bsı“ 
arcke. I Thlr. I0 Nur. 


Zwei Bände. Merſeburg, 


Verantwortlicher Herausgeber: Seinrich Brodhans. — Druck und Verlag von J. X. Brockhans in Peipztg. 








Blätter 
| für a 
iterariſche Unterhaltung. 


’ 


Montag, —— Kr. 285, — 12. October 1846. 








Die neueften Schriften über Goethe. | Anfhauungsweife in Goethe zum Durchbruch. Es Al 
Erher Artikel bier der Ort nicht, das oft Gefagte über den in gewif: 
" fem Sinne antiten Zug, welchen jegt Goethe’ Weſen 
(Bortfegung aus Rx. 2.) annahm, und der ihn befähigte, fpäter den gleichen in 
Nun gewann freilich die Anſchauungsweiſe des Lep- | Windelmann zu erkennen, zu wiederholen. Doc muß 
en auf Goethe nah und nach immer mehr Einflug. | darauf bingewiefen werden, wie bei Goethe jene frühern 
kußte ſich doch Diefer auf ihn ſchon durch die Ver- | Kunftliebhabereien, wenn er auch den Sinn für ihre Ge⸗ 
ndungen mit feinem Bekanntenkreife, der fi) ihm im | genftände feineswegs einbüßte, entſchieden in den Hinter 
aufe feines Lebens ergeben, immer wieder hingewiefen | grund traten. Die „Propylaͤen“ find Nichts weniger ale 
nden. In Leipzig verkehrte er mit Oſer, Deffen Ber | eine Verberrlihung der niederländifhen Maltrei, und 
annefchaft er dann auch von Weimar aus ımterhielt, | „Kunft und Altertum” gibt gleich durch feinen Zitel 
nd am weimariſchen Hofe lebte ein vertrauter Freund | zu erfennen, auf welche Art von Kunft in ihm ber 
Bindelmann’s, Berendis, der die Briefe, welche er von | größte Nachdrud gelegt wird. Am drutlichſten prägt ſich 
en Legtern erhalten, wenn fie auch erft nad, feinem | Dies in Betreff der deutfhen Baukunſt aus. Seit feis 
lede gedruckt find, dem kunftgebildeten Kreife der Her: | ner Entfernung von Strasburg hatte Goethe, wie er 
ogin Amalie gewiß nicht vorenthalten haben wird. Zwar | felbft fagt, kein wichtiges impofantes Werk der Art ge 
t 6 uns nicht vergönnt, die Ummandelung in Goethes | fehen (XXXIX, 355): | 
Infichten über bildende Kunft, welche ſich jegt allmälig | Der Eindruck erloſch, und ich erinnerte mich Baum jenes 
ıgeben mußte, im Einzelnen nachweifen zu koͤnnen; —** rat Hatte ſolcher a Soon Kon 
en iſt auch in feinem Intereſſe für dieſelbe niemals ſolche Geſinnungen nicht wiederbeleben, um ſo weniger, als 
eine Pauſe eingetreten — in jener Periode ward es ber | die modernen Veränderungen am Dome zu Mailand den alten 
jonders durch Merck genährt, welcher den weimarifchen | Charakter nicht mehr erkennen ließen (8); und fo lebte ich 
Hof mit Gemälden und Kupferftichen verforgte —, fo fcheint | viele Jahre ſolchem Kunftzweige entfeent, wonicht gat ent⸗ 
‚och Goethe fi) damals mit der unmittelbaren Wirkung frembet. *) 
nd der Aneignung des Einzelnen begnügt ‚zu haben; Und da er nun in den zwangiger Jahren unſers Sahr- 
nigftend find uns Auffäge oder andere Außerungen hunderts ſich ihrer Anerkennung nicht mehr ganz entäle- 
Igmeinerer Tendenz nicht aufbehalten. Indeffen veiche | den fan, ſpricht er fein Berhältniß zu ihr mit bem 
18 bloße Factum der Reife nach Italien und der Sinn, lauen Worten eines Franzoſen aus, welcher auf feinem 
| nelchem fie unternommen worden, hin, um darzuthun, Standpunkte antikifirender Kunftübung durchaus von oben 


it vollig ſich Goethe in Windelmann eingelebt, haben vu. I en zu konnen une . mo⸗e 
u. enn exft durch Diefen war Rom fo entſchieden e Zufriedenheit, Die wir an irgend einem Kunniwanen 
I Ru Ni — 8 der Runftmelt zu en ger | empfinden, hängt davon ab, baß Regel und Map heobachtet 

ſei, unfer Behagen wird nur durch Proportion bewirkt. — — 
mmen; hatte doch er ſelbſt es zunächft nur ale politis | So befchauen wir mit Bergnügen einige Maffen jener gothi⸗ 
m Mittelpunkt des Alterthums, als geeignetfien Ort ſchen Gebäude, deren Schönheit aus Symmetrie und Propor⸗ 
r antiquarifche Studien aller Art aufgefuht. Auch | fion des Ganzen zu ben Theilen und der Theile untereinandes 
tftern ſich in Goethe's Reifeplan im Einzelnen bie Ein- | entiprungen erſcheint und bemerklich ift ungeachtet der haͤßli⸗ 
fe Windelmann’s nachweiſen faffen. Daß er, was man hen Zierathen, womit fie verdedt find, und zum Trut der 
fl ine n * von | felben. Was uns aber am meiften überzeugen muß, ift: daß, 
oft ſpõöttiſch bemerkt hat, Florenz fo gut wie nicht gefehen, | wenn man diefe Maſſen mit Genauigkeit unterfucht, man im 
af ohne Zweifel der ganz befondern Verachtung zuge ! Ganzen diefelben Proportionen findet wie an Gebäuden, mel 
tieben werden, die Windelmann in feinen Briefen an | de, nad) Regeln der guten Baukunſt erbaut, uns beim An⸗ 
toſch nicht ohme eine gewiffe Betheiligung an ben Muni- bEB fo viel Vergnügen gewähren. 
jaleiferfüchteleien der Italiener gegen diefe Stadt aus- .) Daß diefer Ausdruc niht zu Rart if, zeigt die Stelle 
richt. Endlich in Italien ſelbſt fam Windelmann's | xxxvaı, IT. 





ä € 
4 


Diefe Worte find um fo bezeichnender, da Windel- 


mann felbft einmal als Beifpiel, wie die patriotifche 
Borliebe au verblenden vermöge, den Umftand anfübet, 
daß die Mailänder ihren Dom ber Petersliche in Rom 
vorzögen. 


Sol chtim ſychts mug Boefhe, indem er ſich 


durhaus ünftierifegen Intereſſe auf die Sunſt des 
Alterthums einließ — denn eine gelehrte Erforſchung des 
Alterthums iſt nie ſeine Sache geweſen; von andern Ge⸗ 
bieten abgeſehen, wo wir ihn z. B. Riemer um das 
Schema des Trimeters sjußen fehen, zeigt eine Stelle 
in feinen Briefen an Meyer, in der es fi von dem 
nbigalstfchen Briefe Handelt, daß, wo er ſich nicht auf bie 
Kenntniß diefes Freundes flügen kann, ſelbſt fein Kunft- 
uetheil Ichmanfend iſt — eine praktifche Anwendung zum 
geben; er machte Ernſt damis, dag Windelmann’s Werk 
ein Rehrgebände der Kunſt fein falle. Noch mehr mußte 
Das der Fall fein bei Meyer, der von Haus aus Künfl- 
ker war. Megyer ficht ſowol in feiner Geſchichte ber 
Zunſt des Alterthums als in ber bes 18. Jahrhunderts 
in allex (Entwidelung nur entweber ein Steigen ober 
Einten ber Kunſt. Und indem diefe Männer ganz von 
ber Malerei aufgingen, melde in den cisalpinifchen Ge⸗ 
genben, in denen Beide zu Daufe waren, wenigſtens zu 
jeoer Zeit allein ein Intereſſe der Ausübung barbisten 
Fannte, fo gefaltete ſich diefe praktifche Beziehung ganz 
natürlich ale eine Übertragung bes Princips der Eculp- 
tax auf die Malerei theils barin, bag die Schönheit für 
has hoͤchſte Ziel aller Kunſt ausgegeben wurde, wovon 
weiter unten die Rebe fein wird; fodann aber vorzüglich 
darin, daß diefelbe im Gebiete der Malerei faſt einzig 
in bemfelben Elemente gefucht wurde, in welchem * in 
der Seulptur allerdings heimiſch iſt, nämlich in ber ein⸗ 
zelnen Menſchengeſtalt, da es doc für die, Malerei 
{peils überhaupt vornchmlich auf die Compofition bes 
Banzen antommt, theils aud, wo eine einzelne Geſtalt 
won ihr bargefiellt wird, bie eigentliche Formſchönheit 
hinter einen gemwiffen Liebreiz der Erſcheinung, der befon- 
ders durch Farbenwirkungen hervorgebracht werben mag, 
zurũcktritt. Es finder ſich z. B. in der „Geſchichte ber 
Kunft des 18. Jahrhunderts“ von Meyer, welche einen 
Haupttheil der urſprünglichen Ausgabe von „Windel 
mann und fein Jahrhundert“ ausmacht, eine Stelle, wo 
der Verf., da doch von den Priucipien der Kunſt Im Au— 
gemeinen bie Nede ift, unvermerkt auf die Darflelung 
er Meyſchengeſtalt uͤbergleitet. Es heißt: 
Es muͤſſe bie Form nicht von außen koͤmmen ſollen; e& 
werde erſt was zur Andeutung nopenrig fei und dann dad 
chöne fich einfinden; fo fei es auch bei den Alten geſchehen. 
Yie ahmten zuerft mit Einbligjer Einfalt, ja fogar Unbehälf: 
lichkeit Geftaften nad, dab uge war ihr einziger Fuͤhrer; 
Bann fingen fie an zu forfchen, die Anatomie, die Verbättniffe 
wurden erfpürt, es bildete fich allmaͤlig die Wiffenfchaft, man 
anterwarf fi ten Stoff mehr, die Kunft legte die Einförmig- 
keit ab, indem fie Eharaktere zu bilden anfing, und wuchs da: 
durch ftufenmweife zum Edeln, zum Großen, zum Höcjiten em⸗ 
por; das Edle bedung edle Formen, bie Shinbeir entwickelte 
ſich daraus — wurde herrſchend u. ſ. w. 
Freilich laͤßt ſich, wenn wir gerecht fein wollen, vicht 


ginn der Seſchichte 


> 1438: * 
J ar 


in Abrede fielen, daß zu folcher Übertragung bi Bun. 
delmann felbft eine Beranlaffung vorhanden ift, dir w 
derfelben gleihfam herausfoderte. Windelmann berihan 
nämlich, nad) alter Sitte, Sculptur und Malerei gemar- 


| Schaftlic) als die. „zeichnenden Künfte”. Die Künfte, wi 


he von der Zeichnung abhängen, das ft gleich der Br 

Ser uk. Fri genommen fi 
damit nicht einmal die Sculptur richtig bezeichnet; dem 
bei der Zeichnung wird man immer nur an die Pro: 
tion einer Geſtalt auf eine Fläche denken koͤnnen, ni 
fie eben nur in der Malerei ftattfindet, ba es doh da 
Weſen der Sculptur ift, eine körperliche, runde Gehalt 
hinzuftellen, die nicht nur durch eing, fondern auch dur 
unendlich viele Projectionen nicht erfchöpft werden koͤnn 
Es find mit dem Aushrud eben nur Die bildenden Kürſe 
gemeint, die Küunfte, welche etwas Räumliches darfickn; 
aber wenigfiens ift derfelbe wenig geeignet, den Unte: 
fhied der Sculptur und Malerei ans Licht zu fegen: m 
erwedt den Schein, als märe, was ſich auf einer Zlike 
wiebergeben läßt, Die eigentliche Grundlage der Sculpte; 
mo denn allerdings dieſe Grundlage der Sculpur ad 
auf die Malerei wird Anwendung finden können. If 
finder fih die Verwechſelung, welche wir bei Goch m 
Meyer tadein, ſchon hei Winckelmann felbft. Etr ki 
firt im zweiten Capitel des vierten Buches der „Geſqhau 
ber Kunſt“ Rafael und Guido wie folgt: 

Der Erſtere ſchreibt an feinen Freund, den berihna 
Grof — Caſtiglione, da er die Balathea in der da 
fing malen fofte: „Um sine Schöne zu wählen, müßte mu 
Schönere fehen, weil aber fhöne Weiber felten find, bi 
ich mich einer gewiflen Idea, die meine Einbildungskraft gi’ 

ie Zdea des Kopfs feiner Salathea aber iſt gemein, und eb 

— Ho a ai 
ruft, A 

en Kadenden. buch den. en Im völlig verik 

wird, und das eine figtbare Knie ift viel zu Enorpeli * 

ein jugendliches Alter, geſchweige für eine görtfige Ray 


digen Schreiben erhellet, fo ſcheue ich mich nicht zu fagen, tal 
Beider Uttheil aus Mangel ber Aufmerkſaͤmbeit auf Dat, md 





Aber Wer darf behaupten, daß es biefen Malcın f 
ausſchließlich auf die Kormenfchänheit angekommen ja! 
Es ift hier wenigſtens ebenfo fehr der pſychologiſche I 
drud gemeint, und diefen mögen biefe Künftier ala 
dinge nicht gerade fo, wie fie ihn brauchten, in ta 
Wirklichkeit haben antveffen koͤnnen. Gicht man dam 
ab, fo muß man ed Windelmann freilich auch zwi 
hen, menu ex. (ll, 21) fagt, daß Rafael ſelbſt vor cin 


3358 


7 Gemäß: son wis ven Hayf weigen müßte. 
iefe Auffaffung war für Windeimann’s Aufgabe von 
einen übeln Folgen Kegleitet, da bie antite Malerei al⸗ 
erdings non der Sculptur abhängig if. Aber darin bes 
teht ja gerade ihre Mangelhaftigkeit; man könnte dem 
Zorwurf gegen Goethe und Meyer gerabesu fo formu⸗ 
wen, daß fie im Wefenrfichen die Malerei auf ben 
Standbpuntt des Witerthums zurückſchrauben wollen, wie 
enn auch was von ihnen ausgegangen oder approbirt 
orden ift, unverkennbar an die Aldobraudini'ſche Hoch⸗ 
it und Dergleichen erinnert. 

Dem fei nun wie ihm wolle, fo iſt nicht zu leugnen, 
aß durch ſolche Anwendung auf Dasienige, mas in ber 
dunſtübung au thun ober zu unterlaffen fi, Binde 
sanın’s Anfichten jener Eharakter eines Dauernden und 
rwigen abgeftreift warb, den wir oben an ihnen bemer- 
n mußten; fie wurden auf foldhe Weiſe in die Mitte 
6 Lebens und feiner Begenfäge hineingerkfien, ja noch 
schr , fie wurden dadurch felbfi zu etwas gan, Heit- 
chem und Endlihem umgewandelt. Man hatte im An- 
ing des Jahrhunderts die Sculptur im Sinne der Ma- 
rei behandelt. Dies befämpfte Windelmann mit Glüd, 
iſt aber die Behandlung der Malerei im Sinne ber 
Seulptur, welche diefe Männer geltend machen wollten, 
m wsindeften etwas Anderes als nur die entgegen» 
efegte Einfeitigkeitt Es ift wahrhaft naiv zu 
ennen, wenn Meyer in ber ſchon erwähnten „Geſchichte 
er Kunſt des 18, Jahrhunderts“ während er den einen 
ieſer Irrwege tabelt, auf den andern geraberu Hinführt. 
84 heift Hier: 

Der Umftand, daß die neuere Kunft hauptſaächlich als Ma⸗ 
wei und nur nebenher als Sculptur ausgebildet mark, mußte 


en alter einen fehr wichtigen Einfluß heben. Sie war 
ab Malerei weniger im Stande, Das Ideel der formen, weh 
ches die Bafis der Aunſtideale ill, zur gehörigen Meinheit aus 
zubilden, da der optiſche Schein in ihr keine fo ſtrenge Bes 
Rımmtheit fobert und geitattet alb die plaſtiſche Bealität und 
die Anfprüce des Materiellen, welche die Malerei befriedigen 
muß, hindern jene — Abſtraction und Erhebung über 
2 VWirkliche, we von den idealiſchen Darſtellungen der 
laſtik, die bios Die Form in hoͤchſter Reinheit und Schönheit 

m ſollen, gefodert wird. In der Khat gehört auch Alles, 
ud die neuere Kunft in dieſer Ruͤcſicht geleiftet Hat und zu 
£kın ftrebt, der alten Plaftik an, ſawie es auch eigenttich eim 
Bildhauer war (Michel Angelo), der mit einem Dusch Die An⸗ 
fe erweckten und befrudteten Sinne für das Grhabene zw 
ff die neuere Kunft in Dem was die Form betrifft über Die 
yſchraͤnktheit des Wirklihen zum Idealiſchen erhob. In der 
ken Kunft geſchah gerade das Gegentheil. Sie bildete ſich 
kr ihren veligiöfen Hauptzweck als Sculptur und nur naben- 
ei als Malerei aus, darum Ponnte auch in ihr das Ideal der 
ern, und Durch diefeß das Ideal ber Kunft ſelbſt, zur hoͤch⸗ 
m Reinheit und Vollkommenheit gelangen. Auch waren in 
den Künften die Zolgen davon gleichförmig. In der alten 
unft entlehnte die Malerei ihren Stil von der Plaſtik, nicht 
lein in Formen, Stellungen und Ausdruck, fondern ſogar 
ich in der Gompofition. In der weuern Kunſt hingegen if 
€ Sculptur immer dem Gtile des Malerei gefolgt und bat 
m Malerifchen nachgeftrebts; und diefem zweckwidrigen Stre⸗ 
m vornehmlih find die Verirrungen der neuen Sculptur, 
Ibft angeſichts ber Antiken, zuzuſchreiden. Da die Walerei 


en möglich WM) auf fo negudperlei Irurvgen ame 
ſo Darf man ſich nice wundern, daß die Seulptur 
Ber Netera, ihre trere Nachtreterin, kein beſſerrs Eqhickſal 
gehabt hat. 

Eine noch ſprechendere, aber leider auch noch längere 
Stelle findst fi in Goethe's Cinleitung in den „Pro⸗ 

en”. Dier wird geradezu gejagt, eines bes worgirglich- 
fien Merkmale des Verfalls der Kunft fei bie Vermi 
fung ber verſchiebenen Arten berfelden; aber Das wird 
bann nur auf bie Übertragung der Malerei, auf bie 
Sculptur angewendet, und die Umkehrung wirb gänzlich 
übergangen, nicht anders al6 wenn es mit ihr überhaupt 
gar keine Gefahr hätte. 

Diefe Einſeitigkeit ift nun nicht blos an ſich eim 
Mangel, ‚fondern es biieb auch mit ihr Goethe hinter 
ben gerechten Anfoderungen feiner jüngern Zeitgenoffen 
zurüd; ja er erweift fih Damit für die tieffte Bonfe- 
quenz, die in Windelmann’s Erfcheinung lag, unzugäng- 
Ih, und es kommt ans Tageslicht, daß er theoretifch 
noch auf dem Standpunkt berfelben Zeit flcht, zu deren 
Uberwindumg er praßtifch das Meifte ‚beigetragen. 


(Die Bortfegung folgt.) 





Reform und Reaction in Äſtreich. 


Briefe Joſeph's 1. Dritte Auflage. Beitgemäß eingeleitet 
und erflärt von Franz Schufelka. Lelpzig, Brockhaus. 
1846. ®r. 13. 1 Xhtr. 15 Nor. 


. Reben dem Denkmal auf dem Sohpbanlake in Wien ift in 
diefen Zayen eins auf dem Burgplage aufgerichtet worden: jenes 
ilt dem Kaifer, der feiner Zeit —*2* dieſes Dem Kai: 
er, der hinter feine Zeit zurückfchritt. Hier haben wir ein an: 
deres Denkmal: eins, das jener Herrfcher ſich felbft fegte, das 
dauernd für alle Zeiten emporragt. Hier iſt Lapidarfärift: 
keine von akademiſcher Gelehrſamkeit außgehedte, heuchlerifche 
Redensarten, fondern Worte, cbenfo viele Shaten bedeutend, 
eines wahren VBolfäfreundes und mit feinem Herzblute gefchries 
ben. Diefe Worte — wie erbärmlich nehmen fich gegen L Die 
Sophiftereien aus, mit denen man in unfern Tagen ihnen ent 
gegengefeptes Handeln zu bemänteln ſucht! Wie traurig, daß 
man fie heute wiederholen muß, nicht um fi) dankbar ihres 
und des Ziels zu freuen, das fie zuerft anzuſtreben gelehrt, 
fondern Denen zum Borwurf, die. fi von der Bahn abgemen- 
bet, welche fie vorgezeichnet! Wi. niederfchlagend, jetzt wieder 
da anfangen zu müflen, wo vor mehr al& einem halben Jahr⸗ 
hundert aufgehört wurde! . 

Daß Zofeph fo früh aufgehört hat, war für Ofreih frei- 
lich ein großes Unglüd; doch dauerte fein Wirken lange genug, 
um unverlöfchlihe Spuren zu binterlaffen. Was in Öftreich 
gefchehen if, um aus einem Wenfchenconglomerat ein Volk, 
aus dem Patrimonium einer Dynaftie einen Staat zu machen, 
dazu gab er den erſten Antrieb; was von Licht dort leucht 
das but er angezündet, und die Dunfelmänner, mögen fie 
fo geihäftig fein — die alte Finſterniß kommt nicht wieder, In 
den 10 Jahren feiner Regierung ift Mehr aufgebaut worden 
als in den naͤchſten 30 nicdergeriffen werden Eonnte; er hat 
Mehr niedergeriffen als feine Nachfolger wieder aufzubauen ver: 
mochten. Zofeph verließ die außgetretenen Bleife der fpanifch- 
habsburgiſchen Reactionspolitif und ging einen Bund mit dem 
Zeitgeijt ein, nicht mit dem Beitgeift wie er die verbummten 
Maften beherrſchte, ſondern mit dem, der in den Köpfen der 








1140 


Beten und Weiſeſten feine Stätte hatte, Cr warf das Joch 
des Gtatthalters Chriſti ab, um ſich im Geiſte Eprifti der Ar: 
men und Unterdrüdten anzunehmen; flatt mit feinen Höflingen 
zu ſchwelgen und dann von feinen Biſchoͤfen die Losſprechung 
zu empfangen, feßte er die Urbeit in ihre Rechte. ein und z0g 
den Segen des Landmannd dem Weihraush ber Priefter vor. 
Sofeph begriff den Herrfcherberuf, die Mehrheit ſollte nicht län: 
ger zu Sunften der Minderheit, das Bolk nicht länger zu Gun: 
ften weltlicher und geifllicher Ariftofraten ausgebeutet, es folite 
zur Freiheit erzogen werden. Wie hätte ex nicht, das Dpfer 
werden follen in einer Zeit, wo der Übermuth diefer Kaften 
noch nicht gebrochen war, wo die Revolution noch nicht das 
warnende Diene Jekel mit blutigem Griffel auf die Wänte ih: 
zer Paläfte gezeichnet hatter Sie töbteten ihn nicht, aber fie 
peinigten ihn zu Tode, und jegt möchten fie noch feinen Geiſt 
bannen, der ihnen überall verweifend in den Weg tritt. 

Zofepb 5 Schatten alfo fteht in Oſtreich an der Spige der 
Dppofition. Diefe Wahrheit hat der Herausgeber vorliegender 
Briefe fo gut außgefprocdhen, daß wir bier. feine Worte gern 
wiederholen. „Alles“, fagt er, „was die jegige Oppofition in 
Hſtreich tadelt, was He verwirft und verlangt, daß tadelt, ver: 
wirft und wünfcht fie im Geifte Joſeph's. Die Schriften der 
öftreichifhen Dppofition finden ihre wörtliche Beftätigung in 
den nadyfolgenden Briefen des größten öftreichifchen Kaiſers. 
Heftiger als der heftigfte Dppofitionsgmann bat der Kaifer felbft 
das altöftreihifche Syftem netadelt und dabei jeine eigene Fa⸗ 
milie nicht im mindeften gefchent. Freier als irgend ein Pro» 
teftant oder Deutſchkatholik hat Kaifer Sofeph gegen Rom und 
Jeſuiten gefchrieben. Schärfer als der Fühnfte Demokrat bat 
der öftreichifche Kaifer die Adels: und Beamtenkaſte wegen ib: 
red Eigennuges und Hochmuths gegeißelt.” Daß Joſeph wirt: 
lih in diefem Sinne dachte, handelte und fchrieb, bezweifelt 
wol Niemand; weil aber gewiſſe Thatſachen nic oft genug ins 
Gedaͤchtniß zurüdgerufen werben fonnen, fo führen wir als 
Beleg einige Stellen an, die man wenigftens in Wien längft 
vergeffen zu haben fcheint. 

„Ip es nicht Unfinn zu glauben”, mit diefen Worten 
fchließt die Einleitung zum Entwurfe einer allgemeinen 
Steuerregulirung , „daß die Obrigkeiten das Land befaßen, 
bevor noch Unterthanen waren, und daß fic das Ihrige un- 
ter gewiffen Bedingungen an die legtern abgetreten haben? 
Müßten fie nit auf der Stelle vor Hunger davonlau: 
fen, wenn Niemand den Grund bearbeitete? Ebenſo abfurd 
wäre e8, wenn fi ein Xandesfürft einbildete,. das Rand ge: 
höre ihm und nicht er dem Lande; Millionen Menſchen ferien 
für ihn und nicht er für fie gemacht, um ihnen zu dienen. 
Gleichwie aber die Bedürfniffe des Staats gedeckt fein müffen, 
fo konnen ſolche nit übertricben werden, fondern der Xandeb: 
fürft in einem monarchiſchen Reihe hat über deren Berwenbung 
nach feiner Ehre, Gewiſſen und Pflichten dem Allgemeinen Rede 
und Antwort zu geben.” _ 

„Der Banatismus jol Fünftig in meinem Staate nur durd 
die Verachtung befannt jein, Die ich Dafür habe; Riemand werde 
mehr feines Glaubens wegen Drangfalen audgefegt, Bein Menſch 
müffe Pünftig yenöthigt fein, das, Evangelium ded Staats an: 
junehmen, wenn es wider feine Überzeugung wäre, und wenn 
er andere Begriffe von der Glüdfeligkeit habe.... Die Tole⸗ 
ranz ift eine Wirkung jener wohlthätigen Aufflärung, die num 
Europa erleuchtet, die die Philofophie zum Grunde und große 
Männer zu Stifter gehabt hat. Sie ift ein redender Beweis 
von den Fortfchritten des menfchlichen Geiſtes, der durch Die 
Macht des Aberglaubens fi) Fühn einen Weg gebahnt, welchen 
Zahrtaufende vorher die Zoroafter und Confuze gewandelt und 
der zum Süd der Menfchheit zur Heerftraße der Monarchen 
geworden.” So fchrieb Joſeph vor 60 Jahren an van Swie- 
ten — feitdem bat fich diefe Heerflraße zu einem ſehr ſchmalen 
Wege verengt. 


Brrantwortliger Herausgeber: Veinzih Brohans. — 





Druck und Werlag von FJ. WE, Brockhans in Meipgie- 


Den Jeſuiten firlite der Sohn Maria Tperefrs 
Zeugniß aus: „Ich kenne dieſe Leuse fo gut wie irgend Ein; 
weiß alle ihre Entwürfe, bie fie Durchgefegt, ihre Demühunge, 
—— über den Erdboden zu verbreiten, und Europa vom 

ap Finis terrae bis an die Kordfee zu vegieren und u da 
wirren.... WBäre mein Großonkel, Joſeph I., nicht Raile 
geworben, fo hätten wir in: Deutfchland vermuthlih alas 
daß, Aveiros und einen Verſuch des Königsmordes erleien 
koͤnnen. Er kannte fie aber vollfommen, und als das Spa. 
drium des Drdens feinen Beichtvater einftens im Verdacht in 
Meblichkeit hatte, und daß diefer Mann mehr Anhaͤnglichleit w 
den Kaifer als für den Batican bewies, fo wurde er nad Sm 
citirt. Gr fah fein ganzes graufames Schickſal voraus, mm 
er dahin müßte, und bat den Kaifer, es zu verhindern. Im: 
fonft war Ulles was der Monarch gethan, um diefem Shrüt 
—— Selbſt der Nuncius verlangte im Ramen frind 
Hofs feine Entfernung. Aufgebracht über diefen Deöpotiims 
Roms erklärte der Kaifer, daß, wenn diefer Prieſter ja unum 
gängli nah Rom müßte, er nicht ohne zahlreiche Befelihek 
dahin reifen folle, und daß ihn alle Jeſuiten in öftreihiiha 
Ländern dahin begleiten müßten, von denen er Beinen mic 
fegen wolle. Diefe in den damaligen Zeiten unerwartete m 
außerordentlich entfchloffene Antwort des Kaiſers machte dr ir 
fuiten von ihrem Vorhaben zurüdgehen.” Und an einem a 
dern Orte: 

„Ein Inſtitut, das die ſchwaͤrmeriſche Ginbiltuspiit 
eines fpanifchen Beteranen in einer der füblichen Geganaı: 
ropas entwarf, das eine Univerfalherrfchaft über den art 
lichen G&eift zu erwerben gefuht und in diefem Gefihtinck 
Alles dem infallibeln Senat des Laterans unterwerfen min 
mußte ein unfeliges Geſchenk für die Enfel Tuiskon's ien. - 
Das Synedrium diefer Kovoliten hatte ihren Ruhm, die Is 
bildung ihrer Größe, und die Finſterniß der übrigen Bat je 
eeften Augenmerk ihrer Plane gemackt.... Ihre Intelrag 
war Urſache, daß Deutſchland das Elend eines Dreißigiihnge 
Kriegs dulden mußte.... Der mächtige Einfluß, den fe ie 
die Prinzen des Haufes Habsburg hatten, ift zu fehr bekas 
Berdinend Il. und Leopold I. find ihre Gönner bis zum Ip 
Hauch ihres Lebens gemein... Die Erziehung der Juzk 
Literatur, Belohnungen, Ertheilung der böchften Bürtn ® 
Staat, das Dhr der Könige und das Herz der Königire. 
Altes war ihrer weifen Führung anvertraut. Man witz 
iehr, welchen Gebrauch fie davon gemacht, ıvelde Ylar: & 
ausgeführt, und welche Feſſeln fie den Nationen auferes !: 
ben.... Wenn ich su irgend einem Haß fähig ware, fe nik‘ 
ich diejenige Menfchengattung baffen, Lie einen Finden 7 
folgt, und welche die Bulla in coena Domini herren 
die fo viel Verachtung für Rom erzeugt.” Guter Zeh, Mr 
du nicht baffen Eonnteft, wie giftig baffen fie Dich! Inn 
wo dein Denkmal fteht, predigt jept ein vom Racıkiat der 
ned Kaunig gemietheter Sophift, daß für deine Bälle fi 
Heil ift, wenn man fie nicht den Jeſuiten überliefert! 

Hr. Schuſelka hat die Briefe Joſeph's mit erläutern! 
Zufägen vghher und außer einer ſehr paſſenden Ginli 
noch zwei Anhänge beigefügt, deren erfter eine luberſich: 
wichtigſten Meformen des Kaifers mit vergleichenden Bli 
auf die Gegenwart enthält, während der zweite eine In 
Anekdoten uber den Monarchen bringt, die neun Jahre " 
dem Zode Deffelben nicht zum Drucke zugelaflen wurden. 
um derjenigen Kritik zuvorzukommen, welche ein Berfehen 
nugt, um ein ganzes Buch zu verdächtigen, bemerken wir, 
Hr. Schuſelka den Iefuiten unrecht thut, indem er fic bri 
digt, Daß fie die Berfügung Kaifer Joſeph's umgeben, T 
welche dem Regularkierus unterfagt wurde, mit aueıri 
Dbern in Berb ung su fteben: Kaifer Franz yeftattete 163 
nämlidy unterm 18. Rovember 1327 den ungehindertn Kr 
mit dem P. General. ww 






— — 





Blaͤ 


tter 


| für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienftag, 


13. Dctober 1846. 








Die neueften Schriften über Goethe. 


Erſter Artikel. 
(Bortfegung aus Mr. 256.) 


Es iſt ſchon oben darauf hingebeutet worden, daß 
oethe's Begenfag gegen die Romantiter bei dem Ge— 
nftande, mit welchem wir es bier zu thun haben, in 
etracht komme. Es kann nicht die Rede davon fein, 
8 er nicht im Einzelnen gegen diefelben häufig, um 
cht zu fagen immer, Recht gehabt habe. Die „Zahmen 
mien‘ find ein vortrefflicher fortlaufende Gommentar 
ı den fiterarifchen Productionen dieſer Männer, und 
as bie bildende Kunft betrifft, warf Goethe befonders 
ı zeiten Heft von Kunſt und Alterthum‘ eine Bombe, 
ie er fich in den Briefen an Meyer ausdrüdt, in das 
ben der hriftenthümelnden Malerei, mit welcher noch 
ie heutige Kritik ſich bisweilen zu thun zu machen ges 
shigt iſt. Auch von Seiten Meyer's finden wir in die- 
t Beziehung gar treffenbe Bemerkungen. So fagt er 
„Beichichte der Kunſt des 18. Jahrhunderts“, &. 310) 

die Hinmeigung zum Studium und zur Nachah⸗ 
mung der vorrafaeliſchen Maler: | 

Ber mit Giotto's ober des Gaddi Geift, mit Orgagna's 
Ernſt und Tieffinn, wer mit Ghiberti's Anmuth und Pie 
oles Arömmigkeit malen und bilden, oder feinen @eftalten 
birlandajo 8 Wahrheit geben, oder wie Mantegna benfelben 
eich jam Ddem einhauchen , oder Perugino's ſtilles Gefuͤhl er⸗ 
eilen wollte, dürfte ſich ja nicht an ihre Werke balten, fon» 
sm alles Diefes müßte der Ratur felbft mit dem Sinn-und 
mBaben dieſer Meifter abgefehen werden; denn auch fie hat⸗ 
a dazu nicht Werke ihrer Borgänger zu Muſtern genommen. 
ben Das iſt der mächtige Unterfchied zwifchen der fteigenden 
ab jinfenden Kunſt, daß jene nach einer unendlichen Bollfommen: 
At firebt, Diefe aber bedingten Muftern nachzuahmen fucht! 

Gleichwol ift Goethe hier begegnet, was ihm aufer- 
m nicht leicht in irgend einem Falle vorzumerfen fein 
hte, daß er, wie Dies dem Zeitgenoffen einer bedeu- 
den Richtung freilich in den wenigften Fällen nicht fo 
jen wird, bei den zufälligen Außerungen der Sache 
jen geblieben ift, die allerdings ihres rts eine fräf- 
t Zurudiweifung verdienten, und ben Kern berfelben 
tannt hat. 

Es ift bereitd angeführt worden, wie die Neuzeit, 
I heißt die Jahrhunderte feit dem Ablaufe des Mittef 
nd, zum Alterthum ein durchaus unmittelbares Ver⸗ 


bältniß angenommen und von der Möglichkeit eines an- 
dern nicht einmal eine Ahnung gehabt habe. Diejenige 
hiſtoriſche Auffaffung, welche auf den Geiſt ber Voͤlker 
und Zeiten geht und die einzelnen Thatſachen in ſeinem 
Lichte und als feine Äußerungen zu begreifen weiß, regte 
fih damals faum in einigen ſchwachen Anfängen. Dan 
betrachtete das Alterthum durchaus nur fo, als wäre es 
blos für und da, um von ihm zu lernen und und an 
ihm zu fhulen; was es an ſich fei, kam gar nicht in 
Betracht ; man würde Diefe Trage nicht einmal ver- 
ftanden haben. u 

Es würde gar fehr zu verwundern fein, wenn man 
auf diefem Wege zu einem echten Verſtaͤndniß des Alter- 
thums gelangt waͤre; es war gar nicht das wahre Al« 
tertdum, an dem man fich zu bilden ſuchte. Was wir 
nur um unferer Subjectivität willen und in Bezug auf 
den Einfluß, den es auf biefelbe ausüben fol, ins Auge 
foffen, werden wir gemeiniglich eben nur duch das Me 
dium derfelben erbliden, wäre es auch nur infofern ale 
wir gerade bie Seite, deren wir eben bedürfen, An ihm 
auffaffen und fie für das Ganze halten werden, weil 
wir felbft ung durch fie ergänzt finden. Dies widerfährt 
und z. B. heutigen Tages mit Goethe, worin eben der 
Mangel einer hiftorifchen Auffaffung Deffelben befteht, 
ber eingänglich erwähnt wurde; und fo ift e8 auch gar 
nicht verwunderfam, daß man im Anblid der Antike 
3. B. in die Bernini’fche Verirrung in der Sculptur ver- 
fallen. Es verhält fich mit der Antike durchaus nicht an- 
dere, ale es fi mit der Natur verhält, die auch nie 
mals einen Künftler hat auf dem rechten Wege erhalten 
tönnen, weil fie einem Jeden immer nur ihn felbft zu» 
rückſpiegelt. „Das Alterthum war zum Vorurtheil ges 
worden‘, fagt Windelmann im legten Paragraph feiner 
„Geſchichte der Kunft“, freilich nicht ohne felbft von bem- 
felben in gewiffem Sinne angeftede zu fein; es galt für 
ausgemacht, daß das Richtige in der Antike vorliege, und 
jo nannte denn Jeder was er gerade für das Richtige 
hielt anti. Es ließe ſich befonders aus ber deutfchen 
Literatur eine ganze Meihe von folchen antik-fein-wollen- 
den äfthetifchen Richtungen anführen; wir begnügen uns 
bier mit einem Gegenfag, der dem Gegenflande dieſer 
Abhandlung nicht alzu fern liegt. Wieland glaubte in 
feiner fentimentalen franzoͤſirenden „Acefte“ ein in wahr 


— 


ya. 


haft griechifchem @eifte gebachtes Drama aufgeftellt zu 
haben, das allenfalls noch griechifcher wäre als das 
gleichnamige Euripibeifche felbft; Goethe dagegen, in wel- 
chem damals der Sturm und Drang ſpukte, vermeinte 
ihm eine echt griechifche Geflalt in ſeinem Hercules ent⸗ 
aggenzuftellen, | 
einen ftattlihen Dann mittlerer Größe genannt, und ſich 
nicht wenig damit weiß, in Einer Nacht 50 Jungen zur 
Exiſtenz vermittelt zu haben. 

Dies konnte um fo weniger anders fein, da, fobald 
einuinf- Me Anſchauung des wahren Alterthums gewon⸗ 
nen war, jenes unmittelbare Verhältniß nothwendiger: 


weife fogleich aufhören mußte; defn man mußte in’ bie- 
fem Falle fühlen, dag das Alterthum, wie es wirklich, 


ewefen, eben nicht für uns fei, es mußte ums in feiner 
Foralität zu etwas rein Öbjectivem und biftorifh Ver⸗ 


gangenem werden. Und daran mußte ſich, fobald Dies 


gehörig im Bewußtſeln burchgearbeitet war, die Eonfe- 
quenz knüpfen, daß unfere Zeit, ober bie moderne Zeit 
überhaupt, dem Alterthum gegenüber einen eigenthüm⸗ 
lihen Charakter habe. 

Sowie Winckelmann das wahre Alterthum entbedt 


‚bat, fo haben die Romantiker aus diefer Entdeckung die 


zulegt genannte Conſequenz gezogen. Dies ift ihr hifto: 
riſches Verdienſt, welches ihnen nicht abgefprochen mer- 
den darf. Die Bedeutung ihres Standpunftes ift eine 
vorwaltend literarhifterifche und Pritifche, und ale Lite» 
rarhiſtoriker und Kritiker genießen fie allgemeine Aner⸗ 
kennung. Ihre poetifche Production dagegen iſt freilich 
groͤßtentheils durchaus verfehlt, aber ſie iſt es nur dar⸗ 
um, weil ſie ihre wiſſenſchaftliche That in dieſelbe über⸗ 
trugen. Sie gingen nämlich in ihren Gedichten darauf 
aus, Das Romantiſche — denn ſo nannten: fie den Geiſt 
der: Meuzeit im Gegenfage zu dem des Alterthums — 
ausdrücklich geltend zu machen. Dies führt auf Irrwege, 
denn: es iſt überfläffig und muß alfo falfch fein. Ber 
mobderrie Dichter wird gerade dann am: mobernflen- fein; 


wenn er ſich deſſen am wenigſten verfieht und ganz un⸗ 


befangen vor fi hin und aus ſich heraus fingt, wie 
ber Vogel, wie Goethe fagt, der auf den Zweigen wohnt. 
Iſt es doch auch dem Dichter bes Alterthums nicht ein- 
gefallen, ſich fein Antikes zum: Ziel: zu fegen. Bei je- 
nem Berfahren wird ſich in ber Dichtung nicht ſowol 
das Moderne ſelbſt darftellen als irgend etwas Befon⸗ 
beres, was der Moderne jept gerade fin das Richtige 
Hält; wie Dies aud die Erfahrung fattfam beflätigt hat. 
Wenn man: aber den Roemantikern auch im ihrer wiſ⸗ 
fenfchaftlichen Thaͤtigkeit Unbeftimmtheit der Begriffe vor- 
geworfen hat, fodaf fie im Grunde felbft nicht recht ge» 
wußt hätten, was fie unter dem: Nomantifchen verftan- 
den, fo muß dagegen geltend gemacht werden, daß auch 
nicht Das ihre hiftorifche Aufgabe gewefen, der Neuzeit 
eine Definition ihrer felbit in die Hand zu geben, fondern 
nur überhaupt fie iu dem Bewußtſein zu erweden, daß 
fie etwas für ſich Beſtehendes und Eigenthümliches fei. 
Diefer Anſchauung erweift fih nun Gdethe, obgleich 
jeibft der allermodernſte Dichter, meshalb er auch von 


“ 


er ch fer übelnimmt, daß Widand ihn 


ns Ser — — — — — — — 
. 


den Romantitern fo fehr wie nur immer möglich 
‚fhäpt wurbe, gänzlich unzugänglih. Gr erlärte ol 
omantifche für krankhaft, indem er eben nur die Ba. 
ireungen ind Auge faßte, welchen ſich feine Zeitgenoffm 
unter diefem Namen überliefen. May. basf and niht 
etwa glauben; daß ſich hei ihm felbſt In fener frühere 
Verehrung der altdertfchen Baukunſt etwas Derartias 
geregt habe. Dies würde ſich fchon durch die Auferun 
widerlegen laffen, in welcher das Entftchen des firasbur. 
ger Münfterd durch einen wadern deutfchen Mann is 
mitten bes dunkeln Pfaffenzeitaltere gerühmt mid; 
denn die Romantiter betrachteten die Kunſt des Witt: 
after6 gerade als eine Ansgeburt des chrifklichen Gifte, 
Hatte doc Goethe felbft das Sentimentalifhe Shi: 
lerrs, aus dem der Begriff des Romantifchen fic her 
ausgebildet hat, im Grunde niemala als: Das gelten ki: 
fen, mas dem Naiven, Antiten, ebenbürtig fei, fonden 
ed. immer nur als etwas Unvollftändiges angelehen, au 
einen Durchgangspunkt, ſodaß es ihm alfo ganz eigen 
lich jene Unvermeidlichkeit ber legtern darftellte, in dem 
Annahme die modernen Jahrhunderte befangen waren. 

Hier haben wir die Erklärung dafür, daß Ge 
welcher nicht nur für die einmal vorhandenen Watı 
Malerei die hoͤchſte Empfänglichkeit befaß, fondern sch 
wie gezeigt werden, in feiner kuͤnſtleriſchen Bildung ya 
von dieſer Kunſt ausgegangen war, Die allgemeinen &: 
fege derfelben im. ein gewiſſes Dunkel gehüllt bias 
fonnten ; denn die Malerei wird als: Die vorzugsweiſt w 
mantifche Kunft. betrachtet und in Hegel's „Aſthetil“ 
welche beiweitem mehr unter dem Ginfluffe der romım 
fhen Schule entflanden ift als fie uns. glauben mass 
will, fogar geradezu fo. bezeichnet. Nun kann zwar # 
Weſen damit ebenfo wenig erfchöpft fein, mie das & 
Sculptur durch ihre Bezeichnung als einer antiken Kun: 
indeffen ift es Thatfache, daß, wie die lepsere dem 6 
ſchmack des Alterthums befonders zufagte, auf ähnlikt 
Weife die Malerei ſich der Sinnesweife ber neuen at 
in einem gany vorzüglichen Grade verwandt zeigt, 1 d 
kann in diefem Kalle die Verwandrſchaft infofm fr 
eine noch ausgeprägtere gelten, als hier der (ei fin 
Kunftwelt mit Verſchmahung einer bereits voran 
erbaut hat. Und fo wird eine Abmendung von der % 
trachtung. bes modernen Geifte® und eine Dertnm! 
feines- eigenthümlichen Entwidtlungsganges zuglaid 1 
Unflarheit über die eigenthümlichen Principien der R 
lerei zur Folge haben können. 

Auf diefe Weife gehörte alſo Goethe in feinen alıt 
meinen theoretifchen Anfichten über bildende Kunft 
fhieden dem 18. Jahrhundert an, wie denn auch 4 
Ki bemerft worden ift, daß er von dem Hofton di 

ahrhundert® nicht ganz frei fei und gerade in bem 
biete des Afthetifchen, auf welches‘ der Iegtere den er! 
fhiedenften Einfluß ausgeübt hat, fi) eine gemiffe Ci 
nivenz bemerklich macht; denn Goethe verftand ſich, da 
Herzog Karl Auguft zu Gefallen, der ein Liebhaber & 
franzöfifchen Tragödie war, dazu, ein paar Voltairt id 
Stüde für die deutſche Bühne zu bearbeiten. 











Indeſſen fowie fi) Goethe in dieſem Yalle Teimesmege: |‘ 
bles influenciren ließ, fordern: dem Umternehmen einen 
eigenen Zweck und eine.ganz beflimmte Tendenz unter- |’ 
ulegen wußte, nämlich die Zurüudführung der theatrali» | 
hen Declamation auf eine gewifje formelle Kunflmäfig- 
et, ebenfo ift auch feine Bevorzugung und Empfehlung 
xs Antiten in ber bildenden Kunft nicht als eine reine 
Rahwirkung gewiſſer Jugendeindrüde oder Abhängigkeit. 
on Zeitideen zu betrachten, vielmehr liegt uns in ihnen- 
ine bewußte aus einem wohlbebadhten Grunde hervor⸗ 
zroßen betrachtet, nur für die nachträgliche Rechtfertigung 
mer längft vorhandenen Anfchanungsweife anzufehen. 

Der Grund mar, daß die antife Kunft die vormal- 
nd ſchöne Kunft fei. „Der höchſte Grundſat der Al⸗ 
a”, jagt Goethe («liber Kunft und Alterthumn», I, 2), 
war das Bedeutende ; das höchfte Reſultat aber einer 
ladtichen Behandlung das Schöne.” Das dürfen wir 
m fo mehr als die eigentlich claffifhe Stelle für Goe- 
he's Anſicht von der Sache betrachten, da Meyer ſie 
anz eigens aboptiste („KRunftgefchichte”, I, 205). Auch 
nden wir das Gleiche in der Abhandlung über den 
Laokoon⸗, in den „Propylaͤen“, weiche ſchon durch den 
Fegenſtand ſich als leitenden Artikel im höchften Sinne 
turfundet, in weiterer Ausführung dargelegt. 

(‚Die Fortſetzung folgt.) 
Mag man über die weltlichen Motive ber in Berlin ver: 
ammelten Generalſynode urtheilen wie man will, fo viel ift ge: 
viß, daß fie das wichtigfte Ereigniß für. Die enangelifche Kirche 





ehende Rückkehr zu bemfelben vor, wobei es uns frei⸗ 

ih unverwebrt bleiben muß, diefeßbe, im Ganzen und 
Zur Tageslitetatur. 

in Deutfchland feit der Reformation iſt. Gegen ihre geſetzge⸗ 

bende Gewalt abes verwahrt fidy: 


1. Die Generalfynode zu Berlins deren Ankündigung durch 
die Boßifche Zeitung und- Betrachtungen darüber von 
el Erftes Heft. Altenburg, Pierer. 1846. Gr. 8. 


p 7 gr: 

ınd zwar auf Grund der Symboliſchen Bücher der Reforma⸗ 
ion und des Preußifchen Landrechte. Die Kirche fei nur dic 
Schale der Ruß, eine aͤußerliche Gemeinſ zur &ewedung 
nd Ausubiumg der Religioſität; der Kern fei die Auffaflung 
er Heiligen Schsift Dusch bie. Bernwaft eines. Jeden. Das i 
ie FJahne Derer, die etwa den Mugen der hijtorifchen Kritik 
ie ich zu bürdevoll erachten müflen; die Depife ift: Die Kirche 
n id. Diefer abjolutiftifye Vernunftſtandpunkt ift durd) 
e Proteftantifchen Freunde auf die Spige, aber auch zugleich, 
nd das ift ihre große Firchliche Bedeutung, aus feinem durch 
egelehrte Kritik verſchanzten Lager hinaus in daB ungelehrte 
ben getrieben worden. @r wird fih da nun zurechtfinden 
üffen, wie es einſt dem Staats⸗Ich durch die frarmöfifche Re⸗ 
iution gebeten worden if. Was aber die Generalſynode fol, 
trefflich in der Schrift angebentet worden: 

Sendſchreiben an den Herm Confiftoridiratb Th. Dorner 

zu Königsberg über die bevorftehende evangelifche General: 

ſynode Berlin. Bon Siegfried Auguſt' Kähler. 

Königäberg, Gebr. Bornträger. 1816. Gr. 8. 6 Nor. 
Die Synode folle den Zortfchritt des Aeiffichen Bewußt⸗ 
ns von der Kirche, das Dogma von derſelben, zum Glau⸗ 
asbekenntnifſe hinzufügen. Die Kirche fei eine geſchicht⸗ 
he Thatſache; fie entwidele in der Gemeinde mittels der 


kirchlichen Ümter duoch- Prebigt, Culaas und Distiplin forkt 
und fort dad Chriftenthum, in ber Befammtheit al Reich Goi⸗ 
tes, in den Individuen als fromme Beftimmtheit des Gemuͤths; 
bie Augtburgiſche Gonfeffion enthatte Feine Defiwition der Kirche, 
weil deren Dbjectivität, obgleich einfeitig bargeftellt in ber Kie⸗ 
roftatie, am Unfange der Reformation noch fo mächtig war, 
daß Niemand ein Bedürfniß danach empfinden Eonnte, durch 
Feſtſtellung ihres Begriffs einer Berirrung in den atomiftifchen 
Subjectivismus jüngfter Zeiten vorzubeugen; es fei unferer Beit 
die Aufgabe geftellt, die beiden im Romanismus und Brote 
ftantismus, bis zur Erftarrung dort und bis zur Selbftauflör- 
fung bier, einfeitig entwidelten Momente zur wahren Katholi» 
cität aufzuheben durch Entwidelung einer geiftlihen (pneuma⸗ 
tifhen) Drganifation auf dem Wege der Gemeindeverfaflung. 
Zu aͤhnlichem Refultate gelangt auch: 


3. Reform der Kirche! Sendſchreiben an die evangelifche Ge⸗ 
neraljynode zu Berlin von geied eich Geſſel. Wolfen» 
büttel, Holle. 1846, Gr. 8. 3 Nur. 

mit dem bedeutenden Hinzufügen, daB in der Verfaſſung der. 

evangelifhen Kirche die Liebe fein ſolle. Es wird gewiß bie 

Zeit kommen, daß man die Kirche als den fortlebenden- und 

fortfchreitenden Chriftus, aber nicht nach der Vernunft Diefes- 

oder Jenes, ſondern nach dem Wefen Gottes, der Kiebe, aner⸗ 
kennen wirds daß die irdifche Kirche als das Kind des Sub⸗ 
jects ber Bußunft wird betrachtet werden, nachdem die Vergan⸗ 


‚genbeit, Die Ratur, in ter Gegenwart des Geiftes, in ber 


Perſon des Menſchen auf der Erde zum Subject und zur Frei⸗ 
beit gefommen if. Man wird endlich einfehen, daß der hiſto⸗ 


‚rifche Chriftus nicht in der Schrift wie in einer gläfernen Res 


tocte figt,, um vor ber biftorifchen Kritik feine Werbeugungen 
zu machen, fondern durch die durch hriftliche Lehre und. Hulfe- 


zur That, d. i. aum betenden und. heifenden Glauben erweckten 


Gemüther fort und fort in der Geſchichte der irdifhen Kirche 
lebt und fchreitet. Die irdifhe Kirche ift die Kindheit der 
Liebe, das Kind Gottes. Zu ſolcher Kirche führt freilich nicht 
die Kirchenneuerung, welche verlangt wird in ber Schrift: 

4. Dffentlide Erklärung der Freunde proteflantifcher Kirchen 
neuerung zu Dffenbach, nebft einigen derſelben vorausge 

angenen Vorträgen. Herausgegeben von Lorenz Die“, 

Penbacı. Offenbach, Heinemann. 1846. &r.8. 4 Nor. 

Es ift das alte Lied von der gleichfamen Reufchoffung der 
göttlichen Offenbarungen durd den erfennenden Geiſt, was die 
Kirche entweder zu einem kritiſchen Gefängniffe oder zu einem 
plappernden Papagei machen würde. Denn mehr ald Mei: 
nungen wird man -nimmermehr fo erreichen. Daher ermahnt 
in der Schrift: 

5. Über die jegigen Bewegungen in der evangelifihen Kirche 
Deutflands. Ein Botum zur Förderung: des Friedens, 
abgegeben von Karl Gottlieb Bretfihneider. Leipr- 
zig, Berlags⸗Magazin. 1846 Gr. 8. WERE. 

dee Verf., weniger Werth zu legen auf Meinungen und mehr 

auf Geſinnungen, auf die echte Liebe zu Gott und zu allen 

Menſchen, und auf das treue Streben nad innerer Vollkom⸗ 

menbeit. Das Friedensvotum felbft übrigens bezieht ſich dar« 

auf, bei der jegigen Lage ber Sache die Augsburgifdge Confeſ⸗ 
fion als allgemeines Bekenntniß der evangelifhen Kirche noch 
beizubehalten; aber nur als Zeugniß und’ für den Lehrſtand 
der Kirche infoweit verbindlih, als ihr Inhalt fih aus ber 

Blaubenenorm, dem Worte Gottes in Heiliger Schrift, wiſſen⸗ 

ſchaftlich rechtfertige. Das möchte aber leicht der Friede der 

Indifferenz werden, in welchem fich Jeder mit feiner Wiſſen⸗ 

[daft begnügt. 

Daß von der katholiſchen Kirche aus befomders gegen den 
neueften Abfall von berfelben wird operirt werben, ift Bar. 
Hiervon liegt uns vor: 

6. Spiegelbild des Sohannes Ronge. Den Zeitgenoffen gewid⸗ 
met von 9. Carus. Augsburg, Schmid. 1846. 8. I Rgr. 

Der Verf. hat fi darauf befſchraͤnkt, Johannes Ronge als 





1 
d eitel da ‚und i i 
ven Gm Die Kinder 


der Welt gefitent. Wuͤrde er wegwerfen jene Ehrenbecher und 

Kränze, vertilgen aus feinem Gedächtnifſe jene fchmeichelnden 

Anreben und Zriumpbzüge, womit die Kinder des Weitgeiftes 

ihn heimgefucht und fich felbft gefchändet, flände er einmal da, 

einfam, veriaflen, verböhnt, verfolgt, arm, ſchmucklos: wo 
würde dann feine Begeifterung, fein Entichluß, fein Eifer, feine 

Kraft fein? 

Allgemeinen Inhalts ſind: 

7. Briefe an Immanuel. Gpiegelbilder der Zeit für Prote⸗ 
ftanten und Katholiten. Bon 8 Carus. Zweite Auflage. 
Augsburg, Schmid. 1846. Gr. 8. 12%, Nor. 

Die ftatiftifchen Religionsclaffificationen und Taufregiſter 
taͤuſchten zu ſehr; mancher fo betitelte katholiſche oder evange: 
liſche Chriſt fet innerlich und eigentlich ein purer Heides man» 
cher Proteftant habe von feiner Eonfeffion faft Nichts mehr als 
den Ramen und fei innerli und eigentlid voll Batholifchen 
Elements; mancher Katholik unterfcheide ſich blos dadurch mehr 
vom Proteſtanten, daß er fich alle drei bis vier Jahre einmal 
ur Ohrenbeichte entfchließe und in den katholiſchen Taufregi⸗ 
fern eingefchrieben ftehe. Aber inmitten der unheimlichen Er: 
fcheinungen und Schöpfungen des Reiches des Weltgeiſtes blübe 
das Neich Gottes in ftiller LieblichBeits zwifchen Unkraut und 
Dornengeftrüpp hervor erhebe ſich die Weizenaͤhre und die Wein: 
rebe, um zu reifen am himmliſchen Lidht, um und Brot und 
Bein, Nahrung und begeifternde Kraft zu geben; es lebe nod) 
ber alte Gott und feines Reiches auf Erden fei noch Bein Ende 
geworden; es gebe noch überall Tebendigen, wahren, werk: 
thätigen Ehriftenglauben, nicht bloße Glaubensfchwäger und 
bibliſche Wortkraͤmer. Es iſt in der That der Fatbotiichen 
Kirche viel eher möglih, Xeben zu fodern und zu geben, weil 
fie nicht nach einem Bebenntniffe zu fuchen braucht. Diefes iſt 
der unfelige Zauberfreiß, aus welchem die evangelifhe noch 
nicht hat heraustreten konnen; fie tft der Wahrheit nach nicht 
eine Stunde von Augsburg entfernt. Ihren Fortfchritt hin⸗ 
dert das Ringen nad) einigenden Worten des Verftandes, waͤh⸗ 
rend gerade diefe Worte nur frennen. Nur die Worte bet 
Flaubens einigen, wohin: das Gemüth firebt. Das Gemüth 
als Princip der Religion wird anerkannt in: 

8. Vrotefte gegen den Proteftantißmus und die Reform. In 
Auszügen aus alten Schriften und Bezügen auf moderne 
Berhaltniſſe. Bon E. Ryno. Berlin, Adolf und Comp. 
1846, Gr. 8. 15 Rür. 

Es ift nur Bein klares, thätiged, fondern das in Rebel 
und Schwäche gehüllte Myſtiſche; es ift im falfchen Wergleiche 
mit dem Verſtande und nicht als ein Selbft aufgefaßt. Nicht 
Gedanken aus der Mergangenheit, fondern Thaten für die Zu: 
kunft find das Objeet bes Gemuͤths. Wernünftiges Thun, Geift, 
Denken ift überhaupt das eigenfchaftliche Weſen des Menfchen ; 
freier Gedanke ift ebenfalls That, nur die freie Handlung von 
Hhantafte und Berftand; die That des Gemüths für Religion 
ift Gebet nach Bedanten des Glaubens, und diefer ift gleich 
dem Verſtande eine geiftige, erfennende Kraft. Mit dem Ber: 
ſtande vernimmt der Beift die Vergangenheit, mit dem Glau⸗ 
ben die Zukunft; beide find vernimftig. Aber das Nefultat 
iſt dort der Begriff der Freiheit, bier der Gebundenheit; und 
diefe Begriffe werden die Iriebe bed Geiſtes in der Gegenwart, 
ber lebenden Perfonen, für deren Willen zu tbun. Im Glaus 
ben frei fein zu wollen ift alfo geradehin unvernünftig. Lu⸗ 
ther wollte e8 nicht; da aber feinen Anhängern und RNachfol⸗ 

ern das Bindungsmittel des Gemüths, Kirche und deren 

eiftlichkeit, fehlte, wurde der Irrthum der Berftandeseinmi: 
fung möglih. Dagegen hatte die proteftantifiche Myftil ihre 
gute Bedeutung ale das Peimende Grün der Erfenntniß der 

Derfonen von ihrer Gebundenheit. Diefe wurde aber fo rein 





Berantwortlier Hexausgeber: Geinzih Brockdaus. — Diuk und Berlag von F. ME. Brockhaus in Leipzig. 


— —— rn — 





144 
perfönlich vorgefielit, eingeſponnen in Bebetöbäitern um Yır: 
mein. Das Chriſtenthum will aber nicht allein Glauben a 


Bott und Liebe zu ihm, die ſich in Gebet ausdrüden, fonten 
auch Glauben an die Menfhen und Liebe zu ihnen, Hülk: 
Ehriftus ift auch des Menſchen Sohn. Das ift 
liche Fortſchritt des u este 


Kiche 
if. Der Chriſt muß alfo in der Kirche den liebenden Glauben 
Chriſti oͤffentlich thun; myftifhe Spielerei zu Haufe if unge 
nügend. Ebenſo ungenügend ift die bloße Prariß der Liebe, zu 
der als Reſultat die Schrift gelangt: 


9. Selbſtgeſpraͤche. Ein Verſuch des philoſophiſchen Brmift: 

ſeins, ſich mit den | populeieen Bewegungen der Gegenwart 

zu vermitteln. Berlin, Wmelang’fche — 
‚lung. 4846. Gr. 8. 12 Xgr. 


Liebe ohne Glauben Gottes iſt ein raubtönend Etz vr 
eine klimpernde Melodie. Freilich aber wird der Verſtand oder 
das philofophifhe Bewußtſein fich eher mit dem Glauben un 
ber Liebe zu den Menfchen, zumal im mationalen Gewarde 
befreunden, weil fie auch fo zur Vergangenheit gehören; hm 
die Zukunft der Menſchen als ſolcher beruht allein auf tm 
Sott der Chriften als dem Gott in der Geſchichte, und daher 
ift nur betender Slaube und Liebe zu ihm der wahre Grurt 
des belfenden Glaubens und ber Liebe zu den Menſchen. Im: 
letzteres Thun ift nur wahr, wenn es aus einem fittlichen 3 
Ien entipringt, welcher aber nicht ergeugt wird Durch dat Ex 
wenbdiglernen von 165 Staatögeboten, wie es in der Sr: 
10. Motive und Grunblinien einer allgemeinen Staaterchpr 

und fittlicder Weltgebote für das Jahrtauſend. Brekn, 

Trewendt. 1846. Gr. 8. 15 Rgr. 
fogufagen aus dem Winkel beryorgerufen wird. Gegenwirs 
ift Das die Bezeichnung für Alles, was in Glauben und fir: 
nicht die Offentlichfeit und Mündlichkeit der Kirche mil. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Anzeige. 


Von F. A, Brookbaus in Leipzig ist durch alle beo 
handlungen zu beziehen: 


NEUERE MEDICIN IN FRANKRBI 


Nach Theorie und Praxis. 
Mit vergleichenden Blicken auf Deutschland. 


Von 
Dr. Emtl Kratzmann. 


Erste Abtheilung. 
Geb. I Thlr. 10 Ngr. 


— — | 
Dieses aus»einem eifrigen Studium der französischen Med 
cin an Ort und Stelle und aus einer sorgfältigen Vergle 
chung und Benutzung der einschlagenden Schriften hertor- 
gegangene Werk wird aus zwei Abtheilungen bestehen, '# 
denen die erste den allgemeinen Theil, nänılich die for- 
laufende Geschichte des Eutwickelungsganges der neuen 
französischen Medicin enthält. Die zweite Abtheilung, & 
besondere Theil, wird sich über die speciellen leistung”? 

der neuern französischen Mediein verbreiten. | 


Gr. 8, 











Blätter 


fhr 


iterarifhe Unterhaltung, 








Die neueſten Schriften uber Goethe. 
Erſter Wrtillet. 
(Kortfögung aus Str. 26.) 


Schon Winkelmann betrachtete die Schönheit als 
en hoͤchſten Endzweck und Mittelpunkt der Kunft 
IV, 57) und widmet ihr in dieſem Sinne in ber „Ge⸗ 
bihte der Kunſt“ einen ausführlihen Abſchnitt. Gr 
atte auch ein Befpräd über die Schönheit in ber Weiſe 
es Platoniſchen „Phaͤdrus“ entmorfen, die zur Grläu- 
ang jenes Abfchnitts dienen follte ; fein weſentlicher 
jahalt wirb in dem legtern verarbeitet fein. Gudlich ift 
Mm „Lrattato preliminare‘, welches nichts Anderes als ein 
Kuizug der Kunſtgeſchichte für feine italienifchen Gönner 
ſt, dieſes Capitel keineswegs übergangen; es wird bier 
S. 94 der deutſchen Überfegung) befonders die Stile 
ud NRuhe, welche durch die Schönheit vorausgefept werde, 
gitend gemacht. Windelmann legte auf dieſe ganze Lehre 
zat größte Gewicht und ſcheint ihre Aufſtellung füs das 
tigentlichſte Verdienſt feiner Kunftgefchichte gehalten zu 
haben. Er fchreibt 1761 an Berendis:: 

Dieſen Winter wird man meine „Geſchichte der Kunſt“ zu 
ruden anfangens es ift in derfelben eine Abhandlung über 
die Thonkeit non ſechs oder acht Bogen, welde einiges Auf: 
ſchen, wie ich hoffe, machen foll. 

Um in einen Briefe an Geßner heißt es: 

Die Schonheit ift die Seele der ganzen Kenntniß der 
Kunft des Aiterihums, die der Hinmmel nit verſchwenderiſch 
verliehen, und diefe ift fo felten, daB Michel Angelo in der Be: 
Tahteng geblieberr, aber nicht zur völligen Kenntaif gelangt 
R; Rafael ift des Einſicht des Seönen näher gekommen. 

&6 mep ſich mit der hiſtoriſchen Nichtigkeit diefer 
Ihre verhalten wie es will, fo ift fo viel nicht in Ab⸗ 
ce zu flelten, daß Goethe, indem er fie adoptirte, auf 
WE allerentfchiedenfie dem Standpunfse bes 18. Jahr⸗ 
vendert6 verfallen mußte. Gehen wir nur ein Wenig 
kiber darauf ein, was Windelnunn unter der Schön⸗ 
et verfianden haben will. Er fagt, es fei von ihr, wie 
lierd von Gott fage, leichter anzugeben, was fie nicht 
N als mas fie fei. Daher unterfcheibet er einen riege- 
en Begriff derfeiben von dem poftiven. Died fcheint 
in wunderliches Verfahren zu fein; es iſt freilich, wenn 
h unterfuchen will, was em Gegenſtand fei, nothwen⸗ 
18, daß ich ihn von andern unterſcheide, aber Die Nega 
von diefer letztern, die darin Liegt, finder fh nur m 


14. Detober 1846. 


meinem erfahren und geht den Gegenſtand ſelbſt nicht 
an; diefer bleibt in feiner poſitiven Beſchaffenheit bei fich 
ſelbſt und kümmert ſich um die andern eben nicht. Uber 
die Ausführung zeigt, daß damit bei Winckelmann et⸗ 
was Anderes gemeint if. In dem Abſchuitt von dem 
negativen Begriff der Schönheit wird aufgezählt, was 
men zu vermeiden habe, ivenn man ein Schönes bilden 
wolle. Es iſt alfo Winckelmann die Schönheit im Ge⸗ 
genfage zur Natur etwas an mund für fich Negatives. 
Die poſitive Seite, weldye er in ihe gibt, befteht nur 
Yarin, daß Diefe Negation nicht Ins unendliche Nichte 
hinein, fondern auf ein beftiumueites Ziel hinausgehen folle, 
und zwar bezeichnet ex als feige auf ganz Platenifeke 
Weiſe das Poftiofte von Allem, das ewige Weſen ber 
Dinge Diefe Bedeutung des negativen Elements tritt 
wm „Trattato preliminere” ganz unverfeunbar and Licht. 
Er fagt daſelbſt (Werke, VII, 71), daß die Alten überall 
mäfigenb verfaßren feten, ex findet die Schönheit im 
ber Einheit und Einfachheit, beſonders aber in der Un⸗ 
bezeichnung (S. 76), welches fo viel heiße, daß „die 
Form detſelben weder dieſer oder jener beſtimmten Per 
fon eigen fei, noch irgend einen Zuſtand des Gemicths 
oder eine Empfindung der Leidenfchaft ausbrude, ale 
weile die Einheit unterbrechen und bie Schönheit ver⸗ 
mindern oder verdunkeln“. Es folgt Hierauf die de 
kannte Gtelle: 

Rad) diefem Begriffe fol die Schönheit fein wie Das voll 
kommenſte Waffer aus dem Schoofe der Quellen gejchöpft, wel- 
ches je weniger Geſchmack es hat defto gefunder geachtet wird, 
weil ed von allen fremden heilen gefäutert ift. 

Dazu bedeutet Idealiſch bei Winkelmann faſt richte 
Anderes als Abfiract. Es Heiße (Briefe, N, 29: 

In dem ältern Stile ſcheint die Bildung des Geſichts 
zum Theil nach der Natur genommm, noch mehr aber na 
einem angenommenen Syfteme geformt zu fein. 

Und Dies wird fo ausgefühtt:: 

Die Zeichnung der Figuren diefes ältern Stils ift völlig 
ideatifch; fie befteht mehreutheils aus geraden Linien, welche 
wenig ausfihweifender ſich fenken u. f. vw. 

Nun heißt es zwar (IV, 55): ed könne Etwas tben- 
liſch fein, ohne fchen zu fee, wofür wiederum die dem 
altgriechifchen fo mahe verwandten ägyptiſchen Statuen 
angeführt werben; allein wo im „Trattato preimisere” 
von der idtnlifchen Schönheit die Rede if, beſteht fie 
doch einerſeits darin, daß die fchönen Theile mehrer In⸗ 








dividuen in ein Banzes vereinigt werden, andererfeits foll 


der auf diefe Weife entfiandene Körper frei fein von 
Sehnen und Adern u. f. w.; und endlich wird auf bie 


: 1146 


Meyer weiſt in feiner ,Gefchichte der griechiſchen 
Kunft” an der Stelle, wo er den Begriff der Echin- 
heit überhaupt auszumitteln fucht, nach, daß Menge un- 


fhöne Geſtalt gar das Epikurifche quasi corpus ange: ‚| ter derfelben nur die Schönheit ber Gliederformen, bie 


wendet. Das Alles ſteht bei Windelmann in einer ge- 
wiſſen theoretifchen. Unfchuld da; nun dene man es fich 
aber auf die Ausübung ber Kunſt angewendet, fo wird 
dadurch ganz und gar die Abmwendung von aller frifchen 
Naturauffaffung, das bloße Mildern der zufälligen Ei- 
genthümlichkeiten des Models durch die ganz - äußerlich 
aufgefaßte Antike fanctionnirt, welche das akademiſche 
Kunfitreiben des 18. Jahrhunderts charakterifirt. Denn 
bier wird, weil der Sinn für das Große und Emige 
ſich nicht mittheilen läßt, und alle Bildung nur in der 
Abweifung irriger Richtungen beftehen Tann, die pofi- 
tive Seite der Sache die geringe Bedeutung, welche fie 
doch bei Windelmann im Grunde nur hat, ganz ein- 
büßen und alles Gewicht auf das Negative fallen. Auch 
finden wir bei den Weimarifchen Kunftfreunden in diefer 
Beziehung fehr bezeichnende Sympathien. In „Windel- 
mann und fein Jahrhundert” wird (S. 218) Pouſſin ge- 
rühmt, daß er fi) mehr dem Idealen geneigt zeige ale 
feiner feiner Zeitgenofien; es fei ihm ziemlich gelungen, 
ben Geſchmack des Antiten zu treffen. Beſonders aber 
machte fich überall eine Hinneigung zu den Caracci be- 
merkbar, die doch das Schöne nicht nur, wie nah Win- 
delmann die Alten, aus einzelnen Zheilen der lebenden 
Individuen, fondern fogar aus denen der Kunſtwerke, 
die doch felbft erſt durch einen foldyen Eklekticismus ent- 
flanden wären, zu Stande bringen ‚wollten und alfo die 
Abftraction noch höher fleigerten. Gleich der erfte der 
Briefe Goethes an Meyer enthält eine dahin gehörige 
uferung, und eine Anmerkung Riemer's zu diefer Stelle 
beweift, wie feft diefe Vorliebe bei ihm gehaftet. Und 
zulegt wirb Menge, dem Nachfolger der foeben Genann- 
ten,.der den Eklekticismus nur verfeinerte, mehrfältig 
große Anerkennung gezollt: es gilt Goethe an einer Stelle 
der „Stalienifchen Reife” für eine befondere Empfehlung 
Meyer’s, daf er aus Windelmann’s und Mengs' Schule 
hervorgegangen. 
Nun wird zwar gegen biefen Letztern eine Polemik 
eröffnet, welche die formelle Anfhauungsweife der Zeiten 
anz eigentlich an ihrer Wurzel anzugreifen fcheint; auch 
—* dabei ſogar ein misliebiger Seitenblick auf Winckel⸗ 
mann, welcher ſich freilich in feinen Briefen größtentheils 
in Sachen der Schönheit mit Menge volllommen ein- 
verftanden erklärt, ja ihn ale den Einzigen nennt, der 
feine Anfichten theile. Indeffen werden wir Das in Be- 
zug auf Windelmann wol fo verftehen dürfen, daß Die- 
fer fein Princip felbft noch nicht in feiner ganzen Ziefe 
zu ergreifen und auf feine legten Gründe zurüdzuführen 
gewußt habe, wie fi) denn aud, was Mengs entgegen- 
geftellt wird, wenigftens im „Trattato preliminare‘ an- 
gedeutet findet; und was den Kunftgeift des 18. Jahr⸗ 
hunderts betrifft, fo wird ſich zeigen laflen, daß es auch 
mit dieſer Wendung im Grunde nur wieder auf ihn 
binauslaufe. 


nach der Seite der anatomiſchen Richtigkeit mie der 
‚Spdealität ganz volllommene Bildung des menfchlihen 
Körpers verftanden habe. In diefem Sinne glaubte « 
fih von der Kunft der Alten einen fo hohen Begrif 
machen zu bürfen, daß er gegen die Echtheit oder Dr: 
ginalität der berühmteften uns übriggebliebenen antien 
Statuen, 3. B. des vaticanifchen Apoll, ein unübernin. 
liches Misſtrauen gefaßt hatte. Auch mag es daher ju 
erklären fein, daß feine Köpfe, wie Derfelbe in feinen Br 
merfungen zum Windelmann bei Gelegenheit des de 
rühmten oder berüchtigten Jupiter mit dem Gangmed, 
mit dem Menge BWindelmann angeführt haben fol, be 
merft, gemeiniglihd am Ausdrud fehlt. Es wäre de 
bei ihm allerdings mit jenem „geſchmackloſen Ba“ 
Windelmann’s ganz eigentlih Ernft gemacht. 
Dagegen fonnte nun zunächſt eine Reaction nıdt 
ausbleiben. Hirt, welder, als vieljähriger Benoan 
Roms, fich wohl berufen finden mochte, auch feine 
ein burchgreifend neues Princip der Kunftauffaffung gb 
tend zu machen, unterzog ſich der hiftorifchen Auf, 
ins entgegengefegte Ertrem zu verfallen. Er erkläre fr 
das Weſen der Kunft eben Das, was jener ältern Lu 
zufolge biefelbe mittel der Schönheit in ihren Bakı 
fo viel als möglich abtödten follte, das Charakteriftic. 
Die Anerkennung des Charakteriftifhen und far 
Bermittelung mit der Schönheit iſt es, was die Sche 
heitslehre Goethe’ von der frühern unterſcheidet. # 
wurde aber in der Begriffsbeftimmung der griehilde 
Kunft, melde in Meyer's Gefchichte derſelben gegen 
wird, das Bedeutende als das Grundgefeg jener Kur 
namhaft gemacht; aus ihm follte durch glückliche Br 
handlung das Schöne hervorgehen. Diefes „Bedeutende 
ift nichts Anderes als das Charakteriftifche, wie ed nid 
als das allein Geltende aufgeftellt wird, fondern mit ir 
Schönheit in ein VBerhältniß tritt. Die beiden entgeam 
gefegten Einfeitigkeiten, von deren Wermittelung dd ſcch 
bier handelt, find die Übertragung einer äußerlicen zum 
auf einen rohen Stoff, und das Waltenlaffen des If 
tern ohne eine Form, die dies im wahren Einne mitt 
Die Vermittelung, welche Goethe hier eintreten Lift, 8 
ftebt darin, daß dem Stoffe felbft die Form entle 
werde. Hierdurch wird man über gewiſſe Wibderfprädt 
in welche ſich Goethe zu verwideln ſcheint, aufgeklärt. 
Auf der einen Seite ift ihm oft bie Form in ber Kun 
das Höchfte, das er befonders in feiner eigenen dichten: 
fhen Kunftübung unabläffig anſtrebt — und wie folk 
er nicht, da fi die Kunft nur durch fie von ber ot 
meinen Wirklichkeit zu unterfcheiden vermag — ; ander 
feitö finden wir viele Stellen, in denen geradezu erfüf 
wird, es komme in der Kunſt nicht auf die Form, I 
dern lediglich auf den Gegenftand an. So heißt es u 
einem Briefe an Meyer vom Jahre 1797: „Alles Giit 
des Kunftwerts beruht auf dem prägnanten Stoffe, da 








1163 


eh darzuftellen unternimme”; und es wird das Bewußt⸗ 
kin ausgefprodgden, daß in „Hermann und Dorethea” 
ein folher gefunden fei, ber dieſer Foderung im unge 
wöhnlihen Maße entfpreche. Eine ausführliche Außerung 
über denfelden Punkt findet fi) ungefähr aus berfelben 
Zeit in einem Briefe an Schiller. Die Auflöfung des 
Rathſels ift ganz einfach Diefe, dag eben nur ein bedeu- 
tender Gegenſtand einer wahren Kunftform fähig fei, 
weil man umter einer folgen diejenige zu verſtehen Hat, 
weiche die innern Beziehungen des Begenftandes, der- 
gleihen alfo vorhanden fein müffen, berauszuftellen und 
mittel® einer Abklärung, die das Unmefentlihe vom 
Weſentlichen fcheidet, in einem Brennpunkt zu fammeln 
weiß. Es gilt hier vom Gegenftande was Schiller vom 
Subject fagt, daß nur da eine vollendete Anmuth vor- 
handen fein könne, wo eine gefunde Kraft zu Grunde 
liege. Goethe ift in Zolge diefer Anſchauungsweiſe, fo 
fehr er fpäter auf das deal drang, doch nie ein DBer- 
öchter naturaliftifcher oder befonders auf das Charakteri- 
flifche gerichteter Runfterfcheinungen, mie etma bie nie 
derländifhe Malerei, geworden, er bat ſich zu allen Zei- 
ten eine gewiffe Bielfeitigkeit des Geſchmacks erhalten, 
indem er die Kunſtwerke innerlih in gewiſſe Stufen 
ordnete: — es mochte ein Naturalismus geftattet fein, 
nur follte es nicht bei einem ſolchen bleiben. - Diefes 
darzuftellen ift der Hauptzwed feiner Betrachtungen über 
Diderot's Verſuch von der Malerei, in welchem ein 
mergifcher und geiftreicher Naturaliemus geprebigt wird. 
Ja Goethe findet fich häufig, und Dies ift namentlich, in 
Bezug auf Dideror’6 Werke der Fall, gerade zu dem 
Naturaliſtiſchen und Charakteriftifchen durch die Neigung 
bingegogen, mit welcher wir einen lebhaften Jüngling, 
der in feinen GErtravaganzen etwas Bebeutendes zu lei- 
ſten verfpricht, im Umgange dem gereiften Manne vor- 
ziehen, der Dergleichen ſchon geleifter hat. Namentlich 
ſcheint hierauf das Intereffe zu beruhen, das er an ber 
altdeutihen Kunft genommen. In feiner Jugendepoche, 
mo ex felbft vom Geifte jenes Naturalismus, den wir 
in der Literaturgefchichte mit dem Namen des Sturmes 
und Dranges bezeichnen, erfüllt war, verehrt er den 
frasburger Münfter über Alles, weil er charakteriſtiſch 
fi; denn die charakteriftifhe Kunft fei die einzig wahre 
(XXXIX, 349). So mag ihm die altdeutfche Kunſt 
in fpätern Jahren eben darum mehr in den Hin⸗ 
tergrund getreten fein, weil er die Stimmung, mit wel 
her er fie damals angefehen und die er in fie felbft 
übertragen Hatte, noch jegt nicht von ihr zu trennen und 
fie ſomit als die nur charakteriftifche anzufehen wußte. 
Wie aber aus dem Natürlihen und Wirflichen die Kunft- 
form erwächſt, Dies wird in der angeführten Schrift über 
Dideror’s Verſuch auf das anfchaulichfte Dargeftellt. Es 
heißt dort: 

Die Kraft des Künftlers befteht im Anfchauen, im Auf: 
faffen eines bedeutenden Ganzen, im Gewahrwerden der Theile, 
im Gefühl, Daß eine Kemntniß, die durch das Studium erlangt 
wird, nöthig fi. — — Ein folder Künftler, eine Ration, 
ein Zahrhundert folder Künftler bilden durch Beifpiel und 


Lehre, nachdem die Kunft ſich lange empirifch fortgeholfen hat, : 


endlich Die Begein der Kunſt. Aus ihrem Weiße 
Hand entfichen Proportionen, Formen, Geftalten, wozu * 
die bildende Natur den Stoff darreichte; fie convenizen nicht 
über Died oder Jenes, dad Älles anders fein koͤnnte, fie reden 
nit miteinander ab, etwas Ungeſchicktes für das Rechte gelten 
zu laffen, fondern fie bilden zuiegt die Regeln aus ſich ſelbſt 
nach Kunftgefegen, die ebenfo wahr in der Natur des bilden 
den Genius liegen als die große allgemeine Ratur die orga 
nifchen Geſetze ewig thaͤtig bewaßet. . 

Und was hier von den Formen des organifchen Kör- 
pers insbefondere gefagt iſt, das gilt ganz allgemein von 
allen Dafeinsformen, namentlich auch, was den Dichter 
zumeifi angeht, vom pfychologifchen Ausdrude; nur in- 
dem man das Befondere des Charakteriftifhen über ſich 
ſelbſt Hinausfleigert, gleihfam aus ihm felbft herauslebt, 
fann man zu dem Allgemeinen der Schönheit gelangen, 
Meyer fagt in der „Sefchichte der Kunft des 18. Jahr⸗ 
hunderts“: 

Aus dem Bedeutenden hat, wie ſoeben dargethan worden 
(es war in der Geſchichte verfolgt, was in der [oeben ange» 
führten Stelle mehr als Bildungsproceh des Individuums be 
handelt wird), das Schöne fi entwidelt; wer hingegen von 
der Schönheit ausgeht, wird, wie und das Beifpiel von 
Menge und Sanova lehrt, ſchwerlich je ein charakteriftifches 
Ganzes erzielen. 

(Die Bortfegtung folgt.) 


Zur Zagesliteratur. 
(Beſchluß ans Nr. 278.) 


Unter diejenigen Glaubensgefellfchaften,, welche fidh chrifte, 
beutfch : oder neu⸗katholiſch nennen, haben fich, gefchichtlicy ber 
deutend, auch ſolche geftellt, die in ihren Glaubensbekenntniſ⸗ 
fen Chriftus nit als den Bohn Gottes bezeichnen. Gegen 
Ungriffe deshalb vertheidigt fie die Schrift: - 

11. Was verſtehen die biblifchen Schriftfteller unter dem- Aus« 
drude: Sohn BottesY Kine Beitfrage, beantwortet von 
Behnſch. Leipzig, DO. Wigand. 1846. Gr. 8. INgr. 
Jeſus fei für die Juden feiner Zeit einmal Gottes Sohn 

eweſen, weil er fi ihnen als der verbeißene Meffias, Chris 
8, Herbeiführer und König des Himmelreichs darftellte; er . 
fei es aber auch zweitens für fie und für uns in der hoͤchſten 

Bedeutung gewefen, in welcher wir Ale Söhne und Kinder Gottes 

nach Zefu Vorbild werden follen, durch innige geiftige Vereini⸗ 

ung mit Gott und kindliches Vertrauen auf unfern himmli- 
hen Bater. Was verftehen denn nun die bibliſchen Schrift: 
fteler und der Verf. unter dem Ausdrucke himmliſcher Vater $ 

Das wäre auch eine Seitfrage, die vom Standpunfte des Verf. 

beantwortet zu bören man begierig fein Fönnte. Nach diefem 

Standpunkte aber richten fi) überhaupt viele Augen. 


12. Ein Wort in der deutfch : Batholifchen Sache. Ein Confe⸗ 
genjportrag von M. Köhler. Jena, Luden. 1846. 8, 
5 Ror. 
fucht erftens die hiſtoriſche Nothwendigkeit derfelben aus dem 
Widerfpruche der modernen Sefammtbildung gegen die papft- 
liche Univerfalbevormundung darzuthfun und ihr Glaubensbes 
Eenntniß als alle wefentliche hriftlihe Wahrheit enthaltend au 
rechtfertigen. Der Wille der Sache fei: eine allgemeine chriſt⸗ 
liche Kirche. Zum Begriffe diefer in Bezug auf die Lehre rech⸗ 
net der Verf.: das Bebenntniß der Abhangigkeit von und der 
Gemeinſchaft mit Chriftus als dem Heilande der Welt durch 
fein Wort und feinen Beift; fodann das Bekenntniß, daß die 
Schrift, deren Auslegung der chriſtlich durchdrungenen und 
wiffenfchaftlich gebildeten Vernunft zufteht, das fortbauernd 
gültige und räftige Zeugniß von Ehrifto und der einzige Quell 





1188 






Der eifttichen 


® it Mt. Run dis: eine hei durch⸗ 
Srangene und wiſſen af a 


ebitaete Wernmfti Es ift ge⸗ 
wis, daß die Vernunft eines Ichen nicht vwiffenfchafttidg gebif- 
Det iſt. Deshalb alſo wird mindeſtens eine jo gebildete 445 
tichkeit zur Schre 34 nothwendig fein. Aber da voraussufe 
yon if, daß der Berl. unter Bernunft die durch Werfiehen er: 
ende Kraft des Geiſtes fich vorgeſtellt hat, alfe diejenige, 
deren Begriff dis Freiheit ik: wie ift damit tie cheiſtlöche 
Durddrungenbeit, ein beſtimmt Werlangtes, zu vereinigen ! 
Kamm die Freiheit eine biadende Bedingung anerkennen? Es 
eben Dafielde, was von den Kant'ſchen Poftulaten geſagt 
: vorn werden fie berausgeworfen und durch die Hinterthur 
wieder himeingefaften. Ban muß fich zu Helfen willen. Uber 
alle Hulfe iſt palliativ, fo lange nicht der Glaube ald eine 
erkennende Kraft des Geiſtes, als em vernänftiges Ihun 
gen dem Verſtande —8 iſt. Davon ſtammelt die deutſch⸗ 
atholiſche Sache in ihrer chriſtlich durchdrungenen oder beweg⸗ 
sen Bernunft. 
13. Der projectirte Luther⸗Verein und die Deutſch-Katholiken. 
Bon ©. F. Müller. Jena, Luden. 1846. 8. 7%, Ror. 


weiſt die Unterftügung deutich-Fatholifcder Gemeinden aus ben 
Zonds des Guftav: Adolf Vereins megen der nothwendigen Ei⸗ 
nigung Der Protsftanten zur Stärke ab, um nit in Selten 
3 aufzulöfen, welche der Spielball des Zufalls, der Zeitver- 
bältniffe würden. Ein Luther : Verein fei nicht blos für die 
Deutſch⸗Katholiken zu ftiften, wie vorgeſchlagen, ſondern nach 
353 Seiten hin zur Unterſtützung geiſtiger und religiöſer 
reiheit. 


Schließlich erwähnen wir hier zweier mehr beachtens- 
werther Schriften: . 
14. Der Staat und die Deutfg:Katholifen. Eine ſtaats- und 

Birchenrechtliche Betrachtung von Umilius Ludwig 

Richter. Leipzig, B. Zauchnig- 1846. Gr. 8. 7%, Rgr. 

Eine Kirche zu errichten fei auch gegenmwärkig noch nad 
der Verfaſſung des Bundes und der einzelnen Staaten in 
Deutſchland an die Staatbgenehmigung gebunden; nur bie 
Haus andacht ſei die verheißene volllommen freie Religions- 
übung. Uber die Beichränfung auf das Haus, auf den Fami: 
lienkreis, wie das frühere Recht es wollte, fei jept nicht mehr 
mooglich; man müfle die Gemeinſchaft als au im Weſen ber 
Neligion liegend zugefteben, und daraus ergebe fi) dann ein 
Mittleres: die Privatübung oder Duldung, was der Staat zu 
bewiligen babe. Wenn alfo Das fo fein muß und wenn eine 
Gemeinde und eine Geiftlichkeit da ift, fo kann auch eine für 
ch öffentliche Kirche da fein, ohne daß fie gerade auf dem of: 
fenen Markte einen Kirchthurm mit Sloden hat. Es ift ver: 
gleiheweife Das, daß die Müntlichkeit für den Angefcyufdig- 
ten Offentlichkeit ifl. Der Glaube darf dann feine Erkenntniß 
offen ausfprechen. Zreilich will der Verf. die Staatsgefaͤhrlich 
Teit überwacht wiſſen; aber der chriftlihe Glaube ift von Ans 
fang an ſtaatsgefährlich geweſen, was die Ratur jedes Blau: 
bens als Erfenntniß der Zukunft iſt. Die damalige Staats: 
tegierung erkannte es recht gut, aber alle Werfolgungen und 
Decrete haben den Staat vor dem Ghriftentyum überhaupt 


nicht gerettet, fie werden auch nicht vermögend fein, den chriſt⸗ 


lichen vor der Wahrheit des Ehriftentyums zu ſchutzen. Damit 
ſoll aber nicht gefagt fein, daß gerade die DeutſchKatholiken 
Biefe Wahrheit wollen oder vermögend fein würden fie zu er: 
zeichen. Auch die Reformation wollte auf die ftaatsgeführliche 
Brzeit des Chriſtenthums zurüdgehen, der Bauernkrieg fie un 
terftügen, und heute ift fie dem Willen der Staatsregierung 
unterworfen. Luther Enüpfte fie an die Fuͤrſten, der Deutſch⸗ 
Katholiciemud knuͤpft feine an das deutfche Volk, und Eins vom 
Beiden ift fo wenig flantögefährlich wie das Undere. Rur al 
fein die Menſchheit ift es, der Gegenfag von Staat und Kirche, 
Bergangenheit und Zukunft. 


Dis zweite zu erwaͤhnende Wpeift iR: 


15. Die proteſtantiſche Geiſtlichkeit und die Deutfch:Katholika 
Eine GErwiderung auf die neueſte Schrift von G. G Gm 
sinus von Daniel Schenkal. Bweite Auflage Xch 
sinem Unhange über ben Standpunkt des yohtiven Ei 
ſtenthums und feinen Begenfag als Replik auf vie Ge 
gegnung von G. G. Gervinus im ,„Morgenboten". 3 

rich, er und Zeller. 1946. Er. 8. 32 Nor. 

Es ift die Abwehr des Borwurft der Lauhelt der pre 
ſtantiſchen Beiftlichfeit gegen die Deutſch⸗Katholiken verfaßt um 
den und zu dem Ende auseinandergeſegt, wie dad Dogm 
nicht in bloße ſittliche Gefinnung, nicht in ein paar anggen 
digte dürftige Moralbegriffe zu verdünnen, wie Moral chet 
Glauben Nichts fei. ie Sonne und Fichtftrapl, wie Bıryl 
und Stamm, wie Peuerften und euer, wie Gedanke m 
Bert bangen Glaube und Moral zufemmen, und e6 fun rn 
einem Glaubensſyſteme gar Peine Beranderung vergeammm 
werden, ohne daß aud das Moralfpftem fidy deraͤndere. Zu 
Philofophie ferner fei frei und bewege fi fo in ihren Arie; 
aber fie maße ſich nicht länger an, die Theologie niederzuhr 
ten, fie ihren Refultaten auch da zu unterwerfen, wo ti ih 
nicht mehr wn enblichen, fondern um ewigen Gebantenitet 
handele. Die Philofophie des 18. Jahrhunderts aber, cs da 
der Deutſch⸗Katholicismus richtig Fuße, fei nur humoriſtiſh ur 
Zheologie geivefen, Es ift hier Daffelbe, was fonft us. 
&rifttiche iffenfhaft verlangt wird und wozu eben di cr 
nende Kraft des Glaubens, des Geiſtes in der Zukrende 
rund legt. Die Kirche ruhe auf dem Principe der Aumtt 
aber nicht auf dem menſchlich⸗-demokratiſchen der Gemeint 
der, daß die Gemeinde, und zwar jede einzelne für fid, x «3 
der unter ihren Gliedern vorherrſchenden Richtung, zu ba 
men babe, was gepredigt und nicht gepredigt, yetharn 
nit gethan werben folle. Bo die Brundfäge der indirides 
len Mündigleiten mit dem größten Pathos proclamirt wir 
feien es gemeiniglich nur einige Wenige, welche die Untına 
Schlepptau ihrer Autorität hielten, von deren Worten, ja zw 
gen Blicken fie abhingen. Ein Zoleranzprincip fei unmöglidd 
wefentlih nur ein fauler Friede der Laune. Gs handelt 
aber auch nicht um eine neme Kirche, fondern um ein: ri 
nale Reformation. Jene Ginigung der religiöfen Überupt 
gen, jenes Ineinanderfließen aller Farben und Zinten, j= 
allumſchließende Toleranzſyſtem folle nur die Brücke zur mti 
nalen Erhebung werden, d einem Zuſammenwachſen Deik 
lands. Aus allen diefen Gründen Fünme es der p 
Geiſtlichkeit nicht verargt werden, wenn fie ſich von dr arm 
Sache entfernt halte. Diefe Unfichten ſtimmen gewiß mi Ns 
Urtheile eines großen Theils der protefkantifchen Gekihket 
überein, und infofern ſcheint die Schrift von nicht graz 
Bedeutung zu-fein. F. Marmati. 





Notiz. 


Wer hat recht? 

Montısquieu behauptet bekanntlich in feinem „Baprit de 
lois“, daß die Ehre das Princip der Monarchie wie Zw 
die des Freiftaats iſt. Dagegen meinte der berüchtigte dere 
von Orleans, unter der Minderjährigkeit Ludwig's XV. Nigr 
von Ftankreich, der Höfe und Monarchie doch fennen muft 
indem er fein Urtheil über einen Edelmann feines Gefelae 
ausfpradh: „C'est un parfait courtisan; il n’a ni hument 8 
bonneur!' Roc unverfchämter äußerte fich der bekumm“ 
Demagog Horne Tooke, welcher, als ihn König Georg IB 
fragte, ob er Karten fpiele, antwortete: „I am so Fitde © 
quainted therewith, as not toknow a king from a kanns 


Berantwortlicher Herausgeber: Geiurich WBroktane. — Drud und Belag von F. X. Brockpaus in -Reipsts: 


Blatter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


15. Dctober 1846. 





&rfter Artikel. 
(Vortfegung aus Nr. 397.) 

Es ift alfo das Ganze bahin zufammenzufafien, daß 
ie Schönheit immer nur das Nefultat und gleichfan die 
jlüte einer innern Wiebererfchaffung des Gegenftandes 
in Fönne. Eben darauf läuft es auch mit einem an- 
een Gegenfage hinaus, in melden Meyer die Goethe‘ 
he Schönheitslehre zur Mengs'ſchen ftellt. Er ſagt in 
Zindelmann und fein Jahrhundert” (S. 281): 

Richt die fihönen Formen feien Hauptzwed der Kunft, 
ondern fie hätten fih nur aus dem Geiſte derfelben entwidelt, 
18 nothwendiges Mittel zum Ausdruck ſchoͤnet Gedanken. 

Sch wüßte aber nicht, worin ein fchöner Gedanke im 
Einne der Kunft fonft beftehen follte ale darin, daß 
Einem in finniger Anfchauung klar wird, wie irgend 
in Gegenftand, fei es ein finnlidy vorliegender oder eine 
in Worten geftellte Aufgabe, in fich felbft die Möglich- 
teit trage, wenn er von einer künſtleriſchen Einbildung®- 
kraft gleihfam warm bebrütet werde, fich zu einem ſchö⸗ 
nen Kunſtwerke zu entfalten; wobei denn eben in der 
Auffoderung zu folder Bebrütung, die von ihm felbft 
ausgeht, fein „Bedeutendes“ Liegt, weshalb auc im 
künſtleriſhen Sinne kein Gegenftand an und für fid, 
fondern nur für Den, ber Etwas aus ihm zu machen 
weiß, ein bedeutender ift. Und alles Diefes hat zwar 
Winckelmann gewiß nicht Elar gedacht — denn alsdann 
hätte er es auch ausgefprochen, und fo wäre der Mengs'⸗ 
hen Auffaffung entweder vorgebeugt oder ihr doch von 
jornherein ein Gegengewicht gegeben —, aber in Wider⸗ 
pruch mit feinen Anfichten fteht es nicht, ja es läßt ſich 
ielmehr im Keime bei ihm felbft nachweifen. Denn im 
‚Trattato preliminare” wird nicht nur (Gap. 4, $. 13 
1. 28) von der „abfoluten Schönheit ber Formen, oder 
er Iinearifchen” eine Schönheit im Ausdrude und in 
er Handlung ausdrücklich unterfchieden, ſondern es heißt 
u . 2): 

9,0 Qi daß fie — die Griechen — nach der Schoͤnheit 
n allen ihren Theilen ſtrebten, aber ich wollte ſagen, daß fie 
ich bemübten, in ihren Werken nicht nur die Jugend und die 
Blüte der Jahre, fondern au jede Perfon und jedes Alter 
uszudrüden. Sie beobadhteten z. B. bei allen Figuren die: 
elbe Regel, welche man beim DBarftellen der Jahreszeiten be: 
üdfichtigen muß, von denen jede, fie man unter dem Bilde 


einer jugendlichen ober einer betagten Perfon erſcheinen, auf 
ihre Weiſe ſchön und anmuthig fein wird. 

Und hierauf folgt die bereits angeführte Stelle von 
dem „mäßigenden Verfahren‘ der Alten; es wird hinzu⸗ 
gelenkt, fie hätten dies ausgeubt vom Allgemeinen zum 

efondern übergehbend — wie die Natur vom Stamme 
bes Baumes zu den Zweigen —, was denn doch gerabe 
fo viel heißt als: von innen heraus, und einer bloßen 
äußern Abdämpfung ganz entgegengefegt ift. 

Bei dieſem Wen bleibe nun die Hauptfrage noch 


. unbeantwortet, wie nämlich Goethe überhaupt dazu ge- 


fommen, feine Neigung von der charakteriftifchen Kunft - 


‘auf diejenige, welche er als die der Schönheit betradh- 


ten zu dürfen glaubte, zu übertragen, oder, wie Dies 
gleich im Eingange ausgedrückt wurde, die Renaiffance, 
weicher er in der Poeſie fo glüdlih ein Ende gemacht, 
in der bildenden Kunft zu erneuern. Denn es läßt ſich 
nicht einfehen, was für ein Grund in der charakterifti- 
fchen Kunft liegen möge, fie zu verlaffen; ift fie doch voll- 
fommene Kunft in jeder Beziehung ebenfowol wie bie 
andere; fie hat ihre eigenen Formgefege und ihre bes 
flimmte Formvollendung, mögen biefelben auch andere 
fein, als in ber Kunft der Schönheit und 3. B. an der 
Stelle der Zeihnung die Lichtwirkung in Farbengebung 
und Beleuchtung den Vorrang behaupten. Auch gehen 
beide in ber Gefchichte parallel nebeneinander ber, und 
es dürfte kein namhafter Künftler zu nennen fein, ber 
von ber einen zur andern übergefprungen wäre; es be- 
ruht aber die eine ſowol als die andere auf einer eigenr 
thuͤmlichen geiftigen Organifation und beflimmten natür- 
lihen Zalenten, . in denen eine innere Sinnesänderung 
irgend einer Art eine durchgreifende Ummandlung nicht 
zumwegebringen fann. | 

Die Art und Weife felbft, in welcher Goethe Das 
auffaßt, zu welchem er übergegangen und zu bem er in 
Andern den Übergang vermitteln will, gibt hier den ge- 
wünfchten Aufſchluß. 

Es foll der Gegenſtand felbft in fich zur reinen Form 
herausgelebt werden. Was kann Dies heißen? Es läßt 
fich zeigen, daß es keinen Sinn gibt, wenn damit ber 
jedesmalige einzelne Gegenſtand, welcher im Kunſtwerke 
behandelt fein mag, gemeint fein fol. Zunaͤchſt mird 
man auf den gemeinen, natürlichen Gegenftand verfallen, 


1190 


dee dbemfelben zu Grunde liegen ober zu ihm Veranlaſ⸗ 


fung gegeben haben mag. Allein es iſt bei dieſem Dreier⸗ 
lei zu bebenten, das ihn in dieſem Kalle nicht in Be⸗ 
tracht fommen läßt. Der Sinn ber Behauptung würbe 
fein, daß man fi in der Phantaſie feines Welens in 
der Art bemächtigte, ober, was Daſſelbe ift, ihn ſich der 
Phantaſie fo vollkommen bemaͤchtigen liefie, daß er in Ihr 
auf ähnliche Weiſe waltete, wie Dies in der Natur im 
Gegenſtande felbft der Fall if. Nun fragt es fi zu- 
erſt, wie fol Dies möglich fen? Wie wird eine blos 
ibeelle Griſtenz, wie doch bie in der Phantaſie fein 
würde, denfelben Gefegen folgen können wie eine reelle? 
Und kann denn überhaupt das Wefen der Dinge anders 
begriffen werben als im Gedanken? Aber auch ange- 
nommen, es wäre Dies möglich, fo entfleht das zweite 
Bedenken: wodurch denn nun dieſes ſich felbft entfal- 
tende Weſen des Gegenftandes beftimmt. werden folle, 
fi® gerade an dem Punkte, mo das beftimmte Maß ein- 
tritt, in welchem die Schönheit befteht, Halt zu gebieten! 
Und endlich muß man der ganzen Behauptung entgegen- 
fegen, daß ein Gegenftand der Wirklichkeit überall gar 
Peine andere Form aus ſich ſelbſt entwideln könne als 
er eben entwidelt hat. Die Wirklichkeit ift nur von ei» 
nem ganz befegränkten Geſichtspunkte aus angefehen un⸗ 
vollkommen; an und für fi ift fie Alles was fie fein 
kann, und folglich auch Alles was fie fein fol. Es mußte 
alſo der Tünftlerifche Gegenſtand gemeint fein, deffen 
Weſen foeben angedeutet worden, denn er iſt berfelde 
mit dem Fünftlerifchen Gedanken. Und wenn Goethe 
nicht ausbrüdlich fagt, daß er dieſen Gegenſtand meint, 
f darf man vielleicht behaupten, dag er, infofern ex 
ſelbſt Künftler war und alfo gewohnt, die Dinge mit 
kunſtleriſchem Auge zu betrachten, den Unterſchied beider 
Ah nicht ganz Mar machte und vom natürlichen zu fpre- 
Ihen glaubte, wo er vom Pünfklerifchen redete; wie denn 
In feinen wiffenfchaftlichen Schriften das fichtbare Stre⸗ 
ben, die Sache auf Pimfllerifche Weiſe zu behandeln, 
mancherlei Unzuträglichteiten zur Folge gehabt bat. In⸗ 
beffen ift uns auch fo noch nicht geholfen; denn der 
Pünftlerifche Begenfland ift jener Herausbildung zur Ge 
formtheit weder fähig noch bebürftig, weil er gleich von 
vornherein Form und Nies als Form if. Er mag in 
der Ausführung weiter autgebildbet werden, aber an unb 
fih Bleibt er dabei ganz Das, ale was er urfpräng- 

ch condhpirt worden. Es bleibt alfo nichts Anderes 

übrig, ale daß, was zu einer Geformtheit herausgelebt 
werden foll, die Gegenftänblichkeit überhaupt fet, d. h., 
de Art und Weiſe, wie urſprünglich concipirt wird; es 
Handelt fi) davon, daß das ganıe Kunfivermögen ſich zu 
höherer Reinheit fteigere. Dies aber hat mit dem Ge⸗ 
genftande felbft in beiven Bedeutungen des Wortes Nichts 
zu tbun, es iſt eine Entwickelung, bie einzig und allein 
in das Subjerr des Künſtlers fällt, und infofern aller 
Dinge ein Erleben genannt zu werden verdient, und bie 
man gemeinfaßfich ats eine Erhebung zu einem reinen 
Geſchmacke bezeichnen mag, ſobald man nur ficher ifl, 
daß unter dem legten Ausbrude nicht bios eine paffive 


äfthetifche Empfänglichteit, fondern auch ein Geſch ie 


äſthetiſchen Production verftanden wird. 


In der That liegt der Grund jenes bei Goethe be 
merften Überganges zu einem andern Gefchmad in ka 
Bildenden Künften ganz außerhalb biefer letztern in fir 
nem allgemeinen äfthetifchen Bildungsgange. 

Windelmann hatte feinen Kunftbegriff in Italien ge: 
funden. Hier gelang es auch Goethe erft, denfelben wi- 
fommen zu verftehen und ſich ganz mit ihm zu durth 
dringen. Aber Dies geſchah nicht zunächft in dem Einn, 
in welchem er aufgeftellt war. Windelmann mar, mir 


‚oben gefagt worden, bdurd ein Intereſſe des Wiſſen 


nach Italien geführt und haste ſich durch jenen Begrif, 
infofern er eine Erfenntniß enthält, befriedigt gefühl. 
Dagegen trieb Goethe ein ganz anderes Bebürfnif dı 
bin: Goethe hat eigentlih niemals etwas Anderes ge 
ſucht als fich felbft, und auch niemals etwas Andırd 
gefunden, gerade fo, wie er Dies in feinem „Bilkle 
Meifter” darftellt; es war die Nothmendigkeit einer ga: 
fligen Wiedergeburt, welche bei ihm jene Reife veranlokt; 
er fuchte in Stalien, und es ward ihm zu Theil, ſid u 
einem neuen Menfchen durchzuläutern und im fie 
Sinne zu fich felbft zu fommen. Natürlich mußt Dit 
vor Allem derjenigen Thätigkeit zugute kommen, nid 
den Mittelpunkt feines geifligen Lebens ausmachtt U 
diefe bezeichnete ex felbft immer die Poeſie; das Deutk 
fehreiben nennt er in jenem venetianifchen Epigrm 
die einzige Kunft, in welcher er es der Meiſterſchaft nk 
gebracht, und anderwärts bezeichnet er bie Dichtkunft $ 
zadezu als feine eigentliche —* Auch iſt ja 99 
feiner wiſſenſchaftlichen Bemühungen nicht nur, fon 
auch Verdienſie der Ehrenname des Dichters feinem % 
men am untrennbarften beigefellt. Und fo ift denn m 
Erneuerung ganz vornehmlich auf fein dichteriſches Fr 
mögen zu beziehen; Goethe gewann den reinen Kur 
begriff zunächfi nur, um ihn auf die Poeſie anzumeda 
Es war ihm in Italien nicht um ein Studium de Hi 
denden Kunft, um ihrer felbft willen zu thun: er email 
felbft, daß es ihm zu einem folchen an der nothmeadu 
gelehrten Vorbereitung gefehlt haben würde; erging MI 
auf die Einwirkung aus, welche er ſich von ihr vente 
hen zu fünnen glaubte. Sie ward fo vollfommtn c 
reicht wie möglih. Während feine, bichterifche Preduchn 
bis dahin nur unter dem Gefege der Natur geſtandu 
hatte, ift von jegt an fein ganzes Beſtreben darauf X 
richtet, die Poefie zur Kunft zu erheben. Es würde iA 
der Ort nicht fein, Dies im Einzelnen auszuführen, ar 
gehört es ja in biefem Gebiete zu den befannteften Di 
gen; es mag bier daher nur zum Belege auf bie Im 
arbeitung ber „Iphigenia“ verwiefen werben. Für Da 
welcher der Sache weiter nachzufpüren gedenft, ftehe MA 
die Bemerkung, daß es befonders unwiberfprehlid 13 
gewiſſen Berirrungen erhellt, zu denen er fid, mie au 
fegt allgemein zugibt, in fpäterer Zeit hat bineifen Ih 
fen, infofern fi) nämlich für diefe im Beſondern EM 
auf diefe Weife eine genügende Erklärung geben Ih 

Mag es ſich nun mit biefem Iepteen Punkte verhal 


1131 


m wie ed voole, fo wird Niemand in Wrede fielen, 
ws Goethe in biefem Sinne durchaus als der Schöpfer 
er deutfhen Dichtung betrachtet werben muß. Es braucht, 
m Dieb über jeden Zweifel zu erheben, nur barauf bin- 
miefen zu werden, daß, was Schiller in diefer Bezie⸗ 
ung in Form und Praxis geleiftet, wenn auch an ſich 
an, anderer Art, fich durchaus an ber Anfıhauung von 
hoethe'6 Werfen und felbft von Goethe's Perfönlichkeit 
naufgeranft hat. 
(Der Beſchluß folgt.) 


Schwedifhe Literatur. 


venska Sjare och Skalder eller Grunädragen af svenka 
Vitterhetens häfder, deeknade af P. D. A. diterbom. 
Bweiter heil. Upfala 3843. 

Der berühmte Berf. diefed Werkes, Yrofeffor der Philo⸗ 
yhie und Äſthetik an der tniverfität zu Upfala und einer der 
ugezeichnetſten Dichter Schwedens, gab ſchon 1841 den er: 
m Theil dieſes Werkes Heraus, handelte aber darin bios 
m Swedenborg's Ihesfophie aus dem äfthetifchen Geſichts⸗ 
ankte betrachtet und von Ehrenſwaͤrd's Kunftphilofophie. *) 
näher erweiterte Utterbom feinen Plan und beſchloß, eine 
Bröngte, zufammmenhängende und kritiſche Geſchichte der ſchoͤ 
m kiteratur, namentlid ber Poeſie Schwedens von Stjern⸗ 
im bis und mit der Beit Buftan’s 1II., gu fchreiben, wo⸗ 
2 der oben genannte zweite Theil eigentlich den erſten 

et. 


Der jetzt kurz zu beſprechende Theil umfaßt die Geſchichte 
u ſchwediſchen Poefie bis auf Olof v. Dalin, der noch zu er 
ſattende wird das Werk bis und mit dem Zeitalter Guſtav's MI. 
utlühren. In der Cinleitung gibt der Verf. eine kurze Über 
Mt der ſchwediſchen Poeſie von den diteften Beiten bis 
Biernhjelm. Die Skulden der heidniſchen Beit befangen bie 
Ireßthaten der Helden und Könige, deren Begleiter, Genoſſen 
ER Freunde fie waren. Nach Einführung des GEhriftenthums 
fand und entwickelte fich eine Urt Ritterpoefie oder daß ei⸗ 
ti fogenannte Volkslied. Dieſe Poefle war die erſte der 
‚U tm eigenen Sprache ausgebildeten ſchwediſchen Mundart. 
Cie fühte auch in ſich die erſie Grundbedingung einer neuen 
md fdöum Kunſſt: nämlich die Kraft der Wirkiichkeit, der 
Wahrheit und dei innerlicdhen Lebens. Died war viel; denn 
U war ein guter Unfang. Um Mehr zu werden, dazu war 
it dinzukunſt anderer Bedingungen der Bildung nöthig. Die 
ichteriſche Anlage, welche immer in Schweden die herrſchende 
nd fomit auch die am meiſten entwidelte geweſen, ift die ly⸗ 
ie, aber mit großer Geneigtheit, auch au unterweifen und 
a mäblen, oder die Lyrik des Grundtons einen didaktiſchen 
m epiſchen Eharafter annehmen zu laffen. In diefer Hinficht 
a das uralte Dichterwerk, welches an der Spige ber flandis 
wiihen Poeſſe fteht, Bala’s. Seher⸗-Geſang, eine für Schwe⸗ 
md Piteratur einzig vorbilbliche Stellung. Es ift naͤmlich von 
Ühergeftait gemifchter Art und von der doͤchſten; denn es 
N Gott, die Beit und die Ewigkeit zum Borwurf. Diefes 
edicht, womit die Saͤmunds Ebda würdig beginnt, ift nad 

ſowol innern als äußern Kennzeichen daß ältefte, wel» 
6 in der uralten Sprache des ſtandinaviſchen Rordens auf 
Wohrt worden. Der Berf. fagt von demfelben: „‚Überftrd- 
md von lyriſchem Bauber, wenn aud oft in harten, öfter 
brochenen und mitunter verworrenen Toͤnen, befingt ed von 
nem Anfang bis zu feinem Ende des Himmels und der 

Geheimniß; bei einem Baitenfpiel, aus mweldhem nicht 
8 der Mufe, fondern des ganzen Menſchengeſchiechts Be⸗ 
— —— 


) Vergl. den Bericht uͤber den erſten Theil des Atterbom'ſchen 
jettes in Pr. 237 u. 228 d. Mi. f. 1842. D. Red, 


ruf, Rampf, Leiden, Mngft und Definung Bingen. Es theilt 
eine Poefe mit, weiche innerheib eines und deſſolben Bahnen 
geil ift In ihrer Eingebung, epiſch in ihrer Form und bie 
daktiſch in ihrem Inhalt; oder in ihrer Seele ein reines Ge 
fühlsgedicht, ein Sagengedicht in ihrer Beftalt, und ein Lehr⸗ 
gedicht fowol nad Amel als Wirkung. Unfchägber für alle 
wirkliche Kunde von ber innerfien Bedeutung unfere Nordens 
zeigt uns biefe Urkunde ſemit Die Quelle gefpiegelt, aus deren 
Urfprungsader die ſaͤmmtlichen Berzweigungen bervorgequolien, 
in deren gewaltige Ströme die alten Gedichte fi zu ihrer ge 
meinfamen Bertfegung theilen.“ — „Die a emeinen Eigen⸗ 
ſchaften, welche die Form der altnordiſchen Dichtkunſt auszeich⸗ 
nen, entſprechen aufs genaueſte denen, welche ihr Weſen aus⸗ 
zeichnen. Dies hatte feine Wurzel und Rahrung in einer mu 
thifchen Heldenlehre, deren Priegerifcher Blaube das ganze Welt⸗ 
leben zugleich als ein tragiſches und ein fiegreiches Goͤtterſpiel 
anfah, wo ed der Götter und der Menfchen gemeinfame Pflicht 
war, des Lichts und der Finfterniß, des Lebensfeuers. und des 
Todesfeuere, des Guten und des Böfen langen Beitlampf eh⸗ 
renvoll zu burchfänpfen. In treuer Übereinftimmung mit einer 
folgen Weltanficht flanten aud die äußern Formeigenſchaften 
der Dichtungsart, welche daraus hervorging.” 

Nur ſcheinbar verfperrte fpäter die in fich ſelbſt zuſammen⸗ 
ftürgende Aſenwelt die Fluten ihres Dichtungsquells; denn die 
mittelalterliche Volkspoeſie iſt eine Leitung aus derſelben Quelle, 
als von neuem entipringend auf einer aus dem Verwuͤſtungs⸗ 
meer emporgefliegenen Feühlingsgrünen Infel, wo der nordifdhe 
Schoͤnheitsfinn Fuß faffen konnte. Dem Bebürfniß deffelden 
kam eine Dichtungsart entgegen, bie wiederum Seele war, 
und lauter Seele, bis zu dem Grade durch den Surturbrand 
geläutert, daB fie von ihrem Weſen bios das Allereinfachſte, 


"das Allermenfchlichfte beibehielt, oder gleichſam den bloßen Ent- 


wurf ihrer ſelbſt vorzeigte. Dad Schöne in diefem Entwurf 
am nicht von einem Austauſch des ehemaligen Lebensgefühls 


- gegen ein anderes, fondern von ihrer neuen Temperatur oder 


ihrer durch das Chriſtenthum zumegegebrachten Umſtimmung. 
Der Augenblick, da die Sprache anfängt ihre Mittel zu eigener 
Mufit und felbfländiger Ausdrudsgewalt zu bedenken, ift gleiche 
zeitig und fällt mit dem zufammen, da der Dichter anfängt, 
ſich nad feinem eigenen Innern mit Bewußtfein gu wenden 
und ei — — Er er — findet, als zunaͤchſt 
einige zu behandeln. jegt beginnt es eingutveffen, 
daß er, indem er feine Seele in ch größeres oder kleineres 
Lied ergieht, dieſes als feine Schöpfung (wenn auch von bir 
been Mächten eingegeben) betrachtet. Erſt von jetzt an werben 
demnach die Dichtungen in buchſtaͤblichem Sinn Poeme, d. h. 
gemachte Werke, Kunftwerke, ausgegangen in einem befondern 
und für immer beflimmten Geſchick von einer befondern Per⸗ 
fon, weldge ihe Hervorbeinger ift und ihnen Das GSepraͤge feis 
nec Perfönlichkeit aufgebrickt bat. Hierdurch kommt erft bie 
innerfte Beding aller volftändigen Exhönheit zur Offenba⸗ 
zung, welde darin beftebt, daß die offenbarende Kraft als 
völlig perfönliche hervortritt, oder nicht blos überhaupt als bie 
gewiſſer Beitalter und Voͤlker, fondern zugleich insbeſondere als 
bie gewiffer Menſchen und Boldsmitglieder. . 
Dan darf mithin nicht darüber Hagen, daB in Schweden, 
wie anderswo, ber unbemußte ober wenigftens kaum halbbe⸗ 
wußte Schmuck, welcher bes Mittelalters umfchuldige Naturdich⸗ 
tung auszeichnet, endlich einem Streben weichen mußte, deſſen 
Probucte lange ſchlecht — und die längfle Beit nur ſchwach — 
Das was fie verdrängt hatten erfegten. Wir bürfen nicht 
vergefien, Daß dieſes Streben auf Kunſtdichtung oder auf eine 
ſchwediſche Poeſie als Kunft hinzielte. Hier mag bloß erinnert 
werden, dab in dem ritterlihen Volksliede Standinaviens ſich 
nie etwas der Lyrik Entfpredyendes entwidelte, das unter dem 
Kamen des Troubadour⸗ oder Minneliedes fo weit berühmt 
geworden. Nicht die einzige, aber die Haupturſache war, daf 
das Kämpfenleben in Europas Norden nie dazu gelangte, ſich 
unbedingt in das Mitterleben zu verwandeln. Denn zwar ift 


® 











1152 


Guſtas IL Adolf des Yroteftantismus Gottfried von Bouillon, 
und allerdings Fönnen die edelften feiner Befährten fidy in wahrer 
Hitterlichleit mit der Ritterlichkeit Gottfried's meſſen; aber bei 
ihrem Auftreten war das Mittelalter bereits zurüdgelegt, und 
damit hatten fi alle die Umftände verändert, welche einzig 
erabe einer folchen Lyrik günflig waren. Bekanntlich zeichnet 
% fi durch einen nit unbedeutenden Grad von Künfller: 
ſchaft aus, befonders in Behandlung des Rhythmus und des 
Keime. Im Senna zu Diefer fpielenden Kunft und Kün- 
flelei zeigen die alten ſchwediſchen Volkslieder die einfachfte Se: 
ſtalt von einer fonft in vielen Zügen gleichgearteten Dichtung» 
art; eine Geftalt, welche doch zugleich in aller ihrer Einfach: 
beit mit epiſchen, didaktiſchen, ja fogar hHumoriftifchen Beſtand⸗ 
theilen ſtark verfegt if. So beſchaffen hat fie, wiewol mehr 
und mehr zum Stillſchweigen zurückgedraͤngt, es vermocht, ſich 
faft bis zu der Jetgen fortzufegen. Etwas dem fogenann- 
ten Meiftergefang Gntfprechendes , welcher in Deutjchland 
dem Minneliede nachfolgte, bemerft man dagegen in der Ma: 


- nier und dem Ton gewiffer dichterifcher Producte, weldde ge: 


gen Ende des Mittelalters von den Gelehrten der Zeit aus⸗ 
gingen. Solche find die als Sprachdentmäler wichtigen Über: 
ſetzungen deuticher und franzöfifcger Nittergedichte, denen man 
den Namen „Lieder der Königin Euphemia“ gegeben; foldye find 
die ſchwediſchen Reimchroniken, wenngleih mehr der Gefchichte 
als der Poeſie zugehörig; und leicht Ponnten mehre von derfel- 
ben Zeit aufgezählt werden theil6 erzählender, theils (teligiös 
und politifh) moralifirender Art. Daß auch diefe Manier die 
Reformation überlebte und bis zum Hervortreten Stiernbjelm's 
fowol Ausüber ald Freunde hatte, wird 3. B. durch Meffenii 
dramatiſchen Verſuch an den Tag gelegt, in welchem ein Wi: 
derball von Hans Sachs bemerkbar ift, wiewol nicht zum Bor: 
theil des ſchwediſchen Nebenbuhlers. 

Aber gerade diefe und ähnliche Bemühungen, in ihrem 
Unvermögen eine höhere und Punftreichere Poefie als die des 


- Bollsliedes hervorzubringen, liefern den entfcheidendften Bes - 


weis, wie unmöglich Soldyes war vor einer nähern und allge: 
meinern Bekanntſchaft mit den Sprachen und Kiteraturen der 
aften Griechen und Römer. Da nämlid — und blos da — 
gab es eine Poeſie und Kunft, die in ihrer Art fchon zur hoch» 
ften Bollendung ausgebildet war, und deren plaftifhe Schön: 
beit, binfichtliy der Grundfoderungen aller fhönen Form, ein 
Mufter darbietet, gleih allgemein gültig für die Kunft der 
Dichter als der ‚Maler und Bildhauer. Daher konnte au 
nur der Umgang mit der antifen Literatur, in dem Maß feir 
nes Anwachſens zu einem vertraulichen und nationalen, bie 
Harern Begriffe von Beichäftigungen mit der Kunft, den Ile: 
bendigern Sinn für fchönen Inhalt und Sprachausdruck all: 
mälig wecken, welche endlich zum volftändigen Kunftbewußt- 
fein erhoben werden follten. Den erften Anlaß und Anftoß 
zur allgemeinern Förderung diefes Umgangs gab in Schweden, 
wie in Deutfchland, die Luther’fche Reformation, wiewol aus 
ganz andern Beweggründen als äfthetifhen. Das Befagte mag 
genügen zu erflären, wie man zu der Borausfesung fam, wo: 
mit man, bei diefer hellern Moryendämmerung des Zeitalters, 
auch in Schweden unbedingt annahm, daß allein die Griechen 
und Mömer im Beſitz der einzigen Muſter fchöner Literatur 
und Kunft waren, und daß man, bei der Annäherung an dieſe 
hoͤchſten Vorbilder, fi zur möglichften Gleichſtimmigkeit mit 
den Männern bilden mußte, welche bei andern gleichzeitigen 
— derſelben Vorausſezung, der ſchoͤnen Literatur 
iſſen. 

Stjernhielm, Zeitgenoſſe Guſtav's IL. Adolf und Deſſen 
Tochter Chriſtina, iſt als Water der neuern ſchwediſchen Poefie 
bis auf Dalin zu betrachten. Er war ein für feine Zeit in 
Spraden und Wiſſenſchaften gründli unterrihteter Mann. 
Sein unabläffiges Beftreben ging dahin, die Ausbildumg der 
fchwedifchen Poeñe auf einen felbftändigen einheimifchen Boden 


ſtellen. Wit Geiſt und Tiefblick richtete er Hiechei fan 
8 auf zwei Hauptſachen: einerſeits auf feines Wolkes wm 
feiner Nutterſprache eigentbümlichen Shprakte, mit Yufl 
hung von deren urerflen Quellen und Benutzung von dem 
Landf&aftlichen Mundarten; andererfeits auf die Geelenhehet, 
Klarheit, Raßhaltung und einfache Gediegenheit, welche cr n 
den alten griechiſchen und römiſchen Glaffifern fo ſeht libte 
Seine hohe Vorſtellung von der ſchwediſchen Mutterſptache un 
fein Eifer für ihre Erhebung zu der Vortrefflichkeit, wo ea 
fie beftimmt glaubte, entfprechen einander. Um beften gl 
es ihm indeß, in feinen in fhwedifcher Profa abgefaften mi 
ſenſchaftlichen Ubhandlungen die Reinheit der Sprache zu best: 
achten; vermuthlich weil er Ddiefe mit größerer ung 
und Genauigkeit fchrieb. Ihm ſchwebte das Ideal eines Schw: 
diſch vor, worin die Ausdrucksweiſe kraͤftig, eonciß, gedanke: 
rei, wohllautend und zugleich majeftätifch und einfod wir. 
Jetzt wollen wir Stjernhielm als Dichter betrachten. Jede 
Kenner von der damaligen Form und Beſchaffenheit der ſtu 
zoͤſiſchen, hollaͤndiſchen und deutfchen Belletriſtik entdedt leiht 
wie nahe feine eigene Dichtkunſt ſowol an Weſen ai m 
Form damit zufammenhängt. Nichts ift begreiflicher als we 
er dazu fam, dem moralifch - didaktiſchen Slement fein xt: 
nebmftes Gedicht („Hercules“) einzuräumen, und wie er dub 
gebracht wurde, fowol die Wlerandrinen als die Bonıtt = 
ten fchwedifchen Bersbau einzuführen — auf dem dam 
Standpunkte der Sprache ein rieſenhaftes Unternehme! U 
lein er befaß auch etwas ihm Eigenthümliches, Etwas, sr 
er mit ebenfo viel Muth ald Kraft von den neueuropäha 
Vorbildern abwich, und Dies war eine weit mehr antik In 
den Geift der Poeſie und die beabfichtigte Geſtalt der cr 
mifchen fchonen Literatur zu faflen. Diefe Art wurde bu de 
gerade in Folge ihrer größern wirklichen Untikpeit ein kt 
wegs ſklaviſches Nahahmen der Alten. Im Gefühl her 
wagte er au, was feiner feiner Borgänger bis dahin great 
zu Herametern, ja überhaupt zu einer Menge antik: metrife 
Formen eine Sprache zu biegen, deren Zungenband es I 
erlaubte, das Herſtammeln eines erträglichen Reimveric® 
erwarten. Die Versmacherei der Andern hatte gewöhnlid‘k 
rhetoriſche Manier der römifhen Dichter im Auge; bei # 
allein trifft man eine Natur, welche mit der Seele grundide 
difcher Einfachheit und Gefundheit einen Blick, einen Iuy, E 
nen Zon altgriechifcher Anmutb und Schönheit verbindt. 
feine Metrik fo bat auch feine ganze poetifche Diction md 
von ber Antike erfter griechiſcher Reinheit, und Dies ik mt 
bar überall, wo er nit bald die moralifirende, baR de 
fpracherperimentirende Neigung fih zu weit binrefe DR 
Daher ift er auch in feinem Lehrgedidht „Hercuies“, ahm tu 
geringfte Nachahmung, ein ſchwediſcher Hercules. Exhi heit 
er diefen für fein am beften gelungenes Werk. Seine Zeitge 
noflen, König Karl X. Guſtav an der Spige, bemmderte 
dieſes Gedicht als wmübertrefflih; und es hat ſeitden fand 
Auf größtenteils beibehalten. Stjernhjelm's ſaͤmmtlicht & 
dichte, auß denen Atterbom uns eine fhöne Blumenlee ir it 
nem Werke mittheilt, erfchienen noch bei feiner Lebenszeit (1 
in Drud und erlebten nachher mehre Yuflagen. Gr hatte ĩi 
in faft allen Dichtungsarten verſucht und faft immer mit Ms 
und Erfolg. Die äußern Lebensverhältniffe diefes berühme 
Gelehrten und Dichters waren yünftig und feine Verdi 
wurden anerfannt. Er befleidete mehre bedeutende Amter ned 
einander und wurde auch in den Welftand erhoben. rt ! 
feinem vierzigften Jahre trat Stjernhjelm, nachdem er ih 
ber durch viele wiflenfchaftliche Schriften, fowie auch teil 
praßtifche Thätigfeit im Gtaatsdienfte ausgezeichnet hatte, # 
Dichter auf. Durch viele Seſchaͤfte überhäuft mußte er md 
angefangene fchriftftellerifche Arbeit unvollendet laffen. FA 
bat er für feinen Ruhm genug gethan. 

(Der Beſchlus folgt. ) 


Berantwortlider Deraußgeber: Heinrich Brockdauns. — Drud und Berlag von F. WE. Bredhans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





16. October 1846. 





Erfter Artikel. 
(Beſchlus aus Nr. 208.) 

Erft fpater, bei abnehmender Productionsfraft und 
da ihm die ganze italienifche Reife und was auf derfel- 
ben auf ihn eine Wirkung ausgeübt hatte, nach und nad) 
mehr objectiv wurde, fing Goethe an darauf zu finnen, 
wie ſich Daffelbe, was er in der beutfhen Dichtkunſt 
geleiftet, durch Rath und That im Gebiete der bildenden 
Kunft möge herbeiführen laffen. Allein Diefes konnte 
der Natur dieſes Gebiets nah nicht zum Vortheil def 
ſelben ausfchlagen. 

In der Poefie harte Goethe es bei feinen Zeitgenoffen 
mit einem mannichfaltig mobificirten mehr ober weniger 
then Naturalismus zu thun. Den Deutfchen hatte bie 
dahin die Aufgabe obgelegen, fidy nur vorerft von fremd⸗ 
lindifhen und willtürlihen Kunftformen loszumachen 
und fich ihrer eigenen Natur zu verfichern, und dabei 
hatte fi nach und nach eine Abneigung gegen alle 
Kunftform geltend gemacht, welde in der Sturm - und 
Drangperiode, welche in Goethe's Jugend fiel, ihren 
Gipfel erreichte. Diefen Tendenzen gegenüber mußte es 
Goethe nun darauf ankommen, nur überhaupt wieder 
en Kunftbewußtfein zu erweden und ein Bedürfniß ei- 
ner wahrhaft nationalen und modernen Kunftform in 
der Poeſie hervorzurufen. 

Ein ganz Anderes war das Verhältnis in der bilden- 
den Kunft. Bier hatte fi) der moderne Geift feit lange 
eine angemeffene Korm gegeben, und dieſe hatte ſich, 
wenn auch vielleiht in mancher Entftellung, immer er- 
halten; es wäre nur erfoberlich geweien, daß man fie 
wieder zu ihrer urfprünglichen Reinheit zurüdgeführt 
hätte. Es mußte alfo das Streben, eine folche "über- 
haupt erft zu erfchaffen, in diefem Gebiete am unrechten 
Orte fein. Indem nun aber bie Weimarifchen Kunftfreunde 
doh nicht von demſelben ablaffen wollten, konnte es 
nicht ausbleiben, daß ed zu dem ganz gemeinen Mis- 
griff ausfchlug, daß man in diefer bereits vorhandenen 
Kunft eben nur die Formen einer fremden-geltend ma- 
hen wollte. 

Mit noch größerer Beftimmtheit ergibt ſich dies Re⸗ 
fultat aus folgender Betrachtung: Wenn Goethe die 
Sculptur des Alterthums ale Mufler für alle Kunft- 


übung anſah, fo war Dies nur im allgemeinften Sinne 
zu nehmen. (Gr betrachtete fie als die volllommenfte: 
Kunft einzig und allein infofern,, als fie im höchſten 
Grade Kunft fei; es war an und für ſich nur das Pein- 
cip aller Kunft überhaupt, das reine Kunftbemußtfein, 
der lebendige Sinn für Formoollendung, was er fih aus 
ihr entnommen hatte; bie beftimmten @efege, welche fie 
al® einzelne Kunft eines befondern Zeitraums befolgt, auf 
andere Sphären zu übertragen war nicht feine Abſicht. 
Diefes nun in der Poeſie geltend zu machen konnte 
feinerlei Bedenken unterworfen fein. Denn hier war «6 
nicht zu befürchten, daß fich befondere Beftimmungen 
fremdartiger Natur hätten eindrängen follen. Gegen ei⸗ 
nen directen Einfluß der antiken Poeſie auf die moderne 
war man damals durch die noch ganz neuerlihe Eman⸗ 
cipation von der franzöfifchen Poefie gefichert; auch be- 
faß Goethe keineswegs von der griechiſchen Dichtkunſt, 
wenn man etwa den Homer ausnimmt, ein fo eindring- 
liches Kunftverfländniß wie von der Sculptur; jenes 
war, wie ſchon erwähnt, einer jüngern Generation vor- 
behalten. Jedenfalls waren die Gegenftände der mober- 
nen Poefie fo durchaus andere, daß eine andere Behand- 
fung, ganz von felbft nothwendig wurde. Und von ei- 
ner Übertragung der Kormen ber Sculptur felbft auf die 
Dichtung kann natürlich nicht die Rede fein; was follte 
man ſich bei einer folchen überhaupt zu denken haben? 
Aber in der bildenden Kunft verhält es ſich damit 
ganz anderd. In diefer ift der Gegenftand, menigftene 
nach einer Seite bin, derfelbe wie in der antiken Sculp- 
tur, nämlich der menfchliche Körper, und wenn es dem⸗ 
nach geboten fcheint, falls man überhaupt auf Schönheit 
ausgeht, diefen nach den beftimmten Gefegen der legtern 
zu behandeln, fo-nüpft ſich daran leicht die fernere Con⸗ 
fequena, daß, gleichwie Manches am Körper nach dieſen 
Sefegen betrachtet als unmefentliche Zuthat erſcheint, ſo 
auch was neben ihm in der modernen Kunft vorkommt, 
mehr oder weniger als folche betrachtet werben dürfe. 
Sodann ift Diefes gerade das Gebiet, welchem das Prin- 
cip der reinen Kunftform überhaupt entnommen war 
und in welchem ſich dieſes zu einem vollftändigen unb 
in jeder Beziehung volllommenen Syſtem von Formen 
bucchgebildet hat. Wie konnte es nun ausbleiben, daß 
bier nun nicht nur fene® Princip, fondern auch biefe 





v 


Formen ale das Unerlafliche geltend gemacht wurden? 
Zwar follte Dies immer fo zu verfiehen fein, daß bie 
einzelnen Formen vom Princip aus aufgefaßt und gleich⸗ 
fam für jeden einzelnen Zal aufs neue aus bemfelben 
hergeleitet und ſozuſagen bergelebt würden; aber bier 
muße es, wie bei jedem Beſtreben, deſſen Refultat im 
voraus feftfiche, bad dahin kommen, dag man die Rech⸗ 
nung unterließ und fi) damit begnügte, mit dem Facit 
zu operiren. Und fo kommt es, daß von den Weimarifchen 


Kunftfreunden doch zuleht wieder die bloße äußere Form, 





die Zeichnung, geltend gemacht wird, ganz in dem Sinne, 


welches von ihnen an Menge getadelt worden war; wo- 
mit ſich denn die von Goethe gerühmte Mengs ſche Schü- 
lerfchaft Meyer's und zugleich der Renaiffance-Charakter 
des ganzen Standpunktes auf das deutlichfte zu exkennen 
gr Dies läßt fih mit einem Beiſpiele belegen, wel 
ches fo ſchlagend ift, wie man «6 fich in einem folchen 
Selle nur immer münfchen mag; es zeige fi in ihm 
den Kunſtgeiſt des 48. Jahrhunderts zu einer legten Con⸗ 
ſequenz durchgeführt, von weicher fi ſelbſt feine Kory⸗ 
phaen nicht hatten träumen kaffen. Bekanntlich hat auch 
Leſſing demfelben gehuldigt, indem &, in ähmlicher Weiſt 
wie Windelmann, die Schönheit füs bas hoöchſte Erfo⸗ 
bernif der Kunft und das Ideal für ihr letztes Ziel er- 
Wörte. In diefem; Sinne fpriht er eine entfehiedene Ab⸗ 


neigung gegen die Landſchaft aus, weil in. dieſer fein | 


Deal möglich fe. Run können aber wir Modernen 


doch einmal nicht umbin, an. ber Landfchaft Gefallen zu | ve 
finden, und am menigften. verfhmähte Goethe dieſelbe, 
Deſſen eigene tünftlerifche Verſfuche fi) geoßentheils in | 


dieſem Sache bewegt haben mögen. Da ftellt nun Meyer 
in feiner. „Geſchichte ber Kunft des 18. Jahrhunderts ” 
(&. 380) die Behauptung auf: daß, da fi doch für 
londfchaftliche Gegenſtaͤnde ebenfo gut wie für Architek⸗ 
tux, menſchliche oder andere Geflalt Verhaͤltniſſe aus⸗ 
finden laffen müffen, nach welchen. jeder Theil für fich 
ober in Bezug aufs. Ganze am. beſten ins. Auge fällt, 
„Ideale oder volllommene Begriffe von der Form land- 
ſchaftlicher Gegenflände nicht weniger möglich fein müfr 
fen als Ideale von Menfchen, Thieren. und. dergleichen, 
deren. die bildende. Kunft bekanntlich gefchaffen hat“. *) 
42. 





Sichwie di ſche Literatur. 
(Beſchus aus Nr. 238.) 


Rachdem wir Stjernhjelm's große Verdienſte um die 
webifche Poefie in mögli Kürze hervorgehoben, wollen 
wir nun einige Worte vom vornehmſten Rachfolgern bis: 
auf Dalin ſprechen. Atterbom ſagt S. 120fg.: 

„Bon ˖ dep Mehrzahl Dever, weiche ſich Etjernhielm an⸗ 
ſchloſſen, gilt allerdings, daß ihre Fortſetzung ſeines Werkes 
mehr die des Wollens als des. Koͤnnens war. Er gab ihnen 
fein Beiſpiel, konnte ihnen aber fein Genie nicht ſchenken.“ — 
„Blos in einer einzigen Richtung erhob man: ſich zu einem 
nech Fülmern und —— Augee dem des poetiſch⸗ 


*) Der zweite. un lege Artiket folgt: im. näthime Monate 
| D. Red, 





...2.M84: 


antiquariſchen Vaterlandéeifers. Schweden, plägfid das Ian 
des Proteftantismus und die Hauptmacht im Rorden Europe, 


"wurde von dem Gefühl durchbrungen, das ehemalige neubeleht 


Reich der Gothen zu ſein; und aus diefem Gefühl entwidzlte 
fi eine Auffoderung, daß es nun auch feinen Geiftehkräften 
einen ebenfo großen Ruhm wie der feiner Waffen bereitm, 
oder auch in Sprache, Alterthınuserinnermgen, Kunft, Bi. 
ſenſchaft einen tplag ssobeen meifte. Dazu glaubte man 
gehöre ed, daß das Bolt, welches alle andere in kriegeriſchea 
Sroßthaten übertraf, fie auch an hiſtoriſchem Alter übertrefen 
müfles daß unfere ſchwediſche Sprache die urfprünglicfte vn 
alten: feiz daß unfer Norden die ältefte Heimat aller Cultu 
geweien ; daß der Erde berühmtefte Nationen, ältere und neum, 
ſowol Abkoͤmmlinge ald Schüler unferer Vorfahren genen. 
Diefes follte bewielen werden — und wurde auf eine Beile br 
wiefen, Daß Wahrheiten und- ridgtige Meinungen mi 
einem feinen Rebel halb abfichtlicher,, halb unabfichtlicher Selb 
verblendung vermifcht wurden. Schon in Stjernhjelms Bart 
glühte Hinter allen feinen gelehrten und poetiſchen Unternd; 
mungen die Rudbeck'ſche Berauſchung. Jet aber trat, einig 


Jahre nah Stjernhjelm's Verfcheiden, Rudbeck felbft auf un 
- überflog beiweitem Alles, wes in folcher 


Hinficht bis tab 
verfuht worden. Bein «Aland oder Manbeim» (feine mil: 
befannte « Atlantica») ift ein Werk ſowol ungeheurer Gelchtſan 
keit als Erfindfamkeit. Betrachten wir es als einen arkirk- 


Doch machte die Dichtkunſt. in Schweden Fortſchrittt 3 
Sinigen bemerft man eine fleigende Iyrifhe Innerlichktit = 
Erhebung des Gefühle, eine forgfältigere Handhabung da 
Sprache und des Berkbaus, eine Berannehmlichung beide 
durch eine: mehr. mufitalifche Behandlung: überhaupt am 
größern Unfag von Dem, was man nad: der Zeit aba 
mit dem Worte Geſchmack bezeichnete. Die ausgepiäntkr 

ierher gehörenden Dichter find Columbus und Lagaft, Mi 
is in das Brkalte Dalin’s —* wirkenden A 
Gyflen , — im gewiſſer Hinfliht — d. 
Gruppe koͤnnte man eigentlich Die —— 9 — Oak nr 
nen; fie liebt ed vor Allem,. ihre Poefie zum würdigen DE 
metfcher einer frommen und weiſen Lebensanfiht zu made 
Bei Undern beſteht das Bertfiheeiten in einer ppetiſchen Ft: 
beuterei, weiche gleichwoi in ihrem Schwindel md ihrer Tr 
geuwung. gemisbrauchter Kräfte von einer dichteriſchen Lehre 
digkeit, einer Beweglichkeit der Phantafle und einer ſpielende 
Leichtigkeit der Form, zeugt, die bei den Reimern der ver? 
ehenden Seiten nie gefunden wurde. Die Repräfentanten Ü 
r Gattung ſind Lucidor und Kunius, welche ſich dadurch 
gleich in: der gleichzeitigen Waffe der Reimer verlieren und üb 
doch über: Diefelbe. erheben. Im Gegenfag zu bdiefer un? 
mäßigten und erniebrigenden Ber&macherei der ſchoͤnen Liter 
zu fittlihem Anſehen, gegrünbetem Anſpruch und ernſtlicher 3% 
tung wieder zu verhelfen, war das Biel der gelehrten, 4:3 
Brenneri Sie hatte zwar ſelbſt weniger —— Seit a 
bie Borbergenanater, aber: fie fürberte in der amgegebra 
Richtung durch ihre: ehrenwerthe Perſonlichkeit und Std 





de: Geil, | : —* ui 
—* ie und duch * Becbinbung ie 
der damals in Schweden ganz weuen Erfcheinun 


fin Gegrafap, welcher von der obenerwähnten liederlichen 
Yuushaltung fowol mit wießlichen als fcheinbaren Gaben ber: 
vorgerufen wurde, ſich als ein Streben Aufern, gegen bie 
Fechheit der Gedanken, die Alltäglichkeit der Sprache und 
* Beried, wovon y eben nn Fe —— va 
age trug, eimen ſtren von ung der 
—— — und von ner derſelben enffprechenben —* 
reichern Form geltend zu machen. Dabei nahmen fie gewifſfe 
glänzende italieniſche Mufter, nebft gewiflen beutichen Geiftes- 
verwandten, weiche fehon diefelbe Wendung genommen, zum 
Vorbild. Hier if Dahlſtjerna der Chorfuͤhrer. Durch dieſes 
Etreben wurde Bieles gewonnen und nicht blos in formeller 
Hinſicht. Uber deſſen misgeleiteter Eifer, Alltaͤglichkeit, "Met 
tigkeit und Niedriakeit zu vermeiden, ſchlug über, wiewol auf 
eine keineswegs geiftlefe Weile, in den entgegengefegten Fehler 
von Unnatur und Künſtelei. Durch diefe Ertreme gewarnt, 
traten Ende dieſes Zeitraums ein paar idylliſche Saͤnger⸗ 
geiſter auf, Die ſich der zuerſt genannten Gruppe am nädften 
anſchloſſen. Dieſe, bei denen man ſowol die Anlagen als ben 
Gebrauch, welchen fie von ihnen machten, ſehr hochſchaͤhen muß, 
find Brefe und Frau Rordenflycht. Legtere ſteht fogar, neben 

Talin, an der Spige Der Seit, die von ihm gerechnet wird. 
Samuel Columbus, Dalekarl wie Stjernhjelm, aber von 
einer weichern Gemüthsart, war bed Legtern unmittelbarer 
oder perfönlicdyer Schüler. Bon dem alten Meifter mit Liebe 
umfaßt, wurde er durch ihn in dem Antiquitätscollegium als 
Kenzlift angeſtellt. Er war ein liebenswuͤrdiger junger Mann, 
von dem Sijernhielm Biel hoffte. Ex ftarb aber fügen in fel- 
nem 37. Jahre, Burg nach feiner Rückkehr von einer mehrjäh⸗ 
rigen außländifchen Reife, die er old Führer von zwei jtingen 
elleuten, Renfiierna, gemacht hatte. Der Bine derſelben gab 
naher Columbus' Schriften heraus. Bon feinen Beitgenoffen 
wird er als ein Mann von ausgezeichneter Tugend, Befchei⸗ 
denheit und heiterer Gefelligkeit, aber von ſchwachem Körper: 
bau beſchrieben. Er war, fcheint es, mit größerer Liebe und 
uf zur Poefls als portifiher Schoͤpferkraft begabt. Gine ſtei⸗ 
u iſt in feinen 


8 

bi feiner Gedichte find durch den Drud allgemeiner 
zugaͤnglich gewagt worden. Rebſt der geußen — 
der pi FA Ratü t, Uns 


ed Extern. 
Dichter ausgezeichnet. 


Fredeict — der vom bie ‚ben 

Karl’ X. Bug über das Baltiſche Meer — war Diofs um 
Karl's Bruderſohn. Won den ke annten Brüdern kommen 
Gedichte vor in Barffon’s und Sahlſtedt's Ga gen. Carb 
fon hat besen fünf aufgenommen : vier von dem und 
eins von dem Jürigemz alle über und an Karl XII.; alle die 
Denkweiſe der ede Schweden jener Zeit, der karoliniſchen 
oder „‚Bönigifgeh” darthuend; alle ſich auszeichnend forsot 
ducch eine unverfennbare Dichteranlage als durch eine glühende 
Liebe zu König umd Baterland. Biele haben ſchon en 
angeführt aus Kari Gyllenborg's ‚Lied über den Sieg Bei 
Rarwa’, ebenfo wie aus PDiof Gytllenborg's, Neuſahrs⸗ 
wunsch” (1718). Dagegen hat man feine drei Preudenlieder über 
bed Königs Heimkehr aus der Zürkei mit Stillſchweigen über: 
gangen, von denen Atterbom das legte, welches jehr Tyan Hit, 
mitthei. m Mlgemeinen Sann von diefen Brüdern gefagt 
werden, daß Lagerlöf's poetiſche Leiftungen bei ihnen in einer 
männl Grfatt wieder aufkeben. Beamten» und ſtaats⸗ 
männifdge Pflichten führten fie von Der Dichterbahn ab oder 
beachten fie dahin, diefelbe als poetifhe Dilettanten zu bes 
fließen. Beide erlebten das Zeitalter Dalin's. Kart Gyllen⸗ 
borg gab ich im Iegten Dheil feines Lebens viel Mühe, ein 
ſchwediſches Theater zu fchaffen. 

Ein weit größerer Dichterruhm umgab ımterdeflen einen 
Kamen, der auch in den Jahrbüchern der ſchwediſchen Kirche 
unvertilgbar ift: der als Pfalmiſt den Gottesdienſt noch ver: 
—* Spegel.) Rach Stjernhjelm war er unter den 
ſchönen Geiſtern des Jahrhunderts der grundgelehrteſte und 
auch in aller poetiſchen Literatur der vielbeleſenſte. Sein Platg 
als Saͤnger des Parnafſus entſpricht jedoch beiweitem dem 
ni, welchen er unter ben Sängern Sions für immer 
inne bat. 

Zwiſchen den Beiden Dicätern Lucidor und Runius, von 
denen der Erſtere ein Beitgenoffe des Eolumbus und der Rep 
tere Spegel’6 war, ift allerdings ein Unterfchied im Maße der 
Dicgtergaben, aber eine große Verwandtſchaft in ihrer Art 
und Weife diefelben anzuwenden. Atterbom fagt von ihnen: 
„Sie find einander infoweit aͤhnlich, daß fle Anlagen verra- 
then zu etwas Befferm und Höherm als fie wurden; daß fir 
für den Augenblick lebten mit unein nkter Leichtfinnigkeit, 
am liebſten mit dem Glas in der Hand und der Kanne auf 
dem Jiſch —, täglich, ſtuͤndlich Reimwaare, Berſereihen, kurze 
oder lange, beſtellte oder unbeſtellte Gedichte, wie Hände voll 
aus nicht Leer zu machenden Saͤcken um ſich ſtreuend; daß fie 
dabel auf fremden Sprachen, alten und neuen, mit gleich: eifi- 
ger Fahrt verſuhren; daß’ fie fi) wenig darum befümmerten,- 
was fie frieben, am allerwenigſten wie fie fihrieben, werk 
dee Stunde Lu — oder: der Stunde Brzahlung — das Biel‘ 
war, hinter welchem fie fich ſelten ein anderes dachten; daß 
fie eine Urt cyniſcher Hhilefopken waren, welche written im ge 
ſcfch aftlichen Leben einen unbefchwerten Raturzuftand beibehiel⸗ 
ten; daß fie: in einigen ihrer Gedichte, wenn nicht Bellman'- 
ſche, doch Bellman’s» geartete Tone angeſchlagen; daß fie in 
der Blüte ihrer Zahre ftarben, nachdem fie durch Opfer an der 
Ehriſten Gott ihre häuflgen Opfer an Baechus und Venus ab» 
zubäßen gefucht; endlich, DAB fie, obgleich ſolchergeſtalt einen‘ 
andern gehend , welcher micht der befle war, doch 
eher zu: der. Stiernbielm’fcgen Schule ale zu einer andern pe: 
zäpft werden kürnen. — Wergleicht man die fragliden Maͤn⸗ 
ner unter ſich, fo ift ohne Bweifel Lucidor in dem Grade über: 
Wi 3 er 8 a an lee als 
perſoͤnlich, ſewol in Hin au ngeiſtige ale n öns 
geiftige Ansgmelfangen, Kivie A in — auf Reue 
a Vak daß Runius uns dagegen; in Allem zu: 


md 
eiw matter beſcheidener Radflang vprkomme.” 


fammen; 


Gleichzeitig mit Runius und auch von ihm’ befungen war 


©) Dieler- gaehere Gerariche wurde ect Millhof in Skara, dann 


gr Aintöpiig- und zoletzt Erydiſchef von Schweden. 





1158 


die gelehrte und ſchoͤngeiſtige Sophia Brenner. Cie ſcheieb 
ihre ———— Gedichte mit größerer Sorgfalt als Runius; 
diefelbe Sorgfalt zeigt fie auch. in ihrer Art die fremden Spra⸗ 
den zu behandelns ja ihre Italienifch und Deutfch geſchriebenen 
Gedichte nehmen ſich ſogar vortheilhafter als ihre ſchwediſchen 
aus. Doch findet man in ihnen nur felten Spuren von Phan⸗ 
tañe und poetifchem Schwung. Was ihr befonders den Beifall 
und die Bewunderung ihrer Zeitgenofien verjchaffte, war wol 
igentlich ihr vielfeitige® Sprachtalent in Verbindung mit ihrer 
tungswerthen Perfönlichfeit als Frau und Mutter, eine dem- 
zufolge nie gemisbrauchte Reimergabe, nebft der Eigenſchaft, 
zu ihrer Beit ſowol die erfte als die einzige ſchwediſche Dich⸗ 
terin zu fein. L, 

So allgemein wie zur Zeit Chriftina’d, Karl Guſtav's 
und Karl’s XI. ift die itafienifhe Sprache und ſchone Lite 
ratur nie in Schweden gekannt und geliebt gemefen. Die ei» 
gentliche Anregung zu dieſer Liebe gab die ebengenannte Kö: 

igin, deren Hof Italieniſch ſprach und italieniſche Schaufpiele 
aufführte. Aber unter Denen, welche um biefe Zeit ihre und 
der Mutterfprache Kräfte zu beöperifhen Weiſen und Toͤnen 
verfuchten , nimmt Dahlſtjerna den erften Plag ein. Bei ihm 
war cine glühende Liebe zum Vaterlande, zu defien Parolini- 
fcher Größe und zu den Erinnerungen an die altgothiſche Vor⸗ 
eit auf eine fo eigenthümlicde Art verbunden mit einer ebenjo 
eurigen Dingebung an die üppige und klangvolle Poeſie des 
füdlihen Europas, daB feine Dichterwerke, mit wenig Aus: 
nahmen, nicht allein ausſchließlich den Stempel bald der einen, 
bald der andern Leibenfchaft, fontern auch, in beiden Fällen, 
mit einer gleich hochgefteigerten Übertreibung des Ausdruds 
tragen. Wie Stiernhjelm den Hexameter in Die Pe 
Sprache eingeführt hatte, fo führte Dahlſtjerna durch fein Ge⸗ 
dicht auf Karl’s XI. Leichenbegängniß die Versform des ro: 
mantifchen Heldengedichts, die achtſylbige Stange, in diefelbe 
ein. Wegen feiner Berdienfte als Gelehrter, Staatsdiener und 
befonders als Dichter wurde er in den Adelſtand erhoben. 
Sein Bater war ein ehrwuͤrdiger Propft Namens Eurelius. 

Freſe war Dichter im wahren Sinn des Worted; zwar 
nicht vom böchften Rang, doch dem am nädjften. Unter den 
fchwedifchen Dichtern vor dem Zeitalter Guſtav's HI. findet 
ih — Stiernhjelm ausgenommen — kaum einer, mit dem er 
ſich nicht mefien kann; ja er ann fogar mit Stjernhjelm ſelbſt 
den Vergleich aushalten. Denn zwar übertreffen ihn fowol 
Stiernbielm als Dalin in dem Umfang und in der Mannich⸗ 
faltigkeit der Zonarten: aber dagegen übertrifft er ſowol fie 
als alle die Andern in der Innerlichkeit und reinen Schönheit 
feiner wenigern Zone. Durch alle feine geiftliden und weltlis 
chen Gedichte geht eine gemeinfame Stimmung milder Klage, 
frommer Entfagung und Sehnſucht von der Erde, die er gleich: 
wol mit der unfhuldigen Wehmuth und der elegifchen Früh: 
lingsliebe eines Hölty liebte. Gegen Sprache und Ders be: 
gebt er felten einen Zehler. In diefer Achtſamkeit fommt er dem 
ur; nach jeinem Tod auftretenden Dalin am nächften und oft 
gleih. Schöne Proben feiner Mufe theilt uns Atterbom mit. 

Bei der Nachricht von Freſe's Tode horchte mit heil: 
nahme ein cinnehmendes zehnjähriges Mädchen. Diejed Maͤd⸗ 


den war Hedirg Charlotta Nordenflycht, deren Bater im Kam⸗ 


mercollegium zu Stockholm angeftellt war. Yünf Jahre fpäter 
nahm er feinen Abfchied und zeg mit feiner Familie auf ein 
ihm gehörige Landgut. Hier brach die poctifche Ader der 
Tochter hervor. Froh über ihre Freiheit, über die Ruhe des 
Landlebens und über den ungeftörten Umgang mit den Schön: 


beiten der Ratur, konnten ihre Gefühle, ihre Gebunden dem. 


Zrieb um fo weniger wiberfteben, deren Eindrüde mit rhyth⸗ 
mifcher Entſprechung wiederzugeben. Es wurde auch der ein- 


ige Ausweg fi Luft zu verichaffen unter einer Gemüthsbe⸗ 


lommenheit, worein fie durch das früher begonnene Lefen einer 
Menge theologifcher und myftifcher, dann philofopbifcher Bücher 
gerathen war, weil fie in ihrer gewöhnlichen Lecture Leine 
Rabrung mehr fand. Von einer Unruhe, einem Skepticism, 


einem gruͤbelnden Berlangen, bes Dafeins Raͤthſel zu Kin un 
den wahren Sufammenbang aller Dinge zu erkennen, ergrife, 
hatte fie keinen lebendigen Weiſen zu: befragen, und tref in 
ihren Büchern eine Weisheit, die verfchiedene Drakeiprüde 
gab. Das ältefle ihrer gedruckten Gedichte: „Das hoͤchſie Ka: 
gnügen ben Schöpfer zu kennen und zu verehren“, ift um die 
Beit und in diefer Gemüthsſtimmung gefchrieben; aber deh 
auch in unfduldiger Buverfiht auf ſich näherndes Licht um 
Vater des Lite. Endlich fand fie einen tieffinnigen wm 
edeldentenden Freund in dem Mechanikus Tideman, der ſowol in 
andern Wiflenfchaften als befonders in der Raturkumde und in 
der Philofophie wohl bewandert war. Er wurde ihr Bent 
und zerfireute ihre Zweifel. Ihr Geift wurde heller, ihr Se 
müth ruhiger. Ihre darauf verfaßten Gedichte liefern dam 
den Beweis. Ihre Dichtkunſt nahm nun ihre eigenfte Zonart, 
die idylliſch⸗ erotifhe an, welche Greug fpäter weiter ausbi- 
dete. Beau Rordenflycht zeichnet ſich in ihren Gedichten ver: 
züglih durch SInnerlichkeit des Gefühle und Wentimentelitit 
aus. Dadurdy wieder, daß biefe ®entimentalität felhft nen 
ift, bat fie einen nicht geringen Antheil an dem für Schre 
dens fpätere Poefie fo eigenthümlichen erotifcyen Geſang, im, 
bald fchmachtend, bald glühend, bald Magend, bald jubrke, 
bald zu allgemein melodifcher Weltbetrachtung befänftigt, is: 
mer eine dem ſkandinaviſchen Norden eigene Berfchmelun ki 
Sentimentalen und Raiven ausgebrüdt bat. 


D. ®. vn Ekenbdehl. 





Bibliographie. 

Bieſe, 8, Handbuch der Geſchichte der deutſchen Rau: 
nal⸗Literatur für Gymnafſien und höhere Bildungsankair. 
Ifter Theil. Berlin, Reimer. Gr. 8. 25 Nor. 

Blankenſee, ©. Graf. v., An mein Baterlant. - 
Miftevoi, der Obotrit. Berlin, Adolf u. Comp. 8. Ik 

Bleek, F., Beiträge zur Einleitung und Auslegung & 
heiligen Schrift. iſtes Bändchen: Beiträge zur Evangris 
Kritik. Berlin, Reimer. Gr. 8. Thlr. 10 Nor. 

Bleibtreu, L. C., Politiſche Arithmetik. Anleitung © 
Kenntniß und Übung aller im Staatsweſen vorkommenden S 
rechnungen. Heidelberg, Winter. 1845. Er. 8. 2 Zpl. 

Boas, E., Schriften. Iſter — Iter Band. Leipzig, 9 
Tauchnitz. 8. 3 Thlr. 

Brunner, S., Die Welt ein Epos. Reue umgearde 
tete Auflage. Regensburg, Manı. 8. 22%, Rür. 

Charakterzüge, Memorabilien und biftorifche Areldetr 
von Kaiſer Joſeph I. und feiner Zeit. Herausgegeber v 
feinem aneießiftoriographen. Zwei Bände. Leipzig, erh 
. r. 


Combe, G., Abhandlung über das Weſen des Renſden 
und fein Verhältniß zur Außenwelt, als Beitrag: die went 
lichen Lebensverhaͤltniſſe beffer und glüdlicher zu maden. Us 
dem Gnglifchen von E. Hirſchfeld. Zum Zamilim: 8 
Schulgebrauch; fowie für Kehrer und reifere Schüler ausgtit 
gen und bearbeitet von &. Hülle. Mannheim. Gr. 8. 6%. 

Erinnerungen aus dem Jugendleben William Eompat: 
Bon ihm felbft verfaßt. Rebſt einigen feiner Briefe und em 
Skizze ſeines Lebens. Aus dem Engliſchen von P. Kirk 
Bafel, Schneider. 12. 12 Rgr. 

Das fprifche Feft- Brevier oder Feſtkraͤnze aus Yıbanı® 
Gärten. Aus dem Syrifhen. Bon P. Pius Zingerlt 
Zwei Theile. Villingen, Förderer. Gr. 8. 1 Xhle. 15 Rot 
an Grimm, W., Athis und Prophilias. Berlia. 4. I Tir. 
20 Ngr. 

Hartig, A, Der Morgen. Ein Gedicht aus dem Yet 
und der Ratur. Schwerin, Kürfchner. 8. 6 Nor. 

Havränel, 2, Ungar und Kroat. vLebensbilder !E 
neueften Zeit aus Ungarn, Kroatien und Galizien. tes Birt 
den. Leipzig, Goedſche. S. 1 Thir. M Rar. | 


Verantwortlicher Herausgeber: Seinrich Brockdans. — Drud und Berlag von F. X. Brodbaus in Leipzis- 











Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— RXr. 290 — 


17. October 1846. 





Goethe's und Schiller's elfjähriges 
Zuſammenwirken. 
kin Croquis, großentheils aus ihren eigenen Worten conſtruirt. 


Der Umfang von Goethe's hohem Geiſte laͤßt ſich 
m beſten mit der Unergründlichkeit von deſſen Tiefe 
ergleihen. Während feiner langen, bis zu den legten 
Augenbliden von Demfelben burchleuchteten irbifchen Lauf⸗ 
ahn Fam Das immer Plarer zur Anfhauung. Wenn⸗ 
ſchen fich geraume Zeit vor feinem Hintritte einzelne 
por Andern mit fcharfem Blicke Begabte gebrungen ge 
üble hatten, hierauf öffentlich Hinzubeuten und nament- 
ih Die fogenannte romantische Schule dem vielleicht nur 
Hemer und Shakſpeare an geifliger Kraft zur Geite 
u Stellenden dieſen Ehrenplag reclamirten, fo machte 
ſpiterhin fein Tod das Zuerkenntniß deffelben immer 
Ügermeiner. Der Neid und bie Ohnmacht, welche dann 
im fo eifriger dagegen anfämpften, erlitten eine Nieder- 
lage nach der andern und mußten fehen, wie der Glaube 
an Wiefe poetifche Zrinität mit jedem Tage träftigere 
Wurzel faßte. Die Drudbucftaben eilten von allen 
Seiten herbei, feinen erhabenen Sieg für die Ewigkeit 
zu befefligen. Und lehnte fi) auch eine geringe Mino- 
rität biergegen ferner auf, fo verzweifelte fie doch bald 
an einigem Erfolge. Defto wüthendere Angriffe gefcha- 
en fodann auf das Herz des der Erde Enthobenen. 
Huch fie aber wurden im Ganzen mit Nachdbruck abge- 
hlagen, obſchon feine Widerfacher gemußt hatten, die 
erzlofe Politik auf ihre Seite zu ziehen und fie mit 
inem lũgenhaften Scheinherzen herauszupugen. 

Hierdurch iſt nah und nad eine eigene Goethe 
iteratur zu Stande gekommen. Wenn aud, folhe nun 
ergeftalt angewachſen ift, daß den Meiften, felbft Der- 
nigen, die fi ihrem Studium mit Eifer und Innigkeit 
ingaben,, fogar viele ihrer wichtigften Einzelheiten nicht 
ehr vorfchweben, fo hat doch dadurch der Ruhm bes 
jefeierten eine unerfchütterliche Grundlage erhalten. Bet 
ler Fülle diefer Literatur barf man fie gleichwol keineswegs 
te gefchloffen annehmen, wie unter Anderm bie vor kurzem 
18 Licht gekommenen, am Schluffe diefer Abhandlung er- 
ähnten „Briefe von und an Goethe” und mehre erſt nach 
nen erfchienene Werke factifch beweifen. Der Unvergeßliche 
eht uͤberdies zu einzig da, als daß nicht immer noch in un⸗ 


ſerm Gedaͤchtniſſe Dinge an ihm und um ihn auftauchen foll- 
ten, welche durch fernere Erörterungen ein neues Kicht über 
das unerfchöpfliche Geheimniß feines inneren Lebens ver 
breiten könnten. Dahin gehört befonders fein Berbält- 
nig zu dem großen Schiller. Beinahe alle bedeutendern 
Schriftfteller, deren Feder ſich Goethe's Ruhme widmete, 
wie 3. B. Riemer, Edermann, Gutzkow u. A., haben 
die Genauigkeit dieſes Verhaͤltniſſes beftätigt. Vorzüg⸗ 
lich ift diefelbe durch den fcharffinnigen Gervinus fo um⸗ 
ftändlich heroorgehoben worden, daß kaum der minbefle 
Zweifel daran übrig Bleiben kann. Gleichwol gab es 
noch neuerdings Augenblide, wo bem hiervon völlig 
überzeugten Berfaffer biefer Zeilen einige Bedenken ba- 
gegen aufftiegen. Schon die Ungleichheit des Alters 
und der Stellung der beiden Dichter hatten fie ange- 
regt. Dazu kamen die von Beiden bekannt gewordenen 
gegenfeitigen Außerungen nach ihrem erften perfönlichen Zu- 
fammentreffen miteinander, denen zufolge Schiller Fein 
rechtes Vertrauen zu Goethe faſſen konnte, und Goethe 
erlärt hatte, das Erſcheinen des Schiller'ſchen „Don 
Carlos’ fei nicht geeignet geweſen, ihn mit bed Verfaſ⸗ 
ſers geifliger Cigenthümlichkeit mehr zu befreunben. 

Bei meiner tiefen Verehrung für beide große Dich- 
ter würde e6 kaum begreiflic fein, daß ich den bereits - 


-vorlängft erfehienenen „Briefwechfel zwiſchen Goethe und 


Schiller” noch nie zur Hand genommen hatte, wenn ich 
nicht hinzufügte, daß ich vor dergleichen gebrudten Brie- 
fen einen ſchwer zu beswingenden Wibderwillen hege. Ei⸗ 
nerfeit® unterliegen nämlich bie für den Drud beftimm- 
ten Briefe vor legterm oft einer ihre eigentliche Natur 
wo nicht ganz verlöfhenden, doch fie ungebührlich ver- 
fhönernden Redaction, andererſeits iſt vielleicht noch öfter 
diefe Natur fchon unter der Feder des Briefftellers felbft 
durch den Aufpug, mit dem Diefer fie ausflatten zu müſ⸗ 
fen glaubte, ihr verloren gegangen. Dazu füllte bie 
Goethe⸗Schiller'ſche Brieffammlung ſechs ziemlich ftarke 
Bände aus, die einen nicht unbebeutenden, wie ich be- 
forgte, meinen Zwed nicht forbernden Zeitaufmand nö« 
thig machten. Endlich, nur erſt am Schluſſe vorigen 
Jahres, geräth mir in der dresdener öffentlichen Bibliothek 
ein Band davon zufällig in die Hände. Darin blätternb 
steht mich der einfache, natürliche Zon der Briefe immer 
mehr an.- Ein Tenntnißreicher Literator, mit dem ich 





1158 


mid, über das Buch befpreche, erftaunt, daß ich folches 
noch nicht gelefen, und meiß mir die Nothwendigfeit die- 
fer Lecture fo einleuchtenb zu machen, daß ich mich der- 
felben fogleicy unterziehe. Und was fand ih Nicht 
einen Gedanken barin an irgenb eine Verfälſchung in 
allen ſechs Bänden. Natur und Wahrheit find das 
unverkennbare Bepräge jeder Zeile dieſes höchft merf- 
würdigen Buches. 

Obſchon Gervinus, fo viel ich mich. erinnere, bei 
feiner Relation über den Gegenftand nichts dahin Gehoͤ⸗ 
riges außer Acht gelaffen hatte, fo übte doch erſt die Über- 
zeugung durch bie eigenen Augen, nebft der häufigen 

ung des lebendigen Ausdrucks ber innigften 
Zuneigung ber beiden Correfpondenten gegeneinander, 
eine ſolche Gewalt über mich aus, dag alle mögliche 


Bweifel an bem wechfelfeitigen Glüde Goethes wie 


Schiller's duch ihren perfönlichen Verein mir für im- 
mer verfchwinden mußten. 

Je öfter ich bereitö im Geſpräch über das Weſen 
des Verhaͤltniſſes zwiſchen ihnen bei Unbern auf ähn- 
liche Zweifel geflogen bin, um fo mehr hoffe ich durch 
eine wörtlihe Vorlegung mehrer in ihrem Brief 
wechſel vortommenden Stellen im Stande zu fein, fie 
von folchen Zweifeln ebenfalls zu befreien. 

So fchreibt Goethe am 28. Febr. 1798 aus Weimar 
noch Jena an Schiller: 

Wie ſehr freut ed mich, daß wir Weide gewiß fe anein- 
ander halten werben! 
und fließt am 6. März 1799 einen Brief mit folgen- 
den Worten: 

Grüßen Sie Ihre liebe Frau und fahren Sie fort, mir 
in guten und böfen Stunden durch die Kraft Ihres Geiftes 
und Herzens beizuftehen. 

Ferner heißt es in einem feiner Briefe vom 15. März: 

Kommen Sie ja auf die Feiertage. Das wird mir jegt, 
nad diefer laſtvollen Woche, eine rechte Erquickung fein. 

Unterm 29. deſſelben Monats fehreibt er: 

Es ift mir diesal ganz eigen® mobl, daß ich mis Ihnen 
bald wieder auf Die —— * Muͤhllache hinaus ſehen werde. 
Die Fenſter des Quartiers, welches Goethe waͤhrend 
ſeines jedesmaligen kurzen Aufenthalts in Jena zu bewoh⸗ 
nen pflegte, hatten naͤmlich bie Ausſicht auf dieſe Lache. 

Nachdem Schiller in einem Briefe über bie plöglich 
eingetretene ſchwere Krankheit feiner Gemahlin in Klagen 
ausgebrochen war, fchrieb ihm Goethe am 26. Oct. 179: 

Ihr Brief, wertbefter Freund, hat mich auf das unange⸗ 
nehmifte uͤbexraſcht. Unfere Zuftäude find fo inni ——* 
daß ih Das, was Ihnen begegnet, an mir ſelbſt fühle Möge 
das Übel fi Bald ins Beffere wenden und wir wollen die un- 
vermeidlichen Folgen zu übertragen fuchen. 

Ein Brief Goethe's vom 1. Jan. 1800 fpricht fi 
alfo aus: 

Ich war im Stillen herzlich erfreut, gefteen Abend mit 
ac Seel ruf 

en. ie den ‚An 
—* dad Ende fein, und as Künftige wie bad Vergangene. “ 

Bon Lauchſtädt, wo eben die weimarifche Schauſpie⸗ 
lergeſellſchaft Vorftelungen gab, fchrieb Goethe den 28. Zumi 
23803 an Schiller nad) Weimar, wohin diefer bekanntlich 


früher in Jena fi Aufhaltende feinen Wohnfig inzwi⸗ 
fchen verlegt hatte: 

Vermuthlich werde ich bald nach Weimar zurückziehen, 
denn ein fonderliches Heil ift für mich nicht in der äußern Welt 
u fuhen, wo man überall nur geftüdelt antrifft, was man 
fon ganz befigt u. |. w. Leben Sie recht wohl und gedenken 
Sie mein. Ih wünfge zu hören, daB Ihnen gelungen if, 
Etwas zu arbeiten. 

Nach Goethes Heimkehr aus Lauchftädt enthält ein 
Schiller’fches Billet vom 26. Juli 1802 folgende Zeilen: 

Herzlich heiße ich Sie willfommen und fehne mid, Ihr 
Antlig wiederzufehen. Wenn es Ihnen recht ift, fo komm 
th zwifchen Drei und Bier zu Ihnen. 

Am 19. Febr. 1804 ſchrieb Goethe: 

Eben war ih im Begriff nad Ihnen und Ihrer Arbeit 
zu fragen; denn Nichts von Ihnen au hören und zu ſchen 
wurde mir zulegt doch allzu laͤſtig. 


Noch am 27. März; 1805, mithin fehr kurze Zeit 


vor dem durch allgemeinen tiefen Schmerz in ganz Deutfd- 
land gefeierten Hintritt Schiller’s, ſchloß Diefer einen Brief 


an feinen nächften Geiſtesverwandten mit folgenden Worten: | 


Ich fehne mich nach einer Zeile von Ihnen. 

Die aus dieſen Stellen hervorquillende gleiche, gegen 
feitige Innigkeit des Gefühle während eines Zeistaumd 
von elf Jahren ift, dünkt mich, zu groß, als ba 
bei den Lefern der Glaube an das zartefle und zugleich 
feftefte Band zwifchen ihnen irgendwie exfchüttert werben 
fönnte, Das Ganze der Briefe und Briefchen überhaupt 
gewährt bei der unbefchränften Hingebung unferer beide 
gsößten Dichter gegeneinander die ficherfie Grundlage zur 
Würdigung ihrer geiftigen Kraft und bes heiligen Gm 
ſtes, dieſe auszubilden und durch wechfelfeitigen Rat) 
und Beiſtand bis auf das Höchſte zu fleigern. Wahr 
haft rührend ift der feit ihrer erfolgten Annäherung im 
mer wachſende Wetteifer nicht nur zur Körberung der 
eigenen Ausbildung, ſondern auch zur Förderung der Kun 


und Poefie, und wie Jeder fich beſtrebte, das im Schaf 


fen begriffene Kunſtwerk des Andern durch Rath um 
That zu unterfliigen. 





So trug unftreitig zur Ausſchmückung von „Bela 


ſtein's Lager Goethe's heiterer Geiſt weſentlich bei. Trat 
Goethe doch mit dem von ihm dazu gefertigten „Gelbe 
tenliebe ” fogar zurüd, weil ihm vermuthlich Shi 
lex’6 allbefanntes „‚Reiterlieb“ an beffen Stelle in man 


chem Betracht angemeffener erſchien. Gewiß ift lepterd 


Dies auch binfichtlich des Anftandes, der in jenem Gold 
tenliede weniger berückſichtigt worden, deſſen mit den 
reizendſten Humor ausgeſprochene Leichcfertigkeit abe 


unſtreitig Sinn und Weſen bes damaligen wilden Ed 


datentreibens gründlicher und umfaſſender charakterikit. 
Die gegenfeitige Mittheilung ihrer poetifchen Gchöpfur 
gen und mie Jeder non ihnen fi nach dem Urtheile dei 
Unbern dieſerhalb gern bequemte, gewaͤhrt Das gröͤſtt 


Meier einander Ne alfa Schaffen fostbauernd 1 
munserten. 


So deut fi) unter Anderm Goethe am 3. Mäctz 

1799 in einem Briefe folgendermaßen aus: 

ßen &ie Ihre liebe Frau und fein Sie recht fleißig. 
Bas mi betrifft, fo. fehe ich ſchon voraus, daß ich Feine zu⸗ 
friedene Stunde haben werde, bis ich mich wieder in Ihrer Raͤhe 
befinde, um auf eine erwünfchte Weiſe thätig fein zu Bönnen. 

Man gelangt durch die im anfpruchlofeften Neglige 
wohlthuender Vertraulichkeit erfcheinenden Briefe in bie 
seheimfte ätte ihrer fehöpferifchen Geifter, bie zu- 
weilen über dem fehönen Berhättniffe zueinander ber per⸗ 
fönliden Eigenthümlichkeit dergeftalt vergeffen, um von 
mancher Dichtung nicht mehr zu wiſſen, weicher ihr 
Berfaffer fei, ex ober fein Freund. Daß bei vielen Xe- 
wien dieſer Ball eingetreten, ſcheint ausgemacht. 

Der Kunft zu Liebe beftrebten fich Beide, mit Auf 
opferung mander Eigenthümlichkeit, ihre Werke zu ver- 
volllommmen; wie man denn überhaupt ihre Gemein- 
fhaft als einen fortdauernden geifligen Vervollkomm⸗ 
nungsproceß zu betrachten hat. Bei mehren ihrer ohne 
Namensbezeichnung veröffentlichten neuen Producte ſtrit⸗ 
ten ſelbſt Kenner fich darüber, welchem ber zwei Meifter 
fie zuzufchreiben wären. Es äußert ſich auch Goethe in 
nem Briefe an Schiller vom 26. Dec. 1795 alfo: 

Daß man und in unfern Urbeiten verwechfelt, ift mar fehr 
angenehm; es zeigt, Daß wir immer mehr Die Manier loswer⸗ 
den und ind allgemeine Gute übergeber. Und dann if zu be 
denden, daß wir eine fhöne Breite einnehmen koͤnnen, wenn 
wir mit einer Hand zufammenbalten und mit der andern fo 
weit ausreichen, als die Natur uns erlaubt hat. 

Ein mächtigeres Zeugniß für die mohlthätige Ein⸗ 
wirkung Schillers auf Goethes fchaffenden Bichtergeift 
ft wol nicht leicht auszuftellen al das, welches in fol- 
genden Worten eines Briefs des Leptern vom 6. Jan. 
1798 liegt: 

Sie haben mir eine zweite Jugend verfhafft und mid 
wieder zum Dichter gemacht, welches zu fein ich fo gut als 
a ste 


ie Derbandlungen der beiden Dichter über den 
Wallenſtein find befonders lehrreich. Unterm 17. Dec. 
1796 fchreibt Schiller: 

Ich bin nach reife Überlegung bei der lieben Profa ges 
blieben, die Diefem Stoff auch viel mehr zufagt. 

Es muß aber während des auf diefen Ausſpruch 
folgenden Jahres zwiſchen ben Briefwechfelnden Mandyes 
hiergegen vorgefommen fein; denn ein Schiller'ſcher 
Brief vom 24. Dec. 1797 enthält über den Gegenftand 
die Bemerkung: 

Der RE 8 leiftet bei einer dramasifchen Production 
no diefes Große und Bedeutende, daß er, indem er alle Cha⸗ 
valtere und alle Situationen nach einem Geſetz behandelt und 
fie, trot ihres innern Unterfchieds, in Einer Form ausführt, 
dadurch den Dichter und feinen Leſer nöthigt, von allem noch 
fo charakteriſtiſch Verſchiedenen etwas Allgemeines, Keinmenſch⸗ 
liches zu verlangen. Alles fol fih in dem Geſchlechtsbegriff 
des — vereinigen, und dieſem Geſetz dient der Rhyth⸗ 
mus fowol zum end tanten ald zum Werkzeug, da er Al: 
led unter feinem Geſetze begreift. Er bildet auf diefe Weife 
die —ã—8 — für die poetiſche Schöpfung, das Groͤbere bleibt 
jurüd, nur daß Geiftige kann von Diefem dünnen Elemente 
getragen werden. 

echt merkwürdig klingt Goethes vollſtaͤndige Bil⸗ 
ligung in einem ſchon am folgenden Zage abgefendeten 
Schreiben. Es heißt darin: - 


I fage nur noch geſchwind und aus dem Gegreife, 

NH nicht allein Ihrer Meinung bin, fonbern noch viel weiter 
be. Alles Poetiſche follte rhythmiſch behandelt werben! 
aß ift meine Übergeugung, und daß man nach und nad eine 

poetifhe See einführen fonnte, zeigt nur, daß man den Un⸗ 

terfchied zwiſchen Proſa und Poeſie gänzlich aus dem Auge 
verlor. Ss iſt nicht befler als wenn fi Iemand in feinem 

Yark einen trockenen See beftelte und der Gartenfünftier diefe 

Aufgabe dadurch aufzulöfen fuchte, "daB er einen Sumpf an» 

legte. Diefe Mittelgefchlechter find nur für Liebhaber und 

cher, ſowie die Sümpfe für Amphibien. Indeſſen ift das 

Uebel in Deutſchland fo groß geworden, daB ed Fein Menſch 

mehr fieht, ja, daß fie vielmehr, wie jenes Bröpfige Wolf, den 
efunden Bau des Halſes für eine Strafe Gottes halten. 
HedramatifgenYrbeiten (und vielleicht Luftfpies 

und Farce überhaupt) follten rhythmiſch fein, und 
man würde alsdann eher fehen, wer Etwas maden 
kann. ) Jett aber bleibt dem Theaterdichter weiter Richts 
übrig als ſich zu accommodiren, und in dieſem Sinne fonnte 
man Ihnen nicht verargen, wenn Sie Ihren „Wallenſtein“ in 

Profa fchreiben wollten. Gehen Sie ihn aber als ein felbftän- 

diges Merk an, fo muß er nothwendig rhythmiſch werden. 

Auf alle Faͤlle find wir genöthigt, unfer Jahrhundert zu vers 

geffien, wenn wir nach unferer Überzeugung arbeiten wollen: 

denn fo eine Salbaderei in Principien, wie fie im Allgemeinen 
jegt gelten, ift wol noch nicht auf der Welt geivefen, und was 
die neuere Philoſophie Gutes ftiften wird, ift noch erſt 


abzuwarten. (Die Bortfegung folgt.) 





Zehn Jahre in Ungarn. Erlebniffe und Beobachtungen 
eines Weltbürgers. Zwei Bände. Leipzig, Hartknoch. 
1845. 8. 3 Thlr. 

Wie ſehr man fih auch in der tegten Zeit mit Ungarn 
und feinen politifden Buftänden und Berhältniffen im Aus⸗ 
lande befchäftigt und wie ſehr auch Ungarn in der legten 
Zeit, namentlich nach gewiſſen Richtungen hin, im Auslande 
von fi bat reden machen, fo find wir dennoch der Meinung, 
daß man Ungarn noch viel zu wenig Eennt und mit feinem ge 

nwärtigen Zuftande nicht hinreichend bekannt ift, um ihm in 

Baprbeis Mehr als ein vorübergehendes und nur an der Ober: 

flaͤche ſich haltendes Intereffe zuwenden zu können. Und gleich» 

wol wird Niemand leugnen wollen, daß Ungarn nad feiner 

Vergangenheit wie um feiner gegenwärtigen Verhältniſſe wil⸗ 

len, fowie bei den Anſprüchen, die es an die Zufunft hat, 

auch auf eine tiefere Beachtung feiner Intereffen in der Gegen - 
wart bei allen Denen Anſpruch zu machen berechtigt ift, die 
nicht blos an das Rächfte und Unmittelbarfte ſich Halten. Zu 

Eriangung einer genauern Kenntniß von Ungarn und von 

Dem was deſſen Gegenwart dem Intereſſe des Weltbürgers 

und Menfchenfreundes barbietet, der es liebt, aus ben einzel» 

nen Auffchlüffen über die beftehenden Verhältniffe des Landes 
und Volkes in verfchiebenen Richtungen ein Befammtbild feines 
inneren und äußern Lebens fih zu entwerfen, müflen uns da⸗ 
ber ale jene Schriften willlommen fein, deren Verfaſſer mit 
ihrem Gegenflande felbft genauer befannt und dabei unpar- 
teüfh genug find, uns nur die reine Wahrheit, wenn au 
nur aus dem fubjectiven Gefichtspunkte, zu fagen. Zu diefen 
Schriften rechnen wir audy die vorliegende, und den Berf. hal⸗ 
ten wir für ebenfo unterrichtet als unparteiifch und unbefan» 
gen. Zwar Eennen wir ihn nicht nach und auß feinen „Ira 
ditionen“, aber wir finden bier in ihm einen quf beobachten« 
den und das Erlebte angenehm mittheilenden Weltbürger,: dem 
wir daher auch gern folgen und uns anvertrauen. Cr fcheint 
viel gereift zu fein und iſt namentlih in Ungarn vier mal ger 


9 Ein leiber viel zu wenig beachteted Erempel hat der genlale 
Dichter Heinrich von Kleiſt mit feinem Buflfpiele „Der zerbedchens 
Krug“ geliefert, deffen Natur und Heblicher Leichtigkeit dadurch bein 
intsag geſchad. daß er ſolches in reimloſe Zamben faßte. 








2168 


weſen, ſodaß wol aud die „Behn Jahre in Ungarn” für Bein 
täufchended Aushaͤngeſchild angefehen werden können. Mit 
—— — und ohne alle Schonung, vornehmlich der Ma: 
gyazen elbft, theilt und der Verf. feine Erlebniſſe und feine 
ngjährigen Beobachtungen in Ungarn und über die Bewohner 
des Landes mit und gewährt uns hierin über das Land und 
feine Leute (Magyaren, Deutihe, Slawen, Zigeuner), über 
das Leben der einzelnen Bölerfchaften, ihre Sitten und Ge 
bräude (3. B. NRationalmufit und Nationaltänze), über die öf- 
fentlihen Zuftände, 3. B. über das Räuberweien in Ungarn, 
das übrigens nicht nur die öffentliche Sicherheit gefährdet, fon- 
dern auch mit feiner Manier in Die Käufer und Wohnungen 
zu dringen verfteht, ferner über den Rechtszuſtand u. f. w. 
vielfache und reichhaltige Aufſchluͤſſe. Stößt auch. der Lefer auf 
mancherlei nichtöfagendes NRaifonnement, wie es nun einmal 
heutzutage in einer gewiſſen Claſſe von Büchern mit politiſchem 
Anſtrich nicht ganz fehlen Tann, fo fieht man doch gern darüber 
weg, weil man fih bald wieder mit dem Verf. verföhnt und 
er und dafür reichlich entſchaͤdigt. 
Namentlich ift Dies mit allem Dem ber Zall, was 
er über die politifchen Buftände und Verhaͤltniſſe Ungarns 
mittheilt und über gewiſſe ZBeitfragen in dieſer Hinficht 
fagt. Wir meinen damit vorzüglid den fogenannten Pan- 
Hlawismus und feine Tendenzen. Über diefen und über die 
laͤcherlichenn Anmaßungen und unpolitifhen fowie ungerech⸗ 
ten Beftrebungen diefes Slaweneinheitswahns, die theil® und 
befonder6 gegen Deutfhland und gegen Deutihthum, theils 
egen das Magyarenthum gerichtet find, urtheilt der Berf. 
ehr vernünftig und entfchieden; aber auch mit Recht wundert 
er fi), daß die vornehme Traͤgheit und Confufion deutfcher 
Gelchrfamkeit fo Manches in dieſer Hinficht fi gefallen läßt, 
was nur auf gehäffige Angriffe auf Deutfchland hinauskommt. 
Und doch kann man fih auch andererfeits hierüber nicht im 
eringften wundern, wenn man bier lieft, wie wenig die Deut: 
hen in Ungarn im Allgemeinen auf ihr „deutſches Bewußt⸗ 
fein’ gehalten, wie fie es vielmehr um gewiffe Vortheile oder 
aus Feigheit und um aͤngſtlicher Rüdfichten willen offen verrathen 
und geradezu preisgeben. Es iſt hoͤchſt ſchmerzlich für Deutfche, 
hier erfahren zu muͤſſen, wie ſorglos die Deutſchen auch in Un⸗ 
garn ihre Nationalität verzetteln, weil fie ihrer nicht zu bes 
dürfen glauben, wie fie fih voneinander ifoliren, wie fie al 
ihrer deutfchen Abkunft und ihrer Sprache fchämen und — fü 
eborene Magyaren gehalten fein wollen, und wie fich dieſer 
errath bereits felbft in die Familien, zwifchen Sohn und Va⸗ 
ter eingeniftet hat. Gibt es auch noch Ausnahmen in dieſer 
Beziehung, befonders da, wo Deutfche auf breiterm Gebiete 
beilammentwohnen, und wo bie nod vorhandene Summe na» 
tionaler Kräfte durch die Menge der in Sufammenhang und 
Wechſelwirkung verfegten einzelnen Beftandtheile ſich felbft be- 
wahrte, weil hier die Paffivität weniger von dem unausgefeg- 
ten Reiben und Schleifen an dem Fremdartigen litt, obgleich auch 
hier das Stamifche endlich überwog und der „wachſam thätige 
Hund” faft ein Drittel diefer „zahmen Völker” aufgezehrt hat; 
leidet auch dies Alles namentlid auf die Siebenbuͤrger, Sach: 
fen nicht im, geringften Anwendung, bie vielmehr eine „un: 
überwindliche, biftorifch » confiftente deutſche Clementarkraft 
find, „die der Magyaritmus — wol auch der Slawismus! — 
fo wenig jemals abforbiren wird als der Mond den Dunft- 
$reiß der Erde’: — fo bleibt doch diefe Erfcheinung im Allge- 
meinen für den Deutfchen immer befhämend und in hohem 
Grade niederfchlagend. Und zwar Dieb um fo mehr, als es 
nicht blos in Ungarn fo ift, als es vielmehr auch anderswo 
ftattfindet, 3.3. in Belgien, Frankreich, England und Amerika. 
In Belgien 3. B. gibt ed eine Maſſe proteftantifcher Yamilien, 
die ſich als Fatholifch in die Stadtbücher eintragen laflen, nur 
um von ben fanatifhen Katholiten mit günftigen Augen ange: 
feben zu werden, und ftatt bie ihnen dargebotenen Waffen kraͤf⸗ 
tig und entfchieden zu führen und mit dem Schilde des Glau⸗ 
bens fih .zu bedien, um fich die gebührende Achtung zu ver» 


ſchaffen, wirft man diefe Waffen und ben ſichernden Cha 
aus Furcht vor den Feinden weg und verräth die Rationalität 
und den Glauben. nlih iſt es in Ungarn, und ch Kam 
daher auch nicht Wunder nehmen, daß ſich der Haß und di 
Beradhtung der Gegner in mancher Weiſe gegen die Deutſcha 
geltend macht. &o in dem Spignamen Svablelkem (dus: 
enfeele), ähnlich dem Cane tedesco! des SItafieners in fi: 
bern Jahrhunderten und dem Bougre allemand! des Frandın 
in neuerer Zeit. 

Außer den Mittbeilungen über Deutſchthum make 
wir auch noch auf die über die Verhältniſſe Ungams jun 
Auslande und zur öftreichifhen Negierung und „die Un: 
garn in der Fremde“, fowie auf das Capitel im zmeitm 

ande über „Freiheit und Sitte” aufmerffam. Man erfährt 
da freilich fo viel von ariſtokratiſchen Ungleichheiten und $r: 
vilegien in Ungarn, DaB danach von wahrer Freiheit in Dr 

en — die wol auch Niemand dort zu fuchen in Berfuhım 

mmen wird — Seine Rede fein kann. Dazu fehlt es md 
zu fehr an der „moraliſchen Cultur“, und allerdings, mo dire 
bernachtäffigt ift, da find alle Goldenen Bullen und Privilegien 
nur eitle Schäge. Man fieht Hieraus nur zu deutlich, def in 
Ungarn noch gar Bieles im Argen liegt und nicht fo iR, me 
ed der Weltbürger und der Menfchenfreund wünſcht; abe « 
dürfte auch Das bier Mar werden, daB man dort noch nift 
weiß, wie man es anzufangen habe, weil man noch zu mau 
und nicht ernfllicd genug weiß was man will. Übrigers ke 
ben wir uns in hohem Grade gewundert und wiſſen a te 
That nicht, wie wir den Verf. deshalb rechtfertigen foln di 
er über die Reformen Joſeph's IL in einer ſolchen Weil + 
ſprechend urtheilt, wie er bier thut. Bei dem wohlwollenn 
aufgeflärten Sinne, der fonft in den Urtheilen und Ritke: 
lungen des Berf. ſich Fund gibt, ift Dies geradezu uneeflärcd 





| Literarifhe Anzeige. 
In meinem Verlage erjheint und iſt durch alle Buchhandlung 


zu beziehen: 
Rhea. 


Zeitfchrift für Die yefammte Aruitholopi 
Im Verein mit ornithologifhen Freunden herausgepeh 
von 
Dr. F. A. $. Thienemann. 


Erftes Heft. 
Mit einer illuminirten Tafel 
&:. 8. 1 Thle. 10 Ngr. 


Inbalt: I 
Vorwort. — Zur Weihe. — Protokoll der ornithologiſchen Kt 
der Geſellſchaft deutfcher Naturforfcher und Arzte — Liber Ir 
Wichtigkeit der Dologie für gefammte Drnithologie. Dee 
Serauögeber. — Über den Vogelzug mit befonderer Hink® 
auf Helgoland. Vom Prof. Dr. 3. F Naumann. — 
merkungen uͤber einige Vogel Pommerns. Bon Hrn. v. V 
meyer. — Beitrag zur Ruunloihte des Rarch, Falo b 
narıus, Pal. Bon Ioh. Wild. @d. v. Woborzil. (Ri 
einer iluminirten Tafel.) — Kritifche Revifion der europäilder 
Jagdfalken. Vom ee. — Meine Schwalbe. 38 
Heraudgeber. — Verzeichniß der europäifchen Voͤgel. Gr 

eraudgeber. | 


Reipgig, im October 1846. 
‚ reinie ü F. A. Brockhaus 











Berantwortlicher Herausgeber: Oeinrich Brockdans. — Druck und Verlag von J. SE. Drockhaud in Leipzig 





Blätter 


für 


fiterarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 





Goethe's und Schiller's elfjähriges 
Zuſammenwirken. 
( Bortfegung aus Nr. 29.) 


Obſchon durch Goethe's aufrichtige Würdigung der 
Vortrefflichkeit won Schiller’ bekanntlich in metrifcher 
Form erfchienenem „Wallenftein” in der Erwartung ei« 
ned Birhnenerfolge von demfelben beitärkt, mochte Schil⸗ 
ler'n doch zumeilen, bei dem damals auf dem beutfchen 
Iheater vo nden Familienfammer, bie Möglich 
keit vom Eintreten bes Gegentheild ebenfalls durch⸗ 
ſchauern. Unterm 21. Auguft 1799 fchrieb ex an fei- 
nen Sreund = 

Es ift mir neulih aufgefallen, was ich in einer Beitung 
6, daß das hamburger Publicum fi) über die Wiederholung 
der Iffland’fcgen Stüde beklage und fie fatt fei. Wenn Dies 
einen analogifchen Schluß auf andere Städte erlaubt, fo würde 
mein „Wallernftein” einen günftigen Moment treffen. Unwahr: 
ſcheinlich iſt es nicht, daß das Yublicum fich felbft nicht mehr 
khen mag, es fühlt fi in gar zu fchlechter Geſeilſchaft. Die 
Begierde nad jenen Stücken ſcheint mir auch mehr durch ei 
nen Überdruß an den Nitterfchaufpielen erzeugt oder wenig» 
ſtens verſtaͤrkt worden zu fein, man wollte ih von Berzerrun: 
gen erholen. Uber das lange Angaffen eines Alltagsgefichts 
muß endlich fweilich auch ermüden. 

Mit Rewiſion feiner Gedichte befchäftigt, äußert fich 
Goethe befage eines Briefs vom 7. Auguft 1799 in 
folgender Art: 

‚ Die Epigramme find, was das Sylbenmaß betrifft, am 
liederlichiten gearbeitet und Taffen ſich glüdlichermeife am leich⸗ 
teen verbeffern, wobei oft Ausdruck und Sinn mitgewinnt. 
Aus den Roͤmiſchen Elegien babe ich manden profodifchen 
Behler, und ich hoffe mit Stud, weggelöfcht, Bei paffionirten 
Ürbeiten, wie 3. B. „Alexis und Dora”, ift es fchon ſchwerer, 
doch muß man fehen, wie weit man es bringen kann, und am 
Ende follen Sie, mein Freund, die Entfheidung 
haben. Wenn man folge Berbefferungen auch nur theilweife 
zu Stande bringt, fo zeigt man doch immer feine Perfectibili- 
tüt, fowie auch Heipect für die Kortfchritte in der Proſodie, 
welche man Voß und feiner Schule nicht abfprechen Fann. 
‚Über die Hiftorifche Unterlage der poetifchen Werke 
Ipriht Goethe in einem Schreiben vom 21. beffelben 
Monats feine Meinung in nachftehenden Worten aus: 

Es ift gar Peine Frage, daß, wenn die Befchichte das 
fimpte Factum, den nadten Ge enftand ‚, beraibt und der Did 
ter Stoff und Behandlung, 7 ift man befier und bequemer 
dran, ald wenn man fi) bed Ausführlichern und Umftändli- 


— Kr, 291, — 18. October 1846. 


dern der Gefchichte bedienen fol; denn da wird man immer 
gendthigt, das DBefondere des Zuftandes mit aufzunehmen, man 
entfernt fi vom Reinmenfchlidhen und die Poefie kommt ins 
Bedränge. 

Welch eine Fruchtbarkeit an nützlichen Kehren im 
Munde beider Männer gegeneinander und befonders bes 
durch längere, vielgeflaftigere Erfahrung und höhere Welt- 
bildung im Sinne für das Praktifche feinem Freunde fehr 
überlegenen Goethe! 

Zu diefen Ichrreihen Winken gehört vorzüglich auch 
ber, welchen Goethe einem Briefe vom 6. Mär; 1800 
mit einfließen lieg. Er fagt: 

Der Menſch von Genie kann auch verftändig handeln, 
nach gepflogener Überlegung, aus Überzeugung: Das geſchiehi 
aber Alles nur fo nebender. Kein Wert des Genie ann 
durch Reflexion und ihre nächften Folgen verbeflert, von feinen 
Fehlern befreit werden; aber das Genie kann ih durch Res 
flerion und That nad und nad dergeftalt hinaufbeben, daß 
es endlich mufterhafte Werke bervorbeingt. Ze mehr das Jahr⸗ 
hundert felbft Genie hat, defto mehr ift das Einzelne geförberfk. 

Was die großen Unfoderungen betrifft, die man jegt an 
den Dichter macht, fo glaube ich au, daß fie nicht leicht ei 
nen Dichter bervorbringen werden. Die Dichtkunſt verlangt 
ein Subject, das fie ausuben fol, eine gewiffe gutmüthige, ins 
Reale verliebte Befchränftheit, Hinter welcher das Ubfolute ver 
borgen liegt. Die Foderungen von oben herein zerftören jenen 
unfchuldigen, productiven Zuftand und fegen, für lauter Poecfis, 
an die Stelle der Poefie Etwas, das nun ein⸗ für allemal nidpt 
Poeſie ift, wie wir in unfern Sagen leider 
Und fo verhält es fi mit den verwanhten 
Kunft im weiteften Sinne. 

Dies iftmein Glaubensbekenntniß, welches übrigens 


ewahr werden. 
ünften, ja der 


‚Beine weitern Anſpruͤche macht. 


Den Theorien ber Philofophen ſchenkte Schiller, be⸗ 
fonder6 in früherer Zeit, weit mehr Aufmerkfamteit als 
Goethe, wie bauptfächlich einige von Erfterm gefchriebene 
Abhandlungen von hohem Werthe, auch für Diejenigen, 
die ihnen nicht ganz beiftinnmen, bemweifen. Dod hat 
er feinen bejahrtern Freund offenbar ebenfalls empfäng- 
licher für diefelben "und namentlih für die Anfichten 
Kant's zu machen gewußt. Auch das Weſen der Nach» 
folger diefe® großen Mannes ift von Goethe nidht un« 
beobachtet geblieben. So nennt er, befage des 31. Ban- 
des ber Taſchenausgabe feiner Werke, den Philoſophen 
Johann GBoftlieb Fichte, bei Belegenheit einer Misbil⸗ 
ligung der Ausſprüche Deffelben über Sitten und Staat 
gegenftände, „eine ber tüchtigfien Perfönlichkeiten, bie 








: . 1162. s 


man je gefehen‘, und ſagt von Schelling, daß Deffen 
„Weltfeele” fein und Schiller's höchftes Geiſtesvermögen 
befchäftigt habe. 

Die Verhandlungen ber beiben Dichter über die 
Herausgabe dar Mufenelmanadhe, „Venien“, „Horen“ 
und „Propylaͤen“ find gerade ihrer Umſtaͤndlichkeit we⸗ 
gen, von ganz ungemeinem Intereſſe. Beide machten 
es ſich zum beſondern Studium, was wol im Stande 
ſein werde, die vorzügliche Gunſt der Gebildeten für dieſe 
Unternehmungen zu gewinnen und feſtzuhalten. Sie 


verſchmaͤhten auch nicht, Wege dabei einzuſchlagen, die 


ſchon damals nicht ſelten der Beſtechlichkeit angeklagte 
Keitit auf ihre Seite zu bringen. Je weniger fie aber 
dod den Hauptzwed, ihre Zeitfchriften durch guten und 
portrefflihen Inhalt einer ausgezeichneten Aufnahme 
würdig zu madhen, aus dem Auge verloren und auf 
deſſen Durchſetzung alle geiftigen Kräfte verwendeten, 
defto inniger wirb unfere Theilnahme an ihrem gerech⸗ 
ten Unmuthe darüber, daß gleichwol weder die von Schil« 
leg herausgegebenen „Horen“ noch die an deren Stelle 
unter Goethes Firma getretenen „Propyläen” ihre Fort⸗ 
dauer durch hinreichende Unterftügung von Seiten des Pu- 
blicums auf dem Büchermarkte zu behaupten vermochten. 

Bei aller Präponberan, aber, welche Goethe im 
Praktiſchen des Lebens über feinen Freund im Wllge- 
meinen unftreitig davontrug, ſcheint doch bei ihren lite- 
rarifchen Entreprifen das Mercantile hauptſächlich auf 
Schiller's Schultern gelegen und er einen befondern 
Scharfblick fire die dafjelbe befördernden Umftände gehabt 
zu haben. So ließ er unter Anderm, weil ſich erge- 
ben hatte, daß von den beiden gleichzeitig erfchienenen 
Ausgaben bes - Zeniemalmanacdhs die auf feineres Pa- 
pier gedrudte ungleich mehr Abfag gefunden hatte als 
die ordinatre, die zweite Auflage diefes Almanachs nur 
auf feines Papier druden und äußerte fih in einem 
Briefe vom 12. Det. 1796 alfo darüber: 

Auch habe ih mir's für alle Fünftige Fälle zur Negel ge: 
macht, Alles was ich druden laffe, gut und Poftbar drucken 
zu laſſen; fo geht ed am gewißeften ab, denn auch der elendefte 
Lump will nicht mehr mit Lumpen vorlieb negmen. 

Wenn, je weiter ich in die Lecture diefes Briefwech⸗ 
ſels bineingerieth, meine Beſchaͤmung darüber, daß ich 
folhe fo lange hatte verfchieben können, immer tiefer 
werden mußte, fo ift doch meine Senugthuung über das 
ia der Sammlung Vorgefundene ebenfalls um fo größer 
geweſen. Auf Briefe gefaßt, in denen wel manche, ja 
vielleicht fogar viel, tranliche und verbindliche Redens⸗ 
arten vorfommen, bie aber, von dem Firniß convention- 
neller Höflichkeit und andern Rückſichten verfälfcht, zum 
Theil alle Bedeutung verloren, quellen mir ſtatt Deffen 
aus bdiefen ſechs Bänden die ungelünftelten Herzenstöne 
in ihrer einfachen Reinheit fo warn entgegen, daf an 
Flitter und Blendwerk fein Gedanke ubrigbleiben konnte. 
Es war ein langjähriges gemeinfchaftliches Leben zweier 
an Dichtergröße alle ihre Zeitgenoffen übervagenden Gei⸗ 
fier, das vor mir in ber erfrenlichften Friſche emporſtieg, 
ein Leben, welches, unter Freude und Leid, immer inzi« 


‚ger zuſammenwuchs und deffen hoͤchſter Genuß in den 


nnabläffigen Streben nad geiftiger Zortbildung um 
Derfchmelsung der beiderfeitigen ebeiften Eigenihaftn: 
beftand. Goethe fagt felbft: | 

Bir (er md Schäller) verlebten Beinen Tag in der gr 
ohne und mürbiich, Feine Woche in der RNachbarſchaft, chi 
uns ſchriftlich zu unterhalten. 

Die große Maffe der von der Sache übriggebliche 
nen brieflihen Zeugniffe find die unmibderfpredlihfien 
Belege eined Bünbniffes, wie es ſchwerlich je zum 
ftattgefunden bat zwiſchen den zwei höchften poetiſhen 
Geiſtern ihrer Zeit, zunächft uuf die Vervollkommnun 
ber Kunſt und Poeſie gerichtet. Ihm verdanken wie 
die goldenen Früchte, wie „Hermann und Dorothea, 
„Alexis und Dora‘, „Die Braut von Korinth‘, da 
„Wallenſtein“, „Die Jungfrau von Orleans”, den „Guy 
nach dem Eiſenhammer“, neben fo vielen ähnlichen wahr 
haften SKleinoden der deutfchen Literatur und Poeſit 
Meit, wichtiger noch als die feit Goethe's und Sailer 
Ableben herausgelommenen, zum Theil den tiefen 
Scharffinn beurkundenden Kommentare über bie ba 
Dichterheuoen und deren. gefammte und einzelne Kalt 
beweiſt fih dieſe Brieffammlung. Sie ift ein &i% 
täftlein, worin zwei der größten Naturen in ihrer gan 
Eigenthümlichkeit erfcheinen. Daß dieſen auch Eiwi: 
hen mitunter ſich geſellen, das liegt im Charatter alu 
Menſchlichen und dient eher, uns Übrige zum Stitten 
nad) Vervollkommnung zu ermuthigen, ale buch Seid! 
niedberzufchlagen, weil hieraus hervorgeht, daß fir, ıM 
ihrer geiftigen Überlegenheit, doch ebenfalls dem Re 
fchenftamme angehören. 

Mit allen Zeichen der Echtheit ausgefkattet, bi 
diefe Sammlung auch das befte Lehrgebäude zum Er 
porflimmen nach. den Höhen von Wiffenfchaft und Kuf 
in dem Ernfte und Eifer, mit denen bie beiden ea 
nen Geifter Solchem raftlos ſich widmeten. Der bekanat, 
vom ältern Plinius aufgeftellte Grundſatz: „Nulla dei 
sine linea”, nad) welchen fein Tag in Unthätigfet Mt: 
fireichen darf, ſcheint namentlich Schiller's Wahpad 
ebenfall® geweſen zu fein. Wenigſtens fpricht a den 
zweien feiner Briefe aus. 

Wie die glanzvollen Dentmale, welche fi Get 
und Schiller in ihren Kunſtwerken ſelbſt errichteten, a 
in Marmor und Erz ihnen geweihte überdauern wer 
den, fo werden auch diefe Briefe als ewige Zeugen ta 
Treue und Sorgfalt daftehen, wodurch die zwei JInuigſi 
verbundenen gemeinfchaftlich die Keime der Größe, welch 
der Dimmel vorzugsweife ihrer Bruft anvertraut hatte 
als den beſten ihm für diefe Gunſt barzubringeme 
Danf, zu pflegen und zu entwideln trachteten. 

Der gewaltige Eindrud‘, weldyen bas bereits in de 
J. 1828 und 1829 erfchienene Buch mit der Auswed 
felung der Gefühle und Anfichten beider Riefengeift 
auf mich machte, laͤßt mich hoffen, daß biefe Ermil 
nung feines Werths noch jegt nicht ganz überflüſſig \@ 
möchte. Die Elare Auseinanderfegung des ſchönen Ver 
hältniffes der zwei Freunde brachte von felbft marke! 











t168 


hoͤchſt intereffimte Urtheil über Literatur, Wiſſen, Kımfl 
und ſonſtige Dinge unter ihnen zur Sprache, die noch 
immer ſo gut in Erwägung genommen und mit 

äehung auf bie gegenwärtige, in fo vieler Hinficht ver⸗ 
inderte Zeit burchgefprochen zu werben verbienten, wie 
eine Dienge anderer, in dieſer Gorrefpondenz zum Theil 
gründlich erörterter, zum Theil nur flüchtig angebeuteter 
zewichtvoller Gegenſtaͤnde. Schmeichle ih mir bod fe 
gar, daß eben durch wein fegiges Wiederhinweiſen auf 
ein fo bedeutendes Buch mein vieljähriges, an fich kaum 
verantwortliches Unterlaffen der Lecture deffelben, doch 
zufällig noch fo fpat einigen Nutzen geftiftet Haben könnte. 

(Der Beſchluß folgt. ) 


Bon 
1844. 


Über die Aſthetik der Hegel’ihen Philofophie. 
Wilhelm Danzel. Hamburg, Meifiner. 
Gr. 8. 15 Near. 

Daß die Dppofition gegen die Hegel’fche Philoſophie fi 

immer mehr zu confolidiren ſcheine, iſt (@. 3) auc des Verf. 

Meinung, und er bemerkt, an gewiffen von legterer ausgegan⸗ 

genen aͤſthetiſchen Verſuchen möge zuerft jene Oppoſition er⸗ 

wacht fein. Denn, fagt er, es lag im Charakter ber roman⸗ 
tiſchen Jahrzehnde, für welche Kunftbeftrebung und Kunſtver⸗ 
ſtändniß faſt Die einzigen öffentlihen Angelegenheiten waren, 
befenders verlegbar ın diefem Punkte zu fein; doch, Mr er 
binzu, habe die Entfchiedenheit, womit man gewiſſe Erſchei⸗ 
nungen zurücdkgewiefen, noch einen tieferen Grund. Und gewiß 
mit Recht hebt er in diefer Beziehung als ein wichtiges Mo 
ment hervor, daß im Schönen nicht nur eine gynau beftimmte, 

Iondern auh in Meifterwerken, welche die Gegenſeite Pad 

übre eigenen Beſprechungen anerkannt habe, für alle Zufun 

Arirte Wirklichkeit vorliege. Von eigenthümlicher Wichtigkeit 

iſt dieſe Anſicht infofern, ald man daraus folgern Tönnte, zu: 

erſt ſei auf Die fen Punkt der Angriff eröffnet worden, weil am 

Benigften hier die Hegel'ſche Philofophie Das, wovor es fi 

eigentlih handele, habe in Unklarheit laffen fönnen. Eine über: 

aus beffimmte iſt die Urt und Weiſe, in welcher ber Verf. der 

Hegel ſchen Aſthetik entgegentritt. S. 67 erklärt er keineswegs 

zu behaupten, Daß Hegel als Menſch nicht verftanden die Kunſt 

zu genießen; mur babe er nicht gewußt, fie als Philofoph zu 
erklaͤen. Dies fo beftimmte Entgegentreten ift mit einem Un» 
erfenntniffe verbunden, das in andern Beziehungen das aller: 
größte iſt; deren nicht nur lefen wir &. d: „Der Glanz des 

Standpuntts, von welchem berab Hegel die Entdedung des 

Sepernicus in die GBeifteswifienfchaften übertragen bat, kann 

im Berlaufe der Zeiten nur immer wolfenlofer beraustreten”, 

fondern des Verf. eigenes Verdienſt um Berichtigung der von 

Hegel aufgeftellten Unfihten wird Deſſen Verdienften zuge: 

rechnet. Hierzu der Beleg &. 63: „Wenn wir in diefen Auf 

fügen der Äſthetik der Hegel'ſchen Föiofophie mit Erfolg ent: 
gegengetreten zu fein fiheinen follten, fo glaube man nicht, 
daß wir uns das Anſehen geben wollen, ald wären die Waffen 
anderswoher ald aus ihrer eigenen Rüſtkammer genommen.‘ 

Ran Lönnte diefe anerfennende Polemik einer tiefverfteckten 

Feindfeligfeit beimeffen, da befonders übel ein Gefchlagener wol 

dann feine Sache gemacht hat, wenn er, beim Lichte befehen 

bauptfächlih um deswillen gefhlagen worden, weil ex felbft 
dem Gegner die Mittel zum Siege in die Hand gegeben. Je⸗ 
doch Zon und Eharakter der Schrift weifen eine ſolche Bor: 
ausfegung entfchieden zurüd. Zum Beleg wörtlih der Schluß 
de6 Buches, wie bderfelbe unmittelbar auf die vorher mit—⸗ 
getheilte Stelle folgt: „Unfer Tadel beſtand in mannich⸗ 
faltiger Varlation des Themas, es fei in der Aſthetik dem 

Monismus des Gedankens erft in phänomenologifher, dann 

in eigentlich philofophifcher Weife eine falſche Anwendung ge: 


: allerengftem Sinne des 


geben; man babe diefen, weier nur das Printip ber wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Behandlung der Kunft fein follte, diefem als Inbatt 
untergefhoben. Hierbei Hegt nun, wie die Tegten Erdrterungen 
zeigen, die Foderung eines eigenen Monismus der Kunft zun 
Grunde. Wir verdanken die Moͤglichkeit, eine ſolche Koderung 
zu machen, der 1837 erfchienenen «Reuen Borfchule der änte 
tik» von A. Ruge. ‚Indem der Verf. züerft die Sphäre der 
6# erzeugenden Schönheit oder des Komiſchen in ihrer vollen 

edeutung faßt, erhebt er fih auf das beftimmtefle über die 
ftoffartige und dualiſtiſche Auffaffung der Schule. Dazu fegt 
er an die Stelle der fehlaffen popularificenten Behandlung He: 
gel's eine firenge Dialektik, in welcher ihm Freilich Weiße voran⸗ 
gegangen war. Allein in feiner Auffaffung der Naturſchoͤnheit, 
weiche auch ihm die Stufen des Begriffs enthält, in der vie: 
fen Mübe, die er fi) mit dem Begriffe der Wahrheit macht, 
der dof bei der Schönheit eben ganz und gar nicht In Be: 
tracht kommt, zeigt er fich noch in den alt= Hegel’fchen Feſſeln 
befangen. Er hat kein Mares Bemwußtfein von der epochema: 
Henden Wichtigkeit feiner Anſicht; er feheint zu glauben, daß 
fein Buch in der That zur Hegel'ihen Äſthetik einzuleiten fä- 
big feis ja er identifieirt in der Polemik gegen feinen nächften 
Vorgänger den Monidmus, welchen er felbft aufftellt, mit dent 
Hegel’fhen des Gedanfens. Um fo anregender und Ichrreicdher 
if das Buch. Wenn es mit Dem, was dieſe Auffäge auszu⸗ 
führen futhen, feine Richtigkeit haben follte, fo würde der Verf. 


Dies vornehmlich diefer «Worfchule» zu verdanken haben.” 


Kein Zweifel alfo, der Verf. meint es aufrichtig fo wie. es 
fagt. Zugleich erſieht man aber auch aus der mitgetheilten 
Stelle, was er jelbft ald den eigentlichen Kern feiner Dppofi- 
tion näher betrachtet; und diefen für einen Jeden, der näheres - 
Intereffe an dem Gegenſtande nimmt, wichtigften Punkt würde 
Ref. weder in andern noch au in faßlichern Worten als in 
denen des Verf. auszufprechen vermocht haben. Diernächft über» 
zeugt den Lefer jenes vorftehend aus der Schrift mitgetheilte 
Fragment, es Pönne dieſelbe ald eine der Sache und der Mer 
thode nach zur Hegel'ſchen Philofophie und ihrer Literatur ger 
hoͤrige Erfcheinung ihr eigentlihed Publicum nur in dem in 
ortes jo zu benennenden beutfchen 
philofophifchen Yublicum finden. Indeß es gibt Beziehungen, 
um derentwillen die Schrift wol auch im Allgemeinen jedem 
wiſſenſchaftlich Gebildeten willtommen fein kann. Dur bie 
fcharfe logiſche Zerfegung der Betrachtungsweife und der Aus⸗ 
fprühe Hegel's wird das Bud manchen weniger Beiffenden 
als Wißbegierigen anleiten koͤnnen, fi in Hegel’fchen Erpofi- 
tionen zurechtzufinden; auch ift e8 nicht unwichtig von dem 
Berf., von einem Wanne, dem gewiß felbft nicht Hegel bie 
Sediegenheit abfpredden würde, thatſächlich Zeugniß dafür ab« 
gelegt zu fehen, daß gar manchem Hegel’fchen Ausſpruche die 
paradore Form zu Verdeckung ber Pltunguiopgtei dient. 
Man vergleiche 3. B. (S. 31) ded Verf. Urtheil uber die Be⸗ 
zeichnung der Kunſt ald Sphäre, in welcher das Abfolute wit 
Aufopferung feiner cigenen Form erſcheine. Noch ein anderes 
Beifpiel. In der Hegel'ſchen Kunftlehre waltet ein Durch⸗ und 
Ineinanderziehen von Kunft und Religion vor, bas zu faflen 
auf alle Falle nicht zu den leichten Aufgaben gehört, mögen 
nun die Gründe der Schwierigkeit in fubjectiver Befchränktheit 
und Schwäche des Belehrungfuchenden liegen, oder in Hyperſthenie 
des Belehrung fpendenden Philofophen. Die Überzeugung hin⸗ 
ſichtlich jenes Ineinanderziehens von Kunft und Religion dee 
Gedanken Hegel's mächtig geworden zu fein, kann zu der Mei: 


‚nung führen, im Ganzen und Hauptfächlicyen feien bisfelben 


vereinbar mit Dem, wodurch die Sirtinifhe Madonna die Sir⸗ 
tinifche Madonna hr Sollte aber Iemand das Unglüd ha⸗ 
ben, daß beim Anblick der Galathea von Mafael ihm jener 
Zieffinn einfiele, fo würde er fi ohne Weiteres vom Schwin⸗ 
dei ergriffen fühlen. Erfreulich war ed daher Ref., ©. 18 von 
gen. Danzel als Refultat der Betrachtungen jenes Tiefſinns 

ad aufgeftellt zu finden: „Die Religion fleht zur Kunftübung, 
in Beinem andern Berhältniffe als au jedem andern Lebensbe⸗ 


s 








2164 





“ würde ni 
FH a eur on, — — 
ufügt: „Wenn rel je Vorſtellungen alt der Kunſt fein 


innen, wenn Phidias die Idee des Zeus, Rafael Die der Dia 
donna in hödfter Meifterichaft barftellten, fo befaßen fie die · 
felben eben in Weife der Kunft und nicht der Religion. Dax 
ber ift es auch zu erflären, was fonft unbegreiflich wäre, daß, 
wie un das im Meyer: Schulze ſchen Windelmann abgedrudtte 
Sonett des Michel Angelo lehren Tann, die Religion großer 
Künftler, in welchen dod eine gewaltige Rormenmelt lebt, von 
biefer durchaus nicht inficirt zu fein braucht, fondern ſich einen 
volltommen einfachen, und bei größter Tiefe populairen Char 
vafter erhalten Bann. Die tüdkige Individualität, welche in 
Einer Sphäre das Höchfke leiftete, wußte auch der eigenthüme 
lichen Weife der andern gerecht gu werden. Es find in der 
Ihat nur die Jünger neuerer Geiftesrihtungen, in denen es 
weder mit der Kunft nod mt der Religion recht fort wid, 
welche beide vermiſchen.“ 
Roc einige Bemerkungen, die um fo beadhtungswerther 
er fie liegen. Nachdem bereits von Ariftoteles 
[on unter anderer Benennung, in den Kreis 
en Disciplinen vorgezogen worden, fonnte nar 
nicht abmweifen, fie ebenfalls als integrirenden 
ar Philofophie zu behanteln. Daß jedoch felbft 
bie Überzeugung eintritt, wenigftens diefe Dis · 
nit, auch nicht einmal principiel auf das 
belegt die vorliegende Schrift. Hierin findet 
. unbebeutende Beftätigung Deflen, woven er 
längft ift Aberzeugt gewefen, nämlidy daß, Alles wohl erwogen, 
überhaupt wenig befähigt war, über Poefie und Kunſi 
wahrhaft Befriedigendes zu fagen. In diefem Punkte beweift 
Deifen Kenntniß der griechiſhen Literatur, feine Hohfhägung 
derfelben und des Sophokies infonderheit nicht viel für ihn. 
Denn die Trefflichteit der Alten ift eine fo vielfeitige, daß fie 
felbft dann noch einen tüchtigen Sinn anfprechen wird, wenn 
Defien Empfaͤnglichkeit für die Kunft Nichts weniger als aus: 
gezeichnet if. Dafür daß in Hegel diefe Empfänglichfeit in 
der That nur eine geringe geweſen fei, zeugt mehr als 
ein Umftand. In der unlängft ven Rofenkranz gelicferten 
Biographie Hegel's finden fi) einige Proben Deflen, mas 
jelbe zu ®tande zu bringen vermochte, wenn er bis⸗ 
weilen fe den Anlauf zum Dichter nahm. So tief unter 
Null erfgeint hier feine Prebuctinität, daß man woßbefugt 
wird zu vermuthen, ſehr ſchwach werde auch feine Receptivi 
tät geweſen fein; denn die kuͤnſtieriſchen Productionen Anderer 
Ah mit innigem Berftändniffe angeeignet zu haben gewährt 
allemal mindeftens eine gewiffe anfcheinende Probuctivität. 
Selbſt Hr. Danzel legt offenbar ſchlechtes Zeugnig für Hegel's 
Kunftfinn ab, wenn er (©. 67) fagt: „Hegel weiß in dem Hur 
mor nichts Anderes al die Eitelkeit der Ironie zu fehen und 
legt in Bezug auf das Komiſche, wie feine Beifpiele und eiger 
nen Scherze zeigen, einen entfhieden philiftröfen Bes 
fhmad an den Tag.” Ferner erwäge man folgendes Mo ⸗ 
ment: Die Meifterfchaft in dem Schönen erkennen alle Stimm ⸗ 
berechtigte den Griechen zu, und als ausgemacht darf und muß 
© gelten, in bdiefer Beziehung Fönnten bloß eines einzigen 
Gterblihen Werke einigermaßen flellvertretend für die der 
Stiegen eintreten. Bon felbft verfteht fi, daß wir hiermit 
nur Goethe meinen koͤnnen. Schwerlich aber find Hegel's 
Schriften diejenigen, in melden eine Burchdrungenheit von 
- diefer Überzeugung fih Fund gibt. Auch ik in der angegeber 
nen Hinficht das Berhältniß, in welches fih Hegel zur roman» 
tigen Echule gefegt, fo vielfad) biefe — wer möchte e$ Teug« 
nen — derb und tüchtig in das Blaue gefchoflen, ein gegen 
ihn fpredended Moment. Die romantiihe Schule hat die 
derrlichften Refultate herbeigeführt. &ie hat den Chaffpeare 
au nationalem Geiftedeigentbum der Deutfhen gemacht, fie 
und der ihr befeeundete Schelling haben den Anſtoß gegeben, 
daß Dante in Deutfcpland wahrhaft verftanden wird, hier for 


gar ein non plus ultra vom 


denen Mann ift, welcher die Aern für Dante fo 


Tr 


türliy findet als ben orbnungsmäßigen Betrieb fen 
jefhäftd. Hat man aber wol. die Hegeil ſche Philcfephie Im 
Einn für irgend ein Werd der Kun und ausgehißett 
Nein, für fein einziges. Hat fie eines Dicters oder Kin 
Tex Ausbildung Gelöedert? Nein, Feines einzigen. Biha 
diefe Berneinungen Bein Zabel infoweit find aů die Heguik 
hat, das Cine oder das Andere m 


Yhilofophie nie beabfihtigt 
iften, ergibt die — jener Verneinungen ſich eis c 
yanz nothwendige Daraus, daß mit dem „abfkracten Kunfwrk‘ 
{&.6) num einmal nur im Gebiete jener Yhilafophi ins 
ufangen ift; denn was würde mol ein Windelmann ju de 
— iſchen Eonception eines abſtracten ——— t 
Die einzige mögliche Untwort verftcht fid völig . 
Wiblisgraphie. 

Aleris, W., Die Hofen des Heren von Bredem. Ik 
Abtheilung: Hans Jürgen und Hans Jocem. Baterländilhe 
an Zwei Bände. Berlin, Adolf u. Comp. 8. 3 Zi. 

ar. 

Augusti, J. C. W., Beiträge zur christlichen Kut- 
Geschichte und Liturgik. Zwei Bändchen. Aus des Ver 
fassers Nachlasse herausgegeben und mit einem Vorne 
begleitet von C. I. Nitssch. Leipzig, Dyk. Gr.d. 1%. 

Breier, F. Das Lateinifcpe auf der höhern Bürgritek 
Eine Apologie. Oldenburg, Schulze. &. 8. 6%, Rp. 

Broemmel, F., Genealogische Tabellen. Zur 
schichte des Mittelalters bis zum 5, 1273, mit sorgüilige 
Angabe der Zeit und des Besitzes. Basel, Schweiguur 
Gr. Imp.-4. 3 Thir. B 

Fouque, B. Baron de fa Motte, Geiftice Gaike 
‚Herausgegeben von Albertine, Baronin de Ia Motteh 
que. Mit einem Vorwort von 9. Kletfe. Berlin, If 
u. Comp. Gr. 16. 15 Wer. 

Be, A., Die Eonceffionalgerecdhtigfeits Theoti v 
Gtrafecht6, nebft einer kutzen Darftellung und Beurtkix 
der wichtigſten übrigen neuern Theorien der Begründunz 
Strafreiteb. Gotha, Bläfer. Gr. 9. 1 Xhle. D Kar 
Bälteborn, F. 2., Zwei Abhandlungen: 1. Ber & 
geits ieb als die organifhe Quelle aller Kräfte der Ks 

. Das Pofitive der, von dem Kirchenglauben gefenttt 
eigen Religion, Durch die Ginheitslehre anfgaufihr # 
macht. Febſt einer, die Einheitsichre als Wiffenchaft kurz 
denden Einleitung. Leipzig, Brodhaus. Gr. 8. 1 Zt. 

Nagel, ®., Erbauungsftunden. Bufammenfdn; x 
Predigten. Bremen, Geisler. ®r. 8. 2 Thir 

Venefope. Lafhenbuch auf das Jahr 1847. Hmutae 
ben von Th. Hell. Beiig, Hireiche. 8. 1 pe. DRK 

Shmarda, 2. R., Undeutungen aus dem Ceelralhe 
der Ihiter. Wien, Bach. 8. 1 hir. 

Dieulebchen ¶ Hiftorifch-romantifcheß Taſchenbuch von Bert! 
von Suſek. Mter Jal gen . Mit 8 Stahlſtichen Lenk 
Baumgärtner. &r. 12. 3 hl. 10 Nor. 

Der bayrifhe Wald (Wöhmerwald). Illuſtritt un de 
ſchrieben von B. Grueber und 4. Müller. Kegenstus 
Manz. 8. 2 Zhle. 15 Nor. 

Bette, DB. M. 2. de, Gedanken über Malerei and En 
Bunfk, befonders in kirchlicher Beziehung. Berlin, Reime. N 

r. 


Bon, H., Grundsätze des allgemeinen und des ce 
stitutionell-monarchischen Stantsrechts, mit besonderer Rid: 
sicht auf das gemeingültige Recht in Deutschland. Ne 
einem kurzen Abrisse des Geutschen Bundesrechtes und & 
Grundgesetzen des deutschen Bundes als Anhang. 3 ıt 
mehrte und verbesserte Ausgabe. Heidelberg, Witt 
Gr. 8, 2 Thlr. 16 Ngr. 

















Werantwortliher Derandgeber: Seiarich Wrodjans. — 


Dru@ und Berlag von F. U. Wroldens in Seipgis- 


Blätter 


für 


iterarifbe Unterhaltung. 





19. Dctober 1846. 








Soethe'd und Sciller’s elfjähriges 
Zufammenmwirkfen. 
(Beſchluß aus Nr. 21.) 


Zum Schluffe erlaube ich mir noch eine Hinweiſung 
ıf die befondere Merkwürdigkeit, daß zufolge der im 
I. Bande von Goethe's Schriften enthaltenen Rela- 
on Deffen perfönlihem Zufammenfein mit Schiller eine 
eit lang gewiffermaßen nicht einmal der Tod des Letz⸗ 
em eine Grenze zu fegen vermochte. In den Schiller’s 
Ihleben vorausgegangenen Tagen hatten Beide, durch 
örperliche Ubel an den ihnen zur andern Natur gewor⸗ 
enen Zufammentünften verhindert, ihren gewohnten Ge- 
anfenaustaufch mit dem Wechfel fliegender Blätter fo 
ut als möglich zu bewirken gefuht. Won ber gegen- 
etigen Vertraulichkeit des Verhaͤltniſſes der Dichter 
iberzeugt, „wagte daher”, wie Goethe berichtet, ale 
Deffen geliebter Freund am 9. Mai 1805 verfchieden 
war, „Niemand, die Nachricht diefes Unglücks in feine 
Einfamteit zu bringen”. Goethe wurde auch, ale fich 
folde ihm nicht mehr vorenthalten ließ, „von allen fei- 
nen Übeln Doppelt und breifach angefallen”. Nach ein- 
getzetener Wieberermannung verfiel er darauf, ihren durch 
den Tod gewaltfam abgebrochenen mündlichen und fchrift- 
ihen Verhandlungen Folge zu geben und fo vielleicht 
u dem zwedmäßigften Troſtmittel zu greifen. Zmifchen 
en zwei Engverbündeten war in ber legten Zeit oft 
Schiller’8 Zrauerfpiel „Demetrius’ und defien zu be- 
virfende Vollendung befprochen worben und, auf Goe- 
he8 Vorftellungen, der nun Verſtorbene von der Goe⸗ 
hes Urtheile nach „viel zu großen Breite, in ber fein 
us» und auffitebender Geiſt fi die Darftelung bes 
Demetrius » gebacht hatte‘, zurückgekommen. 

Durch die Beſprechungen darüber war Goethe'n (mie 
derfeibe fi) ausdrüdt) „das Stud fo lebendig ale Schil- 
rn geworben”. Goethe brannte daher vor Begierde, ihre 
Interhaltung dem Tode zu Trug fortzufegen, feine Ge⸗ 
anten, Anfihten und Abfichten bis ins Einzelne zu 
wahren und ein herkommliches Zufammenarbeiten bei 
tedaction eigener und fremder Stüde bier zum legten 
Rat auf ihrem höchſten Gipfel zu zeigen. Schiller's 
erluft fhien ihm erfegt, indem er fein Da«- 
ein fortfegte. Ihre gemeinfamen Freunde hoffte er 


zu verbinden; das beutfche Theater, für welches der Ver- 
ftorbene dichtend und beftimmend, ber ihn Überlebende 
belehrend, übend und ausführend gearbeitet hatten, follte 
bis zur Herankunft eines frifchen ähnlichen Geiſtes durch 
feinen Abfchied nicht ganz verwaift fein. Genug, aller 
Enthuſiasmus, ben die Verzweiflung bei einem gro- 
fen Berluft in uns Menfchen aufregt, hatte ihn ergrif- 
fen. rei war er von aller Arbeit, in wenig Monaten 
hätte er das Stud, wie er fagt, vollendet. Es auf al- 
len Theatern zugleich gefpielt zu fehen, wäre bie herr⸗ 
lichſte Todtenfeier gewefen, bie ex felbft fih und feinen 
Freunden bereitet hätte. Nun aber hätten fi, der Aus- 
führung mancherlei mit einiger Befonnenheit und Klugheit 
vielleicht zu befeitigendbe Binderniffe entgegengefegt, die er 
aber durch Leibenfchaftlihen Sturm und leidenfchaftliche 
Verworrenheit nur noch vermehrt. Eigenſinnig und übereilt 
babe er den Borfag aufgegeben und lange nicht an ben 
Zuftand benfen dürfen, in welchen er fich verfegt fühlte. 
Run fei ihm Schiller eigentlih erft entriffen, fein 
Umgang erft verfagt geweſen. Seiner tünfllerifchen 
Einbildungstraft war verboten, ſich mit dem Katafalk zu 
beſchaͤftigen, den er ihm aufzurichten gebacht, der länger 
als jener zu Meſſina das Begräbnif überbauern follte; 
fie wendete fih nun und folgte dem Leichnam in die 
Gruft, die ihn gepränglos eingefchloffen hatte. Nun 
fing er ihm erft an zu verweien; wunleiblicher Schmerz 
ergriff ihn, und da ihn Börperliche Leiden von jeglicher 
Geſellſchaft trennten, fo war er in traurigfter Einfam- 
feit befangen. 

Wer möchte ſich nicht tief erfihüttert fühlen von bie- 
fen offenbaren, reinen Herzensergüffen und dem Vor⸗ 
wurfe, den fi Goethe barüber macht, daß er von ber 
Bollendung des Trauerfpield „Demetrius‘“ wieber abließ, 
die Schiller und ihrem Zufanmenfein das großartigfte 
und erfreulichftie Monument hätte fliften können; wer 
möchte noch nach diefem Allen dem minbeften Zweifel 
an der tiefften Innigkeit des Verhältniſſes zwiſchen bei« 
ben Männern Raum geben, von dem Goethe, nad 
dem 55. Bande feiner Werke, fagt: es babe ihn, den 
unmittelbar vor ber Belanntwerdung mit Schiller lange 
Jahre in anatomifche und andere Studien Vergraben- 
geweienen, „aus dem wiffenichaftlichen Beinhaus in den 
freien Garten des Lebens gerufen“? | 


1106 


Übrigens hat Goethe Schiller'n, wenn auch Fein dra- 
matifches und auf der Grundlage eines beflimmten ge 
meinfchaftlichen Schaffens rubendes Denkmal, wie die 
Bollendung des Trauerfpield „Demetrius” gemwefen wäre, 


doch ein nicht nut miR feiner onen Geiſteskraft, fon- . 


gern auch mit, dem hinreiſenden Gefühle det tlefſten 
rauer üder Schillers Verluſt ausgeftattetes, in dem 
göftlichen, im 13. Bande von Goethes Werken abge: 
drudten „Spiloge zur Glode” errichtet, mit dem fich 
wol kein anderes an Würde, Höheit und Dauer würbe 
meffen können. 


Faſt unfnitrelbar nad, Vollendung dieſes Aufſatzes 
kam mir ein Cyklus Peiner Gedichte über den Goethe: 
Schillerfchen Briefwechſel zu Gefiht. Vorzüglich nahm 
ein Diftidion, das an feiner Spitze ſteht, meine größte 
Aufmerffamteit in Anfprud. Es lautet: 

Viel Eragfüßelnde Buͤcklinge macht dem gewaltigen Goethe 
Schiller, dem Schwaͤchlichen nickt Goethe's olympiſches Haupt. 

Erſt einige Wochen zuvor war in Ar. 24 -26 d. BI. 
in einem von mir unterzeichneten Artikel: „‚Literarifche Sind» 
* Inge”, des im vorigen Jahre verftorbenen A. W. v. Schle⸗ 
gel als eines leidenſchaftlichen Bewunderers von Goethe's 
geiftiger Größe, Erwähnung gefchehen; jene, ebenfalls 
von diefem Schlegel verfügten, in Deffen Nachlafſe vor- 

efundenen Gedichte aber zmedten offenbar darauf ab, 
nebft Schiller's auch Goethe's Größe muthwilligfi zu 
benagen. Run kennen zwar, befonders bie Altern Li⸗ 
teraturfreunde, bie Schriften der Gebrüder Schlegel zu 
gut, um fi nicht zu erinnern, daß foldhe meine Be: 
Hauptung völlig beftätigen; ich bin jedoch dem damit we- 
niger befannten gröfern Theile des gebildeten Publicums 
und au den „Blättern für literariſche Unterhaltung” 
ſelbſt ein Wort über diefen Widerfpruch um fo mehr ſchul⸗ 
dig, je lebendiger mir noch A. W. v. Schlegel's Enthuſias⸗ 
mus fire Goethe vorjchwebt und mit welcher Wärme ihm 
Deſſen Rame auch im perfönlichen Verkehr von der Rippe 
zu fliegen pflegte. Der ganze erwähnte Gyflus von 
Gedichten deutet auf eine fpätere große Erbitterung Schle⸗ 
get’6 gegen Beide, Goethe und Schiller, hin. Die im 
Echiller ſchen „Muſenalmanach für das Jahr 1797 er⸗ 
ſchienenen „Zenien” hatten ziemlich ſtarke Angriffe auf 
die Gebrüder Schlegel gethan und Legtere ließen, Haupt- 
ſächlich in ihren mündlichen Außerungen, an Schiller, 
den fie für den Werfaffer der gegen fie gerichteten Sa⸗ 
nren hielten, deshalb ihre Empfindlichkeit unverholen 
aus; ihre und befonders Auguſt Wilhelm's unbegrenzte 
Verehrung Goethe's veichte jedoch über die Zeit der Er⸗ 
fdeinung der fogenannten „KZenien” weit hinaus. Wann 
und wodurch aber fpäterhin jene aujetzt in befagten 
Berien veröffentlichte Erxbitterung auch gegen Goethe 
esregt worden, darüber fehlen mir alle Notizen. 

Das angefühete Diftichen treibt indeß die Ungerech⸗ 
tigkeit in dem Mrtheile uber das Verhultniß zwiſchen 
Goethe und Scdhiller nicht zu einer folchen Höhe, wie es 
beim erften Blicke erfcheint. As Belege zu feinem Ur- 


theile citirt Schlegel keineswegs ihren gefammten Brief. 
wechfel, fondern nur die Einleitung zu demſelben, wel. 
the fih auf dem erften Blatte der gedbrudten Samm. 
lung, und zwar in einer Einladung Schillers an Goe⸗ 
the zur Mitwirfung an der von Erſterm geflifteden Acum 
Beitfehrift „Die: Haren” fi) Befindet. Blecthwel ik 
Schlegel’d mit dieſem Diſtichon an beiden Dichtern be— 
gangene Ungerechtigkeit noch groß genug; denn weder 
der Schiller'ſche Brief noch die (S. 9) abgedructe 
Beantwortung zeigen auch nur eine Spur der Unter⸗ 
wuͤrfigkeit und des Hochmuths, die den zwei Correſhor⸗ 
denten von dem Beurtheiler vorgeworfen iverben. Piel: 
mehr bewegen fih Beide nicht nur auf bad angen 
fenfte innerhalb des ihnen durch ihre Stellung gegen- 
einander angewiefenen Kreiſes, ſondern fie Fügen auch 
der Würde eine befondere Anmuth bei. 


Dog übrigens Schiller fpäterhin auch in Fällen, wo 
Goethe's Literarifche Anfichten und Urtheile ihm unrid- 
tig erſchienen, Dies Demfelben keineswegs vorenthielt oder 
vermäntelte, darüber fegt ein im April 1805, mithin 
etwa einen Monat vor Sciller’8 Tode, von ihm an 
Goethe gefchriebener Brief, der in dem neuerlich erft in 
den Buchhandel gefommenen Werke: „Briefe von und 
an Goethe” (Leipzig 1846) ſich befindet, und aufe 
Zweifel. Schilfer trägt darin feinem hochgeftellten Freunde 
ganz unummunden die nicht unmichtigen Ausftellungen 
vor, welche er, ein flrenger Krititer, an manchen, bi 
Gelegenheit der deutfchen Bearbeitung des Diderotſchen 
Werkes „Rameau's Neffe von Goethe gefchehenen Aufe 
tungen machen zu müffen glaubte. 


Wahrhaft empöremb aber ift es, wie dem ſonſt fo fharf- 
fihtigen U. W. v. Schlegel der Unmuth über die beiden 
Brieffieller fo gar keinen Sinn für die hohe Wichtigkeit 
und den unerfchöpflihen Reichthum der ganzen Goethe 
Schiller ſchen Brieffammlung übrig gelaffen, daß er m 
Stande gewefen, nur das Bedeutungsloſe auszuheben 
und feinem, mitunter fehr unglüͤcklich ausgefallenen, Vije 
preiözugeben. Hat er dach, völlig geblendet, fich fo weil 
vergriffen, uns Vieles für bedeutungslos zu nehm um 
feinen Spott daran zu üben, dem eine ganz Yorzüg: 
lihe Bedeutung nachzurühmen if. Dahin gehört 
vor Allem der fo liebreiche, gemüthvolle Zon der Brick 
und manches traute Wort, welches in der Schriſtſprache 
ſelten vorkommt. Gerade das ift eind der vorügliäften 
Zeihen ber Authenticität dieſer Sammlung und & 
würde dem allgemehten Intereſſe an ihr gemaltigen A 
brud) gethan haben, wenn man fie deffen Hätte berau 
ben wollen. 

Übrigens befinden ſich dieſe Sehlegel'ſchen Gedicht: 
mebft vielen andern, umter dem Haupttitel „Religuim 
von A. W. v. Schlegel” mitgetheilten, in dem durch Le 
vin Schüding herausgegebenen „Rhebnifchen Jahrbuch 
für 1846. Gelegentlich bemerkte irh, daß bie Refer des 
kegtern dem Herausgeber auch für diefe „Reliquien im 
Ulfgerweinen, befonden Dan? ſchulbig find. Denn e 
gibe darunter viele, die, wie namentlich „Der Propbe 





107 


des Jimgſten Tages“, fi durch einen recht glücklichen 
Humot auszeichnen. Friedrich Raun. 


Romanliteratur. 


1. Rinfa. Eine Rovelle. Zwei Aheile. Leipzig, Brockhaus. 

1846. 8. 3 Ahlr. 10 Nor. 

Ein ungenannter Werl. endet vielleicht die vorliegenden 
Blätter in die Welt, um anzuflopfen und, wenn das Pubti⸗ 
cm: Herein! ruft, einzutreten. Ref. bedauert unendlich, nicht 
mit vollem Herzen: Herein! rufen zu können. Man mörhte fo 
gern in der jegt fih immer mehr verfladhenden Literatur ein: 
mal Zalent und Genie freudig begrüßen, und jn jedes Erſt⸗ 
lingswerk ſucht man nah Spuren davon; in den vorlie 
genden Blättern find abermals Beine vorhanden und fie müffen 
in Gefelfhaft fo mander ber neuen Romane erftheinen und 
verfhwinden,, ohne den Dan? des Lefers, ohne Anwartfchaft 
auf das Wiedergelefenjumerden. Drei junge Deutfhe reifen 
nach Stalien: ein wärmer, ein intriganter Geiftlicher und 
eine burlesfe Figur, welche im Leben unausftehlich fein muß 
und im Roman, den fie beleben foll, unangenehme Länge her: 
vorbringt. Der Schwärmer und der Geiſtliche verlieben ſich in 
Rinfa, die italienifhe Eonteffa. Legterer wird verichmäht und 
brütet Rache; Grfterer wird geliebt und entführt die Gelichte 
von der lächerlichen Mutter und dem tyrannifchen Vater. Gr 
bringt fie nach Deutfchland, wo fie in des Gemahls aus lauter 
Garicaturen beftebende Familie eingeführt wird. Selbſt die 
Eoufine Ditilie, welche liebenswürdig erfcheinen fol, ift nur 
eme Caricatur, ein Gemifh von Gutmüthigkeit, Grobheit, 
Big und Coquetterie. Der Fürft nebft der Srafın, feiner mor: 
ganatifchen Gemahlin, ift nicht minder Caricatur; die Hofſce⸗ 
nen erſcheinen äußerft burlesk. Der Fürft zeichnet Rinfe aus, 
die Gräfin wird eiferfühtig, vor dem ganzen Hofe nennt fie 
Me ohnmächtige Ninfa eine „Mepe”. Dem Fuͤrſten, der ſich 
entfchuldigen will, ruft fie gu: „Halt' dein Maul, geh aus mei⸗ 
nen Augen mit deiner Dirne, fahr’ zue Hölle!” Die Hoftanıen 
umringen die Gräfin. Der Fürft benugt diefen günftigen Au: 
genblick, um „mit Anſtand“ umd DOR Det Gräfin unbdeläftigt 
Ninfa aus dem Zimmer zu tragen. Wir enthalten uns, noch 
andere Details des Hoflebens mittzuthellen, Werftöße, wie die 
kühnſte Phantafie fie fi nicht ausdenken kann. Dem ver: 
fhmähten Candidaten gelingt ed, Zwietracht unter bie Lieben» 
den au ſtreuen; der Gemahl benimmt ſich wnerhört albern, hal⸗ 
tungs- und charakterlos. So unbegreiflih und unklar wie fein 
Argwohn, fo unbegreiflih und unklar ift die Berföhnung, noch 
dunkler ader ift der Schluß. Ob Ninfa ftirbe? Ob Beide fter- 
ben? „Sie firedite die Arme gegen ihn aus — ſprachlos ſank 
er hinein, heiliger, feliger noch als ihr erfter Kuß war biefer 
ihr letzter, nicht mehr der Berheißung allein, fondern zugleich 
der Erlöfung. So blieben fie flumm und regungslos; alle 
fürmifcgen Wallungen hatten fih gelegt, alle irdiſchen Leiden⸗ 
ſchaften ſich ausgetobt; an ihrer Statt herrſchte Stille, himm⸗ 
licher Friede. Gin Ausruf des GEntfegens zetriß ihr Ohr, — 
fie fuhren auf. Ninfa erſchrak, Drtiße fand vor en; 
ſchwarze Fluten der Grinnerung ftrömten auf ihr Gehirn — 
der Lichtſtrahl der Wirktichkeit brach greil herein, noch auf der 
Erde träumten ipre Appen, aber ihre Seele jubelte ſchon im 
Himmel.’ Wie Eonnte fie jubeln über die Irennung von dem 
Geliebten, der ihr jent wiedergegeben? Oder ftarb er mit 
ihr? So dunkel gehalten und fo wenig motivirt wie biefe 
Schlußfcene gibt es deren noch mehre. Der Stil laͤßt auch 
Manches zu wünfchen übrig: oft hochtrabend und oft mit Alt: 
tagsredensarten überladen; fo findet der Held Alles „laͤppiſch“, 
was er feiner Geliebten fagen ober fchreiben möchte. Ähnlichet 
Worte bedienen fi die handelnden Figuren. oh aller die: 
fer Misftände hat der Roman doch auch Berdienfte; mande 
wohlgelungene Schilderung von Raturfeenen in Italien, manche 


Uethene aber Bunt: and Bi Dir ren von wer 
Bltdung des Verf. welche, werm auch nicht die fin den Schrife 
ſteller gertägende, doch immer amyuerlennen ifl. 
3. Reifebilder und Novellen aus der Vergangenheit und Ge» 
genwart gefammelt von ? — Drei Bände. Braunfdweig, 
ever sen. 1846. 8. 2 Thlr. ' 
Ein geiftreihes Ehaos von Erlebtem und Gedachtem, ein 
Semifh von Bildern ber Phantäfie und der Wirklichkeit ift 
hier an einen ziemlich loſen Romanfaden angereiht. Denfelben 
vor dem Lefer zu entwideln hält Ref. für ein zwediofed Un: 
ternehmen; denn die Gefchichte iſt wunderlih, aphoriftif in 
einzelnen abgerifienen Skizzen unter Reflerionen und &childe» 
rungen von Zufländen der Wirklichkeit geſtreut. Der durch 
einen Doppelgänger und durch eigene Xhorheiten leidende Held 
fällt, nachdem er die Dresdener Julirevolution in den eingeleg- 
ten Reifebildern und mandes andere blutige Ereigniß exlcht 
Pie im polnifchen Freiheitskriege. Daß Auffaffung und Aus⸗ 
ührung genial, daß Geift und Zalent Dem ungenannten Verf. 
zu eigen, läßt fi nicht in Abrede ftellen, wenngleich Beine 
wohlthuende Stimmung daraus hervorgeht und der Lefer un 
angenehm berüßet werden muß dur die Urt und Weife der 
Beiprehung fo ernfter, tragifcher Zuſtaͤnde, woran die Herzen 
der Menſchen und Rationen verbluten möchten. &o die Beruͤh⸗ 
rung der leipziger Scenen des 12. Auguft 1845 in der Vorrede. 
Ein wilder ungezügelteer Humor reißt den Ernſt oft in das 
Komiſche und verwebt die Politif in den Roman. Man fühlt 
die Abfiht, fie dem Lefer zu vergcegenmwärtigen und mit Par⸗ 
teilichkeit zu beleuchten; der Verf. hat aber wahrfcheinlich ver- 
eifen, daß die romanlefende Welt weniger Sinn für Politik 
af, und Ref. bedauert vermutbhen zu müffen, daß Vieles der fo 
gut auseinandergefegten Wahrheiten, wohlbeleuchteten Verhält⸗ 
niffe und etwas breit docirenden Reden überfchlagen werde: 
ein Schickſal, welches zwar durch das Ineinanderweben hete⸗ 
rogener Themas berbeigezogen, doch eigentlich gänzlich unver 
dient ift, da viel Schönes und Gutes auf Diele Brite verler 
ren geben wird. 


3. Die Braut auf dem Dmberg. Bon Emilie (Bivgare) 
GBarlen. Aus dem Schwedifchen. Bei Theile. Berlin, 
Morin. 1846. 8. I Thlr. 15 Ner. 

Die beliebte ſchwediſche Schriftftellerin zeigt auch in dem 
vorliegenden Roman ihr gewohntes Talent für die Schilderung 
von häuslichen Scenen, originellen Charakteren, fowie aller 
dem Familienleben entlehnten Umftände. Gin befonderer Zau⸗ 
ber ruht auf diefen Darftellungen und der Refer fühlt einen 
wahren Genuß in der barmonifchen Disbarmonie des Kramer’: 
föpen epaars mit dem Sohne, ber fe ganz anders geräth 
als fie Beide gewollt und den fie doch Weide fo lichen. Die 
Frau zerfchneidet den Hochzeitsfrack des Mannes zum Lock⸗ 
vogel und der Mann, hoͤchlich darüber entrüftet, reißt 

aus feiner Ehatoulle das rothe Zul, damit der Lockoogel 
des jagdluftigen Sohnes rothe Augen befommen Tann. 

Verf. läßt den Helden in ihrem Baterlande reifen und die ber 

rührten Gegenden befchreiben. Der Wetternfee, die Rothga⸗ 

beigrotte und andere ſchoͤne Punkte in der Kaͤhe werden mit 
dem ganzen Farbenapparat der Poeſie gefchildert. Bei dieſer 

Gelegenheit entfaltet fie den Charakter des Helden, der bis 

dahin fi fehr FH verhielt und nur durch die Unzufriedenheit 

der Altern mit ihm uns befannt wurde. Der Roman feldft 
bat wenig Handlung, Die Liebesintrigue ift umbebeutend, wenn 
auch nicht gewöhnlicher Art; Sagen und anmutbige Erzählun- 
gen find eingelegt; das größte Verdienſt diefer Blatter ift aber 
die Darftelumg verſchiedener Charaktere. Der alte poltsende 

Dberjägermeifter und Defien Haushälterin mit Dem ziegelvothen 

Bande auf der Müpe; Ver alte Bootfe mit ber romantiſchen 

Liebesgefchichte feiner Jugend; der edle Major, welcher greß⸗ 

müthig der geliebten Braut entfagt und ihr des Waters Ein- 

willigung zu eimer andern Heirath verſchafft; die Braut, welche, 
eingefhüchtert yon des Vaters Heftigkeit, durch die Liebe ploͤtz⸗ 


1108 


lich zum Bewußtfein und Miien gelangt; der Bräutigam und 


Defien Alternpaar und die @elbaten-@rethe, welche aus den Kar: 
ten wahrfagt und die Wirthſchaft führt: es find Alles Charak⸗ 
terbilder vol Leben und Wahrheit. Die Überfegung ift fehr 
gut, ſodaß man nicht einen Augenblick fi bewußt wird, kei⸗ 
nen Driginalroman vor ſich zu haben. 46. 


Biblisgraphie. 
Alexandre, A., Praktische Sammlung bester und 


höchst interessanter Schachspiel-Probleme,, durch mehr als 


Z0U0 Beispiele anschaulich gemacht und aus ältern und 
neuern Schriftstellern zusammengetragen. Leipzig, Brock- 
haus und Avenarius. Schm. 4. 5 Thlr. 15 Ngr. 
Bock, W. v., Die Losfprehung von der Inflanz und ihr 
ae Ritter. Keine Defenfionsſchrift. Dorpat, Stäfer. &r.8. 
r. 


8 
Budler, 8., Genre: Bilder und Stimmungen. Reuftre 
ig, Barnewig. 1845. 8. 1 Ahlr. 

Bülow, €. v., Rovellen. Zwei Bände. Stuttgart, 
Cotta. 8. 3 Thlr. 

Calderon, Don P. de la Barca, Geiftlihe Schau: 
fpiefe. Überfegt von 3. Freih. v. Eichendorff. Stuttgart, 
©otte. Gr. 8. 2 Ihlr. 

Dronke, E., Die Mailönigin. Ein Volfsleben am Rhein. 
Leipzig, Lorck. 8. 1 Thlr. 

Flinzer, M., Palomita. Spanifche Novelle. Altenburg, 
dewbig 8. 1 Thir. 

rankel, Z., Der gerichtliche Beweis nach mosaisch- 
talmudischem Rechte. Ein Beitrag zur Kenntniss des 
mosaisch - talmudischen Criminal- und Civilrechts.. Nebst 
einer Untersuchung über die preussische Gesetzgebung hin- 
sichtlich des Zeugnisses der Juden. Berlin, Veit u. Comp. 
Gr. 8. 3 Thir. 15 Ngr. 

Gutzkow's, K., Dramatifche Werke. ter und dter Band. 
Ste vermehrte und verbeflerte Auflage. Leipzig, Lord. 8. 
1 Zhlr. 20 Ror. 

Hahn: Hahn, Ida, Gräfin, Sibylle. Eine Selbſtbio⸗ 
rapbie. Zwei Bande. Berlin, A. Dunder. 9. 4 Thlr. 

3 For. 

Berg, H., König René's Tochter. Lyriſches Drama. 
Im Versmaaße des daͤniſchen Originals überſetzt von F. A. Leo. 
Leipzig, Lord. 8. 10 RXgr. 

Iduna. Taſchenbuch für 1847. 2Tfter Jahrgang. Wien, 
Riedl. 16. 1 Thle. 4 Nor. 

Deuticher Jugendkalender füs 1347. Mit Gefchichten und 
Liedern von B. Auerbach, H. Kurs, R. Reinid u. A. 
und mit Holzfchnitten nach Zeichnungen von 2. Brölid, Her: 
ausgegeben von 9. Bürfner. Leipzig, G. Wigand. 4. 15 Nor. 

Iuuftrirter Kalender für 1847. Leipzig, Weber. 4. 20 Nor. 

Moore, T., Abende in Griechenland. Gedicht. Aus 
dena Englifchen überfegt von &. C. Dieffenbad. Darm: 
ſtadt, Pabſt. 16. 12%, Nor. 

Müller, I. A. 2, Rovellenkranz. Ifter Band: Johan⸗ 
nes und Eliſabeth. Magdeburg, Falckenberg u. Comp. Gr. 16. 

gr. 


Rewton, I3., Karbiphonia oder Herzendergießungen in 
einem wirklich gepflogenen Briefwechfel, mit vertrauten Freun⸗ 
den geichrieben. Aus dem Englifchen überfegt von K. Luͤtke. 
Mit einem Vorwort von X. Tholuck. After Band, Magde⸗ 
burg, Baldenberg u. Comp. 8. 221%, Rgr. 

Durliac, E., Erzählungen aus der Bendee, mit einem 
biftorifchen Gemälde der erften Kriege der Vendee. Aus dem 
Franzoͤſiſchen frei ünertegt von F. M. Brug. Augsburg, 
Rahrmbader. 12. 18 Rear. 

Hetöfi, Ausgewählte Gedichte. Aus dem Ungarifchen 
überfent von X. Dur. Wien, Mörfchner. Gr. 16. Nor. 

halt, D. J., Ein Billet von Ienny Lind. Komilche 
Scene mit Gefang. Berlin, Kraufe.. Br. 8 5 Rgr. 


Arndt und Erwiederung von ihm. Bonn, Marcus. Gr. 8. 537 


Strobel, U. W., Zrauzoͤſtſche Volkedichter in Bir 
phien, Uberfegungen und guszögen. Ifte Abtheilung. 3 
Büreau ber Badzeitung. 8. Nar. 

Sue, E., Martin der Findling oder Memoiren ind 
Kammerdieners. Aus dem Pranzöfifcyen übertragen von Yıf, 
Iftes Bändchen. Berlin, Sacco. RL. 8. 7, Kar. 

Hiftorifches Taſchenbuch. Herausgegeben von J. v. Rau: 
mer. Reue Folge. Ster Jahrgang. zig, Brockhaus. Br. 12. 
2 Thlr. 15 Ror. | 

Wachler, %., Johann Jakob Schöpfel, der zufrieden 
Mann zu Reurode. Lebensbeſchreibung, Aufſaͤtze und Gedicht, 
herausgegeben für chriſtliche Freunde von ıc. Magdeburg, Zaldın 
berg u. Comp. Gr. 8, 10 Rear. 


Zagesliteratur. 
Heidelberger Adrefie an die Schleswig⸗Holſteiner. Heidd 
berg, Winter. Er. 8. 1Y, Ror. ” | 
Biblifhe Antwort auf die Frage: was ifk die Bemunf! 
Magdeburg, Falkenberg u. Eomp. 8. 2%, Nor. 

Antwort der bolfteinifhen Stände auf die danifhe Erif: 
nung. Bremen, Heyſe. Gr. 8. 1%, Nor. 

Shanning, B. E., Die Kirche. Eine Predigt, yehek 
ten zu Philadelphia 1841. Aus dem Engliſchen. Nebk cam 
Anhange uber Channing's Leben und Wirken. Berlin, Sfık. 
Gr. 8. 5 Kar. 

Czerski, I., Zweites Sendfchreiben an alle hriftikl: 
ſchen Gemeinden, mit Rüdfiht auf die Berfammlung zu % 
wicz. Bromberg, Mittler. 8. 2%, Ror. | 

Delbrüud, F., Das Volkslied: Was ift ded Deutibe: 
Baterland? Würdigung deffelben. Rebft Zufchrift an E 8. 


Fifcher, F., Drei Tage in Holflein. Aphoriſtiſche &hz 
der Zuftände Holfteins und Schleswigs. Leipzig, D. Bi 
&r. 8. 4 Ror. 

Gedanken bei Gelegenheit der kritiſchen Unträge und & 
rathungen in der diesjährigen Reichskammer. Mit cine & 
ten Bugabe. Bon einem katholiſchen DOberländer. Muͤns 


gr. 

Häuffer, 2, Schleswig-Holftein, Dänemark und Dust 
land. Kurze Darſtellung ihres geſchichtlichen Verhältnis: 
Heidelberg, Winter. 12. 6 Nor. 

Jakob Heinrich Helferich Lehrer auf dem Aberdti; 
Bern, Fiſcher. 1847. 8. 5 Nor. 

Die Lage der Proteftanten in der Riedergrafichaft Zinzr 
Osnabrück, Rackhorſt. 8. 5 Rear. 

Sechs Lieder on Schleswi „Solftein! Nebft einer Bien) 
an Se. Maj. den König Ehriftian VIII. von Dänemuf! Er 
einem Schleöwig-Holfteiner. Hamburg, Schleswig.kikiriät 
Buchhandlung. 8. 21, Nor. 

Menapius, Mir. nah! Zur Medicinalceform. Eike: 
feld, Bunde und Müller. Gr. 8. 10 Rer. ur 

Matthiae, B., Offener Brief an die im Jahre I% 
in Jena sich versammelnden Philologen. Jena, Maul 
Gr. 8. 4), Negr. u 

Moraczewsli, A., Sendfchreiben an Dee Heinrä 
Wuttke, Bie polnifche Prag: betreffend. 2te Auflage. ker 
Keil u. Comp. Br. 8. 10 Nor. 

Niebuhr, Beitrag zur Feftftellung der Urtheile über de 
feiner Seftaltung ded Bankweſens und insbefondere der Rart 








eimer Eredit: und Giro⸗-Bank. Heidelberg, Winter. Gr.‘ 


er. 
Uhlich, Betrachtungen auf Unlaß der Synode in Bert 

2te Auflage. Leipzig, D. Klemm. 12. 3 Nor. 
Bolt, D., Wachet, ftehet im Glauben! Bier Prey” 


"und 4 Lieder. Grünberg, Weiß. Gr. 8. 5 Nur. 


Der Beitgeift in feinen Beftrebungen und Behaupfunz®- 
oder die falfche Aufklärung betrachtet im Lichte der Wahrke 
von E. Freimund. Bafel, Schneider. 8. , Rar. 





Berantwortlier Herausgeber: Heinzih Brockpaus. — Drud und Verlag von F. FE. Brockhans in Leipzig. 





% 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 


—— Nr. 293, 


20. Dctober 1846. 








Gelbſtbiographie des Fried rich Freiherrn von Lu: 
pin auf Illerfeld. Vier Theile. Weimar, Voigt. 
1844. Gr. 8. 6 Thlr. 


Der Name, den der Verf. des genannten Buches 
traͤgt, gehoͤrt in Norddeutſchland nicht zu den ſehr be⸗ 
kannten, und es dürften Viele und nicht gerade unge⸗ 
lehrte Leute fein, die von Hrn. v. Lupin nur wüßten, 
daß er eine Sammlung Biographien lebender Perſonen 
herausgegeben hat. Denn einige ſeiner groͤßern Schrif⸗ 
tn, wie die über die Gaͤrten, find kaum in ben Buch⸗ 
handel gekommen, und viele feiner naturhiftorifchen Mo⸗ 
nograpbien und kleinen Abhandlungen fliehen in ben 
Dentichriften gelehrter Gefellfchaften, deren ihn nicht 
weniger als 36 im In» und Auslande unter ihre Mit- 
glieder zählen. Um fo vwillfommener wird Dielen es 
fin, durch das vorliegende Buch die Bekanntfchaft des 
rüftigen Siebzigers zu machen, der jegt mit der Be⸗ 
ſchreibung eines vielfeitig bewegten Lebens hervortritt, 
aber nicht anders als Einer, der fi in der Rückerin⸗ 
nerung thätig und glüdlich verlebter Jahre erheitern 
will, oder wie ein Jubelgreis, der das Jubiläum feines 
Lebens im Kreife feiner Bekannten und Freunde begeht. 

Unter den ſchriftlichen Denkwürdigkeiten, die uns 
aus dem Leben älterer Zeitgenoffen in den legten zehn 
Jahren überliefert find, nimmt Hr. v. Lupin einen wür- 
digen Plag ein. Gr hat fich in den höhern Kreifen des 
Belt: und Geſchaͤftslebens hinlängli umgetban und 
die politifcden Ereigniffe ſtets mit ſcharfem Blicke ver- 
folgt, er ift in alter und neuer Literatur wohl bewans 
dert, er ift ferner ein gefchägter Mineralog und Land⸗ 
wirth, dabei ein Dann von einer edeln, milden @efin- 
nung und von einer Heiterkeit feines ganzen Weſens, 
wie fie nur der Vollgenuß körperlicher Geſundheit zu 
verleihen im Stande if. Alles Dies find Gigen- 
(haften, die ihn neben einen Arndt, Jacobs und 
Strombe in mwürbigfter Weiſe ftellen, wobei wir noch 
den befondern Vortheil empfangen, daß fi alle diefe 
Eigenfhaften in ben Lebensbezügen eines Süddeutſchen 
abfpiegeln, die, wenn wir etwa bie Dentwürbigfeiten 
des Würtemebergerd Pahl und der Karoline Pichler aus- 
nehmen, mit dergleichen Darbietungen bis jegt fehr karg 
gewefen find. &o möchten wir auch in der Urt und 


verfchiedene Begenflände des menfhlichen Lebens ergeht, 
wie er oft feitenlange Betrachtungen da einflicht, wo 
bie oben Genannten nur GSelbſterlebtes oder Selbfterfah- 
renes berichten, einen heimatlichen Charakterzug wahr. 
nehmen. In foldhen Stellen bat der Berf. fih als 
Geiſtesverwandten Jean Paul's gezeigt, mit dem er auch 
in feinen humoriftifchen &chriften große Ähnlichkeit hat; 
und es mag Dies immerhin für die Bewunderer Jean 
Paul's fein Anziehendes haben, wir geftehen aber, uns 
nicht dieſen anfchließen zu können. Denn bei aller Ach⸗ 
tung, die wir aus diefem Ichrreichen Buche gegen feinen 
Verf. geroonnen Haben, fanden wir uns durch dergleichen 
Erpectorationen, wie fie a. B. gleich die Borrede ent⸗ 
hält, öfters fehr ermübet und waren froh fie hinter uns - 
zu vwiffen. 

Wir fürdten nicht, durch dieſe Ausflellung dem 
edein Greiſe wehe zu thun.*) Denn einmal bat er bin- 
länglich gezeigt, daß er gemäßigten Widerſpruch zu ver- 
tragen weiß, und zweitens ift die Beurtheilung feiner 
Biographie in d. BI. einem Manne übertragen, ber, 
wennſchon faft 30 Sabre jünger ale Hr. v. Lupin, 
doch die größte Achtung gegen diejenigen reife unferer 
Zeit hegt, deren Jugend und frifchefte Thatkraft in bie 
bewegten Zeiten biefes und bes vorigen Jahrhunderts 
gefallen find, und der demnach Hrn. v. Lupin's Bud 
durch feinen Bericht gern den Juͤngern unferer Tage 
vorzüglich empfehlen möchte. Nach diefem Geftändniß 
wird es uns der Verf. nicht verargen, wenn wir, befon- 
ders im vierten Theile, gar Manches, was für bie Fa⸗ 
milie Lupin von Intereffe fein wird, in bem gebrudten 
Buche gekürzt wünfcdhen, wie die Reflerionen über bie 
Nüglichteit des Gchlafens bei offenen Penftern, die 
„Eſelsohren in Hufeland's Makrobiotik“, und die langen 
medicinifchen @rörterungen. Ja wir fürdten, daß 
Manche, die Hrn. v. Lupin mit gefpannter Erwartung 
dur) fein Buch gefolgt find und fih an dem Bilde 
einer fo tüchtigen Perſoͤnlichkeit erfreut haben, im vier- 
ten Xheile ſich weniger befriedigt finden, ehe fie an ben 
fhönen Schluß und an den vortrefflihen Gommentar 
zu Cicero's Buche vom Greifenalter im legten Ab⸗ 
ſchnitte des vierten Theils gelangt fein werden. 


Derfelbe iß felt der Abfaſſung dieſes Auffaged am 28. Nov. 
D. Red. 


Weiſe, wie fih Hr. v. Lupin in aller Behaglichkeit über ı 108 —* 


. 10 


An der Handhabung ber Sprache zeigt fich überall 
Friſche und Kraft, felbft da, wo fie nahe an Sean. 
Paul'ſche Auswüchfe anftreift, wenn z. B. bie fran⸗ 
zoͤſiſche Conſcription der „große Heringsfang“ genannt 
wird, ober menn der Werf. von feiner amtligen Stel 
lung zu Memmingen :im 8. 1800 Folgendes fihreibt 
tt, 251): | | 

Ich war in diefer effigfauern Zeit das DI des focialen Le 
bene, der hölzerne Löffel, mit welchem der Salat der durch⸗ 
Sommenden GCelebritäten und ber Uncelebritäten der Stabt ans 
gemacht wurde. 

Dadurch, daß er Napoleon einen „großen Schaufpiel- 
director” und einen „Scharfrichter” nennt, ber mit fei- 
nen „Flibuſtiers“ Eprecutionen bielt wo es ihm beliebte, 
und der endlich „in Pferdedecken eingewidelt” auf einem 
„Kaͤlberſchlitten“ den Weg allein nach Haufe gefunden 
bat, daß er überhaupt nirgend als Verehrer des fran- 
zoͤſiſchen Kaiſers auftritt, wird fi) Hr. v. Lupin freilich 
bei Denen unter feinen beutfchen Landsleuten, die zu 
ihrer Schande den Napoleon des Hrn. Thiers mit ge 
falteten Händen anbeten, wenig empfehlen, Andere aber 
werden «8 fehr beloben, daß ber Verf. fo treu die Stim- 
gung des 3. 1813 30 Jahre fpäter ausgefnrochen hat. 
Uberhampt ift Alles in biefem Buche treu, feſt und auf- 
sichtig und die Sprache überall der Ausdrud eines für 
bie ebelften Intereffen erwärmten Herzens. Wie gern 
verweilten wir länger bei der anmuthigen Schilderung 
feiner häuslichen Verhaͤltniſſe und feines Familienglücks, 
denn Hr. v. Zupin muß ein ebenfo vortrefflicher Gatte 
als Vater fein, ober bei ben landwirthfchaftlichen Be⸗ 
fäftigungen und ausgebehnten GBartenanlagen, die eim 
Mufter für die ganze Provinz geworben find, und bei 
der wadern, loyaten Befinnung, mit der er zu feinem 
Landesherrn halt. Er, der geborene Reichsſtädter, er- 
ſchoͤpft ſich nicht in nuglofen Klagen über eine dahin⸗ 
geſchwundene Seligkeit, weil er einfah, daß es eigentlich 
keine war und daß daB Gemeinweſen der freien Reiche: 
ſtadt Memmingen ſich übertebt hatte; er huldigt vielmehr 
yon ganzem Hessen den fürftlihen Tugenden Maximi⸗ 
lian Joſeph's von Baiern, ald Memmingen 1502 Deffen 
Landen zugetheilt wurde, und ‚begrüßt mit guten Hoff⸗ 
nungen den Glücksſtern, ber mit König Ludwig's Re⸗ 
gierungsanteitt am 13. Det. 1825 über Baiern aufge- 
gangen war; wie er denn .öfters eine innige, in unfern 
Tagen feltene Freude zeigt, von feinen königlichen Ge⸗ 
bietern und Gebieterinnen in gutem Andenken behalten 
zu fein. Eine folde Geſimung ſchließt aber manden 
freimüthigen Tadel über einzelne bairiſche Zuftände nicht 
aus, „Hr. v. Lupin verhehlt nit, wie ihm in ber er- 
fien Überraſchung nicht Alles an der Dionaschie gefallen 
babe; er fpricht fich offen über das bairiſche Centralifi- 
von, Parcelliren der Samiliengüter, Mdelsgefege und ähn- 
liche Willküren aus, tadelt die Korfigefepgebung und 
ſtellt ſehr leſenewerthe Betrachtungen über die ſchlechten 
Beſoldungen der Staatsdiener an, die, falls ſie mismu⸗ 
thig und unzufrieden ſind, zu einer Landplage für das 
Land werben, dem fie angehören, denen aber Wohl⸗ 


babenheit und Zufriedenheit beffer! kleiden als bie ſchanfte 
Uniform. Wir fegen den Schluß biefer Stele be, 
welche der Verf. fehrieb, als er ſchon laͤngſt aus dem 
Staatsdienfte getreten war: 


Arme Genies, die überall und immer ri Be hoqh hie: 
auswolten und ſich in Ihrem Ehrgeiz und in ihren Erwartus- 
gen getäwfcht ſehen, gefllen fih im jeder Ymwillzung de 
Staats, weil fie in folder ihr Blu zu machen glauben. Der 
wird der Ruhe und Drbnung von Grund des Herzens unhän- 
gen, der bei einer gewaltfamen Umwälzung fein Vermögen ein: 
zubüßen befürchten muß. Mit Befig von Grund und Boden 
IHügE der Menih das Eigenthum in dem einigen, er ver: 
theidigt den Staat mit dem Geinigen, und ihm iR das Bu: 
terland und das Staatswohl aufrecht zu erhalten eine vom 
Vater angeesbte, zur andern Matur gewordene Gewohnheit. 
(Die Fortſetzung folgt.) 


Zur Zagesliteratur. 


Das Chriſtenthum lehrt auch den Glauben und die kiebe 
zu den Menſchen. Dies fol Lad Princip der chriftlichen Schule 
fein. Daher iſt zuerft im Ehriftentyum die Idee der Bell 
Spule aufgegangen, welche aber bis jetzt noch nicht verwirkligt 
worden ifl. Wie fie jegt genannt wird, ift -fie nur die | 
eined Standes. Uber jedes Kind des Volkes gehört dahin zu 
Erziehung feines Willens zum freien und gebundenen Ih, 
Bildung von Gemüth und Phantafie. Iſt ver Grund des Bi: 
lens gelegt, dann kann die Erkenntniß des Berſtandes und ek 
Glaubens gegeben werden. Die Volksſchule iſt die Vorſchel 
ſowol der Kirche mie des Staats. . 

1. Die Schule der Zukunft mit befonderer Rückſicht auf ik 
gerwathäner Schleswig und Holftein. Gin Bortrap vs 
uſtav Thaulow. Kiel, Schwere. 1846. Gr. 8. IRgı. 
fogt in diefer Beziehung fehr richtig, Daß zwei Gleichheiten al 
Unterſchiede der Schulen übermänden: Religion und nationale 
Bewußktſein; die Schule hätte alſo Bürger und Menſchen ıi 
bilden umb es wäre bis zu einem gewiffen Beitpunkte fü 
alle Kinder eine gleiche Schule nöthig. Wber der Ber. wr 
läßt biefe Idee ſofort, weil die Stände eine göttlihe | 
feien, und fo kommt er nur zu ftändifhen Schulen, dem 
Stlanzpunft das Gymnafium wäre, als die allgemeine YPflanr 
ſchule für alle hoͤhern und bedeutenden Stände, durch weiße 
auch die größern &utsbefiger Hindwechgehen mäßten, um auf 
den Baueruftand durch dieſe feine Vertreter an die Allgeme 
beit zu fnüpfen. Die Schulinfpection hätten Lehrer, Predigt; 
Magiſtrat und Mitglieder der Tommune nach gleichen Rechten 
zu führen, mit Einigung dur einen Staatsminifter. Dan 
der Staat iſt dem Berf. vie Subflanz oder die Wahrheit ii 
Lebens, bie Kirche nur ein Glied der Familie, worüuͤber abet 
zu ftreiten bier nicht der Det ifl. 


2. Die Realfgule und der Zeitgeiſt. Ein Votum von Fried 
ri Leizmann. Lemgo, er. 18346. Gr. ð. TARE- 
kr die Aufgabe der Realſchule nicht darein, Fachſchule zu ſein 
ondern immer volftändiger und lebendiger alle echt vater: 
iandiſchen Elemente in fi aufzunehmen, die in der gef 
artigen Gefthichte des beutfchen Volkes und in feinen an Der 
fihönften fittfichen Tendenzen überreichen Schrift⸗ und Eprad- 
werden niedergelegt find, damit immer voller ein echt vaberlat 
difches Herz in unfern Iüngli und Männern fihlage und 
fo in unferer eigenen Mitte dem edefften Weltbürgerthum, dab 
nur auf kraͤftigſtes Volksbewußtſein fi gründen kann, em 
—— —— — Perg in. den Unterrichtsgegen 
n € mit Ri t auf die vorherrſchenden 
keitöfreife, in welden im wirklichen Lehen bie große Mafie de 
Staatsbürger fih beruffmößig zu bewegen hat. Der Bel 
der vorhererwähnten Schrift nennt zwar die Kealſchule tim 








1Fal 


Ginbe wider dm Helligen Ger, geſtattet aber in feinem 
Oyansflım eine doppelte Prima und Secunda behufs Der Real: 
faule. Die Sache if immer diefeibe. Die Spasfagen zwin- 
gen, und zwar Bier die der Steigerung Ber bärgerlichen Hand- 

für den Staat, welche nothwendig nach einem verflän- 
igen Geiſte fih fehnen. Die Realfchule wird der eine gerad: 
83 Steamm aus der Bolksſchule zum Staate hin wer⸗ 
den, von Unterweiſung der Geſchichte und Ratur zur Blute 
des Selbſtdenkens hin durchſtrömt, weiche Blüte die Unwerf- 
ii als die Arone, das Biel ber Bollsſchale in Liefer Hinficht 
geben wird. Das Gymngaſium wird ſich als die Fachſchule für 
den Lehrer im Staats geftalten und fo Die fegenannten Volks⸗ 
fqulichrer-Geminaxe in eh enthalten; und wenn dann ebenfo 
ſeiche Berufs» und Fachſchulen für Die übrigen. GStaatsregie⸗ 
magsbeamten hinzutreten als Smeigt jenes Stammes der Volks⸗ 
ſchuie, dann erft wird Die Univerfität, gereinigt von allem bin- 
deraden Ballafte, zu ihrer wahren Baruläät, der —æ— 
Immen und vermögend fein, die Krone ber Volksſchule und 


bern fpecialer Imsige und die Wiege handeinder Staatsbürger - 


wu werden. 


3. Dffienes Sendfchreiben an den Herrn Minifter Eichhorn von 
8. 8. W. Bander. Zweite Auflage. Leipzig, D. Wi: 
yand. 1846. Gr. 8. 10 Rgr. 

bevorwortet die Umbildung der Wolksfchullehrer-Seminare in 

seine Beruföfchulen und tuͤchtig vorgebildete Yöglinge, au wel 

dem Behufe der vorgängige Beſuch einer Höheren Bärgerfchule 
verlangt wird. Hält man bier unfere eben entwidelte Unficht 
von diefer Schule feft, und daß diefes Seminar nur eine un- 
tere Claſſe des Gymnaſiums wäre, fo ftellt ſich Die gewiß 
wahre Vorftellung heraus, wie der Lehrer vom Volke ausgeht 
und mit feiner Bildung an daſſelbe fördernd wieder herantritt. 

Drittens wird eine befiere Berfaffung verlangt. In der gan- 

un Schrift if viel Intereffantes und Mahres berichtet und 

geurtheilt. 

4. Briefe von der Elbe über päbagogifrh-politifch:religiöfe Ja⸗ 
gedfragen von Arnold Salzmann. Reipzig, D. Bis 
gand. 1846. 8. 22, Nor. 

haben r Hauptaufgabe gefegt, für die Emanzipation der 

a Rice zu a oder eigentlich von Der 

Beauffihtigung der Beiffien. Die Säule fei kein Aſt vom 

Kirchenbaum, fie habe ihre eigen Wurzeln. Das ift ganz 

richtig, infofern nur von der | 

Bürgers die Rede if. Es ift aber auch eine Kirchenſchule zur 

Erziehung des Menfchen nöthig. Iener braucht Freiheit durch 

den Berftand, Diefer Gebundenheit durch den Glauben. &o 

2 wird der Geiſt Mur berueihtigt un vernünftiges 
un alljeiti te wenigen oder vielen Religions. 

flunden in ne —e Schulen und der Confirmanden⸗ 
unterricht der Parteien behufs ihres Zuwachſes genügen nicht. 
Es braucht Religiondfchulen neben den Bürgerfchulen,, in wel: 
ben die Geſchichte Gottes und feiner Kirche gelehrt wird, da: 
mit der Glaube erkenne, was Bott und Kirche fei, und menſch⸗ 
fiches Thun erweckt werde, wozu der Wille in der Volkeſchuie 
gelegt if. Aus diefen Neligienäfchulen, dem andern Stamme 
der Bolköfchule, gingen die Berufsſchulen ber Geiſtlichen her: 
vor. Die Kirche aber oder die Lehrerin und Bewahrerin bes 
jeitfich erkannten Blaubens, die Btegiererin der Gemeinden, würde 
die Krone diefes Stammes fein. Die Schrift übrigens enthält 
in negirenden Urtheilen fehr viel Inteseflantes und Wahres. 

3. Fortſchritt zum Rüdfihritt in Magdeburg, oder wie man 
daſelbſt mit der Zeitbildung jegt umge t, gezeigt von Reckum. 
Deffau, Fritſche. 1846. 8. 5 Nor. 

derbreitet fi) über die Einführung eines evangelifhen Gefang- 

buches in den Schulen, das dem Verf. nicht gefällt. Es iſt 

die traurige Manier des verftorbenen König aus Anderbeck, 

mit allertat lachetlichen Neben, Parentheſen, Beichen u. |. w. 

zu ſtreiten, die auch diefe Schrift an fi hat. Solche ift aber 


atsichule zur Erziehung des 


dere verfſchrend 


als dos Beſtrittene in anderer Bde eirik 
wur ſein mag. 9 


Bon politiſcher ung, die vor der Praris der eand 
——— ar 
rreſpondenten enwä deut 
— muß, fiegen uns vor: 9. i utend 
6. Eltrire gegen die Flauheit der Zeit von Alerander 3 ung 
Leipzig, Brigfche- 1846. Br. 16. TY, Nor. 

Der Berf. wollte nad feiner Erklärung gewiſſe Zeitſtim⸗ 
mungen, gewiffe noch beſtehende Abſonderlichkeiten, gewi 
Handlungen der Willkür, gewiſſe kleine und große PR NEL 
ten u. f. w. mit den Peointen feiner Berfe auffpießen. @s if 
ihm auch manche Zändelei der Urt angenehm gelungens mans 
her böfe Käfer ſchwirrt an feiner Nadel; ob aber die Belt, 
wenn fie flau ift, durch ſolches Spiel wirt gebeſſert werben, 
iſt fehr die Frage. Bierundzwanzig aufgefpiehte Kueinigkeiten 
thun Solches nicht. 

7. Pfingſtlied für Deutſchland 1848. Bon Ernſt Wallner. 
Leipzig, Pönicke und Sohn. 1846. Gr. 8. 2 Bor. 

ift ohne Basen Willen. Die „Peuertaufe‘ fol bald Eumemen ; 

aber was das für ein Ding ift und wie fie wirken wird, er 

fährt man nit. 

8. Preußenlieder von George Heſekiel. Magdebur in⸗ 
richshofen. 1846. 8. 4 War. i u dei 
treffen oft nicht ungeſchickt die Manier folbatifäher Lieder, aber 

mehr als dieſe Manier ift auch nicht darin. 


Cine blutige Dichtung waren die neueſten Greignifie in 
en. 


9. Auffchläffe über die jüngften Sreignife in Polen; nebft 16 
authentifchen Uctenftüden. Bainz, Kirchheim, Scott und 
Thielmann. 1846. &r. 8. 16 Ror. 
bezeichnen die Grundlagen des Aufſtandes als Terrorismus und 
a umub, Befonder6 Merkwürdiges ift nicht Darin enf 
alten. 
Eine Halb laͤcherliche, Halb fehr traurige Dichtung ift das 
Junge Deutfchland in der Schweiz. Hieruͤber gibt Belehrung: 


10. Generalbericht an den Staatsrath von RNeuchatel über die 
geheime deutſche Propaganda, über die Clube des Jungen 
Deutichlandse und über den Lemanbund. Zürich, Beyer 
und Seller. 1846. Br. 9. 13 ar. 

Schr betrübend if das Graſſiren des Utheidmus, einer 
nur allzu ſehr anftedenden Krankheit in den Vereinen. Das 
Sournal von Marr: „Blätter der Gegenwart für ſociales Le⸗ 
ben‘, vorzugsweife in den Clubs gelefen, Ichrt unter Anderm: 
„Bir wollen darthun, daß unfere Zeit, eben weil das Ghri- 
ſtenthum fo arg in ihr fpußt, das wirkliche Freiheitsſtreben erſt 
mit dem Atheismus beginnt. Die jungen deutfchen Philoſophen 
fagen nicht nur, daß Gott und Unfterblicheit für fie abgedro⸗ 
Ken: und abgethane Dinge find, ſondern haben fie wirklich 
abgethan, in ihrer ganzen Hohlheit nachgewiefen für Seden, 
der capabel und nicht zu faul ift felbft zu denken. Alſo noch 
einmal: unfer Streben ift atbeiftifh. Die chriftliche Lehre von 
der Unfterblichkeit, der Mittelpunft und Kern bes Ehriften: 
thums, tft der Inbegriff der ärgften Berirrungen des menſch⸗ 
lichen Gemuͤths, hat den traurigften Einfluß auf das Leben 


| der Menſchen ausgeübt.” Die Triebfedern diefer Worte find 


Bemeinheit und Egoismus, eine niedrige That des Subiects, 
das von einer geſchichtlichen Nothwendigkeit gezwungen zu fein 


ſich nicht entſchuldigen kann. Anders erfcheint daher: 

il. L’ami du peuple. Skizzen aus Marat's journaliſtiſchem 
Leben. Hamburg, Hoffmann u. Campe. 1846. 8. IU Kar. 
Es ift ein wahres Gefühl, wenn Marat ausruft: „So iſt 

alfo in Frankreich durch einen einfachen Bürger eine äffentfi 

Genfur eingeführt. Möchte zum GHüd der Menſchheit m 


1172 


BB „bad von allen ten nachgeahmt voswben. 
Möchten fie niemals durch perſaͤnliche Rüdfihten dies heilige 
Amt befleden. Möchten fie ſich nie durch Erbitterung, Haß 
oder Rache leiten laflen, fondern ſtets ein reines Herz und die 
Liebe zum allgemeinen Wohl in diefen Dienft mitbringen !” 
Es iſt ein ernfter Buruf: „Werden wir denn ſtets Kinder blei: 
ben? Werden wir nie Principien, nie leitende Geſichtspunkte, 
nie politifhe Einfiht haben? Sollen die Leidenfchaften. uns 
ſtets beherrſchen 7 

Ob der Streit in Holftein Veranlaſſung zu einer Tragoö⸗ 
Die werden wird, da wir einmal bier mit politifcher Dichtung 
begonnen haben, ift fehr die Frage. Die dänifihe Megierung 
dieſes deutſchen Bundesſtaats hat fi gegen den Bundes 
ſtaat Lübel ſchon ungerügt feltfame Dinge erlaubt. Hier: 
von handelt: 


32, Lübels Bedrückung durch die dänifche Politif. Ein Wort 
an die deutfchen Kürften und das deutiche Boll. Braun» 
ſchweig, Weftermann. 1845. Gr. 8. 12 Rer. 


- Über die Thatſachen ift hier micht zu reden. Der Grund: 
fag des Verf., daß Eifenbahnen für ſich allein weniger leiften, 
als wenn fie mit den übrigen natürlichen und gefchichtlichen 
Bedingungen, die bei dem Handel in Betracht fommen, zuſam⸗ 
menwirken, dürfte jedoch auch hier einige Worte bewegen laffen. 
Er ift ganz richtig; es fragt fih nur, ob die Direction der 
Deutfchen Eifenbahnen gegenwärtig vorzugsweiſe nach den Hanfe: 
ftödten gehen müfle. Der Handel kann nur dahin fih richten, 
wo er zu herrſchen Ausfiht hat. Das mußten ſchon die Phoͤ⸗ 
nizier. Uber können wir heute noch die Oftfee gegen Rußland 
oder die Nordfee gegen England beherrſchen? Wol nicht. 
Rach Dften hin hat ſich der Kiel des deutfchen Schiffs zu be- 
flügeln; Afien kann der Drt der deutichen Handelsherrſchaft 
werden, wenn ed will; die Eiferfucht gegen Rußland und Eng: 
fand gibt die beften Anknuͤpfungspunkte. In diefem Sinne iſt 
die Donau der ausführende Fluß der en Eifenbahnen 
und Benedig und Zrieft die für die zukünftige Seeherrſchaft 
Deutfchlands wichtigern Häfen als die der Hanfa, welche es 
vormals waren. Bftreich aber al der Nachfolger in Venedig 
hat wie Stalien fo auch die Tuͤrkei, ein Abfall der bdeutfchen 
Berge, an Deutfchland politifch zu binden und das Schwarze 
Meer * deſſen Eigenthum zu machen. Wenn ſo Deutſchland 
durch Oſtreich nach außen handeind auftritt, fo wird dieſer 
Handel durch die Induſtrie Preußens, des Landes der Gewerbe⸗ 
und Ackerbaufreiheit, den nationalen Inhalt, die deutſche Waare, 
erhalten, die jeht im Zollverein geſchütt werden ſoll. 


13. über den Einfluß der Weltzuſtaͤnde auf die Richtungen 
der Kunſt und uͤber die Werke Friedrich Hebbel's. Von 
elir Bamberg. Hamburg, Hoffmann und Campe. 
846. 8. 10 er. 

enthält zum größten Theile eine detaillirte Audeinanderfegung 
des Inhalts der dramatifchen Werke von Friedrich Hebbel. 
Borausgefhidt find wenige Worte über den Gedanken, daß 
Die Zeit den Dunkeln Grund bilde, auf welchem die lichtvolle 
Geftalt des Künftlerd, unter welcher Bezeichnung auch der 
Dichter verftanden wird, in defto fchärfern Umriffen hervortre⸗ 
ten koͤnne. Die Kunft, mithin nad dem Verf. auch die Dich: 
tung, fol die Aufgabe haben, die Schönheit des Lebens vor 
das Bewußtfein zu bringen. Aber Schönheit ift nur eine Ei- 
nſchaft; Das Weſen ift die Freiheit; diefe allein ift fchon- 
Gehe wollen Dichter und Künftler; Sener der Handlungen, 
iefer der Geftalten. Der Dichter fteht alfo nur dann auf 
dem Grunde der Beit, wenn er von Freiheit im Staate dich⸗ 
tet — und dazu freilich wird, je mehr die Zeit männlicher wird, 
au die Dichtung überhaupt hingetrieben werden —; aber es 
gibt audy Gegenftände der perfönlihen und Standesfreiheiten, 
die zu allen Seiten diefelben find und immer, als wahre Did 

tung, befungen waren und befungen werden. 


U. Bertheidigung und Erkenntuiſſſ in Gachen des Bxdkies 
lers heile zu Königsberg. Ein Beitrag zur ke I 
Beleidigungen und zur Beurtheilung des Berhättnife & 
nes Berlegers bei beleibigenden cenfirten Drudiärifie 

erauögegeben von Erelinger. oͤnigsber 
oe a: A engen, Ay 
Bine fehr intereffante Schrift, vorzüglich wegen dr g 
ſchickten Auseinanderfegung in dem Gröenntniffe des Otte 
richte Königäberg über die wirklich erfolgte Injurünag 
vieler Lieutenants ohne deren Ramhaftmachung, und Nadel, 
dag die befondern Kläger in jenen: Btelen enthalten gewem 

In der vorliegenden Schrift find die incriminirten Stellen nikt 

abgedruckt; es hätte aber ohne Anſtoß geſchehen können, ık 

man Das aus vielen andern veröffentlichten KBertheitigungb 

friften entnehmen kann. So jedoch gefchieht nicht nur mm 

Vervielfältigung und Verbreitung verbrecheriſcher Handlung 

ja fogar jeder Leſer ift geswungen, ſie für ſich neu zu * 

Aber das politiſche —2* ſcheint immer perſoͤnlicht 

ſynkrafien zu haben. S. Maxquart. 

| 





Literarifhe Anzeige. 


In unferm Verlage ift erfhienen und Durch alle Buchhandiape 
au beziehen: 


Die Frauen der Bibel 


In Bildern mit erläuterndem Ten 


Erſte Abtheitung: 
Frauen des Alten Teftaments. 15—20 Lieferungm. 


1.—5. Lieferung. . Schmal gr. 4. &ubferiptionsprei 
einer Lieferung 8 Nor. | 


Bei Bearbeitung des Terted war es die Aufgabe des Hets 

ebers, in möglihft urfprünglicher, an bie Bibel fi one 
Fender Daritelung die Charakterbilder biblifcher Yrau # 
zeichnen, Nichts hineinzutragen und Nichts binwegzundenr 
Die Bilder, welche zu den auögezeichnetiten ya 
moderner Kuntt gehören, liefern dazu einen lebendigen &s 
mentar und werden jeden Befchauer für die Tieblichen, fan 

Frauengeftalten einer alten, chrwürdigen Zeit begeiften. 
Die erfchienenen Lieferungen enthalten: Eſther, Mebefte, I 
Tochter Jephtha's, Dellle und Er 


— nn — — 


Nene Shahfpeare-Galerie 


Die Frauen und Mädchen in Shalſpeare! 
Dramalifdien Werken. 


Schmal gr. 4. 45 Stahlſtiche mit Text, welde I 
45 Lieferungen erfcheinen. 
Subferiptionspreis einer Lieferung: 8 Nor. 


1-8. Lieferung: Miranda, Ophelia und Bestriet. 
Jede Lieferung enthält ein Bild mit dem dazu gehörenden Zei 
welcher in wenigen Zügen den Lefer an die Hauptmomente N 
Stüds erinnernd, zugleich Die dargeftellten Charaktere beſonde 
bervortreten laßt. Die inleitung, welche nad Beendizus 
des Ganzen erfcheinen wird, fol dem Lefer eine Überficht dick 

verfchiedenen Schöpfungen des Dichters gewähren. 
Reipsig, im Detober 1846. 


VBVrockhaus S penarins. 





Verantwortliher Herausgeber: Heinrich Brodpans., — Drud und Verlag von F. WE. Brockhaus in Leipiig. 


Blätter 


für 


literarifche Unterhaltung. 


Mittwoch, 


lu 


Selbſtbiographie des Friedrich Freiherrn von 
Lupin auf Illerfeld. Vier Theile. 
(dortſegung aus Nr. 28.) 

Bei diefen Beſprechungen bairiſcher Zuflände liegt 
für den Lefer die Vergleihung mit den Schilderungen 
des Ritters v. Lang fehr nahe, ja wir finden ihn auch 
emwähnt ale „einen Ritter, ber auf dem gefchenkten 
Baul den Geber nieberreiten möchte”. Es ift hier in« 
def nicht der Drt, auf eine nähere Beleuchtung der er- 
wähnten Lang’fchen „Memoiren“ einzugehen; aber bie 
Bemerkung drängt fih mit großer Wahrheit auf, daß 
daſſelbe Stud Gefchichte Doch anders gefchrieben fein kann 
als ed von Lang geſchehen ift, ohne daß wir gerade im 
Allgemeinen an feiner Wahrbeitsliebe zweifeln wollen. 
Kur ift die Freude am Schlehten und am Säfeligen 
bei ihm zu offenbar, während Hr. v. Lupin eine ſolche 
nicht Sennt: darin liegt ganz befonders der Unterſchied 
zwiſchen diefen beiden Männern. 

So viel fea nun zuvörderſt zur Charakteriftit des Bu⸗ 
es im Allgemeinen und zur Kenntnif feines Verfaſſers 
geſagt. Bei Dentwürbigkeiten mwohlunterrichteter Zeit 
genofien fragt man jegt vorzugsweiſe nach der Ausbeute, 
die fie zur Befchichte ihrer Zeit Kiefern, fei ed um bie 
Neugierde und die Tadelſucht zu befriedigen (und Das 
geſchieht Leider über Gebühr), fei es um nügliche Bei⸗ 
träge zur Befchichte vergangener Erägniffe zu empfan- 
gen. Und in ber legtern Beziehung bietet und Hrn. v. 
Lupin's Buch zunähft eine reihe Anzahl fchägbarer 
Bilder aus dem Leben in der ſchwaͤbiſchen Reichsftadt 
Remmingen, in welcher er am 11. Nov. 1771 geboren 
worden ift. In feinem Vater, dem Kanzleidirector der 
genannten Stadt, begegnen wir einem Manne von durdy- 
aus ehrenwerther Gefinnung und von einem durch ganz 
Schwaben geachteten Namen, dem er auch bei ben Ein⸗ 
füllen der Franzofen dur mannhaften Widerſtand und 
Muge Umficht alle Ehre gemacht hatte. Dabei war er 
gelehrt, aber kein Stubengelehrter, im gefelligen Leben 
angenehm, im öffentlichen Leben gerecht und uneigen⸗ 
nügig; fein hoͤchſter Wunſch war die Erwerbung eines 
Grundbefiges, wo er als freier, unmittelbarer Mann le⸗ 
ben koͤnnte. Dies gelang ihm auch duch den Ankauf 
von Illerfeld, nicht weit von Memmingen au ber Deer- 
fizaße, Die nach der Schweiz führt, weiches bei der Fa⸗ 





— Nr. 294, — 


21. Detober 1846, 


— — — — — — — —— — — — — — —— — — — 





milie geblieben und ſpaͤterhin von dem Sohne, dem 
Verf. unſers Buches, 1843 als ein Fideicommiß herge⸗ 
ſtellt worden iſt. Uber Herkommen und Geburt unſers 
Verf. werden wir ſehr ausführlich berichtet, ebenfo über 
die erſte Auferziehung durch die Mutter, eine verftän- 
dige, firenge Frau, ba es für einen Mann von des 
Vaters Stand und Anfehen damals für unfhidlich galt, 
wenn er die Kinderfiube betrat. Nach der Sitte der 
Zeit ward bei bem Knaben, ber ariſtokratiſchen Ge⸗ 
ſchlechts war, vor Allem auf Anftand und Feinheit der 
Manieren gefehen, der „junge Herr Frig” follte mit 
Gaſſenbuben feinen Umgang haben, er warb ängftlid 
im Haufe gehalten, ein Hofmeifter unterrichtete ihn; Al⸗ 
les ging fill feinen Gang fort wie überhaupt in der 
Stadt Memmingen. Aber in diefes Stillleben bringen 
die erfte jugendliche Liebe und die aufleimende Beſchaͤf⸗ 
tigung mit lateinifchen und beutfchen Dichtern anmu⸗ 
thige Abwechfelungen, und das frifche Landleben in Sller- 
feld bewahrte den Knaben vor einfeitiger Verdumpfung, 
der man fpäter durch Schulunterricht und durch den Um⸗ 
gang mit gebildeten Männern entgegenzuarbeiten bemüht 
gewefen war. Der plögliche Tod des älteften Sohnes 
Benedict und ber dadurch vernichtete Plan, benfelben 
mit einem fehr reichen Mädchen verheirathet zu fehen, 
änderte die Erziehung des jüngern Sohnes Friedrich, 
Denn „wie die Väter zu jener Zeit meiftene noch die 
Freiwerber ihrer Söhne waren”, fo ward aud Friedrich 
auserfehen, in zwei Jahren ſich mit ber Braut feines 
Bruders zu verbeirathen; daher. mußte feine Ausbildung 
befchleunigt und zuerft Die franzöfifche Sprache in Stras- 
burg erlernt werben. 

Wir finden unfern Verf, bier in den J. 1789 und 
1790 mitten unter ben Anfängen und Fortſchritten ber 
franzöfifchen evolution, bie auch ihn fo fehr mit 
in ihren Zauberkreis fortriß, daß er, ber beutiche Ba⸗ 
ton, auf die Ariſtokraten mitfhimpfte und an dem An⸗ 
griffe eines fchlechten, plünderungsluftigen Pöbels auf 
das Rathhaus fich fo fehr betheiligte, daß er felbft mit 
Steine in die Fenfter warf. Beſſere Srmahnungen be 
ſchwichtigten das aufgeregte Blut; aber er konnte nicht 
umbin, ale alle rechtliche Leute für ihre Eigenthum bie 
Waffen ergreifen mußten, in die Nationalgarde einzu⸗ 
treten unb als Wachtmeiſter zu Pferd Dienſte zu thun, 





. 1174 


bis ihn fein Vater hieß feine Studien in Göttingen fort- 
zufegen. Mit dem Paſſe und in der Kleidung eines 
Serbergefellen (ba man feinem Abgange würde Schwie- 
tigkeiten in den Weg gelegt haben) verließ er zu Oftern 
1790 Strasburg und ftudirte nach feinem eigenen Aus⸗ 
drude „wie ein. Pferd“ in Göttingen zwei Jahre lang 
die Rechte. Hier begründete er unter Blumenbad) feine 
durch das ganze Leben andauernde Liebe zur Mineralo- 
gie, durchkreuzte Deutfchland auf bergmännifchen Reifen 
in verfchiedenen Richtungen, lernte Werner in Freiberg, 
Lean Paul in Baireuth, Wildenow, Karften, Biefter 
und Nicolai in Berlin kennen und gewann endlich die 
Erlaubniß des Vaters zu einer Neife nad Kopenhagen. 
Von dort ging er zur See nad) Königsberg, ward bier 
von Kant freundlich aufgenommen und gaſtlich bemirthet, 
und nahm dann feinen Weg dur Polen und Schlefien 
nah Wien und Ungarn, und kehrte durch Steiermarf, 
Krain, Kärnten, Salzburg und Baiern nah Memmin- 
gen zurück. Manches Reifeabenteuer wird hierbei den 
Lefer ergögen, denn Hr. v. Zupin war ſtets fröhlich und 
guter Dinge, ein Verehrer der fchönen Frauen und Mäb- 
den; und fo gönnen wir gern dem Greife diefe Erinne- 
zungen an die Jugendzeit, wofür er nad unferm Dafür: 
halten gar einer Entfehuldigung bedurft hatte Wie 
[hal und abgelebt erfcheinen dagegen die Schilderungen 
vieler unferer heutigen Zouriften — und wie Wenige 
werden im Greiferalter mit fo harmlofer Gefinnung auf 
die Erlebniffe ihrer Jugend zurüdfchauen Fönnen! 

Nach faft fechsjähriger Abweſenheit fah Hr. v. Lupin 
die Vaterſtadt wieder. Aber er, der „vor lauter Sonn- 
und Feiertagen ein Sonntagstind geworden war und 
ein Prieſter der verfteinerten Koftbarkeiten in und über 
der Erde”, fand in feiner Vaterftadt „wenig gläubige 
Seelen”, ja die eigene Mutter mußte nicht, was fie aus 
einem „Mineralogen‘’ machen follte und fürchtete, daß 
er „wie ein Pedant“ ausfehen möchte. Indeß, es half 
Nichts, der junge Patrizier mußte ſich mit den Fleinftäb- 
tifchen Wefen und mit den „lebendigen Mumien“, wie 
ee fih in feinem Tagebuche ausdrückt, befreunden und 
ſich an feine Reichsſtädter gewöhnen, die er in ihrer 
geiftigen Ausbildung, in Kunft, Lebensgenug und Mobe 
um ein ganzes Jahrhundert zurüdgeblieben fand; er 
mußte die nothwendigen Beſuche machen, um nad dem 
Willen feines Vaters zum Stabtgerichtsaffeffor gewählt 
zu werden; er mußte es mit anhören, daß bie alten 
Dienftboten ihn mit Reben tödtefen, und endlid den 
Schmerz erbulden, daß der regierende Bürgermeifter 
feine Liebhaberei für Pfeifenköpfe mit Lupin's Begeifte- 
rung für die Mineralogie verglih. Dazu follte er aud) 
baldmöglichft heirathen und wäre doc, lieber auf dem 
Ural gegangen, um geognoftifche Unterfuchungen anzu⸗ 
fielen. Uber der wohlmeinende Rath des Waters heilte 
ihn von folchen Jugendträumen und eine lange Unterre- 
dung mit biefem verftändigen Manne beftimmte ihn in 
der Heimat zu bleiben, ihr feine Kraft zu mwibmen und 
des Vaters mohlangelegte Plane durchzuführen. Die 
Rede, welche Hr. v. Lupin bei biefer Gelegenheit (Ab⸗ 
fhnitt 27) aus dem Munde feines Vaters mittheilt, 


ift wol ſchwerlich fo gefprochen; aber fie hat ganz den 
Bortheil der Rebe in den 'alten Gefchichtfchreibern, dem 
fie fchildert uns auf das würdigfte Die Vortheile reiht 
ftändifcher Unabhängigkeit, eigenen Befiges und cin 
dem Dienfte eines kleinern Gemeinmwefens gewidmeter 
Lebens, ohne dabei zu verhehlen, daß fich in die Ber 
waltung deffelben manche Misbräuche eingefchlihen yit- 
ten, beren Verbeſſerung aber durchaus nicht von be 
neuen franzoͤſiſchen Aufklärung zu erwarten fei. De 
Abfchnitt verdient wieberhoft gelefen zu werben. 

As nun Hr. v. Lupin Stadtgerichtsaffeffor gemer: 
den war (1794) und fi ein Jahr darauf mit Mariette 
v. Hartlieb verheirathet hatte, fich auch immer behagli 
her in Memmingen finden lernte, brachen über Echm: 
ben die Nöthe und Stürme des Revolutionskriegs be: 
ein. Wie in andern Gegenden Deutfchlandd mar man 
auch bier forglos und ungerüftet; die traurigen Rab 
richten aus dem Schwarzwalde, nachdem Moreau ım 
24. Juni 1796 bei Kehl den Rhein überfchritten hatt, 
erfchredten wol die Menfchen, aber regten Die zu frirm 
thätigen Maßregeln auf, denen „„Deutfhlands (Ehre m) 
Wohl fo gleichgültig war als die Erhaltung bes turm- 
jährigen chinefifchen Reichs“. Unfer Verf. entwarf ie 
damals, wie drei Zahre fpäter ber mainzifche Kara 
Albini, den Plan zu einer allgemeinen Volksbewaffnung 
aber weder das DBürgermilitair noch die Zünfte welt 
etwas davon wiffen, ja der Sprecher ber legtern meint, 
man fönne den Bürgern doch nicht zumuthen, in dien 
Noth ihr Leben für die Privilegien und die Pat 
aufzuopfern. Mit Recht zürnt Hr. v. Lupin über fe* 
Sefinnungen, die freilich zu Deutfhlands Schanden 
mals nur zu häufig die hberrfchenden gewefen ie. 
Überhaupt enthalten des Verf. Berichte und Schilder: 
gen aus den 3. 1796 — 1802 traurige Beiträge im 
Geſchichte der Schwäche, Unentfchloffenheit und Rat 
lofigkeit, durch die unfer Vaterland eine Teichte Bart 
der Franzofen geworden iſt; aber auch eine warnen 
Mahnung für alle Zeiten, die unferige nicht aut 
nommen. 

Die Kriegsſcenen wechfelten in Memmingen ulS 
ab. Das Land war offen, feitdem die ſchwäbiſchen Kit 
truppen bei Biberach von den Oftreichern, ihren eigen 
Berbündeten, entwaffnet und nach Haufe gefhidt mı 
ren: eine Scene, die Hr. v. Lupin am 28. Juli 17% 
felbft mit anfah und mit tiefer Empörung befhriet 
bat. Kurz darauf lagerte das Condé'ſche Got b 
Memmingen, über deffen Anführer, die ihm begleitende 
Prinzen von Berri und Enghien, die Offiziere un 
Soldaten deſſelben neue und intereffante Racricten 9 
geben werben. Der Vater des Verf. fagt: 

Es liegt in diefen Menfchen etwas Großes, etwas dr 
ſches, ich möchte fagen Hiftorifches — aber fie haben ihre 3% 
überlebt. 

Und fo mifchte fi) auch in ihnen der Stolz dei di 
franzöfifchen Adels mit der Galanterie und der rigig 
Unterhaltung bei Tafel, zu deren Beichaffung die Kid 
und Bäder alles Mögliche thaten. Des Prinzen Com 
Koch bat nur immer um Trüffeln, dann wolle er ſche 


3178 


Alles Herfichen. Faſt unmittelbar nach den Genbeern 
erfhienen bie Republikaner, die Stadt warb ftarf mit 
Einquartierung belegt, die Franzoſen nahmen und plün- 
derten, das Requiſitionsſyſtem ftand ſchon damals im 
feiner fchönften, von den Deutfchen nie erreichten Blüte, 
ganze Bataillone waren mit Sänfen, Enten und Hüb- 
nern wie geſpickt, die Generale hielten in Memmingen 
große Tafel, die von allen Abteien, Kloͤſtern, Gütern 
und Dörfern befchidt werben mußte Hr. v. Lupin 
wurde mit den Leuten gut fertig, er war gewandt, be» 
hülflich und doch dabei rechtlich; in feinem Haufe war 
die Niederlage aller Kriegslieferungen, Alles ging durch 
feine Band und deshalb nennt er ſich felbft im Scherze 
den „Oberſtkuchelmeiſter“. Als es nach dem Siege über 
die Condéer bei Kamlach am 12. Yuguft 1796 in 
Memmingen etwas ruhig geworden war, begab ſich un- 
fer Verf. eine Zeit lang auf mehre, feinen Verwandten 
zugehörige Herrfhaften in der Nähe und fteuerte da 
nah Vermoͤgen dem franzgöfifhen Unmefen. Darauf 
erfolgte Moreau's Rückzug und ber Friede zu Campo» 
Formio, der den bedrügten und verheerten Schwaben 
eine kurze Ruhe vergönnte. 


(Die Bortfegung folgt.) 





Die Zigeuner in Europa und Aſien von U. 3. Pott. 
Ethnographifch »linguiftifche Unterfuchung, vornehmlich) 
ihrer Herkunft und Sprache, nad gedrudten und un- 
gedruckten Quellen. Zwei Theile. Halle, Heynemann. 
1844 — 45. Gr. 8. 5 Thlr. 10 Nor. 


Die Linguiftil, eine der jüngften Erfcheinungen auf dem 
biete der en bes neueren Europas, bat erft da» 
duch ſich die Fähigkeit erworben, der Geſchichte wichtige Dienfte 
zu erweifen, daß fie auf rationnelle und empirifche Grundlagen 
zurülgeführt ward und in Folge deffen dad Reich einer zügel- 
iofen Yhantafie verließ, wohin fie namentlih der Schwede 
Dlaus Rudbeck (geft. 1702) geführt hatte. Und feitbem Pallas, 
Melung, d. Arndt, Klaproth und Bater, die eigentlichen Be: 
gründer der Sprachvergleichungswiſſenſchaft, fo zahlreiche und 
zum Theil treffliche Schüler durch ihre Werke erzogen haben, 
ift die Linguiſtik eine Wiſſenſchaft geworden, bie der Hiftoriker 
son Fach durchaus nicht mehr entbehren kann, wenigftens duͤr⸗ 
fen ihm ihre Refultate ſchlechterdings nicht unbekannt fein. Wäh- 
tend aber die Franzoſen, die Deutfchen und die Engländer ſich 
vorzugsweife auf den Sprachgebieten des Weftens und bes 
Dfiens der Erde bewegen, haben die ruffifchen Akademiker den 
KRorden für ihre linguiftifchen Studien. auserfehen aus Grün- 
den, die theils in der Geſchichte, theild und namentlich in den 
geographifchen und ethnifchen Berhältnifien ihres großen Staats 
liegen. Auch verdient es ats eine beim erften Anblick auffäl« 
lige Erfcheinung bemerkt zu werden, vie fich indeß Durch das 
deben Ermwähnte recht wohl erklaͤrlich macht, daß die rufjtfche 
Raiferin Katharina II. von ihrem halbbarbarifhen Throne aus 
ven Impuls zu fprachvergleidhenden Studien gab, während Der 
jebildetere und viel gelehrtere Weften Europas fi) noch wenig 
m die Sache fümmerte und im Ganzen noch nicht fehr über 
ie im Klaren war. F. v. Adelung, ein Reffe des alibes 
'annten Urhebers des „Mithridated”‘, bat in einer befondern 
Schrift 1816 die Verdienfte jener berühmten Zarin um bie ver: 
jleihende Sprachkunde gewürdigt; den nun ungleich beffer als 
rüber angebahnten Weg find in der neueften Zeit Eichhoff, 
Rurray, Wilhelm v. Humboldt , Bopp, Diez und 9. mit dem 


ihönften Erfolge bemuͤht geweſen nicht nur weiter fortzufühe 


| 


ren, fonbern aud noch ee ebenen und zu ertdeitern. Al⸗ 
lein nicht blos die GSeſchichtswiſſenſchaft hat von der verglei- 
chenden Linguiftit bereits wefentliche Vortheile erlangt, auch 
die safe Philologie bat, obſchon lange mit einem gewiffen 
ſelbſtzufriedenen Stolze widerftrebend, den Mefultaten derfelben 
ein geneigtes Ohr leihen müſſen. Und es ift bereits dahin ge- 
Sommen, daß, wer in der Geſchichte oder in der Grammatik 
ber beiden claffilhen Sprachen jegt etwas Befriedigendes leiſten 
will, den linguiſtiſchen &tudien oder wenigftend deren Er⸗ 
gebniffen nicht mehr ausweichen kann und darf. Ia es Hat 
die Linguiftif, da ihr zugleich praktiſche Zwecke und die Zeit 
verhaͤltniſſe fo nahe gerüdt find, eine Bedeutſamkeit und An⸗ 
iehungsfraft gewonnen, daß fie dem antifen Humanismus Ger 
abe droht: der moderne Humanismus ftrebt einen Theil jener 
Wiſſenſchaft zu feiner Bafiß zu machen. Bon welchem: größern 
oder geringern Erfolge aber auch immer biefes Streben be» 
gleitet werden möge, fo viel ift unbeftreitbar gewiß, die ſprach⸗ 
vergleichenden Urbeiten haben der Linguiſtik einen Werth ver- 
chafft, daß ihr in dem Kreife der übrigen Wiffenfchaften 
ür immer ein ehrenvoller Platz gefichert bleibt. Und das 
Werk, das und vorliegt, ift nicht wenig geeignet, den Hiſto⸗ 
riter fo gut wie den Linguiften felbft in dieſer Meinung gu 
beftärten. Auch bat der Verf. auf diefem Felde der Wiſſen⸗ 
fhaft fo Jüchtiges geleiftet, daß fein Name eine hinlaͤngliche 
Bürgfchaft gewahrt für Lie Gediegenheit und Berdienftlichkeit 
Deſſen, was er in der biftorifchen Frage über die Zigeuner in 
Europa und Afien geleiftet bat. Und das Institut de France 
fand ſich veranlaßt,; dem Verf. den vom Grafen Volney aus: 
efegten Preis für vergleichende Sprachkunde zuzuerkennen. 
er aber wie der Berf., und Dies mit vollem Rechte, von der 
Überzeugung ausgeht: „Das Gedeihen der allgemeinen Sprach⸗ 


wiflenfhaft hängt nicht zum geringften Theile von möglichft 


vielfeitiger und gründlicher Erforfhung wirklicher Einzelfpra- 
hen und deren Bergleihung untereinander ab; je mannich⸗ 
faltiger und entlegener von Ratur, auf je verfchiedenern Stu» 
fen der Bildung ſolche Sprachen ftehen, defto beffer. Aus 
allen Sprachen des Erdbodend zufammen aber erft wird ber» 
einft ein wahres und vollfommenes Gefammtbild des menſchli⸗ 
hen @eiftes, foweit in der Sprache er zur Erfcheinung Pam, 
und entgegenftrahlen” — wer, fager wir, von biefer Über» 
zeugung ausgeht und durchdrungen ift, wird gewiß, zumal 
wenn er fo tuͤchtig vorbereitet und ausgerüftet ift wie der 
Berf., allemal Borzügliches und der Wiſſenſchaft Erſprießliches 
zu leiften im Stande fein. 

Der Berf. bat fi) auf den einzig richtigen Standpunkt 
verfegt, auf den fprachvergleihenden; von da aus Bann allein 
der ganze Umfang der Frage überfehen und die Entfcheidung 
derfelben herbeigeführt werden, obfchon die Hautfarbe und bie 
Lebensweife ber Bigeuner, fowie einzelne biftorifche Andeutun- 
gen nicht gan; außer Acht gelaffen werden konnten. Das Ge: 
tammtergebniß feiner Forſchungen fpricht der Verf. in folgen: 
den Sägen aus: 1) Die Zigeunermundarten fammtlicdder Län» 
der, von fo vielen uns —-leider oft überaus fparlid — eine 
Kunde zukam, erweifen fi, trog der unendlich bunten und 
mächtigen Einwirkung fremder Idiome auf ft, in ihrem tief» 
innerften Grunde einig und gleichartig. 2) Man kann um 
möglich darin eine befondere mit den Gaunerfprachen oft ver 
wechfelte, davon jedoch völlig verfchiedene Volksſprache misken⸗ 
nen, und 3) diefe wurzelt unwiderleglich nicht etwa im Ygypti- 
fhen, noch irgendwo fonft als in den Volksidiomen des nörd- 
lien Vorderindiens, ſodaß fie, ungeachtet ihrer ungemeinen 
Berbafterung und Berworfenbeit, Doch zu dem im Bau vollen» 
detften aller Sprachen, dem ftolzen Sanskrit, in blutsverwand- 
tem Banane zu ftehen, ob auch nur ſchüchtern, fi rüh- 
men darf. 

Die Literatur über bie Zigeuner iſt feit dem 16. Jahr⸗ 
hunderte fehr reich. Alle Nationen Europas *), in deren Mitte 


*) In Afien und Afrika finden ſich übrigen® ebenfalls Zigeuner; 
für Amerika ſpricht zus Zeit nur erſt die Wahrſcheinlichkeu. 


—— — — — — —— 


1176 


Dad a ige Bolt erfchien, Haben bayı beigefkeuert: Eipanisr, 
% en, Staliener, Engländer, Deutſche, Slawen und Un- 
ie haben in dieſer Literatur ihre Vertreter aufzuweiſen. Der 

. ift mit großem Fleiße bemüht geweſen fich darin zu orien- 
tiren, und noch ungebrudte werthuolle Papiere von andern 
Gelehrten find ihm zum Gebrauche überlaflen worden. Daher 
wuchs ihm unter ben Händen wider alles anfängliches Erwar⸗ 
ten fein Werk zu zwei Bänden an. Bein Duellenverzeihniß 
ift deshalb für ebento werthuoll anzuſehen als es mühfam gear» 
beitet if. Auch dadurch bat der Verf. feinem Werke einen 
bleibenden Werth gegeben. 

Die fehr verfchiedenen Namen ded Bigeunervolled haben 
ihren Grund theils in der ſchwarzen oder wenigſtens fehr bun- 
keln Hautfarbe deffelben, theils find fie von der Beichäftigung 


- entlehnt, theils hat man fie ihm nach der wirklichen oder ver⸗ 


meintlichen Herkunft gegeben. Der in Europa beiweitem ver- 
breitetfte Name, der jedoch unter fehr mannichfachen Modifica- 
tionen in ben verfchiedenen Rationalfprachen ericheint, ift ber 
Sanntlich „Zigeuner; aber fo verbreitet er ift, fo wenig läßt 
Äh doch auch nur mit einiger Gewißheit fein Urfprung etymo⸗ 
logifch nachweiſen. Die verfchiedenften Etymologien find ver 
ſucht worden — manche grenzen faft an das Läderlihe —, in⸗ 
deß nus wenige haben bie Grenzen der Wahrſcheinlichkeit er 
reicht. Die Franzoſen nennen die Zigeuner Bohsmieus, ents 
weder weil zuerft von Böhmen aus Kunde von ihnen nad 
Frankreich Fam, oder, was wahrfcheinlicder ift, „weil man fie 
mit den umberftceifenden Böhmifhen Brüdern in eine Clarfe 
feste’ und deren Sprache den Franzoſen damals ebenfo fremd 
war als die der eigentlichen Bigeuner. Bei den Engländern 
heißen fie Gypsies, eine Benennung, die, wie die fpanifche 
Gitanos, aus Aegyptii entſtanden ift; denn die Annahme, daß 
Die Zigeuner aus Agypten flammten, zeigt fi) in Europa 
ebenfo alt ald weit verbreitet. Bemerkenswerth ift, daß die 
Spanier fie auch Neucaftilier, Deutfhe und Flanderer nen» 
nen ,-ein recht auffälliger Beweis, wie verworren bie Volks⸗ 
weinungen über die Herkunft der Bigeuner bei ihrem Erſchei⸗ 
nen waren und zum heil noch find. Der Gewaͤhrsmann für 
jene bemerfenswerthe Erſcheinung ift der durch feine Bibel 
wiffion in Spanien fo bekannt gewordene Engländer George 
Borrow. Diefer fchreibt in dem erften Bande feines Werkes 
„ Zincali, er an account of the Gypsies of Spain” 
(London 1841) &. 37 Folgendes: 

„Gitanos, or Egyptians, is the name by which the 
Gypsies have been most generally known in Spain, in the 
encient as well as in the modern period, but various other 
names have been and still are applied to them; for example, 
New Castiliane, Germans and Flemings; the first of which 
titles probably originated after tbe name of Gitäno had 
begun to be considered a term of reprosch and infamy. 
The may have thus designated themselves from an unwil- 
lingness to utter, when speaking of themselves, the de- 
tested expression «Gitäno», a werd which seldom esca 
their mouths; or it may have been applied to them first 
by the Spaniards, in their mutual dealings and communi- 
cation, as a term less calculated to wound their feelings 
and te beget a spirit of animosity than the other; but, 
however it might have originated, New Castilian, in course 
of time beoame a term of little less infamy than Gitäne; 
for by the law of Philipp the Fourth, both terms are for- 
bidden to be applied te them "under severe penalties. — 
That they were called Germano, may be nocounted for, 
either by the supposition that their generic name of Rom- 
many was understood and mispronounced by the Spaniards 
amengst whom they came, or fram the fact ef their ha- 
ving passed through Germany in their way to the south, 
and their bearing passports and letters of safety from the 
various German states. The title of Fleming, by which at 
the present day they are known in various parts of Spain 


would prebably never have been bestowed upon them but 


from the cincumslance of their ha been designated er 
believed to be German — as * and Fiemisg ara 
considered by the ignorant as synonymous terms.” 

Auch in mehren andern europaͤiſchen Sprachen hat das 
Wort Bigeumer einen befhimpfenden Charakter angenommen, 
als: Dieb, Spigbube, Räuber u. f. w., aͤhnlich wie die alten 
Griechen unter Kretenſer ſich aud einen Lügner badıten. Sith 
Ken nennen übrigens die Zigeuner Roma oder Romma, d. i 

änner von Rom der Mann. 

Ein Volt nun, von dem der ſchon erwähnte Borrow fe 
treffend fagt, Daß fi feine Zelte in den Ebenen Brafiliens ( 
und auf den Höhen des Himälaja fänden, und beflen Oprade 
in Moskau und Madrid, ſowie in den Straßen Londons und 
Konftantinopels gehört werde, und das in der That eine merk 
würdige Anomalie unter den Bewohnern der Erde genannt 
werden Tann, mußte die Prage nach feiner Herkunft fehr bald 
aufwerfen laſſen. Schon frühzeitig wurden die Zigeuner für 
Ugypter erklaͤrt auf den Grund einiger Bibelſtellen; aud ber 
Usıftand ward zu Hülfe genommen, daß fie bei den Zürken 
den Namen Färäwni, d. i. Pharaoniter, führen. Und nad 
einer bekannten Berwechfelung wurden fie fogar für Athiopen 
gehalten. Außerdem find noch manche andere Hypotheſen im 
Laufe der Zeit über ihre Abſtammung aufgetaucht. Die Brage: 
Wann find die Zigeuner zuerfi in Europa erfchienen? hat du 
Gelehrten ebenfalls vielfach befchäftigt- Der Behauptung, dab 
vor dem Jahre 1417 Reine fihern NRachrichten über ihr Dafin 
in Europa fi nachweifen ließen, find die namhafteften Kor 
[her und Kenner ihrer Geſchichten und Zuſtände entgegenge 
treten. Denn ihr Erſcheinen auf dem europäifhen Eontinente 
mit dem Auftreten des tatarifchen Eroberer Zimur in Ber 
bindung zu bringen zeigt fi anderweiten Nachrichten zufolge 
als unhaltbar; nur Das kann zugegeben werden, daß fie ft 
dem genannten Jahre von Often weiter nad) Welten vorgelör 
ben werden und mithin auf dem Grund und Boden von Star 
ten erſcheinen, deren Nationalität und Bildung bereits fo mt 
widelt und fo weit gediehen war, daß jene wunderbaren Fremb- 
linge fogar wiffenfchaftliches Intereffe bei ihnen erregen und 
Schriftfteller veranlaffen Eonnten,, befondere Kenntniß von ih 
nen zu nehmen, wozu der minder gebildete Oſten Europas bei 
weitem weniger aufgelegt oder geeignet war. Und ift dieſer 
Theil unſers Eontinents nicht überhaupt während des Mitte 
alters an das Auftauchen ber verfchiedenen Völkerftämme glad- 
fam gewähnt worden? Mit großer Leichtigkeit eignen ſich de 
Bigeuner fremde Sprachen an, und mit vieler Gefdidüd 
keit haben fie in ihre Mutterfprache, deren Armuth ber Kir 
drigkeit des Volkes entipricht, Diejenigen Ausdrüde und Berter 
aus fremden Idiomen verwebt, deren fie bedürfen. Und um 
Familien » und Perfonennamen zeugen für ihr Unfchmiegem eR 
die Sprache des Volkes, unter dem fie leben, z. B. Rage 
ſtern, Reinhard, Florentine, Wdelgunde u. ſ. w. Den Br 
weis für dem indifcgen Uriprung der Bigeuner hat der Bei. 
durch feine grammatifchen und lerilaltfchen Leiftungen trefflich 
geführt. Bemerken wollen wir wur noch, daß fein jünger 

orgänger auf diefen Gebiete, Heifter (1841), jenes Bell mw 
laifchen Urfprungs fein läßt. 7. 





Noti;. 
Boshafte Ablehnung einer Wette. 

Zwiſchen Sheridan und Monk Lewis kam es einft zu einem 
bartnädigen Meinungöftreit, in Folge deſſen ber leptgenannit 
Schriftfteller dem Erftern ald Wette ben Ertrag feines damals 
erfhienenen Werkes „Castle speetre”, das zu ihrer Zeit vid 
Beifall unter dem fchöngeiftigen Publicum fand, einzuſetzen dot 
flug. Der kauſtiſche Sheridan ſchlug die Wette mut den Ber 
ten aus: „Da ich nur um Kleinigkeiten zu wetten pflege, P 
Bann ich nicht einfegen, was Ihr Werk eintragen wird; abet 
ich habe Nichts dagegen, was ed werth ift als Sag zu halten“ 


Berantwortliäier Deranögeder: Peinsid Weodifant. — Deu& und BWeriag von Y. SE. Wrodpaus in Beipgig. 
een N 








Blatter 


f 


ut 


literariſche Unterhaltung, 





Selbſtbiographie des Friedrich Freiherrn von 
m. n auf Illerfeld. Vier Theile 
(Bortfegung aus Nr. 281.) 


„Anfere kleine Republik“, beginnt der Verf. feine Ge 


ſchichte des Kriegs 1709, „erwartete den neuen beiſpiel⸗ 


loſen Krieg zwar in keinem neuen, blutigen Feſtkleide, 
wie däe Schweizer, aber in einem alten, abgetragenen 
Staatſsrocke voller Löcher.” Ihn traf wiederum bas 
Amt, fir bie pünktliche Leiftung der gefoderten Natural: 
bedürfniffe zu forgen, dem Ober im Namen ber 
Stadt aufzuwarten und bei Deu Dislocationen der Trup⸗ 
pen, Unterbringung von Gefangen, Errichtung von 
Lazarethen, Magazinen und ähnfichen Beranlaffımgen 
das Intereſſe der Stadt zu wahren. Übgefehen von 
der Wichtigkeit und Berantwortlichleit biefer Amter, fo 
war ihm Sein Bang zu viel und jede Gelegenheit will 
fommen, Perfonen von Bedeutung zu begegnen. 

Er übernahm — fo leſen wir I, 199 (denn er fpricht 
von fich ftetS in ber dritten Perfon) — oft ein Gefchaͤ 
um dieſen oder jenen pubtifen efarafte Pennen zu lernen. Es 
war ihm dabei nicht bloß um die Perſonen felbft und ihr Er⸗ 
Eennen zu thun, fondern auch ihnen befannt zu werden. Ya 
einer Zeit, wo fih alle Geſchaͤfte j perfönlihen geftalteten, 
war es ein großer Vortheil, perfönlich bekannt und gut ange: 
fhrieben zu ftehens konnte man e8 mit den Hauptperfonen zum 
Gejelligen, zum Umgaͤnglichen Bringen, fo wurden die wichtig: 
ften Gefchäfte oft fyielend na Wunſch abgethan. Richt im- 
mer haben Hochgeſtellte ein fo ſchlechtes Gedaͤchtniß für minder 
Bedeutende als man gewoͤhnlich glaubt. 

Das find wahre Worte und wahrlich, wenn es in 
den Kriegsgeiten und in den nacgfolgenben Jahren ber 
Fremdherrſchaft in Deutfchland nicht Männer wie Gagern, 
Aupin, Niemeyer, Dohm, Strombe und manche andere 
ehrenwerthe Derföntichteit, deren Name in unverdiente 
Vergeffenheit gefunten iſt, gegeben Hätte, fo wäre noch 
weit mehr ımtergegangen als ohnchin {chen in jener bö⸗ 
fen Zeit verloren gegangen iſt. 

Und fo tritt uns denn in ber legten Halfte des 
zweiten Theils eine anfehnliche Geſellſchaft merkwürdiget 
Männer entgegen, deren Bilder durch neue Striche und 
Farben vervollftändigt erfchemen. Unter ben Oſtreichern 
nennen wir den Erzherzog Karl, den ‚„Wusermählten, 
der, rein wie Bold an Bitte und Deukart, in einer 
an Unthaten unb Sünden hberfluteten Beit hereamsagte””, 


Morenu den wmeiften Verkehr. Lecourbe händigt glei 
beim erften Fruͤhſtũck ihm eine fehriftliche Branbfhagung 
(diefe hieß damals invitation im franzoͤſiſchen Armee⸗ 
AU) von 200,000 Franucs ein, war dann fehr entrüſtet, 
ale ein Geſchenk ihm in Geldfäßchen dargebracht wurde, 
weil er die Summe in Gold und nicht in Silber hatte 
haben wollen, fpielte aud deu Kunſtkenner, wo es galt, 
gute Bemälde mitzunehmen und Gilberferniceh zu empfan- 
gen. Vandamme war ber eigentliche NRäuberhauptmann 
in der franzoͤſiſchen Armee, Mortau dagegen ein durch 
aus tugenbhafter, rechtlicher Mann, einfach and anſpruchs⸗ 
los und von befter Crziehung. Wie er fo ohne allen 
Stolz und Generalshochmuth war, zeigt und Die harm⸗ 
loſe Erzählung, wo er in des Verf. Haufe Klumpſack 
mit den jungen Maͤdchen fpielte, babei tüchtige Schläge 
wmpfing und ein mal über bas andere erklärte, er babe 
fein Lebtage nicht fo gelacht wie am dieſem Zage. 

Alle nachfolgende Thatigkelt des Hrn. d. Bupin im 
Besteht mit den framzoͤſiſchen Kriegsconrmiſſaiven and 
wit ben Ständen des ſchwabiſchen Kreiſes, für bie er 
der Geweralliqwidator war, im Einzelnen su begleiten 


geſchehen iſt. „Sieber Befer, du magſt 30 Friedentlahre 
hindeerch den Artog beſen, bir wird es nicht zu Mathe 
fen eie mir in biefer Stundel“ 


1176 


das auffällige Boll erſchien, Haben dazu beigefteusrk: Gipanisz, 
Sranzofen, Staliener, Engländer, Deutſche, Slawen wand Un- 
En haben in dieſer Literatur ihre Vertreter aufzuweiſen. Der 

ef. iſt mit großem Fleiße bemüht geweſen fich Darin zu orien- 
tiven, und noch ungebrudte werthvolle Papiere von andern 
Gelehrten find ihm zum Gebraude überlaflen worden. Daher 
w ihm unter ben Händen wider alles anfängliches Erwar⸗ 
ten fein Werk zu zwei Bänden an. Bein Quellenverzeichniß 
iſt deshalb für ebenfo werthvoll anzufchen als es mühfam gear⸗ 
beitet iſt. Auch dadurd bat der Verf. feinem Werke einen 
bleibenden Werth gegeben. 

Die ſehr verfchiedenen Namen ded Bigeunervolded haben 
ihren Grund theils in der ſchwarzen oder wenigftens fehr bun- 
Bein Hautfarbe deffelben, theild find fie von der Befchäftigung 
- entlehnt, theils hat man fie ihm nach der wirklichen ober ver 
weintlichen Herkunft gegeben. Der in Europa beimeitem ver- 
breitetfte Name, der jedoch unter fehr mannichfachen Modifica- 
tionen in den verfchiedenen Rationalfprachen erfcheint, ift ber 
Banntlich „Zigeuner“; aber fo verbreitet er ift, fo wenig läßt 
ſich doch au nur mit einiger Gewißheit fein Urfprung etymo⸗ 
logifh nachweiſen. Die verfchiedenften Etymologien find ver» 
fucht worden — manche grenzen faft an das Lächerliche —, in⸗ 
dei nus wenige haben die Grenzen der Wahrſcheinlichkeit er» 
reiht. Die Franzoſen nennen die Zigeuner Bokdmiens, ents 
weder weil zuerft von Böhmen aus Kunde von ihnen nad 
Frankreich Fam, oder, was wahrſcheinlicher iſt, „weil man fie 
mit den umberfteeifenden Böhmifhen Brüdern in eine Glarle 
ſegte“ und deren Spradye den Franzoſen damals ebenfo fremd 
war als die der eigentlichen Bigeuner. Bei den Engländern 
heißen fie Gypsies, eine Benennung, die, wie die ſpaniſche 
Gitanos, auß Aegyptii entftanden if; denn die Annahme, daß 
die Zigeuner aus Agypten ſtammten, zeigt fih in @uropa 
ebenfo alt als weit verbreitet. Bemerkenswerth ift, daß die 
Spanier fie auch Neucaftilier, Deutſche und Flanderer nen 
nen,-ein recht auffällige Beweis, wie verworren bie Volks⸗ 
meinungen über die Herkunft der Zigeuner bei ihrem Erſchei⸗ 
nen waren und zum Theil noch find. Der Gewährsmann für 
jene bemerkenswerthe Erfcheinung ift der durch feine Bibel- 
wiffion in Spanien fo befannt gewordene Engländer George 
Borrow. Diefer fchreibt in dem erften Bande feines Werkes 
„The Zincali, or an account of the Gypsies of Spain” 
(London 1841) &. 37 Folgendes: 

„Gitanos, or Egyptians, is the name by which the 
Gypsies have been most generally known in Spain, in the 
andient as well as in the moderu period, but various other 
names have been and still are applied to them; for example, 
New Castilians, Germans and Fiemings; the first of which 
titles probably originated after the name of Gitäne had 
begun to be considered a term of re h and infamy. 
The may have thus designated themselves from an unwil- 
linguess to utter, when speaking of themselves, the de- 
tested expression «Gitäno», a werd which seldom escapes 
their mouths; or it may have been applied to them first 
by the Spaniards, in their mutual dealings and communi- 
cation, as a term less calculated to weund their feelings 
and te beget a spirit of animosity than the ather; but, 
however it might have originated, New Castilian, in course 
of time became a term of little less infamy than Gitäne; 
for by the law of Philipp the Fourtk, both terms are for- 
bidden to be applied te them ‘under severe penalties. — 
That they were called Germass, may be accoounted for, 
either by the supposition that their generic name of Rom- 
many was understood and mispronounced by the Spaniards 
ameongst whom they came, or fram the fact ef their ha- 
ving passed through Germany in their way to the south, 
and their bearing passports and letters of safety from the 
verious German states. The title of Fiemiags, by which at 
the present day they are known in various parts of Spain 
would prebably never have been bestowed upon them but 


Berantwortlicher Oerauögeber: Beinwih Brockpdans. — Drud und Verlag von F. SE. Drockhaus in Seipzig. 
ö——— —— — 


rem the circumsiance of their ha been desigmtie « 
believed to be Germans — as —— and Fleming am 
considered by the ignorant as synonymous terms.“ 

Au in mehren andern europäifchen Sprachen hat dal 
Wort Zigeuner einen befhimpfenden Charakter angenemmn, 
als: Dieb, Spigbube, Räuber u. |. w., aͤhnlich wie die alten 
Griechen unter Kretenfer fi auch einen Lügner dadıten. Gh 
Ion nennen übrigens die Zigeuner Roma oder Romma, di 

änner von Rom der Mann. 

Ein Bolt nun, von dem ber ſchon erwähnte Borrow fh 
treffend fagt, daß ſich feine Belte in den Ebenen Braflins if) 
und auf ben Höhen des Himdlaja fänden, und bdeffen Epradı 
in Moskau und Madrid, fowie in den Straßen Londons m) 
Konftantinopeld gehört werbe, und das in der That cine mal: 
würdige Anomalie unter den Bewohnern der Erde genanst 
werden Tann, mußte die Frage nach feiner Herkunft fehr bad 
aufwerfen laffen. Schon frühzeitig wurden die Zigeuner fr 
Agypter erflärt auf den Grund einiger Bibelftellen; auch kr 
Umftand ward zu Hülfe genomuien, daB fie bei den Zürkn 
den Namen Färäwni, d. i. Pharaoniter, führen. Und nad 
einer bekannten Verwechſelung wurden fie fogar für Athiche 
gehalten. Außerdem find manche andere Hypotheſen mm 
Laufe der Zeit über ihre Abſtammung aufgetaucht. Die Frax: 
Wann find die Zigeuner zuerfi in Europa erfchienen? hat u 
Gelehrten ebenfalls vielfach befchäftigt. Der Behauptung. de 
vor dem Jahre 1417 Beine fihern Rachrichten über ihr Diaz 
in Europa ſich nachweiſen ließen, find die namhafteſte kw 
fer und Kenner ihrer Geſchichten und Buftände entugaz: 
treten. Denn ihr Erfcheinen auf dem europäifchen Contaait 
mit dem Auftreten des tatarifchen Eroberers Timur in I 
bindung zu bringen zeigt fi anderweiten Nachrichten zubhz 
als unhaltbar; nur Das fann zugegeben werben, daß fi it 
dem genannten Jahre von Dften weiter nach Weften vorgeide 
ben werben und mithin auf dem Grund und Boden von As: 
ten erſcheinen, deren Rationalität und Bildung bereits I = 
widelt und fo weit gediehen war, baß jene wunderbaren le 
linge fogar wiflenfchaftliches Interefie bei ihnen erregen # 
Schriftfteller veranlaffen konnten, befondere Keuntni va? 
nen zu nehmen, wozu der minder gebildete DftenEuropas * 
weiter weniger aufgelegt oder geeignet war. Und if we 
Theil unferd Continents nicht überhaupt während des Rus 
alters an das Auftauchen der verfchiedenen Wölkerftämme int 
fam gewäpnt worden? Mit großer Leichtigkeit eignen fa’ 
Zigeuner fremde Sprachen an, und mit vieler Geſcien 
keit haben fie in ihre Mutterſprache, deren Armuth der Fr 
drigkeit des Volkes entipricht, Diejenigen Ausdrücke und Bam! 
aus fremden Idiomen verwebt, beren fie bedürfen. Ad # 
Bamilien » und Perfonennamen zeugen für ihr Unfdaigm 1 
die Sprache des Volkes, unter dem fie leben, z. 2. Rum 
ſtern, Reinhard, Plorentine, Wdelgunde u. f. w. De 
weis für dem indiſchen Urfprung der Bigeuner hat da Bei 
durch feine grammatifchen und lerilalifhen Leiftungen treflu 

führt. Bemerken wollen wir nur ir? daß fein ı 
orgänger auf diefen Gebiete, Heifter (1841), jenes Boll mi 
laiſchen Urfprungs fein läßt. in. 





Noti;. 
Boshafte Ablehnung einer Wette _ 

Bwifchen Sheridan und Monk Lewis kam es einſt zu rn 
bartnädigen Meinungsſtreit, in Folge defien der lettzenan 
Schriftfteller dem Erſtern als Wette ben Ertrag feines band 
erſchienenen Werkes „Castle speetre‘, das zu ihrer Zeit v 
Beifall unter dem ſchoͤngeiſtigen Publicum fand, einzufegen MM 
flug. Der kauſtiſche Sheridan ſchlug die Wette mit den Ba 
ten aus: „Da id) nur um Kleinigkeiten zu wetten pflege 
kann ich nicht einfegen, was Ihr Werk eintragen wird; N 
ih habe Nichts dagegen, was ed werth ift als gaben 


— 


1139 


Bit und fein Voll Wigen und vechifeztigen mag und 
muß, doch einmal für umfere Zeit und unſer Volk nicht paſſen 
und unfer Gefühl, das natürliche wie das verfeinerte, beleidi⸗ 
gen. Es liegt ferner darin, daß man den von Schiller betres 
tenen Weg, Shabfpeare durch angemeflene Umarbeitung gu un: 
ferm Eigenthume zu machen, wieder verlaflen hat und eigen» 
finnig darauf befteht, von Shakſpeare auch bei feiner Darſtel⸗ 
fung auf deutſchen Bühnen kein Wort fallen zu laſſen. 

Eine Kritit von Shaffpeare’s „Macheth‘' zu geben ift nun 
der eine Geſichtspunkt, von dem Herr Hiecke bei Abfaſſung 
feines Buches ausgegangen if. Sein Hauptzweck dabei war 
jedoh, einen Beitrag zur Methodik des diums großer por 
tiſcher Schöpfungen, eine Anleitung zur wiſſenſchaftlichen Be⸗ 
trachtung dichterifcher Kunftwerke, alſo eine Vorbereitung zu 
den rein wiffenfchaftlichen Leiftungen eines NRötfcher zu liefern. 
Sein Publicum fuche er daher in den Schülern der oberften 
Gpmnajialclaffe und in allen Denen, die, ohne die Betrach⸗ 
tung des Schönen zu ihrem Hauptſtudium zu machen oder mas 
hen zu konnen, wenigftens Theilnahme für das Schöne und 
die Kunſt befigen. Ihnen Allen will er ein redlicher und treu⸗ 
befliffener Führer fein und wir müflen ihm das Zeugniß ge 
ben, daß er ein befonnener, umfichtiger und gründlicher Führer 
it, ein Führer, der das Bedürfniß und die Kräfte der ihm 
Folgenden nie aus den Augen verliert. 

Daß Herr Hiecke gerade den „Macbeth zu einer foldyen 
Einleitung in das Gtudium dramatifher Dichtungen gewählt 
bat, ift eine im jeder Hinficht zu biligende Wahl. Die Raſch⸗ 
beit und Lebendigkeit der Handlung, die Durchſichtigkeit der 
Idee und des Plans, die folgerihtige und doch großartige 
Entwidelung in den Charakteren, vereint mit der größern Ber: 
trautheit, Die von Schiller, Bürger u. U. ber faft Jeder mit 
dieſem Stücke hat, machen es gewiß für den praßtifchen Iwed 
bed Verf. zu einem der tauglichſten Stüde, die er hätte aus: 
wählen koͤnnen. 

Das Buch) des Herrn Hiecke zerfällt, wie man aus dem 
oben Geſagten fchon abnehmen Bann, in zwei Theile, erſtens 
in die zergliebernde Betrachtung des „Macbeth und zweitens 
in die Kritik deflelben. j 

In dem erften Theile erhalten wir zunäcdhft eine LÜberficht 

der Handlung, fowol in ihrem Gefammtverlaufe als in ihrer 
Bliederung durch die einzelnen Acte und Scenen, fodann eine 
Entwidelung der Charaktere (&. I1— 63) und dann die der 
Idee des Stuͤcks (8. 63— 70). Bei der Entwidelung der 
Charaktere ift der Verf. mit Befonnenheit und Urtheil verfah⸗ 
ren; er fudht uns das Innere der handelnden Perſonen ſchon 
vor dem Beginne der Handlung darzulegen und den Strom, 
der im Stücke breit und gewaltig dahinfließt, bis in feine 
Eleinften Anfänge zu verfolgen, fo meit Dies überhaupt moͤglich 
it. Im Ganzen wird man ihm mol beiftimmen müffen, wenn 
man auch in Bezug auf einzelne Charaktere anderer Meinung 
fein ſollte. So Pönnen wir in Bezug auf Lady Macbeth und 
Banque nicht umhin, feine Darlegung in Zweifel u ziehen. 
Lady Macbeth ift unftreitig einer der ſchwierigſten Eharaktere 
des ganzen Stüds. Das Ungeheuere, Unmenfchliche oder Über: 
menfchliche in demfelben, der doch auch wieder fo rein menſch⸗ 
(ih ift und nur durd die Steigerung des Menſchlichen als er: 
fteres erfcheint, hat ſchon die mannichfachſten Deutungsverfuche 
hervorgerufen ;s Herr Hiede ift beinahe auf Tiecks Erklärung 
ihres Dandelns dur die Liebe zu ihrem Gemahle zurüdge: 
tommen. Gr fagt zwar felbft, daß das Analogon der Liebe, 
das Bebürfnid der Ergänzung des eigenen Geſchlechts durch 
das andere und der befriedigte Stolz auf bie gefundene Ergän- 
zung doch auch wol bei ihr möglich, ja nicht abzuleugnen Di 
bat auch Richts dagegen, wenn man den Ramen Liebe dafür 
nicht gelten laffen will, vorausgefegt, daß man einen ſchickli⸗ 
hern findet. Rur an zwei Stellen im ganzen Stücke fpricht 
Lady Macbeth fo, daß man ihr Liebe zufchreiben kann, das 
eine mal zu ihren Kindern: 


Yu dab’ gefäugt und weiß 

Wie füh das Kind zu lichen, des ich tränke, 
das andere mal zu ihrem Water, Deffen Ähnlichkeit mit Dun: 
can fie abgehalten hat, den Mord zu vollführen: 

— Wär’ er nit 

Im Schlaf fo aͤhnlich meinem Vater, felbft 

Hört’ iche gethan. 
Aber in dieſen legtern Worten liegt auch ſchon der Unwille, 
mit ‘dem fie ihre eigene Abhängigkeit anfieht; ſelbſt möchte jie 
bandeln, der Mann ift ihr nur ein nothwendiges Mittel zur 
Erreihung ihrer ehrgeizigen Pläne. Nennt man Das Liebe 
oder auch nur ein Analogon berfelben, wohl, fo ift die Welt 
der Liebe voll. Wir wollen nun nicht leugnen, daß Lady Mac 
beth wirklich Liebe zu ihrem Manne gebegt haben Fönne (ver: 
wilderte, aber urfprünglicy hochgefinnte Charaktere wenden, 
wie Herr Hiecke felbft fagt, die Liebe, die ihnen für alle An⸗ 
dern vollkommen abgeht, den nächften Angehörigen in concen: 
trirter Stärke zu), aber beweifen läßt fie fich nicht aus dem 
Stüde und Simrod hat ganz Recht, wenn er Tieck wegen der 
Einfhwärgung ber ‚drtticden Gattenliebe in den Xert der Über: 
fegung tabelt. Die Liebe Macbeth's zur Gattin ift allerdings 
ebenfo wenig wegzuleugnen ald bie der Gattin zu ihm zu be- 
weifen. Werner glauben wir Banquo gegen die doppelte Un: 
terlaffungsfünde, die ihm der Verf. zufchreibt, zu rechtferti⸗ 
gen; die in ihm auffteigenden ehrgeizigen Gedanken hat er al 
lerdings nicht verbannt, aber er verfucht es wenigftens, gibt 
ihnen keinen Raum und flieht fogar den Schlaf, um fich vor 
böfen Gedanken zu jihern. Mehr aber ann man vom recht⸗ 
lichften anne nicht verlangen, ald daß er Alles thut, was in 
feinen Kräften — um dem Boͤſen Widerſtand zu leiſten. 
Und daß er Mac Huldigt, daß er nicht den Muth hat, fi 
von ihm loszufagen, fo lange er Deffen Schuld nicht gew 
weiß, fondern nur vermuthet, wenn er damit eine Unterlaf- 
fungdfünde begeht, fo begeht auch der Dichter Sünde, der um 
eines Zmweifeld an der Schuld des Angeklagten willen Denfel: 
ben nicht verurtheilt. Was Banquo fehlt, ift der ſchnelle Blick 
und die ſchnelle Entfchloffenheit Macduff's; aber daß er Dies 
nit befigt, daran ift die Natur, nicht aber der Mangel eines 
reinen Gewiſſens jchuld. 

Bei der Erläuterung von Rebencharakteren, die der Dichter 
— nur mit wenigen Worten gezeichnet hat, kann man leicht 
n Gefahr kommen, zu viel in dieſelben hineinlegen, ihnen auch 
wol eine Bedeutung beimeſſen zu wollen, die fie gar nicht ha⸗ 
ben. Man erwartet ficher zu viel von dem Dichter, wenn 
man in jeder Rebenperfon diefelbe Beftimmtheit und Geſchloſ⸗ 
fenheit der Charaktere fucht wie in den Hauptperfonen. So 
bat 3.8. Rapp, weil er in Lenox nur den getreueften Anhaͤn⸗ 

er und fogar Schmeichler des Ufurpators fieht, in feiner Über: 
—* —8* Namen aus der Schlußſcene des dritten Auf 
zugs getilgt. Und doch hat der arme Lenor, um den Ramen 
Schmeichler zu verdienen, Nichts weiter gethan, als daß er den 


„Macbeth mit Mylord, my good lord, your highness, your 


grace and your majesty anredet und ihm gute Beflerung 
wünfcht, als er Trank wird. Wo und in welchen Beiten gab 
es Hofteute — und ein Hofmann aus des Königs nächfter Um⸗ 
ung iſt Lenox —, die fi ſolcher gewöhnlichen Höflichkeits- 
wmein entfchlagen durften? Auch Herr Hiedle hat Anftoß an 
diefen Ausdrüden genommen, die ihn jedoch nicht hindern, den 
Charakter des Lenor als Ginheit aufzufafien. Im Ganzen har 
er auch bei der Darftellung der Nebencharaltere das rechte 
Maß beobadtet. 

Die Idee des Stüdes wirb richtig beflimmt als: Darftel: 
lung des Ehrgeizes als einer daͤmoniſch wirkenden Macht, 
welche auf eine großgefinnte und zum umfaffendften Wirken 
befäbigte, aber durch eine äußere Schranke begrenzte Helden⸗ 
natur zum Frevel gegen eine gebeiligte Macht, von deren An- 
erfennung und Unterflügung wie das Wohl Aller, fo das ei- 
gene wahre Gluͤck des Frevelnden ſelbſt abhängt, gegen die 


, - . 1178 


Der Yortgang der Ereigniffe führt den DBerf., der 
mittlerweile am 23. April 1802 an feines Vaters Stelle 
durch einflinmige Wahl, aber zum Verdruß der Refor⸗ 
mer, zum Kanzleidirector erwählt war, nach Paris. Denn 
in Zolge der Verträge, welche den weltlichen beutfchen 
Zürften nach dem Luneviller Frieden Entfchädigungen 
für ihre an Frankreich gemachten Verlufte ficherten, fahen 
fih die ſchwaͤbiſchen Neichsftäbte mit Mebiatifirung bes 
droht und die Stade Memmingen ging auf des Verf. 
Rath ein, ihre Angelegenheit in Paris bei den Groß—⸗ 
mäthtigen. betreiben zu laffen. Wie fchmerzlih es auch 
für einen mohlgefinnten Deutfchen fein muß, den treuen 
Bericht des Verf. über die fchmähliche Abhängigkeit, in 
die fi) damals die deutſchen Fürften zu Frankreich und 
Rußland geftelle hatten, zu leſen, fo möchten wir doch 
feine Schifderungen ebenfo wenig entbehren als die des 
Freiheren v. Gagern (1, 110 fg.) und die des Ritters 
v. Lang (‚‚ Dentwürdigkeiten”, II, 52), mit denen die 
unfers Verf. durchaus übereinflimmen, z. B. auf S.308 fg. 
des zweiten Theile. Im Grunde war freilid) von deut⸗ 
ſcher Seite Wenig auszurichten und Hr. v. Zupin fah 
auch bald ein, daß alles Antihambriren bei Cobenzl, 
Sambacereg, Lebrun, Talleygrand u. A. Nichts fruchtete 
und daß man in Paris erſt die Pflaſterſteine verſilbern 
und vergolden müßte, wenn man zur Diplomatik gelan⸗ 
gen wollte. Markoff, der ruſſiſche Geſandte, verwechſelte 
überdies die Stadt Memmingen mit dem Herzogthume 
Meiningen. Alſo beeilte fih Hr. v. Lupin in die Hei- 
mat zurückzukehren, verkündigte dort, dag Memmingen 
wahrſcheinlich an Baiern fallen würde — und ward 
wiederum nach Regensburg abgeorbnet. Hier fah er aus 
den Außerungen des franzöfiihen Gefandten Lafdoreſt 
und der ruffifhen Bühler und Klüpfel, dag nicht bie 
Franzoſen allein das Meifterftüd des Entſchädigungswerkes 
niedergefchrieben hatten, fondern daß bie vielen deutſchen 
Diplomaten und Helferöhelfer in Paris den Umfang 
des ganzen Geſchäfts fo auseinandergelegt und erwogen 
hatten, daß die Branzofen dAgentlih nur die bdeutfchen 
Elaborate und Deductionen in ihre dictatorifche Sprache 
überzutragen brauchten. Aber doch ließ fi) ber Verf. 
beftimmen, noch einen legten Verſuch zur Erhaltung ber 
Reichsfreiheit für die fchmäbifchen Städte zu machen. 
Raſch ward ein Städtetag — es war der legte ſchwäbi⸗ 
ſche — in Ulm verfammelt, wo man ernftlicher die Sache 
nahm als auf frühern Städtetagen, an welden „man 
nichts Angelegentlicheres zu thun hatte als Beifteuern 
zu votiren und nebenbei drei mal des Tags ulmer Spar⸗ 
gel zu eſſen“, und in einer Denkfchrift der Reichẽfrie⸗ 
densdeputation zu Megensburg die Rechte und billigen 
Begehren der Reicheftäbte entwidelte. Hr. v. Lupin 
verfichert, daß diefelbe auf eine günfligere Abfafſung des 
Reichsbeputationsfchluffes von Einfluß gewefen ſei. Den 
Ständetag felbft aber fprengte die Nachricht auseinander, 
daß der Herzog von Wii 9, ungehalten, daß ſich 
in Ulm ein Stäbtetag ohne fein Vorwiſſen verfammelt 
habe, die Gefanbten wolle verhaften Iaffen, wobei befon- 
derö auf Hrn. v. Lupin, ber’ fax et tuba fei, Bedacht 


genommen und Derfelbe zur Verantwortung nad GEtrn⸗ 
gart abgeführt werden folle. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Zur Shaͤkſp eare⸗Literatur. 


1. Shakſpeare's Macbeth, erläutert und gewürdigt von Ir: 
bert Heinrih Hiede. Merfeburg, Nulandt. 186 
Gr. 8. 221%, Rer. 

2. Shaffpeare's Sturm. Hiftorifch beleuchtet von 8. 3. Ele: 
ment. Leipzig, Engelmann. 1846. &r. 8. 34, Ra. 


1. Ofter als einmal haben wir ſchon von Deutſchen de 
Behauptung gelefen, daß in Deutjchland mehr für das Ber 
ftändnig und die Erläuterung Shakſpeare's gethan fei al u 
England felbft und daß der Dichter gerade von Deutſchen am 
beiten verflanden werde. Es wäre zu viel gefagt, daß din 
Behauptung völlig wahr wäre; chne Wahrheit ift fie indem 
nicht. Die Deutfchen find die Erften gewefen, welde aufhet 
ten, fi mit allgemeinen Redensarten über die Dictergrk 
und die Mängel Shakſpeare's zu begnügen; fie haben biz: 
tem eher als die Engländer feine Stüde als organiſche Kt 
werke zu betrachten angefangen, anftatt nur bunte Spid: in 
Laune eines großen, aber rohen und feiner Größe fid ar 
wußten Geiftes darin zu ſehen; fie haben ihn vor da ft: 
würfen der Übertreibung und der Unfittlichkeit, die befızm, 

hantafielofe und verzärtelte Naturen ihm machten, zu tft 
—2* gewußt. Widerſtrebend haben ſelbſt die Engine 
eingeräumt, daB ein Schlegel ihnen erft gezeigt Hat, ms ® 
an ihrem Shakſpeare befigen, daß er ihnen, wie Hazlitt IM 
erft die Gründe angegeben, weshalb fie ihren Ghakfpeau 4 
ten folten. Er ift einer der Pfeiler, an dem fich unfer iz 
ſches Schriftenthum emporgerankt hat; unfere größten Ich 
haben Alle geftrebt, fi und Andere über den großen Die 
Mar zu machen und ihn nad allen Seiten zu erläutern. 3 
raſchend ift ed daher auf den. erften Augenblid, mens * 
&. XI der Borrede in dem zuerft genannten Bude I:® 
„Denn wollen wir offen fein, fo mögen wir bekennen, td 
feit er zu uns gedrungen, er noch zu Feiner Zeit der Katz - 
ein Anderes ift es mit einzelnen an ihm und durch ihn ir 
fifh gebildeten Eirkeln — entfremdeter gewefen it als de 
jegt.” Wie? In jener Zeit, als Wieland mit der erften, 
meiftens unlesbaren Überfegung auftrat und Schrader Fl 
fpeare’8 Stuͤcke verftümmelt auf die Bühne brachte, ſell & 
kannter und befjer verftanden worden fein als heutzutiz. 
gute Überfegungen feiner Werke faft in Aller Hände fat ut 
feine &tüde und wenigftens von diefer oder jener Vihnt ut 
verkürzt dargeftellt werden? Und doch voerden mir SM 
Hiede Recht geben müffen, wenn er fortfährt: „Er fan * 
viel näher, wirkte viel mächtiger und erhebender auf und, ® 
wir noch des naiven Glaubens lebten, daß er auch feine Fehe 
wenigftens feine Inconvenienzen babe, die wir bei feiner 9 
nenaneignung abzuftreifen hätten, als jegt, wo wir alletdiri 
viel bedacht» und überlegfamer, aber auch viel refleirter U 
raffinierter geworden jind. Wir begnügen ums nit, 19 
Mängel aus hiftorifchen Verhaͤltniſſen — denn freilih ta 
rühren fie, nicht aus irgend einem Mangel an dichteriſche 
Bermögen — herzuleiten, ja als bloße Kebrfeiten der —* 
des einem lebenftrogenden Zeitalter und Volke entſtammten 
ter anzufeben, wir fegen ihn als abfolute Xuteritat = 
glei find uns die Schwingen unfers eigenen nationalen 
tungstriebes erlahmt und er ift aus unferm Befreier zu ® 
ferm Despoten, was er nicht fein foll, noch — denn ber #7 
liebt die Breien — fein will, umgefchlagen.” Das ganıc ® 
liegt alfo darin, daB man fih fcheut, auch Shakſpeare s Br 
einer flrengen Kritik zu unterwerfen und eben jene Ran 
aufzubedden, die, fo fehr man fie auch aus Kuͤckſicht auf Im 


1179 


Beit und fen Boll a und rechtfertigen mag und 
muß, dod einmal für umfere Beit und unfer Bol? nicht paffen 
md unfer Gefühl, das natürliche wie das verfeinerte, beleibi- 
zen. Es liegt ferner darin, daß man ben von Schiller betre- 
mn Weg, Shakfpeare durch angemeſſene Umarbeitung zu un: 
erm Gigenthume au machen, wieder verlaflen bat und eigen» 
innig darauf befteht, von Shaffpeare aud bei feiner Darſtel⸗ 
ung auf deutſchen Bühnen Fein Wort fallen zu laffen, 


Eine Kritit von Shakfpeare’s „Macheth’’ zu geben ift num 
er eine Geſichtspunkt, von dem Herr Hiecke bei Abfaflung 
eines Buches ausgegangen if. Sein Dauptzwed dabei war 
oh, einen Beitrag zur Methodik ded Studiums großer poe⸗ 
iſcher Schöpfungen, eine Anleitung zur wiſſenſchaftlichen Be: 
rahtung dichterifcher Kunftwerke, alfo eine Vorbereitung zu 
en rein wiflenfchaftlichen Zeiftungen eines Roͤtſcher zu liefern. 
Bein Yublicum fuche er daher in den Schülern der oberften 
Inmnajialclaffe und in allen Denen, die, ohne die Betrad: 
ung des Schönen zu ihrem Hauptſtudium zu machen oder ma. 
ken zu Bönnen, wenigftens Theilnahme für das Schöne und 
ie Runft befigen. Ihnen Allen will er ein vedlicher und trew 
efliſſener Führer fein und wir müffen ihm dad Beugniß ge 
en, daß er ein befonnener, umfichtiger und gründlicher Führer 
R, ein Fuͤhrer, der dad Bebürfniß und die Kräfte der ihm 
folgenden nie aus den Augen verliert. 

Daß Herr Hiecke gerade den „Macbeth“ zu einer foldhen 
Kinkeitung in das Gtudium dramatifcher Dichtungen gewählt 
a, ift eine in jeder Hinficht zu billigende Wahl. Die Raſch⸗ 
kit und Lebendigkeit der Handlung, die Durchiichtigfeit der 
Det und des Plans, die folgerichtige und doch großartige 
Inmidelung in den Charakteren, vereint mit der größeren Ber: 
rautheit, die von Schiller, Bürger u. A. ber faft Jeder mit 
ulm Stuͤcke hat, mahen es gewiß für den praßtifchen Zweck 
# Verf. zu einem der tauglichften Stüde, die er hätte aus⸗ 
Khlen fönnen. 


Das Buch des Herrn Hiecke zerfällt, wie man aus dem 
den Geſagten ſchon abnehmen Bann, in zwei Theile, erſtens 
A die zergliedeende Betrachtung des „Macheth” und zweitens 
a die Kritik deffelben. j 

In dem erften Theile erhalten wir zunaͤchſt eine Überſicht 
Kt Sandlung, ſowol in ihrem Gefammtverlaufe als in ihrer 

Werung durch Die einjelnen Acte und Scenen, fodann eine 
Entmikelung der Charaktere (&. 11 —63) und dann die der 
Ste de Stücks (©. 63— 70). Bei der Entwidelung der 
Charaktere iſt der Verf. mit Beſonnenheit und Urtheil verfah⸗ 
ten; er ſucht uns das Innere der handelnden Perſonen ſchon 
m dem Beginne der Handlung darzulegen und den Strom, 
ft ım Stüde breit und gewaltig babinfließt, bis in feine 
kinften Anfänge zu verfolgen, fo weit Died überhaupt möglich 

Im Ganzen wird man ihm wol beiftinmen müflen, wenn 
un auch ın Bezug auf einzelne Charaktere anderer Meinung 
m ſollte. So können wir in Bezug auf Kady Macbeth und 
ſanquo nicht umhin, feine Darlegung in Zweifel zu ziehen. 
By Macbeih ift unftreitig einer der fehwierigften Charaktere 
# ganzen Stücks. Das Ungceheuere, Unmenfchliche oder Über: 
knihliche in demfelben, der doch auch wieder fo rein menſch⸗ 
6 it und nur durch die Steigerung des Menfchlichen als er: 
red ericheint, hat ſchon die mannichfachften —— erfuce 
worgerufen; Herr Hiecke ift beinahe auf Tiecks Erklärung 
rxes Handelns durch die Liebe zu ihrem Gemahle zurüdge: 
umen. Cr ſagt zwar felbft, daß das Unalogon der Liebe, 
5 Bedürfniß der Ergänzung des eigenen Geſchlechts durch 
5 andere und der befriedigte Stolz auf die gefundene Ergän- 
ng doch auch wol bei ihr möglich, ja nicht abzuleugnen Ki 
t auch Nichts dagegen, wenn man den Namen Kiebe dafür 
cht gelten laffen wil, vorausgefeut, daß man einen ſchickli⸗ 
een findet. Rur an zwei Stellen im ganzen Gtüde fpricht 
dy Macheth fo, daB man ihr Liebe zufchreiben ann, das 
ne mal zu ihren Kindern: 


Ib dab’ gefkugt und weiß 

Wie füh das Kind zu leben, das ich traͤnke, 
das andere mal zu ihrem Water, Deffen Ahnlichkeit mit Dun: 
can fie abgehalten hat, den Mord zu vollführen: 

' — Bär’ er nit 

Im Schlaf fo aͤhnlich meinem Vater, ſelbſt 

Haͤtt ichs gethan. 
Aber in dieſen letztern Worten liegt auch ſchon der Unwille, 
mit dem fle ihre eigene Abhängigkeit anfieht; ſelbſt möchte fie 
handeln, der Mann ift ihr nur ein nothiwendiges Mittel zur 
Erreichung ihrer ehrgeizigen Pläne. Nennt man Das Liebe 
oder auch nur ein Analogon bderfelben, wohl, fo ift die Welt 
der Liebe vol. Wir wollen nun nicht leugnen, daB Lady Mac: 
beth wirklich Liebe zu ihrem Manne gehegt haben Fönne (ver: 
wilderte, aber urfprünglich hochgefinnte Charaktere wenden, 
wie Herr Hiede felbft fagt, die Liebe, die ihnen für alle An» 
dern vollkommen abgeht, den nächften Angehörigen in concen: 
trirter Stärfe zu), aber beweifen läßt fie fih nicht aus dem 
Stüde und Simrod hat ganz Recht, wenn er Tieck wegen ber 
Einſchwaͤrzung ber zärtlichen Gattenliebe in den Text der Über 
fegung tadelt. Die Liebe Macbeth's zur Gattin ift allerdings 
ebenfo wenig wegzuleugnen ald die der Gattin zu ihm zu be: 
weifen. Berner glauben wir Banquo gegen die doppelte Un- 
terlaffungsfünde, die ihm der Verf. zufchreibt, zu rechtferti- 
gen; die in ihm auffteigenden ehrgeizigen Gedanken hat er al 
lerdingd nicht verbannt, aber er verfucht es wenigftens, gibt 
ihnen feinen Raum und flieht fogar den Schlaf, um fich vor 
böfen Gedanken zu fihern. Mehr aber kann man vom redt- 
lichſten Manne nicht verlangen, ale daß er Alles thut, was in 
feinen Kräften ftebt, um dem Böfen Widerftand zu leiſten. 
Und daß er Macbeth Huldigt, daß er nicht den Muth hat, fi 
von ihm loszufagen, fo lange er Defien Schuld nicht gewi 
weiß, fondern nur vermuthet, wenn er damit eine Unterlaf- 
fungsfünde begeht, fo begeht auch der Dichter Sünde, der um 
eines Zweifel® an der Schuld des Angeklagten willen Denfel« 
ben nicht verurtheilt. Was Banquo fehlt, ift der ſchnelle Bliick 
und die fihnelle Entfchloffenheit Macduff's; aber daß er Dies 
nicht befigt, daran ift die Natur, nicht aber der Mangel eines 
reinen Gewiſſens ſchuld. 


Bei der Erläuterung von Nebencharakteren, die der Dichter 
elbft nur mit wenigen Worten gezeichnet hat, Bann man leicht 
in Gefahr kommen, zu viel in diefelben hineinlegen, ihnen auch 
wol eine Bedeutung beimeffen zu wollen, die fie gar nicht ha⸗ 
ben. Dan erwartet fiber zu viel von dem Dichter, wenn 
man in jeder Rebenperfon diefelbe Beftimmtheit und Geſchloſ⸗ 
fenbeit der Charaktere fucht wie in den Dauptperfonen. So 
bat 3.38. Rapp, weil er in Lenor nur den getreueften Anhän- 
ger und fogar Schmeichles des Ufurpators fieht, in feiner Über: 
ſetzung —8*— Namen aus der Schlußſcene des dritten Auf: 
zugs getilgt. Und doch hat der arme Lenor, um den Ramen 
Schmeichler zu verdienen, Nichts weiter gethan, ald daß er den 

„Macbeth mit Mylord, my good lord, your highness, your 
grace and your majesty anredet und ihm gute Beſſerung 
wünfcht, als er frank wırd. Wo und in weichen Beiten gab 
es Hofleute — und ein Hofmann aus des Königs nächiter Um- 

bung ift Lenor —, die fich folder gemöhnlichen Höflichkeits- 
Pemeln entfchlagen durften? Auch Herr Hiecke hat Anftoß an 
diefen Ausdrüden genommen, die ihn jedoch nicht hindern, den 
Charakter des Lenor als Einheit aufzufaflen. Im Ganzen bar 
er auch bei der Durftellung der Nebencharaktere das rechte 

Maß beobachtet. 

Die Idee des Stückes wird richtig beſtimmt als: Darſtel⸗ 
lung des Ehrgeizes als einer daͤmoniſch wirkenden Macht, 
welche auf eine großgeſinnte und gm umfaffendften Wirken 
befähigte, aber Durch eine außere Schranfe begrenzte Helden; 
natur gum Prevel gegen eine geheiligte Macht, von deren An- 
erfennung und Unterftügung wie das Wohl Aller, fo das ei⸗ 
gene wahre Gluͤck des Frevelnden felbft abhängt, gegen Die 





1180 


Macht deb geordneten Erb ums antreibt, dadurch unzaͤh⸗ 
ligen Andern den Untergang bereitet, aber auch den Freveln⸗ 
den felbft wie in moraliſches, fo zuicht in nothwendiger filtlb 
her Berkettung au in phyfitged Werderken flürst, aber ger 
rade biermit die angetaftete Macht durch den Sieg aus jener 
Negative nur um fo herrlicher hervorgehen läßt. 
As Probe auf das bisher gerechnete Erempel wird uns 
fobann der zweite Abfchnitt des Buches „Zur Kritif des Mar 
th‘ geboten; trefflicde Bemerkungen über GShakſpeare s Com; 
pofitionsweife eröffnen denfelben; dann wird die lieder der 
einzelnen Scenen und die dichteriſche (nicht die logiſche) Noth⸗ 
wendigkeit der einzelnen raftere und Scenen dargethan. 
Bon ©. SI— 112 erhalten wir eine Unterfuhung über das 
Berhältniß des Dramas zur Sage, d.h. zu Holinſhed's Chronik, 
und bier hat der Leſer erft recht Gelegenheit zu bewundern, 
mis welchem Bewußtfein und feinem Takte der Dichter weg: 
läßt, ändert, verbindet was ohne Bufammenhang daſteht, zu⸗ 
fammenrüdt was entfernt liegt, dazu erfindet was dichteriſch 
nothwendig iſt, kurz wie er, fcheinbar ſich Rene an ben gege 
benen Stoff haltend, doch fo viele Bleine Underungen vor: 
nimmt, daß man recht gut fagen kann, Dad Gange fei verön- 
dert, da auch das GBebliebene in anderes Verhaͤltniß gerüdt 
if. Der mit Holinſhed's Chronik unbelannte Lefer wird Herrn 


Hiede für die Mitkheilung zahlreicher Stellen aus berfelben | 


dankbar fein, hätte ihm aber gerit ern die etwas laͤppiſche 
Anmerkung auf S. 87 geſchenkt. Schr anziebend ift enbli 
auch die Vergleichung zwifchen dem Shakſpeare'ſchen „Macheth” 
und der Schiller'ſchen Bearbeitung, welche den Schluß des 
Buches bildet. Wan bat diefe legtere fo oft getadelt, man 
bat fo oft mit einer gewiſſen Verachtung von dem fchillerifirten 
Macbeth” gefprochen, daB es wirklich einmal Roth thut, eine 
enge Prüfung anuftelen und au das große Berdienft 
chiler's bei dieſer Bearbeitung näher ind Auge zu fallen. 
Dies hat Herr Hiecke mit gewohnter Klarheit und dründlig- 
keit gethan. Es faͤllt ihm natürlich nicht ein, jede Underung 
Schiller 8 rechtfertigen zu wollens aber gewiß mit Recht ftellt 
er die Schiller'ſche Art der Bearbeitung Ehakſpeare'ſcher Stücke 
als den einzigen noch möglichen Weg dar, Shakfpeare mit Er: 
folg auf deutfche Bühnen zu bringen. Mit Recht erklärt er 
fih_daher auch gegen Ziel, der nicht nur die unveränderte 
Aufführung des Shakſpeare, Tondern aud die Ruͤckkehr zur 
altenglifchen Buͤhneneinrichtung felbft auf deutfchen Bühnen 


verlangt. 
(Der Beſchluß folgt.) 


J 





Miscellen. 


Biegler von Klipphaufen. 


Es ift auffallend, daß unfere Literatoren über das Todesjahr 

9. U. Biegler's vom Klipphaufen, des einft berühmten Dichters 
der „Aflatifchen Banife” und Gefchiehtfehreibers, um nicht we⸗ 
niger als | Jahre voneinander abweichen. Während Jördens, 
Bouterwel , Koberflein das Jahr 1690 dafür annehmen, 
fegen es Wachler, Heinfius, Gervinus und Andere in das 
Jahr 1007. piſchon („Denkmäler der deutſchen Sprache“, 
II, 467) ſetzt dieſe abweichenden Angaben einander entge⸗ 
gen und tritt auf gut Glück, d. i. ohne alle Gründe, Den⸗ 
jenigen bei, welche das Jahr 1600 annehmen. Das Recht je 
doch iſt hier gerade bei Wachler und Heinfius. Es findet fi 
namlih in dem Edhart» Leibniz'ihen „WRonatlicden Auszug”, 
1701, September, &.35, die bei Siegler's Beerbigumg von, ber 
Kanzel herab verlefenen Yerfonalien, und hier heißt es: „Im Übri« 
gen ift ee Unno 1607 den 8. Geptember u. f. w. geftorben.“ 
gen dieſe Urkunde von erfler Hand wirb wenigftens dein 
Ginfprud weiter gelten. Dies ift übrigens das Einzige, was 


trochenen md Sürfiigen Verfonddien cin Br 
ae — — ——— — — Bi, a in, 


Ein dramaturgifges Gutachten Engels. 


Sur Seit als Engel Oberdirector des Theaters in Beiie 
war, fandte Joh. Ehrift. Kraufene® (geft. 1709), Verfaffer ein 
Meide von Luft: und Schaufptelen (f. Guden Zabellen), feinn 
„Albrecht Achilles, Markgraf zu Brandenburg” (Odi 
17%) Auffuͤhrung auf dem berliner Iheater an ven Mini: 
ftir von Herzberg ein, welcher Engel's Dutachten darüber h: 
derte, dad fi, von Ihm unterzeichnet, in der Eönigl. Uni 
fitätsbibliothel zu Breslau findet. GE lautet: 

„Des kbonigl. Staats: und Gabinets » Minifers, Im 
Grafen von Dergeern , Ercellenz; babe ich auf Dero geſteige 
gnaͤdiges Schreiben in Untertpäwigkeit zu berichten wiht m 
mangeln follen: daß das Krauſeneck ſche Gcpaufpiel „Ubi 
Agtlies”' zwar nicht zu den beften Stuͤcken im altbeutfen © 
Ahmad, aber do den mittelmäßigen gehöre, und daf d 
nad mehren Auslaſſungen und Ubämderungen auf dem hirkgn 
Theater wol koͤnne gegeben werben. Doch läßt fi die Zeit da 
Aufführung , eben wegen der Urbeit, die noch an dem GH 
nötbig ift, nicht genau vorher beftiummen. Dat Stüd jmd 
als der Brief des Merfaflers an Ew. Hochgräfl. Eredar 
folgen inliegend mit unterchaͤnigem Dante zuräd. 

Berlin, den 3. April 1700. Enge’ 

Diefes Gutachten war dem in der erwähnten Wiblinfid k 
— Eremplar des Krauſeneck ſchen Stuckes urſyruaſib 
angeheftet. 


Eine deutfhe Fabel nach einem franzöſiſher 
Madrigal. , 

Ich weiß nicht, wer der Berfafler der allen Kindmz 
Schlefien wohlbekannten Zabel „Die zwei Zobdtenkipk“ 3 
(&. „‚Deutfche Anthologie’ [herausgegeben von Joh. ®. dun 
einem jüngern, gegemwärtig ujäbrigen Bruder des berübas 
Legationsraths R. GE. DOlöner, in Breslau]. 6. Auf. 3 
&. 99.) Diele Zabel ftellt uns den Schädel eines Reihat 
Gefpräh mit dem eined Bettlers dar; jener will nod 
dem Node fih über den andern ftolz erheben: 

VBeim Graben einer Grube ſah 

Gin Zodtentopf den andern liegen, 

Und rief: Wer bift bu, der fo nah 

Sich darf zu meiner Gruft verfügen? j 
Doch der Bettlerfchädel weift jenen fehr nachdrücklich auf di 
Steichheit aller Stände nad dem Tode hin. Als Quele tr 
fer auf 44 Verſe ausgedehnten dialogiſchen Erzählung get Mb 
nun folgendes Madrigal von Peter Yatrir (einem mike 
Dichter dritten Ranges aus bem Beitalter Ludwig's XIV., ft: 
boten zu Caen in der Normandie 1583, verftorben I6il), wi 
des in dem „Recueil des plus belles picees des pe 
frangais’' (Yaris 1752), IV, 222, am Schlufſe mehrer andın 
Gedichte von Patrir fteht und feiner Zeit befondere Auer 
famfeit erregt haben muß; es lautet: 

Je eongeois cette anit, que de mal conuumd 

Oote & odte d’un pauvre en m’arait jahume: 

Mais que, n’en pouvası pas seuflrir lo veieinage, 

En mert de qualitd ja lai ins ce langage: 

Retire - wi, coquin, va pourrir leia d'iei; 

il ae t'appartient pas de m’approcher ainei. 

Ooquin, oe me dit-il, d'ane arroganos exiröMe, 

Va cheorcher tes cequins nilleare, eoguie tei-möme'! 

lei tous sont dgaus, je na te deie plus rien, 

Je suis sur mon fumier, comme toi sur le tien. , 

In dem Artikel dieſes Dichters in dem hiſtoriſchen Benz 
buch von vadvocat heißt es, daß Yatrir diefe „bekannte 
Berfe wenige Tage vor feinem Node gemacht habe. 

G. @. Bubraue: 





Berantwortliher Herausgeder: Heinrich Wroddans. — Drud und Berlag von Y. X. Drockhaus In Reipyig. 


Gute met dem Bhahen nah Ypi en; ich kannte auf der 
Univerfität einen Studenten ber logie, dee fi tägl 
mehre Seunden an feiner ſch fegte, mit dee alleinigen 
welt, Conjerure In methen. Unfpielungen ſachen und na 
Senjecturen jagen ſteht fo yiemäih auf ein und derſelben Gtufe. 
Beides ſelte nur dann gefcheben, wenn es des Berfländuiß 
nothwendig erheiſcht. Des Eonjecturenmader geigt uns, wie 
ein Sechrifiſteller hätte ſcheeiben koͤnnen, wenn er nicht eben fo 
geſchrieben Hätte. Herr Glement beweiſt uns im der vorliegem 
den Schrift, was Shalſpeare Alles mit feihem „Bturm‘ 

meint haben Pünnte, wenn — cr Fein Shaffyeare —** 

e. 
„Worauf es ankommt, das Weſen, dad hat Shakſpeare, 
welcher Reichthum genug in feinem eigenen Geiſte fand, nir⸗ 
d geborgt, fondern die tauſend theild aus ſchon vor- 
andenen Stüden, theils aus der wirklichen Geſchichte, theils 
aus feiner vigenen Erfindung von ihm entlehnten Namen 
brauchte er zu einem feinen leier, worunter er dab darım- 
fleiende Beben, befonder6 das politifche, den Augen der Zus 
ſchauer auf der Bühne vorführte. Und dieſes Mittel der Taͤu⸗ 
fung, welches fo fein erfonnen und gefponnen war, daß felbft 
die Zeitgenoſſen Wenig davon fpärten, war nothwendig in jener 
otiſchen Beit. Der fcharffinnige Mr. Walpode vernahm bie 
nde in der WBintermär, wo Shakfpeare vie Charakter: 
ebenfo bat verichleiern muüflen ale im Tempest. Da x die 
Infel Sicilien England gemeint, der König Leontes Henry VIII., 
feine Gemahlin die unglückliche Anna Boleyn und ihre Tochter 
Perdita die nachherige Königin Eliſabeth.“ 

Mod diefem Muſter hat num Herr Ctement den „Sturm“ 
behandelt. „In Begriff, zu den biltorifchen Dramen Shak⸗ 
fpeare’s eine allgemeine Wudlegung zu geben, ſchien es mir 
daher nothwendig, das legte berfelben zuerft zu nehmen, wei» 
ches am allermeiften ein richtiges Berftandniß verlangt.” Der 
„&turm” ift alfo ohne Weiteres ein hiſtoriſches Stuͤck, ohne eine 
richtige Kenntniß der Geſchichte jener Beit ift ed, „da fein 

mehr dem Reich der Wirklichkeit als der Fabel angehört, 
underftändlih, myfleriös, weniger anziebend, weniger große 

, für Biele ein Nonftrum, woran fie ängftlich und mit 
Beftemden vorübergehen und nur, weil es ein Werk von 
Shakfpeare ift, ihm Aufmerkjamkelt oder Bewunderung zellen”. 
Das Tührt zu hoͤchſt wunderbaren Ergebniſſen, die ich in fei- 
nen eigenen Warten, nur verlürgt, geben werde. 

„Ber Herzog Prospeto von Mailand if der verkappte 
König James I. von Großbritannien. England in der Geftalt 
Mailands im Teempest vorgeftellt, hatte noch Fein fremdes Io 
getragen, ſich no nie vor dem mächtigen Spanien gebeugt, 
welches unter dem Bilde Neapels erfcheint; als man aber von 
Mailand felbft aus mit dem König von Neapel unterbandelt 
hat, ihm zu huldigen und jädrlichen Tribut zu zahlen und das 
noch nie untergeben geweſene Herzogthum zur ſchmaͤhlichſten 
Erniedrigung beugt, da laͤßt der Dichter den Prosper mit Be: 
dauern ausrufen: Ah du arme Mailand! Dder im inne 
der Gtuart und aller Feinde Spaniens, als man von Eng: 
land aus das gemeinfame Vaterland zum Vortheil Einzelner 
dem König Philipp in die Hände zu fptelen begonnen: Ach du 
armes England! Der rechtmaͤßige —** Mallands war 
demnach auf eine öde sn verbannt worden. So war König 
James, als noch die Gefahe von Seiten Spafiens für Eng» 
land groß genug war, verleitet worden, die Aräfte des Reichs, 
deren man daheim gegen den gefährlichen Rivalen und Ra 
ttonalfeind noch vollends bedurfte, auf fernen Unternehmungen 
in der neuen Welt zu gerfplittern. Mit einem faulen Geripp 
von Fahrzeug, woraus fogar die Ratten aus böfer Ahnung 
weggelaufen, wird die Ausrüftung nach Virginten und Bermuda 
verglichen, wohin fi) der König mit feinen Sperufationen ver⸗ 
Ioren Hatte, während man in England Yulverfäfler unter ihm 
verbarg, um ihn in eine ganz andere Welt zum fprengen. 
Darum fpriht auch Alonſo mit Berwunderung: But how 
should Prospero be living and be here? Dort in jmen ein 






einer fol 


21188 


famen Üitreßen Amerikas verloren und dech um Sehen geblie 
ben in Gugland. Gein Bud, fein bevambevaisürdigeh Iddp 
teren und ferne ferne Inſel, Das war Prodper’s Eins ib 
Alles. Das Tihterhen Miranda ift die Prinzeffin Clifabeth, 
worauf der Baker feine ganze Sorgfalt verwandte, während 
er feinen Dunkeln Studien lebte und baneben viel nachgrübelte 
über Herenwefen, Teufeldogmatik und Dergleihen mehr, faft 
wie geſchieden von feinem Lande und nad dem einfamen Ja» 
mestown mit feinem Sinn entrüdt, wo ein Wilder oder Kan 
nibal, der Bafterdfohn ber blauäugigen Hexe Sycorax, fein 
Diener geworden, den er glaubt nicht entbehren zu koͤnnen 
Der savags Amerikas überhaupt ift gemeint, bei deſſen Un: 
terjochung die Guropäer nur an ihren eigenen Vortheil Dad 
ten — Kaliban, ber Kannibal Rordamerikas, wird vorgeftels 
als ber Baftardfohn, die Misgeburt der ſcheußlichen Here Sy: 
corar, welde vor Alter und Bosheit in einen Reif zuſam⸗ 
menwuchs.“ 

„Dieſe Sycorar hat einen anzüglichen Namen. Die Leſer 
des Sturmes merken Das ſchwerlich. Wozu der griechiſche 
Rame? Denn ein griechiſcher iſt es und Sykon heißt eine Zeige, 
Kar eine giftige Spinne. Die berühmte Perfonnage, weldye der 
Dichter zeichnen wollte, mußte wegen der Gefährlichkeit unter 

den unbegreiflihen Form noch nad) dem Tode wieder 
geben auf der Bühne Die bäßliche Bethſy, denk’ ich, iſt die 
Königin Elifabeth, welche fo füß wie eine Feige fein kannte 
und fo giftige Gewebe wob wie die dickbauchige Giftfpinne, 
Es war die Königin Glifabeth, welche vor Alter und Reid fo 
frumm wie ein Reif geworden. Sie war aus Arpier, aus 
dem aͤrgſten Höllennefl. Einen ärgern Uriprung konnte der 
Dichter ihr nicht geben. Die Königin Elifabeth, welche die 
Mutter ihres Rachfolgers umbringen ließ, war die Zochter 
Anna Boleyn’s, weiche wegen Ehebrud und Blutichande ent- 
bauptet worden. Um Eines, was fie that, wollte man ihr nicht 
bas Leben nehmen, fer one thing ahe did they would not 
take her life — ein fehr emphatiſches Wort, von dem Dichter 
dem König James in den Mund gelegt und ans Herz, oder 


| anders ausgedrüdt: Sie hat der Schotten Königin ermorden 


laſſen.“ 

So iſt ferner der Prinz Ferdinand von Neapel der Kur⸗ 
fürft Friedrich V. von der Pfalz, der Gemahl von Jakob's 
Tachter; er wird als Sohn des Königs von Neapel, db. . 
Spanien, aufgeführt, warum? Mei fein Land einft ein Haupt« 
theil des deutishen Reiches war und er felbft in nächfter Be⸗ 
tebung zum Haufe Oftreich, wozu der König von Spanien ger 
oͤrte; Prosper's Bruder Antonio aber ift Jakob's Verwandtin, 
die Martgräfin Arabella, melde man nah Bermählung mit 
dem Herzog von Savoyen mit. ſpaniſcher Hülfe auf den engli⸗ 
ſchen Thron zu bringen beabfidhtigte. 

Auf ſolche Weife it es denn bem Berf. gelungen, den 
„Sturm zu einem geſchichtlichen Stücke zu machen. Er ift vom 
der Richtigkeit feiner Anſichten volllommen überzeugt, be 
aber doch noch Zweifel, ob man jene Entdeckungen auch anneh⸗ 
men werde. Boller Bitterkeit fagt er &. 95: „Meine Unfide 
vom Tempest {ft jept dargelegt: und daß fie Überzeugung, nicht 
bloße Wahrſcheinlichkeit in fi trägt, und daß fie nicht 
Idee eines flüchtigen Uugenbli®, Bein fancy ift, wird mar 
weniger verkennen können als verfennen wollen. Ich will 
freilich der gelehrten und der denfenden Weit Nichts aufdrin⸗ 
gen, was fie vielleicht nicht brauchen Tann und worin fie ſelbſt 


beſſer belehrt iſt ind tiefer gedacht und geblickt hat oder zu 


aben glaubt als Mi fie wird auch ohne meine Fingerzeige 
—* „ und wenn dieſes Büchlein nicht verdient gelefen au wer⸗ 
den, F möge es vermodern ungelefen.“ Diefem Schichfale wird 
das Buch wel nicht entgehen Pönnen, tro& mancher nicht all 
gemein bekannten Notizen aus ber Geſchichte Englands und 
Amerikas, Die der Verf. mit lobenswerthem —* gefammelt hat, 
bie aber freilich öfters in Jolge der eigenthümlichen, um ni 

zu fagen wunderlichen Unfichten des Deren Clement verdreht 
worden find und die man auch ſchwerlich in einem Buche über 





1482: 


trübter Laune; in feinen landwirthfchaftlichen Betrach- 
tungen zeigt er fich ſtets befliffen, den veralteten und un- 
ergiebigen Anbau der Felder durch zeitgemäße und er- 
forießlihe Mittel zu verbeffern, ſodaß ihm der Minifter 
Montgelas 1811 in allem Ernſte die Errichtung einer 
landwirthſchaftilchen Ürufleranftalt in Illerfeld anfınn. n 
ſeinen Garkenanlagen endlich Bewährte fih eine defondere 
Neigung und ein ausgebildeter Gefhmad, daneben die 
liebensmürdige Gefinnung, aud Andere dieſe Freude 
mitgenießen zu Taffen und ſich an ehrenvollen Befuchen 
zu ergögen. Daher fehreibt er — worin ihm wol frei: 
lich jegt nur Wenige beiftimmen werden: 

Der Himmel bewahre uns vor einer Eiſenbahn! Bei einer 
Eifenbahn kann Fein Menſch mitreiten, der Reifende nicht an» 
halten und einiprechen, und Das war doch das Beſte und der 
eigentlicge Glanzpunkt der Durchfahrt in meinem Garten. 

Bei ſolchen Gegenfländen ift jedoch Dr. v. Lupin feines» 
weg® flebent geblieben und nicht allein die Sorge, den Seini⸗ 
gen ein Befigthum zu hinterlaffen, blidt aus dem dritten 
und vierten Theile feiner „Selbftbiographie” hervor. In 
feiner ländlichen Stile, In welche er ſich bereits in det 
Mitte feines Lebens, wo Andere unabläffig bemüht find 
einen Namen zu erlangen, zurüdgezogen hatte, verfolgt 
er gern große und edle Vorfäge und die wichtigfien An- 
gelegenheiten des Lebens. inter ihnen fleht die Sorge 
für die Erziehung feiner Kinder obenan. Wir finden 
bier vieles fcharf und Mar Gedachte, die grimdlichfie Ab⸗ 
neigung vor einer Zreibgausersiehung und gute Vor⸗ 

fgläge, wie das erprobte Alte mit neuen Anfishten zu 
vereinigen ſei. Dahin gebött auch Die wiederholte 
Empfehlung fleifiger und fortgefegtet Becture der alten 
und newen Gchriftfteller, und der folide Widermille ge 
gen die „erbärmliden Pfennigwerke unferer Kipper- und 
Wippergeit, deren Folianten die Tagesblätter der Leſe⸗ 
gefellfchaften find’, und gegen die moderne Bildung un- 
ſerer Tage, die felbft „Schneider und Schuhmacher“ be⸗ 
figen fellen und „we man bie Bauern aufgeklärt ma» 
hen will”. Don feiner eigenen Beleſenheit legt das 

anze Buch die vollgültigften Beweiſe ab. Wie bei 
Sean Paul begegnen fih auch hier bie verfchieden- 
artigfien Bücher aus allen wiflenfchaftlichen Ricgtungen, 
und in ben Anmerkungen werben unzählige Anfpielun 
gen erläutert, von denen eine Anzahl allerdings über- 
flüffig erfcheint, ja bei Manchen wol den Verdacht ei- 
ned Prunkens mit Buchgelehrfamkeit erregen könnte, 
wovon Hr. v. Lupin ganz frei ifl. Uber Alles aber ifl 
ein Geift des Humors und der heiter Laune verbreitet, 
der felbfi da, mo er die Abgefhmadtheiten der Zeit und 
die Verkehrtheiten der häuslichen Erziehung tadelt, die 
angeborene Butmüthigfeit zeigt. 

Diefelben Eigenſchaften zeigen fi) auch da, we ber 
Derf. mit Befriedigung der Thätigfeiten gedenkt, durch 
weiche er zur Behaglichkeit feines Zuſtandes gelangt ift, 
und ebenfalls in tem barmiofen Behagen, mit dem er 
fürftlicher Auszeichnungen und Befuche oder fonft Deſſen 
gedenkt, was ihm In feinem langen Leben perſonlich 
Schmeichelhaftes and Ehrenvolles widerfahren ii. Wollte 


Lee. — — —— — — — — — — 


die 


man ibm die Aufzählung feiner Titel und Mitglied 
fhaften gelehrter Gefellfchaften. als Eitelkeit auslegen 
oder ihn wegen der genauen Nachrichten über feine Ber- 
fahren des Adelſtolzes anklagen, fo würde man ihm 
r Unrecht thun tinb Eine volllommen natürliche und 
benswerthe Migung im Menſchen ganz verkemien. 
Alles Dies nun zuſammengenommen, fo erbliden wir 
in dem vorliegenden Buche das Bild eines dreiundfid- 
zigjährigen Greifes, ber feinen Lebensabend als eine fl: 
tee Gunft der Vorſehung zu preifen alle Urſache hat, 
und bie, mie rüdmärts, noch ebenfo heiter und rüfis 
vorwärts fchaut. Diefer vorherrfchende Charakterzug der 
Zufriedenheit mit frühen und gegenwärtigen Zuftände 
ift in unferer Zeit eine feltene Erſcheinung, um fo meh 
verdient Die Lupin’sche „Selbfibiographie” unfere Empfeh 
lung und Theilnahme. U, 


Zur Ghaffpeare» Literatur. 
( Beſchluß aus Nr. 28.) 


acbeth” nu nad 
das Berhiirh 


meißten Lefer ein unbedingtes, Ridge: Schufdig‘ außfp 

3. Ein Erzeugniß der muͤhſeligſten — und der «l# 
vergeflenden Berliebtbeit in einen an fi nicht falfchen Geder 
Een ift dagegen die Schrift von Element, dem Penntmiktihe, 
aber wunderlichen Geſfchichtſchreiber ber Briefen mt Bet. 
mehrer andern Ekhriften. Es zweifelt heutzutage R Int 
Niemand daran, daß in den Stüden bet Drei großen grite 
fhen Dramatiker Unfpielungen genug auf ſtaatliche Verhält 
nifle und Seitereigniffe enthalten 1 Daß €6 an felhen auf 

kſpeare nicht fehlt, darauf ift ſchon von mehrm Sad 
bingewiejen worden. Diefe Anfpielung auf ben Staat und de 
Zeitgefchechte können ſolche Derke bisweilen in geſtchicciha 
Hinfiht haben, auch auf den Charaktrt der Dichter felbt m& 
dadurch einiges Licht fallens aber find fie ſchon in dien Dr 
ziehungen meiftend von untergevrdnetem Werte, fo m DE 
jemige, der ein dichterifches Werk nur in känftleriſer Fit 
fiht betrachtet, jie füglic) ganz übergehen. Sie kömen tin® 
Stüde Beifall verfhaffen, fo lange die Werhäiteiffe und St 
dingungen vorhanden find, auf die fie Dewe nchmen; fe} 
e anderd geworden, fo muß ber innere Werth des Etide 
Fon ei bedeutender fein, um es in der Gunft des Boll 
erhalten. 

Ainfpielungen müffen, wm von dem größern Theile der * 
börer verftanden zu werden, ſtets deutlich gegeben fein; Ir 
foielungen, die nicht verftanden werden und felbft für den & 
bildeten noch einer Erläuterung bedürfen, gehören nicht in © 
Buͤhnenſtuͤck und der Zuhörer iſt in femem guten Rechte, weit 
ee Me unbeachtet läßt. Überhaupt aber es cine 


Ta 


Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Der ehrwürdige Arndt bietet bier feinem Molke eine 
hoͤchſt dankenswerthe, gediegene Babe — und wir hoffen, 
es wirb nicht die legte des rüftigen, frifchen Greiſes fein! 
— gefammelter Auffäge aus frirherer, aus neuerer und 
füngfter Zeit. Mancher Schriftfteller, dem reichlich Weih⸗ 
rauch geſtreut worden, zumal auf bem politifchen Gebiet, 
müßte fich, wenn man feine Schriften aus einem Zeitraume 
von 30 und 40 Jahren, oder and) wol nur von fünf und 
sehn, zufammenftellte, trog alles etwanigen Talents, trog 


alles Ganzes, Feuer und Witzes der Darftellung, dem ern«. 


fien prüfenden, in den Gehalt eindringenden Auge bo nut 
wie ein zuſammengeflickter Lumpenkonig, um mit Hamlet zu 
reden, barftellen; unfer Arndt dagegen erfcheint in feinen 
verfchiedenen, der Zeit nach fo weit auseinanderliegenden 
Berken immer als Derfelbe, immer als ein ganzer Mann. 
Es gibt aber verfchiedene Arten der Unveränderlichkeit; 
es gibt eine folche, welche aus feldftfüchtigen Intereſſen, 
aus hartnädigen Vorurtheilen, aus Geiftesträgheit und 
Stumpffinn entfpringt, welche In unmiffendem Hochmufh 
ewig das Alte wiederkaͤut und, abgeſchloſſen gegen jebe 
neue Erfenntniß, jede neue Foderung und Regung, bie 
Welt in den engen Kreis bannen möchte, welchen ein be- 
fchränfter aber felbftgefälliger Geift einmal für allemal ihr 
und ſich felbft gezogen hat. Dieſer Art von Unveränber- 
lichkeit fteht kein Menſch ferner als Arndt, der jugend- 
liche Greis, Deffen lebendige Theilnahme an dem Leben 
und ber Entwidelung des deutfchen Volkes Taufende von 
Jüngern befhämt, ber,. ein Lehrer der Jugend, felt we⸗ 
nigen fahren ihr wieder gefchentt, ſich nicht zu alt dünkt, 
immerfort zu lernen, und der, weit entfernt, wie die mei- 
ſten Unveränberlichen ber gefehilderten Art ben gegen- 
wärtigen Zuftand und Befigitand für ganz befriedigend, 
unverbefferlih und unantaſtbar zu erffären, in feinem 
Geiſt und Herzen das noch Tange nicht erfüllte Bild ei— 
nes beffern Zuftandes, das Bewußtſein von ber Noth- 
wendigkeit fortwährenden ernften Strebens und Kaͤm⸗ 
pfens trägt. Arndt's Unveränderlichkeit iſt die einer fich 
ftet8 erneuernden und verjüngenden, fremde Elemente und 
Einflüffe keineswegs ausichließenden, vlelmeht ſich aneig- 





nenden umd uͤberwindenden, unerfgöpften Lebenskraft; fie 
ift fein Stilftand, keine Erftarrung, ſondern befländige 
Bervegung, unaufhörlihes Wachsſthum, aber in einer 
gzleichmaͤßigen Richtung, unter einer wnauslöfchlichen 
Signatur ; es iſt die Unveränderlichkeit nicht ſowol ber 
Anfichten und. Lehrfäge, als vielmehr der innerften Wurzel 
derfelben: der Gefinnung und des Willens. Er ifi Ei: 
ner „der Guten unb Zapfern, die ſich in ebelm Stolze 
und "herrlicher Gleichheit des Charakters ale Herren ber 
Umſtaͤnde behauptet und ben Horazifhen Spruch: Non 
me rebus, sed res mihi subjicere conor, feftgehalten ha⸗ 
ben“, über deren Seltenheit in diefer Zeit er Hagt. Frei 
lich konnte es nicht fehlen, baß in unſerer ‚vielfach fi 


- überflürzenden Zeit, wo man vom Fortfihritt im Maß 


ftab der Eiſenbahngeſchwindigkeit träumt und ſchwatzk 
und die Phantaften und Energumenen bed Radicalismus 
die befonnenen, freifinnigen.und feften Männer ber- That 
ale. Zurückgebliebene und wol gar als Abtrunnige abkanzeln, 
daß in einer folchen Zeit auch der mannhafte Arndt of⸗ 
fener oder verdeckter angegriffen und gehöhnt, ober, doch 
mit vornehmem Mitleid belächelt und über die Achfel an⸗ 
gefehen wurde; daß die felbfternannten Baunerträger des 
Fortſchritts, Die Bahnbrecher ber neuen großen Zeit, den 
ſich gleichbleibenden Veteranen zu den Stabilen oder gar 
zu den Reactionnairen zählten und ihn nur etwa um 
feiner frühern Berdienfle, feines guten Willens und fei- 
nes nicht leicht zu erſchütternden ehrenvollen Namens wil⸗ 
(en mit einigem Slimpf behandelten. Arndt fetbft wird 
fi hierüber. Teiche zu tröften wiffen; vor 25 Jahren 
wurde er von einer andern Seite her mit gerade ent- 
gegengefepten Bejchulbigimgen. angegriffen und mishan- 
delt, und fein Bewußtſein gibt ihm das Zeugniß, daß er 
der Gleiche geblieben, dag er die Anklagen ber Gegen⸗ 
wart fo wenig verdiene als bie frühern Feinbfeligfeiten. 
Ja der patrlotifhe Dann würde fi) freuen, tern er 
aus diefem Umſchwung der Meinung die lberzeuguntg 
(höpfen könnte und bürfte, daß eben die Deutfchen, wel» 
che vor 25 Jahren ruhig und ohnmaͤchtig zufahen, wie 
er von gehäffigem Verdacht angegriffen, von millfürtichyet 
Gewalt in feiner Thätigkeit und Wirkfamkeit gehemmt 
wurbe, jest in politifiher Bilbung, Gefinnung und Kraft 
fo vorangefihritten feiern, daß fle, eingeweiht im die My 
flerien der Gtaatswelsheit, mit der Feurr⸗ und Gelftes- 


er 


Chalfpeare‘s ‚Sturm‘ furhen wird. Zu bebausen if überhaupt, 
deß fo viel Fleiß umd fo viel Kenntniffe auf fo ſchmaͤhliche 
Weife, wie hier geſchehen, vergeubet worden find. 


F. Fiebler. 





Bibliographie. 


Aurora. Taſchenbuch für das Jahr 1847. Heransgege- 
ben ron 3. &. Seidl. 23ſter Jahrgang. Wien, Riedl. 8, 
3 Thlr. 6 Nor. 

Baͤßler, F., Das heilige Land und die angrenzenden 
Landfchaften. In anfgautichen Schilderungen dargeftelt. Merfe 
burg, Garcke. 1. 8. 15 Nor. 

Bauer, B., Geſchichte Deutfchlande und der franzöfifchen 
Revolution unter der Herrfchaft Rapoleon’s. 2ter Band: Drei 
Jahre Contrerevolution.e Charlottenburg, Bauer. Gr. 8. 
1 Zhlr. 10 Nor. 

Bidel, 3. A., Auswahl von Predigten, verfaßt und ge 
alten von ıc. Reuftrelif, Barnewig. 1845. Gr. 8. 1 Zhlr. 
8 Kar. it 

e 


Taägliche Erbauung aus Dr. M. Luther's Schriften. 
Abtheilung. Reval, Kluge. Gr. 8. 1 Xhle. 5 xg 
Frantz, C., Stimmen aus Zion auf einer Wanderun 
url Kanaan. Neligiöfe Gedichte. Muͤhlhauſen, Danner. 12. 
r. 
Der Freund des ſchönen Geſchlechts. Taſchenbuch für das 


Br 
Sahr 1847. Adfter Jahrgang.. Wien, Riedl. 16. 1 Zplr. 4 Nor. 
8 Po 8. Ida, Novellen. 2ter Band. Altenburg, Helbig. 
. L. 


Grund, 8. 3., Handbuh und Wegweifer für Auswan⸗ 
derer nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Ze 
ras. 2te Auflage. Stuttgart, Cotta. 8. 20 Ror. 

Grützmann, U., Gedichte. Stolberg a. H., Schlegel. 
8. 1 Ihe. 10 Nor. 

Heſekiel, &., Kauft und Don Juan. Aus den weite: 
fin Kreifen unferer Geſellſchaft. Drei Theile. Altenburg, 
Helbig. 8. 3 Thlr. 

— — Berlin und Rom, oder Froͤmmler und Pfaffen. 
—* der Gegenwart. Zwei Bände. Altenburg, Helbig. B. 

Ir. 

Houssaye, A., Geschichte der flamändischen und hol- 
ländischen Malerei. Iste Lieferung. Leipzig, Teubner. 
1846. Fol. 1 Thir. 10 Ngr. 

Hoyer, 3. G. v., Franz Sforza I., Visconti, durch Ta⸗ 
pferkeit und Klugheit Herzog von Mayland. Darftellung des 
Kriegslebend im Mittelalter. Zwei Theile. Magdeburg, Falcken⸗ 
berg u. Comp. Gr. 8. 24 Nur. 

Das Keyserrecht nach der Handschrift von 1372 in Ver- 
aloichung mit andern Handschriften und mit erläuternden 

nmerkungen herausgegeben von H. E. Endemann und mit 
einer Vorrede versehen von B. Ilildebrand. Cassel, Krie- 
ger. Gr. 8. 2 Thlr. 

Krakau und Paris. Roman aus der jüngften Polen-Ber- 
fhwörung und der zehntägigen Republif Krafaus. Zwei Bände. 
Breslau, Verlags:Comtoir. Gr. 16. 2 Ihlr. 

Massmann, H.F., Gedrängtes althochdeutsches Wör- 
terbuch, oder vollständiger Index zu Graff’s althochdeut- 
schem Sprachschatze. Berlin, Nicolai 4. 3 Thir. 15 Ngr. 

Drei und dreißig Predigten, vorgetragen in der Kapelle 
des Kranden:Inftitutes für Handlungs⸗Commis in Wien. Fer⸗ 
ner: Zwei Predigten bei der Feier des IWLjährigen Jubiläums 
diefe® Inftitutes, nebft einer Geſchichte der Entſtehung und 
. QAusbreitung deſſelben, aus den Protolollen gezogen von I. R. 
Paffey. Wien. 1845. Gr. fer... I Zhle. 2U Nor. 

Schaefer, 3. W., Grundriß der: deutfchen Literatur. 

Ate verbeflerte Auflage. Bremen, Geisler. 1846. Gr. 8. 
12%, Ror. 
"eo 


eible, J., Das Schaltjahr; welches ift der teutfch !. tenordens. 


j den i und hat 366: 0: l Beust, 
Gtuttgart. Pa u. Ik 

Schmidt, J.C, Die Geheimnisse der Mathematik u 
Physik in ihrer Anwendung zur Erklärung der Lebenmer- 
gänge des menschlichen Organismus. Ein zweiter Being 
zur Entwickelungsgeschichte des Menschen. Würzburg 
Voigt und Mocker. Gr. 8. 1 Tulr. 18 Ngr. 

Religiöfe Skizzen in Novellen Form. Mit Beiträgen von 
P. v. Mettingh, 2. Mey, U v. Hobenbaufen. derau 
gegeben von J. Schäfer. Leipzig, Keil 8. Ihlr. 3Kp 

&parfeld, ©., Saufrirter Kalender für die deutſche fu; 
berwelt uf das Jahr 1847. 2er Jahrgang. Leipzig, Zrif. 


4.128 
Das —*& Taſchenbuch für Freunde einer gemithi: 
fter Iahrgang. Wien, Ri 


chen und erbeiternden Lectüre. 
16. 1 Thlr. 4 Nur. 

Weflermann, W., Handbuch der preufifchen Akten 
und Eifenbahn » Gefepgebung. Mit befonderer Ruͤckficht auf das 
Aktien⸗, Grunderwerbungs » und Hypothekenweſen der Eile 
babngefelffchaften. Gr. 8. Leipzig, Keil. 1 Zhlr. 15 Re. 


Zagesliteratur. 

Boccius, F. W., Bericht über die Unwendung der if 
Bereelius⸗Dchreiber ſchen Branntwein-Eur in Reuftrelig a: 
ſtreliz, Barnewig. Gr. 8. 2%, Nor. 

Die Deutfchen und die Zranzofen. Bon einem Franc 
Deutfh und mit Anmerfungen von &. Muhl. Bader, Üi 
reau der Badzeitung. B. 25 Rgr. 

Droyfen, Über unſer Seledrtenfgulioefen. Kid, Er: 
der u. Comp. Gr. 8. 5 Ner. 

te Erläuterungen und Zufäge zu der Rede des Anil 
vath6 «Referenten Bürften Dettingen Wallerftein über Ihe 
und Quarten. Münden, Palm. Gr. 8. WR. 

Fride, F. Fünf Predigten im Geiſte freier evangrlide 
Ehriften. Dünden, Palm. Gr. 8. 5 Rar. 

Hildebrand, H., Aphorismen über die theeloyiite 
Streitpunfte des Predigers Dr. Wolterftorff wider Kaͤmpfe⸗ 
Ruͤckũcht auf Uhlich und die proteftantifchen Freunde in W 
Stellung zur theologiſchen Wiſſenſchaft. Magdeburg, Zub 
berg u. Comp. Gr. 8. 3 Rgr. ' | 

Hormuth, J., Zeugnisse aus dem Heidelberger kit 
chismus und der d’Outreinschen Erläuterung dieses Kur 
chiemus über einige wichtige Zeitfragen der deutschen erı# 

elisch-protestantischen Kirche überhaupt und über die "# 
er badischen Generalsynode im J. 1843 vorgelegte Belr 
mation ihres Cultus insbesondere. Heidelberg, Mohr. 6. 
Ner. 
Das betrogene Publitum. Cine Kritik über Up wm 
Dmega u. f. w. von Ackra. Zum Beften der „aut 
Kirche“ nahe bei Bremen. Bremen, Geisler. Gr. 3. FR 

Rathichläge und Warnungen für Auswanderer nah Rt! 
Amerika. Augsburg, Fahrmbacher. 8. 9 Nor. u 

Roß, ©. v., Die Colonie St. Maria in Pennfolsane 
und die bedenklichen Aufnahme- Bedingungen in diefefbe, brles& 
tet. Augsburg, Fahrmbacher. 8. 1, Rgr. , | 

Schönaih, F., Das neue Gebot des Evangeliums. Er 
Wort an die proteftantifchen $reunde und Deutfch: Kathelikt 
Magdeburg, Yaldenberg u. Comp. 8. 21% Nor. _ 

Treumann, ©. 9. F., Rhythmiſche Paraphraſt des 7 
ſten Briefes St. Johannis, im Interefle der Kirche mit ne 
Bugabr son Zeitgedichten. Magdeburg, Falckenberg u. Er 

. r 


xXgx. a 

Über die Urſache der Holztheuerung und die Wichte 
der Pflege und Erhaltung der Waldungen als einziges = 
zu deren Wbhülfe. Aus flatiftifchem Geſichtspunkte betrackr 
von einem Forſtmanne. Münden, Palm. Gr. 3. 2X 

Becqueray, 3. 2., Was find denn die Jefuiten? FT: 
vollftändige Belehrung über das Wefen und Wirken des ME 
Augsburg, Fahrmbacher. 8. 9 Nor. 


Berantwortlider Deraudgeber : Heinrich Wroddant. — Drud und Berlag von J. X. Drockhaus in Beipzis- 


1187 


hervorgerufen; fchreiende Rechtsverlezung und Rechtsver⸗ 
weigerung, heilloſe politiſche Thorheit und Verblendung, 
Verrath an den Intereſſen und der Würde des Vater⸗ 
landes haben Anlaß zu den gerechteſten Beſchwerden und 
zum mannhaften Kampfe gegeben; gar Vielen aber, wel⸗ 
he ſich diefen politifchen Foderungen und Beftrebungen 
anfchloffen und fie auf die Spige trieben, hat man es 
angefühlt, Daß fie nicht Durch eine ernfte Schule der fitt- 
lien und intellectuellen Zucht, nicht durch die Schule 
der Zrübfal und bes Kampfes gegangen waren. 

Den politifchen Lehren und Beftrebungen der neuern 
Zeit in Deutfchland haben fich Elemente beigefellt, wel⸗ 
he denfelben zwar nie ganz fehlen werden, aber in Ta⸗ 
gen der Begeifterung, der Eintracht, des Strebend nad) 
einem Far erkannten, würdigen Ziele niedergehalten und 
überwwogen werden von einem gehobenen, geläuterten Ge⸗ 
meingeift. Diefe Elemente find: perfönlicher Ehrgeiz und 
Eitelkeit, Teichtfertige und muthrillige Oppofitionefucht, 
feihter Dilettantismus in der Politit ohne Kenntniffe 
und ohne Kraft und Ernft des Denkens, Neuerungs- 
fuht aus Langweile und UÜberdruß an fi felbft, phi- 
lofophifher Duͤnkel, irreligiöfe und fittenlofe &elüfte, 
überfinnige poetiſche Faſelei und Prahlerei, Abhängig: 
kit von fremden Beifpielen und Einflüffen, zum Theil 
im entfchicbenften Gegenfag zu dem wahren Vortheil und 
der Ehre Deutſchlands ſtehend. Man kann fi nicht 
wundern, daß dem reinen Metall fo viele Schladen fi 
beigemifcht haben, wenn man bedenkt, wie wenige Um: 
Hände die politifhe Bildung, das politifche Streben in 
Deutfchland begünftigen, wie viele dagegen ihm hemmend 
und zerfplitternd, es verunreinigend und vergiftend, ent- 
gegentreten. Wie ſchwer hält es z. B. nur, bis das Be⸗ 
wußtfein der Nationalität, der Molfseinheit, aus dem 
Buchſtaben und Wort ins wirkliche Leben übergeht, da 
demfelben einerfeits die Provinzial» und bynaftifchen In⸗ 
tereffen, Vorurtheile, Beindfchaften und Eiferfüchteleien, 
andererfeits der confeflionnelle Unterfchieb entgegenwirken! 
Einheit der Richtung, Mares Bemußtfein des gemeinfam 
zu Erftrebenden ift in Deutfchland ſchon darum, in ge 
wöhnlichen Zeiten, faft eine Unmöglichkeit, weil das in 
eine Menge loder zufammenhängender Organismen zer 
fallende deutfche Volk, wenn es auch zum großen Theil 
das Bedürfniß der Beſſerung fühlt, dod das Misbeha- 
gen und den Drud bes Beftehenden in fehr verfchiedener 
Weife empfindet, bier über Beſchraänkung ber religiöfen, 
dort mehr über Verkümmerung der politifchen Freiheit, 
an einem britten Ort über Preisgebung feiner materiel« 
len Intereffen, ober über ungleihe Behandlung der ver- 
fhiedenen Glaffen der Staatsbürger zu Magen hat, und 
fein Theil feine befondere Beſchwerde dem großen Ge- 
fammtbedürfniß unterzuordnen vermag. Die fpeciellen 
Misftände und die allgemeinften Boderungen: Recht und 
Freiheit, gewähren ber politifchen Thaͤtigkeit und zugleich 
der politifchen Declamation und Leidenfchaft einen wei⸗ 
ten Zummelplap und ein ergiebiges Feld ; aber babei 
drängen ſich auch, je ‚befhränktere, oft felbft kleinliche 
Verhältniffe dort zur Sprache kommen, und je unbe 


fimmter, dehn⸗ und beutbarer die Begriffe von Recht 
und Freiheit hier find, um fo leichter die oben erwähn- 
ten trübenden Elemente ein; während die Stimmen der 
wenigen Umſichtigen, tiefer Scauenden und gründlich 
Dentenden faft unbeachtet verhallen, welche, weder von 
folhen Allgemeinheiten befriedigt, noch, auch in ber Ber 
Ihwichtigung einzelner Mieftände das Heil des Ganzen 
erblidend, ihe Augenmerk und ihre Thätigkeit auf das 
Ganze des deutfchen Volkes richten, und in der Geſtal⸗ 
tung des beutichen Staatslebens, fefte, das Ehr- und 
Rechtsgefühl des Volkes befriedigende, feine politifche 
Geltung verbürgende Grundfäge durchgeführt fehen wol⸗ 
fen, ehe fie an eine wirkliche Befferung glauben. 

Diefer Wenigen Einer war E. M. Arndt, an wel 
chem wir freilich auch ein Beifpiel haben, wie wenig ein 
foldyes Streben den gebührenden Dank erntet; benn wurde 
er vor 25 Jahren von oben werbäcdtigt und angefochten, 
weil er in Dingen mitzufprechen, ſich der Dinge anzu⸗ 
nehmen wagte, welche die Regierungen ſich allein und 
ausfchlieflih vorbehalten wollten, fo wurde er in neuern 
Zeiten von Stimmführern der Zeit ald ein nicht mehr 
in die Gegenwart paffender Mann von veralteten Be⸗ 
geiffen behandelt, weil er, in der Schule eines vielbeweg- 
ten Lebens, reicher Erfahrungen und vielfeitiger, frucht- 
barer Anfchauungen gebitdet, viel mehr an Pofitives, an 
gegebene gefchichtlihe Grundlagen in den verfhiedenen 
Gebieten des Lebens und bes Geiſtes ſich hielt, als vie 
len Züngern behagte, welche die politifche und fociafe 
Welt nah einigen allgemeinen Begriffen umgeftalten 
oder gar neu erfchaffen wollten. Überhaupt, eine fo er- 
freuliche und erhebende Geftalt Arndt felbft ift, der un— 
gebrochene, immer noch jugendliche, begeifterte und hoff⸗ 
nungsreiche Greis, fo bittere Betrachtungen knuͤpfen fich 
doch leiht an die Erwägung feines Schickſals, fofern 
man darin ein Symbol erbliden kann von der politie 
[hen Entwickelung Deutfhlands feit etwa 40 Jahren. 


Er war Einer von Denen, welche die Schmach Deutſch⸗ 


lands während der Unterbrüdung durch die Fremden am 
tiefften fühlten, die fich, dem fremden Joche nie unterwar- 
fen, die in der Zeit der allgemeinen Erniedrigung und 
Knechtſchaft ftolz und frei blieben und fo den Kern und 
Mittelpunkt bildeten für bie nachmalige Erhebung Deutich- 
lands, für melde fie die geiftigen Waffen unermüdlich 
in der Stille fehmiedeten. Er nahm, wie Wenige in 
gleichem Maße, mit Mund und Arm, mit Wort und 
That, mit ber Klinge und mit begeifternden Gefängen 
Antheil an der gewaltigen Erhebung felbft, welche bie 
Abfchüttelung des Joches, nach unendlichen Diühfalen und 
Dpfern, zur Folge hatte; und nach dem Siege war er 
einer der beredteften Vertreter der Anfoderungen des ge- 
fammten Deutfchlands, der Nationalehre und Würde, 
ber politifchen und moralifchen Integrität des Volkes ober 
Reiches, die Stimme feines Höhern, nicht von Partei⸗ 
und Sonderintereffen verunreinigten und umftridten Be- 
wußtfeing. 
(Die Bortfegung folgt.) 


1188 


- Kiterarifhe Notizen aus Frankreich. 
NReifeliteratur. " 

Die Franzoſen find bekanntlich in der Geographie nicht 
immer fehr bewandert, und es ließe fih aus den Parlaments: 
reden fowie aus den Schriften namhafter Gelehrten eine ganz 
artige Mufterfarte folder Irethümer und Verſehen zuſammen⸗ 
ſtellen, welche den Beleg dafür liefern koͤnnten. Nichtsdeſto⸗ 
weniger ift ihre Literatur reich un Reiſewerken fehr gediegenen 
Inhalts; befonders zeichnen fich diejenigen Erfcheinungen, welche 

in das touriftifche Gebiet fallen, durch eine frifche, leben⸗ 
dige Auffaffung und anmtuhige Dasftelung äußerft vortheil⸗ 

auß. Uster den verfchiedenen Meifefchriften, welche uns 
die jüngfte Zeit gebracht hat, heben wir hier einige hervor, 
aus denen man Belehrung und Unterhaltung ſchöpfen Bann. 
„Voyage aux prairies osages, Louisiane et Missouri, 18 
—40", von B. Zirier. Der Verf. ift Fein lebhafter Verehrer 
der nordamerifanifchen Imftitutionen. Der eigentliche Zweck 


feiner Reife war das Studium der Dünngefäeten Indianerjlänme, . 


welde von dem Vorrüden bey Civilifation bald verdrängt und 
aufgerieben fein werden. Zirter iſt Arzt und in dieſer Eigen 
inet gelang es ihm, manche Einzelheit zu erforfchen, welche 
übern Reifenden entgangen war. In der Beurfheilung der 
Wilden ift er vorurtheilsfrei und laͤßt ſich nicht zu fo ſchwär⸗ 
merifcher Begeifterung binreißen, wie einige feiner Borganger, 
welche, von ihrer Vorliebe verleitet, in den Notbhäuten die 
ebeiften Charaktere zu erkennen glaubten. Dabei ift fein Stil 
einfach, anfpruchſslos aber gebildet. Mehr Anfpruch auf wiſſen⸗ 
fhaftliche Bedeutung macht folgende Erfcheinung: „Voyage en 
Abyssinie, execut& pendant les .anndes 1839 a 1843 par 
une commission scientifique, composee de MM. Th. Lefebre, 
A. Petit, Quartiv-Dillon et Vignuud." Bon bdiefem Werke 
ift bisher erſt der Anfang, welcher den erften Theil der eigenf- 
lichen Reiſebeſchreibung, des biftorifchen Berichts, enthält, ber 
gußgefommen. Bon den vier Mitgliedern der wiſſenſchaftlichen 
Ya a deren. Namen auf dem Zitelblatte genannt werden, 
Pie b. Lefebre der Binzige, welcher fih noch am Leben befindet. 
ei von den Reifenden, welche von dem naturhiftorifchen Mur 
feum in Paris ‘mit den nöthigen Mitteln und Inftrurtionen 
ausgerüftet waren, find vom Fieber noch während ihrer Reiſe 
hingerafft und der Dritte wurde von einem Krokodil verſchlun⸗ 
en. &o bat fich Lefebre allein der Mühe unterzogen, die ge⸗ 
ammelten Materialien zufammenzuftellen und zum Drude zu 
verarbeiten. Ein olftändige Urtheil über Den Gehalt diefes 
Werkes fowie über die Mefultate der Meife felbft muß fügtich 
mol noch bis zur Vollendung der ganzen Publication aufgeſcho⸗ 
ben bleiben. Wir bemerken nur, daß wir burch einzelne Par» 
tien, welche in einem allzu gereizten Zone gefchrieben find, bei 
der Lecture unangenehm berührt wurden. Es find Died befon- 
derd Erguͤſſe, welche dem Verf. von dem Umwillen über das 
eiferfüchtige Benehmen und die Unfreundlichkeit verfchiedener 
Gonfularagenten eingegeben find. — Bei der fortwährend ſich er» 
weiternden Ausdehnung der Beifeliteratur wird es eine immer 
fchwierigere Aufgabe, ſich einen klaren Blick uber die wahrhaft 
bedeutenden Erfcheinungen zu erhalten; und doch wird es immer 


notwendiger, fi) mit den Refultaten der neueften Korfchungen |. 


einigermaßen befannt zu machen, da jeder Tag eigentlich neue 
Gefichtökreife und neue Ausfichten auf dem @ebiere der Eth⸗ 
nographie eröffnet. Unter diefen Umftänden find ſolche Werke, 
welche uns in anfpruchslofer Form eine Überficht über das an: 
ſchwebende Material gewähren, ein wirkliches Bedärfnig. Wir 
halten es deshalb für umfere Pflicht, hier auf das brauchbare 
„Aonuaire des voyages et de la göographie pour l’annfe 
1846, von dem unter der Leitung von Frederic Lacrroir vor 
kurzem ber britte Jahrgang erfchienen ift, aufmerkfam zu ma: 
hen. Wir erhalten in diefem kleinen Bändchen zuerft ein zweck 
mäßiges Refumd der vorzüglichften Leiftungen auf. dem weiten 
Gebiete der Geographie, welche im Laufe des Jahres 1845 and 
Licht getreten find. &o wird und unter Underm ein kurzer 


. Sibirien , über die Unterſuchungen Schrenk's im nirklige 


ÜGerbtil über die Meife Midbendorf's nach Mord: und Ci: 


Turkeſtan, über. die Forſchungen von Louis Arnaud in Mer 
und von Bede, Rochet, Krapf und Sapeto in Abyfſinien, jr 
wie über bie 2Leiflungen der algierifhen Gommiffen gebrte. 
Bon dem übrigen Inhalte des Jahrbuchs bemerken wir einig 
Bruchſtuͤcke aus dem „Rosmos”, dieſem herrlichen Werke, mt 
dem ums Haumboldt noch in feinem hohen Witer beſchenkt; fer 

nee einen Bericht über den Schiffbruch des Aſtrolabe und de 
Zelce in dev Meerenge von Torres, einen Artikel vom tif: 
lichen Reiſenden Dubois de Montpereug über bie Zumulus ul 
bie Bälle des europäifchen Rußlands; eine Beſchreibung de 
Reiſe, welche Raffenel nah Bondou unternommen bat; inter 
effante Unterfugungen von Avezac über die Wtlantis und da 
Periplus des Hanno; den Bericht über einen Aufenthalt y 
Meflamah _von Galinier und Ferret; einen Aufſat übe 
den gebirgigen Theil Dgeſſene von Fontanier. Außerden 
enthält die dorliegende Schrift noch mehre Aufſaͤtze und Reti 
zen, weldde wir hier mit Stiüfchweigen übergehen müffen. !n 
Schluſſe bietet uns Lacxoix, um bie Brauchbarkeit feiner Arben 
zu erhöhen, noch eine Überfit.der wichtigften auf die Geyer 
Phi bezü ichen Werke, welde währene bes Zahres 184 cr. 

enen find. " 

















- Yoefien von Zurquety. 
Es ift nicht zu verkennen, daß die franzoͤſiſche Lyril m | 
neuefter Zeit bedeutend an Innigkeit und Semuͤthlichkeit õ 
wonnen hät. Als ein Hauptmoment zu diefem Umſchwunge it 
wol die vertrautere Bebanntfchaft vieler jüngerer Dichter mi. 
den germanifchen Literaturen zu bezeichnen: aber auch dir gie 
Gere Hinneigung zu religiöfen Gefühlen, welche offenbar 3 
Frankreich bedeutend an Terrain gewonnen haben, iſt mir 
Anfchlag zu bringen. Bu benjenigen jüngern Dichtern, k 
denen diefe Iegtere Erſcheinung vorzüglich bervortritt, geht 
€. Zurquety, der ſchoͤn durch eine Reihe anfprecdhender T4 
tungen feine poetiſche Regſamkeit bethätigt bat. Auch kin 
neueften Poefien, „„Fleurs-a Marie‘ betitelt, athmen eine x} 
tommen veligiöfe Stimmung. . Sie find recht eigentlich der Be 
herrlichung des Patholifhen Eultus gewidmet, in dem er e@ 
Fülle poetifcher Anregung herausfühlt. Wie es uns fdr“ 
ift es ihm aber größerer Ernft um feine Sache als vielen = 
Denen, welche fih eine Art von Kunftreligion als Ideal a“ 
geftellt haben ımd die nun, weil der Katholicismus dir be 
lebende Wirkung der Kunft zu benugen verſteht, in ihm a 
gewiffe Befriedigung finden. Bir wollen bier nur eng 
Wenige als Probe anführen, dem man Innigkeit und Iutr 
nicht abfprechen wird: 
Quel que seit le denil qui nous brise, 

Panvres arbrisseaux desscohes, 

Votre souffle est comme la brise 

Qui releve nos fronts penchde. 

De tous les cötes le flot gronde, 

Que ce nolt la mer ou le monde, 

Vierge, les ecaells sont certains. 

Oh! sanz vous et sans vos ‚Promesses 

A qui dirions-mous nes tristesses, . 

" Vers qui leverions-nous nos mains? h.. 





Literarifche Anzeige. 


Bon F. A. Brockhaus in Reipzig ift durch alle Buchhart 
lungen zu beziehen: 


Karthäuſer. 
Von 


Edward habel. 
Gr. 12. Geh. 16 Nor. 


VBerantwortliher Heraußgeber: Heinrich Brockkans. — Drud und Verlag von F. E. Wrodpans in Reipzig- 


Blätter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


Ernſt Moris Arndt. 
(Bortfegung aus Nr. 297.) 


Es ift befannt, wie unvollftändig die gerechten Fode⸗ 
mgen befriedigt und die einleuchtendften patriotifchen 
runde eines Arndt und Goͤrres für die Herftellung 
Kernder Grenzen gegen Frankreich und gegen die Preis- 
bung urfprünglich deutfcher und noch Deutſch redender 
rooinzen durch die ärmlichften diplomatifchen Gründe 
md Rüdfichten angeblich widerlegt und überwogen, in 
er That aber durch ben feindfeligen Einfluß der befieg- 
m Franzoſen, der Engländer und Ruffen, und durch 
ie Eiferfucht ber deutfchen Regierungen felbft befeitigt 
neben. So wie die Arndt'ſche Schrift: „Der Rhein, 
)eutſchlands Strom, aber nicht Deutfchlande Grenze”, 
Borte, die, aus der Seele der einſichtsvollſten Deutfchen 
erausgeſprochen, Verftand, Gemüth und Ehrgefühl gleich- 
fig anfprechen mußten, den angefirebten Zweck keines⸗ 
98 vollftändig erreichte, fo wenig und noch weniger 
md eine andere Schrift Arndt’s: „Uber künftige ftän- 
6: Verfaffungen in Deutfchland‘‘, da, wo fie haupt- 
ahlih Hätte wirken follen, die verdiente Beherzigung. 
Dem idealen Deutſchland, das in den begeifterten und 
deierſhauenden Seelen einzelner vaterlandsliebenden 
Rönner wirklich lebte und nach Geſtaltung ftrebte, follte 
An Abbild in der Wirklichkeit entfprechen; und falls 
ad der ernftliche Wille bei Einigen Derer, welche die 
mung der politifchen Dinge in Deutfchland in Hin- 
M datten, einige Zeit lang vorhanden war, fo mußte 
, nachdem man das Erfte, Wichtigfte und Gerechtefte 
# Scheu vor den Schwierigkeiten, aus Saumfeligfeit 
d Mangel an aufrichtiger, patriotifcher Einigkeit ver- 
ben hatte, nothwendig der Guß mislingen, wenn man 
n noch verfuchen wollte, nachdem die Maffe, die kaum 
nglücklichſten Augenblick die Form hätte ausfüllen koͤn⸗ 
n, ſchon ganz zäh, erfaltet und erflarrt war. Don 
fer Zeit an wurden die treuen, wahrhaft patriotifchen 
athgeber, die man nicht hatte hören und beachten wol- 
\, unbequem, verdächtig und verhaßt*); fie, deren mäch- 
em, begeifternden Beiftand man in den Tagen der Noth 


— 
— — — 


) Dieſe Reaction iſt vom Arndt in feiner geiſtreichen Weiſe ge: 
Mert (HI, E28). 


25. October 1846. 


und Gefahr gern angenommen und fehr dankenswerth 
gefunden, wurden jegt als unbefugte und übelgefinnte 
Störer zurüdgewiefen, als unpraktifch verfchrien, und wo 
fie nur den Teifeften Verdacht auf ſich zogen, handelnb 
auf die Geſchicke des Vaterlandes einwirken zu wollen, 
als Feinde des Staats und der Regierungen verfolgt. 
Der ideale Patriotismus trat in einen beflagenswerthen 
Gegenfag zum officiellen, zu dem von ben Regierungen 
gutgeheißenen und geehrten, und Arndt wurbe mit noch 
mehren gleich und ähnlich gefinnten Männern mit gehäfe 
figen Unterfuchungen und Qudäfereien verfolgt, und ba nicht 
einmal das bewaffnete Auge des feindfeligen Verdachts 
eine Schuld an ihm finden konnte, feiner Wirkſamkeit 
als Lehrer an der Univerfität Bonn enthoben. Zwanzig 
Jahre mußte er von diefem feinem Berufe wiber Willen 
feiern, und dieſe 20 Jahre der Hemmung, der beziehungs« 
weifen Unthätigkeit eines das beutfche Vaterland warm 
im Herzen tragenden Mannes deuten fombolifh auf das 
Schickſal hin, zu welchem Deutfchland felbft während 
diefer Zeit verurtheilt war. Allerdings brachte Arndt 
diefe Zeit nicht unthätig zu, und auch Deutfchland ift in 
diefen 20 Jahren nicht ganz erflarrt und thatlo® geblie- 
ben, aber welche Fortfchritte hat es in feiner politifchen 
Gefammtentwidelung gemacht? Was haben die Anftren- 
gungen und Kämpfe, welche da und dort, befonders su 
Anfang der dreißiger Jahre, ftattfanden, dem Ganzen ge 
frommt? Wie weit ift das Verftändniß bes gemeinfamen 
Vortheild und Heild unter den beutfchen Bolksftämmen 
gediehen? Welche Sicherung der Integrität und des ge- 
funden Wachsthums Deutfchlands ift durch eine ſtarke 
Rechtsordnung und Begeifterung für gemeinfame Güter 
im Innern, durch eine befriedigende Wehr nad) aufen, 
duch eine tharfächliche, nicht blos fcheinbare Geltung 
Deutſchlands als politifhe Macht inzwifchen errungen 
worden? Wo haben bie officielen und factifchen Vertre⸗ 
ter der deutfhen Macht fih bemüht, wo den ernften 
Willen gezeigt, die treueften Bürger des ideellen Vater⸗ 
landes mit fi auszuföhnen, fie für den Dienft bes 
Ganzen zu gewinnen? Haben nicht fogar wirkliche Fort- 
fehritte im Einzelnen in anderer Beziehung wieder ge 
fhadet, neue Spaltungen und Eiferfucht hervorgerufen, 
wie 3. 3. der in fo mancher Beziehung fegensreiche Zoll» 
verein? Hat nicht felbft die Franzöfifche Nevolution von 


2190 


1830, welde das politifche Leben in Deutfchland aller- 
dings wieder anfachte und da und dort eine, freilich bei- 
nahe „ftillgeborene” Verfaſſung bervorrief, durch bie 
Schöpfung des neuen Königreichs Belgien bie politifche 
Stellung Dautſchlunds geſchwaͤcht und benachtheiligt, 
durch die Reaction, in Folge einer lebhaftern Bewegung, 
die noch übrige Freiheit noch enger eingeſchnuͤrt, und end⸗ 
lich durch das Herüberwerfen und Einſchmuggeln einer 
Menge fremdartiger Elemente aus dem in gewiſſer Hin⸗ 
ſicht mit Recht beneideten und bewunderten Frankreich 
nach Deutſchland der politiſchen, moraliſchen, intellectuel⸗ 
len und aͤſthetiſchen Bildung unſers Volkes eine Rich⸗ 
tung gegeben, wodurch neue Spaltungen ſelbſt unter den 
im Princip ſcheinbar Einigen erzeugt wurden? Und hatte 
man nicht bie Deutſchen ſozuſagen mit Gewalt zur Be- 
wunbderung des Fremden und zu der fo leicht darauf 
folgenden Rachahmung Deffen gezwungen, was den be- 
vormundenden Regierungen vielleicht am unfchädlichiten 
für den Augenblid erſchien, aber die gefunde Entwicke⸗ 
lung bes eigenthümlich deutfchen Lebens tief flörte und 
eine unglüdliche gemifchte Bildung, einen ſchwankenden, 
manicht verderbten Geſchmack, ein entzweites Bemußtfein 
in politifchen und fütlihen Dingen zur Folge hatte? 
Ganz flillgeftanden war allerdings Deutſchland in 
der genannten Zeit nicht, fo wenig ale Arndt, in feiner 
Berufsthätigkeit gehemmt, deshalb ganz gefeiert hatte; 
und es ſoll nicht beftritten werben, daß ein Auge, ger 
wöhnt die Dinge in rofenfarbenem Lichte zu fehen, im 
J. 1840, als der Megentenwecfel in Preußen eintrat, 
und im Herbſt die Friegerifchen und Eroberungsgelüſte 
Frankreichs non Deutichland wenigſtens mit fehr energi- 
Shen Worten und einmüthigen Stimmen zurückgewieſen 
wurden, die Dinge zu einer erfreulicden Gntwidelung 
und Umgefialtung vorbereitet und gereift glauben mochte. 
Es mochte feinen, die nationale Gefinnung fei erftarkt, 
die politifhe Bildung verbreiteter und durch einige Jahre 
verhältnigmägiger Ruhe bie Möglichkeit einer Verſtaͤndi⸗ 
gung und Ausfähnung ber Gegenfäge in patrietifch -frei- 
finnigem Geifte angebahnt. Neue Hoffnungen machten 
viele Gemüther geneigt, frühere Taͤuſchungen und Unbil- 
den zu vergefien; und mit herzlichen Freude begrüßten 
in diefem Sinne viele Zaufende non Deutfchen den Ent- 
ſchluß des neuen Regenten von Preußen, ben gekraͤnkten 
Arndt feiner Thaͤtigkeit ald Lehrer an der Hochſchule zur 
rũckzugeben. Wol konnte man in biefer königlichen Hand⸗ 
lung, einer der erſten bed neuen Herrſchers, Mebr fehen 
als nur einen einzelnen, in guter Stunde gefpendeten 
Gnadenbeweis; man konnte darin ben erſten Schritt einer 
Politik der Verſoͤhnung zwiſchen dem ibealen und dem 
hergebrachten empirischen Princip, einer wahrhaft natio- 
nalen usb freifinnigen Politik erblidien, welche das in 
vielen Jahren Werfüunte wieder einbringen und gutma- 
Ken und bie früher unbenugte Begeiſterung theilweiſe 
Dusch gereiftere Erfahrung und weife Beſonnenheit er- 
Dan würde Bedeutungspoll genug fiel die Wiederein⸗ 
egung Arndt's nur einige Monate nor das Kriegsge⸗ 
ſchrei der nach dem Rhein gelüftenden Franzoſen, bexen 


Anmafung jedoch in Deutfchland mit einer Einflimmig- 
feit zurüdgewiefen ward, melde dem ehrmürdigen, zu 
neuer Thätigkeit berufenen Greis wol die genugthuende 
Überzeugung einflögen mochte, daß feine Schrift: „Der 
Rhein, Deutſchlands Strom, aber ‚wicht: Deutſchlande 
Grenze”, das politifhe Symbol feines Volbes geworden, 
und daß in dieſem Anfangspunft politifcher Einſicht und 
Ehre ein Anhalt und Fundament gegeben fei für eine 
deutfche Politik. 

Nicht leicht wäre auch in ganz Deutfchland ein Mann 
zu finden gemefen, welchen ein zu einer freifinnigen, echt 
deutſchen Politik entfchloffener Fürft zu feinem Banner- 
träger hätte wählen und durch diefe Wahl ſchon das ab 
gemeine Vertrauen in gleihem Grade für ſich in feine 
Dlane gewinnen können, wie Arndt. Gr vertritt fo viele 
ehrenhafte und wefentliche Eigenfchaften des deutichen 
Volkes, er verbindet in fich fo viele, felten fo nebenein- 
ander beftehende Züge, er bat neben der fcharfausgepräg- 
ten Perfönlichkeit zugleich auch etwas fo Univerſelles, daß 
die Einleitung zu einer allgemein befriedigenden, verfüh 
nenden, das Licht nicht ſcheuenden, weder Salt doctrinair 
ren noch perfönlich = leidenfchaftlichen und willkürlichen, 
einer durch und durch beutfchen Politit nicht begeihum 
der ſchien gemacht werben zu können als durch die 
feierliche Wiedereinfegung eined lange verbädtigten und 
binausgedrängten Mannes in feine vollen Ehrenrechte alt 
Staatsbürger und Lehrer. Arndt vertrat und vertritt ſo⸗ 
zuſagen alle Lebensalter; den Jahren nach ein Brei, 
und ein Greis auch durch die Fülle ber Erfahrungen, 
durch den Wechfel der Schickſale, durch den Meichthum 
von Anfchauungen und Erlebniffen, iſt er, der Lehrer det 
Jugend, felbft jung geblieben ; friſch blüht fein Alter, 
wie gzeifender Wein; fein Herz hegt noch die Zreudig 
keit, die Hoffnung, das Vertrauen der Jugend; und alt 
Mann Hat er fi) fein ganzes Leben lang bewährt, in 
Thaten und Leiden, in Worten und Werfen. Gebaten 
im fernften Norden Deutichlands, auf: der Inſel Rügen 
früher der Krone Schweden gehörig, hatte Axndt in fr 
ner Natur etwas Nordifchee, beinahe Skandinaviſches; 
aber er bat fich in feinen Mannesiahren im weftligen 
Deutfchland, am Rhein niedergelaſſen, er iſt wit Lab 
und Seele ein Rheinlänber geworben und bat in dt 
Schrift vom Rheine mit dem entſchiedenſten Racdrud 
bie Behauptung aufgeftellt, daß veindautfches, echtgerme 
nifches Wefen im füdlichen und weftlichen Deutfchland, 
am Rhein, in Schwaben, Heffen, Weſtfalen und Bram 
fgweig zu Haufe ſei. Diefe Länder find ihm der Km 
und das Herz bed deutſchen Volkes, woraus fein rechtes 
Lebensblut und feine lebendigſten Rebensgeifter in alt 
Adern, ja in bie aͤußerſten lieder feines Leibes ausge 
goffen werben; dort, wenn fie nicht überhaupt ein Traum 
if, lebt die rechte Deutfchheit, von da fließt fie wie der 
zarte und geheime Lebensäther des Ganzen mit allen ih 
ven unfichtbaren und. kaum vernehmlichen Geiflern bi⸗ 
zur Leitha und Eider, ja bis zur Memel und Theiße zu 
den verwandten Brüdern aus. Dabei jedoch erflatt 
Arndt den Streit der Eitelkeit über die Vorzüge dA 





1191 


Rerdäenutfchen und Süddeutſchen für laͤcherlich, und for 
jar durch die Abſichten, womit er von Einigen geführt 
vorden, ſchaͤndlich, und den Dichter bes Liebes „Was 
ſt des Deutfchen Vaterland?” trifft gewiß der Vorwurf 
ined einfeitigen, engherzigen Provinzialismus nicht, er, 
venn irgend Ciner, trägt den reinen und vollen Begriff 
es Deutfpen in ber Seele. 


(Die Bartfegung folgt. ) 


Der moderne Eulenfpiegel. Roman von Abolf yon 
Tſchabuſchnigg. Zwei Bände. Peſth, Dedenaft. 
1846. Gr. 8. 3 Thfr, 


Der Gedanfe, den volksthümlichen deutfchen Schall zum 
zäger moderner Jdeen zu machen, ward ſchon mehrmals er: 
ft. Immprmann, der felbft eine andere Geftalt unferer hu⸗ 
weiftifhen Überliefecungen fo geiftvoll reftaurirte, hat ihn an» 
deutet, und in jüngfter Zeit iſt Zi Eulenfpiegel fogar zum 
Iegenftand eines Heldengedichts erkoren worden. Der Titel des 
ztliegenden Buches koͤnnte nun auf die Vermuthung führen, 
35 wir es auch bier mit einem ſolchen Berfuche zu thun ha> 
en, und theilweife ift Das in der That der Fall; wer aber 
ie Sache zu wörtlich nimmt und meint dem ſchalkhaften Lands» 
one in „„zeitgemäßer” Zracht zu begegnen, wird bald inne 
den, daß der Verf. feine Eulenfpiegeleien zunächft mit den 
ten treibt, indem er dieſes Aushaͤngeſchild brauchte, um 
im Waare an den Dann zu bringen. Damit wollen wir je. 
ch keineswegs fagen, daß der Käufer ſich betrogen findet: er 
elommt freilich nicht was er erwartet, Bann fi) indeffen mit 
im Gebotenen ganz wohl begnügen. 

Aſchabuſchnigg's Till iſt die verkoͤrperte Berhöhnung Deſ⸗ 
a, was unſerer Zeit von Schein und Lüge anklebt: er iſt es 
migftend in der Anlage, denn bie Ausführung bleibt bier 
MW da hinter diefer zuruͤck, fowol weil Ber Verf. ſich freiwillig 
wilfe Grenzen ſteckte, als auch weil er, felber ein Kind ſei⸗ 
nr deit, ſich nicht völlig über fie zu erheben vermochte. Aill 
u Brite geht der Vertreter aller jener Nichtſe, die fi im 
a tmofphäre ber Gegenwart mit ber Anmaßung herumtrei- 
etwas zu fein, jener Schemen, die fo aͤngſilich bemüht 
mt, fh zu Geftalten zu verdichten und zum Range der Per» 
migtit zu gelangen. Das einigermaßen formiofe Bud; zer: 
ft in wei nur loſe zufammenhängende Baupttheile, in zwei 
Kırckn, wenn man will, deren eine Runft und Künftelei, 

et und Künfteler zum Borwurfe bat, während die an⸗ 
we das Berhaͤltniß des Weibes zum Manne, zur Welt be: 
indelt. Tſchabuſchnigg verfucht e&, das Kraͤmervolk mit der 
bel fharfer Ironie aus dem Tewpel zu treiben und hält 
n Derkehrten Beftrebungen des Tages den Spiegel der Selbſt⸗ 
kenntniß vor: der falſche Kunftentbufiasmus, das Hiftrionen- 
wm, die Reftauration des Mittelalters, die Frauenemancipa⸗ 
Mn — lauter Motethorheiten, in die ſich urfprünglich edle 
Ötungen verlaufen haben — werden und nadeinander vor« 
führt, und das hohle Phrafengetlingel, mit dem die Apoſtel 
E Eüge ihre Göttin ampreifen, empfängt feine gebührende 
ürdigung. Iſchabuſchnigg iſt vorzugsweife ein kritiſches Ta⸗ 
K; das ſyriſche Element in ihm — ein Bufag, der bei einem 
eier felten fehlt — gibt fich befonders in den ba und 
tt eingeftreuten Raturfchilderungen Fund, die in ihrer ans 
aulihen Ginfacpheit vollkommen der Muſter würdig find, 
* Serzũse er fo trefflich darzulegen weiß, z. B. in ſolgen⸗ 
Stelle: 


„Hätten wir Deutihe nur Bettina und Heine, fo gäbe 
doch einen vollig Blinden unter uns, auf der Regenbogen: 
ut der Hhantafie fpiegeln fi) bie Bilder. ber Natur und das 
wre Yuge wird um fo heller, je dunkter das äufere ift. 
Menkt fi jenes naturlaunige Kind nicht wie ein Erdengeiſt 


in Die Beige bes Früblings, es lebt umb weht in Einfamkeiten 
piihen Waldroſen und Vogelneſtern, verliert fih in Biumen 
be und Quellenfall und gaukelt als &chmetterling, als 
Blütenftaub, als Elfe um unfere Sinne. Berwunderft du dich, 
Hertha, daß mir ber Anblid des Meers, des Waller Her 
geworden ift, als ich Heine's «Bud der Lieder» las: 
„— Wir ſaßen am Fiſcherhauſe 
Umd ſchauten nady der Bee. 
Die Abendnebel kamen 
Und ſtiegen in bie Häß’.” 
„Am Leuchtthurm wurden bie Kidhter 
ARmölig angefledkt, 
Und in der weiten Ferne 
Ward noch ein Schiff enideckt.“ | 
„— Das ift große wundervolle Naturpoefie, man fieht ohne 
Augen, man begreift das nie Erblickte! Um die Macht des 
Wortes in foldhen Stellen würdigen zu Fönnen, denke 1.8. 
als Gegenfag an Matthiffon zurüd, wenn er ob feines Lemans 
in Entzuͤckungen ausbriht. Wie forgfältig befchreibt er das 
Pappelgebufh im Weidenthale mit den weißen Stämmen und 
den zarten Reifern, die Wechfelfcheibe des Mondes wirft allen: 
falls wie durch ein Sieb ihre Strahlen dazwiſchen; ift cr me: 
lancholiſch, jo klagt duͤrres Rohr am Erlenteihe, oder wol gar 
die fehauervolle Eule, vom Sturm emporgefcheucht, @ilberhu. 
ten, Weimuthkiefern, Najadentanz, Athergewänder, Moosgrüfte, 
De meribenfrürhte und NRachtigallenbüfche dürfen dabei nicht 
bien. Um Alles genau in der Ordnung zu halten, befchreibt 
er ftetö von ber Linden zur Rechten, und wenn die Quelle nicht 
Bauclufe fpringt, die Nachtigall nicht am Genferfee fchlägt, 
— Gaben fie für ihn wenig Reize. Dann kehre wieder zu 
Heine zurüd: 
„— Der Abend kommt gezogen, 
Der Nebel bededt die See, 
Seheimnipvoll raufben die Wogen, 
Da fleigt es meit in die Höh'.“ 
„Die Meerfrau ſtuͤrzt aus den Wellen 
Und ſetzt fih zu mir am Strand, 
Die weißen Brüfte quellen 
Dervor aus dem Schleiergewand.“ 
„— IH fage dir, Hertha, hätte Heine den Pleinften Theil, 
aber den beften von Dem gefchrieben, was wir von ihm ber 
figen, er wäre ein unfterblicher deuticher Genius; er fchrieb 
leider, zumal in legter Zeit, zu Viel und zu Schlechtes, ſodaß 


wir ihm erft wie der gute Sohn dem Noah die ekle Blöße abs. 


gewendeten Geſichts bedecken müflen, wenn wir ihm den Lor⸗ 
berkranz auf die Stirn fegen wollen.” 

In den Gang der Erzählung, die, einige Epifoden, 3. B. 
das mit pſychologiſchem Scharfblick entwickelte Verkältnig zwi⸗ 
fhen Parzival und Berenize abgerechnet, eigentlich ber ſchwächſte 
Shril des. Buches ift, find überall Betrachtungen eingermoben, 
bie von klarem Werfkindniß der Kunft: und Literaturzuftände 
fowie von ficherer Auffaflung des focielen Lebens zeugen. @elbft 
wo man mit des Verf. Anfichten nicht einverflanden fein kann, 
da find fie wenigſtens mit fo viel Geift vorgetragen, daß man 
ihnen das Recht, fich geltend zu machen, einräumen muß. Um 
von Afgabufchnigg’s Darftelungsweife eine Probe zu geben, 

ählen wir ein paar etwas längere Stellen aus — abſichttich 
ſolche, wo der humoriſtiſche Reiz ded Inhalte nicht zu Gunſten 
des Ausdrucks befticht — und der geübtere Lefer wird leicht ers 
Tonnen, daß Tſchabuſchnigg die Sprache fo genau zu handha⸗ 
ben weiß, wie außer ihm wenige öftreichlicge Schriftfteller: 

„Im Verlaufe eines ſolchen Geſpraͤchs geſchah es einmal, 
Daß Heinrich, der gern Vergleichvunkte aus den redenden Kün« 
ten herübernahm, über den Verfall der Kritik in unfern Ta 
gen klagte, aus dem ein noch größeres Ruͤckſchreiten ber Lite: 
ratur erklaͤrlich und zu entihulbigen wäre. Winkelmann und 
Zefing und andere Männer von ähnlichen Kenntniſſen und ge 
wiſſenhaftem Ernſte nahmen fi am Unfange der zweiten 











1192. 


Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Kunft und Literatur an, 
und gleichfam wie unter den Händen treuer gefchidter Ver⸗ 
welter gediehen fi. Streng war die Kritik, aber gerecht, 
‚der Literat konnte fi betroffen fühlen, doc er warb auch ge: 
fördert; darum nahm in Pürzefter Zeit die deutfche Kiteratur 
unglaublichen Aufſchwung und das Publicum wurde feiner Schrift: 
fteller würdig erzogen. Die Beendigung eines Schriftwerkes 
war. ein Ereigniß in Deutfchland, und die Nation horchte ge: 
fpannt auf den Streit ihrer Krititer. Auf Die Literaturbriefe 
und Dramaturgien jener Zeit konnte man bauen, würdige 
Beitfchriften waren die Zräger der kritiſchen Anficht der Beſten 
der Ration, die Jugend horchte noch entblößten Hauptes in 
Verehrung und dem Blödlinge wurde in jeder Weiſe der Sig 
im hoben Areopage verfagt. Aber bald warb es anders in 
Deutfchland, die Getehrtenzepubtif entwuchs zur Pöbelherrfchaft 
und von den fritifhen Galerien fhallte von nun an gemeine 
Klatfchen und Bifchen in die literarifhe Rennbahn. Der Mehr: 
zahl der Stimmfuhrer fehlt die nöthigfte Bildung, nur die Ge: 
wiſſenhafteſten folgen mindeftend doch dem eigenen unſichern und 
ſchiechten Gefchmade, die Andern ihrer Laune und Leidenfchaft. 
Bon allen Fächern lehren falſche Propheten, jelbft unfere Kine 
der ergreift wie die Mädchen in Schweden die Sucht zu pre 
digen, wie foll das ſchwankende, bedürftige Volk die wahren 
Scher davon unterfcheiten? Wo die Kritif fo barnieberiigt, 
ift ein gefundes Gedeihen der Literatur nicht möglich. ie 
bei jedem Sefchmadtverfalle reizt nur noch das Pikante, amufirt 
will man fein, aber nicht angeftrengt. Der Schriftiteller muß 
tradhten, die Gunft des Publicums zu erwerben, aber nicht 
diefes, ihn zu verfteben und fih auf feine Höhe zu ftellen. Der 
Poet fol fi) unter die niedern Haußoffiziere ordnen; wenn er 
Skandale treibt oder politifche Wige reißt, kann er der Kränze 
am fiherften ſein, ein proletarifches, faunenhaftes Lächeln ift 
die fublimfte Grimaſſe des Beifalls; die wahre heilige Freiheit, 
wie fie jeder Edle der Regierer und der Regierten im Herzen 
trägt, wie fie unter widerfprechenden wüſten Ereigniffen den: 
nod in der Erfüllung der Jahrhunderte eintraͤchtig Ffortwächft, 
wird aber dur die frechen unverftändigen Verfe der Leben: 
digen ebenfo wenig befördert als durch die eleganten Speife- 
zettel und Codicille der Verftorbenen, durch ihre duͤſtern Schlum⸗ 
merlieder zu Tode gefüttert oder gereizt. Ihr Schritt ift leiſe 
wie der eines Engels, aber wenn ihre Seit da ift, werden ihre 
Tempel auf Erden ihrer Herrlichkeit voll werden... . „” 
„Iſt es nicht gerade die irdifche Sendung des Weibes, 
die bewegende Kraft in die Menfchenwelt zu bringen? In an: 
fcheinender Stille figen fie gleichfam am Balcone der Gefchichte 
und des täglichen Lebens, befänfti end und fihlichtend, fo 
fheint es, neigen fie fih zum ampplage hinunter, aber die 
zarten weichen Hände Icgen heimlich die Lunte an unfere Bes 
gierden, vor ihrem Liebeblid fliegt die Yulvertonne in bie 
Lüfte. Ohne das Weib wären wir noch in Eden, aber der 
Mann verftände felbft diefes nicht ohne fie zu genießen. Eva 
bleibt der Zypus und das Symbol aller fünftigen Weiber; mit 
ihr Fam die Schönheit auf die Erde, und meil die Schönheit 
vergänglich ift, der Tod. In diefer tiefen Bedeutung erfaßten 
auch jene alten Meifter das Weib. Erft ihr Dafein vollendet 
die Schöpfung: Adam liegt anfangs in traumerifcher Ruhe am 
Ufer der Erde; die Sonne fteigt herrlich dahinter, der ewige 
Vater berührt über ihn hinfaufend mit der Spige des Finger 
feine Stirn; aber nur langfam erhebt er fi, ungenießend, 
faum feiner felbft bewußt. Am naͤchſten Bilde fteht bereits 
Eva vor ihm; wie ganz anders geberdet fi nun ber erfte 
Mann! Der Funke des Lebens ift in fein Auge geflogen, eb 
ſchimmert und ſchmachtet und lächelt, feine Muskeln bläht die 
Sehnſucht, feine Bruft wallt unter feurigem Athem. Rafael, 
als feine Schüler die Fresken in den Bogen des Baticand aus⸗ 
führten, verfannte nicht die wunderbare Bedeutung des Wei⸗ 
bes, Alles überließ er getroft feinem Giulio, nur die Eva 
malte er felbft in die biblifipen Geſchichten. Und voll eigen- 


thümlich großartiger Anmuth, übermwältigenden Liebreizes iſt 
Verantwortlicher Heraudgeber: Heinrih Brockkaus. — Drud und Verlag von F. X. Wrodhans in Leipzig 


dies Weib; ihre Bloͤße ift der holdefte Zauber ber Schop 
der Reiz ihrer Glieder dab Herrlichfte der jungen Belt. Bu 
konnte die Schlange ber Verführung ſchlauer wählen, ala ie: 
dem fie zu ihrem Gefchäfte das Antlig des Weibes harte; 
diefen Augen vol Sehnfucht, diefen weißen Brüften, dieſen 
verſchmachtenden Lippen konnte der erfte Mann ebenfo wenn. 
widerſtehen als es der legte vermöchte.e In der Eva hat da 
Weib den Mann überwunden durch Hinfälligkeit. Aber fo nz 
jener biblifhe Sundenfall durch das Weib über den Mann gr: 
fommen, durch fie in ihrer großen Schönheit in der gan 
Natur, in der todten fehnfuchterregenden wie in der verfub: 
rend fchlangenhaft lebendigen: fo konnte das Werk der Er: 
fung wieder nur im Weibe beginnen. Eva und Madonna iM 
der Zenith und der Nadir unſers Dafeins und unſerer Be 
ſchichte. Prophetiſch verlebend, fibyllenhaft ahnend erſcheint dat 
Weib auch dazwiſchen immer und immer wieder in den altı 
Geſchichten; das Heiligfte ſowie das Gräßlichfte gefchieht dur 
ihre ſchwachen Hände: Deborah, Semiramis und Eſther grei 
fen ins Rad der Geſchichte; fie kennt die Kraft ihrer Schon 
heit, in Staunen und in Grauen pflegt fie fie, und nad ſecht 
taufen? Zahren hat fie Nichts von ihrer Macht verloren; nd 
ift fie das fchönfte Wefen der Erde. Himmliſche Boten Arche 
mit ihr in beimlihem Verkehre, nad ihr Bin neigt fih da 
Stern des Aufgangs; follte Die Gottheit je dieſe Exde beſuchen 
wohin als auf den Schoos eined Weibes könnte fie fih nid 
lofien? Die Hirten des Gebirgs fteigen nieder, um iu 
buldigen, die Weifen aus dem Morgenland bringen ihr &: 
ben, im Reize der Schönheit hält fie ſchuldlos und unit 
die Gottheit in den Armen und Eofet mit ihr und tändelt rt 
freut fi) ihrer in jungfräulicher Mutterluft. Deswigen ſqe 
Rafael abermals im Weibe das fchönfte Gebild der Kum 
Sterne fliht er au ihrer Krone, die Sonne gibt er ihr in 7 
Madonna von Fuligno zum Hintergrund — fie aber ih 
leuchtet auch diefe, und den Mond legt er unter ihre Sıtla 
Jener fchönen Schlange, ihrem eigenen Symbole und Days 
bilde, zertritt fie in majeftätifcher Unfchuld den Kopf, und Er$ 
und Selige tragen fie triumphirend auf Blumenwolken # 
Glorien empor als Königin der Himmel: das Weib ifi® 
erfte Wefen der Schöpfung, das Weib, wenn es ih 8 
wunden bat durch eigene Stärke.” 
Schließlich fprechen wir noch den Wunſch aus, ter dal 
möchte bald an die Erfüllung feines auf S. 311 des jmiz 
Bandes gegebenen oder vielmehr wiederholten Verſptechens 
ben und die großen Klagen der Gegenwart, an melde 1” 
dDiefem Buche nur ftreift, müßte er auch abermals die Bar: 
des Schalte vornehmen, der Löfung näher bringen bel 











Hiforifhe Miscellen. 


Georg Anderfon, ein wiflenfchaftlich nicht gebildeter, da 
mit vieler Urtheilskraft und einem ftarfen Gebächtniffe begchtr 
Mann von Zondern in Holftein, befand fidy ſechs Jahre I: 
auf Reifen in dem Orient, und ließ ſich nach feiner Jun“ 
kunft (1650) zu Kroppe im Schleswigſchen nieder. Der MT 
zog von Holftein : Sottorp ließ ihn öfters holen, und meil Irde 
fon Das, was er Merkwürdiges auf feinen Reifen geſchen 
aufgezeichnet hatte, im Druck erfcheinen zu laffen ſich weit“ 
fo mußte er täglich eine Stunde lang zu dem Herzeg in fit 
Bibliothet kommen und eine ausführliche Befchreibung ver 7 
nen Reifemerfwürdigkeiten mündlich machen , welche der hırta 
einer fpanifhen Wand verftedlte Adam Dlearius auf herzoglide 
Befehl zu Papier bringen und hernach (1699) herausgeben mut 


Zu Anfang des 18. Sahrhunderts brachte ein Theolog 
Meinung vor: das Neue Zeftament verhalte fich gegen dad It 
wie ein Codicill zu einem förmlichen Teftamente. Die mit 
erfcheinenden „Unſchuldigen Nachrichten ad annum 1714* hatt 
aber diefen Vergleich hoͤchlich misbilligt. 1. 












Blätter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





26. Dctober 1846. 





(Bortfegung aus Nr. 208.) 


Ein Mann der in Deutfchland fo ämfig gepflegten, 
fo hoch geehrten Wiffenfchaft ift Arndt, er ift ein Ge⸗ 
Iehrtee, ein Korfcher und Kenner der Völker und ihrer 
Geihichte aus Büchern wie aus vielfacher eigener An⸗ 
ſchenung, mit ben Schaͤtzen bes claffifchen Alterthums 
wie mit der beften Literatur der neuern Zeit vertraut; 
ein Lehrer, der durch die Mitcheilung, durch den Der« 
Echt mit der Jugend fein Wiffen in beftändiger Bewe- 
gung und Fluß erhält; umd zugleich iſt er ein Mann 
Der That, der ſich mit ber Welt und mit den Menfchen 
herumgefchlagen, der mit Hohen und Beringen, mit al 
Ion Nationen verfehrt und die Beifter geprüft hat. Die 
tiefe Innerlichkeit des deutfchen Gemüths bewährt ſich in 
ihm dadurch, daß er frommer, gläubiger Chrift ift; er 
preift ſich felig, DaB er als Chriſt von der ewigen Angſt 
vor der Sünde erlöft fei. Aber er erkennt in Chriſtus 
den Gründer der geiftigen Lichtreligion, die fich für die 
Jahrhunderte der Unmündigkeit in der Kirche einen diden 
äuferlichen Leib gegeben und irbifche Geftalt angenom- 
men habe, damit die Menfchen ihren Glanz ertragen 
fönnten. Doc er hält dafür, da, je feiner und ätheri« 
fcher das Feuer und Licht geworden, deſſen Yührer Je⸗ 
fus Chriftus war, deſto zarter und durchfichtiger auch 

Der ber Religion freilich nie ganz entbehrliche Leib wer⸗ 
Den müffe, und er vermißt gleicherweife in der katholi⸗ 
fahen mie in der proteflantifchen Kirche das wahre Le- 
been; er fragt, wo es ſei? Er verwahrt ſich dagegen, 
d aß fernerhin die Religion eine politifche Macht üben 
wand daß fie der politifchen Macht dienen folle, während 
er ebenfo die großen und zum Theil mohlthätigen Wir- 
tungen ber Kicche des Mittelalters bervundert, wie er die 
Berechtigung der Reformation verficgt und mit flammen- 
den Worten bie @eiftes - und Eharaktergröße Luther's 
gegen feine Verleumder rühmt. 

Ein Haupttitel des deutfhen Stolzes ift die deutſche 
Philoſophie — der koſtbaren Perle vergleihbar, welche 
fih, wie man behauptet, in Kolge einer Krankheit in ber 
Mufchel: bildet —; und wenn Arndt auf den Namen 
eines Philoſophen nicht gerade Anſpruch machen kann, 
fo find ihm doch Die höchiien Meiſter der Philoſophie, 
zumal die alten, ein Platon und Wriftoteles, nicht fremd, 
und er kennt felbft auch und preift ben himmlifchen Reiz 
Des Gedankens, welchen Gott dem Menfchen als einen 
Sposn umb Trieb eingepflauzt, er will dem Forfcher nir⸗ 


genb eine Grenze geſteckt wiffen, obgleich ihm graut vor. 
der philoſophiſchen Vermeſſenheit, weiche in dem Beſtre⸗ 
ben oder unter dem Vorwand, zum reinen Geiſt empor⸗ 
ſteigen, aus dem reinen Geiſte Alles erſchaffen zu wol⸗ 
len, die Grenzen des Menſchlichen verkennt, das Leibliche, 
ale Wirklichkeit und Natur toͤdtet und vernichtet. 

Mir waren die Dummften geworden, da wir und die Weis 
feften dünkten; der Vermeſſenheit folgte die Strafe auf dem 
Fuße nah, denn Gott duldet die Übermüthigen nicht. Geift 
und wieder Geift und immer Geift, Alles geiftig verftanden, 
geiflig eingerichtet, für den Geiſt bereitet, durch den Geift 
halten — fo Bang es, und Das meinten wir und verfchlo 
die Augen vor allen Mängeln ımd Gebrechlichkeiten unferer ter 
difhen Natur, als wären wir mit Einem Male höhere Weſen 
geworden, auf welche der Stoff und die Leidenfchaften und Ge: 
tüfte, die mit dem groben &toff verfchwiftert find, Beinen Ein: 
fluß mehr Hätten. Wir geifterten mit uns und mit allen 
Dingen, aber die irdifche Schwere behauptete ihre Rechte, ging 
mit Dem leichten Geifte duch, wie ein Mühlftein mit einer 
ihm angehängten Zeder vom Berge berunterläuft, und zer: 
fmettert lagen wir. da. „. Der Geift gewöhnte fich zuerft, 
alles Leibliche als etwas Überflüffiges, ja als etwas Hemmen⸗ 
bes und Knechtifches einzufehen, und zuletzt erfrechte er fich, 
e& zu verachten. . . Wir dürfen die Gewalt der leiblichen 
Kräfte und Leidenfchaften nicht überfehen, fonft gefchieht, was 
in unfern Zagen geſchehen iſt: der ungebundene Geift verfliegt 
fi in der Luft, und der entgeifterte Leib bleibt ald ein faules 
und todtes Was am Boden liegen, woraus Schlangen, Kröten 
und Ungeheuer brüten. 

Als echter Deutfcher ein warmer Freund bes Geiſti⸗ 
gen, bes Idealen, fuchte und pflegte er es doch weniger 
in der Form bes fheidenden, zerfegenden abflvacten Ge⸗ 
dankens als in der Form ber Religion, ber thätigen 
Sittlichkeit und befonders auch der Poeſie, und es ift 
bemerfenswerth, daß Tauſende und Hunderttaufende, wel⸗ 
he von Arndt's politiſchen Schriften, von feiner Thätig- 
feit und feinen Schickſalen fo gut wie Nichte wiſſen, 
von einigen feiner ſchoͤnen, im gamen Baterlande ver» 
breiteten Lieder gerührt und ergriffen worden find. 

Die Hoffnungen, welche fih an die Wiebereinfegung 
Arndt's knüpften, find nicht in Erfüllung gegangen, und 
es mag mandje Unverftändige, Leidenfchaftlihe geben, die, 
ohne es ſich ſelbſt recht zu geftehen, dem trefflichen Arndt 
ee nunmehr halb übelnehmen, daß er von dem Strahl 
einer Gnade berührt wurde, welche fo viefe inbrünſtige 
Hoffnungen, fo viele des erköfenden Lichts harrende 
Keime des Rechts und ber Freiheit nicht weckte und 
reifte. Man mag wol fagen: Ihe Ungebuldigen! War 
find fünf Jahre für die Geflaltung bes politiſchen Zu: 
ftandes eines Bolkes? Und Wende felbft bat 1815, ats 


— — oo — — u — 22 


1194 


ſo Vieles nicht geſchah, was gewünſcht und mit Recht 
gefodert wurde, geſagt: 

Uns, die wir mit ruhigem und heiterm Blick über die 
Weltgeſchichte und über die Entwickelungen und Schickſale ber 
Böker hinblicken follen, uns ziemt es nicht, deöwegen an dem 
Baterlande und an der Wiederberftellung Des menfhlichen Ge: 
fchlechtd aus Elend und Verwirrung zu verzweifeln. Wir wifs 
fen es ja, in Jahrhunderten find mir aufgelöft und zerfallen; 
wir Eönnen daher nicht verlangen, in fünf Jahren wieder auf: 
gebaut zu werden. Wir müflen der Zeit die Zeit geben und 
unfern Muth und Glauben auf Gott fielen. Aber auch das 
Unferige müflen wir redlich thun. 

Wohl! Aber diefe fünf legten Jahre, in der Gefchichte 
eine allerdings Eleine Zeit, find nicht blos für die Er- 
füllung dringender Wünſche und Hoffnungen des Vater—⸗ 
landes verfäumt und theilmeife verloren, die getäufchte 
Erwartung hat auch böfes Blut gemacht, und dies ift 
in mannichfachen ftaatlichen Ubeln, beforglihen und dro- 
henden Symptomen zu Tage gefommen. Die verzögernde 
und fäumende Politik ift in Folge des Misvergnügeng, 
das fie erzeugt hat, und das fich bei den Unverfländigen, 
den Reidenfchaftlichen, den von fremden Einflüffen und Bei: 
fpielen Beherrfchten zu den heftigften Ausbrüchen gefteigert 
hat, während die Befonnenern in einer peinlichen Mitte ftan- 
den und weder auf der einen noch auf der andern Seite 
geneigtes Gehör und Unterftügung fanden, zu einer Po- 
litik des MWiderftandes, der Reaction geftempelt worden, 
ftatt daß fie fich der Bewegung der Geifter, wie Dies 
vor fünf Jahren möglich fchien, bemächtigt und fich füh- 


rend und beherrfchend an die Spige geftellt, die Aus—⸗ 


fhweifungen niedergefchlagen, die Außerungen und Ein— 
flüffe der Privatleidenfchaften in einem mächtigen Na- 
tionalwillen verfchlungen hätte Es fteht zu befürchten, 
dag heute eine Politik, deren Gefammtridytung durch 
den Namen und die Grundfäge Arndt’8 bezeichnet wäre, 
fhon nicht mehr genügen, die Eintracht unter den viel» 
fach gefpaltenen und auseinander geriffenen Geiftern nicht 
mehr herftellen würde. Arndt felbft hat es, möchte man 
glauben, gefühlt, daß die ihm mwiderfahrene, verheißungs- 
reiche königliche Huld die Augen Vieler auf ihn gerich- 


tet hat, und daß man von ihm, nachdem viele Erwar⸗ 


tungen unerfüllt geblieben find, erwarte, er werde recht: 
fertigend und entfhuldigend oder anklagend und fodernd 
feine Stimme erheben über Das, was feither gefchehen 
und nicht gefchehen ift, er werde diefe jüngfte Politik 
entweder billigen und unterftügen, ober fi) von ihr los⸗ 
fagen; und fo hat er den inhaltfchweren Auffag druden 
laffen: „Noch ein Wort für unfere große Offentlichkeit, 
vorzüuglih in Beziehung auf die Preffe und den Bun: 
destag“ (1844). Weder der herrfchenden noch der in 
der Preffe und Riteratur jegt den Ton angebenden lau- 
teften Partei kann diefe Schrift ganz zufagen, weil fie 
offen und ehrlid), wiewol mit Schonung, Arndt's An» 


ſichten über Deutfchlands politifche Gegenwart und bie 


von ihm gefoderten Anderungen enthüllt. Misfallen 
wird der herrſchenden Partei die Foderung unbefchränf: 
ter Preßfreiheit und Abfchaffung jeder Art von Cenfur, 
und der Öffentlichkeit des Bundestags, der fich zu einer 
Art von deutfhem Dberhaus ausbilden und ein öffent- 


liches deutfches Volks» und Fürftenrecht fchaffen fett; 
misfallen wird ihr die Erklärung, daß es unter der Im: 
[haft der Cenſur Feine rechte und volle Wahrheit gehe 
fönne, und gerade Denjenigen, die e8 am treueften, bein 
und ernfteflen meinen, am meiften der Mund gefchloffen, 
daß befonnene Ehrenmänner von der Vertheidigung ie 
Ordnung zurüdgefheucht und felbft ihre aufrichtigfen 
Beiſtimmungen, wo fie auf die Seite der Regierungen 
treten fonnen, verdächtigt und entwerthet werden, wei 
der aus ebenfo redlicher Überzeugung fließende Tadel uni 
gefchloffen fei; misfallen wird die Behauptung: 

Unfere Zeit und unfer Vaterland haben ihre unabme:: 
lichen Bedurfniffe und Koderungen, die ganze Bildung, Ri6- 
tung und Strebung unfers Welttheild bat eine ygeiftige Lebe: 
digfeit und Muthigkeit, die fih mit gewöhnlichen Mitteln nitt 
ftill und zahm maden läßt, und wenn man wie die bauntins 
fen Kaifer weiland ganze Legionen Silentiarii oder Stlm: 
cher um die Paläfte und Throne herumlagerte. | 
oder die MWeiffagung : 
dag es in der angefangenen und bis jetzt gebraudten Bali 
in Deutfhland nicht glüdlih und tapfer vormärts ae 
könne, daß man bei dem Halben, in welchem man bei 
Bielem ftedden geblieben, endlich gar nicht weiter werde ar, 
fönnen, fondern daß Verwirrung der Gemüther und Berzit« 
rung der Geifter fhlimmer und fchlimmer werden werte. 

Aber misfallen wird auch nad) der andern Ziit 
Manchem der lauteften Stimmführer des Tages dad ü: 
theil Arndt's von dem UÜbermuth und ber Zuctlohgt: 
vieler Geifter, die Art, wie er feine Mermwerfung te 
Cenſur nur den jegigen Verhältniffen der Preffe ar 
tet, jein Urtheil über ben Geift der neueften Zeit. Du 
obgleich er die härteften Anklagen gegen den Gets 
ferer Zeit, wie er ſich namentlih in ber Zagesliter: 
ausfpricht, die Anklagen der Zügellofigkeit, Bosheit, 
giftigen Mismollens und die hierauf gegründete Vewn 
(hung der Buchdruderkunft, zurückweiſt und meer ı 
Verdammung noch zur Verzweiflung fich hinreißen I 
und erklärt: 

Unfere Welt ift noch nicht am Untergange, ſie ift mir a 
fend mal beſſer al& die gepriefene vor SD, 60 Zahren ur 
Sie kaͤmpfte, fie wird ſich durchkämpfen, fie wird zu iher Ft 
auch wieder Ordnung, Feftigkeit, Rubigkeit gewinnen. 
erkennt er boch an, daß in den bittern Klagen ui 
Zuchtlofigkeit, Übelmollen, Entfeffelung der wildeften Ari 
und Gelüfte der Welt und des Menſchengeiſtes ein ger 
Theil Wahrheit fei. Er ruft: 

Ich darf fagen, wir ſehen Beine edeln und tapfer Fi 
Schlachten der Prefle, fondern nur das bunte und leichte 
plänkel der unaufhörlichen Beinen Borpoftengefechte und St 
mügel der Plänkler und Panduren, wo fi das widrige Ai 
gefindel aller Marauden und Feldflücdhter mit darunter miſd 
das zufammenzulaufen pflegt, die Leichen der Edelgefallenin } 
entkleiden und zu plündern. 

Gerade diefes Wefen nun, behauptet er, werde du: 
die Cenſur gepflegt und erzogen; denn in einem Ka 
der freien Geifter wollen auch bie Beifter ber Bo 
und der Lüge mitfpielen, und diefer Geiſt fei ein & 
waltiger Geift. Bei wirklicher Freiheit der Preſſe wer‘ 
er zulegt doch durch dem Geiſt der Wahrheit und & 
rechtigkeit überwunden, aber 
wir find bei dem Kampf um die größten und wichtigſten zu 
und Fragen auf halbe und verkürzte Waffen angewieſen gez 






















1195 


einen Gegner, welcher lange Ranzen und Klingen führt; wir 
dürfen wirklich kaum mit halber Wahrheit, kaum mit einem 
knappen Viertelchen von Recht fechten. Woher foll da der 
Muth des Sieges kommen? Und was müffen von folchem elen: 
digen Fechtwefen die Wirkungen und Polgen fein? Sie find 
mit Händen zu greifen; fie beißen Sieg der Lüge und Des 
Scheins. Ja, daß ich es ganz ehrlich fane und DaB ich den 
Angeklagten aud Fein fehreiendes Unrecht thue, es ift bei un: 
ferer Zagesblätterplänßelei wirklich noch mehr Schein der Lüge 
und Bosheit als Wirklichkeit Derfelben. 

Weil man Nichts herzhaft anfaffen, fi nicht auf 
den feften Boden ftellen dürfe, gewöhne man fih, hoch 
über der Erde in der leichten, windigen Luft zu käm⸗ 
pfen, wo das rechte Windfeld der Lüge und des Schei- 
nes fei, und wo das beiden verwandte leichte Gefindel 
von der Fauft der Ehrlihtämpfenden nimmer befiegt wer- 
den könne. Daher in unfern Zagesblättern biefe Fülle 
und Überfülle metapolitifcher, ja metaphufifch » politifcher 
und theoretifcher LXeerheiten und Gaufeleien, im guten 
und im fchlechten Sinne gemeint, und daher aud) da, wo 
Lüge und Hohnnederei nicht einmal mitfpielen, die er⸗ 
ftaunfiche, ja entfegliche Verwirrung aller gefunden Be⸗ 
griffe und Gründe von Berfaffung, Regierung und Ver⸗ 
waltung. Der Lügenfchein fei da wirklich noch viel grö- 
ger als die Lüge, welche als ſolche angeklagt werde. 
Denn nicht alle 
Scharmügler und Plaͤnkler des leichten Ruftgefechts leben aus 
und zum Vergnügen in einem fo dünnen, dunftigen und troſt⸗ 
lofen Element, auch nit aus Vergnügen an liſtigen, gaukli⸗ 
hen, leben» und freudenlofen Geſpinnſten der gedankenſplit⸗ 
ternden und lügenfchillernden lofen Kunft, fondern weil ihnen 
felten vergönnt werde, zu ehrlichen feiten Gefechte des Ber: 
flandes und Gewiflens den Zuß auf fefte Erde zu fegen. 

Ein ehrlicher treuer Mann, der fih zu Viertel⸗ unb 
Achtelwahrheiten und zu allerlei fcheinbaren Scheinen der 
Dinge nicht erniedrigen mag, fönne ſich unter diefen Um- 
fländen, wenngleich in gewöhnliden und mittlern Din- 
gen diefer Welt und der Fleinern und gleichgültigern An⸗ 
gelegenheiten bes Vaterlandes die Genfur milder gewor⸗ 
den und jenem leichten Luftgepläntel mehr Spielraum 
gegeben ift, mit ber Zagesblätterei nicht befaffen. Hier⸗ 
von feien die unausbleiblidhen Folgen : 

Das leichte, windige Gefindel bleibt oben ſchweben und bie 
Topfern und Freien müffen den Kampfplag verlaffen. Dies 
bindert aber nicht, daß jene leichten Fliegen und latterer, 
weiche ich mich keineswegs unterſtehe Alle Lügner und Hohn: 
lächler zu ſchelten, das Feld behalten und fih die Zapferften 
und Freieften dünken. 

Wiewol Arndt gegen ben Schluß diefer beherzigens⸗ 
werthen Schrift Foderungen ftellt, mit welchen alle Ver⸗ 
fechter der Freiheit und des Fortſchritts fich einverſtan⸗ 
den erflären müffen, wenn er fagt: 

Wil man ein edle, tapfered, treued Voll, das in Roth 
und Zod mit den Herrfchern und mit dem Waterlande ftebe, 
will man die Erhaltung Deutfchlands und feiner hohen Ge: 
fhlechter, fo muß man das Rothwendige und Unvermeidliche 
wollen, wodurd Volt und Kürften allein in Ehren leben und 
dauern koͤnnen. Alſo Offentlichfeit und gerade Gerechtigkeit 
in allen unfern Dingen, freie Preffe, freie Verhandlungen des 
Bundestages, freied Ausfprechen unferer Schmerzen und Zreu- 
den vor ganz Europa, wie die andern großen Voͤlker ed thun 
Dürfen, freien offenen Mund unferer Kandtage, Reichstage 
und Gerichte. 


fo werden ihm doch Diele fein ungünfliges Urtheif 
über den dermaligen Zuftand, die Reiftungen und den 
Geift unferer Preffe bitter verargen, fie werden in ſei⸗ 
nen Worten den doch einigermaßen von Fuͤrſtengunſt Ge- 
wonnenen, durch übelangebrachte Dankbarkeit Gebunde- 
nen, oder den ängftlicher geworbenen Greis wiltern, der 
mit der Zeit nicht mehr gleihen Schritt zu halten ver- 
möge und daher wohl thue, Jüngern und Frifchern ben 
Kampfplag zu räumen; fie werden was er fodert als 
Abfchlagszahlungen fih gern gefallen Iaffen, aber mit 
der Art, wie er Deutfchland conftituirt au fehen wünſcht, 
fi) nicht begnügen und über feine monardifchen und arie 
ftofratifchen Vorurtheile, über feine fittliche und religiöfe 
Eingefchränftheit, über fein Feſthalten am Alten höhniſch 
läheln. Dagegen werden Biele, die fich der uneigen- 
nügigften Liebe zur Freiheit und zu Deutfchland, und 
des ernften Eifers, die Bebürfniffe und den Stand ber 
Zeit zu verftehen, bewußt find, Arndt's Weigerung, auf 
die eine oder bie andere Seite unter den gegenwärtigen 
Umftänden zu treten, und fein Verzichten auf bie Theil- 
nahme an der doch fo mächtigen und einflußreichen Ta⸗ 
geöpreffe gerechtfertigt finden ; aufrichtig bedauern aber 
werden es eben die Legtern, daß biefer Dann, voll der 
echteften Vaterlands⸗ und Freiheitsliebe, vol Wahrheit, 
Muth und Einficht, ſich felbft zum Schweigen verdam⸗ 
men muß, weil er, durch die Preſſe mitfprechend, nicht 
ganz er felbft fein koͤnnte. Innig beklagen werben fie es, 
dag ein Mann, dem nicht der Muth fehlte, Fürftengunft 
und Volksgunſt zu opfern, um fich felbft und der Sache 
feines Volkes treu zu bleiben, die heilfame, wenn auch 
jegt gerade wenig dantbare Rolle des Vermittler des⸗ 
wegen nicht übernehmen kann, weil die mistrauifche Be 
fhränfung bes freien Wortes von der einen Seite feine 
Worte und Beftrebungen in ein falfches Licht zu fegen 
nicht ermangeln würde, und weil, er den Kampf gegen 
die Maßlofigkeit zu führen verfhmäahen muß, fo lange 
das Maf der gebührenden Freiheit noch nicht eingeräumt 
ift und die Sache der angeblihen Ordnung fih nicht 
auf ihr inneres Recht, fondern auf bie in legter Inftanz 
entfcheidende Gewalt und Willkür ftügt. Das Panier, 
das mit Arndt's Wiederherftellung entfalter werben, zu 
follen ſchien, das Panier der deutfchen Freiheit, der na- 
tionalen Entmwidelung, ift wieder eingezogen und, mit 
Trauerflor umhüllt, zurüdgeftellt worden. 
(Die Fortſetzung folgt.) 


Die portugiefiihen Befigungen in Südweſt⸗Afrika. Ein 
Reifeberiht von G. Tams. Mit einem Vorworte 
von Karl Ritter. Hamburg, Kittler. 1845. Er. 8. 
1 Thlr. 20 Ngr. 

Wie der fogenannte Zufall im Menfchenleben gar oft als 
Helfer und Förderer nüglicher und guter Beflrebungen erfcheint, 
fo hat er auch diesmal einen jungen Deutſchen an einen Punkt 
ber Erde geführt, von welchem uns feit langer Zeit wenig 
Kunde geworden ifl. Der Verf. obenerwähnten Berichts be: 
gleitete als Schiffsarzt den unglüdlien Kaufmann Dos Gan- 
t08 aus Altona nach Angola und beritet nun in ſchlichten 
Worten über den Verlauf der am 28, Juni 1841 angetretenen 
Reife. Er zeigt fich dabei als unbefangener und treuer Beob- 





= — 


1196 


achter. Der erſte Abſchnitt ſchildert ben Verlauf der Reiſe 
durch den Ocean mit ihren gewöhnlichen Erſcheinungen. Der 
zweite Abfchnitt betrifft den Aufenthalt auf der portugiefifchen 
Inſel St.-Unton, wo man den erfien Vorgefchmad des Neger 
lebens und der unglaublichen Indolenz der heutigen Portugie⸗ 
fen hatte. Der Indigo, dort ſchon 1703 entdedit, wuchert uͤp⸗ 
pig ald Unkraut und feine Benugung bleibt den Negern über: 
laffen. Gar ergöpliche Scenen bot die Weinkneipe ın Grande 
Mibeira dar. Am 10. Aug. bekamen die Neifenden die afrifa- 
nifhe Küfte zu Geſicht, und Tags darauf liefen Die Schiffe in 
den herrlichen Hafen von Benguela ein. 

Hr. Tams beginnt nun eine Reihe Schilderungen, aus 
denen ſich denn abermals die Wahrheit bejlätigt, daB der Ne: 

r als folcher ein der höhern Eultur durchaus unzugängliches 
Befen ift: eine Thatſache, die übrigens fehon dadurch genug- 
fom angedeutet ift, Daß die Regerydlker, obſchon fie bereits 
feit mehren Jahrtauſenden mit der civilifieten Welt in Berüß 
tung, ja in nähern Berkehr Reben, doch bisher fich immer 
pleihgeblichen find. Ieder ameribanifche Zuderroßr: und Baum» 

ollenpflanzer, fowie Diejenigen, welche den glorreihen Re: 
gerftaat Haiti kennen gelernt haben, flimmen ein in die Kla- 
gen über die Unbildfamkeit der ſchwarzen Mace, an welcher 
Guͤte und Strenge gleichmäßig Schiffbruch erleiden. 

Benguela ift ein Mittelpunkt des Sklavenhandels, und 
bierher bringt der Sohn den Vater, der Oheim den Neffen, 
kurz der Starke den Schwähhern, wenn er ſich tie Seligkeit des 
Branntweinraufches verfchaffen will. Für dieſen Zweck ift denn 
auch Benguela vortrefflih eingerichtet. Neben den Wohnun⸗ 

en der Europäer, deren einziger Zweck Bereicherung ift, be: 
Enden fih die Waarenniederlagen, d. h. die Sklavenſtälle, die 
oftmals gunze Straßen bilden, und worin die Armen, zufam: 
mengepfercht, dem Falten Nachtthau wie den fengenden Strab: 
len der Mittagfonne preisgegeben, balbverhungert dahinſchmach⸗ 
ten. Im 3. 1838 wurden 20,000 @flaven ausgeführt, trog 
der Wachſamkeit der englifchen Kreuzer. 

Trotz dieſes einträgliden Handels, trog des unendlichen 
Reichthums der Naturproducte ift ein behagliches Leben dort 
nicht heimifh. Ja es hat fih die edle Nebe gleich dem Euro: 
päer dort verfchlechtert, da fie der Pflege ermangelt. Die Trau⸗ 
ken find zwar füß, aber klein. In ganz Benyuela ift Bein 
Uhrmacher, man ſendet defecte Uhren nad Braſilien zur 
Reparatur. Handwerker fehlen gaͤnzlich; der Zuftand des 
DHospitald und namentlich der. Apotheke ift Dem entfpre- 
hend. Selbſt die Beiftlichkeit gedeiht dort nicht und beſteht 
gegenwärtig aus einem Neger und einem Mulatten, bie 
war in dem gehörigen Drnat einherfchreiten, allein durch 
ihre fchwanfenden Zritte genugfam beweifen, welcher Geift 
fie erfüllt. Das Zreiben der weltlihen Beamten bietet Fein 
erfreulicheres Bild. 

Die Beobachtungen des Hrn. Tams über die Neger felbft 
beftätigen und ergängen die frübern Nachrichten, wie id fie 
> DB. im dritten Bande meiner „Eulturgefchichte” zufammen- 
geftellt habe, wo ich auch auf Zafel Vi und VII mehre von 
Hrn. Tams mitgebrachte Gegenftände abgebildet habe. Sch 
mache befonders aufmerkffam auf &. 46 und 47, wo von Kleis 
dung und Schmud der Neger gehandelt wird, auf &. 52 die 
Waffen, &, 60 das Berbrennen der Keichen, &. 67 und 88 
die Fetiſche, &. 69 die Menfhenopfer, &. 109 die Mufit, 
©. 159 den Charakter der Neger betreffend. S. 165 — 184 
ſchildern die Erfahrungen, welche der Verf. unter den Negern 
von Ambriz machte, die er beiweitem höher ſtellt als diejeni- 
gen, welche unter portugiefifchem Einfluffe, namentlich in und 
um 2oanda, leben. Leptere find zwar getauft, nennen fih Ka- 
tholiken und thun fi ſehr viel auf diefen Namen zu gute, ba» 
ben jedoch ihre Fetiſche "beibehalten, beten fie an und ver: 
teauen ihnen. ' 

Höhft intereffant ift die Befchreibung des Königs von 


, Ambriz Don Andre und der dort herrfchenden Sitten, Ceremo⸗ 


nien und Trachten, namentlich der Prinzeſſin Ctena, im 
l4jäprigen Schönen, die wie alle ihre Stammqgeneſſen im 
Branatwein für eins der edeiften Güter der Erde hie, 

Den Schluß des Werkchens bilden die Rachrichten ir 
die Infel Annobon, über welde ein ſchwarzer Gouveratut pr 
bietet, der mit feiner Umgebung die laͤcherlichſte Caricatur I 
portugiefifch : afrifanifchen Weſens bildet. Der Mittelpunlt ie 
Zafel it eine in einem Cocospalmenwald liegende Heine Rem: 
ſtadt. Der Gouverneur feierte die Anweſenheit der Eurepin 
durch einen tücdhtigen Tag und Racht andauernden Rauſqh m: 
türlich auf Koften der Gaͤſte. 

Schließlich fei noch Der intereffanten Notizen gedacht, di 
der Verf. über die Raturprobucte, namentlich die Baumwek, 
Indigo, Taback und bie Raubthiere von Loanda und Bengues 
mittheilt. G. Klemm. 





Literariſche Rotiz aus Frankreih. 


SGeſchichtliches. 

Schr intereſſant iſt P. C. F. Daunou's Werk: „Com 
d’etudes historiques“, bis jetzt zum 1O. Bande gtdithn 
Dieſer Curſus theilt ſich in drei Abtheilungen. di ei 
führt den Titel: „Examen et choix des faits“ und umfaßt ia 
1. und faft den ganzen 2. Band. Der I. Band ift den ft: 
gein der hiſtoriſchen Kritif gewidmet: zwei Drittheile der 2 
dee Erforſchung folder Thatſachen, welche geeignet find, x 
wiffe Zweige und Details der moralifchen und politifchen Ri: 
fenichaften zu beleuchten. Die zweite Abtheilung hat die Chi: 
fification der Thatſachen zum Zweck, welcher in dem &tutim 
der Geographie und der Chronologie befteht. Die gevgrastr 
fhen Vorleſungen befchließen den 2. Band. Die Chrm- 
logie umfaßt allein vier Bände, nämlich den 3., 4., 5. ind. 
Band. Daunou hat dieſe trodene, aber unentbehrlide Bii 
fchaft in die technifche, die flreitige und die pofitive Chrenb 
gie eingetheilt. Die Dritte Abtheilung des Eurſus ift dar & 
pofition der Thatſachen geweiht. Der 7. Band, welcher u 
Abtheilung anfängt, enthält 22 Borlefungen über die Kak 
die Geſchichte zu ſchreiben. Iede Seite davon zeugt von f= 
nou's reinem Geſchmack und gefundem Urtheil. RNachden « 
Berf, die Präliminarien zur Geſchichte auf die vollftintk 
a bat, macht er die Anwendung feiner Fr 
ſchriften durch ein gruͤndliches Studium der greßen Gelök 
ſchreiber des griechiſchen und roͤmiſchen Alterthums. Heck 
bietet ſich ihm natürlich zuerſt dar. Der 8. und U. Band in 
Dieſem gewidmet. Dieſelben liefern und eine kritiſche Unter? 
Hung fowol der Manier diefes Vaters der Geſchichte 4 = 
Ihatfachen, die er erzählt. hat. Daunou beginnt mi ut 
ausführlichen Notiz von bem Leben und den Arbeiten Hit, 
fowie mit der Angabe der Manuferipte feines Werkes, da de 
fen Ausgaben, der Überfegungen in die vornehmften Epıah 
u. f. w., und fchließt mit cinem Urtheil über die Ratur ie 
Talents. Nachher kommt Thukydides an die Reihe, mh 
den 10. Band umfaßt. Zenophon it jegt unter der Prafir ı 
wird nächftens erfcheinen. Nach Zenophon werden Poly: 





























Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Wrodbant. — Druk und Verlog von J. et. Brodfant in Beipgig. 


litt 


Blaͤtter 


fir 


rat 








iſche Unterhaltung 
\ 300. 21. Eıtar { 


Dienfad: 


Bm 






Biilfonbifie_ e 


Ern r 
a bie Ras , 
woraus man Derfoffungen tn 
Bi ver een, billigt, geht es dei: * 
55 ae ar 
A pre 
peigrtanfhon DR — 
iiebenen P en Eonten, deb M * 
einigen le a, vie gun Begründer 8 
eben wird. M R 3 Fang den 
hümlid, geartete gebildete u Frag ie hat ren 
hänger bet reinen Huelophiſchen Theorien, det Conſitu · en Ha 
tionen des Staats und der Berfoffungen aus veinet Ä neuen Sun» ginn alten, A dat ge: 

Bernunft, fein — Soetrinaire it, wie 5 sielmehrt x FR en ei I) Im iiigen Dim 

immer 91 8 Gegebene, das Gefchichtiiche ſich hielt und der D md au win = 

ee nach Foderungen ‚ge Bernunft au geftalten firebte, fig oem S —ã a K 

jo jedoch, dag er won bet Einfeitigteit der fogerrann N Gt” gu Halten der er und en 

iſioriſchen Squle: des Beſtehende — — e Dlüche yeosie, u Br ee Aut Grab al 

Km deswegen für gert um antaftbar zu ‚alten, indure —R wir baysa 

weit entfernt blieb. Die ofieit iſt für Arudi nice ſo · Dusch fe gelernt, der Erde und den inpifggen Gene 
wol eine wiſſenſchaft ale vieimeht sie Fun das —* un Dan in und und außer uns dienen und gehorden 
den der Voiter umd zumeift dat eben des eigenen . Aus) für und Deutſche mithin ſolen die Lehren und 
fe@ zu orbnet: Dehen — mit potieifchen Ideen ber feamötifgen Revolution nicht verloren und 

Grundfäget nicht um ihrer seteft willen, ais wiſfenchat Unbrauchbar ſein, aber immer follen yoie’ dabei auf un 
licger ufgaben, fondern & geeift darauf nut rd, Volles Natur, Art, Gehiäte ſchauen und dat 
fomeit «6 die Gegenhände, die er Gegamelt, nothmwenbig der Srfeh ebung Immer hie überlieferte Sitte zu Roche 
Imayen , Toten Die prattifchen, Braget die 1 erfüllen, | ziehen. %s deehen mn einmal werfihiedene it, 
darauf hinweiſen ;o wird Arndts politiſches Streben | nah dem Wilen Gottes, wie Aradt übergemst iR, mie 
re der yon sn u : ur un a werfegiebener Epracht und vesfhiedener an, m er.dat 

ig das jommenfe und Ca nigt was al® | fi hierhber öfterd, beſonders and) in bei ue „ÜbE 

Urbild ber Gerechtigkeit im innerften Gemuthe steht, muß den 1 HART — ? 

een a BE ar Sa 
wohn age, . 

n nde6 gegebenen Bandes, nad bet Bildung, den Srieben | Ir dem allgemeinen Sab ⸗ die Mehrh⸗ uns Bw 
ut ——— 33 geaedt we a ee ab, Be iedenheit Eiger in einer behern en Ordnung 
ann: _b. D- er mul em Glementen (54, fen, velhe fd, begründet füi werden. faft ale tüfer entenden mit 
er mu ie Art, die Befpatendeit w e Braugbartelt des — * 

Stores Sie nen, aus meh 0 Yen Stant bauen Amt v ünmen ; aber ber Übergang aus Dam 
Si ne 7 Die Gründe ber (rangbftsen Revolution und ihrer Greuel 

—— und will und polen Tann; dann muß er kin finder Arodi in dem Zuffat gegen B. Süteg (A, N fe 

2and un! fein Bett berraßtent und po das Seitige umd Reichte En — er Te — gen 
an ba ige EIS SEE spntiägen, In don Umrpabenhrit der päpern giafian delt Vangee 

auto nicht von oben Hand E prior), ſondern von Re Borat Yen gedend diimete aß Wie —E 
unten Herauf vol er gebaut Haben, dabei aber da6 An; | genre aus ſch heraud. B 





a ——— — — — — — 


>. 0. 198 5 


Gebiet des philoſophiſch Allgemeinen in das der hiſtori⸗ 


ſchen Beſonderheit und Wirklichkeit iſt mit Schwierig⸗ 
keiten verknüpft, welchen auch Arndt ſich nicht entzie⸗ 
ben kann, ſofern das Problem: göttliche Ordnung und 
menſchliche Freiheit zuſammen zu denken, ſich aufdrängt. 
Arndt fagt! . 


Rah den Sprachen haben fi, die Völker und Länder ge: 


wöhnlich in ihre Beftandtheile abgefegt und gefchieden und waren 
egen den Ausgang ded Mittelalters mit ihren Gebieten glüd- 
ich genug abgemarkt, bis feit drei Jahrhunderten Eroberungs: 
wuth angefangen hat Gottes Naturgang zu flören und alles 
Brembdefte und Ungleichfte zufammenzufchütten und zu mifchen. 

Das „die Sprache die einzige gültigfte Naturgrenze 
ber Volker mache” — Dies fann man Arndt. zugeben als 
einen für die großen Völker des neuern Europas gülti« 
gen Sag, deffen Berwirklichung die Aufgabe der Poli⸗ 
tit- der nächſten Jahrhunderte fein wird; aber feines» 
wege erſt feit drei Jahrhunderten hat die Eroberungs⸗ 
wuth angefangen, „den Naturgang Gottes zu flören“, 
fondern in viel hoͤherm Grade, viel weiterm Umfang ift 
Dies gefchehen in den Zahrhunderten ber Völkerwande⸗ 
rung, oder bei der Eroberung Englands durch die An- 
gelfachfen und fpäter durch die franzöfirten Normän- 
ner. Vielleicht dürfte eher behauptet werden : durch das 
Aufhören neuer Völtermengungen und GSprachbildungen 
im Großen, durch die Unterordnung der Dialekte unter 
die weithin geltenden Bauptfprachen, die feit mehren 
Jahrhunderten ftattgehaßt, ift jenes politifche Naturgefeg 
ee veht zum Bewußtſein der Volker gelommen, ja es 
hat erft feine innere Geltung erlangt, und muß aller- 
Bings, wer hinfort dagegen handelt, als ein Feind und 
Störer der naturgemäßen Entwidelung, der natürlichen 
und heiligen echte der Völker betrachtet werben. Feſt 
flände alfo, dag nach der natürlichen Sprachgrenze bie 
Völker auch politifch abgegrenzt fein follen; und fo me- 
nig als eine Sprache die andere, fo wenig ein Volk das 
andere zu verfchlingen fuchen dürfe, daß jedes Volk eben- 
fo. die heilige Pflicht wie das heilige Necht habe, An- 
griffe auf feine durch die Ausdehnung feiner Sprache 
bezeichnete Befammtperfönlichkeit zurüdzumeifen. 

Jener Kosmopolitismus, den man und anpreift, ift nicht 
von Bott, fondern von Tyrannen und Despoten, weldhe alle 
Wölfer und Länder zu einem großen Scutthaufen, ja Mifthau: 
fen der Knechtſchaft machen möchten, und welchen es daher ge: 
fällt, wenn man die Menge darauf hinweift, daß es für das 
Gange wohlthätig fein möchte, wenn biefes oder jened Volk 
fi gutmüthig in Schutt verwandeln laſſen wollte... Ber: 
Aust fei die Humanitäf und der Kosmopolitismus, womit ihr 
prahlt, jener allerweltliche Judenfinn, den ihr uns preift ale 
den hoͤchſten Gipfel menſchlicher Bildung ! 

Gleichberechtigt find alle Völker, jebed innerhalb fei- 
ner natürkichen, feiner Sprachgrenzen, nebeneinander zu 
beftehen. Damit ift jedoch noch micht gefagt, daß fie auch 
alle gleichen Werthes feien nach ihrer Art, ihren Anla⸗ 
gen und Eigenfchaften, auch ift es wol nidt Arndt's 
eigentliche Meinung, da. ihre verſchiedenen Vorzüge und 
Fehler fi wol im Ganzen gegeneinander ausgleichen 
mögen, wennfchen er Dies nicht förmlich beftreiten will; 
vielmehr hängt er nicht blos als geborener Deutfcher mit 


natürlicher Liebe an feinem beutfchen Vaterlande, zieht 
nicht, blos mit dem Herzen und Gemüthe dad bdeutide 
Bolt allen andern vor, fondern er behauptet und bemefl 


auch mit Gründen des Verſtandes, der Erfahrung, kr 


Geſchichte, daß das deutſche Volk das edeifte, bas hıf: 
lichfte, das Volk Gottes fozufagen ſei. Nicht als ch 


er blind wäre gehen die. großen Mängel und Fehler m 


deutfchen Volkscharakter, aus welden zum Theil und 
dad von ihm fo fchmerzlid) empfunbene politifche Un- 
glüd, die politifhe Schande entfprungen find: oft genug 
ereifert er fich aufs heftigfte über. diefe und jene Untı 
gend und Schwäche, über die fittliche und politiſche En: 
artung, welche feit Jahrhunderten in Deutfchland einge 
freffen, über die Verkehrtheit Derer, die das Volk leiter 
und führen follten,, über Stumpfſinn und knechtiſch 
Wegwerfung Vieler; klagt er über die traurige Bewankt: 
niß deutfcher Köpfe und Herzen, mo das leere Nachberen 
fremder Meinungen, befonderd dag Nachbeten franii- 
her Gaukeleien und Sophiftereien mehr als recht Mo 
geworden ; klagt, daß in dem Lande, wo Tiefe m 
Grünblichkeit der Gedanken wohnen folle, die meile 
Deutſchen zu denken gar nicht gewohnt feien. Aber 
Zorn ift immer der Zorn der innigften Liebe, und ht 
Liebe, der Glaube an die unverwüftlich edle Natur de 
zu den größten Dingen und Entwidelungen in der Bil; 
gefhichte berufenen germanifchen Volksſtammes laffen it 
allen Fehlern und Untugenden feines Volkes immer nr 
der die befte, tröftlichite Seite abgewinnen. So fügt & 
z. B. in Bezug auf das brutale Benehmen, das m 
den deutfchen Kriegern, namentlich den mit den Jrrz 
fen verbündeten, zum Vorwurf gemacht und das er & 
nicht beftritten hat: 

Das ift ed, was ich ald den großen Unterfchied der bi 
Völker fege, welchen Gott auf immer erhalten wolle, di 
Deutfchen wie Rafende und die Franzofen wie Verſtändige ts 
Boͤſe und Heillofe thun. Wir fahren wie graufame Bit 
darein und thun das Arge und Scheußliche bewußtloe; % 
fhmeicheln fi wie rechnende Juden heran und thun et 
bewußter Planmaͤßigkeit. 

Eine ſolche Gefinnung* und Anſicht fälle freilid 
Deutfchland auf, weil bei uns eine feltene Augnahmt, 
was bei den andern Völfern Regel iſt: Bevorzezung 
der eigenen Nation vor allen andern; und Arndi hi 
diefe feine Geſinnung flärker und derber ausgeſptochta. 
weil man nicht daran gemöhnt ift, als e8 Engländer un 
Franzoſen thun mögen, welche ihren Nationalftol; in 
felten in Ausdrücke Beiden, welche noch ein Complim 
für andere Völker zu enthalten fcheinen. ber es mitt 
wahrlich nicht zu bedauern, wenn ein foldhes nationakt 
wenn man will, parteiifches Selbftgefühl, wohl zu um 
terfcheiden von fauler Eitelkeit auf minder weſentlide 





. Vorzüge, mehr im deutfchen Wolfe verbreitet wäre; w 


häufiger die geblaßte philofophifche Unparteilichkeit u 

Unbefangenheit gewürzt würden durch eine Zuthat ve 
nicht gemachte, fondern unmillfürlichen beutjchen Self: 
gefühl, von einem Anhauch des furor teutonieus! Aud 
wenn man bie Sache ganz kalt erwägt, wenn man da 
von abſieht, daß Arndt mit den Schriften, worin er fd 


1199 


o über die Deutfchen ausfpricht, meiſt eine beftimmte 
Birfung, nicht blos eine wifjenfhaftlihe Überzeugung 
emedte, wird man zugeben müffen, daß er für feine 
Sehauptung ſtarke Gründe und Beweife vorbringt. 
lendt beruft fi auf die geographifcge Lage und bie 
adurh zum Theil bedingte Bedeutung Deutichlande, 
uf die Leiftungen des germanifchen Volksſtammes fir der 
defchichte, auf die unvermifchte deutfche Sprache; er fagt: 

Das deutfche Volk ift ein noch durchaus jugendliches und 
vetifches Boll. Dieje Jugend hat es, wie Cinige meinen, 
eil ed fpäter al& Die meiften andern Voͤlker zur Bildung und 
erfeinerung gekommen ift, wie ich meine, deswegen, weil es 
ı feiner Art reiner und unvermifchter geblieben ift. Auf diefe 
einheit und Ungemifchtheit de Stammes muß ich nach mei» 
w biftorifchen Anficht einen fehr großen Werth legen... In 
aferm Politiſchen ift Alles noch unvollfommen, roh, ja zum 
bel Pindifch; und davon ift felbft in der unendlichen Wan: 
hfaltigkeit der politifchen Geſtalten, die man bisher in un: 
mm Baterlande gefehen hat, das gewißefte Zeugniß. Ades ift 
i und nody Jugend, ich möchte fagen, faft Kindheit, was bei 
n andern Völkern lange ſchon durchgelebt oder abgelebt ift, 
ad deswegen werden wir noch durch viele Bahnen der Bil- 
mg gehen mülfen, welche die andern vor langen Jahrhunder⸗ 
n ihen durchgemacht haben. Weil wir fo jung und fo poe⸗ 
ſch find, ift die Geſtalt unſers Außern Lebens und alfo aud 
ers Staats . ..fo roh und unvollfommen ; auf des andern 
Seite aber ift eben in dieſer Poeſie die Kraft und in diefer 
ugend das Heldenthum, welche alle Mängel und Schäden, 
ie aus diefer.Roheit und Unvollkommenheit entipringen, bis 
st immer noch ziemlich Leidlich geheilt und gebeflert Haben. 

In diefem Sinne befpricht Die Schrift, woraus biefe 
ttelle genommen ift: „Über den beutfchen Studenten» 
kat”, das Weſen der akademiſchen Freiheit und das 
yeutfchland in diefer Art ganz eigenfhümlic, zukommende 
niverfitätsleben in feiner poetifchen Herrlichkeit, in fei- 
r idealen Richtung, und zeigt, daß fich in diefem merk⸗ 
ürdigen Inſtitut der ureigene Geiſt des beutfchen Vol⸗ 
tt in ebenfo bedeutungs- als verheißungsvoller Geſtalt 
ibſdiegle. Anderswo fagt Arndt: 

Der Deutfche ift Gott Lob! in vielen Beziehungen nody ein 
ober Renſch, er ift noch ein unbehauener Stein und harter 
klet, woraus die Zukunft noch ein Götter» und Heroenbild 
haften kann; er ift in vielen Beziehungen noch ein großes 
ind, auf welchem unendliche Hoffnungen ruhen. Das deut: 
je Volk ift ein folches, aus welchem die natürlichen und ele⸗ 
entariſchen Kräfte noch nicht alle herausgeihöpft und durch 
' große Vergeiſtigung verflüchtigt find. 

(Die Yortfegung folgt. ) 





68 Theater in feiner wiffenfhaftlihen und nationalen 
Bedeutung und Behandlung. Ein Beitrag zur 
Kunde und Würdigung des Theaters von Benno 
Rauhenegger. Leipzig, Serig. 1845. Gr. 8. 
I Thir. 15 Nor. 

Dieſes Buch ift in mehr als einer Beziehung eine beady 
Wwerthe Erfcbeinung. Nämlich der Verf. geht ganz ent» 
ieden feinen eigenen Weg; was Andere vor ihm geurtheilt 
ben, ſchreibt er nicht nach; er fucht die Wahrheit und macht 
Mrengungen, um fie zu finden ; feine gelehrten Studien find 
nnichfaltig , und wenngleich die Nefultate, die er daraus 
bt, bisweilen beftritten werden koͤnnten, fo verdient doch 
n Streben die Höchfte Achtung. 

Der Verf. fchreibt über einen Gegenftand von allgemeis 


1) 





nen Intereſſe; aber er ſchreibt nicht in der beliebten, 5 
raiſonnirenden Manier. Er wählt den rechten Weg, um zu: eh 
nem wichtigen Refultate zu kommen, nämlich den biftorifchen, 
dos heißt, er vergleicht die gegenwärtig vorliegenden Buftänbe 
mit den vergangenen und erleuchtet Diele durch jene. De Re 
fultate, die er. gibt, find nicht vor der Unterfuchung ſchon feft- 
geſtellt, fondern ber Verf. führt dem Lefer vor, was er fand 
und wie er es fand. Herr Rauchenegger ift weder in der Ter⸗ 
minologie noch in der Bannmeile eines philofophifcher Sy⸗ 
ſtems gefangen; feine Philoſophie ift die bed gefunden Men: 
fchenverflandes. 
Die Anlage des Buches ijt ganz nach der ſynthetiſchen 
Methode gemacht: zuerſt fpricht der Berf. von der Urreligion 
in Griechenland und weiſt dann aus dem Gereödienfte nad, 
in weichem Verhältniſſe in Griechenland die Familie zur Reli» 
gion, geftanden hat. Won dem Eeresdienfte findet fich leicht 
ein Übergang auf die Myfterien und alle damit in Berbindung 
ſtehenden Weihungen und Feierlichkeiten. Zu diefen Feierlich⸗ 
Beiten gehörten auch die Worträge der Aoiden; namlich Die 
Aoiden kaͤnnten die alten Sagen, . trugen diefelben Dichterijch 
und zur £yra vor und fuchten den alten Heroendienft und den 
damit verbundenen Opfercultus in Griechenland aufrecht zu er⸗ 
halten. Sofern nun die Aoiden den Heroendienſt beförberten, 
ftanden fie in naher Beziehung zu: den Königen, weldye faft 
alle an die Heroen ſich anſchloſſen. Die Aciden treten in den 
olympiſchen Spielen mit ihren: Gefüngen als Bewerber um den 
Preis auf, und man nannte ihre Gelänge, in welden die Hel« 
denthaten der Herden gepriefen wurden, tpaywddaı, Zragddien, 
von roauyus, Bold, und win. Belang, weil der Sänger als 
Preis einen Bod bekam, wie die Aoiben ja auch beidem Heroen⸗ 
opfer Das, was nicht zum Dpfer verbraucht wurde, erhielten. 


In derfelben Zeit und unter denfelben Umftänden entftand 
aus den Hymnen, welche bei den olympifchen Spielen vorges 
tragen wurden, der nachherige Ehor der Tragoͤdie; nämlich 
der Hymnus drüdte, wie der Chor nachher, das Volksgefuͤhl 
bei den Handlungen und Schidfalen des Heroengeſchlechts aus. 
Thespis aus Ifarien war alfo nicht Erfinder der Tragödie 
überhaupt, fondern nur der Gattung, die mit Action begleitet 
wurde; er führte die Schickſale der Heroen durch lebendige 
Darftellung vor. Diefe Schöpfung des Thespis mußte bis auf 
Afchylos genügen. Diefer baute zuerſt eime Bude für die Dar» 
ftellung,, erfand tie hohle Kopfmaste, gad dem Schaufpieler 


‘den langen, fchleppenden Mantel, Syrma, und die Schuhe 


mit bohen Abfägen, Kothurn. Die Zragödien des Aſchylos 
flreifen an das Ungeheuere; der Dichter wollte finnlih und 
duch Maſſe wirken; fein Chor war 50 Perfonen ſtark; 
die Eumeniden zum Erempel mußten mit Schlangenhaar auf: 
treten, ein Anblid, fo gräßlih, daß Schwangere abortirten. 
Sophokles dagegen war viel einfacher; Euripides ift weniger 
groß als feine beiden Vorgänger. 

Die Komödie läßt fi fehr natürlich aus dem Feſte der 
Lenden, die zum Bacchusdienft gehörten, ableiten. Die Feier 
der Lenäen füllt in den Herbfimonat Poſeidion. Der Imed 
diefer Feier war, dem Bacchus für den Segen der Weinernte 
zu danken und ihm die Erfllinge zu bringen, nämlich den 
frifchgefelterten Wein. Auch an diefem Feſte wurde ein Bod 
geopfert, weil er die Knospen und Blätter abfrißt und die 
Trauben zu Grunde richtet. Diefed Feſt wurde feiner Ratur 
nad) auf dem Lande gefeiert, Zr xwuors, und hieß deshalb 
auch zur ieoa zar uypous; die Feſtgeſaͤnge, welche man dabei, 
anflimmte, bießen alfo zwuwdin, Komödie. Inſofern nun 
Bacchus auch für den Begründer des Verfehrd galt, indem 
der Wein zu Kauf, Zaufh, Handel und Beftimmung des 
Maßes Beranlaffung wurde, gaben Kauf, Tauſch und Handel 
den Gegenfland zu allerlei ergöglihen Scenen; Betrüger, 
Diebe und Unmäßige wurden an biefen Zeften durch fpaßhafte 
nedifche Vorfälle Berti emacht; bekannte Perfonen wur: 
den, wenn fie in foldhe Rebler verfallen waren, mit Ramen 
genannt und von der Satire gegeißelt. Sufarion, ein Zeit» 





1208 


* von Thespis, war der erſte Komöde. Beine nächſten 
achfotger waren wicht bedeutend, fie kamen von ihrem Karren 
nicht Yerunters aber Ariſtephanes, der in ber Zeit des Yeri- 
Aes auftrat, war ein Genie; man nenut ihn mit Mecht ben 
Fürften der Komödie und es ſteht Bein zmeiter weben ibm. 

An dieſe Bemerkungen über bie Komödie ſchließt fich eine 
hoͤchſt intereilante Mittheilung über die Satyrſpiele und ihre 
Entftehung aus den Phalloforenfeften; der Verf. des vorbe: 
zeichneten Buches macht oftmals eine böchft glüdlihe Combi⸗ 
nationsgabe geltend. Bei den Römern bat nit in fo früher 
Zeit wie bei den Griechen Zragödie und Komödie eriftiet. Bis 
sum Sabre 388 ungefähr gab es nur ludi circenses, das wa: 
zen Priegeriihe Borübungen. Damals, um 389, lieb man 
Banzer aus Etrurien nah Rom konmen; in der etrurifihen 
Sprache hieß ein Tänzer hister, woraus das Wort histrio ger 
bildet wurde, Hiftrionen. Bei den Römern bfühte nur die Ko: 
mödie, das Luftfpiel, und neben diefem, ober vielmehr nach die: 
fem, Die fogenannte comoedia praetestata. Das war ungefähr 
Daffelbe wie unfes bürgerliched Schauſpiel. Weil Nom kein 
religibß begruͤndetes Heroenthum hatte, fo fehlte ihm auch die 
Retionaltragödie; felb zur Zeit des Kaiſers Auguſtus waren 
nur Tänzer, Pantomimiker und Flötenfpieler beliebt. Das erfte 
Iheater wurde ın Rom um 798 erbaut; Mummins, der Er⸗ 
oberer von Korinth, baute dad zweite; die Verwaltung gehörte 
jedesmal zu den Geihäften des Adilis. Unfer Berf. bemicht 
ſich ſehr, zu beweifen, daß die Schaufpieler in Rom nicht im: 
mer Sklaven gewefen find, und Das läßt fich beweiſenz indeß 
weder aus Cicero, noch aus Qufnetiltan, noch aus Suetonius 
läßt ſich darthun, daß die Schaufpieler Roms fo hoch in ber 
öffentlihen Achtung geftanden haben wie unfer Verf. meint; 
in den römifchen Geſetzen ift lenocinium facere, Bordellwirth⸗ 
ſchaft treiben, mit operas suas in scenam locare, mit Schau: 
ſpielkunſt nch abgeben, gleichgeftellt. Erſt Zuftinian, welcher 
die Schaufpielerin Zheodora gcheirathet hatte, erließ im Jahre 
534 das Geſetz, daß die Ehe mit einer Schaufpielerin nicht 
ehrlos mache. 

In. dem legten Capitel ded Buches ſpricht unfer Berf. 
von dem deutichen Schaufpiel. Das deutliche Schauſpiel bat 
religiöje Grundlage und die Form det römifhen Dramas, 
Schon daraus läßt fich Sehen, daß das Schaufpiel in Deutſch⸗ 
land urfprüngli nichts Nationales if. Die Komödien der 
Roswitha von Gandersheim ſowol wie die erfien Bufmaen 
fpiele blieben noch in diefem veligiöß » römifchen Zufammen⸗ 
bange. Erſt die Meifterfänger führten das Drama in Deutſch⸗ 
land aus dem Klofter umd dem Kirchenbereich in dic Weit, 
Seit 1622 ungefähr gab es wandernde Schauſpielergeſellſchaf⸗ 
ten in Deutſchland; dieſe ahmten theils die franzoͤſiſchen Luſt⸗ 
ſpiele, theils die ſpaniſchen Staatsactionen nad. Das natie⸗ 
nale Drama fehlt und noch immer; ſelbſt durch Leſſing und 
nad) Leifing haben wir es nicht bekommen. Herr Rauchenegger 
ftelt zu einem ſolchen als netbwendige Requifite folgende Drei 
Punkte auf: 1) die Wahl eines hiſtoriſch deutichen Stoffes ; 
2) die Einführung deutfcher Fürſten und Hergen; 3) die 
Anwendung ded Chords als Repräfentation. des Volkes. Die 
Nothwendigkeit det Chors hatte vielleicht noch fchärfer bewiefen 
werden koönnen; über die böchft geniale Art wie Schiller ben» 
felben in der „Braut von Meffina’” gebraucht, wirt gar Nichts 
gefagt. Aber eigentbümlich ift ed dem Berf., daß er verlangt, 
der Chor folle auch in das — demnächſtige — deutfche Rationale 
Kuftipiel eingeführt werden. Die bürgerliche Familientragoͤdie, 
welche einige neue Schauſpieldichter bearbeiten, findet in dem 
Syſtem unfers Berf. gar Peine Stelle; er ignorirt fie gänz- 
lich, findet fie feiner „emähnung werth. Bon Theaterſchulen 
erwartet Herr Rauchenegger zu Viel: Die Handgriffe koͤnnen 
allerdings gelehrt werden; aber das Wie jeder Kunſt ift ein 
Geheimniß, denn es tft ein Göttliches. 

Zum Schluß wiederholen wir, daß das Buch eine. recht 
Heißige Arbeit iſt, am werthvollſten da, wo von der Kunft 
der Griechen geredet wird. Unſer laufendes Decennium bat 


ex die Leitungen mehren n⸗uer Schauſpielſchraiber as da 
Raßſtab feiner Principien hätte halten mollen, fo wirt: im 
ſchlimmes Refultat ji ergeben haben. Eitle Komoͤdianten ud 
ruhmſuͤchtige Schaufpielfchreiber, die neugierig find, ch in dir: 
fom e au wol, ihrer erwaͤhnt fei, werden es ärgeih 
aus ber. Hand 35 obwel Beide — nämlich wenn fr Bi 
Bildung genug beiigen — Biel daraus lernen könnin. em 
Gebildeten, der den Kreis feiner Unfchauung zu erweitern I, f 
die Schrift des Hrn. Rauchenegger zu empfehlen. * 





Literariſche Rotiz aus England. 
Biographiſches. 

Bor kurzem iſt eine Biographie des Lordkanzlers Eleu 
von Horace Twiß unter folgendem Titel erſchienen: „Ti 
publio and private life of Lord Ohancellor Eldon. Wih 
seleetions from his correspondence' (3 Bde., Lonten). Diet 
Lebensbefchreibung bietet manches Intereffante dar. Unter Ir 
derm wird man durch diefefbe von neuem daran erinnert, dif s 
England jedes eminente Zalent fi die Bahn zu den habe 
Ehrenftelen im &taate brechen kann. Lord Eldon's Bar 
war Kaufmann in Rewcaftle ; fein Hauptgefchäft war das zul 
Faetors bei einer Koblengrube, doch war er nicht allein tz 
auf befchräntt, fondern trieb nebenbei mehre andere fehr x 
teägliche Gefchäfte, die ihn zum reichen Manne maditen, fa 
ei feinen Kindern nicht allein guten Unterricht ertheilen Ler, 
fontern auch eine reiche Erbfchaft hinterlaſſen konnte. Durd ir⸗ 
erworbened Bermögen war er in Stand gefegt worden, beteutmit 
Landgüter in der Grafſchaft Durham anzufaufen. Der & 
lobt in einer Denkſchrift feinen Bater als einen Mann ra 3 
nachlaſſender Gefchäftsthätigkeit, ununterbrochener Rectikarr- 
heit und ungeheuchelter Froͤmmigkeit. Seine erfte gelehrt & 
dung erhielt Der junge Eldon in der Igteinifchen Schult is 
Baterjtadt und zeichnete ſich durch Lernbegierde, Fleiß uns 
nen aufgewedten Geift aus, obgleich er von Zemperamzs 
einer gewiſſen Traͤgheit und Arbeitsſcheu geneigt war. WW 
her fludirte er auf der Aniverfität ju Drford, wohin erinr? 
Alter von 15 Jahren ging; 1766 wurde er da als Steis 
immatriculirt und erhielt 1770 den Grad eines Baccalanca 

ber die Prüfung, die er zur Erlangung diefer Würte sch 
ftehen hatte, fpottet er, fehr. in Jahr fpäter wurt: 7. 
Yreisfchrift von ihm: „Über die Bortheile und Rachtheilt !* 
auswärtigen Handeld”, als die befte, gekrönt. Es mar !- 
Merk eines jungen, noch berig erfahrenen Mannes, das ieh: 
fall Wa ubgleid) fein Stil nicht fehr zu loben wur. 7 
er auch in fpäterri Jahren nicht ſonderlich verbeffert.. Kad 
dem er ausftudirt hatte, wurde er Advocat und hazıkit, 
32 Jahre alt, ein Mädchen ohne Vermögen; und mi 
feinem noch lebenden Bater nur ein fehr mäßiges Jahıyıl 
bekam, ſo mußte er ſich gewaltig anſtrengen, um mit Jan 
einigermaßen anſtändig leben zu koönnen. Seine almily = 
worbene Tuͤchtigkeit und günftige Umftände brachten ihn it 
wärts. Und fo flieg er von Stufe au Stufe. As Rechtky 
Iehrter und Anwalt in vielen interefjanten und wichtigen & 
hen zeicgnete er fi) fehr aus und gewann dadurd Arie: 
und Bertrauen. So bahnte er ji) den Weg zu fein rt 
Er wurde zum Mitgliede des Parlaments ermählt, wert ! 
fi wol dur Geift und Gewandtheit, aber nicht gerade dur 
bejondere Beredtſamkeit auszeichnete. Nachher wurde u % 
Würde eines Lordkanzlers von England erhoben. Elden Mi 
allerdings ein unterrichteter und geſchickter Juriſt und An 
aber keineswegs ein Mann von hoher Befinnung unt eder 
Handlungen, welcher der Menfchheit dauernde Wohlthau 
brachte. Er arbeitete vornehmlich, für fein eigenes Gluͤke 
erreichte, fo weit möglich, die Erfüllung feiner Wünide. © 
wurde reich und hochgeftellt, und feinen Egoismus ſah er md 
bin fo ziemlich bafpiedigt. al. 





— —— 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockzauns. — Druck und Verlag von F. X. Srockhaus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarife Unterhaltung. 








(Bertfegung aus Wr. 200.) j 


Den Gegenfap in Vielem und Weſentlichem zu beu 
Deutſchen Bilden nach Arndt bie Franzoſen, bad Bolt, 
auf welches noch immer Manche als auf das menfh- 
lichſte und gebilbetfte aller europätfchen Volker bimveifen, 
und ald auf datjenige, von weichem allein alle Größe 
und Bildung und alle volitiſche Entwickelung bes Zeit 
ars ausgehen könne und müſſe; or fagk: 

Der Franzoſe ſcheint in ben meiften Hinfichten DER 
zu fein was er werden Bann, für ihn fcheint die Zufunft we: 
nig erfreuliche und tröftfiche Entwickelungen übtig zu haben.,. 
Der Branzofe, ein Mittelding von einem Chinefen und Juden, 
mit vorherrfchender Anlage zu mechaniſcher Einförmigfeit und 
formaler Sefeglichkeit, Hat (in Bezug auf die Einrichtung der 
Ugiverktäten) nie Etwas von Der deutſchen Wet, noch Weniger 
von der freien deutfchen Wildheit gehabt... Beine Kümmer- 
lichkeit hat im Guten und Böfen mit der germaniſchen Weid⸗ 
Iihkeit nie viel gemein gehabt, , 

Diefe Charaktexiſtik ift nicht ſchimeichelhaft; wenn m- 
deſſen die Franzoſen dem bier Gefagten zufeige bei dor 
Austheilung ber Gaben etwas verkürzt und verfümmtert 
erfheinen, fo finden fi bei Arndt auch noch mande 
ſlaͤrkere Stellen, herbere Ausdrüde, bei welchen man fi 
Zaum erwehren Tom zu glauben, er fehe die Franzoſen 
zur als Stiefkinder Gottes, als die Gefüge und Wert: 
zuge feine Iorne, ober gar ald Kinder und Geſchoͤpfe 

Des Teufels an; x. B. wenn.er fagt: 

Wenn die Deutſchen menfhlihe Greuel begeben, fe 

Begehen die Franzoſen oder [hen ſpigbübiſche Sreuel. 


oder: . 
behaupte nach der Kennmif und Erfahrung, die id) 
ven hen nem uk mb — Teufeln meines Bot: 
des babe, daß die deatfchen Teufel gerade und kuͤchtige, Die fran- 
zöfßichen Teufel dagegen krumme und fchleichende Teufel And... 
Die Franzofen fleden in Allem, was fie thun und treiben, in 
ihren Künften und Sitten wie in ihrem Leben und 
der fieffien Sünde, weil fie faſt immer den Zweck und die Ab» 
ficht im Auge haben und die Polge und Wirkung ihre Muns 
und Bdyaffens berechnen. 
ũbertrieben und hart werden Miele dieſe Charakteri- 
frung der Franzoſen und die Vergleichung mit ben 
Deutichen finden, unb darin die Einflüffe und Nachwir⸗ 
kungen der Leidenfchaften eines vichäßrigen Kriegs, . des 
ZJorns über .die Unbilden, welche die Deutſchen von den 
Zranzofen erdnidet hatten, erblidens aber tiefe und geifl- 
volle Bticke in die Wefensverfihiederthelt belder Mario: 





Thun, in, 


28. October 1846. 








wen, obwol grell ausgefprotßen, wird man Weide immet 
din zugeftchen müffen. Und in Wahtheit, wir Deutſche 
wenigſtens follten ihm nicht der Verblendung duch Sta: 
tionalhaß anlagen, wir ſollten erkennen, daß die, voll 
politifchen und nationalen Gefichtspunkt beaeatel, ge⸗ 
rechte Erbitterung gegen eine Nation, welche fit zwei 
Jahrhunderten dert Macht und Groͤße Deutſchlaudo Ab⸗ 
bruch thut, ihn hellſehend gemacht hat in dielen Stücken / 
we wie Dexrttſche großentheils kurz = und ſchwachſichtig 
find, und ſollten bedenken, daß ſeine überzeugang von 
dem ſozufagen phyfiologiſchen Gegenfat ber beiden Na⸗ 
i i die intelectuelle und moraliſche wie die po⸗ 
ltciſche Behereſchung der edlern durch bie geringere tca 
eine um fo empoͤrendete Corruption, als einen Frevel 
gegen die Rakar erſcheinen ließ. 

Ihre Eprache, ihre Eitte, ihre flatternde 
tigkeit, ihr heairuatiſcher Yard wahrer barı Tügenga 

ten 


anmernde Pride 
fter Shhein 


in ihrem gauzen Weſen und ereiten für und kine 
Zauberſalbe, die unfers inneriten edelſten Geiſter en * 
ahrheit 


ſern ſtolzen und freien deut gen Einn für gerade 
und ſchlihtes Recht bricht, unfere heilen Kugen blendet, damit 
ffe mit ihren ſchlauen, leuchtenden, ſchillernden Eulendugen bie 
gebienderen Bögel belduern und fangen konnemz diefens gefaͤhr⸗ 
Ken Volke gegenüber mülen wir nidyt bios mit den Waſfes/ 
fondern mit unfern Herzen gerüftet und gewarnt auf der 


Wehr ftchen. Be nn 

In dem Yuffap „libes Volksgaß” verwahrt ſich i- 
hoch Arndt gegen bie Anklage, als ob er das frauzöſiſche 
Volk an fich verdammen ober geringfchägen wolle: 
eh bat feine — Im „und feine Gebreiten, und 

| enden. wi angel 
he bee eg gibt Olfen und Gene Die Bomikeune 
mit dem Ungleihen — das ift ber Tod ver großen Fuge 
und ber’ Geburt der Eitelkeit. - Ich will Haß gegen die Fram 
ofen, nicht blos fin dieſen Krieg, ich will ihn für immer. 
en durch Augend, Billenfhbaft und Kımft bei dem sinen. 
Volte vortrefflid ift, das Große und Menfchlihe wird doch 
auch den andern angehörm. Wo die Völker geſchieden ſtehen, 
jedes in feiner vollen Eigenthuͤmlichkeit, wo ein finlzer und 
edler Haß das Berſchirbene fremmt, da wirb jedes ſich auf day 
vofifte, würdigfte und sigentbümlichfte ausbilden. 

Arndt's Abneigung, Haß und Jorn gegen: das fra: 
zoͤſiſche Wolf und Wefen drängte ſich am fchärfften zu- 
fammen gegen Napoleon, der, obwol eigentlich kein ge- 
borener Franzoſe, doch gewiſſermaßen bie Incarnation ‚bes‘ 
ruchlefen Franzoſenthums in Mmbt's Augen war. Eine 
ſchoe Wlummenlefe der heſtigſten und gehafſigſten Bejzeich⸗ 





eg 
a ‘ 
nungen Rapoleon’s ließe fi aus den vorliegenden drei 
Theilen zufammenftelen. Er beißt „das feltfamfte ge- 
fchichtliche Ungeheuer“; feine Kraft wurde zur „Bandi- 
tenfraft” durch das Gepräge feines Gemüths; „Pharao 
war nicht toller als diefer von fo vielen Schmeichlern 


und Knechten einft pergätterte Mann‘; Napoleon iſt der, 
„wiide Tyrann, der: wilde Wütherich, der: abfüheufichite: 


aller Tyrannen, das blutige und verbrecherifche Unge— 


heuer, das uns Corfica geboren hat”; „die große Seele | 


des Böfen”; „feine eigene Verruchtheit Hat ihn immer 
wilder und dummer gemadht”. Er wird häufig ale ein 
fatantfcher Menſch, als ein Virtuoſe im Böfen betradh- 
tet, und Arndt .ruft aus: „Fahre die Welt lieber zum 
Teufel, als dag man den Teufel felbft nicht bei feinem 
Namen nennen dürfte!” Dies gilt zunächft zwar in Bezug 
auf Talleyrand, den viefjährigen Diener und Minifter Na- 
poleon's, aber ebenfo gilt es auch vom Meifter ſelbſt. Es 
ift Dies ein Extrem der Beurtheilung Napoleon's; aber 
enthält felbft dies Extrem für uns Deutiche weniger 
Wahrheit als das entgegengefegte Ertrem der PBergöt- 
terumg jenes auferordentlichen Mannes durch fo viele, 
zum Theil mit großem Talent der Darftellung begapte 
Pewunderer in jepiger und. Schmeichler in früherer Zeit, 
welche, entweder ganz auf den franzöfifihen Standpunft 


1963 - 


| 
| 
| 
| 
| 





fich ftellend, dem glädlichen Feldherrn, dem Retter Frank⸗ 


reiche in fchwierigfter Zeit, dem glänzenden Eroberer, 
dem erſten Vertreter des franzöfifchen Ruhmes die Leiden 
leicht verziehen, welche er felbft über Frankreich brachte, 
das Unglüd aber und die Schmach, die er den andern 
Völkern zufügte, für gar Nichts anfchlugen; oder welche, 
zu ber kalten Höhe vornehmer philofephifcher Unbefan- 
genheit fich emporfchwingend, bei Würdigung ber ge 
ſchichtlichen Perfonen vom fittlichen Werthe, von der fitt- 
lichen Geſinnung gar feine Kunde nehmend, an Napo- 
leon nur die Kraft, den Geiſt, den Genius priefen, und 
die Klagen über fein moralifches Thun, über feinen Cha⸗ 
rakter und feine Brundfäge als Sache der Schwachtöpfe 
und Philifter behandelten ? Wergeffen doch wir Deutfche, 
wenn wir Napoleon beurtheilen, niemals jenen fürchter- 
lichen, unheimlichen Drud, der während ber Jahre feiner 
Algewalt nicht blos auf dem politifhen Dafein, fondern 
auf allen Gemüthern überhaupt laſtete, und klügeln wie 
nicht mit einigen hochfliegenden pbilefophifchen Phraſen 
bie wirkliche, gefchichtliche Erinrierung feines Einfluffes 
und Wirkens hinweg !r Wenn Arndt bisweilen zu Bein 
von ihm zu fprechen fheint, fo erkennt er doch im Gan⸗ 
zen die Kraft und Größe des Mannes, im natürlichen, 
nur nicht im idealen und fittlihen Sinne an und wirft 
manches überrafchende Licht auf feinen Charakter, feine 
Natur. Er fagt von ihm: „Er ift mehr ein Menſch ele- 
mentarifcher als idealer Kräfte”; und andersme: 
Es beftätigt fich mehr und mehr aus allen einzelnen Zü⸗ 
en, baß unfer früherer Ausſpruch, daß fein Geiſt und feine 
tele faſt ganz im Blute jaßen und alſo mit den wachjenden 
Sodeen immer abnehmen mußten, nur zu wahr geweſen. Un⸗ 
endliche Fülle finnlicher Lebenskraft und elementariſchen, den 
Stoff gewaltig dDuchdringenden Geiſtet zeichneten ihn aus bei 
bem erſten geſchichtlichen Anlauf den ey nahm. Gr hatte wol 
Das, was einen großen Feldherpn machte, befonders die unge: 


- 


[2 


* 


y Lg. 
u: 
Zur GE 

heuere Bufammenziehung aller feiner Kräfte auf einen einzigen 
Punkt, womit er auch mehr als Ein geiftiged Sentrum burd. 
brochen hat. Schnellkraft hatte diefee Mann in einem unend: 
lichen Grade, und Ergreifen und Fortſtoßen einer Idee oder 
That, die er eben faßte. Weil er nun auch Herrſcher ward 
und die Eitelkeit hatte, viekfeitig und umfichtig fein zu wollen, 
was er nicht war, fo Hat er dadurch hie ſteinerne umd ciferne 
Kraft, die in feiner gefchloffenen und gediegenen Natur war, 
nad und nach zerfplitteet . . ex ift durch die nad allen Sei: 
ten hin gezogene und gereizte Unruhe feiner Natur auseinan- 
der geriffen und aufgelöft worden. Er hatte endlich weder ei: 
nen fittlichen noch leiblichen Halt und ſchwebte ohne allem 
Schwerpunkt mit dem Strome der Begebenheiten fo bin, unt 
dieſer hat ihn zuletzt auch unter feiner Flut begeaben. 


Man kann hiermit vergleichen, was Goethe über Na- 
poleon fagt: er habe ganz in der Idee gelebt, und: 

Da war Rupoleon ein Kerl! Immer erleuchtet, immer 
ar und entfchieden, was zu thun fei, und zu jeder Stunde 
mit ber hinreichenden Energie begabt, um Das, was er als 
vortheilhaft und nothwendig erkannt hatte, fogleih ins Wert 
zu fegen. Sein Leben war das Screiten eine® Halbgottes von 
Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu Sieg. Bon ihm koͤnnte 
man fehr wohl fagen, daß er ſich im Zuſtand einer fortwäh: 
renden Erlkeuchtung befunden. 

So groß der. Widerfpruch diefer beiden Anfchauunge: 
weifen — die moralifche Würdigung ganz aus dem Spiele 
gelaffen — fcheint, fo bieten ſich doch Annäherungen und 
Berührungspunkte darz Goethe geſteht: nu 

Jene göttliche Erleuchtung, wodurch das Außerordentlide 
entfteht, werden wir immer mit der Jugend und Wroduckivifät 
im Bunde ‚ndenz ber eigentlihe Glanzpunkt feiner Thaten 
fällt in die Zeit feiner Zugend. _ 

Arndt dagegen nähert ſich Goethe's Anſicht in fol 
gender Außerung: Ä 

In dem Großen feiner Natur ift übrigens diefer Mann 
von den leichten Franzofen nie begriffen worden; Das, we 
durch er fie mit den Schrecken einer unſichtbaren Madıt ju 
den Beiten feiner Ganzheit beherrſcht bat, haben fie nic ve 
fanden. Er Hatte Eines, was in das Genie hineinlisf, dab 
Dichte, Feſte, Unergründfiche der füdlihen Menſchen. So tin 
nen wenige Rorbdländer, auch die Höchftbegabten, ganı Ein 
fein, ganz in Einer Idee auf» und unter eben, ganz auf Ein 
Biel hinfließend, Monate, ja Jahre lang alle ihre fonftigen Ge⸗ 
wohnheiten, Beduͤrfniſſe, Leidenſchaften und Wolluüſte verleng⸗ 
nend und opfernd. Wenn Hr. de Pradt ſagt: Der Kaiſer ver⸗ 
folgt immer feine eigene Idee; es iſt eine Urt Jagd, woven 
ihn Nichte abbringt, während er mit einem Gegenſtand be 
ſchaͤftigt iſt; alles Übrige ift für ihn nit da, — ſo weiß er 
nicht, welche große Eigenfchaft er damit lobt. 

‚ Poetifh und großartig iſt endlich Arndt's Auffaffung 
des ickſals Napoleon’s, wie es zulegt durch fein ei⸗ 
gene® Benehmen beftimmt wurde. In einem Aufſah, 
im Januar 1815 gefchrieben: „Wird der Herrſcher der 
Inſel Elba noch einmal Europa beherrſchen?“ welchen 
die Cenſur damals nicht drucken ließ, verneint er dieſe 
Trage aufs beflimmtefte, obgleich er es fehr möglid 
findet, daß ex noch einmal einen Verſuch bazu made, 
daß er wiederkommen und viel Unglüd über Frankreich— 
einiges auch über BDeutfchland bringen Fönne Jene 
Berneinung begründet er folgendergeftalt : 

Es gibt einen Wendepunkt der politifchen Sroͤße, vor wel: 
dem man ewig umkehren muß‘, wenn man ihn in einem de 
denklichen oder gar gefährlichen Augenblick nicht zu überfhre” 
ten gewagt hats wer ber Fortuna einmal ben Rüden zug’ 


. 








wandt und ihren fuarchtbaren ‚Sturm wieder einmel . bie 
Segel eingereſſt Hat, Dem wendet fie ewig ben Rüden. Rapo⸗ 
leon hatte viele tolle und einige verrüdte und taufend ſchaͤnd⸗ 
liche Streiche gemacht — dieſe konnte. die heidniſche Göttin 
ihm noch vergeben. Uber er hat den armen Sünder in om 
tainebleau gefpielt — und Das Bann fie ihm nie vergeben. Sie 
liebt nur die Virtuofen im Guten und Böfen: man muß ganz 
Gottes oder ganz des Teufel fein wollen, wenn man ihre 
Bunft erhalten und behalten will. Napoleon war auf dem 
rechten Wege dazu, aber er hat fih mit dem Slüde auf im: 
mer überworfen und er wird nicht mehr als fein Lieblingsfohn 
enannt werben. Wenn er wie Durch cin höheres Berhaͤngniß 

ndelte . . . fo mußte ex wie ein duͤſterer Damon des Wehes 
und der Bernichtung fortwüthen, der Folgen unbekümmert und 
ohne auf Zukunft und Vergangenheit zu bliden. Er aber ver- 
ließ das Glüd, als das Gluͤck ihn zu verlaſſen fehien, er dung 
wie ein gemeiner Knecht um feine Schäge.und um fein leben 
und ließ fih zum Spott und Gelächter der Welt als einen 
Gefangenen nad der Infel Elba abführen. Er mählte bie 
Schande und verlor in Zontainebleau den legten Ruhm, wenn 
er einigen haben Ponnte. Gr kann wiederfommen allerdings, 
fage ih eu, aber fein Stud Bann nihrwiedertom> 
men! Es gibt Beine Wicderherftellung des Glüdk, wenn bu 
wie ein Zeiger vom Schauplag abgetreten biſt. Napoleon wird 
nicht wieder als ein Stern erfter Größe glänzen. Died fage 
ih nicht blos Denen, die den &atan gern wiederhaben mich 
ten zus Riederfchlagung, fordern auch jenen erbärmliden Men⸗ 


ſchen zur Ermuthigung, bie in ihm immer noch wnuberwind- 


liche Schreden fehen! 

Und er kam wieder — aber die Eine Schlacht von 
Waterloo vernichtere fein Heer und feine Macht, und 
Arndt, in einem Nachtrag zu dem obigen Auffag, un- 
mittelbar nach jener Schlacht gedrudt, fagt: 

Dan Bann nad biefer Schlacht fagen: Er hat kein Stud 
mehr. Gr ſcheint ſich fa auf ein zweites Fontainebleau vor- 
zubereiten. Er bätte bei Waterloo den Tod fuchen ſollen, fo 


wäre doch noch ein letzter Glanz auf feine Perfon gefallen! 


Biele haben gedacht, er würde nach einem andern Punkt flie 
und dort fein Blüd noch einmal prüfen und Tod oder 
iederherſtelung ſuchen, oder er wide im Paris etwas Ge: 
waltiges und Bürdhterliches wagen, wodurch wenigſtens glän- 
Schimmer auf feine Leiche filn. Er beat das Alles 
nieht gethan und gewagt, fondern ſcheint mit einer Urt groß 
müthiger Gaukelei abtreten und mit Liften und Pfiffen fein 
Spiel ausfpielen zu wollen. Es find die da meinen, er werde 
in Paris vielleicht noch etwas Raſendes und Wüthendes ver 
fuchen. Ic glaube Das nicht von ihm, ich glaube atich faum, 
daß es ihm gelingen würde... Wenn er alſo ehrlich und als 
ein Zürft — was er doch geweſen ift, wenn auch ein Tyrann 
— den Tod fuchte, fo könnte er ihn noch finden an der Spitze 
einiger Regimenter. Ich glaube aber, er wird ein unehrliches 
und unfürftlicdes Leben lieber wollen als einen fürfllidgen Tod 
und fo wird die blutige Pofle, die man lange ein Yeldenfpiel 
genamt hat, würdig ausgefpielt werben. 


Wie man au über die Beweggründe urtheile, wel⸗ 


che Namen man aud den Entfchliefungen und Schick- Zt 


falen Rapoleon’s gebe, Das muß man doch zugeſtehen, 


daß der erbitterte Feind Deffelben, daß der deutſche Arnde 


den Bang und Verlauf der Ereigniffe richtig angefehen 
und vorausgefehen hat, und es ift nicht anfer der Zeit, 
jegt, wo bie beredten Hifteriker und Panegyriker Rapo- 
feon’s für Alles was er gethan nicht blos Entſchuldi⸗ 
gungen, fondern eine foldhe Fülle von politifchen oder 
menfthenfreundlichen und großherzigen Beweggruͤnden fin- 
den, daß er überall noch Recht übrig behält, den Apo⸗ 
logeten und Verherrlichern einen patriotifhen und fitt- 


Uchfahlenden Beusichen als crnflen, unbarmherzigen An⸗ 
Eäges gegenuͤbetzuſtellen. “ " 


| (Die Zortfegung folgt.) 








Ä Reife-Griuneungen der Schaufpielerin Minna Woh (« 
geboren-Wohlbrud. Berlin, Dunder und Hum⸗ 

| Bl: 1846. 8, 1 Ike 

| 


Bon dem Stande des Schaufpielers ift das Wandern ur: 
zertrennlih. So bat denn auch die Verf. fih in Paris, Ve⸗ 

| nedig, Petersburg, in Ungarn, Giebenbürgen, Deutſchland 
und Polen vielfach umgeſehen und bie Erlebniſſe auf ihren 
Reifen in anfprudlofen, meift nicht unintereffanten Bildern 
| dargeftellt. Sie ftehen unter fich infofern in keinem Zuſammen⸗ 
| bange, als fie Beine chronologifche Folge beobachten, und da 
| fie auch den Stand der Verf. nur gelegentlich berühren, fo bie: 
ten fie nur ein unſicheres Lebensbild. Cine Dame, die fo weite 

| Reifen in ihrem dache als Schaufpielerin machte, hat ficher 
| auch von Erfahrungen zu reden, deren Mittheilung unterrich: 





tend fein, und ihrer Kunft, wie den Juͤngern derfelben, gewiß 
zu gute fommen würde. is. 
| Bibliographie " 


Ariſtophanes, Der Reichthum, deutih von D. Mar* 
bad. Mit einer ausführlichen Exitifhen Erläuterung. Leipzig, 
; D. Wigand. 16. 10 Nor. 

Beiträge zum Feldzuge der Kritik. Rorddeutiche Blätter 
' für 1844 und 1845. Mit Beiträgen von B. und E. Bauer, 
U. Fränkel, 2. Köppen, &zelige und Undern Bwei 
Bände. Berlin, Rieß. Sr. 8. 2 Ihr. 

Boetticher, C., Andeutungen über das Heilige und 
Profane in der Baukunst der Heltsnen. Berlin, Reimarus: 
ı Gr. 4. 12 Ngr. 

Brunold, F., Gedichte. 1847. 19, 
22% Rot. 
| — — Erfted und zweite Zeben. Roman aus der bran⸗ 
| denburgifhen Geſchichte. Berlin, Quien. 1847. 8. 1 Ahlr: 

— — Uub Gegenwart und Bergangenpeit. Rovellen. 
| Swei Bände. Berlin, Quien. 1847. 8. Ihr. 22%, Nor. 
| Dad Goneil zu Trient für alle Länder und Völker, mit 
‚ den betzeffenden Bullen und Berfügungen. Rebſt einer Ein 
kitung überfegt von B.I.Berthed. Mainz, Wirt Gr. 12. 

& re. . 


eutinger, M., Bilder des Geiſtes in Kunſt und Na⸗ 
tur, aus freier Hand gezeichnet auf einer Higertabet nad 
, Nor. 


.—— 


Berlin, Quien. 


Floren; im 3. 1345. Augsburg. 1.8. 22 
| Eliſa das Weib wie es fein ſollte. te durchaus umgear- 
au und verbeflerte Auflage. Leipzig, Wienbrack. Ki. 8, 

r. 
| Erinnerungen eines preußiſchen Officiers ‘aus den Jahren 
1812 His 1814. Koblenz, Baͤdeker. KL. 8. 24 Rgr. 
| Etlar, ©., Die Verwandtſchaft. Novelle. Aus dem 
ı Dönifchen überfcegt von I. Stern. Augsburg, v. Jeniſch u. 

age. Gr. 12. 18 Rgr. 

| Euripides, Hippolytos. Deutfh von D. Murbad. 
eeiprg D. Vigand. 16. 6 Rgr. 
| utllois, A., Handbud der Religion, oder Erklärung 
des Katechiſmus in gefchichtlicher, dogmatiſcher, moraliſcher und 
| liturgiſcher Hinſicht. Deutſch bearbeitet von einem Batholifchen 
weifkigen. Dre Theile. Aachen, Eremer. Gr. 12. 1Thlr. 
U} gr 
| Maeufler, J. V., Sprachenkarte der österreichischen 
ı Monarchie, sammt erklärender Uebersicht der Völker dieses 
ı Kaiserstaates, ihrer Sprachstämme und Mundarten, ihrer 
| örtlichen und numerischen Vertheilung. Pestb, Emich. Gr. 8, 
4 Tulr. 15 Negr. 


1004 


Sancks, Genrietie, Seifen. "Wirk bis Age’ Band 
Die ’ Aãoqter | St Schriftſtellerin. Moi Aheile. : Geralwng, 
— ß, 3. C. A., lauf © und —— 
— — — m ———— Sch 75 Be 
einer iographifgen —* — don gm —8 
—E Herders · Aiben edenkblätter an den Mun- 
desbruder Joh. Gottfr. p. Derben,- ‚Peusuhgegehen Pre Kür 


sel. Darmftadt, v. Zum, 
Jahrbuch des deutſchen en nte in Unger it Dri⸗ 
SER namhafter Schriftfteller. Herausgegeben und 
it von C. M « Benfert, Ifter Sehtgung. iſte Qulfte 
Emich. Gr 8 . Bolftändig 2 
Tordan, 3 . P., Geſchichte der ruſ Ten Leiteratur. Rah 
* — bearbeitet. Reipzig, Slaviſche Buchhandlung, 
Konten Das deutſche Geſpenſt. Drei Bünde. Leipzig, 
Blenbrack. S. 4 Br 


Krummader, ©. Zaͤgliches Wanna für 
dur die Wüfte. — 8 aus ben Predigten —* Fe ⸗ 
faſſers gefammelt und herausgegeben von einem Freunde des 
Berewigten. Ite muflage. Siberfeld, Hafiel. Sr. 12, 16 Nor. 
euther's, M., Schriften für das deutfche hriftliche Volt. 
Iftes 8 —* Reichardt. 8. IM Mor. 
ell's, C. Reifen in Rordamerika, mit Beobachtungen 
über 1 ——— Verhaͤltniſſe der Vereinigten Staaten 
un anada und Neu⸗Schottland. Deutſch von E. T. Voiſſ 
vat Orangen. Gr. 3. 2 Thlr. U Nor. 
Marbad, D. ., Liebesgeſchichten. Leipzig, D. wigand. 

16. 21 Rar⸗ 

ga, B., Racing ber Frau Sinberzeitung. Berlin, 
Rie 3 Nor. 

Dettingen‘ €. B., Rarrenalmanad für —87 ter 
Band. Leipzig, Wh. Reelam. 1847. Gr. HM. 2 

Perlen. Tafhentun romantifcher Grrählungen Mi 1847, 
Ben R. Heller. Mit 6 Stahlſtichen üter Jahrgang. Rürn- 
berg, Kom. Gr. 16. 2 Thlr. 10 Nor. 

.. Roumer, & v., Geſchichte der —— vom Wieder⸗ 
aufblaͤhen klaſſiſcher Studien bis auf unſere Zeit. Iſder Theil. 
(Das. Mittelalter bis zu Montaigne.) -2te Auflage. Stuttgart, 

S. ©. Lieſching. Gr. 8. 2 Zhir. 7%, Rar. 
Refosmatoren - Abum. Vorkaͤmpfer für eine freie allge: 


meine Riche. 1. Die Bropheten und Apoſtel. HH.” Deutiche 
Dichter und Meiſe. Beidelberg, 3. Groes 8. Ber. 
Scharrer, 2., Bunte Blüthen. Gedichte. Augsburg, 


v. Zeniſch u. Stage. 8. 21 Ngr 
ı Scheibte, I, Ehriſtaph Bhagosz, Zauſts Famulus; Dom 
Juan Tenorid von Sevilla; die Schworzkuͤnſtler verfchiehewer 
NRatiense und die Veſchwoͤrer von Hölle und Himmel um Reich⸗ 
—ã— Rah, Baishet und des Reibes Luſt. Stuttgart. K. 8. 
r. 

—W König Didipus, deutſch von D. — 
Mit einer wistühelihen kritifchen Criautsrung. Leipzig, O 
Migand. 16. W Nor. 

Steinbeis, Dieſſeits und Jenſeits. Eine abgamtung | I 
über die Bedeutung ded Todes. Deilbtonn, Drechöler. Kt. 


5 Nur. 
Sternber ‚av, S Zwei heile. iſter Theil. 
8 su or 2 


Berlin, Quien | 
- Strauß, V —— in feben Erzaͤhlungen. Brei 
Dindı Heidelberg, Winter. 5 3 Ihlr. 

Tſchiſchka, F., Geſchichte aan Stadt Bien. Illuſtrirt 
von2.%.Schnorr, p. Beinen 8. Schnorr, L. Schnorr, 
G. Beilner, I Morcrette, E. Lafite. Ifte bie Ike Kicfe: 
rung. Stuttgart, Krabbe. Schm. 4 34 

Allgemeine deutſche Bolkabhibliothek. Yes Band, (Mar 
tie der Findling, oder Diemeisen eines Kammerdieners. Mus 


VBerantwortlider Herausgeber : 


dem ‚el 
Dee Ina hu. Ben, Hi et * 


KIT: Bolkdkalender. Zaheceng 1827. Stutigat 


—18* „A. EX aus dem Kriegslchen. Laha 
Eremer. 13 Rot. 





—A 
— 


mit —5 * In uffe — en 
en ni keinen — 


rien Srund· Gatrytie⸗ap 
a aber mit taͤuſchenden Dokumenten. Berlin, Duim 
Zwei Feſtreden am 2ijährigen Subeifefte des Großherzog 
Landſchrlilehrerſeininars in row den Et, Mai 1845 gehilte 
un pie md Gerling. —2 Yarnemig 15 
Semmerkein, E. Auch ein effener Brief. Celle, &ı 


paum. 

Hecker, J. Die — rhaͤltniſſe der Oeuth 
latholiken mit fonderem & Hinbi Baden. N te Auflage 
Heidelberg, 3. Groos. 8. 18 Bar 

60 eis, 2., Der Pietismus —XRX und kirchtich di 
leuchtet mit Beantwortung der Brogt: wie —— 8 5— 
nete Weiſe gu begegnen ſei? Heidelberg, 8. MR 


Sodannfen, J. E. G., Beiſt, Et md Sf Pfingt 
predigt. Kopenhagen, Reigel. Gr. 8. 3%, Rur. 
— Ber if ein ade 2 Zutheraner? Ein Bert an lı 
ters ( Grabe. Kopenhagen, &e el. Gr. 8 3%, Ror- 
._Kaempf, 8. I, Die Stügen des Gottesreidt. 2 
abe: —2 gwei Predigten. Neuſtrelitz, Barnemig. Kr 
gr 


er: > W., Lieder fhr die reitende Kirche. 8: 
I. F. Steinkopf. Kl. 8. 5 Nr. 

en D., Rede bei der feierlichen Brundpringuns 

m a Se we 10 Re 


Reinpardt, —— 5 Kirde mi 
eindar e der evangeliſchen Ki 
deren. Abhuͤlfe dur vie Buftan- Arnd Cie Im 
geichichtliche Darfellıng wann, Benrath. 8. IF 
Sander, I. 3. &., Die zwurcn Beugen in der (ieh 
—* Eine diefoemationẽ⸗vr ·digt. 


Exberfeld, Hafkei > 


Solid, J. F. W., xchensbilder, „oder: 
Anwendung der religiäfen Grundfäge Der fogenammten pro 
Bantiiihen Freunde? Känigäbreg RR, Winvolfn Sit 

’ gr. 

Viebahn, G. M; v,, Üser Keinen», und Woll rw 
farturen, deren Urfprung, Umfang und Leiftungen in 
tan, deren Werth und’ Fortfchritte, Berlin, Reimarus. &. 


OR Boranterfugungsaßten und die Werhore wit a 
mein, diejenigen mit en ee - deſſen 


NR 
EEE ru. teren Schu: 


Su des an 
örtl ch etreu aus den After 
&r. 8. 28 Nor. 

Wiodenfeld, K. B., Über das Verhaäleniß de} Sich 
mieten in Deutſchland zus Augsburgiſchen jfion. s 
beſonderar cal af die — reformirten ven 
den in den e erzoathumern Cleve, Juͤlich, Ba 
und der —2* LH ine Firdenregpetich fombolifce © 
terſuchung berfeld, Haſſet. Gr. I. FR 


— — —— — — 


Seinrich Broddans. — Druck und Berlag von F. SE. Yrodpans in Beipiis. 


Blätter 


für 


iteratifde Unterhaltung. 





Donnerstag, — Kr. 302. 








Ernſt Moritz Arndt. 
(Bortfegung aus Pr. 301.) 


Arndt's Abneigung gegen franzöfifches Weſen läßt 
warten, daß er Deutfchland nicht nach den modernen 
litiſchen Ideen und Geundfägen, die in Frankreich 
uptſächlich aufgekommen find und Geltung erlangt ha⸗ 
n, geordnet ſehen will. Die herkommliche Sitte, der 
olksgeiſt ſoll die Grundlage der deutſchen Staatsein⸗ 
Kung fein, deren Schwierigkeiten er ſich indeſſen zu 
iner Zeit verhehlt hat. Er fragt in einem feiner neue 
m Auffäpe: 

Was fell aus Europa, was foll befonders aus Deutfd- 
nt und aus unferm deutſchen Gewirr werden, welches freilich 
mdert mal mehr Schwierigkeiten gefeglicher Entwirrung und 
ürdiger Enmoidelung bat als der meifte andere eurcpäifche 

üre 

Seine Ideen über bie politifhe Ordnung Deutfch- 
ads find befonders in zwei Auffägen niedergelegt: 
Uber künftige ftändifche Verfaffungen in Deutfchland 
4) und: „Phantaſien zur Berichtigung der Urtheite 
ter fünftige deutfche Verfaſſungen“ (1815). Er fieht 
te wohl ein, daß noch nicht von dem Beſondern bie 
Rede fin kann und beswedt nur: „ben Menfchen iu 
\niiht der Behandlung und Einrichtung ber pelitifchen 
Inge die großen Unterfchiede der Zeiten anzubeuten, 
1 vormals zweckmäßig und möglih war, und was 
t zweckkmäßig und möglich iſt, damit nicht vergebliche 
ide und Schnfucht des Vergangenen uns irre, und da⸗ 
t nicht wilde und flürmifche Wuth des Neuen une zu 
ft treibe.” Das alte ab⸗ und audgelebte deutfche 

fann nicht in der frühern Geftalt bergeftellt wer- 

‚ aber die Einheit Deusfchlande bleibt doch Arndt's 

Gedanke, und daher fobert er: die Stellung aller 
den Fürſten und Rande unter Ein gemeinfames 
haupt, welches Kaifer oder König genannt wird, 
erc Klage führt er über die ben deutſchen Fürſten zur 

K dcs Rheinbumdes von Napoleon verlichene „Soupe- 

tät‘, wodurch fie fich für alleingewaltige und fchran- 

5 gebietende Herren ihrer Länder erklärt ange⸗ 

haben, und das Gefühl der Unterordnung unter 
große Ganze zerflört worden fei. Sodann fodert er: 

‚Einrichtung einer durch das ganze Reich gehenden 
Kerifchen Erziehung und feflen Kriegeorbnung und 


Kriegssbung, welche den Befehl gefhwine unb den Ge⸗ 
horſam beseit machen, und ben Fremden auf ewig bie 
Gedanken nehmen, von einem Ende des Landes bis zum 
andern über umfere Brenzen zu laufen, wie in biefen 
Zagen gefchehen ift. Er dachte in diefer Hinſicht an bie 
Gründung eines neuen, zeitgemäßen beutfchen Mitterer- 
dene — was er freilich nur als einen politifchen Traum 
aufſtellt — beflehend aus Göhnen fürflticher und ade ⸗ 
liger deutfeher Geſchlechter, beffen Zweck Belebung und 
Erhaltung der unſterblichen Ideen deutſcher Herrlichkeit, 
Ehre und Wehrlichkeit wäre, Erhaltung und Pflanzung 
der Tugenden, wodurch deutſche Ritter und Männer einſt 
fo geprieſen waren, Ber Frömmigkeit, der Tapferkeit, der 
Gerechtigkeit, ber Freiheit, der Weblichleit, und welchem 
ein Theil ber Lande um ben Rhein, die Moſel und bie 
Saar zur Bewohnung und zur Vertheibigung gegen ben 
Feind eingeräumt werben konnte u. f. w. 

Ferner verlangt Arndt: die Entwerfung und Begrün- 
dung beutfcher Geſetze, welche über das ganze Reid) gel- 
ten, wobei man fo fehr als möglich bie alten deutfchen 
Rechte und Satzungen und die Eigenheiten und Bebürf- 
niffe des Volles und Landes im Auge habe; bie Stif- 
tung großer Reichsgerichte mit dem Glanz und der Ma- 
jeftät der Gerechtigkeit; die Verordnung eines deutichen 
Reicystags, zu welchem bie Landboten von den Btän- 
den der einzelnen Landfchaften und Staaten bed Reiche 
gewählt werden. Die Verhandlungen des Reichstags find 
bie öffentlichften, weil er das Palladium des Glücks und 
der Freiheit fein fol — der Mund herrfcht fatt der Schreib- 
feder und die Rebe ftatt des Papier® — ; die unbefchränf- 
teſte Preßfreiheit, ohne welche auch die bürgerliche Frei⸗ 
heit nicht beftehen kann (bei ihr liegen Gift und Ge⸗ 
gengift des menfchlichen Geiſtes immer nebeneinander); 
einerlei Münze, Mag und Gewicht ; Wöfkhaffung der 
Abzugd-, Durchzugs⸗- und Geleitögelber, der Innern 
Land - und Stromzoͤlle und anderer Pladerein. Dann 
geht Arndt zu den Grundzügen ber ftändifhen Verfaf⸗ 
fungen ber einzelnen Länder über. In biefen follen bie 
drei Stände: der Adel, die Bürger, die Bauern, vertre- 
ten fein. Der Adel ſtellt vor altes Geſchlecht, alten Be⸗ 
fin, altes Recht, alte Sitte und alte Ehre. Der Edel⸗ 
mann iſt angemwiefen, mas in Grundfägen von Bater- 
land, Freiheit und Ehre ewig und unvergänglich iſt, zu 


. 1206 


verfündigen. Er kann ohne die Ehre feines. Volkes und 
feine® Vaterlandes nicht leben wollen. Damit der Adel 
wieder zu feiner Würde zurüdgeführt und ein wirklicher 
Adel werde, ift nothwendig: der Edelmann muß ein 
freier unabhängiger Mann fein, muß für das Grofe 
und Allgemeine und für die großen und allgemeinen 
Ideen leben konnen, b. h. ein Vermögen haben, das ihm 
ein jährliches Einfommen von 15,000 Thalern fichert ; 
dies Vermögen muß auf Landgüter gegründet, der Be: 
fig des Edelmanns muß Majorat fein. Nur folde Fa⸗ 
milien, wo Dies ftattfindet, werben als wirkliche adelige 
Familien angefehen; die jüngern Söhne diefer Familien 
aber werben nicht als Adel betrachtet. Die Beſtimmung 
des Adels als Landftand iſt eine vermittelnde zwiſchen 
den beiden äuferfien Spigen der Gefellihaft. Als Land» 
befiger ift er reiher Bauer und ftellt die einfachen und 
ruhigen Kräfte und Gefchäfte der Welt dar; als Edel- 
mann ift er der Träger des Glanzes und der Ehren des 
Volkes und ftellt das Spealifche und Schimmernde dar, 
und was auf Leben und Tod bewaffnet dem Feinde des 
Vaterlandes die Spige bieten fol. Zugleich, fol er Dar⸗ 
fteller der allgemeinen Ehren des Reichs fein, gleichfam 
ein Wächter der Verfaffung und Erinnerer und Vermah⸗ 
ner der Pflichten, die Jeder, vom Fürſten herab, außer 
den Pflichten gegen das Einzelne und Kleine noch gegen 
das Allgemeine und Große hat. 

Auf den Abel folgt der Bauerftand, d. h. alle Grund⸗ 
befiger. Er ift die eigentlichfte Grundlage des Staats, 
bie zahlreichfte und ehrenwertheſte Claſſe des Volkes. In 
ihm wohnt am meiften die urfprünglidhe und gediegene 
Naturfraft, die Reinheit der Sitten, Treue und. Redlich⸗ 
feit der Gefinnung, Muth und Ausdauer. Der Staat 
bat darauf zu fehen, daß diefer ehrwürdige und große 
Theil des Volkes nicht ausarte oder untergehe, durch 
weife Gefege über den Grundbefig, welche ebenfo unmä- 
ige Anhäufung wie Zerfplitterung verhüten. Damit ein 
rechter Kern des Volkes fei und werde, follte in allen 
deutſchen Ländern die Hälfte aller Ländereien von freien 
Bauern bewohnt und befeffen werden. Die Bauerhöfe 
follen untheilbar und Majorate fein, aber Niemand mehr 
als einen befigen. Ungefähr drei Viertel des Landes foll- 
ten mit feftem Berg gebunden und dem Wandel und 
Wechfel entriffen fein. Wer ein feites und glorreiches 
Baterland haben will, der macht feften Beſitz und fefte 
Bauern. Dem Ruhenden und Gleichen bed Landes und 
des Bauern an Beſitz, Leben, Treiben und Gefchäften 
ift das Unruhige und Ungleiche der Stadt und des Bür- 
gers entgegengejegt. 

Der Bürger lebt mit dem Zufammengejegten und 
Künftlihen; er fhafft das Zufammengefegte und Künſt⸗ 
lihe. Seine Selüfte werden heftiger, feine Anſichten des 
Lebens vielfacher, der Kampf mit künſtlichen Kräften und 
mit verkünftelten Menfchen wird immer heißer, fein gan- 
zes Gemüth wird leichter und beweglicher. Bor allem 
wirkt zur Verflüchtigung der Triebe und zur Verquidung 
des ſchweren und feſten Sinnes ber halb irdifche, Halb 
geiftige Dämon, Geld genannt, Das Gegengewicht ge- 


gen die zu große Flüchtigkeit und dem zu geſchwinden 
Wechſel der Dinge im ftädtifchen Keben, gegen Xlatter: 
haftigkeit und Neuerungsfucht bilden Innungen, Zunft 
und Gilden. Man verlacht und verfpottet vielfad dire 
Drdnungen als Nothbehelfe deg Barbarei des Wit 
alters; aber wollen wir ein feſtes, frommes, ehrhard 
und gehaltenes Bürgerwefen haben, fo müffen wir u 
fere Bürgerfchaften nad) alter Weife unferer Väter mir 
ber in fichere Schranken von Innungen und Zünftn 
faffen, mit Wegräumung alles Nichtigen, Todten, Un 
zeitgemäßen. Durch Sittlichkeit, Mannhaftigkeit un 
MWehrlichkeit mache man den Bürger wieder zu dem adı- 
baren und ehrenwerthen Manne, welcher er fein fol, un 
bändige die Sündflut der Flatterhaftigkeit und Nihtx: 
keit unſerer Zage, die alles Verehrliche und Heilige in 
Sitten und Weiſen unſers Volkes weggeſpült hat. 
"(Die Fortfesung folgt. ) 


- Romanliteratur. 


l. Das Buch von den Wienern. Hiftorifcher Roman vr 
Eduard Breier. Drei Theile. Leipzig, Steinade. 
1846. 8. 4 Thlr. 15 Nor. 

Ref. hatte die Freude „Wien vor 400 Jahren“ di 
felben Berf. zu lejen. Das vorliegende Werk ift auf ühr 
lihe Weife gefchrieben, und wie es feheint , bekennt te 
Verf. fih zu einer gewiflen Manier, welche allerdings für de 
biftorifhen Roman eine zweckmaͤßige ift, indem fie nicht tr 
die Begebenheiten der Zeit, fondern auch den Geiſt deride 
wiedergibt. Die Gefchichte wird in einer unendlichen Meng @ 
Scenen dramatifirt; Bürger, Ritter, Fürften fprecen fd 3 
die Parteien ftellen fih auf, die Vergangenheit wird er 
die Zuhörer lauſchen mit mehr oder weniger Aufmerkiut 
und mit ihnen der Lefer. So wird Jedem das Zreiben tet 
genwart Bar, die Eharaktere entwideln fih, man fieht ſies 
Ten, ſprechen, handeln, Partei ergreifen, Partei verlafln: = 
zwifchen Kriegs» und riedensfcenen, Volt » und Kür 
terhaltungen fpielen verfchiedene Licbesromane. Bei dem SF 
rifhen Roman bildet gemöhnlih die Gefchichte den Ku! 
grund, worauf fich die Liebesgeſtalten und Phantafiegebill: 
Dichter bewegen, ſodaß kegtere immer die Dauptperfenen R* 
die Gefchichte nur Nebenſache. Hier aber ift die Geſchichte di 
Hauptſache, und man fühlt, daß die zahlreichen Lielsen 
guen nur geſchaffen find, um bie Zeit der hiſtoriſcha Sit 
lung zu charakterifiren. Im vorliegenden Werk wird de u 
tige Streit der feindlichen Brüder Kaifer Friedrich's und Kir: 
Albrecht's im 15. Jahrhundert verhandelt. Die Noheiter it 
Adeld und die Roheiten des Volles erkennt man aus de— 
Greueln dieſes Bürgerkriegs; zahlreiche nächtliche Zulamm” 
fünfte, Aufwiegelungen des Volkes, Berathungen ber Ru 
zeigen genügend die yetheilte Stimmung, fowie Parteiſe 
und Parteihbaß der Wiener. Man lernt Friedrid fennen 
feiner Sanftmuth und in feinem Trotz, in feiner Güte un! 
feiner Unverföhnlichkeit, den Herzog Albrecht mit all den ri! 
den Eigenfhaften, welche Grauſamkeit, Unfitilichkeit, Vergt 
gungsluft und Genußſucht noch in ihrem Gefolge nibrn 
Noch andere Acteurs jener blutigen Tragödie werden band: 
und redend dargeftellt, Darunter das liftige, betrügerifche Ihe 
bes Bürgermeifters Holzer, des Verräthers, welcher, nachdem * 
beiden Parteien abwechfelnd gedient, vom Herzog Albrecht a 
züchtigt wird durch einen fchmerzhaften und ſchmahlichen J. 
Zwiſchendurch erſcheint von Zeit zu Zeit der Tiebensmür! 
Dichter Michel Beheim mit einer Blechlapfel unter dem Era 
worin einzelne befchriebene Papierblätter enthalten find. 
ſchreibt, während er die Begebenheiten erlebt, dieſelben mes 





1207 


ieder, und diefed Werk heißt „Das Bud von den Wienern”. 
Der Berf. erzählt im der Vorrede des zweiten Theils, daß dieſes 
Such wirklich eriftirt und ihm zu dem vorliegenden Roman als 
citfaden gedient habe; es war in Rerſen geſchrieben und von 
teit zu Zeit werden Bruchflüde daraus mitgetheilt. Diefe 
zruchſtuͤcke find indeß mehr geeignet, die Wahrheit der ange: 
ihrten Thatſachen zu beftätigen, als den Lefer zu crbauen, 
enn fie find in veraltetem Deutſch und unvollendeter Versbil⸗ 
ung gefchrieben. Um diefes Buches willen wird der Dichter 
erfolgt und verhöhnt, man will es ihm rauben, man fegt ei- 
m Preis auf fein Leben und fendet eine ſchoͤne Sängerin aus, 
m ihm das theure Manufeript zu entwenden; aber Michel 
heim behält ed und hat darin al feinen Haß gegen bie 
Biener, feine treue Liebe zu Kaifer Friedrich, nebſt den et: 
a6 breiten Darftellungen der Kriegsbegebenheiten in ſchlechten 
erfen ausgeſprochen und der Nachwelt übermadht. 

Wir begegnen in den romantifchen Scenen des Romans einer 
ichen Abwechielung von Frauen. Es treten auf: Holzer's alte 
fpenfterartige Mutter, welche dem Sohn ſtets als Rachegeiſt 
ſcheint; Juliane, die fhöne Gemahlin eines böfen Ritters, 
w fie gegen ihren Willen gebeirathet bat: fie ift ein Muſter 
n Frauen und fteht als ſolche auch hoch in des Autors Gun: 
en, der ihr immer die fchönften Gelegenheiten, ihre Zugend 
ı zeigen, bereitet; Katharina die Blinde, das Weib, deſſen 
er; von den verfchiedenften Leidenfchaften durchwüthet ift und 
n Alter noch die Regungen des Haſſes nicht bekämpfen kann, 
N: fie in der Jugend nicht die Liebe zu überwinden vermochte 
nd diefer erlag; Amilie, die Liebeöheldin, liebend vom An» 
ang bi& zum Ende ihres Auftretens; Johanna, eine unfchul: 
ige Blume, welche weder Haß noch Liebe Eennt, rein wie ein 
ihtftrahl und mit überirdifher Geduld begabt. Ein Flei⸗ 
dertöhterhen und das Kammermaͤdchen Eva find auch han» 
elnde Perſonen. Ebenſo mannichfaltig jind die Männerdha: 
iftere, welche theils als Liebende theild ald Kämpfer in dem 
Iruderfrieg auftreten. Auf diefe Weife erhält nun die Er: 
ihlung unendliche Xebendigkeit und ein ſtets wechfelndes In: 
reſſe. Die drei dicken Theile erfcheinen dem Lefer durchaus 
iht zu lang; mo die Darftelung breit zu werben droht, 
ürzt ein gefunder Humor, ein Eräftiger Wis die Gefpräche 
nd Volksfcenen, und wo man irgend eine Stelle überfchlagen 
ı fönnen meint, findet man, daß diefelbe zum Verſtändniß 
‚gend einer Stimmung oder eines fpätern Ereigniffes nöthig war. 
aß es in jener Zeit der Gewaltthätigfeit nicht an Greuel⸗ 
nen fehlt, Daß der Lefer oft für Perfonen, die feine Theil⸗ 
ahme beſihen, Gefahren ahnt, fie herannahen, eintreten fieht, 
ab ihm ein Herzklopfen abgenöthigt wird und er das Bud) 
iht aus der Hand legen kann, ebe die Bedrobten und Ge: 
ihrdeten gerettet find: Das verfteht fi von felbfts dafür 
Irgt die Zeit und des Autors Talent. Ref. hofft noch andere 
tadifhe Sefchichtöperioden auf dieſe Weife von dem Verf. 
arbeitet zu fehen. 


Kunnud und Naja, oder die Grönländer. Eine Erzählung 
von B. &. Ingemann. Aus dem Dänifchen überfegt. 
Oldenburg, Stalling. 1846. Gr. 12. 25 Rgr. 


Der Berf. nennt in jeiner Vorrede die vorliegende Er⸗ 
blung „eine freie Reproduction des Zotulbildes, welches die 
ehrichten von dem Leben und von ber Natur in Grönland 
ihm hervorgerufen, nachdem er fich längere Zeit geiftig hin: 
tgelebt”. Die Erzählung ift theilweis in Offianifcher Manier 
tgetragen ; fie ift eine Art von Gefang und man würde ſich 
ht wundern, von Zeit zu Zeit die Accorde eines Inftru: 
nts anfchlagen zu hören. Der Roman fpielt 1770 — 78, als 
ch das Chriſtenthum mit dem Heidenthum unter den Gin» 
hnern Grönlands flritt. Die Sitten der Einwohner find 
& rauh und wild, nur langfam vermag das Licht der Liebe 
urzel zu faſſen. Kunnud liebt Raja, Kemeck ift Raja's 
⁊wandter und bat Kunnuck's Vater erfchlagen. Kunnud wird 
I Baterrächer bezeichnet, feine Familie und befonders feine 


—— —— —— — — ————— —. ee — — — 


Mutter fodern ihn beftändig zur Rache auf; doch in ihm regt 
fih neben dem Haß des gebränkten Sohnes auch die Sehnſucht 
nah dem Chriſtenthum. Die Lehre, daß man feinem Feind 
vergeben folle, will indeß nicht Eingang finden in fein Ders, 
weiches lange ringt. Endlich fiegt die Lehre der Liebe gegen 
das anerzogene, angeerbte Vorurtheil; er thut dem Feinde for 
ar wohl, indem er ben lebendig Begrabenen befreit. Aulegt 
eirathet er feine Raja, weiche als Inbegriff alles Lieblihen 
geihildert wird. Es fehlt nicht an prächtigen Nebencharak⸗ 
teren; der Miſſſonnair nebft Deſſen Gattin, der Schiffscapitain, 
auch Schwertfiſch genannt, der zuweilen trunfene Matroje Knud 
und Arnafaf, die chriftliche Xehrerin, fie find Alle mehr ffig« 
zirt al6 ausgemalt, dem Anfchein nach immer nur auß alten 
Cyroniken entiehnt. Die Gröntänder find ein glüdliches Vol, 
bei ihnen Spricht fi die Volksſtimme in Gefangen aus, das 
tadelnde Lied ift eine hinlaͤngliche bürgerlihe Strafe für man» 
he6 Vergehen. Die Nationalgebräude der Grönländer bes 
weifen, mie poetifch das Volk iſt; alle ihre Lebensäußerungen 
fprechen fich in Bildern und Gefängen mit dem ftärfften Ge: 
fühl für Freude und Schmerz, mit eigenthümlicher Phantafie 
aus. Solcher Gefänge finden ſich mehre in der Erzählung ein - 
gefreut. Wo Poeſie das Volksleben ift, findet fih auch ein 
höheres Ideenleben. Diefem Ideenleben fehlt nun auch das res 
ligiöfe Element nicht; ihre Mothen befeelen die ganze Ratur, 
der menfcliche Geift vertieft fi in geheimnißvolle Regionen 
und fieht den Grund der Welt in einem mädtigen lebenden 
Geift, nahden der Slaube an Unfterblichbeit der Seele dem 
Volke eigen war. Ihre Sagen und Mythen find nicht bedeu- 
tungslofe Fabeln. Daß diefes Polarvolk in feinen früheſten 
Phantafiefpeculationen über den Grund des Dafeins ebenfo 
weit wie die gebildeten Griehen und auf feine Art zu dem 
felben Refultate wie die Raturphilofophen im Anfange des 19. 
Jahrhunderts gelangt ift, ſucht der Verf. in der Nachſchrift 
zu beweijen, worin er aud einen Abriß des grönländijchen 
Heidenthums gibt und das Intereſſe der Meinen Erzählung da- 
durch noch mehr erhöht. 


3. Novellen von Steen Steenfen Bliher. Aus dem 
Dänifhen übertragen von 9. Zeife. Zwei Zheile. Al: 
tenburg, Pierer. 1816. 8. 2 Zhlr. 


Der dänifche Autor gehört zwar nicht unter die in Dar 
nemark am meiiten gefeierten, für claffifh erklaͤrten Dichter, 
doch ift er im Volke fehr beliebt; er bat fih mehr dem Ber: 
brauch und Gebraud feines reichen Talents bingegeben und 
den Beruf und die Anleitung, daffelbe durch ein tieferes Stu⸗ 
dium zu bilden, entbehrt. Deflenungeachtet find Die vorliegen» 
den Rovellen voll Friſche und Leben, fie find einfach und na⸗ 
türlih erzählt, größtentheils auf vaterländijchen Boden fpie« 
lend und mit vaterländifchen Charakterbildern gefhmüdt. Aus 
der der Movelle vorausgeſchickten Biographie des Autors er: 
fahren wir, daB er während einer Reihe von Jahren ſich 
ebenfo viel oder noch mehr mit Landöfonomie als mit Wiffen- 
ſchaft, Kunit und Poefie beichäftigt hat! Er bat nicht allein 
in Zeitſchriften und Zagesblättern Artikel über den Staats: 
haushalt und undere ähnlihe Begenftände abdruden laſſen, 
fondern auch im Auftrag der föniglicy dänifchen Landhaus⸗ 
haltungs-Geſellſchaft ökenomifche Beſchreibungen über einige 
dänifche Amter verfaßt. Sein Stil ift einfach und feine 
Poeſie niftet gern an der friedlihen Hütte; feine Schilde: 
rungen von Liebespaaren find immer hoͤchſt anzichend; das 
Glück der Bereinigung zweier Herzen ſcheint dem from» 
men Dichter als Höchftes zu gelten. „Der taube Dann 
und die blinde Frau“ bilden gleih im Anfang des erften 
Theils eine folche Lichlingsgruppe. Die Novelle „Ah wie 
verändert!‘ ift voll Humor und voller Schwänfe, voll treuer 
Schilderungen des jütländifchen Xebens. Ein warmes patrio- 
tifhes Gefühl, eine treue jugendliche Liebe zum Vaterland, 
fowol für die Ratur als für die hiftorifhen Verhältniſſe und 
eine ehrenwerthe liebenswürdige Pietät für individuelle Größe 





a a — — — — — —— — —— — — — — — 


und Verdienſte gehoͤren su ben Grundzügen von Blicher's poe⸗ 
tiſchem Charakter. Wo er ironiſch und ſatiriſch fen will, 
ſheint 06 beftändig,, als ob no eine gewiffe melancholiſche 
Laune ihn in diefen Yon babe verfallen Taffen, nicht der echte 
Erguß des Genied. Blicher's ernfte, etwas melandolifche 
Mufe wird vorzüglid von feinem individuellen Gefühl ber 
herrſcht und erhält erft von dieſem Webeutung und felbftändt- 
gen Charakter. Er ift eigenthümlich und cenfiftent genug, 
wenn dieſes Gefühl in feiner engen elegiſchen, idylliſch⸗ nafio> 
nalen und patriotiſchen Sphäre weilt, aber ed mangelt ihm 
bei fihtbarem Übergewicht der Poefte auf der fabjectiven Seite 
an fchaffender und erhebender Kraft der Phantafie. Deſſenun⸗ 
geachtet müffen feine Novellen anziehen und feflen, es it Alles 
fo wahr darin, die Raturſchilderungen wie die Gefühle, nir⸗ 
gend etwas Geſuchtes. Bon großem Werth ift die Erzählung 
„Der Bfarrer zu Veilbye“, eine Griminalgefhichte.e rich 
Storenfen, der Hardesvoigt, fchreibt ein JTagebuch. Er ver: 
lobt ſich mit der Pforrerstochter und fieht einem glüdlichen Fa: 


milienleben entgegen. Martin Bruus bat von der Pfarrers. 


tochter einen Korb bekommen und vor dem Dardespoigt einen 


Proceß verloren; er ſchwoͤrt Rache. Der Pfarrer ift ein be 


tiger Mann. Niels Braus, ber Bruder des zürnenden Keindes, 
ift ihm ein jtörrifcher Knecht; in der Heftigkeit ſchlaͤgt der 
Hfarrer ihn mit dem Grabſcheit und der Geſchlagene flieht 
dem Walde zu. Bald darauf wird der Pfarrer des Mordes 
angeklagt, man hat ihn in der Nacht im Garten graben ge 
fehen, auch findet man an der bezeichneten Stelle Niels' Leiche: 
und Zeugen fagen aus, daß der Pfarrer im grünen Schlafrod 
aus dem Walde mit einem Sad auf der Schulter fam. Da 
der Pfarrer fomnambut ift, glaubt er wirklich, daß Niels im 
Walde an feiner Wunde geftorben fei und er im Schlafe ihn 
begraben Habe; er erfennt das Zufammentreffen der Umftände 
als eine Strafe für feine Heftigfeit an und will fid dem To⸗ 
Desurtheil nicht Durch die Flucht entziehen: trogdem fliehen 
feine Kinder. Er ſtirbt durch Henkers Hand. Dem Richter 
ift natürlich die Braut verloren. Nach zwanzig Jahren kommt 
Niels Bruus als Bettler zurüd und es ergibt fi, daß der 
Pfarrer durch ein Bubenftüd feines Feindes ins Unglüd ge: 
bradt und unfchuldig verurtheilt war. So kam aud der 
Richter um fein Lebensglüd und ftarb am Schlag vor Schred 
über die Entdedung, daß er feinen unfchuldigen Schwieger:. 
vater zum Zode verurtheilt hatte. Die Novelle „Das Tage: 
buch eines Dorfküſters“ iſt in bderfelben Art und Weile ger 
ſchrieben wie die vorbergenannte; es herrſcht ein gewifler treu: 
berziger Zon, welcher mit wenig Worten recht Biel fagt und 
in dem Pindlichen, harmloſen Menfchen, dem dieſes Tagebuch 
untergelegt wird, ein tiefed Gefühl ahnden laßt. Das eigent- 
liche Jalent bes dänifchen Schriftſtellers beruht aber in ber 
Schilderung feines Vaterlandes; die jütländifhen Steppen und 
die jütländifchen Sitten gelingen feiner Feder am beften und 
ftempeln ihn zu einem der Lieblingsdichter feines Daten: 
landes. 





Literariſche Notiz aus Frankreich. 


Alterthumskunde. 

In Deutſchland hat der redliche Schriftſteller, ſelbſt der hochbe⸗ 
gabteſte, meiſtens keinen andern Maͤcenas als ſeinen Verleger, 
wenn er fo glüuͤcklich iſt einen zu finden, welches, wenn er 
nicht dem bei uns heutzutage fo fehr vorberrfchenden Materia⸗ 
lismus, Induftrialismus und Mercantilismus unbedingt zu 
buldigen vermag, oft ſchwer genug zu halten pflegt. In an- 
dern Rändern, jelbft in England und Frankreich, ıft dies jegt 
auch mehr oder weniger der Fall. Die Schriftitellerei, die das 
Palladium der Vernunft, der Wiffenfchaft und der Freiheit fein 
foßkte, wird nicht felten zu gemeiner Fabrikarbeit herabgewür⸗ 
digt, die der fpeculative Fabrikherr beftellt und, je nachdem er 


feinen geßörigen Profit von bderfelben mit einiger Gicherhei 
vorausfieht, fo oder fo bonorirt. In England und Ftanhtih 
werden aber auch viele große und koſtſpielige, der Ratim Ihn 
machende Werke häufig von der Regierung honorirt und auf im 
Koften großartig gedruckt. Überdies genießen jene Länder de 
Preßfreiheit, während in Deutſchland noch bie Bevormunum 
des Gedankens durch die Eenfur beſteht. So erſcheint in Yard 
feit dem Anfang des Jahres 1845 die „Voyage en Perse" W 
Malers Flandin und des Baukünftiers Eofte, welde in den J 
1840 42 der franzgöfifcgen Geſandtſchaft in Perfien attahrt 
waren, herausgegeben unter den Auſpicien des Binifterum 
des Innern und unter Leitung einer aus den Herren Dura, 
Lebas und Lerlerc, Mitgliedern des Inflituts, zuſammengeſch 
ten Eommiffion, und dem König gewidinet. Das Werk iR ba 
dem Buchhändler Gide prachtvoll gedruckt worden und enihB 
eine fehr intereffante Sammlung von Denkmälern der altye 
fifchen Baukunſt, Basreliefs und Inferiptionen mit Keilferz 
und in der Pehlewiſprache, topographiiche Plane und pitterekt 
Ausfihten. Diefes Reiſewerk wird die Denkmäler von Ad 
Bofton, Bifutun, Kingavor, Efbatana, Ispahan, Sarbiikr, 
Fefla, Darabgerd, Firuzabad, Schapur, Schiraz, Cheil: Ci 
Iſtakar, Perfepolis, Rake »i: Ruftan, Paffargade, Beine, 
Serpeel, Kteſiphon, Babylon und Rinive umfaflen. Zr 
Baukunft, die Inferiptionen und Die Plane werden zwei, ad 
ungefähr 250 Kupferftiden und einem erBlärenden Terte beſe 
hende Foliobände bilden. Ein anderer Band in Folio wirt | 
Kupferftihe von malerifhen An» und Wusfichten enthitn 
Der Text diefer leptern Abtheilung wird zwei Bände in Eir 
ausmachen und eine umſtaͤndliche Erzählung der Reiſe wi 
der Erforfhungen der beiden Künftler, fowie Betrachtux 
über die Sitten, die Religion und die Gefchichte der perũſte 
Nation enthalten. di. 





Literarifhe Anzeige. 
In allen Buchhandlungen ift zu erhalten: 


Sittorifches Tafchenbuh 


Herausgegeben 


v 
Friedrich von Baumer. 


Neue Folge. Nchter Zabrgans 
Gr. 12. Cart. 2 Thlr. 15 Near. 


anpalt: I. Benvenuto Cellini's legte Lebensjahre. Be Ü. 
enmont. — II. Wilhelm von Grumbach und fern Pink 
Bon J. Voigt. (Schluß des im vorigen Jahrgange abgebecdt: 
nen Auffaped.) — III. Der Hofrath Beireiß in Hekmpitt ı8 
das Univerfitätäwefen feiner Zeit. Gin Bortrag, gebaltea 1 
der Berfammlung des ssifenigoftüigen Vereins zu Bern # 
29. März 1345 von B. Kichtenftein. — IV. Zur Geh 
der ftändifchen Verhältniffe in Preußen. (Befonders nad X 
Zandtagsarten.) Bon Mar Töppen. — V. Über die öfex: 
Meinung in Deutfhland von ben Freiheitskriegen bis zu X 
Karlsbader Belchlüffen. Bon K. Hagen. Zweite Abthealuri 
Die Jahre 1815 — 19. 


Die erfte Folge des Hifkorifchen Taſchenbuchs (10 Zaprg., IN 
DO) — —— — Preiſe 10 .; ber ad 
bis fünfte Jahrg. zufammengenommen 5 Xhlr., der ſechttt # 
zehnte Jahrg. 5 Ihlr.; einzelne Jahrgänge I Ahle. IU Rgr. T' 
Zahrgänge der Neuen Folge Eoften 2 Thir. bis 3 Thlr. 19 Aut 


Eeipzig, im October 1846. 
F. A. Brockhaus. 


Verantwortlicher Heraußgeber: Heinrich Wrodtans. — Druck und Verlag von F. X. Brockbaus in Peipgig. 


Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Breitag, 





Ernſt Morig Arndt. 


(Bortfegung aus Nr. 2302.) 


So haben wir drei Stände in deutfchen Landen. In 
dem Bürger und Bauer liegt ein natürlicher Gegenfag, 
welcher Kämpfe bervorbringen mird ; ohne lebendigen 
Kampf ift feine Freiheit. Die ruhenden und die bemeg- 
lihen, die fittlichen und die wilben, die leiblichen und die 
geiftigen Kräfte der Welt find in diefen beiden Umftän- 
ven der Gefellfhaft einander fo gegenübergeftellt, daß 
eö an lebendigem Wettftreit, d. h. an rechtem politifchen 
Leben nicht fehlen wird. Neben diefen beiden Ständen 
cht der Adel, der die Stelle eines Vermittlers zwifchen 
m Volke und den Fürften und zwiſchen biefen und 
yem Dberhaupte des Reichs übernehmen, ein Friegerifcher 
Bährungsftoff der Ehre fein und die Kräfte aufbraufen 


ind zumeilen über die Höhe bes Gemeinen und Gemwöhn- . 


ihen cmiporfteigen laffen fol. Diefe drei Stände ha- 
en in allen Gefchäften und Bedürfniffen des Landes 
ne rathfchlagendbe und mitregierende Macht; die ausfüh- 
ende Gewalt fteht bei den Fürften in den Grenzen, wel- 
he durch die allgemeinen Gefege Deutfchlands beflimmt 
ind. Der Kürft wird als eine heilige, unverlegliche und 
unihuldige Perſon angefehen, die nicht fündigen kann; 
eine Räthe aber und Minifter find verantwortlich. 

Andere Stände oder Theile des Volkes als der ge- 
annten follen nicht vertreten fein; wo noch Prälaten 
nt Standesrechten find, möge man fie beibehalten; aber 
re Wirkung auf das Ganze werde gering fein, und die 
beiftlichen, die Prieſter als ſolche follen in Zukunft 
icht unmittelbar auf das pofitifche Xeben einwirken. Ihr 
deich ſoll und wird nicht mehr von diefer Melt fein; 
a6 unvergängliche Chriſtenthum wird ſich, glaubt Arndt, 
me ätherifchere Geftalt umkleiden als bisher, und fo bie 
inftigen Gefchlechter leiten und beglüden. Die Kirche 
ird und foll nicht mehr das irdifche Policeiregiment 
walten, fondern mit fillerer Sprache, ernflerer Ver⸗ 
ahnung, feurigerer Gefinnung und unfichtbarerer Wir- 
ing mehr und mehr alle leiblichen und groben Stoffe 
s Staats durchdringen und feine irdifche Schwere be- 
ügeln. Die Ausfchliefung der Kirche, der Gelehrten 
n der eigenen Standfchaft begründet Arndt fo: 


Der Staat fol vorzüglih auf feinen Leib und auf das 
Schlfein und die richtige Iufammenfegung und Bufammenbhal: 


tung feiner leiblichen Beftandtheile achten, damit fein Geift ge 
fand fei. Der Staat ift urfprünglidh ein febr leibliches Ding, 
aus ſehr leiblichen Bedürfniffen, Leidenfchaften und Verhält⸗ 
niſſen entftanden; er muß es zum Glück der Renſchheit immer 
bleiben. Gr muß wenigſtens drei Viertel Erde ala Ballaſt 
enthalten... Im gebildeten Zuftande der Seieüjcert ift der 
Menſch die Erde und find alle irdifchen und leiblichen Binge 
und Verhältniſſe auf das vielfachſte ſchon mit Geift erfüllt un 

durhdrungen; man bedarf ulfo, damit fie hier unten richtig 
beſtehen, nicht fowol Geiſt zugufchütten, als vielmehr Geift weg⸗ 
zunehmen. Will man den Staat aufs ficherfte aufreiben und 
jerrütten, fo bat man in foldher Zeit der Bildung nur alle 
geiftigen Elemente des Lebens mit zu unmittelbaren Elementen 
der Staatöverfaffung zu machen! Man verliert auf diefe Weife 
die erften umd legten einfachen Begriffe und Verhältniſſe der 
politifchen Geſellſchaft und ſchafft aus lauter Streben nad) rei» 
ner Bernunft die reine Unvernunft. Wirft man mir ein, mein 
Staat fei ein rohes und gemeines Ding, fo fümmert mid Das 
nicht; ich wil nicht edler fein und nichts Edleres und Feineres 
machen als bie ſchwere und grobe Erde und was wir von 
ihren ſchweren und groben Stoffen in uns tragen ed erlaubt. 
Ih weiß, daß des Menfchen Leben und alles Leben überhaupt 
nur im Geift und in der Bewegung des Geifted beftcht, daß 
alles Edle und Hohe nur nach dem Geifte ermeffen wird; aber 
ich weiß auch, daß der Geift, wenn man der Erde die wohl: 
thätige Schwere nimmt, wie ein leichter Flatterer die Erde ver 
läßt und zulegt von Stürmen in Wolken und Lüfte fortgetra⸗ 
gen wird und immer miederfommt. Die naturhiſtoriſch gefun⸗ 
dene Idee des Staats: Leiblihe Sicherheit und leibli— 
her Befig, muß bis in dem legten und feinften Zuftande der 
Geſellſchaft Feftgehalten werden. Der Geift braucht im Staate 
nicht Doppelt und dreifach dargeftellt und vertreten zu fein; er 
wird es fchon Hinlänglich durch die Kräfte, die in Bersegung 
find, und durch die Menfchen, welche ihn tragen und darftellen. 
Kampf um Recht und Befig beißt der Begriff meines 
Staats; auch in den am vollfommenften eingerichteten Staa⸗ 
ten wird nur nad der Gerechtigkeit geftrebt und um Daß 
Recht geftritten. Das Bild der Erde iſt Wechfel und Kampf 
der Kräfte, daher Arbeit und Unruhe; der himmliſche Friede 
glänzt nur als ein weit zurücgetretenes Bild in dem inner⸗ 
ften Heiligthum der reinften Gemüther; Außerli) kann er ſel⸗ 
ten erjcheinen. 


Dies find, faſt durchaus mit Arndt's eigenen Worten, 
die Grundzüge feiner deutfchen Politik, wobei fehr Bie- 
(ed nur leife und ſchwach angedeutet werden konnte, fehr 
viele wichtige Punkte ganz übergangen merden mußten. 
Jeder weiß, wie von dem Bilde des politifchen Deutſch⸗ 
lande, das ſich in feiner begeifterten Seele geflattete, 
theild nur ein blafſer Schatten, theits eine läche liche 
Garicatur ind Dafein — Leben kann 'man zum Theil 








1210: 


gar nicht fagen — getreten iſt; wie Das, was ausge 
führt werden follte, misrieth, entſtellt, verfümmert, aus- 
gebeint wurde, und manchem Wunfche, mancher Fode⸗ 
rung gerade das Entgegengefegte als angebliche Gewäh- 
zung zu Theil wurde. Gegenüber Dem, was wirt- 
lich gefchaffen und geordnet wurde, mag Arndt mit 
feinen Foderungen und Hoffnungen ein Zräumer und 
Scwärmer heißen ; aber gegenüber der Stimmung 
und Gefinnung, die fi heutzutage vielfach ausfpricht, 
dem Freiheitsftreben, das nur in der völligen Unge— 
bundenheit feine Befriedigung fände, einer Gleihma- 
cherei, welche bewußt oder unbewußt zum Communis⸗ 
mus fi) hinneigt, einem Kosmopolitismus, der die Un- 
terfchiede der Nationen auslöfht, und einer fich ſelbſt 
vergötternden Philofophie, welche den Himmel fprengt 
und alle Religion für Aberglauben und Geiftesfaulheit 
erklaͤr — muß Arndt freilich ald ein Mann von uns» 
endlich vielen Vorurtheilen erfcheinen. Adel, Majorate 
auch bei den Bauern, Zünfte und Innungen: melde 
Argerniffe für einen Gleihmader von echtem Galiber! 


(Der Beſchluß folgt.) 





Zur Zagesliteratur. 


Für Bildung von abgefonderten deutfchen Evangeliichen 
möchte folgende Schrift von Bedeutung fein, wenn deren Ur: 
theile Handlung werden dürften: 


1. Zür die Zukunft der evangelifchen Kirche Deutjchlande. 
Ein Wort an ihre Schirmberren und ihre Zreunde von 
©. Ullmann. Zweiter unveränderter Abdrud. Stutt: 
gart, Eotta. 1846. Gr. 8. 12 Nor. 

Der ewige objective Grund der Kirche fei Jeſus Chriftus; 
fubjectiv fei er der lebendige, in Liebe thätige Glaube an ihn. 
Es fei jedoch Nichts weniger ald gleichgültig, welche Geſtalt und 
Verfaſſung, welche Formen für die Bethätigung ihres religiö: 
fen und fittlichen Lebens die kirchliche Gemeinfchaft habe; der 
Slaube bilde zwar die Kirche, aber diefe pflege und belebe 
auch jenen; eine neue Bildung kirchlicher Formen Fönne frei: 
lich nicht mit Einem Schlage den wahren Geift bringen ; aber 
wolle man warten, bis der wahre Geift in der Kirche allge- 
mein wäre, fo hieße Das nicht nur alle Berbefferung bis ans 
Ende der Tage aufichieben, jondern auch den erziehenden, heran: 
bildenden Beruf der Kirche verfennen, die eben deshalb folcher 
Formen bedürfe, welche über das geiftige Maß eined Theile 
ihrer Mitglieder binausgingen, weil dieſe dadurch zu einem 
höbern Leben erſt emporgehoben werden follen. Es müßten alfo 
die von dem gefchichtlihen Bewußtſein der Kirche durchdrun⸗ 
genen Geifter aus dem Weſen derfelben in ihrer Stellung zur 
Gegenwart und Zukunft diejenigen Formen finden und bilden 
K en, in denen fih das Leben der Kirche in feiner weitern 

ort » und Heranbildung auf die gedeihlichfte Weife bewegen könne. 

Man müffe fih nicht auf die inne der Partei, fondern in das 

Herz der Kirche felbft ftellen, um das Zerftreute, das ſich Flie⸗ 

hende und Abftoßende an dieſes Herz zu fammeln und fo im 

beften Sinne kirchlich erhaltend, confervativ, zu fein. In Die: 

fem Sinne find nun die VBorfchläge des Verf., um die innere 

Kraft, Selbftändigkfeit und Würde der deutfch : evangelijchen 

Kirche zu erhöhen, folgende: erftend Begründung einer ſolchen 

Ordnung innerhalb einer jeden einzelnen Landeskirche, vermöge 

deren es ihr möglich wird, alle in ihr vorhandenen Kräfte ın 

gefepmäßiger Freiheit zu bethätigen und zu ihrem Beſten 
zu verwenden, bei der Entfcheidung der durchgreifenden Fra: 
gen, die fie betreffen, felbft mitzuwirken und an der Zeftitel: 
lung ihrer innere Einrichtung thätigen Antheil zu haben; 


zweitens Herftellung einer foldyen geregelten Verbindung, dırh 
welche fie untereinander in fördernde Wechſelwirkung trete, 
in freier Verftändigung und ohne daß die Selbftändigkeit un 
Autonomie der einzelnen litte, eine annähernde Gleichfornig 
keit in ihren Einrichtungen bewirken, ihre Zufammengehiri;: 
feit und Gemeinfhaft ausdrüden und ihren Bekennern du 
Bewußtſein verfihaffen können, daß fie Durch ihre Witze» 
Schaft in der Landeskirche zugleih auch Mitglieder der einn 
deutfch »evangelifchen Kirche find. Das Mittel deb letztern Sir: 
ſchlags foll Sendung von Abgeordneten von den Fürften, au 
Inhabern des Kirhenregiments, fein, die zwar nur ger 
rechtliche, aber um fo größere moralifche Kraft haben wirt. 
Aber Abgeordnete der Fürften, wahrend durch Selbflbiltun 
die einzelnen Kirchen feibft da fein folen? Der Kürft it = 
der der Staat noch die Kirche. Der Berf. hat die geek 
That ded gegenwärtigen Konigd von Preußen, die bereits in 
der Geſchichte ift, Lobpreifend hervorgehoben, und jell fie nr 
zur preußifchen und nicht zur deutihen Gefchichte gehören! 
Dann aber ift für das Chriſtenthum eine deutjche Kirche chenk 
wenig von Bedeutung wie eine englifche oder gallicaniſche. & 
ift befannt, daß die proteftantifche Kirche die wahre katheliſche 
fein will. Die Volfsgenoffen, Lie gebundenen Perſenen m 
Gegenwart, auf geſchichtlichem Boden, follen durd das Chr: 
ſtenthum zu Menfchen, zu freien Perfonen der Zufunft, ms 
der Hoͤhe der göttlichen Wirklichkeit gezogen werden; jent Ib 
len, von den Eigenfhaften eines zeitlihen Seins befreit, de 
Eigenfhaften eines ewigen erhalten, was aber nur ı8 
Glaube und Liebe, nicht aus der Geburt in der delt 
evangelifhen Kirche entſtammt. Das Wefen der Kirk 
ft au nicht Die bejondere Gemeinſchaft; es ift emesthi: 
Lehren und Helfen, anderntheil® Beten und Lieben; überb::: 
Ihun des Heiligen Geiftes. Ein Jeder fchafft die Kirde. = 
Glauben für fih und Liebe für die Gefelfchaft hat, unt!: 
nach thut, geiftlich oder weltlih. Was follen alſo repralet 
tive Beranftaltungen? Das geiftlidhe Prieſterthum und X; 
ment, geiftlih zu Ichren und zu belfen, muß ewig bi !s 
Geiftlihen ald ewig demfelben Chriſtus bleiben; das weis 
Priefterthum des Heiligen Geiftes, die Liebe, muß Jeder iX 
bethätigen, ebenfo wie er der Regierung feines Gemüths = 
das geiftlihe Thun des Heiligen Geiſtes fich nicht center 
kann. Die Regierung des Gemüths iſt chriftliche Idee. % 
gibt es eine regierende Kirche, d. h. em regierendes Thun de 
Heiligen Geiftes, welche, wenn fie Kraft von den Fürjkn, 
gleich jedem Andern der kirchlichen Regierung folgen mit“ 
fi) erbetteln wollte, den ewigen Grund verlaflen wuͤrde, Et 
ftum den Herrn, und fomit ſich felbft. Für kirchliches Leben taus® 
alfo weder Abgefandte der Gemeinden noch der Fürften. Ri 
Morte, jondern Thaten find die Hände, welche die Kirde ME 
In der Schrift 
2. Die gegenwärtige Lage der Kirche, binfichtlich des Bekrat 
niſſes, der Verfaſſung und der Vorbereitung der Can“ 
ten auf das Amt. Bon F. Mündhmeyer, C. A. Perii 
und D. Münchmeyer. Hanover, Hahn. 1846. ©“ 
6 Nor. 
kommt der Superintendent Münchmeyer zu dem Refultate. :-' 
die lutherifche Kirche Bein Organ habe, um fich über die Er 
bole auszuſprechen; es fei alfo vorläufig beim Beftehenten fe 
zubalten. Der Paftor Petri findet die fpnodale und preitwt 
riale Berfaffungsform weder für wefentlich nothwentig ars 
auch gerade für ein gegenmwärtiges, dDringendes Bedürfnis; de 
die einzige fubjective Heildbedingung fei der Glaube; die Kt* 
verheife zu ihm durch das Minifterium, und deſſen Sad: ! 
lediglih, das Evangelium zu lehren und die Sacramentt ı 
reihen. Der Gandidat Münchmeyer endlich hält das Wi 
Iehreramt für das befte Bildungsmittel für das geiſtliche Ke 
nifterium. 
Aus Nordamerika ift folgende Stimme über die Kirdt :- 
uns gelommen: 


1211 


3. Die Kirche. Eine Yredigt, gehalten zu Philadelphia 1841 
von William E. Channing. Mus dem Englifihen. 
Rebſt einem Anhange über Channing's Leben und Wirken. 
Berlin, Schulge. 1546. Gr. 3. 5 Nor. 

Keine befondere Ordnung der Kirche fei mefentlich für 
das Heil; Reinheit des Herzens und Lebens, Ehrifti Geift der 
kiebe zu Gott und den Menſchen, Das fei Alles in Allem, Das 
fei das einzig Wefentliche ; jede Kirche, welche dazu verheife, 
welche den Himmel auffchließe, fei eine gutes es gebe eine 
zeale geiftliche Union, eine große allumfaffende Kirche. Die Ya: 
milie der NReinen, die Zugend fei das Band der allgemeinen 
Kirche; die Vereinigung der tugendhaften Freunde Gottes und 
der Menfchen fei das Weſen der wahren Kirche; die Verbin: 
dung mit einer befondern Kirchengemeinſchaft zur öffentlichen 
Sottesverehrung fei nicht das hoͤchſte Gnadenmittel; die Privat: 
unterſtützungsmittel zur Frömmigkeit feien die wirkſamſten; das 
große Wert der Religion ſolle vouführt werden nicht in Ge: 
ſellſchaft, ſondern im Geheimen, in der in fi zurüdgezogenen 
Seele; das Haus der öffentlichen Gottesverehrung fei fein auß- 
ſchließlich Heiliger Ort; der beiligite fei der, wo der Geift feine 
reiniten Gelübde ausſtroͤmt und feine edelften Entfchließungen 
fßt, wo Gott in ihm wohne; innerlihe Heiligkeit fei das 
Weſentliche in der Religion; alles Übrige, Pfarrer, Kirche, 
Gottesdienſt, Gotteshäufer, feien nur Mittel, Hülfen, fecun: 
daire Einflüffe und völlig wertblos, wenn fie von jener ge 
trennt freien; die größte aller Harefien fei, irgend Etwas, fei ed 
Slaubensbefenntniß oder Korm oder Kirche, an die Stelle des 
göttlichen Geiſtes zu fegen, und es fei eins der größten Ver: 
brechen gegen Chriſtus, feinen Charakter, feine Zugend in ei» 
nem feiner Jünger zu verachten, der zufällig einen von dem 
unferigen verfchiedenen Ramen trage. Solche Anfichten füb: 
ten dahin, das kirchliche Amt für cine bloße Mafchine zu bul: 
ten und den chriftlichen Prediger dem jüdifchen oder moham⸗ 
medanifchen gleichzufegen; dann aber brauchten wir eines 
Evangeliums und die Gefchichte wäre eine Lüge; anderntheils 
führen fie aber auch dahin, daß man erſtens die Innerlichkeit 
forcire, zum Pietismus fomme. 


4. Der Pietismus geſchichtlich und kirchlich beleuchtet mit Be⸗ 
antwortung der Frage: wie demfelben auf die geeignete 
Weife zu begegnen feit Don 2. Hüffell. Heidelberg, 
Groos. 1846. Gr. 8. 20 Nor. 

Auch Spener trachtete nach Privatunterftügungsmitteln 
der Krömmigfeit und richtete daher in feinem Haufe die Col- 
legia pietatis ein, in denen die Idee vom Prieftertbume aller 
Chriften umging, die im Evangelium nicht begründet iſt. Der 
Zadel gegen jene Collegia war fehr gerecht; denn kirchliche 
Handlungen jind öffentlihe Handlungen der Gefchichte des 
Geiſtes, und zu jenen gehört auch das Gebet; nur die Ge: 
Ihichte bewegt den Menfchen, aus der Gegenwart feines Wil: 
lens wie aus einem Haufe auf die Straße der Zufunft zu tre⸗ 
tn. Der Verf. erflärt nun den Pietißmus in der evangeli- 
hen Kirche im Wllgemeinen als eine abnormale und Frank: 
hafte Erfiheinung an der chriftlichen Frömmigkeit, die ſich aber 
im Bejondern je nach Zeit und Umftänden, vorzugsweife aber 
nach den Perfönlichkeiten in verfchiedenen Erfcheinungen Fund 
gibt: bald nämlich in einfeitigen überfpannten und ercentrifchen 
Anfihten und Meinungen mit Verleugnung alles Wiffenichaft: 
lihen, bald in Aufgeregten und ſchwaͤrmeriſchen Gefühlen ohne 
Allen Antheil des Verſtandes, bald in einem offenbaren Über: 
maß von Frömmigkeit ohne feſten Anhaltpunft, bald endlich 
in einem ſektireriſchen Zreiben ohne Maß und Biel, ein Trei⸗ 
ben, welches in vielen Fallen zum Separatismus hinneigt; die 
Kirche allein und die kirchliche Frömmigkeit iſt Die dem Pie: 
tismus gewachfene Gegnerin. Zu dem Ende wird vom Verf. 
nit mit Unrecht eine entfprechende Deranbildung der Geift: 
lichen verlangt und eine Wirkung durch Bifchöfe der Kirche. 


Die eben dargelegten Anſichten führen aber auch zweitens 
zu einer Forcirung der Selbftändigfeit, zum Atheismus. 


— — — — — — — — — — — — ——— 


G ————— — — — — — — — ——— ———— — —— — ——— — — 


5. Die Religion der Zukunft. Von Friedrich Feuerbach. 
Für Lehrer aus dem Volke bearbeitet von WB. Marr. 
Bern, Ienni. 1846. 12. 2, Ror. 

Wir willen, daß W. Marr offen den Atheismus in der 
Schweiz zu verbreiten beftrebt gewefen if. Man müffe mit 
ber Religion brechen, wenn man ein freier und gleicher Menſch 
fein wolle; ber Menfch müfle fih als Gattungswefen fühlen; 
Menfchen könnten nur durd Menſchen glüdlich werben; fein 
Heil außer den Menſchen; Menfhen müßten auf der Erde eine 
Wahrheit werden; Erziehung und der Staat feien die wahren 
Debingungen menfchliger Glückſeligkeit; die Aufgabe der Zeit 
fei: den Ehriften zum Menfchen und den Menfchen zum Bür: 
ger zu machen. Dahin gelangt man, wenn man nidt die 
Kirche als ein Moment und eine Thatſache der Geſchichte an⸗ 
erfennt und die mwefentlihe Wirkung jener Urſache nicht in Er» 
böhung des Geiſtes der Gegenwart, d. h. des Einzelnen auf 
Erden, zum Geifte der Zußunft fegt, duch den Glauben an 
deſſen, alfo eines Jeden an feine Wirklichkeit. Auch das Chri⸗ 
ſtenthum will die Wirklichkeit des Menfchen, aber nicht bier, 
fondern in ber Zufunft der Auferftehung, im Reiche Gottes. 
Die Wirklichkeit hier, im Staate, fuchen, heißt das Gluͤck der 
Gattung in der finnlichen Verbindung der Feiber und Seelen 
fehen. &o macht der Menfh den Menjchen glüdlich; das ift 
das Gluͤck der Atheiften. Man Pönnte an eine Gefahr durch 
den Atheismus denfin; aber es gab ſchon lange vorher eine 
Zeit, als man von den Kanzeln herab nichts Befferes predigen 
zu koͤnnen meinte als über Stallfütterung und Wiefenbau, hoͤch⸗ 
ftend Kant's „Kritik der reinen Vernunft” zu erklären, und doch 
fteht der Geiſt der Zukunft unerfchüttert; denn er ift, und 
Himmel und Erde werden vergehen, nur nicht feine Worte 
und Der, der fie ewig gibt, und der Geift, der jie nimmt, 
auß welchem Geben und Nehmen, wie aus einer Quelle, die 
Kirche als Fluß des Heiligen Geiſtes in der Gefchichte ent: 
fpringt. 

Bunähft für nachdenkende Laien, welde Verftändigung 
ſuchen, find 
6. Geſpraͤche über die vornehmften Glaubensfragen der Zeit 

von A. Tholuck. Erſtes Heft. Halle, Mühlmann. 1846. 
Gr. 8. 24 Rgr. 
gefchrieben; aber nicht für das Herz des deutfchen Bürgers, 
wie der Verf. fagt, d. h. nicht für Alle verftändlih. Es ift 
ein Ringen nad) Berftändfichkeit für fogenannte Laien, welche 
der Verf. aber nicht zu erringen vermag, daher die Schrift 
ungenießbar ift. Sie ift auch nicht nöthig. Entweder aus dem 
lebendigen Worte oder fonft von nirgend ber muß die Er 
kenntniß des Blaubens kommen; alle Bücher find unnüger Kram. 

Es ift jedoch wert bier zu merken, wenn der Berf. fagt: es 

fei eine Thorheit, beim Glauben an Gott erft noch nach einem 

Zwecke des Slaubens zu fragen, als ob er nicht cin Act des 

Geiftes fei, wie der Herzſchlag in der Bruft. 

Steigen wir nun auf das Feld des befondern Streits 
herab, fo begegnen uns 
T. Lieder für die freitende Kirche von J. W. 

gart, 3. F. Steinkopf. 1846, 8 5 NR 

Sie zeigen Geift in der Dichtung und Zalent in der Aus- 
und: es iſt die Glaubensfeſtigkeit, die fie zum Gegenftande 

aben. 


8. Die Stellung des fortgefchrittenen Juden zu der freien evan⸗ 
gelifchen Gemeinde. Bon Rudolf Benfey. Halle, 
Knapp. 1846. Gr. 8. 6 Nor. 

Hier haben wir auch eine Probe von der fercirten Inner: 
lichkeit; man fol den Namen Jude tragen und doch im Inner: 
ften ein Ehrift fein fönnen; d. h. es fei erlaubt bier zu ſagen: 
Waſch mir den Pelz und mad ihn mir nicht naß. Die Aufge- 
Härten aus den drei Confeffionen, Katholiken, Proteftanten und 
Zuden, würden zum Neubau zufammentreten. Warum nicht 
auch aus den Mohammedanern, Kamtſchadalen und dergleichen ? 


Leſchke. Stutt⸗ 
r. 


1212 


Coltten da nit auch Aufgeklaͤrte fein? ber man fieht, die 
Kaye dreht jih um ihren eigenen Schweif. Die UufgeMärten 
find fih überall gleid; Chriften find nur in der chriſtlichen 
Kirche, einem Act der Geſchichte. So ift im Maume nur ein 
Sonnenfyſtem und eine Erde der Rationen: rundum. find aber 
viele Sterne, die alle Licht haben. Auch einen Entwurf eines 
Staubensbetenntniffes hat ter Verf. nicht vergeffen binzuzufür 
nen; in der That, bald werden die Kinder ſolche im Bande 
ſpielend mit einem Steden entwerfen. 


Die Befhränfungen der Deutſch-Katholiken in Baden ha⸗ 
ben erzeugt: | 

9. Die ftaatsrechtlichen Berhältniffe der Deutfch : Katholiken 
mit befonderm Hinblick auf Baden. Bon Friedrid 
4 ecker. weite Auflage. Heidelberg, Groos. 1845. 
2. gr. 

10. Die badifche Geſetzgebung und die Deutfch : Katholiken. 
Tr 3: Küchler. Heidelberg, Groos. 1846. Br. 3. 
75 Kor. 

Der Bet. der erfigenannten Schrift fagt ganz richtig: der 
Menſch kaͤme im Staate nur ald Genoffe des Staats und nicht 
als Belenner einer Religion in Betracht; der Staat dürfe in 
das Gebiet des Reingeiftigen nicht eingreifen; die Religion fei 
eine Privatlache, eine Angelegenheit des Menſchen, nicht des 
Bürgerd; die Kirche fei eine Perfönlicgkeit für ih; es müͤſſe 
dem Staate gleich fein, ob Jemand felig werden wolle oder 
nicht, oder wie er nach feiner Façon meine felig werden zu 
koͤnnen. Diefe Säge find, faft möchten wir fagen fo natürlich 
vernünftig, daß man ſich nicht genug wundern kann, wie fie 
nicht anerkannt werden. Aber leider, das Jus circa sacra, eine 
Anmaßung alter Zeiten, die endlich ein deutfcher König in den 
legten Tagen abgelegt bat, ift ein ſchwerer Stein des Anftoßeb. 
Der Verf. bemüht ſich zu beweifen, daß trogdem, und auch 
nach der fpeciellen badifchen Verfaffungsurfunde, die Deutfch: 
Katholifen immer ein Recht hätten, nad ihrer Art Gott frei, 
d.h. eben öffentlich zu verehren. Wir haben auch gefehen, daß 
von derjenigen Seite, Die jenem &taatörechte mehr Gewicht 
beilegen mödte, am Ende auf eine Duldung zurüdgelommen 
werden muß; aber leider, die Wiſſenſchaft ift der Politik oft- 
mals zu gelehrt. Man muß wirflih abwarten. Die zweitge: 
nannte Schrift ift derjelben Ausführung und enthält noch die 
Actenftüde der vorliegenden Sache felbft. 

Bon Seiten Uhlich's ift erfchienen: _ 

Il. Chriſtenthum und Kirche von Uhl ich. Zweite Auflage. 
Leipzig, D. Kleum. 1846. 12. 4 Rgr. 

12. Über den Amtdeid der Geiftlihen von Uhlich. Dritte 
Auflage. Leipiig, D. Klemm. 1846. 8. 3 Rear. 

13. Die Throne im Himmel und auf Erden und die Prote⸗ 
Rantifchen Freunde. Bon Uhlich. Defiau, Fritſche. 
1845. Gr. 8. TY Near. 

Die erfigenannte Schrift ſagt: es fei Thatſache, daß un- 
zählige wadere Menſchen proteftantifche Ehriften zu fein mein- 
ten, lebten und ftarben ohne den Glauben an die Meinungen 
der proteftantiichen Bekenntnißfchriften, und wenn diefe legtern 
nun das Chriſtenthum wären, fo ſei es doch wunderbar, daß 
Daß auf einmal ganz und gar aus dem Bewußtſein geſchwun⸗ 
den fein folle. Aber das Chriftentyum liege nicht in den Mei: 
nungen ber Kirche; Diele koͤnne heute die ganze Augsburgifche 
Gonteffion aufgeben und höre darum nicht im mindeften auf, 
zu fein maß fie geworden, nämlich die Gemeinjchaft der gegen: 
wärtig lebenden proteftantifchen Ehriften, und Ehrift jei jeder 
Getaufte, der fih nicht von Chrifto Toßgefagt hat. Run in 
der That, das heißt der Außerlichkeit Thor und Thuͤr geöffnet ; 
alfo durdy Geburt und Zaufe pflanzen fih die Chriften fort! 
Warum predigt denn Uhlich? Taufet und Iehret! fagte Chri⸗ 
ſtus. Das Amt erzeugt die Gemeinde, oder Gebet und Riebe 
und bie gelehrte Erkenntniß jenes; es braucht alfo wol eines 
Erkenntniſſet, ciner Theologie, als des realen Bodens für 
geiftliches Kehren und Helfen, für die Megierung der Gemein- 


den, welche freilich feine Theologie brauchen, fendern nur 
Trachten nad dem Reiche Gottes, Beten umd Kieben. Das 
Bekenntniß ift ein Ausfpru und Beweis der Erkenntniß; wil 
alfo die geiftlihe Kirche Die Augsburgifche Coufeſſion vermer: 
fen, fo bat fie an deren &telle ein anderes Bekenntniß zu 
fegen; aber es ſcheint wirklich jo, als wenn die proteſtantiſcht 
geiftlihe Kirche für den Uugenblid gar Fein Bekenntniß hat. 
In der zweitgenannten Schrift vertheidigt ſich der Verf. gegen 
den Borwusf der Eidbrüchigkeit. Solche Handlungen find hir 
nicht zu Prittiren. Ein Gleiches gilt von der drittgerannten, 
in welcher die Proteftantifchen Freunde vertheidigt werden, def 
fie weder wollen noch fünnen die Throne im Himmel und 

Erden umftoßen. Die Proteftantifchen Freunde find eine That 


ſache; wir haben es hier nur mit Urtbeilen gu thun. 


14. Die Kriſis der Reformation. Gin Vortrag in der Ber 
fammlung der Proteitantifhen Freunde zu Halle am 6 
Aug. gehalten von M. Dunder. Leipzig, Kirchner. 
1845. ©r. 8. 7%, Nor. 

fucht auszuführen, daß ed wuͤnſchenswerth gewefen wäre, wenn 

die Bewegung ber Bauern zur Zeit der Reformation der Kal 

fer in den Staat geleitet hatte; aber Der wäre leider dir Re 
tion von Geburt fremd und fein Hauptgedanfe der ſpaniſche 

Thron und die fpanifche Herrfchaft in Italien geweſen; fo wäre 

die politifche Neformation, welche die Bauern in Anregung ge 

bracht, gänzlich gefcheitert, die religiöfe aber, durch Dogmen⸗ 
und Sektenkaͤmpfe behindert, nur zur Hälfte durchgeführt worden. 
Über einen neulichen traurigen Vorgang verbreitet id: 

15. Rupp's Ausfchliefung, der Guftan » Adolf » Verein um 
das heilige neutrale Gebiet. Ein Wort der Verftändigung 
nebft den nöthigen Actenftüden und andern Beilagen. Bes 
Theile. Leipzig, B. Zauchnig. 1846. Gr. 8. 19 Ag 
„Dem heiligen neutralen Gebiete der Guftav » Kbolf: Ei: 

tung“ habe einft Dr. Großmann einen Trinkſpruch gebradti 

ein folches eriftire aber als Religioflemus, und Liebe habe die 

Stiftung ‚gezeugt; die Ausfchließung Rupp's fei alfo eine Ber 

legung der Principien der Neutralität und Liebe der Stiftung 

In der That, man hat vergeflen, daß nicht die Lehre, fondern 

das Lehren zum geiftlichen Thun in der Kirche gehört; mar 

hälse Rupp alfo nur ausſchließen koͤnnen, wenn er Undrifllt 
e8 lehrte, aber nicht weil er zu einer Landeskirche, welh 
beiläufig eine Abfurdität in der Äriftlichen Kirche des Heiligen 

Geiſtes iſt, nicht gehörte. Am ſchimpflichſten aber ift es, pr 

litiſchen NRüdfichten dabei Raum gegeben zu haben. Die an 

gehängten Proteftationen zeigen übrigens, wie wenig auch in 
der Kirche Repräfententen befriedigen würden, wenn biefe üb 

baupt nur dem Wefen der riftlihen Kirche entfpräcen. Di 

fenftigen andern Beilagen, Arbeiten des Berf., find für den 

vorliegenden Gegenſtand von einem Intereffe. 


F. Margquati. 








Ziterarifhe Miscellen. 

Die Frage: ob Chriſtus ein Fidejussor oder ein Expre 
missor zu nennen feit bat der in der legten Hälfte bed li. 
Jahrhunderts lebende Rechtsgelehrte und Affeffor des Lehnheft 
von Brabant im Haag van der Muelen in feinem „Forus 
conscientiae’ (Amfterdam 1699) meitläufig erörtert und end: 
ih dahin entfchieden: daß Chriſtus im Alten Zeftamente Fi 
dejussor geiwefen, im Neuen Zeftamente aber Expromissor ft 
Daß, meint er, müfle Jedem, der nicht blind fei, einleuchten. 


Richt leicht Hat eine Rechtömaterie mehr die Federn der 
ältern Juriften in Anſpruch genommen als die Lehre von 
Schaͤtzen (docirina de thesauris). Lipen's ‚Bibliotheca jun 
dica” mit den Supplementbänden gibt Zeugniß davon. Um 
dennoch Tieße fih im Allgemeinen die Frage: Wem gebb:t eis 
gefundener Schag? wol am bündiaften dahin beantworten: 
Ein folder Schag gehört Dem, der ſchweigt. 2 


— — 





—— 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockkaus. — Druck und Verlag von F. X. Srockhauns in Leipzig. 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


Ernſt Moritz Arndt. 
(Beſchluß aus Nr. 38.) 


Über viele Anfichten Arndt's, die Verfaſſung des Staats 
betreffend, laßt fih gewiß flreiten, 3. B. über die Art 
wie er den Adel :conftituiren will, über die Majorate, 
über Untheilbarkeit und Unveräuferlichkeit des Bodens, 
über die Nichtvertretung anderer als ber drei Stände 
u. ſ. w.; aber Das follte Niemand leugnen, bag auch 
mit der entfchiedenften Freifinnigkeit eine Organifation 
des Staatslebens fich vertrage, welche der allgemeinen 
Gleichmacherei fo fern als möglich ficht. Man wird 
uverfihtlich behaupten dürfen, daß fihon jept die Be- 
onnenften unter den Freifinnigften erfannt haben, daß 
s noth time, um den Beſtand ber Staaten zu fichern, 
er an ſich wünfchenswerthen, ſchrankenloſen individuellen 
freiheit im Gewerbsweſen, in Gütererwerb, Veräußerung 
nd Vererbung eine Grenze zu fegen, und daß bie 
uch weiſe Gefege und lebenskräftige Inftitutionen ge- 
cherte Ehre verfchiedener Stände der eingebildeten und 
efoderten, aber in der That doch nie zu erreichenden 
Heihheit aller Individuen vorzuziehen fein dürfte. Arndt’s 
olitiihe Ideen, wie man auch im Einzelnen fie vielleicht 
» oder fo modificiren möchte, halten im Ganzen eine 
höne Mitte zwifchen einem rohen Materialismus, wel- 
er Rechte, Güter und Genüffe mathematifch gleich un- 
e Alle vertheilen zu fönnen glaubt, und boctrinairer 
erfeinerung, welche theoretifche Grundfäge zum Funba- 
mt des wirklichen, lebendigen Staats machen will; 
ffhen einer DVergötterung des Staats, welche die In- 
iduen ihm aufopfert, und einer Ausdehnung der Frei- 
t ber Einzelnen bis zu einem folhen Maße, daß da- 
th der Beſtand des Staats angegriffen und aufge 
rt, fein Organismus in Atome aufgelöft wird. 

Der Raum verbietet, die einzelnen größern und Zlei- 
n Auffäge, moraus die drei Theile der Arndt'ſchen 
hriften beftehen, genauer durchzugehen: auch find fie 
ßentheils fchon von frühern Zeiten her den Altern unter 
Inicht fremb. Den gemeinfamen Mittelpunft von allen 
et: Deutſchlands Herrlichkeit, die Forderung feiner Ehre, 
es Wohlſeins und Gedeihens, feiner fittlihen und po⸗ 
chen Entwidelung, wobei es theils in feinen innern 
'hältniffen, theils im triegerifchen ‘ober fittlihen Kam⸗ 


ö— Nr. 304. 


31. October 1846. 


pfe mit fremden Völkern betrachtet wird. Mehre Auf- 
füge beziehen ſich unmittelbar auf die Kriegsjahre 1813 
— 15: „Was bedeutet Landflurm und Landwehr 2” 
(1813); „Das preußifche Volk und Heer im Jahr 1813. 
„Belgien und was baranhängt” (1834) erörtert die 
Gründung biefes neuen Königreich vom deutfchen Ge⸗ 
fihtepunfte als eine arge Kalamität und Schmah für 
Deutſchland, als einen Sieg der Franzofen, und zugleich 
fpriht er darin feine Hoffnung zu Preußen aus: 
Könnte Preußen fih no fo fehr vergriffen und geirrt 
haben, ja Pönnte es noch mehr irren und ſich mißgreifen — 
ich halte an Preußen, weil ih an Deutichlands Selbſtaͤndigkeit 
und Unabhängigkeit halte. Ich glaube, bis mich die legte Hoff⸗ 
nung verläßt, felbft auf dem loſeſten Ankergrunde noch an 
Preußens große Beftimmung für unfer Vaterland. | 
Diefelben Gegenftände und andere hochwichtige, na= 
mentlich die religiöfen Berwegungen werden in den „Ein 
paar deutfche Notabene” (1844) befprohen. Im „Deut- 
ſchen Stubentenftaat” wirb in der Organifation und dem 
eigenthümlichen Leben der bdeutfchen Univerfitäten das 
Walten des urbeutfchen Geiftes in feiner Freiheit, Weid⸗ 
lichkeit und Jdealität nachgewiefen und davor gewarnt, 
wegen verhältnißmäßig geringfügiger Gefahren Hand an 
diefe ehrwürdigen SInftitute zu legen. Das Turnen wird 
in einem YAuffag als wefentliches Element einer tüchti⸗ 
gen Erziehung zur Wehrhaftigkeit und in feiner geiftigen 
Bebeutung gewürdigt. Zmwifchen den kräftig gezeichneten 
Bildern zweier echt deutſchen Männer, ©. U. Reimer's 
und Gneifenau’s, findet man ein Bild bes mephiftophe- 
liſchen Zalleyrand, deffen Bewunderung Arndt auf. das 
richtige Maß zurüdzuführen fucht — auf ein fehr be- 
ſchränktes, wie leicht zu glauben. | 
Die Bielfeitigkeit von Arndt's Geift und reger Theil- 
nahme leuchtet aus der Mannichfaltigfeit der Gegenftände 
hervor, die hier befprocdhen werden. „Sitte, Mode und 
Kleidertracht” gibt ihm Weranlaffung zu ben anziehend- 
ften, treffendften Bemerkungen, und dem anfcheinenb Un- 
bedeutenden, dem Außerlichften weiß er eine tiefe fittliche 
und nationale Bedeutung abzugewinnen. In „Paul Bed 
ſchildert er ein feltfames Original, und in einem Auffag 
über „Vite e ritratti d’illustri Italian“ gibt er geiſtvolle 
phyfiognomifche Bemerkungen und Einfälle, halb ernſt 
halb fcherzend, preis. Der erſte Theil bringt eine ziem- 
lich ſtarke Sammlung: „Aus Friebrich Arndt's Papieren 


121% 


17985 — 1815.” Die Aufnahme diefer „Papiere feines 
Bruders koͤnnte zuerft befremden; aber doch ftehen fie in 
einem engen Bezug zum Übrigen: man lernt daraus den 
Lebens» und Ramilienkreis, aus welchem E. M. Arndt 
hervorging, genauez kennen (er ſelbſt hat darüber anders- 
wo; bie anmuthigſten Nachrichten gegeben), man überzeugt 
fig, dag die Arndt'ſche Originalität gewiſſermaßen eim 
Familienzug ift. Der Anfang dieſer „Papiere’ zeigt uns 
Friedrich Arndt als einen von jugendlicher Laune und 
genialem Übermuth fprudelnden jenenfer Stubenten aus 
der. bfühenden Zeit dieſer Univerfität, und der Schluß den 
teif und ernft gemordenen, tief gemüthlichen- und fittfi« 


en, aber immer noch humoriſtiſchen Mann, der ſich hie | 


Bewegungen ber Zeit tief zu Herzen nimmt und davon 
maͤchtig ergriffen wind, Friedrich Axndt iſt eine unge 
mein kraftige, derbe, oft muthwillige, aber auch hoͤchſt 
verfländige, tüchtige Natur, voll Geiſt und een, kennt⸗ 
nißreich und mit einer überrafchenden Klarheit und Schärfe 
des Urtheils über die verſchiedenſten Gegenftände, nament- 
lich auch über Literasur und. Poeſie, begabt. Man lefe 
nur feine Bemerkungen über die Romantiker, über Cal⸗ 
deron, Shakſpeare. 

Über. Arndt's Sprache und: Darftellung. braucht kaum 
noch Gtwas gefagt: zu werden; fie ift befannt und aner- 
Sant in ihrer geiftvollen, gebanfenreichen Kraft und. Ori⸗ 
ginalität: Manche würden da und dort etwas Spielen 
des, die reimenden, alliterirenden und affbnirenden Aus- 
drüde und manche Ungemöhnlichkeiten. wegwünſchen, um 
den Eindry einer wahrhaft claffifchen deutfchen Proſa 
and reiner, zu haben; aber immerhin bleibt ex Einer 
non. Denjenigen, welche die Sprache. Luther’& am. glück 
lichſten zu handhaben mwiffen, abwol er felbit klagt, daß 
feine Schreibazt, nicht, gemorden fei. mas fie haͤtte wer⸗ 
den. follen. An Luther. erinnert Wieles in feinem Stil, 
aber auch. in, feiner, ganzen Gefinnung, Art und. Nasur, 
und. nicht nur. die: deutſche Kraft, Geradheit und. Chrlich- 
Zeit, auch, die tiefe Frömmigkeit hat, er mit ihm. gemein, 
Seine unperwüftliche, Heiterkeit in den politifchen. Wirren 
und. Kämpfen, feine. unperbitterte Zuverſicht und Freudig- 
keit, mörhte zum Theil Daraus zu erklären fein, baß, 
obmol. Baserland und, Freiheit ihm bienieben. als das 
Hoͤchſte gelten, und, feine, Seele exfüllen, er doch über 
dem irdifhen Kampfe, etmas: Höheres ahnt unb glaubt, 
Er if, weis; entfernt von. trüber Srönmelei; er fagt: „Das 
Daſein hienieden ift keine moͤnchiſche Bußanſtalt und. fol 
es. nicht. fein; es ift eine Nilgerſchaft der. Kraft und der 
Tugend, mobuch zu. dem; Hoͤchſten hinaufgefirebt. wird 
durch Arbeit, und Mush”; aber. wenn er das Seinige 
als Mann und als Deutſcher gethan, findet er: im. Glaur 
ben an eins. hühere,. emige Ordnung dar Dinge, die. Kraft, 

über, irbifche Sorgen, fehlgeſchlagene Hoffnungen, ver⸗ 
e Zwecke zu tröften. und zu. erheben. 33, 





„Das friedeinumgende Teutfhland,” 

Stchauſpiele, die: vor. faſt. A, Juhren/ im: Duckt erſchie⸗ 
an, zur: Aufhichrung befimmt goveſen und aufgeführt: worden 
find, ſiadet man. wicht: afradt häufig. Im, der Brit find 


fie um fo mehr verfchwunden, da es Überwindung koſtete, ſie 
nur zu lefen, und man fi) kaum noch vorftellen Bann, wie 


Zemand, wenn fie aufgeführt wurden, daran Vergnügen finden 


Eonnte. Manche davon aber bieten doch, als lilerariſche Ex: 
riofität betrachtet, ein Intereffe, und zu ihnen dürfte „Das 
friedejauchgende Teutſchland“ gehören. Verfaſſer war Ze 
bann Rift, des rüftige Paet, der in weltlichen und Kirchen 
liedern zu feiner Zeit eine große Nafle ſpielte und in lehtern 
Zweige der Volkspoefie bis auf unfere Tage feinen Ruf be: 
bauptet hat. Es wird nicht leicht ein deutſches Geſangbuch 
der proteftantifchen Kirche geben, wo nicht noch eines oder 

e feiner Lieder vorlamen, und infofern bietet er uns in 
diefens feinem Schaufpiele zugleih eine literarifche Curiofität. 
Er war geiftlicher Liederdichter, wie man fagen mag, indem 
er doch auch — Komödien fhrieb, und Letzteres dürfte mandem 


jegigen beſonbers ſchwe Hez fallen, wem 
er hörte, daß Johann Rift wohlbeftallter Pfarrer zu St.: Be: 
del, in der Nähe von Hamburg und. Stabe, war. Was wir: 
den mandje Hengftenbergianer fchreien, wenn einer ihrer Amts 
brüder als Dichter: eines neuen Luſt⸗ oder Zrauerfpield auf 
dem Zitel eines foldhen oder gar auf einem Theaterzettel ge: 
nannt würde! Sie würden ihre ganze Amtsehre für gefährdet 
achten und mit einem Apage gegen den zweideutigen Gollegen 
auftreten; man denke doch nur, welchen Lärm «8 1768 er 
regte, ald in Bremen einige Luftfpiele erfchienen, deren Dichter 
der Prediger Schloffer in Wergdorf war. Sie trugen nidt 
einmal feinen Ramen; fie waren von ihm gefährieben, old er 
no. Student und Eanbidat: war; ja er mar bei der Herau— 
gabe nicht einmal betheiligt. Uber ex hatte ja Doch als tw 
dent der Gottesgclahrtheit, ald Candidat des hochwuͤrdi 

Minifterii folchen frevelnden und weltlichen fündlichen Gedanten 
nachgehangen, und ed erfhien eine ganze Flut von Schriften 
für und. gegen den armen Paſtorz ja felbft: Die goͤttinger three 
Iogiihe Yacultät mußte. ein Gutachten über die Sache abge 
ben.*) Johann Rift fchrieb weit über volle 100 Zahre frühe 
in folder Art, öffentlih, unter feinem Ramen und zwar bad 
auf Werlangen von Fürften, bald weil Schaufpielertrupe 
neue Stücke von ihm. wünfchten. Seine Stüdie wurden in Ham 
burg felbft gegeben, und das bier zu befprechende war foger 
zunaͤchſt fürs hamburger Theater berechnet, ohne daß diefes je 
doch im mindeſten der Achtung.Eintrag, gethan zu haben ſcheint, 
die er ald Prediger und. Dichter übrigens genoß. Es ift Diel 
um fo beachtungswerther, da er mit feinen (theologilden) 
Seitgenoſſen in heftigen Streitigkeiten: gelebt bat; denn in it 
Borrede zu biefem „Friedejauchzenden Teutſchland“ Tann a 
kaum Worte, genug finden, viele derſelben gehörig zu ſchildern, 
und im Stücke felbft. fehlt es nicht an ähnlichen Ausfällen. El⸗ 
fein wenn da& Schweigen über diefen Punkt Etwas gilt, fo 
müffen biefe „„ Haderkatzen“, diefe neidiſchen, misgünſtigen und 
tadelſuchtigen Zaͤnker doc über ganz andere Dinge gegen ihn 


aufgeteeten: fein als üben feine theatraliſchen Arbeiten 








MWiefchon.bemerkt ift, darf man nicht fagen, daß diefeibenfie 


die Schulen. oder etwa gar für Studicende beftimmt es 
feien. Allerdings war auf vielen Symnaſſen, bis ins 18. Zah: 
bumbert hinein, es ganz gewoͤhnlich, daB alle hafbe Zahn, 
wenigftens. einmal im Jahre, irgend eim großes &Schaufpl, 
mit: und ohne —— aufgeführt wurde. It 
Bolge von freiwilliger Übereinkunft geſchah von Zeit zu Zeit We 
liches duch Studirende, indem namentlid zu Leipzig aus ei 
nem foldgem.Dereine die fpäter fo berähimte Sthaufpielergeicl: 
haft unter dem Namen Magifter Belihein entſtand. le 
für Schulen und. Studenten ſchrieb, wie es fcheint,, Joham 
Riſt nicht, wenigſtens zunaͤchſt nicht; denn ſein ., Friedeiauch 
zendes Teutſchland“ war nur ein Seitenſtuͤck zume, Friede 
wünfchenden Teutſchland⸗, welches etliche Jahre Vräher (168) 


*).Doh. Rädire übte disfe Cürhfähn. und: dad Sotehten 1 
Staͤndlins. Geſchichte der Berleilunganuon bere@itsäichlett dee Sene 
fplelde (Göttingen NR), S. 


1313 


erfgien und zum erſten 
aufgeführt worden war. Letzterer führte, wie aus Dem. Vorbe⸗ 
sihte zu diefem Stüde erhellt, eine Schauſpielergeſellſchaft und 
hatte von Danzig aus den Dichter erfucht, „das neue Schal 
fiel fo lange zurüddezubalten, bis er auf Hamburg Fäme”. 
Alcin „obfhon das Spielhaus eine geräumige Zeit für den 
Seren Gartner ledig gehalten worden, fo ift ew doch mit feiner 
Geſellſchaft nicht angekommen“, und nachdem J Rift ein volles 
Jahr auf ihn gewartet hatte, ließ er es endlich (Mürnberg 
1653) drucken. Ob, wann und wo es alddann gegeben Wurde, 
fahren wir aus dem langen Borberichte (Hi Bl. 8.) aller: 
zings nicht, vermutblich aber may ed in mancher großen Stadt 
5 Publicum ergögt haben; denn an Pomp in Kleidung, in 
Decorationen fehlt es in Peiner Scene beinahe. ESs erfcheinen 
‚Engel jtatt der Genien, die unſere Dichter eingeflidt haben 
vürden, und fingen die lieblichften Melodien, wozu die Muſik 
om Santor Michael Iacobi in Lüneburg gefegt ift, indent es 
ud nicht an Ehören fehlt, befonders zum Schlufie, wo fi 
195 ganze Orchefter mit „Trompeten und Pauken, Geigen und 
auten, Pandorn und Harffen, Pfeiffen und Zinden, wei 
nd mit Fleiſſe“ Bonnte hören laffen. Und was mm, die 
arin auftretenden Perſonen betraf, fo gibt es einen Über: 
luß Darin; nicht weniger als fünfunddreißig, ungerechnet 
ih neun andere, die in einer Burleske erſcheinen, welche in 
en zwei Zwiſche nacten abgefpielt wird, indem der Schauplag 
uf ſolche Art gar nidyt leer ward und das Ernſthafteſte, Rüh⸗ 
endfte mit dem Luſtigſten wechſelte. Die Perfonen des eigent⸗ 
ichen Stuͤcks ſelbſt find theils allegoriſch, theils hiſtoriſch, theils 
ld allegoriſch und zur andern Hälfte dem Leben entnommen. 
Bir ſehen die Wahrheit, Teutfchland felbft, Batavia mit ihren 
ieben Zöchtern (d.h. dem fieben Provinzen), die Hoffnung, den 


frieden, den Mars und Bulcan, das Geruͤchte und: Mistrauen- 


.j.1., aber auch den romiſchen Kaifer, den König von Frank⸗ 
ah, die Königin von Schweden, ja felbft den Tatarkhan 
mit Zitfchepfeil und Bogen”, den Osſsman, den König: Ibe: 
us, und ein Geiſtlicher, ein Weltlicher, ein Bürger, ein 
taatsmann, ein Degenmwehrt, einige Bauern repräfentiren 
x verfdhiedenen Stände. Immer ift es beachtenswerth, daß 
mals der Kaifer Ferdinand, die Königin Chriftine und Lud: 
ig XIN. von Frankreich in. Goldpapier und Flinkern auf bie 
Kibne gebracht werden Eonnten. 
khlußicene dar, wie die „allerhoͤchſt und höchſtgedachten Per 
men (die ſich untereinander gar freundlich anſehen) von ei« 
em igönen Heinen Engel befranzt werden”. 

‚ Wab.den Gegenftand der Handlung, betrifft, fo iſt allerdings 
iefelbe fo einfach und ohne alle dramatifche Intereſſe, Daßınan 
e Genuͤgſamkeit · jener Zeit ind Auge faflen muß, um es begreif: 
h su finden, wie es Jemand ergögeh konnte. Das Ganze zer: 
It in drei „„ Handlungen”, die wir Aufjüge nemmen würden, 
d jede Handlung in mehre „Aufzüge‘‘, welche bei und Ser 
rn oder Auftritte heißen möchten. Die verſchiedenen Handlun⸗ 
r verbindet eim zweiactiges Zwifchenfpiel, von Bauern und 
serlihen Soldaten, die miteinander um die Wette fidy. her 


tummeln, Die Verderbniß der. damaligen Generation in den 


dern Ständen zur Anfchauung zu bringen, indem aud). wol 
‚ Junker Reinhart und nod mehr ein Oberſter Degen- 
het ihnen den Terxt lieſt oder doch nobler daftsht;*). Mit- 
ker gibt es recht derbkomifche Scenen darin, und eine „Vor⸗ 
e" leitet Das Gange ein; fie iſt alſo nicht etwa mit der Vor⸗ 


e zu einem Buche und -Stüde unferer Tage zu: vergleichen,. 


dern ein Prolog, der. „vom einem: Weibsbilde, weiches ge 
jen die Wahrheit, gehalten‘ wird und ® &. in Profa ein⸗ 
mt. 


ichte Aufnahme, welche fie uͤberall, in-den „Botteshäufern” 


) Nebenbei macht er auch noch einen: feiner literatiſchen Geg⸗ 
‚, Raraens Seſen, laͤcherlich, indem erihn' ald „Saufavind” ein⸗ 
f und mit einer gemeinen Diine w la Don Quſipote vdekeh⸗ 

t. 





Dak „von Herrn Andreas Gartner“ 


Das Jitelkupfer ſtellt die‘ 


Natürlich enthält fie Nichts als Klagen: über! die 


zig, Hartleben. 8: 


ebenſewol wie am Hofe, auf den, Rahtshaͤuſern der Reichs⸗ 
Kauf» und Handelsflätte”, kurz übera finde: Deffenuns 
geachtet müfle fie doch verkünden, daß „Zeutichland, das herr: 
lichfte Kaifertgumb der Welt, nunmehr auf den Grund ausger 
mergelt, verheeret und verderbt, endlich — mit dem alleredel⸗ 
ften Frieden widerumb befeeliget fei’. Genau genommen, batte 
fie alfo den Bufchamern Richts gefagt, was dieſe nicht fehon 
ohnehin: gewußt hätten, die Schilderang ihrer eigenen Perſon 
abgerechnet. In der erjten „Handlung“ felbft fiebe man meift 
allegorifch den beklagensiwerthen Zuftand des Landes, indem 
„Wuͤtherich, ein wilder Mann, rauh bekleidet und grimmiges 
Anfehen”, einen Geiftliihen, einen ‚„„Bürnehmen Weltmann ”, 
einen „Burger“, und Ackersmann mit Peitfihenhieben vor fi 
hertreibt und ihre Klagen, ihre Ausbruͤche der Verzweiflung, 
ihre Bitten „mit harten Draͤuworten“ zurüdweift. Teutſch⸗ 
land felbft erfcheint im zweiten „Aufzuge” (d. h. Auftritte), 
um ihre Klagen über ihr, wie „ihrer lieben treuen Untertha: 
nen‘ Roos in „Wahremund’s” Herz auszufchütten, der als 
Priefter „in gar altfränkifcher Art bekleidet“ fie tröftet. Wuͤ⸗ 
therich flieht fih die Sache von der Seite an, kommt aber 
„glei ſchnaubend und brüllend wider herfür und hält eine 
rauchende Tabakspfeiffe im Munde’, al feine Gefangenen ihre 
Klagen gegen „die Mutter Zeutichland, die große Königin”, 
laut werden laſſen. Wahrmund hält nun eine lange Predigt 
(S. 34 — Al) über die in allen Ständen herrſchende Sittem 
verderbniß, und der Act fchließt, indem die Hoffnung ‚mit 
freudigem Gefiht und annehmlichen Geberden ” auftritt, Bei: 
den zu verfünden, daß der Friede erfcheinen werde. In der 
That öffnet fi „der innerfte Schauplag” und „in felbigem 
ſtehet gleich von weitem der Friede in weiſſer Seide, köſilich 
bekleidet, eine güldene Krone auf dem Haubte tragend u. f. p.“, 
indem ihn ein Kinderchor. umringt und ein Lied derſelben den 
Art fließt. Wie im folgenden Acte die Frage noch hin: und 
herſchwankt, ob der Fricde auch wirklich das Baterland befelis' 
gen werde, indem Mars ‚mit. trommeln, fchieffen, lermen, 
ſchreien“ erſcheint und feinen Getreuen eröffnet, daß er Alles 
aufbieten werde, den Krieg zu erhalten, und felbft der Os⸗ 
mean und Cham (Tatarkhan) aufgeboten werden, bid endlich 
im dritten Acte doch der Kriede nach fhon ungedeuteter Weife 
ſtattfindet und Mark vom Bulcan, fein Diener, der Wütherich, 
vom Molke in Ketten und Banden gelegt wird, wollen wir 
biee nicht weiter mittheilen. Ein Pröbchen von det Öfonomie, 
dem: peinlicden Site des Stuͤcks, dem darin: herrſchenden Ge: 
ſchmacke, dem fteifen Ceremoniel, wo hohe Berfonen, wie 5.2. 
Mars, Teutichland, Batavia, die Tochter Teutfchlands u. f. w., 
auftreten, wird im dieſer Skizze theils gegeben fein, theils ſich 
nun leicht denken laſſen. Hier wur es nur um einen Beitrag: 
dur Kennemiß de& deutfchen Theaters zu'thun, wie es ſich vor 
200. Jahren in der Dichtung eines det damaligen: beften- Köpfe 
darftellt. 88. 


— 





Bibliographie. 

Anhalt, E., Die Volksſchule und ihre Nebenanftalten. 
Iena, Mauke. Gr. 8. 1 Ihr. 6 Nor: 

Burkhardt, G. &, Yraktifche Anleitung zu einem gründ» 
lichen Schutfludium als Vorbereitung auf die akademiſcherr Stu⸗ 
dien. Lünen. Gr. 3. 20 Rgr. 

Busch, F., Der Fürst Karl Lieven und‘ die kaiser: 
liche Universität Dorpat unter seiner Oberleitung. Aus der 

eg und nach seinen Briefen‘ und amtlichen Erlassen 
geschildert! Dorpat. Imp.-4. 2' Thir: 16 Ner. 

Earus, €. ©, Pfyche: Zur‘ Entwickelungsgeſchichte der 
Seele. Morgheim, Klammer und Hoffmann. Gr: 8. IThit. ERKE. 

Edtvös;, I. Freih. v. Der Dorfnotair. Aus dem Unga⸗ 
riſchen überfegt von Grafen J. Mailaͤth. Drei Yandi. Leip⸗ 

xhlr. 

&GHauviliez, Kampf! und Sieg. Erzählung nach dem 
Franzoͤſiſchen. Aachen, Cremer. 1845. 12: 127, Ngr. 








1216 


Erauvillez;, Graf Ulrich oder die e. Erzaͤhlung 
nach dem —E Aachen, Cremer. 12. 8 Rgr. 

Eylert, R. F., Characterzüge und hiſtoriſche Fragmente 
aus dem Leben des Königs von Preußen Friedrich Wilhelm LI. 
3ter heil in 2 Abtheilungen. Magdeburg, Heinrichshofen. 
&. 8. 3 Ihe. 15 Nor. 

Forſtner, U. Freih. v., Betrachtungen über das Welt⸗ 
gebäube. 2te mit den neueften Entdedlungen vermehrte Auf: 
age. Berlin, Reimer. 16. 10 Ngr 


ner. 8 er. 

Gervinus, ©. G., Geſchichte der poetifhen National 

Literatur der Deutfchen. ter Theil: Bon dem Ende des 13. 

Jahrhunderts bis zur Reformation. ste umgearbeitete Aus⸗ 

gabe. Keipzig, Engelmann. Gr. 8. 2 Thlr. 221, Nor. 

1y Zrieben, H., Ein Trauerſpiel. Coslin, Hendeß. 8. 
3 Xgr. 

Harnad, T., Die Grundbekenntniſſe der evangeliſch⸗lu⸗ 
theriſchen Kirche; die drei öfumenifchen Symbole und die Augs⸗ 
burgifche Confeſſion. Mit einer ausführlichen Einleitung un 
mit Inmerkungen. Dorpat, Glaͤſer. 1845. Gr. 8. 1 hr. 

5 Nor. 

Herloßfohn, E., Phantafiegemälde. Taſchenbuch ro: 
mantifcher Erzählungen für 1817. Leipzig, Reclam jun. 
Gr. 16. 1 TIhlr. 15 Rgr. 

Hermes, K. H., Sefchichte der legten 25 Jahre. In 
3 Bänden mit 6 Stahlftihen. Ste umgearbeitete und vervoll⸗ 
ſtaͤndigte Auflage. Ifte bis 4te Lieferung. Braunſchweig, We 
ftermann. Gr. 8. à 6 Nor. 

Hirſchberg, Joſeph in Agypten. Berlin, Reichardt u. 
Comp. 8. 15 Rgr. ' 

Hoffmeifter, P., Das Leben Philipp's des Großmü⸗ 
thigen , Zandgrafen von Heſſen. Caſſel, Luckhardt. Gr. 8. 
I Ihr. 15 Nor. 

Hölderlin's, &., fämmtliche Werke, herausgegeben von 
C.T.Sch wab. Zwei Bände. Stuttgart, Cotta. Gr. 8. 3 Thlr. 

Zungnig, E., Geſchichte der franzöfifchen Revolution 
von 1787 und 1788. Zwei Theile. Charlottenburg, Bauer. 
Sr. 8. 3 Thlr. 

Kloß, G., Die Zreimaurerei in ihrer wahren Bedeutung 
aus den alten und ächten Urkunden der Steinmegen, Mafonen und 
Freimaurer nachgewiefen. Leipzig, DO. Klemm. Gr. 8. 3 Thlr. 

Kurtz, J. H., Die Kinheit der Genesis. Ein Beitrag 
zur Kritik und Kxegese der Genesis. Berlin, Wohlgemuth. 
Gr. 8. 1 Thlr. W Ngr. 

Kugler, F., Über die Anstalten und Einrichtungen 
zur Förderung der bildenden Künste und zur Conservation 
der Kunstdenkmäler in Frankreich und Belgien, nebst No- 
tizen über einige Kunstanstalten in Italien und England. 
Berlin, Reimarus. Gr. 8, 15 Ngr. 

— — Vorlesung über das historische Museum zu Ver- 
sailles und die Darstellung historischer Ereignisse in der 
Malerei. Berlin, Reimarus. Gr. 8. . 
Ledderhofe, K. F., Das Leben Carl Heinr. v. Bogap- 
Heidelberg, Winter. Kl. 8. 6 Ror. 

Das Leben Aug. Gottl. Spangenberg's, Biſchofs 
der Brüdergemeine. Heidelberg, Winter. Rgr. 

Mühlenfels, Elfriede v., Gedichte. Mit einem Vor⸗ 
wort von C. F. Goͤſchel. 2te verbeſſerte und vermehrte Auf: 
lage. Berlin, Beffer. 8. 1 Thlr. 

Das Ribelungenlied, überfegt von &. Braunfels. Frank⸗ 
furt a. M., Literarifche Anftalt. Gr. 16. 16%, Nor. 

Röder, K. D. A., Zur Rechtsbegründung der] Belle 
tungsftafe. Heidelberg, 3. Groos. Gr. 8. 7. Nor. 

Ruppius, D., Bilderbud der Frau Kinderzeitung. Ber: 
lin, Rieß. 8. 15 Nor. 

Sandeau, 3., Katharina. Aus dem Franzöfijchen über: 
fegt von 9. Brufendorff. wei Theile. 

1547. 8. 1 Zhle. 15 Ngr. 


ry's. 


Die Genene des Chriſtenthums. Neuſtadt a. d. O., Wag⸗ 


Berlin, Quien. 


Schafarik, P. J. Namen und Lage der Stadt Wi. 
neta, auch Jumin, Julin, Jomsburg. Leipzig. Gr.d. dNgr. 

Scheuren, 3., Petrus der Apoftelfürft und Statthalter 
Chriſti. Rach der heiligen Schrift, den Vätern und andern 
en Quellen zeitgemäß dargeftelt. Aachen, Cremer 
2. r. 


Scheve, ©., Die vergleichende Seelenlehre. Zur A 
flärung über diefe Wiſſenſchaft und als Einleitung zu Berl 
fungen über diefelbe. Heidelberg, I. Groos. Gr. 8. ION. 

See, ©. v., Rheiniſche Novellen. Leipzig, Bienbrud 
1847. 8 1 Ihr. 71, Nor. | 

Spindler, E., Bergißmeinnicht. Taſchenbuch der kick, 
der Freundſchaft und dem Samitienteben des deutſchen Bei 
gewidmet. Pür das Jahr 1847. Mit Iluftrationen von t. 
Weißer. Stuttgart, Franckh. 8. 16 RNgr. 

Waagen, G. F., Einige Äusserungen Karl Friedrich 
Schinkel’s über Leben, Bildung und Kunst. Berlin, Re- 
marus. Gr. 8. 3 Ngr. 

Walter, B., Das Findelkind Cine Erzählung aus tn 
a netagen in Frankreich. Aachen, Cremer. 1845. 12 

2 Nor. 





Zagedliteratur. 


„Blumſchein, 3. &., Die Begräbniß-Kaffen. Anleitın; 

Ar ihrer zwedmäßigen Berfaffung und Verwaltung, nebft ciam 

berficht ihrer Vorzüge gegen Lebens: Verficherungs:, Rent 

und Sparcaffen » Anftalten. Leipzig, Keil und Comp. 9.3 
12%, Ror. 

Gurowski, Graf A. r., Die letzten Ereignisse in de 
drei Theilen des alten Polens. Geschichtlich erläutert. Mir 
chen, Franz. 8. 7 Ngr. 

Hasse, F. C. A. Erinnerung an Gottfried Wilde 
Freih. v. Leibniz. Leipzig, Engelmann. Gr. 8. 5 N\r 

Hochmuth, Mlaurerische Grundsätze, ausgesproce 
in der Loge Minerva zu den drei Palmen im Orient l+ 
zig am 3. März 5846. Leipzig. Gr. 8. 8 Ngr. 

Hülsmann, A. W., Ubfchiedöpredigt. Eiberfelt, & 
fe. _ &. 8. 2% Nor. 

Jaspis, U ©., Daß wir als Diener der Gemeint: # 
ferer Gemeinfchaft mit dem Haupte der Kirche uns Ior:; 
bewußt bleiben müflen. Predigt über Ephefer 4, 10-1. & 
berfeld, Haffel. Gr. 8. 21%, Nor. 

— — Wofür wir dem Herrn der Kirche am Grabe & 


ther's die Ehre geben muͤſſen. Predigt. Elberfeld, Huf 
Sr. 8. 2%, Nor. predis 


Kannengleßer, C., Zum Gedächtniß Dr. M. utırl 
Predigt. Neuſtrelitz, Barnewig. 8. 2%, Nor. 

Krug, F. W. Die Lehre des Dr. Eollenbufch, zmrimn 
praßtifhen Arztes in Barmen, nebft verwandten Richtungen w 
ihren falſchen Principien und verderblichen Eonfequenzen. Er 
Beitrag zur Kirhen- und Sektengeſchichte unferer Zeit. & 
berfeld, Haflel. Sr. 8. 7%, Ror. 

Küchler, 3., Die badifhe Gefepgebung und die Deut 
katholiken. Heidelberg, 3. Groos. Gr. 8. 7% Rür. 

Müller, G. D., Die Kleidertheilung auf Golgatba. Fe 
fionspredigt über Ev. Iohannis 19, V. 33 u. 24. Eiberkel, 
Haflel. Gr. 8. 2% Ner. 

Struve, G.v., Galerie berühmter Männer des 19. Zaht 
bunderts. 2tes Heft. Heidelberg, J. Groos. Gr. 8. 12°; Ryr 

Stursberg, P. W., Begrüßungspredigt — und Er 
führungswort des Paftors F. W. Krummacher. Cibere. 
Haſſel. Gr. 8. 2, Nor. 

Die Preußifche Verfoffungsfrage. Hiftorifch entwickelt wi 
durch Ruͤckblicke auf den deutfchen Bund beleuchtet. Ref 
Beurtheilungen der neueften über diefen Gegenftand erfhirn 
nen Schriften. Leipzig, D. Wigand. Br. S. 15 Rur. 

Schleswig:holfteinifche Volkslieder. Iſtes Heft. Hambutz 
Schleswig-holfteinifche Buchhandlung. 8. 1, Nor. 


Verantwortlicher Heraudgeber: Oeinrich Wrodbpans., — Drud und Werlag von F. X. Wrodhans in Leipzig 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





1. November 1846, 





Zur Nahrigt. 


Bon biefer Zeitſchrift erſcheint täglig eine Nummer unb der Preis beträgt für. ben Jahrgang 12 Thlr. Alle 
Buchhandlungen in und außer Deutſchland nehmen Beſtellungen darauf an; ebenfo alle Poſtaͤmter, die fi an bie 
Ronigl. fahfifdde Zeitungsezpebition in Eeipzig wenden. Die Verſendung findet in WBochenlieferungen unb 


in Monatöheften ſtatt. 





Der ſchweizer Dichter Gottfried Keller. *) 


Schon vielfach wurde die Frage aufgeworfen, warum 
ie Schweiz umter ihren ältern und neuern Dichtern 
einen hervorragenden, keinen Dichter erfter Größe be» 
ige, da doch ihre großartige Natur, ihre beldenreiche 
heſchichte, ihre freien Inſtitutionen gewiß ein Boden 
bären für eine frifche, lebenskraͤftige Poeſie? Es fcheint 
ndeh, dag eine Natur wie die des ſchweizeriſchen Ge⸗ 
gslandes auf Den, ber fie immer vor Augen hat, 
hre anregende Kraft verliert; daß durch die Gewohnheit 
8 täglichen Anſchauens die Größe ihres Eindrucks fich 
wrringert. Denn gerade aus dem Herzen ber Schweiz 
a wo die erhabenfte Scenerie in reichiiem Wechfel fh 
ntfaltet, wo alle Schönheiten vereinigt find, die in an- 
een Gegenden mehr zerftreut fi finden — ba ift und 
ein, auch nur ganz gewöhnlicher Dichter bekannt. Frei⸗ 
ich dient dort die politifche Freiheit nicht zu einer freien 
chendentwidelung. Diefe ift niedergehalten durch Aber- 
lauben, gehemmt durdy Fanatismus gegen Anderöden- 
ende, der angefhürt und genährt wird von Solden, 
ie fih Diener Gottes nennen, von Solchen, die in 
uelter Zeit, in Luzern, über blutigen Spuren unb 
terfermauern ein Regiment befeftigt haben, das für 
mmer ein Schandfled in der Gefchichte der Eidgenoffen- 
daft bleiben wird, Was die heldenreiche Vergangen- 
at der Schweiz betrifft, fo wird fie zwar zum Über: 
tuß citirend befungen; aber auch in diefem Genre liegt 
lichts von Bedeutung vor, als etwa Sal. Tobler's epi- 
hes Gedicht „Die Enkel Winkelried’8”.*) Aber eine be⸗ 
regte, gährende Zeit verträgt ſich nicht ſehr mit der Ruhe 
es Epos, deffen Periode vorüber zu fein fcheint ober 


*) Gedichte von Gottfried Keller. Heidelberg, ©. %. Wins 
t. 1846. Wr. 16. 1 Thlr. 3 Rgr. 

*, Bon demfelben Dichter bat foeben ein Gedicht, „Columbus 
e Preffe verlaffen, und wenn irgend einer, fo ilt biefer epifche 
toff ein für unfere Zeit gluͤcklich gewählter. 


noch nicht wiedergefommen if. Man wollte fchon be- 
haupten, daß für ausgezeichnete poetifche Productionen 
der Sinn des Schweizers ein allzu fehr aufs Praktifche 
gerichteter fei, wie denn auch die Wiffenfchaft von 
ihm mehr als Brotftudium als um ihrer felbft willen 
betrieben werde. Man meinte, daß in dem ſchwei—⸗ 
zerifhen Nationalcharafter mehr Kälte und weniger 
Phantaſie läge als in dem anderer Bölter. Uber ba- 
ben doch die Engländer, bei denen ebenfalls das Gemuͤths⸗ 
leben weniger hervortretend if, biefe praktiſchſte Nation 


der Welt, die ihre beften Kräfte der Realität widmet, 


in alter und neuer Zeit echte Dichter in großer Anzahl 
aufzuweifen! Darum glauben wir, daß für die Schweiz, 
wo bis zu den neueften Bewegungen das Leben, abge 
fehen .von einigen Ausnahmen, flagnirte, bei ihrer fort- 
Ichreitenden politifchen und intellectuellen Entwickelung, 
bei vermehrter Durchdringung und Vermiſchung neuer 
Elemente mit den vorhandenen, das goldene Zeitalter 
einer wahren begeifterten Poeſie noch kommen wird. 
Wir finden uns in diefem Glauben um fo mehr durch 
eine poetifche Gabe beftärkt, die ein junger Züricher, 
Gottfried Keller, nicht allein feinem ſpeciellen Vaterlande, 
die er dem ganzen beutfchen Lande weiht, dem er in fo 
mandyen feiner tief innigen und tief finnigen Gefänge 
aus feinen Bergen eine warme Bruderhand entgegen- 
reihe, wie 3. B. in dem Gedichte „Am Vorderrhein“ 
(8. 233): 
Wie ahnungsvoll er ausgezogen, 

Der junge Held aus Kluft und Stein! 

Wie bat er durſtig eingelogen 

Die Milch der Freiheit, frifch und rein! 

Nun walt der Bergedfohn hernicder 

Hin in mein zweite Heimatland: 

D, grüß' mir al’ die deutfchen Brüder, 

Die herrlichen, längs deinem Strand! u. |. w. 

Und fo fei auch von uns der Dichter gegrüßt, ber 

zum erfien mal mit einer größern Sammlung von 





Ba 7 | 


Poeſien öffentlich auftritt. Weiß er doch mit gewandter 
Hand die munderbarfien und verſchiedenartigſten Zöne 
und Weiſen anzufchlagen; mit feiner Beobachtungsgabe 
die mannidhfaltigften Stoffe hoͤchſt plaftifch, treffend und 
new zu behandeln; mit der heiligſten es den 
tiefften und zartefien Gefühlen ben ebel 

zu leihen, und mit kräftigen Stteihen und dem glüd- 
lichften Humor das Verkehrte und Schlechte zu geißeln! 


An einem ber Sonette (S. 97), welches Diejenigen, 
die gegen das „fubjective Dichten” eifern, fehr gut ab- 
fertigt, heißt es unter Anderm: 

Ein wunderlier Kauz ift der Poet, 

Der Das, was alle Andern blos empfinden, 
Mit wunderliden Worten fagen fann; u ſ. w. 
Aber Mehr als diefer Sag ift auf Keller felbft anwend⸗ 
dar. Sſe bettachtet er 3. DB. bie Natur mit feinem 
Malerauge — er tft auch Landſchafter — und bamit 
fieht er weit Mehr als alle Andern, und zugleich erfaßt 
er fie mit feinem Dichtergenius, vergeiftigt fie und ver- 
ſteht Die tiefſten Bed aus ihr zu leſen. Da 
ſind keine verſificirten Naturſchilderungen, wie wir ſie 
von fo viel unglücklichen, von ber Natur ſtiefmütterlich 
behandelten Naturliebhabern Fahr für Jahr bis zum 
Überdruß hören müffen. Da iſt nichts Gemachtes und 
Forcirtes. in rechtes Kind der Natur geht unfer Dich- 
ter nie kalt an ihr vorüber oder überfieht einen ihrer 
Reize. Immer finder er fie ſchoͤn, glänze fie in ihrem 
tühlingskleide, in ihrer Sonmmerpracht, ober fei fie im 
Hleier von Regen und Nebel gehülft, oder in bie flar- 
ren Bande des Winters gefhlagen.*) Bafür aber auch 
ift fie immer für ihn zu Haufe „feine Geliebte, die mit 
ew'ger Treue und ew'ger Jugend ihn etquickt“; am 
„Motgen“, am „Abend“, in der „Nacht“ fpricht fie zu 
ihm: troͤſtet ihm, beglückt ihm, legt ihm die tiefften 
Wahrheiten in ben Mund, offenbart ihm die ewigen 
Dinge. Aus dem Eyklus ber „Tageszeiten“ folgt hier, 
alt Beten bes Geſagten, bas Lied „An bie Nacht”: 
Wende did, du Feiner Stern, 

Erbe! wo ich lebe, ' 

Daß mein Aug’, der Sonne fern, 

Sternenwaͤrts ſich hede 

Peitig ift die Sternenzeit, 

14 


- DOfkat , 
nde Unſterblichkeit 


Str 
Wandelt durch die Luͤfte. 


Mag die Sonne nun bislang 
Anderh Zonen ſcheinen, 
Hier fuͤhl' ich Zuſammenhang 
Mit dem All und Einen. 

Hohe Luſt im dunkeln Thal, 
Selber ungeſehen, 
Durch den majeſtat'ſchen Baal 
Afhmend mitzugehen. 

Schwinge Dich, o gruͤnes Rund, 

n die Morgenröthe! 

eidend rũckwaͤris fingt mein Mund 

Jubelnde Gebete. 





) Gehe den Enfiud ber „Ichtebzciien‘ (WB, 35— TU. 


n Auddruck 


Lieblich dieſe Sonne ladht 
Und der Tag wird heiter: 
Doch wer n ee einfam wacht, 
Kennt — noch Etwas weiter. 

Einem andern "Gedkhte (&. 26) in dieſem Cytiu 
liegt die Ibee der Befreundung mit dem Tode in tina 
ganz neuen Wuffaffung zu Grunde. Doc würde dat 
Gedicht auch ohne die nähere Ausmalung und Symbe 
liſirung „des tiefften Schahts der Mutter Erde” an 
feiner Bedeutung Nichts verlieren. Verſe wie „de 
Sehnſucht blaue Kerzen”, die ſich in „der Entfagum 
Erzen fpiegeln”, haben doch einen etwas zu romantiih: 
moftifchen Beigeſchmack. Dies fällt um fo mehr auf, 
ale das Novalifiren fonft gar nicht Keller's Art ik 
Finden fi, was indeß fehr felten der Fall ift,- Unftar- 
heiten, fo liegen fie im Ausdrud, in der Wortfügung, 
können alſo fünftig mit einiger Aufmerkſamkeit leicht 
vernrieben werden. Ebenſo follte wer in ber pad 
fo viel Gewandtheit mie Keller zeigt, ſich nirgend die 
Sache allzu leicht machen, und 3. B. das regierenk 
Heitwort nach dem ven. Schon Banke, 
dem ed an echtem Dichterberuf fehlte, glaubte mit eine 
fhulgerehten, in jeder Beziehung reinen Form Ad 
gethan zu baden, wollte den Mangel an Seele dur 
einen febhlerfeeien Körper erfegen. Darum hat ed je 
Gutes, daß eimmal ein Dichter voll wahren Gehalt 
fich nicht bei einer kleinlichen, pebantifhen Zoilette af 
hätt, fondern in leichtem Gewande erfcheint. Daß hir 
fes kein nadhläffiges fei, iſt eine Foderung, die in hr 
tiger Zeit Jeder an fich felbft fielen muß. Sie kann mı 
unferm ſchweizer Dichter, ber fonft ein Meifter in de 
Form iſt und jedesmal die dem Stoff entforechendfr m 
finden weiß, gewiß am leichteften erreicht werden; braskt 
er doch darıım nicht gerade einen oder ben andern if 
nen Sinn einem reinen Reime aufjuopfern. 

Nachden Keller die Natur auf ſich einwirken id 
und diefe Wirkungen ausgeſtrahlt hat, bewegen fid fer: 
Gedanken und Empfindungen in weitern Kreifen: a 
wendet ſich zu ben politifchen und focialen, zu ben Pr 
gättnigfen ber Menſchen zu Menſchen. Unter den in 
formeller und ideeller Hinficht gleich werthvollen Sent: 
ten befinden ſich einige deſonders ausgezeichnete mit da 
Zitel „Auch an die Ichel“. Sie Beziehen ſich nad die 
fem neuen ganz treffenden Auédruck ) auf bie Antir 
ger einer negativen Philoſophie, die in dem leeren zii 
gefchrei, det Menſch fei zum einzigen Princip zu mache 
ſchon die Löfung ber ewigen Aufgabe des Menſcher 
geiftes, ſchon die Antwort auf die Fragen nad, Goft u 
Unftetblichkeit gefunden zu haben glauben. Hören m. 
wie unfer Poet im zweiundzwanzigſten Sonett (S. 1) 
daruͤbet denkt: | 

Wer ohne Schmerz, der ift auch ohne Liebe, 

Mer ohne Leid, det ft auch ohne Treu', 
Und Dem nur wird die Sonne wolkenfrei, 


Der aus dem Dunkel ringt mit heißem Triebe. 


*) Giche „Eine literariſche Fehde über den neuphiloſoodtder 
Nihilismus“ in Nr. 1 b. Bi. 


1219 


Bei euch if Nichts ats laͤrmendes Geſchiebe, 
In wilden Zumasel trollt ihr euch berbei, 
Meßt vor dem Geiſt das Erdreich fonder Gcheu, 
Als ob gu hoffen fein Golumb mehr bliebe. 


Gmb IR der eig'ne Leichnam no nicht Bar; 
Ihr kennet kaum ven Wurm zu euetn Füßen, 
Die Blume nicht, die fproßt auf euerm Grab: 
Und dennoch Prönt ihr ſchon mit Stroh das Haar, 
As Eintagsgötter ftolz euch zu begrüßen — ; 
Der 8weifel fehlt eu —: Das bridt euch den Stab! 

Was einmat das Gemüth eines Dichters innig be- 
wegt und tief ergriffen bat, das fpiegelt fich in den 
vieifachſten Strahlenbtechungen, wie wir Das in dem 
fgon früher in Ar. 78 d. BI. erwähnten Cyklus von 
„Riebestiedern” finden, der in dem vorliegenden Bande 
Burch neue liebliche Zugaben noch reiches und mannich- 
faltiger geworben if. In dieſe feufchen reinen Gedichte, 
in biefen lyriſch⸗epiſchen Kranz, den der Dichter einer 
frühen Jugendliebe weiht, find höchſt finnig die Tages: 
und Sahreszeiten eingeflochten, ben Hintergrund ber Hand» 
lung bildend. Die Gellebte, weicher ber Dichter im Früb- 
ling unter Blumen begegnet, blüht ihm den Sommer 
hindurch. Im Herbft findet er fie einmal im Walde: 

Sie war allein; doch grüßt” ich fie 
Kur ehrfurchtsvoll im Weiteren, 
Weil ich fie, feit ich liebte, nie 
So ſtill und ſchoͤn gefeh'n. 

Doc ſchaut' aus ihrem Ungeficht 
Gin fremdes Etwas Fakt hervor; 

Es lag auf ihrer Augen Licht 
Wie feichter, Dunkler Flor u. f. w. 

Diefes Etwas iſt der Vorbote der nahenden Krank⸗ 
beit, die fie im Winter aufs Lager wirft und im Fruͤh⸗ 
ling ihm entreift. Er begräbt fie unter Blumen, ent- 
rings fih feinem Schmerze, ruft aber in dem Gedichte 
„Nachhall“ (&. 169) aus: 

Wie ich fahr’ in fliller Nacht 
Auf den Silberwellen, 

Hebt mein Web mit alter Macht 
Wieder an zu fchwellen. 

Sieben Jahre find dahin 
Wie ein Tag geſchwunden: 

Und noch immer gtüh’n und biüh’n 
Meine alten Wunden u. f. w. 

Don noch ergreifenderer, dramatifcher Wirfung und 
einer überrafihenden Originalität fmb die „Gebanken el⸗ 
nes Lebendigbegrabenen” (&. 177298). Darüber iſt 
mit dem Dichter nicht zu rechten, ob es wahrſcheinlich 
fe, daß ein lebendig Begrabener feiner grauenvollen 
Rage, die indeß Keller durchaus nicht ins widerlich 
Gräßlihe gemalt hat, eine humoriſtiſche Seite abge 
winne, daß ex fo reffinnige Meflegionen anftelle, fo ge⸗ 
niale Ideen babe. Der Dichter hat ale ſolcher einem 
Freibrief, der ihm das Recht gibt, jede vorkommende 
Erfcheinung, die nicht außer dem Berriche ber Aſthetik 
und der pfochologifchen Möglichkeit liegt, auch wenn es 
ſich um Schilderung von Geelenzufländen Handelt, auf 
die Flügel feiner Phantafie zu nehmen und file ben 
Schranken bes bios Gewoͤhnlichen zu entrücken. 

Nachdem der Lebendigbegrabene in feiner engen Tod⸗ 
tenkammer erwacht und fi) bewußt geworben if, rafft 


i er fich zufümmen umd befchließt gegen ſein graufenhaf- 


tes Geſchick anzufämpfen (8. 182): 
Bon Erdenduldern ein verlor'ner Poften, 
Will ich hier fireiten an der Hölle Thor! 
Den herbften Kelch des Leidens will ich koſten, 
Halt mir den Beer, göttliher Humor! 

Höhft eigenthümlich find die beiden Hietauf folgen- 
den Gedichte. &. 185 hört er den Küfter und Deffen 
Frau vor ihrem Haufe in feiner Nähe flreiten; er faßt 
Hoffnung, doch vergebens, und nun bricht er in dert 
Wunſch aus: 

Xäg’ ich wo es Hyaͤnen gibt, im Sand, 

Wie wollt’ ich hoffnungsvol die Nacht erharren, 
Dis eine kaͤme hungrig bergerannt, 
Mich heulend aus ber lockern Gruft zu feharren! 

Wie wollt’ ich freudig mit dem wilden hier 
Dann um mein Leben unermüdlich ringen! 

Im Sande balgt' ich mich herum mit ihr, 
Und weiß gewiß, ich würde fie bezwingen. 

Und auf den Rüden fchwäng’ die Beftie ich 
Und fpräng’ im Leichentuch, wie neugeboren, 
Und fingend heimwaͤrts und fchläg' wonniglich 
Dem Arzt den Zodtengräber um die Ohren. 

Später hört er die Glocke 12 fchlagen. Ihr Klang 
erinnert ihn, daß es Mittag iſt; zugleich ergreift ihn 
der Gedanke, daß es auch 12 Uhr in ber Nacht fein 
könne, und nun verfludt er feine Armuth, die ihm fein 
Kleinod gegönnt; das den vielleicht nach Raub berbei- 
ſchleichenden Todtengräber anloden fönnte. Seinen Angfls 
ruf vernimmt Niemand; „Wer follte auch zu dieſem Hü- 
gel kommen?“ Seine Mutter ift nicht romantifch: fie 
beweint ihn zu Haufe; und dem Liebchen hat er nie 
gewagt feine Liebe zu geftehen: 

Wenn einfam fie vielleiht und ungeliebt 
Nachdenklich manchmal ihre Augen fenkt, 
D wüßte fie dann, daß ein Herz es gibt, 
Das hier im Grab Iebendig an fie denkt! 

Nachdem er aus Hunger eine Rofe, aufgegeffen, bie 
man ihm in die Hand gegeben, ift ber Übergang zu dem 
Entſchluß, micht fterben zu wollen, meifterhaft. Er ſtrengt 
feine ganze Kraft an — doch bie Breter, die ihn ein- 
engen, halten wie Felſen. Erſchoͤpft ſinkt er wieder zu- 
fammen. Die Idee kommt ihm, daß diefe Breter von 
einem Tamenbaum fianimen, und nun machen Jugend⸗ 
erinnerungen in ihm auf an Tannenwalder und Tan⸗ 
nenbäume. Die drei Gedichte, welche dieſes Thema be- 
handeln, find hoͤchſt reizend, namentlich bas ©. 203, 
we uns eine Scene aus einem Schügenfefl vorgefühet 
wird. Sie bilden das lieblichſte, zarteſte Intermezzo in 
dieſer kraͤftigen Dichtung. Die traumartigen Erinne⸗ 
rungen ſtimmen jetzt den Begrabenen weich; er findet 
wieder Thraͤnen, er ergibt ſich in fein graufenhaftes 
Schickſal. Das Hierauf folgende dicht (&. 701) mit 
der Unfangeftrophe: 

Ich bin befreit, mein Weh Hat ſich gewendet, 

Und ich empfind’ ed, ih bin nicht allein, 

Der feine Strahlen durch das Weltall fendet, 

Er ftrahlt mich an durch diefen Todtenfchrein — 
Hi tief ergreifend. Ebenſo das leste Gedicht, mit fol» 
gender Schlußſtrophe: 





Run geht's and Sterben — ſtrenge Seelenzucht, 
Der ich mich ſcheidend unterwerfen fol! 
Mein Denken fchwindet mir in Dunkler Flucht, — 
Matt ſchlaͤgt daß Herz, — bald bricht's — erwartungsvoll. 

Spiegelt ſich nicht in bdiefem Leben im Grabe ein 
ganzes Menſchenleben ab mit feinen Wünfhen und 
Kämpfen, feiner Ergebung und Erhebung? Wir zählen 
diefen Eyflus mit zu dem Ausgezeichnetften in der gan« 
zen Sammlung, wenn auch vielleicht bier und da auf 
die Ausarbeitung im Einzelnen noch mehr Sorgfalt 
hätte verwendet werden können. 

Eine Reihe von den vorigen ganz verfchiedener länd- 
licher Bilder von großer Anfchaulichkeit und finnvoller 
Bedeutung entfaltet fih vor uns in der „Feuer⸗Idylle“, 
über die wir nur deshalb ſchnell weggehen, weil fie 
hon einem Theil des Publicums aus dem zweiten 
— des „Deutſchen Taſchenbuch“ bekannt iſt. 

(Der Beſchluß folgt.) 


Das „Edinburgh review” im Kampfe für 
Deutſchland. 


Samuel Laing, auch in Deutfchland hochgeſtellt, nament⸗ 
lich durch feine Schriften über Agypten und Norwegen, bat 
feine englifche Uberfegung des isländifchen Geſchichtswerkes oder 
Sagabudyes „Heimskringla” (deutfh von Wachter, 2 Bde., 
Leipzig 1835 5 von Mohnike, Stralfund 1837) unter dem Zitel: 
„The Heimskringla; or, Chronicle of the kings of Norway. 
Translated from the Icelandic of Snorro Sterlesun, with a 
preliminary dissertation” (3 Bde., London 1845), zu einem 
tüchtigen Hafen gemacht, die Behauptung daran zu hängen, 
daß die teutonifhen Stämme, insbefondere Bermanen und Sad): 
fen, in Peiner Hinficht fi mit den ffandinavifchen meflen koͤnn⸗ 
ten, weder was ihren Charakter und ihre Inftitutionen noch 
was ihre Literatur anlange. Gegen diefe Behauptung und 
den verfuchten Beweis iſt ein Mitarbeiter des „Edinburgh 
review’ (October 1845) in die Schranken oder vielmehr ans 
Balhfaß getreten und hat Hrn. Laing mit um fo fihärferer, 
weil aus gefchichtlihem Stoff gezogener Lauge gewafchen. Die 
fraglihe Behauptung bildet den vorberrfchenden 8weck der 
beigegebenen einleitenden Abhandlung, in welcher der Verf. 
anfcheinend nur die Zuftände und den Charakter der „‚Rorb: 
männer” beſprechen will, piou⸗ aber mit dem: Ergo her⸗ 
vorfpringt. Nachdem der Kritifer erfchöpfend gezeigt Bat, 
daß der Nerf. fih in ftarfem Irrthume befindet, wenn er für 
die ffandinavifche Kiteratur des Mittelalters ein Monopol des 
Bollegenius und der Volksſympathie beanfprucht, Heißt «6: 
„Bab es ein ſolches Monopol, fo befaß nicht Skandinavien es 
gegen das übrige teutonifche Europa, fondern Island gegen 
das ührige Sfandinavien. Und das ift ein mäßiged Vorrecht, 
eins, das die Sfandinavier des Feſtlandes vielleicht unter ihre 
teutonifchen Brüder, aber ganz gewiß nicht über fie ftellt. Doch 
fetbft die damaligen Islaͤnder können fi kaum mit ihren ger 
manifchen Beitgenoffen meffen, fie überragen gar nicht.” Gleich 
ſachkundig ift die Abfertigung des Verf. wegen feines für Stan: 
dinavien beanfprucdhten Monopols der Freiheit. Ihm zufolge 
ftammen alle freie Inftitutionen teutonifcher Völker aus Not⸗ 
den. „Wir brauchen ja nur”, Iogt er, „England und die Ver: 
einigten Staaten von Nordamerika mit Sachfen, Preußen, Ha: 
nover oder irgend einem Volke zu vergleichen, das ſich altgerma- 
nifcher oder a u Abkunft nennt, um du ſehen, daß, wo» 
ber immer ein Lufthauch bürgerlicher, religiöfer und potitifcher 
Breiheit, geiftiger Unabhängigkeit und freier Bewegung im ge: 
felligen Leben ihm zugeflogen ift, feine Heimat nicht die Ufer 
des Rheins und nicht die Wälder Deutfchlands gewefen find.” 
Dann: „Rie, von den früheften Daten neuerer Gefchichte bis 


— — — 


auf den heutigen Zag, bat das deutſche Volk, Haben bie chtm, 
unvermifchten Abfömmlinge ber alten fächfifigen Rare, wie u: 
eitus fie beſchreibt, eine einzige Stunde religibſer, bürgerlig 
und politifcher Freiheit gehabt, weder als Rationen nohh al 
Individuen; fie haben nie die Rechte der Freiheit gerofen, 
welche Der amerifanifche Bürger oder der britiſche Untertken, 
wenn auch befchränft, bis heutigen Tags im gefelligen Ber: 
bande über feine Perfon, fein Eigenthum unb feinen Kit k 
figt.”” Darauf der Edinburger: „Wir haben biefe über 
gende Schreibart bedauert und uns darüber gewundert. Zi 
die deutſchen Völker, zu welden Hr. Laing den gefammte 
nichtſtkandinaviſchen Theil des teutonifchen Europa zählt, währen 
des weiten in feiner Behauptung umfaßten Beitabfchnitts «nie 
eine einzige Stunde religiöfer, bürgerlicher und politiſcher frei 
beit gehabt, weder ald Nationen nody als Individum., ıf 
entweder eine handgreifliche Ungereimtbheit oder deutet auf u 
nen Misbrauch des hiftorifhen Stils, der ihm allen Glauhen 
und fogar allen Sinn benimmt. Es würde uns tief [hm 
und wir würden es ungern niederfchreiben, müßten wir & für 
wahr halten, daß in neuerer Zeit nicht eine Stunde Freihei 
der großen Nation zu wi geworden, welcher die neuere ft: 
beit Die Preſſe und die Reformation zu danken bat! In jelän 
Weiſe von einem Lande zu reden, das zu verfchiedenen Epochen ur! 
in verfchiebenen Provinzen bes menfchlichen Denkens einem Lutkt, 
einem Leibniz, einem Leifing das Dafein gegeben: — es ift Dusen 
Verſuch, der fich feine eigene Grube graben muß. Feſt in unfat 
Überzeugung, daß freie Inftitutionen die einzig dauernden Fr 
ladien der Freiheit find, thut es uns leid, daß Deutfchlant «= 
den Wechfeln feines oft gehemmten Fortſchritts ſich nicht mc 
Volksrechte bewahrt hat. Wir gehören jedoch nicht zu ir 
politifhen Pufepiten, welche Alle und Jede über den Grei 
pfahl praßtifher Freiheit zurückweiſen, deren conftitutiensk 
Formen nit nad unfern eigenen GBlaubensfägen gem 
find. Es bat Freunde der Freiheit gegeben, ebenjo was 
Freunde wie Hr. Laing, die in der altgermanifchen Berfaitr: 
Bieled zu bewundern und bhodyzufchägen gefunden, weil Bus 
barin ift, was zur gefellfchaftlihen Ausbildung und zur Sie: 
beit Derer, die darunter gelebt, wefentlidh beigetragen. Ke 
lich, daß Bölkerfchaften vor andern ungleich begünftigt n:*= 
find. Rur hätten wir es unmöglich geglaubt, daran zu 
feln, daß die Municipal » Berfaffung und die Privilegien dar x: 
nehmſten Hanbelsftädte an der Elbe und am Rhein durd ©: 
Beijpiel Die Unabhängigkeit unferer eigenen Flecken maͤchtiz at 
fördert und dadurch ein unfhägbares Gewicht in die Ba 
ſchale geworfen haben gegen die Schwere der Feudulm:t: 
welche unter normannifem Einflufie jene aufzufchnellen drei“ 

Es erhöht den Werth des hier nur berührten Aufſahet 
daß die Strenge, mit welder der Verf. an dem ftaglitt 
Werke Tadelnswerthes getadelt, ihn nicht verhindert hat, # 
benswerthed zu loben. Selbſt die gewaſchene dissertauss 
nennt er „eine Wrbeit, die wie Alles, womit Hr. any = 
Welt beſchenkt habe, durch Originalität und Schärfe und tırd 
eine Kühnheit der Sprache und Gediegenheit des Bortragt ih 
auszeichne, die bisweilen der-Beredtfamleit nahe kämen“. ?: 
eigentliche Werk aber nennt er eine in allen ihren Schwiergle::” 
rühmlichft gelungene Aufgabe, durch deren Löfung der Rat.” 
um die englifche Riteratur neue Verdienfte erworben. 





Literarifhe Anzeige. 


Im Verlage von F. XR. Brockhaus in Leipzig it nu 
fhienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Meißner (G. A.), Sperialgerichte für 
unfere Fabrikgewerbe. Gr.8. Geh. 28 Ryı 
Bu Anfang diefes Jahres erfchien dafelbft von dem Berfattt 


Die Fabrilgerichte in Frankreich. Gr. 5. 94 
20 Nur. 


BE tiedäthedl. et. iecsdenertcediristiedehdiiechi ehe rider. MO 
Berantwortlicder Herausgeber: Heinrich Brockdans. — Drud und Verlag von F. . Arockhaus in Peipyig- 


Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Montag, 


ö— Kr. 306, 


2. Rovember 1846, 








Der ſchweizer Dichter Gottfried Keller. 
( Beſchiuß aus Nr. 3.) 


Unter dem reichen Schag von vermifchten Gedichten 
finden ſich mehre fehweizerifeh » vaterländifche, aus denen, 
was man nad dem Vorhergehenden erwarten konnte, 
eine von der herkoömmlichen Parteileidenfchaft freie, 
wahre Vaterlandsliebe athmet. Kann doch ein echter 
Poet nicht anders als auch ein echter Patriot fein! Die 
jegigen Zuftände ber Urcantone, die Eingangs dieſes 
Auffages flüchtig erwähnt wurden, haben Keller zu dem 
in d. BL. ſchon früher abgebrudten Gedichte „Die Wald⸗ 
ftätte” und zu dem kernig « plaftifchen „Loyola's milde 
vermegene Jagd“ (&. 237) den Stoff gegeben. Die 
Befreiung Steiger’6 aus den Händen ber Ultramonta⸗ 
nen, die Jedem der das Herz auf ber rechten Stelle 
bat es freudvoll fchlagen machte, mußte auch den Gän- 
ger begeiſtern. Hier die erfte und legte Strophe des 
Gedichte: 

Mit deinem Adelöbriefe wohl en 

Dem Todesurtheil mit dem argen Riß, 
Seh'n wir dich-jugendlih und frifch erftehen 
Aus deined Kerkers Falter Finſterniß. 
Des Unglüds Feuertaufe auf dem Haupte, 
Den legten Kettenring noch an der Hand: 
So fihreiteft du durch dieſes jung belaubte 
Und doch fo tief gebeugte Vaterland! 


Rimm bin die Lieder und die Befigefänge! 
Es Laufcht ein heil’ger, ftarfer Zorn barin! 
Die bitt're Klage in dem Luftgebränge, 
Ten Dorn, den diefe Rofe birgt, nimm bin! 
Denn was dem müben Volk das Herz durchzittert, 
Legt's heimlich in die Grüße mit hinein; 
Ob's nun in Freude oder Leid gemittert: 
Es wird nit minder ein Gewitter fein! 

Daß ber junge fchweizer Poet nicht jene engherzige 
Vaterlandsliebe theilt, von der noch manche feiner Lands⸗ 
leute befeffen find, geht aus dem Gedichte „Einkehr un- 
terhalb des Rheinfalls“ (&. 285) hervor, worin er un- 
ter Anderm ausruft: 

Wohl mir, daß ich dich endlich fand, 
Du fliller Ort am alten Rhein, 
Wo, ungeftört und ungelannt, 
Ich Schweizer darf und Deutſcher fein. 
Us letzterer Hat er wol das Hecht, auch deutſche 


Zuftände zu beleuchten, und um fo mehr, als Dies theits 


auf fo plaftifhe, theils auf fo wigige Weife gefchicht, 
wie in ben Gedichten „Der Küraffier”, „Frau Michel”, 
„Morgenroth” u. ſ. w. (S. 266-—27 ), „Deutfcher Frei⸗ 
heitskrieg“ (S. 98). Und wie beſchaͤmt der feine Takt in 
einem Gedichte an Lenau ſo manche deutſche Literaten, 
die eine unzarte Hand an das dunkle Geſchick des edeln 
Saͤngers legten! Ein poeſiereiches Gedicht iſt auch Frei⸗ 
ligrath „bei feinem Eintritt in die Schweiz, im Fruͤh⸗ 
ling 1835” gewidmet. 

Man fühlt befonders bei den Gedichten am Schluß 
des Bandes, daß Alles was dem Dichter auf feinem 
Lebenswege begegnet fi) ihm poetifch geftaltet. Wie 
wäre auch fonft die Frifhe und Unmittelbarkeit feiner 
Schöpfungen, das Plaftifche mas alle an fih tragen, zu 
erfiären? Und in wenig einfachen Worten wirb oft fo 
Viel gefagt; eine Kunft, bie in neuerer Zeit faſt verlo⸗ 
ren gegangen iſt, wo oft bie prächtigen Worte nur tü- 
nendes Er; und klingende Schellen find, die bad Ohr 
betäuben unb abftumpfen. Häufig auch bedient fi 
Keller fehr einfacher Motive. Er weiß 3. B. an das 
Begegnen einer Bettlerin, an bie Erſcheinung einer 
Spinnerin feine Fäden anzutnüpfen, die zu einem Ge⸗ 
bilde mit einem Schluß von univerfeller Bedeutung ſich 
geftalten. „Am Sarg eines neunzigjährigen Landmanns 
vom Züricherſee“ (&. 331) zeichnet der Dichter nicht 
nur die Gefchichte eines Lebens, er gibt auch die bes 
Volkes überhaupt und die der Zeit. Aus der folgenden 
erften und legten Strophe mag der Lefer Ton und 
Haltung des Gedichte entnehmen: _ 

So bift bu eine Leiche! 
So ift die alte Eiche 
Doch endlich abgeborrt! 
Es ift ein lang Stück Leben, 
Das wir dem ode geben, 
Ein ausgeflungen Gotteswort- 


Propheten, lernt eu neigen! 
Richt auf zu euch ſoll fleigen 
Der Kronen kalte Pracht: 
ernieder laßt und dringen, 
emütbigen Herzens bringen 
Licht in der engften Hütte Radht! 
Hört e6, ihr Dichter, die ihe anf „ber Menſchheit 
Höhen wohnt” und fucht euere Kronen in ben Ziefen, 
bei dem „bleibenden Volk, dem rechten Fe 








1322 


24 
Wer wird ſich nicht tief erſchüttert fühlen bei dem 
Gedichte „Poetentod” (S. 311) mit feinem "überrafchend 
neuen Schluß? Wird nit Mandher fein Spiegelbild in 
„Mobernfter Fauſt“ (S. 319) erkennen? Die hohle 
feige Blafirtheit unſerer Zeit konnte in fo wahren Zü- 
gen yur non Jemand gezeichnet werden, der wie ber 


Dichter durch feine Offenheit am Schluß bes Gedichts 


beweift, wie weit er über Denen ftoht, die er fo treffend 
dargeftellt hat. Erzeugniffe wie die vorliegenden konn⸗ 
ten nur aus Dem hervorgehen, der hellen Geiſtes und 
unverdorhenen Herzens fi einen einfachen, frifchen, affe- 
nen Sinn bewahrt hat. "Wer wie Keller ausruft: 
iß ni in mich wenden 

reg ent dor ni ftelt — 
uns in ders. „WBanberlied" (S. 249): ’ 
ot Nichte nehme’ ich mit als dan Berker, 

Mein leichtes Saitengetoͤn; 

34 mund.re mich. über. die Maßen, 

je's uͤberall doch fo fchön! 
der iſt gawiß weit von jener Zeit- und Modekrankheit 
der Blaſirtheit entfernt, die ben damit Behafteten Nichte 
mahr auf der Welt ſchoͤn finden laͤßt. 

Eine eigenthümliche Gabe befigt auch Kelle darin, 

ex feinen Gedichten eine Pointe zu geben verfleht, 
die nicht allein duch ihre Schünheit, fonbern auch durch 
die unerwartete Richtung die fie oft nimmt großen 
indruck macht. Dies tritt befonders hexvor bei ben 
Bebichteu „Brillen“ (S. 323) und „Bei einer Kinbes- 
leiche“ (S. 325). Erſteres begiunt mit einge lieblichen 
Duperxtuxe, deren Thema bie Poeſie if, und das letztere 
ſchleßt, um auch eine Probe von Keller's Stanzen zu 
sehen, mit her folgenden 
‚ _ Ba den du wiederkehrſt, grüß: mir. bie Duelle, 
Dreh Lens Bern, d — 2— gruß! das Meer, 
Das Eine Meer des Leben, deflen Welle - 
och flutet um die Dunffle Klippe ber, 
i es figt, der traurige Befehle, 
Bar Aod — verlaflen, einſam, Upnömenfchmer, 
Bram ihm bie Seelen, kaum hier eingefangen, 
. Rauf jubelad wieder in die See gegangen. 

Dieſe Ispten, Gedichte, in denen ber Dichter das 
rein Mepfchliche, erfaßte und aus heffen ethiſcher Tiefe 
——A— gehören ohne Zweifel der aeueſten Zeit an. (8 
ginge Dies ſchon, im Vergleich mit den fruͤhern, aus ih⸗ 
rer großen Vollendung bezvor, wenn aush nicht das in» 
haltſchwere, in einem reizenden Rhythmus ſich bewe⸗ 
gende Schlußgedicht die Überſchrift Am Himmelfahrt⸗ 
tag 1846” trüge. | 

Mögen bie Lefer durch die gegebenen Andeutungen 
über das fichtlich fortſchreitende Zalent Keller’s und 
durch die mitgetheilzen Proben ſich angeregt fühlen, die 
Gedichte felbft zur Hand zu nehmen. Sie theilen dann 
gewiß bald die Überzeugung mit un, daß biefe Poeſien 
zu gebantenteich, zu fein und tief find, um die Herzen 
im Sturm zu exrobern; daß fie aber deſto ficherer den 

Den wirklich Denkenden, Sinnigen und Züh- 


Ausg gen 
lenden fi, hahnen werben, fei auch ihre Iubiwiduglität. 


weiche fie wolle. Bei der großen Vexſchiedenheit bez 


Gedichte an Inhalt und Form findet gewiß ein Jan 
Etwas, das ihn anfprechen, erfreuen, ergreifen min. 
Auch die Anordnung ihrer Reihenfolge, worin fih a 
ben großem Wechfel ein pfochologifher Zufammenkan 
findet, ift fehr zu Toben. Und lefen und wieder kim 
muß man biefe Gedichte. Das fie biegdur mehr un 
mehr gewinnen, tft wol ber ficherfte Beweis ihres Ber 
thes. Sind fie doch ein Schacht, in dem man je tiefer 
man ſich bineinverfentt, defto reichere Schäge entdedt. 
So made denn ber junge Dichter feinen Bu 
Wenn irgend Einer, fo hat er eine Gegenwart, die he 
die Zukunft verbürgt! 59, 


Jamaica und die Dortigen Reger. 


Die Schrift: „‚Jamafca, its past and present state”, wild 
im verigem Sabre in London erfchienen ift, hat einen Milfen 
der Baptiften, Herrn Philippo, zum Verfaſſer, der 20 Iahte 
lang auf der Infel thätig gewefen. Vielleicht marht der im 
fand, daß der Berf. Baptiften «- Mifftonar ift, Manchen mil 
trauiſch gegen fein Buch. Es ift wahr, daß den Riſſioretn 
häufig, ber Vorwurf gemacht worben iſt, fie verführten nit 
nur die Meger zur Aufſäſſigkeit, jondern verbreiteten auch fi 
fhe Rahrichten über deren Rage und Bildungsfähigkeit vom 

den ber Pflanzer: fie feien aus Herrſchſucht und der die 
mel weiß was für eigenfüchtigen Interefien Freunde der Schar: 
zen umd Beinde der Weißen. Beſchloß doch auf Jamaica 5 
3. 1832 das Comité der Colonialunion für Die Kirchlpick 
St.:Mary, St.: Ann, Trelawney, St.sIames und Hancıc, 
„mit Gefahr des Lebens zu verhüten, daB Baptiften oder Rt 
glieder anderer Sekten im Bereiche der Union predigen st 
Icheen dürften”, unb führte als Grund ſowol bie Ghrfurht x 
bem Glauben ber etablirten Kirche al& ben Eifer an, Jam 
vor kuͤnftigem Unglüd zu bewahren, indem „jene Prediget !ı 
&Sflavenbevölkerung glauben machten, fie fei unterdrüdt :e 
leide Nichts als Unrecht, der König von England aber mi: 
fie frei machen”. Herr Gurney, felbft Philanthrop, gerecht \s 
feinem „A winter in the West-Indies”): „Einzelne Rifkenm 
baben, wie leicht zu erachten, während der langen Fortdauer It 
Feindfeligfeiten und Dinderniffe, mit denen fie zu Pampfen be: 
ten, nicht immer die Grenzen ber Mugheit und Mäfigung ar 
gehalten. Mir felbft find Beifpiele davon vorgekommen U 
lein dieſe alle find Nichts, gegen das Gute gehalten, da 
diefe frommen Männer im Ganzen duch ihren Einfin 
wirft haben u. f. w.“ Es ıft wahre, Daß von beim 
Seiten gelogen, verheimlicht, übertrieben werden if, X! 
©eiten der Porlantfrcpen md ihrer Sendbboten wie von Se⸗ 
ten ber ehemaligen SMavenbefiger und ihres Anhangs. IX 
gerade die fo ff einander entgegengefepten Urtheile und Ir 
fiherungen dem entfernten Beobachter ein Mittel, n4 
von der mitteninne Tiegenden Wahrheit eine WBorfiekun % 
machen. Ein anderes folches Mittel Tiefert die Bergleihun; 
der officie® feſtgeſtellten Erfolge mit den Vorherſagungen, 3 
deu 26 dir Anhänger: brider Parteien niemeeia feilen lieſe 
Ver die Geſchichte der Regeremancination auf Den weſtiadi aa 
Colanien won ihrem ix fprunge bis in die legte Zeit vers 
und alle zu uns gelangten Rachrichten über Ben Berlauf uf 
die Ergebniffe derfelben aufmerffam untereinander verglih® 
hat, wird ohne Zweifel zu der berzeugumg gelangt fein, da 
der Negerrace von allen weſentlichen Eigenfchaften der Kir 
ſchennatur keine fehle, daß fie zus Bildung und Chefittung © 
nigftens ebenfo viel Anlage Habe ab& all -das MWiutfauger: @ 
Diebögefindel, welches fie Jahrhunderte hinducchj grauſam m 
hankeite und fein Woͤglichfas that, fie zum Sich deren 
brictta; doß bie Auslaãen der Philanthroen und Miliz 


weun ud) oft ebene leide ma Gıhime malend wis 
die Der Beguee Int Pißliche malen, 
gend —— 25 als die Behauptungen der Incereſſenten bei 
alles von Negerbebrädung waylaubwärdig find. 

Die Shilderımgen, welche Bere Philippe von den Schwar ⸗ 
zen macht, ſtimmen übrigens im Wefentlichen mit denen der 
offiriellen Docuntente, w in England publieirt und au in 
Ftankreich In eimer auf Befehl des Baron Duperre veranſtalte⸗ 
ten Zufammenftellung in franzäfifcher Sprache (4 Bde.) den 
Kammern mitgetheilt wurden, fo gut überein, daß fi ihre 
Glaubwuͤrdigkeit nicht bezweifeln täßt. Die vielen frommen 
—* and breiten Lobreden auf die fruchtbare kirchliche 

igteit der Miffiondanflaften muß man dem Berf. zu gute 
halten. Wie gerwöhnlich bei umfuflendern Berichten über den 
guſtand der weftindifchen Infeln treten folgende Punkte ala die 
wihtigften hervor: 1) daß der Zuftant der Colonien vor der 
Emancipatien gleich bebauernswürdig in fittkicher und in wirth⸗ 
ſchaftlicher Hinſicht geweſen, nicht blos in Betracht der ſchwar⸗ 
zen, fondern auch der weißen Bevölferung ; 2) daß’ infolge der 
Emanckpation eine fehr fühlbare Berbefferung diefes Zuftandes 
in beiden Beziehungen binnen ber hätenibnebig Febr kurzet Zeit 
eingetreten: 3) daß eine noch wett ſchnellere Entwidelung moͤg⸗ 
lich geweſen wäre, wenn bderfelben keine andern Hinderniſſe im 
Bee geftanden hätten als die gifigen Fähigkeiten der Neger: 
rare; und 4) daß die Entwicklung am meiften aufgehalten 
werde durch bie während der fogenannten Lehrlingszeit und 
— nach erfolgter vollſtaͤndiger Smancipafion noch immer 
tigefepte Bedruckung und Mishandlung der farbigen Bevoͤl⸗ 


kerung. 

Fach Hm. ginn Darſtellung bat die Aufhebung der 
Sllaverei den ifen auf Jamaica noch größern Rugen ger 
Riftet al8 ten Schwarzen. Es mar zuvor eine gar elende 
BVirtbihaft im Lande. Kun iſt es eine Freude, fagt er, den 
Umfhwung zu betrachten, welder in den Stätten ftattgefun- 
den hat. „ine beträchtlihe und ſtets wachſende Maſſe ihrer 
Bewohner hat den ehemaligen zugellofen n entfagt und 
den ehelichen &tand ergriffen. In dieſer Hinjiht muß man 
befennen, find Die zahlreihften und namhafteften Beifpiele un: 
ter den Juden anzutreffen. Unter ihnen ift die Sitte, fich zu 
verheirathen, ſchon immer herrſchend geweſen, hat fi aber 
nunmehr in weitern Ken verbreitet, da der Schimpf, wel: 
Ser früher auf der ehelichen Verbindung eines Weißen mif ei» 
ner Aurbigen baftete, weggefallen und von den einflußreichften 
Perfonen der Solonie die Schranke niedergemorfen ift, welche 
ein volksthuͤmliches, aber abſchenliches Vorurtheil aufzerichtet 
hatte. e der vornehmften Civiibeamten und Kaufleute jo: 
wie Andere aus allen Clafſſen der Geſellſchaft haben in jüng- 
fer Zeit die Mütter ihrer Kinder geheirathet und ſich die züd. 
wirkende Clauſel eines neuerdings erlaflenen Ehegeſetzes zum 
Rugen 1 gema ‚, welche ihre vor der Ehe geborenen Kinder le⸗ 
gitimirt. Wenn man’ aber alle tröftlichen Erſcheinungen Diefer 
Ark, ſelbſt mit Ei Br, der dichter bevölkerten und hoͤher aAbi⸗ 
ifiten Theile der Infel, zufammenfoßt und fie überdies im 
vortheifhafteften Lichte betrachtet, m 


man Doch noch immer 
befennen, daB fie 


fih, nur mie einzelne grüne Dafen in der 


allgemeinen Wüftenel der Geſittung gusnehmen.” Einet kraͤf⸗ 
tigen Entwidelung ber Induftrie hat das Monopol ehenfe 


feindlich are Rare als den Zorkfchritten der Sittlichkeit 


die Sklaverei. anz kürzlich iſt ein etwag verbefferter 
Zuſtand eingetreten. Und auch jet noch „find bie Hulfsquelen 


des Landes kaum zur Hälfte in Anfpruch genammen. Die Be: 
[dafendeit des ne und des Klimas bat Nur fo mannich⸗ 
altige U ngen, daß beinahe afle Erzeugniſſe der Kropen: 
laͤnder und der mildern Erdgärtel angebaut werden koͤnmten; 
aber fogar die unzaͤhtbaren Hüffsmittel, die das Land an Roh⸗ 


Roffen faft allen Bweigen der Manufacturer darbietet, liegen, 


kann man fagen, beinahe 
denn Das re 
darf verwenden. Veraltete Methoden bei der Lanbarbiit find 


anz unausgebeutet, man mußte 


en, was die Bauern hier und da zu ihrem Be⸗ 


die Negel, Merbeiftungen die Uuphiime. Macke, er, 
ragkoch uad abertei altpeefimmiiche Geraͤthfchaften ae 
noch den Pflug, ben Epaten, bie Wiftzabet, din Sqchiebkarren 
vertreten: Werfahrungsarten und Werkgeuge, die in Europe 
{hen im vorigen Iahrhundert laͤngſt allgemein gebraͤuchtich 
waren, werden Bier noch als umerseidhbar oder ala gewagte 
Neuerungen angefehen.“ 

Während der fogenannten Lehrfingszeit (vom J. Aug. 1834 
biß gegen das I. 1838° hin) trat ein Verfahren ein, das die 
Neger nicht gerade fehr ermuthigen und „heben“ Bonnte. Wie ' 
hätten fich auch weſtindiſche Pflanzer fo ſchnell zu dem Glauben 
bekehren follen, daß es eine Möglichkeit gebe, mit diefen 
— ſchwarzen Hunden“ menſchtich umzugehen? „Wührend des 

urzen Zeitraums von zwei Jahren empfingen 60,U00 Lehrlinge 
eine Biertelmillion Peitſchenhiebe; SO,UHB Lehrlinge wurden an: 
derweitig beftraft mit dem Tretrade, mit Kettenarbeit und an- 
been Mitteln gefegmäßiger Zortur, fpbaß die Leiden der Re 
gerbeoöfferung flatt vermindert furchtbar vermehrt worden find, 
und Daß ihr Wisvergnügen, ihre Erbitterung einen Grad er: 
reicht hat wie nie — fich auch ohne die unausgefegten An⸗ 
ſtrengungen des verneurs, der Milfionnaire und einiger 
Magiftratsperfonen wahrſcheinlich Igen in offenem und allge 
meinem Aufftand entladen hätte.” Dies ift den amtlichen Be: 
richten des Gouverneurs Sir Lionel Smith zufolge vollfommen 
wahr. Um fo auffallender, um fo mehr zu Bunften der Re: 
er fprechend find die allgemeinen Refultate, welche ſich für den 
eitraum der Lehrfingfchaft herausgeftellt haben. In dem Du: 
perre'ichen „„Precis“ find dieſelben in folgende Worte zuſammen⸗ 
gefaßt: „Die Ruhe ift faum einen einzigen Augenblick geftört 
worden. Die emancipirte Bevölterung zeigte im Allgemeinen 
Reigung zu arbeiten, wenn der Lohn punftlich bezahlt wurde. 
Die Schwarzen zeigten einen zunehmenden Eifer, ihren Kin: 
bern die Wohlthat Des Unterrichts in der Religion und in den 
Handarbeiten zu verfihaffen. Die Verbrechen und Vergeben 
waren beftändig im Abnehmen. Die Zahl der Loskaufungen 
vermehrte fih bis 1835 fo fehr, daß es unvermeidlich fchien, 
bie vbllige Freilaffung ſchon vor dem beftimmten Zermin ein: 
treten zu laffen.” Daß die Gefengebung, wie oben bemerkt, 
Darauf ausging, den Schwarm die Bortheile der Freiheit zu 
entreißen und fie unter dem Drude feſtzuhalten, fällt nicht ber 
britifhen Regierung zur Laſt, die in der That mit dein größe 
ten Eifer und mit möglichfter Behutfamkeit die Eolonialanges 
Iegenpeiten zu ordnen fuchte, fondern lediglich der gefeßgeben- 
den Golonialverfammlung, welche alle nur möglichen Anſtren⸗ 
gungen machte, Die Ber ügungen ber englifcyen Regierung zu 
dereitelg und wirkungslos zu machen. Fr war nichts Selte⸗ 
nes, daß der Gouverneur Die Verſammlung uuflöfen mußte, 
Dies geihah 3. B. am 3. Rov. 1838, weil dieſelbe ſich den 
Berfügungen zur Verbefferung des Gefängnißweſens widerfegte. 
Die Emancipationsarte ſelbſt, weile von der Verfammlun 
angenommen wurde, war in einem ſolchen Geifte abgefaßf, bat 
der Staatsſecretair für das Colonialwefen nicht umbin fonnte, 
die Sanction der Acte aufzufhieben, bis einige Beftimmungen 
derfelben, deren Zaflung Um für den Erfolg der Emandpation 
efährlich fchien, modifltirt wären. ine diefer Beftimmungen 
Reitte die Formen feft, welche die Herzen zu beobachten haben 
Uten, um drei Monate nach eingetretener Smancipation bie 
rbeiter auß Haus und arten oder fonftigem Gut, wovon 
diefelben bis dahin Den Genuß gehabt, audtreiben zu Fönnen. 
Allerdings, meinte der Minifter, müßten die Arbeiter belehrt 
werden, daß fie als freie Leute Bein Recht mehr hätten, von 
ipren ehemaligen Herren Behaufung und Verpflegung zu er: 
warten; indeflen würte die wirkliche Austreibung der Bröige- 
laffenen ebenfo unmenfchlich als unpolitifch fein, und bedenklich 
fei ſchen die Urt, in weicher dieſes Recht der Herren in ber 
Emäncigaticnsacte ausg fprachen fei, namlih fo, als ob die 
Härte beffelben nur die neu zu Befteienden träfe, als ob die 
— 7 Fa für diefe gelgcffen wäre, teil bei den ehe⸗ 
maligen 2b u aicht von ihr die Nebe geimefen. (ine an: 








1284 


dere Beſtimmung verpflichtete. die Herven, kranke und ſchwache 
Neger vom Beittuunkt, der allgemeinen Freilaſſung ab noch zehn 
Sonate lang (bi zum I. Juni 1830) zu verpflegen. Diefen 
Zermin fand der Miniſter zu kurz. Beſonders aber fand er 
Die Strafe zu gering, welche denjenigen Herren angedroht war, 
die die leztere Beſtimmung übertreten und alfo ihre kranken 


und ſchwachen Neger verftoßen würden. Die Strafe war nam: - 


lich eine Geldſtrafe und betrug fünf Colonialpfund (nicht ganz 

Zhaler). Die Einwendungen des Minifters —* keinen 
Erfolg; die Legislatur von Jamaica beſtand auf ihre erſten 
Beſchlüſſe und die Acte wurde mit den gerügten Beſtimmun⸗ 
gen publicirt. . 

Als der I. Suni 1839 heramnahte, hatte ſich die geieg- 
gebende Berfammlung noch nicht dazu bewegen laffen, für bie 
Schwachen und Kranken, die ven da an hulfloß fein würden, 
Fürforge zu treffen, jodaß der Gouverneur genöthigt war, das 
englifhe Minifterium um @rlaubniß zu biften, diejenigen 
Schwarzen, welche öffentlicher Unterftügung bedürftig fein wür: 
den, ben befolbeten Beamten (Stipendiary magistrates) zur 
Aufnahme in die Eorrectionshäufer und Hoſpitäler zu über: 
weifen. Die erwähnten Beamten find unabhängige, vom Staat 
eingefegte Richter, deren ed in jedem Kirchſpiel zwei gab: ein 
großer Segen für die Eolonie, weil fie perſonlich unbetheiligt 
bei allen Streitjachen zwifchden Weißen und Schwarzen waren, 
und weil fi auf ihre Unparteilicyfeit rechnen ließ. Das In» 
ftitut der Stipendiary magistrates war daher auch den Pflan- 
zern ebenfo fehr ein Dorn im Auge wie Die Ihätigkeit der Mif- 
fionnaire. Es bildeten fih Comites, welche das englifhe Mi 
nifterium mit Adreſſen beftürmten, in denen fie über die befols 
beten Richter und über die Anabaptiften Beſchwerde führten 
und foderten, daß den Erſtern die Aburtheilung der Recht: 
fachen entzogen, den Legtern daB Predigen und fogar der Auf: 
enthalt auf der Infel unterfagt würde. Auf Anfrage des Co⸗ 
lonialftaatöfecretaird erflärte in diefer Beziehung der Gouver⸗ 
neur Sir Lionel Smith (Documente von 1839, Ih. 1, Depeche 
Kr. 50): Über die Miffionare babe er Beine Controle zu 
üben; was die Beamten betreffe, fo habe er diefe befragt und 
fie leugneten die ihnen zur Laft gelegten Vergehungen. Er, 
der Gouverneur, habe Urſache, ihnen vollfommenes Vertrauen 
% fchenten, koͤnne ſich auch recht wohl denken, was zu der An: 

age Beranlaffung gegeben. Die Pflanzger hätten feit dem 1. 
Aug. Übereinkommen untereinander getroffen, um den Arbeits» 
Iohn zum Nachtheil der Schwarzen feitzuftelen; bierauf nun 
hätten die Anabaptiftenprediget ein wachfames Auge und ver: 
fündigten fih gegen die Pflanzer darin, daß fie die Schwarzen 
zu verhindern fuchten, umfonft zu arbeiten. Er, der Gouver⸗ 
neur, müffe felbft geftehen, daß er NRegerweiber abgehalten 
babe, ſich zu harter Feldarbeit hinzugeben u. ſ. w. Da bie 
Comites nit aufhörten Beſchwerde zu führen, fand der Gou⸗ 
verneur noch oft von neuem Anlaß, über die naͤmlichen Ber: 
hältniffe Bericht nach England zu erflatten. In einem derfel: 
ben (Depeſche vom 3. Mai) fagt er: Es fei ihm unmöglich, auf 
die vagen Befchuldigungen, welche die Comités gegen die Pre 
biger und gegen die Beamten vorgebracht hätten, Antwort zu 
geben. Des Vorwurf, der ihm felbft gemacht worden, daß 
er nicht die Miliz gegen die Arbeiter gebraudyt habe, fei er 
geſtaͤndig. Seine Widerfacher hätten noch hinzufegen koͤnnen, 
daß er, ‚ohne einen einzigen Policeiagenten oder ein einziges 
Bayonnet zu requiriren, den Zweck erreicht habe, die Geſetze 
in Unfehen und aufrecht zu erhalten, wofür er den Dan? dem 
friedlichen Einfluffe der Prediger fchuldig ſei. Am 27. Aug. 
erBlärte endlich der Minifter: er habe nad forgfältiger Prüfung 
aller eingegangenen Actenftüde die Klagen und Befchwerden 
ve Somitee grundlos befunden. Und damit hatte diefe Sache 
ihr e. 

Die Pflanzer ſchrien beftändig nad Anwendung von Waf- 
fengewalt wider die angeblich widerfpenftigen, arbeitsfcheuen 
und die Mieths⸗ und Pachtzahlungen verweigernden Reger. 

den legtern Punkt ann Bier wieder eine Stelle aus Deren 


Phitippo’s Bude angeführt werden: „Die meiften Chi, uf 

deren Bewirthfchaftung bie Eigenthümer während ber Lehrtingi: 

zeit Doppelte Urbeitößräfte verwendet hatten (zum Gchade de 

Lehrlinge, die deswegen ihre eigenen Landſtücke vernagläige 

mußten), bedurften zumachft Peiner Urbeiter, und da die Shec 

zen als freie Leute ihre Dienfte anboten, ſahen fie zu ikm 

Erftaunen, daß man ihrer nicht beturfte und jie mit Hohn und 

Verachtung behandelte. Es zeigte fi) bald, daß ein allgem 

ned Übereinfommen unter den Landbefigern beftand, die ai 

diefe Weife erzeugte gedrüdte Stimmung der arbeitenden Elf: 

fen zum Bortheil der Habgier und der Macht auszubeutn. 

Kurz, es wurde dahin geftrebt, die Freiheit Der Reger zu ei 

nee noch ergiebigern Duelle des Gewinns zu maden als fü 

ber deren &Pflaverei war. Zu Ddiefem Ende wurden die gt 

waltthaͤtigſten und unpolitifhften Maßregeln ergriffen. Wand 

mal wurden die Uder, fogar die Häufer der Bauern zerfit: 

das Gewöhnlichere war, fo übermäßig hohen Yacht: und Ric; 
sind zu nehmen, daß ihn der Bauer durch Lohnarbeit nebe 
feiner eigenen Wirthfchaftsarbeit nicht erſchwingen konnt. 
Solchen und ähnlichen Bedrüdungsmaßregeln wurde ein gereih 
ter aber ſchwacher Widerftand entgegengefept: Schimpf m) 
Herzkränkungen waren die Folge. Die Pflanzer beharrien in 
ihrem Syſtem und -endli ſahen ſich Scharen von Arbeiten 
gezwungen, der Anbänglicheit an ihre alten Wohnungen u 
entfagen und fich ihren eigenen freien Sitz (freeholds) zu grün 
den. Aus diefer und Peiner andern 28 entfprangen jem 
Berichte über Trotz und Faulheit der freien Bauern, meld: k 
bebarrlich und weithin verbreitet wurden. Glücklicherweiſe tan 
man binzufegen, daß jetzt ziemlich allgemein erfannt wire, mx 
ungerecht und unflug jenes Verfahren war und daß die Be 
Lafungen zu gegenfeitigem Misvergnügen immer mehr hinme:. 
allen.’’ 


(Der Beſchluß folgt. 


— 
— — — 


Bibliographie. 


Aus den Denkwürdigfeiten der Helene Kottannerin. 149 
1440, keipäig, Engelmann. Gr. 8. 20 Rer. 
Baur, E. C., Lehrbuch der christlichen Dogmat 
schichte. Stu ‚Becher. 1847. Gr.8. 1 Thir. 1?Xg. 
Eorfo:Sträußchen. Berlins ſchoͤner Welt gebunten. Br 
lin, Reichardt u. Eomp. 10 Ngr. 
Damig, K. v., Heinrich der Bierte im Spiegel der & 
genwart. Drei Theile. Leipzig, Krappe. 8. 3 Ihlr. 
Hormapyr, 3. Freih. v., Taſchenbuch für vaterlantik 
Geſchichte. 36ſter Jahrgang der gefammten und It M 
neuen Folge 1847. Berlin, Reimer. 8. 2 Thlr. | 
04 „iädler, J. H., Die Centralsonne. Dorpat. Gr. 
r. 
ajor, ©. F., Gedichte. Leipzig, K. Tauchnite“ 
r 


15 Rgr. 
Ruffinan, F. J. B., Entwurf einer allgemein verpflik 
tenden und angemeften fehonenden rer: Berfaffang. Ding 
Franz. Er. 8. 1 Thlr. 12 Nor. 
Panorama des Katholizismus. Faßliche Darftellung i# 
Innern und Außern der katholiſchen Kirche. Dur alpb=! 
tifche Schlußregifter ein katholiſches Converſations⸗Lerikon. IRd 
und 2tes Heft. Bonn, Wittnann. 8.8. 5 Rır 
Reffel, W. 3., Handbuch der Univerſalgeſchichte für 4 
bildete Refer. Ifte Abtbeilung (allgemeine Geſchichte des Yrr: 
thumes). iſte Lieferimg. Wien, Dol’s Enkel Gr.8. IRF 
Rick, 8, Gedichte. Wien, Lechner. 8. 1 Wlr. 
Soetbeer, A., Denkſchrift über Hamburgs Bünte 
ättnifle Hamburg, Hoffmann und Campe. Gr. 4. 13h 
at. 
Bagner, B., Papſt Gregor XVL, fein Leben und X“ 
Pontificat. Ifte Lieferung. Sulzbach, Seidel. Gr. 3. Bil 
fländig in 3 Lieferungen I Zhfr. 


Berantweortlier Herausgeber: Heinrich Wrodpauns, — Drud und Berlag von F. WE. Wrodbans in Leipzig 





Blätter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 


Volks-⸗Bibliothek. Erfter und zweiter Band. 

. Soahim Nettelbeck, Bürger zu Kolberg. Eine Lebensbefchrei: 
bung, von ihm felbft aufgezeichnet und herausgegeben von 
3.6.8. Haken. Zweite Auflage. Mit Nettelbed’s Bild- 
niß und einem giane der Gegend um Kolberg. Leipzig, 
Brodhaus. 1849. Br. 8. 1 Ihr. 

. Der alte Heim. Leben und Wirken Ernft Ludwig Heim's. 
Aus hinterlaffenen Briefen und Tagebuͤchern herausgegeben 
von Georg Wilhelm Kepler. Mit Heim’s Bildniß. 
Zweite mit Aufägen vermehrte Auflage. Leipzig, Brockhaus. 
IB46, Gr. 8. 1 The. 

Diefe „Volks-Bibliothek“ tritt, ihrer guten Sache 
wiß, frifh und frei hervor, ohne ihr Erfcheinen an- 
8 ald durch die That, durch Das was fie bringt zu 
otiviren und zu, rechtfertigen. Keine Worrede gibt 
unde vom Zwed und Plane des ganzen Unternehmens, 
6 denn doch auf eine weitere Ausdehnung und län- 
te Dauer berechnet zu fein ſcheint. Aus den beiden 
tliegenden Bänden möchte man für wahrfcheinlich hal⸗ 
n, daß das Biographifche Element vorberrfchen werde, 
D es eignet ſich das in der That ganz vorzüglich für 
ne „Volle » Bibliothek”; der Titel laßt indeg auch an- 
te Beftandtheile zu, und je bedeutender und anziehen- 
r der Anfang ift, deflo mehr möchte man wünfchen 
erfahren, was weiter zu erwarten fei. 

Wenn die naheliegende Frage bervortritt: wer denn 
5 Volk fei, dem bier eine Bibliothek geboten wird, 
mürjen wir die Antwort auch lediglich im Inhalt der 
iden erften Bände fuhen.. Das Bolt hat aber in 
ferer Zeit eine andere höhere Bedeutung gemonnen 
8 das Mort früher hatte, etwa damals, ale Mufaus 
ne „Deutfchen Volksmärchen“ herausgab. Es laäßt 
h mit Märchen nicht fo feicht fättigen; es fodert ftär- 
t, wir möchten fagen, materiellere Nahrung, mie es 
h an Poeſie verloren, aber an Geneigtheit zur Re: 
kon zugenommen bat. In der „Wolke - Bibliothek” 
eint das Wort die doppelte Bedeutung zu haben, daf 

dem deutfchen Volke und dem ganzen Volke ge- 
dmet ift, alfo in vorzüglihem Sinn ein Nationalwert 
tden will. Dem ganzen Volke, alfo in allen Schid) 
ı der Geſellſchaft, auf der Höhe und in ber Tiefe, fo- 
1 dem Stanbe und der bürgerlichen Stellung als der 


ung und den aus derfelben bervorgehenden Anfprü- | 
n nad. Ein folches Wert muß geeignet fein, den ' 


m Nr. 307, ö—7 


3. November 1846. 


— — — 


Höhergebildeten zu befriedigen, dem Mindergebildeten zu⸗ 
gaͤnglich zu erſcheinen, Beide anzuziehen und feſtzuhalten. 
Dieſer Foderung entſprechen die beiden erſten Baͤnde 
vollſtändig, obwol fie billig eine etwas höhere Bildung 
in Anfpruch nehmen als die des fogenannten gemeinen 
Mannes. 


Der „gemeine Dann’ ragt aber auch in unfern Tagen, 
obwol über den eigentlichen Pöbel hinaus, doch noch nicht 
fo weit hinauf in die höhern Schichten als Diejenigen 
meinen, welche von der Mündigkeit des Volkes Viel zu 
fagen und zu rühmen wiffen. Wer dem Volle, näm- 
lid) den untern Claffen in Städten und Dörfern, nahe 
genug fteht, um es gründlich beobachten zu fönnen, der 
findet, ob er auch mit Unbefangenheit und Wohlwollen 
betrachtet was fein Auge fieht und fein Ohr hört, bie 
Früchte der Anftalten zur Volksbildung noch feineswegs 
fo gezeitige wie man zu meinen geneigt if. Abgeſehen 
von ber oft entfeglichen Roheit und Ungebühr, die noch 
immer bei den Volfsvergnügungen, auf Jahrmärkten u. f.w. 
jelbft in cultivirten Gegenden hervortritt und die man nur 
eben dem Pöbel beimeffen kann, Icgen Gemeindeberathun- 
gen und Gemeindebefchlüffe gar häufig eben nicht ein 
günftiges Zeugniß für die Volksmündigkeit ab. Man 
wird nur zu oft an die Zenie erinnert: „Einzeln find 
fie fo leidfich verfländig” u. ſ. w. Es ift zu verwun- 
dern, wie leicht eine Verfammlung fonft leidlich verftän« 
diger Männer, denen man mol zutrauen möchte, daß fie 
im Stande wären, guten Rath zu erfinden und eine 
zwecmäßige Anordnung zu treffen, durch das gehaltlofe 
Sefhwäg eines vorlauten Schreierd umgeftimmt und zu 
den wunberlichfien Maßregeln verleitet werden ann. Wie 
viele Petitionen, die in den wichtigfien Angelegenheiten 
von zahlreichen Benoffenfchaften ausgehen, beurkunden auf 
eine beklagenswerthe Weife, daß die Leute nicht wiffen 
was fie wollen, und nicht begreifen was ihnen frommt! 
Und doch iſt unverkennbar jegt mehr Intelligenz als je 
verbreitet und Volksbildung ein größeres Gemeingut ger 
worden; aber es ift eine einfeitige und bodenlofe Bil 
dung. Ein großer Theil des Geſchlechts unferer Zeit 
ift in der dürftigen Schule des fogenannten Rationalie: 
mus aufgewachfen, der in feiner Einfeitigkeit und Geift- 
loſigkeit feine Zöglinge im Reflectiren und Raifonniren 
geübt, aber das Gemüth unangebaut und unbefriebigt 





1826 . 


gelaffen hat. ine Bildung, die nicht den ganzen 


Menfchen ergreift und durchdringt, muß eine fchiefe 
Richtung nehmen und geben, die denn aud in vielen 
Grfcheinungen unferer Zeit recht unverkennbar fich ver- 
raͤth. Es ift inſonderheit das chrifflich-religiöfe Element, 
diefen mefentlide und vorwaltende Weftandtheil echter 
Bilmung, zu fehr in ben Hintergrund gebrimgt und ein 
Allerleiwiffen mit übermüthigem Klugheitsdünkel und 
Nichtachten irgend einer noch fo begfaubigten Autorität, 
ein gefährlicher Mangel an Pietät geförbert worden, da⸗ 
ber denn guch, trog des Rufens und Drängen nad) bür- 
gerlicher und firchlicher Zreiheit, die Grundbedingungen 
derfelben viel zu menig £lar erfannt und unbefangen ge 
würdigt werden. 
Das Bildunasbediufniß ift inhe ein allgemeines ge 
warden und heiſcht unabweighar kraͤftige Mefriedigung. 
Daher auch die durch alle Stände verbreitete 
die in den Leihbibliotheken Nahrung ſucht und oft fehr 
dürflige, oͤfter ſehr ungeſunde findet, Die ſchalſten Rit— 
ter⸗ und Räuberromane haben noch immer ein zahlrei⸗ 
hrs Publicum, das die Geſchichten „gedruckt in dieſem 
Jahr”, „Die ſchoͤne Meluſine“ und „Der gehoͤrnte Sieg⸗ 
fried”, obwol in dieſen unendlich mehr Poeſie waltet als 
in, jenen Sabrikfuhbeleien, verſchmäht und an der lofen 
Koft fih genügen läßt. Käme nur mehr echte gefunde 
Paeße in die Volkslecture, fo würden die Schwingen 
der Volksbildung doc etwas freier und tüchtiger ſich 
regen! Neben bem Poetiſchen ift es befonders Geſchicht⸗ 
liches, was den meiften Anklang und Eingang findet, 
menn es nur anziehend, lebendig, anſchaulich dargeftellt 
wird, Vorxzüglich reichen Bildungsftoff enthalten gedie- 
gene Biographien ausgezeichneter Menfchen, indem fie 
nicht nur hen Geſichtskreis erweitern, ſondern auch Täu- 
ternd und kraͤftigend auf die Gefinnung einwirken, zur 
Selbſthetrachtung und Selbſtbeobachtung einladen und 
anleiten. 

Dieſe neue „Volkz⸗Nibliothek“ konnte daher nicht 
zweckmaͤßiger beginnen als mit den beiden hoͤchſt intereſ⸗ 
fanten Lebensbildern, welche den Raum der erſten zwei 
Bände einnehmen, Nettelbet und der alte Heim find 
tüchtige deutſche Männer, Jeder in feiner Art ausge 
zeichnet. und auf, feinem Standpunkte in einflufteicher 
Wirkfgmkeit fi bewährend. Steht Heim wie ber 
Wirkſamkeit und dem äußern Verhaͤltniß nach, fo in der 
Bildung und Gefinnung. höher als Nettelbeck, fo ift 
doch auch, Dieſer mit feiner rauhern Außenfeite ein fehr 
maderer Mann, Deffen Lebensfchidfale des Meizes einer 
größeren Mannichfaltigkeit nicge entbehren, während Heim’s. 
Leben, obwol in mannichfadhen Verhältniffen nad) oben 
und unten fich bewegend, einförmiger dahinfläg. Heim 
iſt unſtreitig eine hähere und liebensmürbigere Perfön- 
lichkeit; das religiöfe Leben hat ſich in ihm tiefer, rei- 
cher, Eräftiger entfaltet und iſt die Seele feines Wirkens 
geworden; er denkt, will, redet und handelt als ein 
Chrift und hat in der Zeit des überhandnehmenden Un- 
glaubens fig ein Findlich-gläubiges Herz dewahrt, ohne 
am Buchßaben des Dogmas zu haften. 


— —— — — — — — — — — — 


Es kann nicht unſere Abſicht fein, Beide miteinander 
zu paralleliſiren; Jeder iſt, in feiner Eigenthuͤmlihkei 
aufgefaßt, ein ehrenwerthet Mann und gewinnt und 
eine Theilnahme ab, die vom Anfang bis zum Enke 
feiner Biographie dergeſtalt fich fleigert, daß wan mit 
ihr fich ingmen mehr befigundst und nicht ohne manaid- 
fache Belehrung, Anregung, Grmunterung ihn durd 
alle Stadien feiner Laufbahn begleitet. Um fo gemifie 
eignen fi) beide Biographien zu einem empfehlung: 
wertben Volksbuche im beften Sinne des Wortes, un 
wie fie beide bier bereits -in einer zweiten Auflage 
vordiegen, fo wird das Wohlgefallen und der Beil, 
womit fie beim erſten Erfcheinen ausgezeichnet wurde, 
fi) jegt nur erneuen und erweitern. 

(Die Sortfegung folgk) 





Jamaica und die dortigen Meger. 
(Beſchluß aus Nr. 396.) 


Theil zur Beftätigung, theild zur Erläuterung diefer Ar: 
gaben folge hier Einiges aus Gurneyhy. „Wo die Bauern it 
Behandlung gefunden haben und richtig bezahlt worden find, a 
ben ſie faft nie verfehlt auf den Gütern ihrer ehemaligen dırıa 
fortzuasbeiten. Uher leide ift Dis Golonie mit den unicige 
Binshändeln fehr geplagt gewefen. Die Aufwerkſamkeit da 
Schwarzen wurde im Augenblick ihrer Freilaſſung ſogleich «I 
diefen Punft gelenkt, der fie in hohem Grade beunruiya 
mußte .... Die Pflanzer fuchten die Rente (den Pacht⸗ m 
Miethzins der am Neger überlaflenen Däufer und Land 
zu verbeppeln, zu verbseifadhen, ja in manchen Fallen zu xt 
vierfachen, oder fie foderten fie als Kopffteuer nad ter 3 
der Familienglieder ein, um Arbeit der warzen zu ertir 
gen, obme felbige baar zu Bersahlen. Bft: wurde dann in 
dia armen Schuibner mit Auspfandung oder Ginfperrung ir 
fahren. Beiden iſt dieſes Spftem weit und breit auf gamı > 
maica herrfchend gemelen.... Bei vorkommenden Streitigeun 
zwifchen Auffehern und Arbeitern über die Dauer der Artitt 
zeit oder den Arbeitslohn wurde den Arbeitern gewöhnlich ei 
Vertreibung aus ihren Wohnungen gedroht. Häufßg mirk 
dann diefe Drakung gewaltſam ausgefuͤhrt. Hütten fin) dw 
ahgedeckt, ia ganz und gar demolirt, Cocusnuß⸗ und Sri 
fruchtbäaume umgehauen, Gartenſtücke geplündert oder mitt 
fen niedergetreten worden, fodag die Arbeiter am Ende in 
thigt waren, ſich auf andeue Güter überzufiedeln oder | 
Freigüten auf den benachbarten Bergen angufaufen.“ Zu ab 








babe, Aber zwei Thatſachen von hadfter Wichtigkeit fee 
nad; bigheriger Erfahrung feſt : 
find, für billigen Kohn zu arbeiten, die Yflanzer aber mi“ 
willig, ihnen folhen zu gemähren). „Der freie Shmr: 
bat Überall die größte Luft gezeigt, für angemeftenen Kt 
zu arbeiten. Weit entfernt, iw. die Waͤlder zuradruche 
um süßiig zu Ishen, mie «6 hie Gegnar bar Gmyandpatuon Fir 
phegeit hatten, unterwirft ex ſich Hehe ben ärgften Quäletan 
und. Bedrüfungen, um fi nur nicht aus feinem alten dur" 





XX 


vertreiben zu laſſen. Be fo vieleg Bexſuche, ein fünf: 
liches inte det Urbeitölßhne hervorgubeingen, und unge 
tet. des Joches, das auf den Mrbeiterclaffen liegt, iſt ihr Be 
tragen fiet® fo geduldig und unterwürfig geweſen, dal man es 
nicht genug loben Bann. Id fürchte Kichts für die Ruhe der 
Infel, obwot ed nicht in meiner Macht ſteht, das übermäßig 
harte Loos zu mildern, welches diefe Elaffen zu erdulden da 
ben.’ Aus einer Depeche vom 9. Dec. entnehme ich folgende 
Ktoge: „Zum Gedeihen der freien Arbeit auf Jamaica fehlt 
Richts aß daß die Arbeiter mit Billigkeit behandelt werden. 
Aber die ſchlechte Behandlung einerfeit6 und Bus Wisvergnd- 
en andererfeits haben bis jegt große Unterbrechungen der Ar⸗ 
Dei bewirkt. Die Eultar der Infel bat darunter ſehr gelit: 
ten.” Um 9. Ian. 1839 fchrieb der Gouverneur: „Nein Ge⸗ 
feg fihert den arbeitenden Claſſen ihren Lohn, den Pflanzern 
Die bedungene Urbeit. Aus dem Mangel an gefegmäßiger Feſt⸗ 
ftellung der DVerbältniffe zwiſchen Pflanger und Bauer find 
übermäßige Zinsfoderungen und übermäßige Lohnfoderungen 
entftanden. Id habe in zwei Sigungen der Gefeggebenden Ber: 
fammlung vergeblich bausuf geirungen, daß Br ein Geſetz über 
Die Bedingungen der Arbeit berathen und erlaffen möge.‘ 
Hier zeigt fich die Wirkung eined Verhäftnifies, welches 
Der Philippo als einen Mangel in der Verfaflung der Colo⸗ 
nie beflagt. Die Schwarzen konnten nicht fogleih an den Ar⸗ 
beüten der Geſetzgebung Antheil erhalten. In der Gejeggeben- 
den Verſammlung waren nur ihre Dränger, nicht aber fie ver: 
treten. Lord Brougham hatte ganz Recht, ald er dem An- 
trage auf Ginfübrung einer ſolchen einfeitigen Berfaffung für 
die Capcolonie feine Zuſtimmung (am 21. Zuni 1842) verfagte, 
indem er erBlärte: „GEB fei Died nur cin Mittel, das bie weiße 
Bevölkerung zu gewinnen fuche, um die durch die Emancipa⸗ 
tion der Sklaven verlorene Gewalt über die Reger in Form 
der Befengekting von neuem auszuüben. Wenn jpäter die ehe⸗ 
maligen Sklaven in der Lage fein würden, zur Geltendma- 
dung ihrer Interefien an den Verfaſſungsrechten Antheil zu 
nehmen, Eönne die Sache wieder zur Sprache gebradyt wer: 
den. As Herr Gurney auf Iamuica war, beſuchte er aud) 
das Haus der Berfammlung. „Giner der Lebhafteften Redner‘, 
fagt er, „war ein Farbiger. Es find ihrer Mehre in der 
Berfammlung und Einige derfelben find tapfere Vertheidiger 
der von der heimifhen (engliſchen) Regierung anempfohlenen 
gen. Es wäre ein Bud für Iamaica geweſen, wenn 
die Majorität deu Gefepgebenden Verſammlung aus folgen 
Maͤnnenn beflanden hätte; denn Nichts hat meiner Meinung 
nach dem Wrieden und dem Gebeihen der Golonie mehr Ein» 
trag, gethan als die Annahme won Localgefegen, welche dem 
der Emancination ſchnurſtracks zuwiderliefen.” 
Zu den nieterträhtigen Ranken und der unmenſchlichen 
Moheit der weißen Bevölkenung bietet das Betragen der armen 
ungebildsten, als dumm. und viehiſch, boshaft und zigellos 
von ihsen Thrannen verfhrienen ſchwarzen Benölferung einen 
ſeltſamen Oegenfag. Vom erften Augenblicke der Freilaſſung 
an bis zu diefer Stunde ftrömen alle Berichte der Gouverneure 
von deus Lobe dee Neger über. Kein gutwilligened, lernhegie⸗ 
rigeus&, friedfertigere®, gefelligered, billigdenkenderes, gar 
freundlicgexeh, gerschtigfeitäliebenderes Volk braucht man ſich 
zu wänfchen. a is aber auch vollen Fehler und afinn 
ftedten, daß fie oft bei der Arbeit die Geduld ihrer Wuffeher 
auf harte Pnoben ſtellten, kann mas fich denlen. Die Bexichte 
erwähnen auch Dies; allein daS Lob überwiegt heimeitem in 
allen officiellen Berichten wie in den Schilderungen Gurney 8, 
Philippo's und Anderer. Ginige Beifpiele Kine Depelche 
ded Souverneurd (Ian. 1839) berigtet, daß am I. Jan. bie 
iſtratsperſonen der Kirchſpiele Si⸗Ann, St.Eliſabeth und 
St James eine Aufammenkunft hatten, in melcher ſie unter 
Anderm anerkannten, daß die Weihnachtsfeier, die erſte ſeit 
der Befreiung, in ſolcher Ruhe und Ordnung vorübergagan⸗ 
gen, daß dee Fortſchritt der fehwarzen Bevölkerung. auf Dam 
Wege der GEivilifation augenfheinlid fe. Die Neger hatten 


den uf ihrer freien Arbeit zu Einkaͤufen henupt, welche 
von ie eſchnack an Manufacktrprodusten — Por 
Berner wurde bezeugt, daß die Zahl der Diebftähle fowie aller 
andern Verbrechen und Bergefungen abgenommen hatte. Eine 
andere Depeſche aus demfelben Monat berichtet, daß in Folde 
der bei der legten Gefepgebenden Berfammlung vorgelommenen 
heftigen Angriffe auf die ſchwarze Bevötferung, namenttih auf 
den zur Sekte ber Anabaptiften gehörigen Theil derfelben, Res 

erverfanimlungen ftattgefunden Haben, in denen Nichté be: 
Fhloffen wurde ald eine Adreſſe, die zuerft der Krone den ine 
nigen Dank der ſchwarzen Bevölkerung für die Emancipation 
und die Berficherung ihrer umvandelbaren Treue auedrüdt, for 
dann aber bittet: „die Krone wolle von ihrem fouverainen 
Rechte Gebrauch mahen, um die Befreiung von dem Joche, 
unter welchem die farbige Geſellſchaft noch feufze, 3u vollen 
den.” Allerdings erkennt man in dieſem Schritte die Leitende 
Thaͤtigkeit der Seiftlichen, aber es ift ja auch genug, die Neger 
fo willig und friedlich Rath annehmen und fi auf gefegliche 
Maßregeln befcgränten zu fehen. Died verdient um fo mehr 
Bewunderung und Lob, wenn man beden?t, daß gleichzeitig die 
ftärmifchen Aufammentünfte der Pflanzer ftatthatten, auf wel⸗ 
hen Maßregeln zur Unterdrüdung der Regerrace befchloffen 
und wenigſtens mit Worten arg gegen diefe gewüthet wurde. 
Zu wiederholten malen war laut Angabe der Pflanzercomites 
ein Gerücht unter den Regern im Umlauf, als jtehe ein Geſetz 
der Metropole bevor, dem zufolge die ehemals den Sklaven von 
ihren Herren eingegebenen Häufer und Gärten denſelben nach 
der Breilaffung rechtmäßig verbleiben ſollten. Am 25. Mai er: 
ließ der Gouverneur infolge einer Auffoderung des Eolonial⸗ 
Staatsſecretairs eine Procdamation, worin er dieſes Gerücht für 
unbegrünbet erklärte. Auf der Stelle hatten in allen Kirchen 
zahlreiche ———— ſtatt, welche gegen das Vorge⸗ 
ben, als laufe ein ſolches Gerücht unter ihnen um, proteſtir⸗ 
ten und daffelbe in Adreffen an den Gouverneur für verleum⸗ 
derifch erklärten. ine Anzahl von Depefchen enthält crimi: 
nal:ftatiftifche Überfichten, aus denen fidy die fortwährende Ab⸗ 
nahme der Beftrafungen ergibt. „Wir haben zu unferer Freude”, 
fagt Gurnev 1840, „aus den zuverläffigften Quellen die Ge⸗ 
wißheit gefihöpft, daß auf der ganzen Infel die Zahl der Straf: 
fälle beftändig im Abnehmen und daß fogar in einigen Diftrie 
ten des Landes Peine einzige Verurtheilung mehr vorgekom⸗ 
men iſt.“ \ 

Allmälig fingen die Pflanzer an, fi) durch die Erfahrung 
belehren zu larfen, daß fie felbit mehr Vortheil von der freien 
Arbeit der Neger ala von den &Havendienften hätten. Dafi 
fi diefe Einfiht fo ſchwer Bahn brach, dazu hat wol beſon⸗ 
der8 der Umftand beigetragen, daß beimeitem die meiften GH 
ter auf Jamaica abwefenden, in England wohnhaften Bigen 
thümern gehören. Die Eigenthümer haben Anmälte oder Be: 
vollmächtigte in Jamaiea, die das Gut und oft mehre Güter 
zugfeich bewirthfchaften, die Verwaltung aber geröhnlich ganz 
und gar den ern (Overseers), die fje anftelen, rohen 
und gewaltthätigen Leuten, anvertrauen. Xuf denjenigen Gu— 
tern, die unter Dem Auge ihres @igenthümers ftanden, wurde 
der Vorzug freier Arbeit vor SMauengrbeit am eheften: erfannt. 

Diefen Vorzug ſtellt vorzüglich Gurney durch eine fehr ber’ 
deutende Menge von einzelnen Beifpielen in das glänzendfte 
Licht. Ic, kann an dieſem Drte nur Einiges davon anführen, 
wid aber für Diejenigen, welche meiter nachſehen wollen, den 
Zitel feinca Buche bierherfegen: „A winter in the West-Indies, 
desoribed in familiar lettera ta Henry Clay of Kentucky, by 
Joseph John Gurney!' (3. Aufl, London IS . Auf der Kaffıe 
plantage Halberftaht, die einem Farbigen gehört, wurden na 
Suraey’$ Angabe 170 SHaven und zwiſchen 1334 und 183 
ebenfn viele Lehrlinge gebraucht; feit her Emancipation reicht 
der Kigenthümer mit 34 freien Urbeitern aus, welche vier Tage 


‚wöchentli für ihn arbeiten, einen Tag auf ihr eigenes Land 


und einen Tag auf den Markt verwenden. Ein Sklave koſtete 
durchſchnittlich 5 Pf. St. Das Jahr: alfo Fofteten 170 Sklaven 





1228 


jährlich SW pr St. Das Wochenlohn für die freie Arbeit be: 
trägt 4 &h. 6 Pf. (wobei ein Zug gegen Zins gerechnet if), 
alfo für 54 Arbeiter in 50 Wochen (zwei Wochen gehen ber 
Feiertage wegen ab) 607 pr. St. 10 Sh. Der Eigenthümer 
erfpart daher jährlih 212 Pf. St. 10 Sh. gegen ehemals. 
Ebenfo gut ift es überall gegangen, wo die Eigenthümer hin 
länglichen Kohn bewilligten und feinen übermäßigen Zins fo: 
derten, am beften da, wo- Beine Gegenrechnung eingeführt, 
fondern Lohn und Zins als zwei abgefonderte Angelegenheiten 
behandelt wurden; denn bei der Gegenrechnung ift der Arbei: 
ter meiftens gezwungen, den Ertran feiner eigenen Zandarbeit 
dem Herrn zu überlaflen, der alsdann den Preis beftimmt, 
während der Arbeiter auf den Markte mehr für feine Producte 
erhalten fönnte. Und fo gefchieht es, daß der Arbeiter ausfchließ- 
lih für den Herrn fowol auf Deſſen ald auf feinem eigenen 


Bande arbeitet, alfo ſchlimmer ald ein Save daran iſt. Auf 


den glüdlihen Gedanken der Zrennung von Zins und Kohn 
ift befonders ein Eigenthümer Namens Bravo gefallen, der ge» 
en Hrn. Gurney fih ded guten Erfolgs hiervon rühmte. 
Derfelbe ftellte aus feiner und aus allgemeiner Erfahrung den 
Sag auf, daß die freien Neger überall auf den Grundftüden 
ihrer ehemaligen Herren vortrefflich arbeiteten, wo fie irgend 
mit Billigkeit, Güte und Klugheit behandelt würden. 

Herr Gurney befuchte auch mehre freie Dörfer. Eins der: 
felben, welches er näher befchreibt, bildete cine Anſiedelung 
von 79 Familien. Sie Gatten gute fruchtbare Landflede ange: 
kauft und ganz nette, wohnlihe Häuschen gebaut. Ihr Land- 
bau brachte Einigen einen jährlichen Neinertrag von 20 — 50 
Pf. St. „Es find”, fagt Gurney, „ordentliche, verftändige 
Leute, die ihren Vortheil wahrzunehmen wiflen und es immer 
beffer lernen." Dies zur Widerlegung des Vorurtheils, als ob 
die Neger vorausſichtslos und leichtfinnig in allen ihren Han: 
dein wären. Auch Herr Philippo gibt Schilderungen von neu 
entftandenen Dörfern. „Ich befuchte‘‘, fagt er unter Anderm, 
„Bligoville und blieb eine Woche dafelbit. Jedes Loos vom 
(Hemeindelande ıft verkauft und viele Perfonen haben Richts 
mehr erhalten koͤnnen. Diefe Ortſchaft ift in einem blühenden 
Zuftande, Rohr, Erdfrucht, Obft, Alles cbenfo gut und beffer 
als irgendwo auf der Infel. Viele der Bauern hatten keinen 
Penny, als fie ankamen; fie arbeiteten aber und machten für 
das Land Abzahlungen von feinem Ertrage. Sie haben wohn: 
lihe Häuschen gebaut und leben jegt vollkommen glüdlich, fo: 
weit Menfchenglüd vollkommen fein kann.” 

Herr Philippo erzählt eine Menge Gefchichtdyen, um den 
Scharfiinn und überhaupt die geiftige Kähigkeit der Neger zu 
beweifen. Zur Mittbeilung bier wähle ich nur ein paar Mu: 
fter von Regerberedtfamkeit aus. Ein Neger und eine Regerin 
wurden vor Gericht geftellt, der Erſtere, weil er von der Ar: 
beit wegyelaufen, die Kegtere, weil fie ſich ebenfalld davonge⸗ 
macht, um nicht Federvich bezahlen zu müfjen, welches unter 
ihrer Auffit geftorben war. Der Neger vertheidigte fich wie 
folgt: „Maſſa, ich babe Fein Haus. Ic habe einen Brot: 
nußbaum abygefchnitten und babe gefchen, daß ein Baumhacker 
fih in den Baum fein Haus gebaut hatte. Ich babe zu mir 
Hefagt: Ich armer Schelm! Der Baumhader hat es beifer als 
ich; der Baumhacker hat Zeit genug, fein Haus zu bauen, und 
wenn der Baumhacker Morgens ſchläft, braucht er ſich nicht 
zu fürchten vor einem böfen Buſcha, der ihn peitfcht, weil er 
nicht vor Tage ausgegangen und für den Buckra gearbeitet 
bat. Ich habe gedacht, daB es fehr hart für mich ift, es 
fhlechter zu haben als der Baumbader, und habe dem Buſcha 
des Baumhackers Haus gezeigt und gefragt, warum er nidt 
dem Baumhader das Haus baut wie mir und läßt den Baum: 
bader Brotfrucht fohneiden und Zuderrohr graben wie mid. 
Da hat mi Buſcha gepeitfcht, bis ich halbtodt war. Gefept, 
Sie, fo ein hübſcher Wann wie Ste, gehörten ihm, er würde 
Sie auch peitichen, bis Sie halbtodt wären.” Die Vertheidi⸗ 
gung ter Negerin war, noch feiner. Der Vorfigende im Ge: 


rigt war Arzt. Sie fagte: „Maſſa, ih bin Bogelhausfrıs 
und die Truckies (Puten) fterben mir unter der Hand jrm 
Tag; fagt Buſcha, ich muß dafür bezahlen. Run, Rafk 
Doctor, Sie find ein gefhidter Mann, Kranke zu heilen, und 
wenn Sie Fönnen, werden Sie fie heilen; wenn aber bie dat 
kommt, daß fie fterben müflen, fo müflen fie fterben; denn mie 
wol Maſſa cin fehr gefhidter Mann, ein fehr guter Docer, 
kann Mafla doch nicht anders ald Bott will. Ebenfo, Rıfı, 


| wenn die Zeit kommt, daß die Yuten fterben follen, müflen fr 


fterben. Run, Maffa Doctor, gefept, es find Neger krank m 
Hothoufe und die Beit kommt zu flerben, und Gott läft k 
fterben, wäre es nicht fehr hart für Sie, wenn Sie ſellten be 
ablen für die todten Neger? So ift es auch für mid fr 
—* daß ich fol bezahlen für die todten Puten. Buſcha hai 
aber gefagt, daß er mich wird peitfchen, darum bin id wu 
gelaufen.” . G. Quliut. 


— — —— — mn —— 


Bibliographie. 


Agende, Viſitations- und Conſiſtorial-Ordnung des Kur: 
fürſten Johann Georg von Brandenburg, vom 3. 1712 un 
1973, mit einer geſchichtlichen Sinteitung aufs Neue heran 
gegeben. Berlin, Oehmigke. Gr. 8. 18 Near. 

Beethoven - Album. Gestiftet und beschrieben von ei 
nem Vereine von Künstlern und Kunstfreunden aus Fraak- 
reich, England, Italien, Deutschland, Holland, Schwede, 
Ungarn und Russland. Stuttgart, Hallberger. Gr. Lex- 

Thlr. | 

Boehmer,.J. F., Zweites Ergänzuugsheft zu den Re 
gesten Kaiser Ludwig’s des Baiern und seiner Zeit 15H 
— 1347. Leipzig, Kersten. Gr. 4. 7), Ngr. 

Das Buch von der Frescomalerei. Heilbronn, lan 
herr. Gr. 8. 2 Negr. 

Buſche, H. v., Populäres Staatslexikon in Einem Bank 
Ifte Lieferung. Stuttgart, Hallberger. Schm. 1. 6 Rır. 

Philoſophiſch⸗humoriſtiſch⸗ſatyriſches Gonverfatienstentr. 
für alle Stände. Ereugburg, Fifher. 8. 15 Rgr. 

Echo's aus den Urwäldern oder Skizzen transatlantiiie 
Lebens. Nach englifhen Quellen bearbeitet von F. Gerftättt. 
Leipzig, Gerhard. 1847. Kl. 8. I Zhlr. 

Foudras, Marquis de, Gräfin Alvinzi. Roman. Je: 
Theile. Stuttgart, Hallberger. RI. 8. 1 Thlr. 6 Rgt. 

Galletti's, J. G. A., Allgemeine Weltkunde. Iite Ir 
lage, durchaus umgearbeitet und vermehrt im geographiſcſt. 
tiftifchen heile von 3. G. F. Cannabich, im hiftenide 
Theile von H. Meynert, im mathematifch:phyfikalifcdhen Ihr 
ganz neu bearbeitet von Schulz v. Straßnigky. Hit 
2te Lieferung. Peſth, Dartleben. Gr. I. a 1 Zhfr. 

Hamäfa, oder die älteften arabifchen Volkslieder, gefamme 
von Abu Temmaͤm, überfept und erläutert von F. Rücer“ 
sn Theil. Stuttgart, ©. ©. Lieſching. Gr. 8. 2 Zi. 

gt. 

Hanke, Henriette, Sämmtliche Schriften. Bulle }3 
HAfter Band: Elfriede. Hannover, Hahn. Br. 12. 2 Ur. 

Der Mann des Volks, oder Zriumph der Zugent. 3° 
mantifches. Semälde aus der leßten Hälfte des 17. Zahrer 
derts. Drei Theile. Leipzig, Krappe. 8. 3 Thlr. 

Sporfhil, J., Populäre Geſchichte der Fatholifchen Kirkt 
für Bekenner aller Confeflionen. Ifter Band. Ifte und A 
Lieferung. Leipzig, E. Fleifher. Gr. 8. 15 Nar. 

Stephan, W., Wiflen und Glauben. Steptiih: Se 
trachtungen. Hannover, Helwing. Gr. 8. 20 Rear. 

Wette, W. M. 2. de, Die bibliſche Geſchichte als & 
ſchichte der Dffenbarungen Gottes. Leitfaten für Lehrer. Sa 
fin, Reimer. Gr. 8. 10 Rgr. 

Bild, F. K., Glaubensmuth in bewegter Zeit. 6%: 
wahre Geſchichte. Stuttgart, Steinfopf. 12. 7%, Nar. 


— — — — — 








Verantwortlicher Herausgeber: Geinrich Brockkans. — Druck und Verlag von J. X. Brockbans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Mittwod, 





Volks⸗Bibliothek. Erfter und zweiter Band. : 
(Bortferung aus Nr. 37.) 


Erſter Band. Nettelbe, geboren in Kolberg 1738, 
geftorben in der Vaterſtadt 1823. Der biedere Pom- 
mer hat eine fchlichte, treuherzige, überall das Gepräge 
unummunbenes Wahrhaftigkeit an fich tragende Selbſt⸗ 
diographie gegeben, in welcher der Herausgeber mur leine 
Nachhülfen Hinfichelih der Dfonomie bes Werkes und 
der Stehung der Begebenheiten, aber feine beträchtlichen 
Anderungen in Inhalt und Form fich erlaubt hat. Ale in 
rer erſten Auflage die erften beiden Bändchen vor 25 Jah⸗ 
en, das dritte zwei Jahre fpäter im Druck erfchienen, 
durden fie überall mit der Icbhafteften Theilnahme, ja mit 
Begeifterung aufgenommen. Damals’ war die Erinnerung 
n Das, was Zeitungen und Flugfchriften über den wadern 
dürger Kolbergs mittheilten, Deffen heidenmüthiger, jeber 
lufopferung fFähiger Patriotismus zur fiegreihen Ver⸗ 
heidigung bdiefer fungfräulichen Feſtung "bedeutend mit- 
jewirkt hatte, noch jung und friſch, und begierig ergriff 
nan die Bändchen, die eine zufammenhängende Darftel- 
ung jener Thatſachen erwarten ließen, die man bis da⸗ 
innur fragmentarifch gefannt hatte. Won einem Manne 
argeftelle, der nicht nur Augen⸗ und Ohrenzeuge, fon- 
en felbftthätiger Theilnehmer geweſen, mußten bie 
Hgereihen Begebenheiten wie an Anfchaulichkeit fo an 
zlaubwürdigkeit gewinnen, und Hohe und Niedrige, Alte 
nd Junge ergögten fi an dem einfältig-treuen Lebens⸗ 
ide aus einer wechfelreichen, noch nicht fange vergan- 
men Zeit. Das Intereffe an jenen Wendepunften 
iht nur preußifcher, fondern auch deutſcher Zuftände 
t, wenn auch etwas abgekühlt, doch noch lebhaft‘ genug, 
m dem Buche einen weiten Lefekreis zuzuführen, um 

mehr, als Nettelbeck's Leben, aus der Zeit Friedrich's 
8 Großen in die neuere hineinragend, faft drei Men- 
jenalter mit ihren eigenthümlichen Gebarungen an un- 
rm Blick vorübergeben läßt. Es ift ein vielbewegtes, 
atkräftiges Menſchenleben, das wir hier von’ ber Wiege 
8 zum fpäten Greifenalter begleiten, auf fühnen See- 
hrten, wo Muth und Beiftesgegenwart aus drohenden 
efahren erretten, an bie Geftabe Holland, Englands, 
ankreichs, Portugals und hinüber an die Sklavenküſte 
frikas, durch Stürme und Unwetter, Brandung und 


—— Nr. 308, ö— 


4. November 1846. 





Klippen, bis ein Schiffbruch die Seefahrten endet und 
den unverzagten Seemann in einen nicht minder unter⸗ 
nehmenden Landmann verwandelt. 

Bum Meerdurchſegler geboren, ſchnitzelt ſich der Knabe 
aus Spänen und Baumrinde Schifflein und. läßt fie, 
mit Wimpeln gefchmüdt, auf Rinnfteinen, Teichen ober 
auch auf der Perfante ſchwimmen; feine größte Luft ift, 
auf dem Schiffe feines Dheims in unruhiger Gefchäftig- 
feit, die ihm bis zum fpäten Alter eigen blieb, Alles zu 
betrachten und zu been, und nur feine Luft am 
Sartenbau und an ber Befchäftigung mit feiner Tauben- 
fhar kann ihn ein wenig vom Waffer abziehen. Zum 
Sipen und Lernen wenig geneigt, wirb er zuerft durch 
das Bedürfniß, mit der Steuermannstunft fich bekannt 
zu machen, zu fleifigerm Studium angetrieben, und die 
[härffte Kälte langer Winternächte hindert ihn nicht an 
der ebenfo ergöglichen wie belehrenden Betrachtung des 
Sternenhimmels. Um es an feiner Vorübung zur See- 
fahrt fehlen zu laffen, klettert er mit einem Altersgenof- 
fen gleicher Neigung im Sparrwerk der großen Kirche 
und im Gebaͤlk des hohen Thurms umher, dann hin⸗ 
aus durch die Luken am Glockenſtuhl auf den Forſt des 
kupfernen Kirchendache, auf dem er bis zum Giebel hin 
und wieder zurüdreitet, zum Staunen und Entfegen der 
fief unten zahlreich verfammelten Zufchauer. 

Erft elf Fahre alt, macht er feine erfte größere See- 


fahrt. Der Obeim nimmt ihn mit nah Amfterbam; 


dort entzückt und reizt ihn der Anblick der großen Schiffe, 
und er kann dem Geluͤſte nicht widerſtehen, auf einem 
Dftindienfahrer fein Glück zu verfuhen. Bei nächtlicher 
Weile entfchlüpft er dem Oheim und fehleicht auf einem 
Schiffe fih ein, welches, zum Sklavenhandel an der 
Suineatüfte beſtimmt, zum Abfegeln bereit ift und auf 
fein bdringendes Bitten und Flehen ihn endlih ale 
Schiffsjungen aufnimmt. So fieht der Knabe fchon bie 
afritanifehen Hüften, befucht Surinam und kehrt durch 
den Atlantifchen Ocean nad 21 Monaten mohlbehalten 
nach Amfterdam und von dort zur Freude der Seinen, 
die ihn längft tobt gewähnt, nad Kolberg zurüd, wo 
er bis ins vierzehnte Jahr regelmäßigen Unterricht em⸗ 
pfängt und die kirchliche Konfirmation erlangt. 

Dann vermag Nichts ihn länger auf dem Rande zu 
erhalten. Er fährt ale Matroſe nach Memel, Liverpool, 








. 1230 


"Dünlirhen, über Norwegen nah Danzig und nad 
Kolkerg zurück, reift zwei Jahre lang auf der Oſt⸗ und 
Nordfee umher, nah Dänemark und Schweden, Eng- 
land und Schottland, Frankreich und Holland, dann ale 

er, auf der laͤngern Fahrt als Unterfteuermann 
nach Suͤrtnam, bald hernach auf einem amdern Schiffe 
nach Curaças und: wieder nach Kolberg zurück. Auf 
einer neuen Fahrt wird die Schaluppe, in der er von 
Helfingör nad dem Schiffe zurüdfährt, durch heftigen 
Sturm umgeftürzt, dann das Schiff felbft vor der flan- 
driſchen Küfte zertrummert, ber Oheim töbtlich vermundet, 
ex felbft mit einem jüngern Bruder und einem Sohne 
des Oheims gerettet; das Schiff, das mitten im Winter 
die Geretteten heimführen foll, ſtrandet vor der Inſel 
Schelling, und wieder wind nur er weit feinen beiden 
Beidensgefährten den tobenden Wellen entiffen. Gin 
Troft in großer Trübfal war die Barmherzigkeit, bie ih- 
wen erwieſen ward Muͤhſelig ſchleppten fie fh, größ- 
tentheils zu Fuße mandernd, uber Lübeck in die Heimat 
zuruck. 

Hier harrt feiner andere Gefahr. Werber kommen, 
wm ihn zum Rekxuten zu preſſen. Durch Lift und 
Entſchloſſenheit diefer Gefahr entronnen, tritt er in Kü« 
nigsberg ald Steuermann einer Beinen Jacht ein, welche 
ex, da der Schiffer unterwegs ſchwer erfrankt, durch Die 
Morbfee und die Orkaden nah Weſtſchottland führen 
fol. Bon englifhen Kapern ausgeplündert und arg 
gawisbendeit, mit dem entmafteten Schiffe kuͤmmerlich 
den Texel erreichend, muß ee krank in Medemblik zu- 
rũckbleiben und benugt die unfreiwillige Muße, die Kunſt 
Gompaffe zu fertigen gründlich au erlexnen. Dann 
wieder heimgekehrt, findet ex. Gelegenheit, bei ber Bela 
serung Kolbergs buch die Muffen (1758) feinen Pa⸗ 
triotismus zu bethätigen unb als fcharflinniger Beobach⸗ 
ter Erfahrungen zu — die ihm ſpaͤter bei der 
Vextheidigung feiner Vaterſtadt ſehr gu ſtatten kamen; 
dann geht es wieder zur Se nah Amſterdam, von 
dert nach Surinam und weiterhin nad St. « ECuſtaz 





Auf der Rückkehr nach ftuemifcher Fahrt von englifchen | 
Kapern nach England geführt, muß er auf ein eng« | 


liſchen Schiffe Dienſte nehmen, bis er in Danzig frei 


mich. 

Während der zweiten Belagerung Kolbergs durch bie 
Rufen (1760) Teiftee ex ber Vaterſtadt wieder wügliche 
Dienſte. Darauf führt ex ats Steuermann ein Schiff 
oh Amſtexdam, und van dort, nachdem der Schiffer 
won Stumm ins Diser gefchleubert worden und ertrun⸗ 
in war, nach Pillau zurüd, mo ex, weil des Schiffers 
ud und Kleinode nicht: aufzufinden waren, in ehren 
nänlenben Verdacht geräth, gegen welchen er erſt nad 
gesaumer Zeit durch eine glüdliche Gutbedung ber ver- 
mißten Sachen gerechtfertigt ward. 

Die groͤßern und kleinern Seefahrten und Gefahren, 
Dig Rettelbeck nun als Giguer eines kleinen Schiffe 
während des Gichenjährigen Kriegs beſtand, feine rüflige 
Watigkeit bei der großen Feuersbrunſt in Königäberg 
und bei deu Mengung eines brennenden Schiffe; das 


Unglüd, das über ihn hereinbrach, ba er, weil er fahk 
furz vor der Abfahrt erkrankte, fein mit Mühe um 
Arbeit erworbenes Zransportfhiff einem treulofen Fit, 
rer anvertrauen mußte, von dem er es ausgeplindet 
und mit Schulden beladen zurückerhielt; das größe 
Misgeſchik, da er wach einer widerwaͤrtigen Fahrt von 
der franzäfifchen Küfte, wo er Steinfalz eimgefauft um 
abermals große Gefahren überftanden hatte, nad Ki 
nigsberg zurüdfehrend, in einen langwierigen und koſtſpie— 
ligen Proceß mit betzügerifchen Aſſecurateurs verwiddt, 
fein liebes Schiff an feine Gläubiger abtreten, dam 
drei Jahre lang mit Heinen Fahrzeugen an der Oft 
küſte bin taglöhnern und für ſich und bie Seinen di 
Brot kümmerlich erwerben mußte, bis fein Proc in 
legtex Inſtanz zwar gewonnen, aber weiß indeß die ©: 
genpartei fallirt hatte, auch feine völlige Verarmung en: 
fhieden warb: — das Alles muß man in der lebhaften 
und höchſt amziehenden eigenen Derſtellung des ihm 
Mprüften, dach wicht verzagten Mannes felbft leſen. 
(Die ortfegung folgt.) 





Über Nicolas Dietrich Giſeke. 


Wie Diele Iefen heute wol noch die wohlßlingenden, as 
wahrhaft fhbne und reine Seele athmenden Dven und fie 
von Giſeke, dem Hebling und Freunde Klopſtocks, dem tt 

tlichſten Stroyhen in der Dde „‚WBingolf” (zweites Bed | 

ee I, ©. 9), und nach feinem Tode die Ode „Un Gi‘ 
(&. 19) witmete. Beide waren in einem Jahre (1124) gar 
ren, und Klopſtock hoffle, daß fein überlebender Freund ihe 
ein „Lied vol Thraͤnen“ nachweinen werde: 

Bann einſt ih todt bin, Yreund, fo befinge mic! 

Dein Bio) vol Thraͤnen wird ben entflichenben, 

Die treuen Geil noch um bein Auge, 

Das mie beweint, zu verweilen zwingen. 

Giſekes (fo und nicht Gieſeke, wie bei mehren kun; 
toren, auch Gervinus, ſchrieb ſich der Dichter und ſchreibt id 
jeder femer Rachkommer noch Beute) „Poetifche Werke”, de 

Ehr. Gärtner Braͤunſchweig 1761), F 


Dhat ent überoli, c 
ein ündar ah Dich eigentlich Möfyeghi Sacer, DI, 3A 
u U), alſo ein Magyare, Iörkens jegt ausbrüudtich bin, > 
bie Deutihen aus en Ramen Gifefe oder Gieſeke gens# 


- 


Giſekt, te 


von dem cigef' 
nach der ger 


1831 


gebt ‚von GSiſeder Merken, d. h. ach 1767 eneflanden und 
verbreitet werben. 

Doc) fo aber konnten Bustfel an der Autoritat — 

ihre Beglaubigen erhidite. Es ſt 
dies eine Pleine, als Manuſcript gedruckte Schrift: „Rachrich⸗ 
ten von der Familie Giſeke, zuſammengeſtellt von Günther 
Giſeke, Prediger. Gendfäprift für die Familie.“ (Eisleben 
1843, &., mit einer lee) Der Verf. ift 
ein als Paſtor in Unterrißdorf bei Eisleben Iebender (Enkel 
Des Dichters, und aus der Hand eines andern Enkels Giſeke's, 
Des zu Breslau lebenden Regierungsraths Gifefe, habe ich ein 
Eremplar diefer faſt gang unbefannt und unbeachtet gebliebe- 
nen Meinen Schrift erhalten. IH glaube nichts Überflüffiges 
u thun, wenn ich Einiges, die Herkunft des Dichters Betref⸗ 
endes, was für den Literaturfreund von Intereffe fein muß, 
daraus mittheile, da es fonft nirgend fo volftändig und mit 
diefer Gewähr der Echtheit angetroffen wird. 

Die fruͤheſte fihere Spur von Gifeke’s Borfahren (in 
Deutſchland) geht ins 16. Jahrhundert zutück; Henning Giſeke 
lebte um 1965; Wohnort und Stand bleiben dunkel. Deſſen 
Sohn Heinrich, geb. 15%, ſtarb 1574 zu Dfterwie bei 
Zareteo Sein aͤlteſter Sohn, des Dicters Großvater, 

itolaus Dietrich, geb. zu Dfterwield den 2. Febr. 
1656, zog nad Hamburg, wo er 1733 als Kaufmann geftor: 
ben if. tr war Vater einer zahlreichen Familie, in welcher 
namentlich zwei Linien für die Literatur: und Gelehrtengeſchichte 
Bedeutung haben. Der ältere Sohn Paul, des Dichters Va⸗ 
ter, wurde zu Hamburg den 21. Aug. 1636 geboren, befuchte 
das Symnafium feiner Baterſtadt und bezog 1706 die Univer⸗ 
fitäöt Helmftedt, wo er Weologie Rudirte, deren Studium er 

Sena beendigte. Im Jahre 1700 nad Hamburg zurückge⸗ 

* ward er dort unter die Zahl der Candidaten aufgenom⸗ 
men. Das folgende Jahr, 1711, wurde er Erzicher der Söhne 
des Herrn v. Schnell, Dbercommilfariuß des Königs von Daͤ⸗ 
nemart im Haag. 714 wurde Paul Giſeke Hofmeiſter der 
Söhne des kaiſerl. oͤſtreich. Oberſten v. Rohr, wit welchen er 
nach Italien reiſte und dis 1717 in Neapel lebte. Dann nahm 
er feine Entlaſſung und kehrte nach nt yurüc Bon da 
nun berief ihn die evangelifche deutſche Gemelnde in Yünz und 
der eifenburgifäen Geſpanſchaft in Wiederungarn zu ihrem 

rediger. Dorthin er 1718 mit feiner neuvermaͤhlten 

attin, Katharina Krahmer, ab, und zwar nad dem ihm be: 

immten Wohnorte Efoba. Hier in Efoba, nicht in Günz, wie 
—* Bärtner angibt, wurde unſer Dichter den 2. April 1724 
geboren, als ber jüngfte hinter drei Schweſtern, von denen 
eine, Katharina, unverhei ton überlebte (+ 1769). Un 
dem frübzeitigen Mode feines Baters war theild Die zu große 
Unftsengung im Berufe bei einer zahlreihen Gemeinde (an 
manchen Geonntagen befief fich die Bahl der Sommunicanten 
auf 1000), theitd der nachtheilige Einfluß des Klimas ſchuld. 
Der Dichter hat es ftet beklagt, daß er feinen Water nie ge» 
kannt, fo in den webmütbigen „Kagen an Herrn Gr.. 174 
¶ Voetiſche Werke, S. 179): 

Freund, ich habe niemals die ſißen Freuden empfanden, 

De ein Water und gibt. 

Ad, 6 Habe Den nit, von dem ich abflamm’, umarmt, 

Aiımals: Water! gefagt. 

Alſo wollte des Schickſals Geſez. Br ſtarb unter Bremden, 

TE er kaum mich geſehen .... 

Die hier herausgehobenen Worte: „Ex ſtarb unter Fremden“, 
ſprechen deutlich genug. Auch die Mutter ſtarb ihm, abe As 
Dir Brühe ihrer Erziehung erlebte, was er in bemfelben Ge⸗ 
Dicht De : 
Zwar amp fie if dahis, die mich mit Seutzern und Thraͤnen 

Dir, 0 Tugend, erang. 

Und ib hab’ ihr dach niht nur eine der Thraͤnen vergaiten, 

Ginen Seufjer belohnt! 

DE gem! In au fie... 


gt e Baterſtadt, fondern 
für ihn fo zufällig, als wäre or dort feinen KÄltern auf der 
Ak geboren 3 feine wahre Vaterſtadt bleibt allein durch Ber 

‚ Berwandtfägeft und Erziefung Hamburg, an welches 
men bei Giſeke noch eher zu denken Urfacye hat als bei feinem 
geoßen Freunde Elopſtock. Dort lebten au feine Berwandten 
möütterticher Bette, von denen Paul Dietrich Gifeke, ein 

icher Better des Dichters (Bohn von Nikolaus Heinrich) 
aber bedeutend jünger, beſondere Erwähnung verdient. Er 
ward 1741 geboren und flarb 1796 aAs Arzt und Profeſſor am 
Symnafium zu Hamburg, ald Raturferfher darch viele Schr: 
ten über Botanik (er war ein Schüler Linne's) ausgereichnet. 
Das Berzeichniß feiner Schriften gibt Meufel, der jeboch an 
der Verwandtfchaft des Naturforſchers und des Dichters Irre 
wor, da er Lettern Gieſeke, den Andern Giſeke fchreibt. 

Ricotas Dietrich Giſeke hinterließ eine zahlreiche, größten» 
theils noch blühende Nachkommenſchaft. Sein aleſter Sohn 
Friedrich Auguſt Karl ſtarb vor drei Jahren, 18473, in dem 
hohen Alter von YI Jahren. Literariſch bekannt machte ſich Def: 
fen jüngerer Bruder Auguſt Ludwig Ehriftian (geb. 1756, 
geft. 1832), Verf. Der „Gemälde Inmdlieher Gluͤckſeligkeit“. 
Zeipzig 1791 (gemeinſchaftlich mit feinem Bruder Dtto); der 
Erzaͤhlungen aus dem renfägenteben, dem Thierreich und der 
Ideenwelt (Reipzig 3794); der „Rubriken“, ein Leſebuch 
(Kopenhagen 1802), und mehrer Gedichte und Auffäge im Bür- 

er' ſchen „Muſenalmanach“, dem „Breimüthigen” und andern Zeit: 
(ect Einige feinee Gedichte find in Muſik geſetzt worden. 
8 iſt auffallend, daß diefer auch durch feine u or 
bung bemerbenswertbe Schriftſteller und Sohn eines fo ber 
fannten Dichters von unſern Literatoren, z. B. auch in den 
fonft fo genauen Guden’ihen Zabellen, mit Stillſchweigen 
übergangen wird. Die hervorſtechendſten Punkte feined Lebens 
feien hier, nad unferer Duelle, raeti hervorgehoben. A. 
2. ©. Giſeke beuoq 1775 die Univerfität Böttingen, wo er bie 
Rechte ftudirte. 1783 übernahm er die Stelle eines Secretairs 
bei tem zuflifden Geheimrath Baron von der Affeburg in 
Megendburg und blieb neun Jahre bei ihm. 1794 ging er als 
Math zu dem Herzog Zriedrih Karl Ferdinand ven Braun- 
ſchweig· Bevern, der ihn 1 05 zum un ernannte. Diefer Fü 
war banifher Feldmarſchall. Nach Deflen Zode brachte * 
eine banifhen Drden nad Kopenhagen. König Friedrich VI. von 
änemarf ſchenkte ihm bald daraufdas Indigenatdreht und er: 
nannte ihn 1814 zum Etatsrath. Er blieb indeB bei der ner» 
witweten Herzogin ald Seihäftsführer. Erſt IBIG zog er fi 
von alien Geſchäften zurüd und nahm feinen enthalt in 
Braunfhweig, wo er in dem Haufe siner Verwandten, Ben, 
riette Gaͤrmer, kiner Tochter des Profeſſors Gärtner am Ga: 
roliaeum, des Freundes ſeines Vaters und Herausgebers von 
en poetiſchen Werken, wohnte. Er trat 1819 in ein ihm 
fprochened Kanonikat beim Stifte Cyriaci ein, und da ex 
unverheirathet blieb, war er der Freund und Wohlthäter fei- 
ner Berwandten und Anderer. Die Botanik war fein Lieb: 
Ungsfkubium. Dort entfchlief er den 17. April 1332. 

Deften jüngerer, ſchon erwähnter Bruder Otto (vollfländig 
EraſtFohann Ludwig Dito), geb. 1763, ift Schließlich einer 
befondern Erwähnung nit unwerth. Wr ſtudirte in den acht⸗ 

iger Jahren in Böktingen Theologie, und hörte bier Leß, Walch, 
Beer Miller, Spittier, Heper. Nach dem Übgange von der 
Univerfität ald Hauslehrer in Hamburg gab er, außer den an⸗ 
eführten, ‚mit feinem Bruder Rubwig verfaßten „Bemälden laͤnd⸗ 
her Stüdfeligkeit” eine Beſchichte Hamburgs heraus, weiche 
ober nicht vollendet ift. In den Zeitichriften jener Zeit finden 
isch mehre Aufſäte von ihm, wie er auch einige Predigten has 
drudien laſſen. Rarb 1838 als fuͤrſtlich ſondershauſiſcher 


Sonfiftorialrath in beleben, nachdem er zwei Jahre vor ſei 
| onfiftorialrath in en AD br or feiurm 


Bode pe 








1232 


‚burg von 1738093 hatte er namentlich auch angewandt, viele 
ſchriftliche Nachrichten über feine Familie au fammeln, welche 
dieſer unferer Mittheilung zu Grunde Itegen. | 

Unn ſchließlich auf Giſeke den Dichter zurüdzulommen, fo fei 
bier noch erwähnt, daß fein gefammter Nachlaß, in welchem fi) 
auch fein. Briefwechfel befand, in Gaͤrtner's, des Herausgebers 
von Giſeke's poetifchen Werken, Hände überging, in welchen er bis 


an Deflen Tod blieb. Später gelangte er in den Befig feiner nun _ 


auch ‚verftorbenen Schweiter in Braunfhweig. Möchte es ge 
lingen, biefe wahrfcheinli in diefer Stadt noch aufbewahrten 
Papiere für eine neue Ausgabe von Giſeke's fämmtlihen Schrif: 
ten, poetifche wie profaifche, zu benugen; und eine ſolche Samm- 
lung ſcheint nöthig, wenn Giſeke's Leiftungen mit der Zeit aus 
dem Gemeinbefig der Literatur nicht verfchwinden follen. Es iſt 
blos eine Pflicht der Dankbarkeit: ohne jene Über- und Stufen⸗ 
gänge unferer Poefie und Sprachbildung würden wir bie legte 
und höchfte Entwidelung der großen, nun fo gut wie vorüber: 
gegangenen Kiteraturepoche niemals wahrhaft verftchen, wuͤrdi⸗ 
gen lernen. ®&. &. Guhrauer. 





Literarifhe Notizen aus Kranfreid. 


Sur Kunſtgeſchichte von Genf. 

Bon dem ernften, firengen Genf wird gewöhnlich behaup⸗ 
tet, daß es in feiner methodiftifhen Starrheit den fchönen 
Künften nit eben fehr hold wäre. Wie es audy mit der 
Wahrheit diefer Annahme befchaffen fein mag, fo viel ftebt 
denn doch wol feft, daB man fich einer Ungerechtigfeit fchuldig 
madhen würde, wenn man der Bevölkerung von Genf alles 
kuͤnſtleriſche Gefühl abfprechen wollte. Es wäre wahrlich eine 
befremdende Erſcheinung, wenn e8 wahr wäre, daß diefe alte 
Stadt, welche auf den benadybarten Gebieten der Politik und 
Wiffenfhaften eine fo bedeutende Rolle gefpielt hat und zum 
Theil noch fpielt, in Bezug auf die Kunſt eine fo völlige Im: 
potenz an den Tag legte. Gegen eine ſolche irrige Annahme 
fpricht auch der Aufſchwung, den hier die Malerei neuerdings 
genommen hat, und von dem man wohl behaupten Pann, daß 
er notbwendigerweife mit frühern Pünftlerifhen Beftrebungen 
in Werbindung ftehen muß. Diefer Zufammenhang gegenwär: 
tiger Kunftleiftungen mit frühern, zum Theil weniger bekann⸗ 
ten Regungen muß fi aus dem Studium einer vor kurzem 
erfchienenen Schrift, welche ſich als Beitrag zu einer Kunft« 
gefchichte Genfs bietet, ergeben. Der Jitel derfelben Heißt: 
„Recueil de renseignements relatifs a la culture des beaux- 
arte à Geneve‘, von I. I. Rigaud. Bis jebt ift uns davon 
mur die erfte Abtheilung zu Geſicht gefommen, welche fich bis 
auf das Ente des 16. Jahrhunderts erftredit. Der Verf. durch⸗ 
läuft der Neihe nach die verſchiedenen Qulturphafen, von de: 
nen Genf berührt wurde, und befchreibt die Denfmäler und 
Überrefte, welche als Zeugen derfelben noch vorhanden find, 
mit großer Sorgfalt. Die einzige Spur, welche auf die aͤlte⸗ 
ften Beiten zurüdführt, ift ein Druidenftein, der mit vier roh 
gearbeiteten WVeiberfiguren verfehen ift. Auch die römifche Pe: 
riode ift in ihren Überreften noch dürftig, indem befonders die 
baulichen Denkmäler, aus denen und der Charakter jener Beit 
entgegentreten Pönnte, ber Vernichtung preisgegeben find. Die 
wenigen Ruinen, welche noch bier und dort ausgegraben wer⸗ 
den, find ohne Bedeutung. Nur zuweilen wird man an den 
Geſchmack und die Bollendung der alten Kunft erinnert. Zu 
den ältern Bauwerken der chriſtlichen Zeit gehört die Peter: 
kirche, welche indeflen zur Seit der Reformation durch Vernich⸗ 
tung ihrer reihen und mannicfaltigen Ausſchmückung ihres 
urfprüngliher Charakters beraubt if. Nur einige Glasmale⸗ 
reien find noch erhalten. Wir Fönnen die übrigen Kunftwerke 
des 14. und 15. Jahrhunderts nicht einzeln durchgehen, nur fo 
viel wollen wir noch bemerken, daß in den ftädtifhen Regiſtern 
und in den Papieren des Archive von Genf eine nicht unbe: 


-Bönnen, weil die Werke, 


'S 
deutende Ungahl von Künflieen jener Beit verzeichnet were, 
über deren Bedeutung wir uns Fein eigenes Urtheil hie 
dureh weiche ihre Namen ah fir 
die Rachwelt vun Bedeutung geworben wären, von der ve: 
ae Hand ber proteftantifchen Eiferer zertrünmert wer 
en find. 


Die deutfhe und frangöfifge Befefigungstunt 


Es Hält ſehr fchwer, fich ein Mares Wild von den fat 
ſchritten zu verfchaffen, melde die Befeſtigungskunſt in a 
Baterlande eines Bauban und Cormontaigne in neue zei 
gemacht hat. Den franzöfifchen Genieoffizieren iſt über hin 
Punkt dur befondere Reſcripte Stillſchweigen auferlegt, un 
bie Mittheilungen, welche wir darüber von Fremden oder ven 
Uneingeweihten erhalten, Fönnen nur fehr unvollftändig aus 
fallen. Und doch ift ed, auch abgefehen von dem rein wife 
ſchaftlichen Intereffe, in mehr ald einer Beziehung von Bid 
tigkeit für uns, in Betreff der Entwidelung der Yortificatiert: 
lebte bei unfern Nachbarn ins Reine zu Tommen. Bir hl 
ten gegenwärtig ein Werk, in dem und eine in dvielfacher hir 
fiht intereffante Yarallele der in Frankreich und Deutidlar 
geltenden Syſteme geboten wird (, Essai sur la fortihcatien 
moderne, ou analyse comparede des systemes modernes [rar 
gais et allemanda”, von 3. E. Maurice). Der Umſtand, dah 
der Verf. als fehweigerifcher Geniccapitain fi mehr auf dr 
Linie der Neutralität halten Tann, fcheint einigermaßen für die 
Unparteilichkeit feiner Darftelung zu bürgen. Wenn er tie. 
ungeachtet in den meiften weſentlichſten Punkten, befondet 
was die eigentlich militairwiffenfchaftlihe Fortbildung befrifi 
den Franzoſen den Vorzug und ein gewiſſes Übergewicht er 
räumt, fo wollen wir die Yufrichtigfeit und Begründung ine 
Anſichten nicht beftreiten, und nur die Bemerfung mat 
daß in einigen Stüden fein Urtheil vielleicht durch feine Se 
liebe zur Kcole polytechnique, in der er feine Bildung erde 
ten bat, beftimmt fein mag. Es fei inbeffen fern vn 
ihn der Parteilichfeit oder wiſſentlichen Entftelung zu zeibe 
Wir müffen ihm vielmehr daB Zeugniß geben, daß feine Br 
hauptungen niemals ins Blaue Bineingeben und fein 8” 
nement ftetd Durch pofitive Gründe einen wirklichen Gehzi ©: 
hält. Bon befonderm Werthe dürften die Capitel fein, mc 
der Beleuchtung der Feftungswerke von Paris, Lyon, ®: 
noble, Linz, Raftadt und Koblenz gewidmet find. Da ®r- 
fhiebt niemals ein fremdes Urtheil an die Stelle des fein; 
und feine Beobachtungen find durchaus aus eigener, geri® 
hafter Anfchauung hervorgegangen. 


Die Briefe von Huf. 


Wir haben in d. DI. zur Zeit auf das gediegene hiſter 
fhe Wer? von Bonnechofe: „Les reformateurs avant la T 
forme“ aufmerkjam gemacht. Der Berf., der auch durd = 
dere literariſche Keiftungen, 3. B. durch beziehungsreiche Site! 
fhilderungen aus der Zeit der Reftauration, bekannt ift, * 
den Theil feiner Schrift, welcher von Huß handelt, dur I 
Herausgabe einer neuen Schrift ergänzt und vervellint- 
Es ift dies die mit einer literariſchen Ginleitung verfchene I 
arbeitung der Briefe dieſes bedeutendften Vorlaufers ter # 
formation. Sie erfcheint unter dem Zitel: „Lettres de Jes 
Huss”. Diefe Briefe, welde die Zeit umfaffen, währen: do 
Huß im Eril und im Gefängniß lebte, find befanntlicy von Zr 
in lateinifher Sprache herausgegeben worden. Der literatid 
Werth diefer Correfpondenz ift nicht eben fehr hoch anzujäl::””, 
ihre Sprache erfcheint zum Theil verworren und unftar; aber ” 
biftorifcher Beziehung und als Document eines lebendiger 9! 
teseifers erfcheinen diefe Briefe als fehr bedeutungsvell, m 
wir glauben, daß die größere Verbreitung, welche ihre ' 
diefer neuen Form zu Theil wird, felbft in unferer Zeit m} 
vollkommen gerechtfertigt ift. Zu 


Verantwortlicher Heraudgeber: Heinrich Wrodpans. — Drud und Verlag von FJ. WE. Brockhans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 





5. November 1846. 





Volks-Bibliothek. Erſter und zweiter Band. 
(Bortfegung aus Nr. 388.) 


Ein neuer Glücksſtern leuchtet Nettelbeck, da er 1769 
um königlichen Capitain einer neuerbauten Fregatte er- 
ſannt wird, die er nach Cadiz führen ſoll; aber nach 
er Abreiſe üͤberwirft er fich mit dem Admiral, einem 
mdigen Sranzofen, und geht, feines Dienſtes entlaſ⸗ 
m, nach Holland, wo er als Oberfteuermann eines 
Jandelsfchiffes ſich verdingt, welches an der Küſte Gui⸗ 
eas Sklaven, Elfenbein und Goldflaub einkaufen ſoll. 
)aß der ehrliche menſchenfreundliche Nettelbeck am Skla⸗ 
enhandel thaͤtigen Antheil genommen, Das hat er aus 
m damaligen Standpunkte zu entſchuldigen nicht unter⸗ 
fen können und dann ein recht anfchaufiches Bild fei- 
er Fahrten und feiner Gefchäfte an ber afritanifchen 
üfte entworfen. | 

Nachdem er ein Jahr fang anf einem englifchen 
Shiffe als ſteuerkundiger Lieutenant gedient und anf 
emſelben eben nicht mit Behagen wieder die afritani- 
be Küfte befucht, bei feiner Rückkehr nach England 
ver feinen Abſchied genommen hatte, verfucht er ſich, 
m Befhäftigumg und Erwerb zu haben, in feiner Va⸗ 
tflade mit dem Kifchhandel, der ihm aber weder zufagt 
ch Gewinn bringt, weshalb er ihn denn bald wieder 
fgibt und in den J. 1776 und 1777 als Lehrer ber 
teuermanndturnft „mit befferm Erfolg thätig if. Da 
et er der Stadt einen wefentlichen Dienft, indem er 
it der größten Anftrengung und Gefahr das Feuer löſcht, 
Hches der Blig im hoben Kirchthurme entzündet hat, 
ihm von früher Jugend ber wohl befannt war. 

Aber noch kann er die unfreimillige Muße auf dem 
ten Rande nicht erfragen; fein unruhiger Gefhäftig- 
tötrieb und fein Unternehmungsgeift treibt ihn wieder 
maus auf die offene See, und von 1779 Bis zum 
bend des 11. Mai 1783 führt er ein tüchtiges Schiff, 
mer wohlbefrachtet und feinem Rheder immer bedeu- 
den Gewinn bringend, wiederholt nach Portugal, von 
t nah Holland umb wieder nach Portugal. An fe 
m unglüdlichen Abend wird das Schiff im SKattegat 
trümmert, ein großer Theil feiner redlich errumgenen 
ibe von den Wellen verfchlungen und faum fein ar- 
4 Reben gerettet: Nun endlich, nachdem er Glück und 


Unglück, Gunſt und Ungunft zur Ger, auch hülfreiche 
Theilnahme und Freundlichkeit, forwie Argliſt und Bos⸗ 
heit von Menſchen reichlich erfahren, entfagt er dem 
Seemannsieben und verfucht als Landmann und ebrfa- 
mer Polberger Pfahlbürger mit bem mühfam geretteten 
Neft der erworbenen Habe mancherlei Gefchäfte, um fich 
und die Seinen ehrlich zu nähren. 

Man fönnte vorausfegen, baß die bis dahin fo in⸗ 
haltreiche und anziehende Selbftbiographie fortan wenig 
Intereffantes von bem kolberger Bürger mittheilen koͤnne. 
Er felbft Hatte hier den Faden feiner Erzählung fallen 
laffen und ahnete nicht, daß er ihn wieberaufnehmen 
werde, um noch Erlebniffe zu berichten, die in die Ge⸗ 
fchichte feiner Vaterſtadt und feines Waterlandes dent: 
würdig eingreifen. Was konnte dem kolberger Bier⸗ 
brauer und Branntweindbrenner noch Erhebliches begeg- 
nen, das der Aufzeichnung für einen größern Leſekreis 
werth wäre? Sein haͤusliches Misgeſchick, daß er von 
dem Weibe feiner Jugend wegen ihrer wiederholten Un⸗ 
treue und von einer fpätern Gattin wegen unheilbarer 
Trumkſucht fi) fcheiden laffen mußte, daß feine Kinder 
ihm durch den Tod entriffen wurden und er endlich ein» 
fam und allein ftand, Bis er im 75. Lebensjahre noch 
eine würbige Gattin fand, die dem reife noch eine 
liebe Tochter gebar; daß fein Gewerbe durch die Un⸗ 
gunft der Zeit verfümmerte und ihm Noth und Sor⸗ 
gen bereitete, bie durch, einen von dem Könige and 
freiem Antriebe ihm bemwilligten Gnadengehalt erleichtert 
wurden; auch daß das Vertrauen feiner Mitbürger ihn 
zum Mitglied des Seglerhaufes (Seegerichts) und zum 
Schiffsvermeffer, fpäter auch zum Vorſteher ber Yür- 
gerfchaft erwaͤhlte; daß er zur Neform „der Künfgeher: 
männer”, d. i. der Bürgerfchafts-Repräfentanten beim 
Magiſtrat, kraͤftig mitwirfte und mit feinem auch im 
höheren Alter feurigen Kopf und warmen Herzen noch 
manchen Strauß beitand —: Das würde, wie anziehenb 
es zu leſen ift, doch ungedruckt geblieben fein, wenn es 
nicht zur Ergänzung des Berichts über feine einfluß- 
reiche Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten unb 
zur Befriedigung dee Gönner und Freunde, welche durch 
die beiden erften Bändchen des Lebenslaufs bem origi⸗ 
nellen Manne gewonnen worben, erfoderlich geweſen wäre. 

Die Belagerung Kolbergs durch die Franzofen, vom 





» u) 
. \ 


März, bis in den Juli 1807, eröffnete feiner unruhigen 
Geſchaͤftigkeit, feiner unermüdlichen Thatkraft und fei- 
nem feurigen Patriotismus einen weiten. Wirkungskreis. 
Überall, wo zu retten und zu helfen, wo Gefahr und 
Noth zu überwinden war, trat Rettelbed. voran, und 
dag er zur Verhütung der Übergabe, fowie zur Abwehr 
der Einnahme der Feftung wefentlich beigetragen, Das 
haben wie feine Mitbürger, fo auch die ehrenmerthen 
Männer, die bei Vertheidigung des Plages feinen Ein⸗ 
fluß beobachten konnten, namentlich Gneiſenau und Schill, 
und fein gerechter König. felbft ehrend anerfannt. Er 
opferte den größten Theil feiner Habe unbedenklich mit 


dem willigften Herzen auf; er fegte Gefundheit und Le⸗ 


ben daran, dem Könige und dem Waterlande dieſes 
Bollwerk zu erhalten; er bewährte da befonders fih ale 
ein Mann von bdeutfcher Treue und Tüchtigkeit. Nies 
mand kann ohne die lebhaftefte Theilnahme die einfache, 
höchſt lebendige Darftellung biefes Höhepunttes der Wirk» 
famteit des wadern Nettelbe lefen und faum Jemand 
ohne Thränen ben rührenden Bericht über feine Audienz 
bei dem Könige und der Königin, als die Schmwergeprüf: 
ten, auf der Rückkehr nad) Berlin, in Stargard ihn ale 
den Abgeordneten Kolbergs empfingen. Wir wüßten 
kaum ein Buch zu nennen, das zur Kräftigung vater⸗ 
Tändifcher Gefinnung fo entfhieden und nachhaltig mit- 
zuwirken vermöchte wie dieſe Gelbftbiographie. 


Zweiter Band. Der alte Heim, geboren am 22. Zuli 
1747, geftorben am 15. Febr. 1834. Wer von dem 
lieben trefflihen Manne, ber, mitten in einer weiten, 
volkreichen Reſidenz, doch den Menfhen aus allen Stän- 
ben, ja faft jedem Kinde bekannt war, auch noch nie 
Etwas gehört hätte, ber dürfte nur das Bildniß, 
das dem Buche vorgefegt ift, dieſes Antlig voll Geiſt 
und Kraft, vol Milde und Liebe ein wenig an- 
fhauen, um zu dem Manne fich hingezogen zu fühlen, 
Defien unvolllommenes Gonterfei ſchon Zuneigung und 
Bertrauen einflößt. Da figt er auf dem Lehnftuhl, von 
- vieler Arbeit und Mühe ruhend, und blickt fo ernft und 
heiter hinaus ins Xeben, daß man wünfchen möchte, er 
wende das geiftreihe Auge, den freundlichen Blick dem 
Beobachter zu. 

Der ehrfame Pfarrer in Solz, einem Dorfe des 
herzoglich fächfifch - meiningifhen Theile der Graffchaft 
Henneberg, M. Johann Ludwig Heim, hatte das feltene 
Glück, daß ſechs Söhne und eine Tochter, die ihm feine 
treffliche Ehefrau geboren, Alle ihm Ehre und Freude 
machten: der erfte, Johann Ludwig, ward herzogl. mei- 
ningifcher wirklicher Geheimrath; der zweite, Georg Chri⸗ 
ftoph, Pfarrer zu Gumpelftädt; der vierte, Anton Chri⸗ 
ſtoph, herzogl. Hofratb und Hofadvocat, ein vielfeitig 
gebildeter Mann; der fünfte, Friedrich Timotheus, Pfar- 
"rer zu Effelder; der fechste, Johann Ehriftoph, des Va—⸗ 
ters Amtsnachfolger. Der dritte iſt unfer trefflicher Arzt, 
Ernft Ludwig, dem die Liebe zu den Naturwiffenfchaf- 
ten, welche alle feine Brüder anzog und ergögte, auch 
Berufsfach ward. Die Kinder wurden unter den Au⸗ 


gen des firengen Vaters, am Herzen ber gütigm m) 
verftändigen Mutter ſchlicht und recht, ohne ſonderihe 
pädagogifche Principien, in pünktlichem Gehorfam un 
doch in großer Freiheit erzogen, körperlich abgehärt, 
geiftig an Selbſtthaͤtigkeit fruh gewöhnt Wenig cijmt: 
licher Unterricht, befte mehr eigene Arbeit. Man kr 
bie wunderlihe und feltfame Pädagogik des folser Mi 
vers keineswegs zur Nachahmung empfehlen; aber bei 
fie gute Früchte getragen, ift nicht zu leugnen. Friſch 
Tätigkeit, gründliche Kenntniffe, wadere Gefinnun, 
energifher Charakter zeichnete die Söhne aus und Ak 
waren miteinander durch bie zärtlichfte und treufte Lid 
verbunden. Sie wuchfen im Vaterhauſe heran, bis fe 
in die Gelehrtenfchule nach Meiningen eintreten konnin 
Dann verwandelte fü des Vaters Strenge in Freum 
[haft und Tiebreiches Wefen; das rückhaltloſe Vertraum, 
deffen er fie würdigte, ermunterte fie, daffelbe zu verdi- 
nen und fih wader zu bewähren. Der Mutter frühe 
Zod war ben Kindern ein unerfeglicher Verluſt; aa 
fie ſchloſſen ſich nur um fo inniger aneinander und e- 
hielten dem Kamilienkreife feine beitere Fromme Weiſt 

Im fiebzehnten Lebensjahre trat unfer E. 2. Hin 
in das Gymnafium zu Meiningen ein, und obwol just 
Vorbereitung mangelhaft war, arbeitete er doch fo made 
und erfegte jo eifrig was ihm noch mangelte, daj a 
ſchon nad) zwei Jahren die Reife zur Univerfität erlangt 
hatte. Doc war ein ausdbauernder Fleiß exrfoderlid, un 
mit Zülfe eines wohlunterrichteten Jugendgenoffen mund 
Lücken in der Schulbildung auszufüllen, während zuglad 
das lebhaft erwachte wiffenfchaftliche Streben die rüftigk: 
Thätigkeit für die akademiſchen Studien in Anfrnd 
nahm. Sechs Jahre verlebte er in Dale ein friſten 
heiteres, allezeit fröhliches Studentenleben, bei ſehr tar 
ger Ausftattung (er erhielt in den ſechs Jahren ım 
00 Thaler von feinem Dater, der auch diefe Summ 
nur unter Sorgen und Entbehrungen aufbringen fon) 
immer mit unvermeidlichen Schulden und mit dem Ir 
dringen der Gläubiger fämpfend (er meinte, Edula 
tönne er ebenfo wenig vermeiden wie ein Rad die Br 
wegung um feine Achſe, wenn einmal bie Pferde m 
dem Wagen anziehen); doc, konnte Nichts ihm de 
freudigen Lebensmuth brechen noch ihm fein Ziel zu 
den Augen rüden und feinen Eifer lähmen. An va 
Profeffor Nietzky gemann er einen trefflichen Lehrer um 
väterlichen Gönner, der ihn auch früh in praktiſche 2% 
tigkeit verfegte. Seine Studiengenoffen waren ihm m 
Achtung und Liebe zugethan; mehre fchloffen an da 
heiten, ſtrengſittlichen und rüftigftrebenden Züngling Fe 
an und blieben ihm treu bis in den Tod. Am innigie 
verbunden war er mit v. Karftebt aus ber Marl, de 
von der Jugend bis ins höhere Alter füch treulid 4 
ihm hielt und mehr als ein mal in ihm einen Keim 
aus Todesgefahr fand, vor Allen mit Muzel, da 
wadern Sohne des berühmten berliner Arztes. In 
die gefellige Bildung ber beiden Freunde hatte der Ze 
teitt zum Haufe einer edeln Witwe, die in Halle Ich 
und ber .züchtige Umgang mit Deren liebenswürdigu 


1288 


Tochter, . die von ihnen ohne Ciferſucht zärtlich geliebt 
ward, einen günftigen Einfluß und milberte die etwas 
rauhe Weife unſers Heim. 

Sein damaliger Briefmechfel mit ben Brüdern, be- 
fonders mit dem verfländigen und edeln Ludwig und 
mit dem beitern und wohlmollenden Anton, gibt, foweit 
er noch aufzufinden war und dem Bericht einverleibt 
warb, erfreulihes Zeugniß von der Entwidelung und 
dem Geiſtesgange des trefflichen Zünglinge, der in den 
Jahren, in weldhen fo Diele ihre Kraft vergeuden und 
die Lebensfülle erfchöpfen, ſich fo rein und unbefledt, ge- 
fund an Leib und Seele bewahrte, daß er auch im 
fpätern Alter nicht nur heiter auf eine ſchoͤn durchlebte 
Zugend zurüdbliden konnte, fondern auch ſich noch jung, 
rüftig, thatkräftig fühlte. 

Es gehört zu den Vorzügen diefer höchſt anziehen- 
ben Biographie, die der wackere Schwiegerfohn Heim's 
mit überall wahrnehmbarer Liebe und Verehrung, aber 
auch mit firenger Wahrhaftigkeit verfaßte, daß der wohl- 
geordneten Erzählung ein reicher Schag briefliher Mit- 
theilungen eingewebt ift, in welchen bie Brüder aufs 
traulichfte miteinander verkehren, und Heim felbft auf 
jeder Lebensftufe feine eigenthümlichen Anſichten, Nei- 
gungen, Brundfäge, fein ganzes, freies, tüchtiges Stre⸗ 
ben und Weſen unummwunden ausfpricht, nicht ahnen, 
daß dieſe Herzensergießungen jemals über die engen 
Grenzen des traulihen Kamilienkreifes hinaus fund wer- 
den möchten. Es iſt in dieſem all nicht ein Verrath 
an dem edeln Verftorbenen, wenn die Geheimniffe feines 
vertraulichften Zwiegeſpraͤchs fo öffentlich dargelegt wer- 
ben; es ift Das nur ein Act der Gerechtigkeit gegen den 
Mann, Deffen Achtung gebietendes Bild durch diefe Selbft- 
äuferungen nur vervollfiändigt und in das rechte Licht 
geftellt wird. Wie bei ihm Wort und That im fchön- 
ften Einklang ftehen, Denkart und Gefinnung in allen 
feinen Außerungen ungefchminft fi abfpiegeln, fo ent- 
halten feine Briefe eine Gelbftbiographie, die je weniger 
fie beabfihtigt war, um fo treuer feine ganze liebens- 
würdige Perfönlichkeit zur Anſchauung bringt, wozu die 
fhägbaren Auszüge aus feinem Tagebuche, welches er 
von Jugend auf bie in die legten Lebenstage nicht bios 
als Urkunde feiner Erlebniffe und Erfahrungen, fondern 
aud als eine lange Reihe von Selbftbeobashtungen ge- 
wiffenhaft fortführte, bedeutend beitragen. Man fieht, 
wie das: „Erkenne dich felbft!” und „Richte dich ſelbſt!“ 
ihm eine wichtige Aufgabe und befländige Derzensange- 
legenheit war, die er auch im Drange ber Gefchäfte nie 
aus den Augen verlor. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Geſchichte des Herzogthums Steiermart. Von Albert 
von Mudhar Zwei Theile. Mit 22 lithogra- 
phirten Tafeln, einer Karte und zwei Zabellen. 
Sräg, Damian und Sorge. 1844 — 45. Gr. 8. 
4 Thlr. 25 Ngr. 

Wir haben in dem foeben genannten Werke, wie wir gleich 

im voraus zu bemerken uns verpflichtet fühlen, eine fehr tüch⸗ 


riſche Monographie vor uns. Wir müfen fie in Ab⸗ 
dt pi ger der Quellen und deren fleifigen Benugung 
ben beiten hiftorifchen Specialwerken rechnen: fie wird fortan, 
find wir überzeugt, jeber fpätern Geſchichte Steiermarks 
Grundlage dienen koͤnnen. Es bat aber nicht bloß die de 
ſchichte dieſes Herzogthums einen wefentlichen Fortſchritt ges 
than, ſondern es fallen aus dieſem Werke auch manche Licht⸗ 
ſtreifen auf die geographiſchen, ethnographiſchen und geſchicht⸗ 
lichen —88 der Süddonaulaͤnder von der aͤlteſten Zeit 
an bis in die zweite Hälfte des Mittelalters. Und auf dieſe 
Weiſe verdient das Werk fowol von Denen Beachtung, die fi 
mit der Geographie und Ethnographie des Alterthums befchäfs 
tigen, als auch von Denjenigen, die Durch ihre deutfchen Geſchichté⸗ 
ftudien nad) dem Südoften Europas geführt werden. Beſon⸗ 
der machen wir aufmerffam auf des Verf. Zorfchungen und 
Anjichten, über die Berbreitung des Celtenthums und deffen 
BVerhältniffe zu dem Deutfchen Weſen in der älteften Zeit. „Zwi⸗ 
ſchen celtifher und deutſcher Sprache erkennen wir vermöge 
urfprünglicher Stammebeinheit zwiſchen Eelten und Germanen 
keinen radicalen Unterſchied.“ Und merkwürdig ift daß ziem- 
li lange Berzeichniß von fteiermärkifchen Idiotismen und Woͤr⸗ 
tern, die fi aus der älteften Zeit erhalten haben und in ber 
ſchottiſchen Mundart fi) wiederfinden: das gemeinfame Band 
ift der gemeinfchaftliche Urfprung, der celtiſch⸗germaniſche. Richt 
in gleichem Grade günftig wie über die Quellenforfchung vers 
mögen wir uns über die Darftellung des Verf. auszufprechen: 
fie leidet an einer gewiflen Schwerfälligkeit, erzeugt durch die 
außerordentlihe Menge des Stoff, den er in Folge jahrelan: 
ger und fleißiger Rorfhungen in Schriftftelleen und Urkunden 
vor fi aufgehäuft hat; die Bewältigung deſſelben madt ihm 
fihtbare Mühe. Doch vermag dieſe Mangelhaftigkeit dem 
wahren Berdienfte des Werkes, eine überaus reiche Zundgrube 
für die Geſchichtſchreibung Steiermarks zu fein, durchaus kei⸗ 
nen Eintrag zu thun. Daß der Berf. die Schwierigkeit feiner 
Aufgabe richtig erkannte und würdigte, geht nicht nur aus 


‚der Borrede zu dem vorliegenden Werke unmittelbar hervor, 


fondern au indirect aus der Gründlichkeit, mit welcher fein 
„roömiſches Roricum“ gefchrieben ifE Aber gerade diefes Er: 
kennen der Schwierigkeit, begleitet von enthufigftifcher Liebe 
u dem Lande, dad er wie fein Vaterland verehrt, und unter- 
Füge von der Liberalität der ſteierſchen Stände, ift geeignet ge 
wefen, ein gründliche Werk unter feinen Händen entſtehen zu 
laflen. Bei Gelegenheit des Durchgehen& derjenigen Quellen» 
fhriftfieller, die der Verf. recht Reipig benugt, Fönnen wir 
nicht umhin bier eine Wahrnehmung zu bemerken, die wir öfters 
zu maden Beranlaflung gefunden haben. Die katholiſchen 
Diſtoriker, zumal wenn fie geiftlicden Standes find, legen in 
der Regel ein vielfeitigeres Studium der Kirchenväter und alts 
kirchlichen Schriftfteller an den Tag als bie proteftantifchen. 
Die Urfache davon liegt fo fehr auf der Hand, daß wir Bein 
Wort darüber zu verlieren brauchen. Da aber jene altchriftlichen 
Schriftfteller der alten Welt, ihren Berhältniffen und Ereig⸗ 
nifien fo nahe ſtanden; da fie ferner vielfältig aus den Schrift: 
werten des claffifhen Alterthums fchöpften, felbft aus folchen, 
die für uns entweder gänzlich verloren gegangen oder nur in 
dürftigen Bruchſtuͤcken noch vorhanden find: fo geben fie man⸗ 
che Hiftorifche Ausbeute, die von Peiner andern Seite ber zu 
gerinnen if. Daher bat denn auch unfer Berf. aus dieſer 
uelle mandye recht brauchbare Rotiz geichöpft. 
Die Gefchichte der Beographie ift nicht gerade arm an 
Beifpielen, welche beweifen, daß der uralte nationale Rame eis 
ned Ortes nach dem Sturze und der völligen Befiegung des 
Ro Weſens im Mittelalter wieder auftauchte und bis auf 
den heutigen Tag feftfiehend blieb. So trat an die Stelle der 
römifchen Benennung Tioinum nad dem Gturze der Iongobars 
difchen Herzfhaft der Name Papia (Pavia) wieder hervor. 
Derfelbe Fall ift es mit Dfen in Ungarn, was die Römer nad 
den Coloniften, die fie dorthin gefendet hatten, Sigambria 
nannten; die Ungarn haben den altbeutichen Namen beibehal- 


= 


1286 


tom, ihn jede) in Are Sprache überfept (Wide). Co läßt Rd 
denn auch der rung des Namens Steiermark In ber aͤlte⸗ 
ſten Rationalzeit des Landes nachweiſen. Die bekannte Peu⸗ 
Anger’ pe Tafel nennt und in der Rähe des Pyreberges und 
des Mlufled Steier den Drt Gtyriate. Und bereits in der er» 
ften Dälfte des Mittelalter hat ſich eine daraus hervorgehenbe 
nationale Benennung des Landes gegen den roͤmiſchen Provin⸗ 
zialnamen wieder Bahn gebroden und fie niemals wieder der» 
faffen. Unfer Berf. fagt übrigens in diefer Beziehung dol⸗ 
endes: 
a „u⸗s feeicifde Land von der Sulm und untern Bur 
an dis zu den Binnen der nordweſtlichen Welfengebirge, 
weiße beutzutäge noch das Gteireroberland von Hſtreich ob 
der Enns und von Salzburg fcheiden, gehörte zur zweiten oder 
zur obern Karantanermarl. Sie trug faſt dur hundert 
Zahre die alleinige Benennung Karantanermark, die Marl; 
bis fie in die Hand der Grafen von Traungau gelommen ift 
(1055). Diefe nannten fi) von ihrer Hanptburg Stir, Stire, 
Styre, Steier, am Zufammenfluffe der Gteier mit der Enns, 
Grafen von der Styre, von der Steier; von woher dann die 
Bezeichnung Markgrafichaft von der Styre, von der Steier, von 
Steier zuerft und feit 1066 auf die obere und feit 1143 auf die 
untere Marl übergegangen und daB ganze Land der nunmehr 
vereinigten Marken das Land von der Gtyre, von Steier 
(1325), das Land Stir, Stirland, Stireland, Steyr, Steiyr⸗ 
Mari, die Steiermark genannt worden ifl. Doc wurde ba> 
durch die Unterfcheidung der beiden alten Marken felbft nicht 
aufgehoben und bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts nur 
dahin feftgefegt, daß von jegt an, der natürlichen Beſchaffen⸗ 
heit des Landes entſprechend, der ‚füdliche Theil die Bezeich⸗ 
nung untere Steiermark, die Mark vorzugemeife; der nördliche 
Theil aber den Namen die obere Steiermark, die obere Mark 
bekommen und bis auf den heutigen Zag behalten hat.’ 

Diefe Stelle, die wir zugleich zur Beftätigung unfers Ur⸗ 
theil über die Darftellung des Verf. mitgetbeilt haben, liefert 
den Beweis, daß ed den Römern hier ebenfo wenig gelungen 
war wie in dem eigentlichen Deutfchland, das einheimifche Volks⸗ 
element zu zerflören, fondern nur durch ihr Machtgewicht nie: 
derzubalten und in feiner Entwidelung für einige Jahrhunderte 
zu hemmen. Wir finden aber auch die Erfcheinung in Steier: 
marf wieder, die in Deutfchland mehrfach vorkommt, daß ein⸗ 
zelne Dynaften ein nicht unbedeutendes Landgebiet nach und nad 
gleichfam um ſich gruppiren und nach Abrundung deffelben ihm 
den Namen ihre Stammgebietes geben. In Deutſchland kön⸗ 
nen die Häufer Baden und MWürtemberg als Beilpiele ange: 
führt werden. 

Was den Abjchnitt betrifft, in welchem der Verf. über 
Das Verhaͤltniß Rudolf’ von Habsburg zum Könige Dttofar 
von Böhmen und über die endliche Befigergreifung der öftrei« 
chiſchen Länder durch daB Haus Habsburg fpriht, fo ift uns 
daſeibſt eine Luͤcke aufgefallen, die bei der fonft fo rühmenswer- 
then Gründlichkeit, womit der Verf. zu Werke zu geben pflegt, 
nicht recht erklaͤrlich ſcheint. Sollte irgend eine Rüdficht Play 
ergriffen Haben? Wollte der Verf. es vielleicht verfchweigen, 
daß das Haus Habsburg erſt durch einen blutigen oder am 
Ende gar durch einen verrathuollen Sieg ſich den Beſitz der 
öftreichifchen. Lande gefihert habe? War der Berf. von der 
Rechtlichkeit des Verfahrens, was Rudolf gegen Ottokar zulegt 
a nicht überzeugt und überging deshalb lieber die gange 


Thatſache? Wir wiſſen es nicht, wir fehen uns blod auf Ber⸗ 


muthungen befchränkt. Doc jegt zur Sache felbft. Der Verf. 
ſtelli namlich die Sache fo dar, ald ob mit dem Vertrage, der 
zreifchen Rudolf und Dttofar zu Wien 1276 abgefihloffen ward, 
Alles entſchieden geweſen und der verhängnißvolle Kanıpf zwi 
fihen den beiden Gegnern auf dem Marchfelde bei Wien 1213 

ar nicht vorgefallen ſei. Gleichwol lehrt bie beutfihe Ge 
Mpichtfchreisung allgemein, daß Dttofar durch allerlei Aus⸗ 


habsburgiſche 2 


Kücgte jenen Bertrag unwirkſam und unverbindlich zu nıda 
gefadpt babe. In Wolge deſſen fei NRudotf zu Möabtung find 

ſehens und des beutfchen Reiches Rechte zw den Malen za 
greifen und diefen die endliche Entſcheiduag anheim ga geben 
genöfhigt genelen. Über den Ausgang des —8 (iR 
waltet natuͤrlich im den Urkunden edenfo wenig ald in unfen 
Geſchichtswerken irgend ein Bıveifel ob: Rudolf fiegte, Ofteher 
fiel. Allein darüber ifk allerdings zwiſchen ber Deutiden ud 
ſlawiſchen Sef veibung Streit entflanden: ob Rudolf au 
er Dttokar angriff in feinem Rechte geweſen fei, ob nik 
inderfucht ſchon hier im Spiele gemein wi 
Ottotar nicht ein Opfer des Verraths geworben fa. Di 
ganze Sache hat in dee füngften Seit die Federn einige He 
riker in lebhafte Bewegung geſeht; felbft die Bitterkeiten von 
Rotionalantipathien find eingemifcht worden. Bir wolle cum 
Augenbli dabei fteben bleiben. Der neuefte Geſchichtſchreibe 
Böhmens, Palacky, ber ebenfo viel Befähigung zur Geſchichtſchtei 
bung als Anhänglichkeit an fein Vaterland verräth, hat in Fi 
nem Gefchichtswerke Rubolf's Politik überhaupt umd fein Be: 
fahren gegen Ottokar insbefondere lebhaft angegriffen und der 
Legtern nicht minder lebhaft vertheidigt: der Blarwisund db 
Gegenfah des Bermanidmus verleugnet feinen Einfluß'nidt 
Da trat Kopp 1845 mit dem erften Bande feiner „Geldiät 
der eibgenofjiihen Bünde” hervor. Diefer führt die Sache Ki 
deutſchen Königs gegen ben ſlawiſchen Yürften und feinen ge: 
lehrten nationalen Vertheidiger auf Urkunden gefügt und wik 
dem Legtern ohne Rüdhalt vor, daß feindliche Geſinnung ya 
das deutfche Volk ihm die Feder geführt und diejenige Unpant- 
lichkeit feinen Urtheilen entzogen habe, deren der Hiftoriker # 
überall befleißigen müfle. Segen diefe Borwürfe vertheidigt M 
nun Palady mit großer Lebhaftigkeit 1846; zugleich beſchulditt 
er gewiſſe Urkunden, bie von Deutfchen gefcgrieben au m 
den Deutfchen vorzüglich ald Quellen benugt würden, ber Far 
teilichfeit, die allerdings in einer Sache recht wohl erftärkd 
fei, weldye die flawifchen und deutfchen Interefſen fo naht & 
rührte und die Gemüther in große Bewegung fente. Und ii 
ſelbſt Verrath gegen den böhmifchen König geübt werden 
möchten die deutſchen Hiſtoriker wol ſchwerlich im Abrdı # 
ftelen mit gutem Gewiſſen im Stande fein, indem eis bar 
ſcher Ehroniit, Eberhard von Rieder - Altaiy, ein Zeitgacht 
In ‚Fimpfe zwifchen den beiden Königshaͤuſern, Folgende 
erichte : 


„Idem rex nobilia (Ottocar) et populum terrarun B 
hemiae, Austriae, Moraviae, Styriae, Carinthiae et Cın® 
lae, qui ante sua tempora rapinis et spoliis assueti fuerail, 
multa auctoritate compescuerat, et sine delectu personans 
in severitate justitiae ita magnam judicaverat sicut pr 
vum; et ob hoo nebiles eum latenter habentes odie dem 
ruerunt aciem ac ipsum oum oum phucis expositum he 
bus dimiserunt. ” 





umd beutfchen Geſchichtſchreibung nicht erft 

oder geftern fei, fondern gleich urfprünglich beſtehe und ia da 
jüngften Zeit nur ein neues und befonderes willeniheftis 
nationales Intereffe erregt habe. Kari Zimmer. 


Verantwortlicher Herausgeber: Beinrich Brockzand. — Druck und Werlag von J. X. Drockhaus in Betpig- 





Blaͤtter 


für 


iterarifhe Unterhaltung. 





(Berdtap aus Nr. 308.) 


Der Bang vor Heim's vielbewegeent raſtloe thatigen 
chens iſt übrigens ſehr einfach; ac hat nicht fo Vielerlei 
Het, nicht einem ſolchen Wechfel des Schickfale erfahr 
m wie etwa- Rettelbeck; aber er hat dennoch viel ge 
dt, weil er viel geliebt: und viel gewirkt, fit den 
wihiedenartigfien Menfchen aus alten Ständen viel 
erkehrt und dabei Zweck und Ziel bes Lebens immer 
ar erkannt und verfolgt: hat: 

Als er ſeine afhenifhen Studien beendigt wid um: 
r Rietgty's Leitung auch hen: ſeid ſtaͤndig und" wit an 
geichnetenn erfolg: bie aͤrztliche Praxis getrieben, enb⸗ 
h auch mie Hülfe Minet's, der zu Dem bedeutenden 
vfwande ein WBerrdichettches: beiſtenerte, Die‘ Dorteriureht 
fange hatte, verließ er mie BVetrübniß und Schnierß 
kr bein: Abſchled von fo viel guten und‘ wohlthaͤtigen 
kenſchen, beſonders von: feinem befſten v. Rurfbedt, fein 
ds Halle, um mir dem geliebten Freunde, Defſen Va 
t, erfreut einen‘ ſolchen heitern und vondderit Gefährten 
x fänen oft- tehbfirinigen Sohn: gefunden zu: hiben, 
eigebig nicht nur die Neifekoften darbot, fondern au 
n anfehnitches! Salat gewaͤhrte, eine große Wanderung 
qzutreten. Sie ſollten die bebeutenditen Heilquellen, 
erg⸗ und Hutttawerke; Unbverfitãten und Sruntengäh- 
k, naturwifferiſchaftlichen Sammlungin und andern oß⸗ 
michen Amtaiten beſuchen und uͤberall ebenſo wol ihre 
turwiſſenſchaftiſichen ums aͤrztlichen Studien ſteißig fort: 
im. Überall bereitere ihnen ber NRame und bie Ei— 
chlung des alten Gehrumtaths Muzel eine freundlichte 
afnahme, Die, wenn man die vorwärteſttebruden und 
bei anſprachslsſen, wohlunterrichteten und wohlgefimt 
 Jünglinge. taten lernte; unt: ſd mahr zuvorkonmend 
Nen zu Theil ward. Ser’ kohnte num feinen begetfkit- 
ı Eifer für Naturſtudien, befonders für die‘ Botanit, 
der [dom damals die Mamkichfättstilt und verbot 
ne Schönheit dev Moſe ihm die: iebhaftefte Thellnahrne 
d Aufmerkſamktit abgewann, recht nach Hensenshuft 


hingeben, verlor aber nie: die prakriſche: Richtungz 


e er denn fen Talent, die Heilmethoden ber: Werte, mt 
nen er in: Bercſchtüng kant, zu erforſchen, wenn fie 
ch noch fo gehelumntſooll ihre Artana: verhüllten, teefP- 


lich übte und dabei mit: ungemeiner Unbefarugen und 
ed un 
das Deſte behalten” 

Dig Freunde durchwanderten dem Harz, überall bei 
dem Sehenowertheſten verweilend, beſuchten Göttingen, 
Heimſtedt; Nenndorß / Pyrmont, Driburg, Detmold, 
Kaſſei, Hofgetomar, Frankfurt, Mainz, und weilten 
denn in Ems, Wiesbaden; ade, Spaa und in allen 
fübbeurfigen- Bädern- Im Sciober gelangten fie‘ über 
Luͤttich, Maſtrichtz Notterbam nach Leyben, wo fie über. 
winterten. Obwol Heim hier dierch körperliche Keiden 
ſehr angegriffen warb, fe’ benuhten doch Beide mit uner⸗ 
müdlichem- Eifer jede Gelegenheit am Erweiterung: ihrer 
Kennmiffe und Erfehrungen:- 

Erſt im Sommer 1773: verfiißen fie Holland md 
fegelten' na England über: Ih London hatten fie dus 
Stud, bei den berühmten Weltumfeglern Bante und 
Solander eingeführt zu werden unb bald befonders Banks 
Vettrauen und Wohlwollen zit gewinnen. Herm hatbe 
eine lebenbgefaͤhrliche Krumkheit zu beſtehen, gab ſich aber, 
als er geneſen war, ulm: fe effriger feinen Studien: und 
Beobachtudegen bin, nmchbem er die Landesſprache Bei 
einer liebensrdindigen Miß gründlich gelernt Hatte. E 
warb fleißig Anirtomie getrieben, die reicht Moosfemm- 
(ung des ihm immer mehr be en Banks georbnet, 
der Umgang und Verkehr mit ausgezuchneten Arzten auft 
beſte bencit. | Br 

Im Herbſt 1774 glanglen fie über Ren nd 
Parts. Die etſte Ilit ward wieher dem Stadium der 
Landeoſprache gewidmet, dann inf Haufe des Anatomen 
Default, der Heim, wenn er zur roͤmtſchen Kitcht uber 
teeten würde, ſeine ſchöne Tochter zum Suttin geben 
wollte, was Yöflich: abgelehnt wurd, in Hoͤrfaͤlen und 
Krantenhänfern der Iwrck des’ Aufenthalts in der feum- 
zöſiſchen Hauptſtadt mie dem unermüdlichſten Gifer wahr⸗ 
genommien. 


Kreuz; welches die außerſte Spitze bilbet, zu ſteigen, auf 
dieſem reitend, 473 Fuß hoch über dem: Steinpflafter, 








7 — — ——— — — 


zum Schrecken und Erſtaunen der Zuſchauer, das Ta⸗ 
fchentuch zu ſchwenken: — ein tollkühnes Wagniß, wel⸗ 
ches er um keinen Preis in der Welt wiederholen zu 
wollen demüthig geſtand. 

Durch. den Schwarzwald, wo Mooſe und Steine ge⸗ 
ſammelt, Mineralquellen analyſirt, Hüttenwerke befichtigt 
wurden, dann durch das ſchoͤne Schwabenland gelangten 
die Freunde nach Nürnberg, wo ſie im tiefen Schmerz 


fich trennen mußten. Muzel eilte nach Berlin zurück; 
Heim, Deffen Zukunft noch unentſchieden war, ging zu 


feinem Vater, der ihn mit Rührung und Freude em⸗ 
pfing. Fünf Monate verlebte der Bielgereiſte im Kreiſe 
der Seinigen hoͤchſt gluͤcklich, und das ganze Dorf freute 
ſich des trefflichen Pfarrſohnes, der mit feinen Jugend- 
genoffen fo heiter und freundlich verkehrte, als fei er 
noch ganz Einer ber Ihrigen. 

Zu Michaelis 1775 vereinigte Heim ſich wieder mit 
feinem Muzel in Berlin, ordnete mit ihm die Sentner ge- 
fammelter Mineralien, bie Tauſende getrodneter Pflan- 
zen, bie Menge ber angefauften Droguerien, trieb ernft- 
fich Chemie, machte den anatomifchen Curſus, befuchte 
fleißig die ChHaritd, beftand die ärztliche Prüfung und 
gewann bald fo viel Vertrauen, daß er wol einer ein- 


träglihen Praxis in der Reſidenz ſich getröften burfte. | 


Indeß erfranfte ein ihm befreundeter Arzt in Spandau 
und bat ihn, während feiner Badecur feine Kranken zu 
berathen. Willig übernahm Dies Heim und als bald 
darauf jener Arzt flarb, trat er in feinem 29. Lebens⸗ 
jahr an Deffen Stelle, durch die auf das allgemeine 
Bertrauen gegründete Wahl des Magiſtrats dazu be 
xufen. 

Nun begann für ihn die Zeit der rüfligen und ein- 
Außreichften ärztlichen Wirkſamkeit, nicht nur in Span- 
bau felbft, fondern auch in weiterm Bereiche der Um⸗ 
gebungen und bis nad Berlin hinüber. Sein mwohlge- 
pflegtes Roß trug ben jugendfräftigen Mann an jedem 
Zage, oft noch in fpäter Nacht. zu nahen und fernen 
Kranken; und wo er erfchien, da begrüßte man ihn voll 


Hoffnung als freundlichen Tröfter und hülfreichen Ret⸗ 


ter, der mit fiherm Blicke die. Urt der Krankheit er- 
Bannte, in ben meiften Källen mit erwünfchtem, oft mit 
überrafchendem Erfolg befämpfte und wo er nicht hel⸗ 
fen Tonnte, die Überzeugung zurückließ, daß Alles erwo⸗ 
gen und gethan worben fei, was irgend Wiſſenſchaft 
und Kunſt darboten. 

Aber mitten in der ausgedehnteften, aufs gewiſſen⸗ 
haftefte geüubten Praxis gewann er einige Mufe nicht 


nur zu beiterer Gefelligkeit, ſondern auch zu eifriger Fort⸗ 


fegung feiner Studien, von denen er nie ablaffen konnte 
und die, wenn fie eine vorherrfchendb praftifche Richtung 
hatten, doch auch das rein woiffenfchaftliche Intereſſe in 
ihm ſtets lebendig erhielten. Die Botanik gewährte ihm 


einen unerfchöpfliden Genuß; fie war feine erfte Kiebe, 


ber er bis ans Ende treu blieb, und die erflaunenswerthe 
Mannichfaltigkeit der Moofe infonderheit reiste immer 
von neuem feine Aufmerkfamteit, oft zur freudigften Be- 
wunderung des Schöpfers ihn begeifternd. Zu feiner 


Raum zu geben. Uber obwol er noch zu leben mi 


fortfchreitenden Ausbildung ale Arzt dienten au fin 
unermüblihen anatomifhen Studien; Taum hat je cn 
Arzt fo viele Keichen fecirt wie Heim, und ala ds 
Vorurtheil, das in diefer Hinficht in feinem Wirkung: 
kreiſe ihm entgegentrat, überwunden war, ließ er km 
irgend einen wichtigen Krankheitsfall, der mit dem Io 
endete, vorübergehen, ohne durch Öffnung der Ink 
den Schag feiner Kenntniffe und Erfahrungen zum 
mehren. Er bat noch fpät gerühmt, dag, wem um 
ausgezeichneter Arzt geworden, feine Beobachtungen a 
Berftorbenen dazu bedeutend mitgewirkt haben, wei 
denn freilich feine ſcharfe Beobadhtungs- und gludik 
Combinationsgabe ihm fehr zu flatten kam, wie er dm 
Vieles wahrnahm, was felbft geübte Forſcher überfahn 
Almdlig ward ihm auch, nachdem bie erfte in je 
nem Eintommen etwas magere Zeit vorübergegangn 
war, ein behagliches Austommen zu Theil, und er fr 
ein fo reiches Gefühl von Kebensfraft und Lebentglit 
in fih, daß fein frifcher, bisweilen derber Humer iha 
bie Häufer und Herzen öffnete. Da traf ihn ein empfindliße 
Schlag. Sein Muzel, mit dem er fo lange Ein m 
und Eine Seele gewefen war, flarb im April 178 
Tief erfehüttert trug er den gewaltigen Schmerz, id 
als ein Mann und als ein Chrifl. „Es wäre zu age 
nügig von mir, wenn ich ihn wieder in biefes La 
zurückwünſchen wollte, nachdem er fi da befindet, m 
jeder wahre Chrift hinverlangt“, fchrieb er ſchon wıny 
Tage nach dem Tode bes geliebten Freundes fe 
Bruder Lubwig, dem er alle Leiden und Freuden m 
traulich mitzutheilen gewohnt war und mit dem er and 
bald über eine vwoichtige Enticheidung ſich zu betathe 
hatte, da der vereinfamte Vater feines Freunde, ca 
einflußreiher Mann, mit vielen andern Bonn in 
nad) Berlin zu ziehen bedacht waren. Kür jept Ihe 
terte der Plan; der Prinz Ferdinand, Friedrich M 
Großen Bruder, tröftete ihn darüber durch feine Ernc 
nung zum Hofrath. 
Einen beffern Troft fand er in ber Liebe eines ihr 
nen und edeln Mädchens, ber Tochter des angefeheee 
Kaufmanns Märker, der er mit der ganzen reichen sit 
feines Herzens ſich hingab, als er die Ziefe ihrer Id 
nen Seele-Har erkannt hatte. Aber bevor er fie his 
führen konnte, erkrankte ex an der Ruhr, bie tobi 
[dien und ihm lange Leiden bereitete, welche noch ® 
fpätern Leben fich öfter erneuten. Ex felbft fühle m 
dem Zode nahe, und ein ſchleichendes auszehrendes Fr 
ber, das er nach feiner ärztlihen Erfahrung kaum me 
für heilbar halten Eonnte, ſchien keiner Hoffnung mt 


zu wirken wünfchte, ergab er ſich doch glaubensmutt 
in den Rath Gottes und traf mit ungeſchwächter Ve 
fonnenheit alle Anftalten zum Ordnen feiner iriide 
Angelegenheiten, ja war in wehmüthiger, aber entihlen 
ner Refignation darauf bedacht, feine geliebte Braut al 
das theuerfie Erbe, wenn nicht feinem trefflichen Dr 
der Anton, einem werthen Freunde zuzuwenden, Dis 
Sefinnung ihr Lebensglüd zu verbürgen ſchien. IM 








1289 


er genas, obwel langſam, doch kraftig, und im Mär 
1780 war ex vom feinem Freunde Fiedler zum ehelichen 
Bunde mit feiner bochherzigen Eharlofte eingefegnet, bie 
von da an bis an fein Ende ihm bie forgfamfte Ge⸗ 
fährtin, die aufmerkfamfte Pflegerin, die treuefte Freun⸗ 
din war und ihm das Leben erheiterte, exleichterte und 
verfchönte. Er fehrieb in fein Tagebuch: „Meine Frau 
che id als das befte Geſchenk der Vorſehung an, wo⸗ 
für ich Bott jeder Zeit danken und mich gegen fie fo 
wfführen werde, daß fie durch mich Beine trübe Stunde 
haben fol.” Beide haben einander Wert ‚gehalten im 
ollſten Maße. So überfchwänglich feine Freude war, 
us ihm das erfte Kind geboren ward, jo männlich faßte 
x fih, ale ihm daffelbe ſchon nach wenig Tagen wieder 
mtriffen ward; er vermochte flill den Schmerz zu ver- 
Hliefen, um die leidende Wöchnerin, der ihr Verluſt 
nehre Zage Lang verborgen bleiben mußte, zu ſchonen. 

Seine Tätigkeit überfchritt faft die Grenzen feiner 
Kraft. Beim Rechnungsſchluß des 3. 1782 ergab ſich, 
a er.in dem einen Jahre 784 Kranke behandelt und 
m 1000 Meiten zu Fuß und zu Pferde zurüdgelegt hatte. 
Die Sinnahme aber überftieg faum 1400 Thlr., wäh« 
nd die Bedürfniffe feiner Familie fid) mehrten. Dies 
vewog ihn endlich, dem Rath feiner Freunde und Gön- 
ir nachgugeben und fich nach Berlin zu menden, wo 
tim April 1783 einzog. Doc ritt er noch lange ei⸗ 
kn Tag um ben andern nad) Spandau, um bort Kran- 
en, die von ihm nicht laffen und feinem Nachfolger fich 
ht anvertrauen wollten, beizuſtehen, bis er endlich in 
er Refidenz bergeftalt in Anfpruch genommen war, daß 
T auf den größern Theil ber auswärtigen Praxis faſt 
zaͤnzlich verzichten mußte, zumal es ihn beunzuhigte, 
denn während feiner Abweſenheit Einer feiner Kran⸗ 
n in der Stadt vergebens auf feinen Zufprud ge: 
jofft Hatte. 

Zwar erwies ſich am Schluß des erften berliner Jahres 
in fo bedeutender Ausfall in ber Einnahme, daß alle 
Beforgniffe, bie ihn in die Mefidenz begleitet hatten, ge- 
echtfertigt fchienen, und daß manche Verlegenheit, Sorge 
md Noth auch über diefe Friſt hinaus ſich in dem Haus⸗ 
ande aufbrängten. Aber Heim’s Ruf befeftigte fich und 
sit ihm erweiterte fich fein Wirkungstreis und fein Wohl⸗ 
and, Wenn er um feines Slüdes willen von feinen 
jöllegen beneidet ward, fo fand er dagegen in der Freund⸗ 
haft und in dem Umgange mit vielen ausgezeichneten 
Rännern Erholung und- immer neue Anregung. Indeß 
eigerte fich die Zahl feiner Kranken und feiner Ein- 
ahme in bedeutender Progreffion. Im J. 1790 hatte 
:an 1000 Kranke, die vielen Armen ungerechnet, be- 
andelt und an 9000 Thlr. eingenommen; fünf Jahre 
äter find über 1300 Kranke in feinem Tagebuch be- 
ihnet. Es war nicht felten, daß er an Einem Tage 
9— 80 Kranke beſuchte. Später betrug die Zahl der 
ı ihren Wohnungen befuchten Kranken alljährlich zwi⸗ 
ben 900 — 1000, flieg aber wol auch auf 1200. In— 
5 mehrte fi die Zahl Derer, befonders Armer, die 
inen Rath im feiner Wohnung fuchten; ihrer waren 


jaͤhrlich 3 — 4000, mit deuen_sr häufig, damit keine 
Zeit verloren würbe, während er fi) anfleidete, fich be⸗ 
ſprach; feinem anweſenden Gehülfen dictirte er gleichzei« 
tig bie Mecepte. Aber wie Viele er auch unentgeltlich 
behandelte, feine Jahreseinnahme flieg auf 12,000 Thlr. 
fowie er denn als erfler Arzt Berlins immer allgemei« 
ner anerkannt ‚ward. , 

Ward. er oft durch Leiden bes Unterleibs und durch 
Lungenentzundungen in feiner Wirkfamteit unterbrochen, 
fo fiegte doc immer wieber fein Eräftiger Geiſt über 
den ſchwachen Körper, dem denn auch bis ins fpäte Al- 
ter eine feltene Rüftigkeit blieb. Dabei gab er fich gern 
beiterer Gefelligkeit hin; die fhönften Stunden aber ver⸗ 
lebte ex im Kreife feiner heitern Familie. Fünf Töchter 
fah er glücklich vereheliht; der Sohn trat in des Wa⸗ 
ters Zußftapfen. Der alte Heim erkannte dankbar wie 
viel Glück ihm befchieden war, und fein Glüd machte ihn 
nie übermüthig. Der Schmerz, mit dem er zwei geliebte 
Töchter früh aus dem Leben fcheiden fah, entbehrte nicht des 
Troſtes, den ein freudiger Glaube gewährt, und konnte 
um fo weniger ben heitern Frieden feiner Seele auf bie 
Dauer erfchüttern. Auch Heim's Brüder gingen Alle 
vor ihm von hinnen und er beweinte fie und bewahrte 
um fo inniger die Erinnerung an bie nit ihnen auch 
noch in fpätern Jahren verlebten Tage und an ihre bis 
zum Tode treue Kiebe. 

Die Leidensjahre von 1806 — 9 befümmerten ihn 
um fo tiefer, je inniger feine Verehrung und Liebe bes 
Königs und der Königin Luife mit feinem feurigen Pa⸗ 
triotismus verwachfen war und je fehmerzlicher der täg- 
liche Anblid allgemeiner Noth und Schmach fein mwohl- 
wollendes und patriotifches Herz bewegte. Er war lange 
ein eifriger Bewunderer Rapoleon’s, Deffen außerordent- 
lihem Feldherrntalent ex, für alles Große empfänglicd, 
die. gerechte Anerkennung nicht verfagen konnte. Aber 
es laftete auf feinem Herzen die Unterjochung des hei⸗ 
matlihen Landes zu ſchwer, als daß fein Herz fich nicht 
abgewendet hätte von dem bemunderten Delden. Die 
Rettung des Vaterlandes, die glorreichen Siege, buch 
weiche diefelbe bewirkt ward, feierte er mit ber ihm eige- 
nen Begeifterung. 

Wie allgemein die Verehrung und Liebe war, bie 
Heim in einer vieljährigen fruchtbaren Wirkſamkeit ſich 
erworben hatte, Das bezeugte fich am lebhafteften und 
ftärtfien bei der Jubelfeier feiner funfzigjährigen Doctor- 
würde, am 15. April 1822. Da wetteiferten alle Stände, 
ihm den Tag zu verfchönen, dem die ganze Hauptſtadt 
ehrende Auszeichnung gewährte. In demfelben Jubel, 
jahre befuchte er noch 1020 Kranke in ihren Wohnun- 
gen, zwei Jahre fpäter wieder 2642. Im 81. Lebens 
jahre befuchte er zwar nur 604 Kranke, behandelte aber 
außer ihnen 2030 Arme, die Hülfe bei ihm fuchten. 
Als er 18330 fein goldenes Chejubiläum feierte, war er 
noch ein rüfliger Greis, wol nicht von allen Gebrechen, 
doch von jeder Misftimmung des höhern Alters frei; 
nur die zunehmende Schwäche des Gedächtniffes peinigte 
ihn und beſtimmte ihn, fi von der ärztlichen Ihätige 





— — — — — — — — — 


20 


krit grt¶nwen Im OT: Lebensjahre ſtard er, von 
Vielen beweint. 

Auch wer ihm nicht gekannk, wird das tree HB; 
weldyes fein Blograph entworfen hat, mit dankbarer Befrie⸗ 
digung lefen. Wen die Beyonce „Votke⸗SDibllothrk⸗ 
folder Beiträge noch mehre gewinnt, fo wird fie ein 
rechtes Walhalla werden. 67. 





Das Margarethenfeſt und des Teufels‘ Schwabenſtreich. 


Katholifche. Novellen von Hermann Schiff. Leip- | 


Ig, Literariſches Mufeum. 1846, 8. 20 Nor. 


Der Jitel „Katholifche Renee. begieht ſich; auf den 
Stoff dieſer Erzählungen. Die katholiſche Kirche hat die Ver⸗ 
bindung, in weldier Religion und Poeſie miteinander ſtehen, 
ärfer feſtgehalten als bie lutheriſche; das Gebiet der portis 

en Gage innerhafb der kacheliſchen Seche iſt führe: Teig; 
Sur Herder, Koſegarten u. A. ſind manche biefer Emgen 
in weitern Kreiſen bekannt geworden. Auf dem. epifch⸗ 
bieaftifcen Gebiete liegen übrigens die zwei Rovellen des 
Dr. Schiff nit; die lebte, weiche den größtin Uitrfang 
Bat, iſt eine unbedeutenbe Leiſtung; fie Fümpfe -— und nicht 
inter. mit Glück — gegen: eine gefährliche Aflpgre: die: Laug⸗ 
meiligkeit. Die Ironie, die hier und: da aufblägt, iſt ſchwaͤchlich, 
Ref. muß dagegen die erſte Novelle, „Das rgarethenfeſt 
ein ganz vorzuͤglich gut gelungenes Werkchen nennen; es ift 
Komit darin, und zwar edjte Komik, niemals uͤbertrieben und 
doch von draftifher Wirkung: ed herrſcht im der ganzen Ee⸗ 
zäblung. die gefundefte Naivetät:, bie ſelbſt den fromnmdfien Ka⸗ 
tholiken beim Lefen nicht umwillig werben laſſen wird; alle 
Scenen der kleinen Erzählung. find gut vertheilt und hübfe 
abgerundet; die Sprache rn dem Gegenftande angemgjen. 





Literarifhe Rotiz aus Franfreid. 
Eine bygantinifde Itonogr:apbie. 

Für Preande der chriſtlichen und kirchlichen Diateofunf 
im Mittelalter: möchte folgendes- Werk: ‚Manuel. d’ioonegra- 
phie chretienne grecque et. Jatine”, melde mit einer Einlei⸗ 
fung und Anmer ungen von Didron, Secretair des Hifföri« 
ſchen Comité für Künfte und Derttmäler, überſetzt aus dem 
borantinifchen Manufeript: „Korn rs Zasyongezrg durch 
Paul Durans, 1345 in der koniglichen Buchdruckberei zu Paris 
auf Koſten der Regierung erſchienen iſt, von großem Imtevefie 
ſein. Es iſt dies ein Handbuch der gMRaterfund, deffen fi die 
griechiſchen Künftler feit vielen Jahrhunderten bedienen, um, 
nad unveränderlichen Überlieferungen, dis refiglöfen Boͤrwurfe 
weiche in ſo großer Bahl die öfter: des Gebirges Athos zie⸗ 
sen, auszuführen. Heer. Didvon bat jenes byzantiniſche Ma⸗ 
nuſcript im Jahre 1839 in einem dieſer Kloſter gefunden 
und. in Griechenland eine Abfchrift davon genommen. Das 
Driginalmanufeript geht nicht über das 15. oder 16. Jahr⸗ 
hundert zurück. Dan kennt bie Zeit von beffen urfprüng- 
licher Abfaffung nichts Alle was man weiß ıfk, daß man 
e6 einem Mönche Dionyſius, Maler im- Klofter Furna 
bei Agrapha, zu verdanken hat. Das Werk befteht aus 
vier Abtheilungen. In der erften, die reinweg techniſch iſt, 
fegt der Verf. die bei den Griechen üblichen —— 
in der. Malerkunſt, die Urt, die Pinſel und die Farben zu bee 
reiten, die Auftragungen auf die Freſscos und Gemälde em 
richten, auf die Auftragungen oder Bewerfungen die Farben 
und vorzüglich das Gold zu befeftigen, auseinander; ex gibt 
an, in welchem Berbältniß jede Subſtanz darin eingehen muß, 


aus ein farbendes Wntäfkgaste: Ju OBER: Da: Ditren Hi 
dieſe erfierütitßichhung Dicke u wir 


Haß um dal iiften , weide men va 
bet, wenjg verſtändlich find. - zweite btheilung ke. 
ſchreibt umſtaͤndlich umb 9 egenſtaͤnde der Religions 
iehte; Ba vi m a tie Kamm. Die hitte 
en Dit, icktich it, einen geriſſen titzihe 
Gegenfiand‘ oder eine gewiſſe heilige Verſon vor ugmeit m 
—— ficken. Endlich beftimget ein papers da Ip 
rakter der Darftellungen von Chriſtus und der Jungfrau 
ria und. gibt einige der. auf den byzantiniſchen Gemäften be 
finvtichen zuhllofen In en An. Diöron: beimühr fih, Me 









gelands, ondern au für das Studium des ifonsaranhi 

ſtems Ai lateinifhen Kirche und der —— — 
thiſchen Zeiträume Frankreiths. Er glaubt, daß, nachdem ma 
diefes Handbuch der Malerkanſt geleſen und mit befich Ithet 
Me Statuen und Gemaide, welche die: framzoͤſiſchen Kathutn 


| Tippen zieren, verglichen. hat, man Das, was die Firqhihe 
Sfonpgrapbie. der ofifchen Hat borgen können, wiſſen mt 
die. Zahl und das Maß 


Rp der Entlehnungen, die man von ih 
jat machen koͤnnen, erkennen wird. "3. hecbe“, fagt er, „et 
de: Cnalsgien zwiſchen der Karebiaie vom: Eharttu AR 
deu von Rheind und den Kirchen: von Gt: Lutas in Pivadim 
St.Sophia * Salonika und Stufaura auf dem Berge Aha 
gefunden. as Petſchaft, womit die Moͤnche von Athos ik: 
ntfcheidurigen befiegeln, iſt auf einem Ken rglaß in der 8 
thedrale zu Chartreo abgrmall‘..... as Syſtem, nad rt 
Gem die zahlreichen in: Skein gehauenen ober gemalten Pak 
men, welche unfere- Kirchen zieren, verteilt find, iſt gam d# 
felbe wie in Griechenland: die Panagia von Salamis fu 
ald Schweiter von Notre -Dame zu Chartreß betradgtet wc 
ben. Biele Figuren in diefer letztern Kirche waren nod m: 
nym oder undekannt; man kann fiejent faft alle mit Hit m 
bosantinifchen: Winnuftripts tcfen zu 





Liteer ariſche Anzeige.. 


Tasechenbuch auf das Jahr 180 


Reue Folge, Neunter Jahrgang: 
me Kom WBiitatffe Berehers Wuerandtt 
3: leg: cart. 2 The. 15: Rer. 


Inhalt: 1. Sibylle. Rovefe von U. von Sternberg. 
2. Snterlaten. Novelle von Therefe. — 3. Imagine. Rex 
von 8. Gutzzkow. — 4. Die Tochtet der Riccarces. Leben! 


aus Louiſiana vor F. Gerſtäcker. — 5: Die Frau Pech“ 
Erzaählung von 8. a 


Bon früuhern Iahryanyen des Urania find nur noch eiannas 
Gremplare von a 1836 — 33 vorräthig,, die im 
geſetzten Preife zu 12. Ngr. ber Jahrgang abgelaffen == 
den. Der etfte bis achte Jahrgang der Neuen Felge fi 
1 Ze. 15:Ngr. bis 2 Ihe. | 
Reipzig, im Rovember 1846; 


5 U. Brockhaus 














Verantwortliker Herausgeber: Heinrich Brockkaus. — Drud und Berlug von F. A. Srockhans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


1. Rovember 1846. 





Eduard Duller. 

. Gedichte von Eduard Dulter. Berlin, Klemann. 1849. 
8. 1 Thlr. 324, Rgr. 

. Deutfdyland und das deutfche Voll. In Schilderungen von 
Eduard Duller. Mit 151 Anfichten in Stahlſtichen und 
30 colorirten Abbildungen von Volkstrachten nach Original: 
seihnungen von I. Döring, M. Mühlig und ©. W. 
Säurig, Zwei Bände. Leipzig, ©. Wigand. 1849. 
ter... 16 Ahlr. 20 Nor. 

In faft allen Werken von Eduard Duller fpiegelt 
ih berfelbe Geift, diefelbe Beftrebung ab, die wir auch 
n feiner Perfönlichkeit, in feinem offenen, klaren, deut⸗ 
hen Geſichte wiederzuerfennen im Stande find. Durch 
ine Geburt und Abftammung ift Duller dem Gemüths- 
ben der ſüddeutſchen Völker verwandt, durch den Gang 
iner Bildung und feines Lebens mehr bem Ernſte der norb- 
eutſchen Lande näher gebracht; beide Michtungen liegen je- 
ch nicht, wie Dies bei Schücking der Fall if, auseinander, 
nd zwar nach zwei Seiten feiner Thätigkeit, fondern fie 
aben fich in ihm zu einer gemeinfamen Geftaltung bin- 
gearbeitet. Sein Gemüth fündige nicht auf Koften 
s Verftandes, umfchlingt diefen nicht wie eine Schlange, 
e ihre Ringel zerquetfhenb und zermalmend um bie 
ırten Glieder eines Löwen legt, fondern umfpielt, 
awebt feine geiftige Richtung zart und finnig, wie der 
inende Epheu um den Stamm einer Eiche fich legt 
r die Mebe den feften Schaft ihres Stabes umrankt. 
vr auch der Verſtand trodnet hinwiederum nicht bie 
ndeinden und fhäumenden Quellen feiner Phantafie 
einer Cifterne ein; der Wellenfehlag feines Gemüths 
ıt hindurch und begleitet den Verſtand auf feinen ern- 
ı Gängen. Auf diefe Weiſe kommt eine gewiffe Ruhe, 
cherheit und Feſtigkeit in fein ganzes Weſen, das 
te durch dieſe Eigenfchaften gerade auch weit weniger 
das bewegliche Element der Poefie, fir die veizbare, 
t und doch tief erregbare Anfchauung eines Dichters 
; beftimmt fcheint. Poetiſch erregbar ift die Natur 
ller's zwar, die poetifhen Schwingungen von aufen 
gen die Saiten feines Herzens an, bewegen und be⸗ 
tern fein Inneres, aber poetiſch probuctio ſcheint fie 

nicht. 

—* die aus feinem eigenen Gemüthe emporgeſtie⸗ 
find, bleiben als ſolche bei ihm haften; und wenn 

iefen Empfindungen Form und Geftalt im Liede ge- 


my — 


Die Eindrüde, die er von aufen empfängt, - 


ben will, fo verirren ſich diefe meiſtens entweber in flarre, 
trockene Reflegtonen, ober fie verlieren fih in barten 
Rhythmen, in weitgefpannten Phrafen, ober fie find und 
bleiben eben nur die Eindrüde, die Bilder die er em⸗ 
pfangen, ohne daß fie das eigentliche Medium ber Dicht- 
kunſt durdlaufen haben, wodurch erfi das Bild zum 
Liebe, der Bedankte zur künſtleriſchen Beftalt gelangt. 
Gerade diefer Grund mag auch ben Schriftfteller vor- 
zugsweiſe, ob bewußt oder unbewußt, zur Geſchichte, zur 
ruhigen Darftelung und Auffaffung des in der Zeit fi 
verwirklichenden Menfchengeiftes geleitet haben, da hier⸗ 
bei weniger eine eigentliche poetifche reizbare Natur er- 
fodert wird als vielmehr eine ruhige, Klare, feſte Ein- 
fihe, ein orbnender Verftand und eine ſcharfe Be—⸗ 
obachtungsgabe. Die Poeſie ftellt die Leidenſchaft als 
folche in ihrem Werden bar, biefe ift ihr Vorwurf, währ 
vend die Gefchichte es bios mit der Leidenſchaft in 
ihrem Gemwordenfein zu thun bat; hier liegt der Stoff 
vollendet vor unfern Augen, während dort der Dichter 
denfelben erſt bereit. So muß der Gefchichtichreiber 
zwar leidenfchaftlos fein, über den Parteien fichen, etwa 
wie der Chor im griechifchen Theater, aber er muß vor 
Allem auch ein menfchlihes Hera haben, eine Bruft 
reich an Gefühlen, um die Leidenfchaft verfiehen zu ler 
nen, wo fie ihm entgegentritt. Der Geſchichtſchreiber 
welcher darauf Verzicht leiſtet, der überall nur da fei- 
nen nüchternen Verſtand walten läßt, wo fo oft nur 
die Leidenfchaften der Menfchen den Hebel ber fortfchrei- 
tenden Entwidelung bilden, wo oft poetifche Potenzen 
in Rechnung zu bringen find, wie fie noch fein Dichter 
in feinen Werken erfchöpft hat, der leiſte vorerft Ver⸗ 
sicht darauf, ein getreues Bild des Lebens, des ſich ver- 
wirklichenden Geiftes, liefern zu können. Das Leben in 
feinen großen Entfaltungen, in dem SHeroismüus feiner 
Thaten fchließt eine Fülle von Poeſie in ſich, die der 
trockene Verftand zergliedern und zerlegen kann, die aber 
nur ein poetifchserregbares Gemüth aufzufaffen und wie- 
derzugeben vermag. Gerade beshalb halten wir auch 
Duller's Natur vorzugsmeife für die Geſchichtſchreibung 
geeignet und ftellen ihn und feine Werke über fo manche 
andere Erfcheinung auf diefen Gebiete, mögen fie auch 
auf einem umfaffendern Quellenftudium beruhen und 
einen gewiffen pebantifchen Fleiß zur Schau tragen. Das 





1842 


wollen wir jeboch uns auch nicht verhehlen, daß die ges | 


fchichtlichen Werke Duller’6 geminnen würden, wenn ex 
die Zorm feiner donnernden Declamationen und die 
thetorifche Fülle feines Ausdrucks mäßigen und mehr 
eine ſchlichte, einfache, wahre Darftellung fi aneignen 
bonnte; der Pathos der Rede iſt dem Wefen der Ge⸗ 
fchiehte fremd, denn die Gefchichte will nicht überzeugen 
und hinreißen, wie Dies der Redner thut, fondern fie 
bringt die Thaten im Zufammenhange zur Anfchauung 
und läßt diefe felbft reden, ſich ſelbſt vertheidigen. 
. Mit diefer ſtark vorwiegenden Neigung und Anlage 
Duller's zur geichichtlihen Darftelung hängt auch zu- 
mm, baß er fehon früh meniger dem eigentlichen 
Liede als vielmehr der Ballade ſich zumandte und feine 
Stoffe hierzu aus der reichen Vorzeit des deutſchen 
Botles entichnee. Wenn wir auch biefe Balladendichtungen 
fetöft nicht fehe Hoch anfchlagen und fie mehr als eine 
Übergangsftufe in der Enmwidelung Duller's anſehen, fo 
fielen wir dagegen feine hiſtoriſchen Romane „Loyola“ 
and „Kaiſer und Papſt“ ebenſo fehr über mandıe 
biftorifche Romane unferer Zeit, etwa wie Mundt's 
„Thomas Mümzer' und andere, als wir zugeſtehen müſ⸗ 
fen, daß er in des Ballade weder ben naiven Ausdruck, bie 
ſchoͤne Innigfeit und die volfsthümliche Darſtellung Uh⸗ 
kand's oder Schwab's erseicht, noch auch die Pracht der 
Schilderung Freiligrath's oder bie Tiefe der Empfin⸗ 
dung in den Lenau'ſchen Dichtungen dieſer Art. Was 
aber vor Allem uns das Wirken Duller'6 fo hoch anfchlagen 
käßt, iſt feine freie, mannbare Gefinnung, feine imnige 
Lebe zum beutfchen Bolke und zu feiner Freiheit. Dieſe 
Liebe und Hingabe ift der Grundton aller feiner Werke 
und feines Kebens und einen ſchönen Kusdrud hat er 
‚berfelben gegeben in dem Gedichte „Weihe”, das ber 
Sammlung voranfteht. Die Blumen, fo bie Knospen⸗ 
hülle im Lenze forengen, der Vögel Jauchzen dem jun- 
gen Pichte” entgegen fuchte er dent Monichenherzen zu 
verfimden; aber das Sehnen ſchwoll immer flärfer, bie 
Befriedigung, die Ruhe kam wicht in fein Bemäth, er 
fann und fann, bis er es verfiand, bie er es gefunden. 
Wenn die Dergetgipfel im Topten Scheine bed Abends 
gfühten, da trat ihm held verklärt ba6 Eine Hehe nah: 
Run konnt' ih nicht mehr von ihm Laffen, 

Und von ihm Laffen werd’ ich nie; 

Run endeich konnt ich deutlich faffen 

Deu Inbegriff der Harmenie. 
ud ale diefe Pracht Hatte er nun entbedt, er wußte 
für Ben es war, beun nur zum Preis bes Ginen war 
es 


da: 
Da kennt' ich felbſt nun auch nicht ſchweigen, 
Mes ich, ſeitdem ich ward, empfand, 
Mein Dichten ward, mein Sein zu eigen 
Dem hohen Einz'gen: Vaterland! 
Auf den Aktar des Vaterlandes legt ex feine Blätter 
nieder, auf daß demfelben in jedem neuen Lenze bie 
Herrlichkeit und Ehre aufs neue exblühe! 
Die Sammlung der Gebichte zerfällt im vier MWircher. 
Bu biefer Bliedesung hat wei nur die Zeitfolge, in mel- 


her die einzelnen Gedichte entflanden, Anlaß gegen, dı 

fie rüdfihtlih des Stoffes und der Form nur al nee 

ganz äußerliche erfcheint;' wir würben zu biefer Anna 

fhon von ſelbſt gefommen fein, wenn auch in dem Va— 

zeichniffe nicht einige Zahlen uns darauf bingeleitet hir 

ten, da in den erften Büchern Lieber enthalten find, di 

noch ganz die Spuren der Erftlingsverfuche an fih tie 

gen. Die charakteriftifihen Merkmale der gefammten 
Gedichte bleiben diefelben, die wir ihrem Hauptgtumd 

zuge nach fihon oben aus dem Wehen der Natur Du 
ler's ableiteten. Es find Hier nicht tiefe Gefühle der 
eigenen Bruft zu Liedern ausgeboren, auch ringen m 
gäbren die Schmerzen der Zeit und bed Volkes nik 
in denfelben nach ?ünftlerifcher Geftaltung, die malen 
Gedichte find entweder ganz epifcher Natur, fallen all 
ber Balladengattung anheim, oder es find aud zum 
Theil in Liederform Iyrifche Stoffe verarbeitet; aber in- 
mer haben biefe Gedichte mit Ausnahme von nur mei: 

en eine Beimifhung von epifcher Dietion oder laufe 
in das trodene Feld des Raiſonnements aus. Geiabe 
dieſe Inrifchen Gedichte find ber fchwächfte Theil ie 
ganzen Sammlung, die Gedanken find weber neu ud 
such ſchoͤn, fie fireifen oft fo nahe an das Wltiglik: 
und Gewöhnliche, daß fie einen ungeheuer matten Cie 
druck bervorbringen. Die Bilder leiden an demſtilbu 
Sehler, find nüchtern, troden oder zu geſucht und um 
wahr. Den Fruͤhling nennt Duller einen Helden, da 
mit Pfeil und Bogen bie Welt auf- und abzieht, di 
Sonne fei feine Fahne, bie Freiheit feine Wehr. Re 
men wir auch einmal has Bild als Helden an, fo fit 
nen wir durchaus Feine Anfıhaumg finden, was da 
Del und Bogen bedeuten fol, da die Sonne fan 
Sahne ift, indem men fonft pielleicht die Strahlen kt 
Senne als Pfeile nehmen kannte; daß aber bie Fruher 
die Wehr, Die Rüftung fein fell, Das iſt nicht wohl eu 
zuſehan, da die Freiheit — was, beiläufig gefagt, us 
hoöchſt umtünftierifch ift, da der Begriff au und für fd 
u vag — doch höchſtens nur fein Ziel fein tum. 
In dem erfien Buche finden fich viele Gedichte, bie durk 
aus feinen Anſpruch auf Diefen Namen machen künaen, & 
ind Spieleneien ohne Inhalt und auch fehr gewöhnlihe 
Verm, denen man auft Haar amficht, Daß fie aus ba 
efien Jahren ber paetifchen Werfuche berühren, wo mit 
fie in ſchön gebundene Hefte mis irgend einem fühle 
genden Titel einfehreibt, mit einem fentimentalen Bet 
eder mit dem Uhland'ſchen aft ſchwer nisbraudes 
Spruche: „Singe, wen Geſang gagaben!“ verficht un 
von denen man ſich dann oft mar ſchwer ader zu I1H 
twennen kann. Das Gedicht „Worm Treibhaus“, mb 
ches mit deu Verſe beginnt: 

Get, Blumen unb Bäume, das ſchmecht euch heut: 

„Elfenliebe“, „Feſtkalender den Liebenden“, „run u 
ein Vöglein wär’ umb andere wollen wir zu die 
zählen. Um noch ein Beiſpiel dieſer poesifchen Zpieli 
reien und gar zu naiven Dictien anzuführen, will 
wis eine Stelle aus dem Gedichte „Arabeske“, das 1“ 
vieler Bier firhen möge: 


1343 


unkeieni Mbeibehen, 

€ fo verſchaͤmt es thut! 
Dem Turteltaͤubchen 
Stuͤnd' es nicht halb fo gut? 
Laß wi nicht irren, 
Männdyen, fie will nicht fort: 
Denn all ihr Girren 
Heißt: „Lieber, dort!’ 

Es finden fih zwar manche lyriſche Gedichte in ber 
Sammlung, die ziemlich gelungen find, die eine kraͤftige 
Sprache und ein gemedtes Gefühl beweiien, aber bei 
weitem tft Dies die geringste Anzahl. Don fogenann- 
ter Tendenzpoeſie ift das Buch ziemlich frei, und wir 
halten Dies für einen Vorzug; die Poeſie hat feinen 
Zweck, der auf die Erbe gerichtet if, fie iſt bie ſchöne 
Dorftellung des menfchlichen Lebens, verleiht dem Ge⸗ 
fühle der Menſchenbruſt Worte, fie Hingt aus dem Le- 
ben der Gegenwart hervor, frei, jubelnd und erhe- 
bend wie die Lerche aus den Schollen, in denen Die 
fimende Saat waͤchſt. Das gerabe iſt das Betrübende 
und zugleich auch Charakteriftifche unferer gegenwärtigen 
literariſchen WVerhältniffe, daß der Drud und bie Dual 
der focialen politifhen Zuftände ſich auch in der Poeſie 
ein Reich zu erobern fucht. Du Fannft dem Bewußtſein 
dieſer Mängel nicht mehr entfliehen; flüchteſt du dich 
aus der oden troſtloſen Gegenwart unbefriedigt, Freude 
ſuchend in das Reich der Poeſie, fo tritt die hier der⸗ 
fetbe Boden, Diefelbe Qual, wie fie im Xeben ſich breit 
macht, entgegen. Sie iſt der Beier, dex fortwährend an 
unferm Leber zehrt; aher das ift auch, wie Prug ſich 
ausdrüdt, das Recht des erobernden Gottes Dionyfos, 
daß er mitleüdslos in Scherben zerfchlägt was immer 
son irdiſchem Zon ift, und daß Poeſie die Lerche iſt, 
die über dem Schutt in unendlihem Raum mit ſchmet⸗ 
terndem Liede fich wiegt. Bezeichnend ſcheint uns die 
Schilderung, bie Duller in dem Gedichte „Geiſtermah⸗ 
nung” von der Halbheit, Trägheit, dem thatenlofen kärm 
und funfenfprühenden Frieden der Gegenwart entwirft; 
wis fegen, das Gedicht mit feinem Unfange hierher, ba 
mir ben Übergang, den der Poet darin macht, noch be- 
trachten wollen (©. 163): | 

Rings ein halbes, fieches Wollen, 
Abgelebt, bevor gelebt! 

Blaflen WBeibern dort entrollen 
Dichte Schleier, friſch gewebt. 

Was aus Ihränen fie gefponnen 
Und beftidt mit rothem Blut, 
gängen fir ans Licht der Sonnen, 

rocknen fle an loher But. 

Roffen hoͤr Ich einen Wagen, 
Sch’ ein Roß, das ſchnaubt und fiharrt, 
gertaefhu ftatt ſtolz zu sagen, 

ie gebund’'ne Begenwart. 

Über Blumen, über Traͤume 
Über Hoffnungen, durchs Korn, 
Über umgehau'ne Bäume 
Schweift das Roß in tollem Zorn. 

Funken kniſtern aus den Uchfen, 
Blut bezeugt entlang den Lauf, 
Und aus den Geleifen wachen 
Geufzer Sterbender herauf. . - - 


Was fol nun der Dichter —— Soll er ſpot⸗ 
tend ſich an den Schweif des Roſſes haͤngen, oder in 
dem Jaumel wilder Luft ſich vertieren ? Mein, ſagt Dui«- 
ler, er ſol in Die Gräber niederſteigen und alle Helden 
aus der Naht heraufbeſchwoͤren. Bier kommt eben- 
falls wieder ber charakteriſtiſche Zug Duller’s zum Vor⸗ 
figein, der ihn auch als Dichter der Gefchichte zudraͤngt; 
wir aber glauben, daß damit die Aufgabe bes medernen 
Dichters nicht gelöft iſt, daß man die Fragen der Ge: 
genwart unberührt liegen läßt und ſich in ein entfernte 
res, ruhigeres Reich flüchtet. Der moderne Dichter muß 
auch für diefe quaienden Situationen bie künſtleriſche Form 
fih ſchaffen und in feinem Lied den Schmerz; und den 
Drang der Gegenwart ausftrönen laffen. Mag dann 
die Zukunft von unferer Zeit urtheilen, es war eine 
tzübe, gährende, ſchmerzensreiche, ringende, oft barnieder- 
liegende Beit, fo wird fie wenigſtens dafür aud ben 
Ausdruck und die Belege in unſerer Porfie leicht auf 
finden fönnen; denn 
Ih und wir, wir ſehn's und kauen müßig, 
Und kau'n den Grimm und fätt’gen und mit Darren. 
In den Gedichten: „Ihr Deutfchen, auf mit Gott!“ 
„an die Fürften”, „Rom“, „Kreusfahrt”, welche am 
Schluffe der Sammlung ſtehen, hat fig Duller durch 
die religiüfen Verwickelungen begeifteen laffen; aber wir 
halten dieſe dogmatifch - religiös - politifche Grundlage für 
feinen Gegenfland zur poetifchen Bearbeitung, und in 
ber That können wir uns auch nicht entfinnen, daß wir 
trotz der vielen Verſe, bie darüber bereits gebichtet find, 
nur ein Gedicht kennen gelernt hätten, mas Anfprüche auf 
poetiiche Berechtigung machen könnte. Auch diefe Dul⸗ 
ler'ſchen Gedichte, fo fehr fie auch manch ſchönen Ge⸗ 
danken, manch freies, keckes Wort ausſprechen, find ei⸗ 
gentlich doch, beim rechten Lichte beſehen, nur rhe⸗ 
toriſche Blige, donnernde Phraſen, deren Sprache wie 
nicht einmal im Allgemeinen edel und anziehend nennen 
tünnen. Zu den Balladen hat Duller feine Stoffe größ- 
tentheild der bdeutfchen Geſchichte entlehnt, und darun⸗ 
ter befinden fi manche, Die man gelungen nennen 
könnte; nur wi es uns fcheinen — und namentlich 
gilt Dies von den Balladen, melde der Sage ange⸗ 
hören —, daß die Manier an fon bekannte Vorbilder 
erinnert und bag mitunter auch die Erfindung nicht 
mehr fo ganz frifch und neu fei und daß biejenigen, 
weiche der Geſchichte entiehnt find, gewinnen würden, 
wenn fie größere draftifche Elemente enthielten. 
(Der Beſchluß folgt. ) 





Mititairifche Briefe eines Verftorbenen an feine noch Ie- 
benden Freunde, hiſtoriſchen, wiflenfchaftlichen, kriti⸗ 
fchen und humeriftifchen Inhalte. Zur unterhalten- 
den Belehrung für Eingeweihte und Laien im Kriegs. 


wefen. Vierte Sammlung. Erſte und zweite Abthei⸗ 
lung. dorf, Verlags-Bureau. 1845-46. Gr. 8. 
3 Thlr. 


In dem in Ar. ik d. Bi. & 1845 enthaltenen Referate 
über die Yeitte Sammiung biefer Briefe glauben wir unfexe 





1244 


Anficht über den Geiſt und den Werth derfelben hinlaͤnglich aus⸗ 
gefprochen zu haben und es bat der Inhalt ber vorliegenden 
vierten Sammlung uns Seinen Anlaß gegeben, bdiefelbe irgend- 
wie su modificiren. Daß aber dieſe vierte Sammlung fich u 
aleid als den Schluß diefes Werkes anlündigt, hat Ref. neben 
dem fhmerzlichften Bedauern doch auch mit großer Befriedi- 
gung erfüllt, weit dem Raturgefege aller irdiſchen Dinge ger 
mäß bei fernerer unbegrenzter Ausdehnung auch die vorliegende 
ß geiſtreiche und durch den größten Reichthum der Mannich⸗ 
altigkeit ausgezeichnete Converſation doch endlich nothwendig 


Ermüdung oder Abſtumpfung hervorgerufen haben wuͤrde, wes⸗ 


halb der ungenannte Verf. auch hierin wieder ſeinen geiſtigen 
Scharfblick bethätigt hat, trog fo großer Verführung zum Ge⸗ 
gentheile, fein Werk gerade in einem Momente abzufchließen, in 
welchem die Befriedigung feiner Lefer auf ihrem Eulminationd- 
punkt fi befunden haben möchte. Daß übrigens der Berf. 
hiermit feine Feder für immer aus der Hand gelegt haben 
follte, glauben wir nicht befürchten zu müffen, weil er fein in 
neres Sein und Wefen zu fehr als ein foldhes zu erkennen ge: 
eben bat, welches hiermit nicht abichließen kann. Wir zwei 
ein daher auch nicht, daß Derfelbe früher oder fpäter in einer 
oder der andern Form die weitern Früchte feiner Muße zur Of: 
fentlichkeit bringen werde. Ja es fcheint uns fogar, als wenn 
der Herausgeber hierüber in dem Vorworte dey zweiten Ab⸗ 
theilung einen verſteckten Fingerzeig gegeben habe, indem er fagt: 
„Man follte meinen, daß die neuern Kriege ihm (dem Verf.) 
reichhaltigen Stoff zu ähnlichen Darftellungen geben müßten, 
woran ſich mande für die Gegenwart fehr wichtige Betrachtung 
fnüpfen ließe. Denn fo lehrreich auf die Feldzuge des großen 
Jriedrich find und bleiben werden, fo iſt doch kaum zu ver- 
ennen, daß faft alle Iweige der jegt geltenden Kriegskunſt ihre 
Wurzeln in dem durch die franzöfifhe Revolution erzeugten 
Kriege baben, und die biftorifhe Entwicklung diefer Kriegs: 
Bunft dürfte für die Mehrzahl der Lefer von ungleich praktiſcherm 
Nutzen fein als die Darfjielung der unter vieleicht nie wie 
derfehrenden Berhältniffen flattgehabten Feldzuͤge der frühern 
Kriege des 18. Jahrhunderts. Unfere fünftigen Kriege dürf 
ten ohne Bweifel unter Mitwirkung einer mehr oder minder 
algemeinen Bolfäbewaffnung aufgefochten werben. Es erfcheint 
alfo nothwendig, auf die Eigenthuͤmlichkeiten derfelben, auf ihre 
Licht: und Schattenfeiten binzumweifen und neben den über: 
rafchenden Erfolgen der fogenannten Volksheere auch die Ur: 
fachen derfelben anzugeben, die von den Parteifchriftftellern hau: 
fig mit Abſicht verfhwiegen werden find.” 

Wenn Dagegen der Herausgeber bezüglich des Sinnes und 
des Zweckes der in der vorliegenden gefammten Brieffammlung 
eingeflochtenen zahlreichen und nicht felten fehr feltfamen Allo⸗ 
tria bemerkt, daß der Berf. hierin errathen fein wolle und 
Diefed dem Lefer genügen müfje, fo müflen wir unfererfeits 
jedoch offenherzig gefteben, daß uns Dieſes denn doch als eine 
etwas fehr ſtarke Zumuthung erfcheint. Es find nämlich jene 
Raͤthſel größtentHeils der Urt, daß für die ungemeine Mehr: 
zahl der Lefer eine offenbare Unmöglichkeit des Errathens und 
des richtigen BVerftändniffes vorhanden fein möchte. Es befin- 
det fich diefe Mehrzahl Daher auch ungefähr in der Lage von 
Zuhörern eines ausgezeichneten Violinvirtuofen, die, periodiſch 
duch magnetifche Wirkungen des Gehoͤrs beraubt, Diefen zwar 
allerlei fonderbare Schwingungen mit dem Bogen ausführen 
ſehen, aber die dadurch bervorgelodten Töne nicht hören koͤn⸗ 
nen und mithin — obwol fie von diefen ihnen unhörbaren Pro: 
ductionen gewiß dad befte Vorurtheil hegen — doch mol von 
einer folchen Affiftenz Nichts weniger als fonderlihen Genuß 
empfinden möchten. 

Bieht man ferner in Betracht, daß jene in fämmtlichen vier 
Sammlungen eingeftreuten Allotria zuſammen eine nicht unbe 
deutende Anzahl von Drudfeiten, refp. Druckbogen füllen, welche 
die Verlagshandlung fich gerade nicht wohlfeil hat bezahlen laf: 
fen, fo braucht man noch lange nicht blos von gemeiner Neu- 
gierde geftachelt zu fein, um das Recht früherer oder fpäterer 


Aufklärung über diefen miterlauften hieroglyphiſchen Theil du 
Tertes in Unfpruch zu nehmen, und wir find daher aud de 
Meinung , daß diefe Verpflichtung dem Berf. unbedingt pr 
Laſt zu Treiben fei. 

‚, Siena zu einer Burzgefaßten Undeutung des Jnhalk 
übergehend, bemerken wir, daß in der größern Hälfte der dirk 
vierte Sammlung ausmachenden 25 Briefe (53. — 77. Bf) 
der weitere Verlauf des erften Schlefifchen ſowie hauptſahlih 
der zweite Schlefifhe und der Giebenjährige Krieg — unte 
Beibehaltung der Fiction einer olympifchen Unterhaltung mi 
fhen den berühmteften Heerführern aller Völker umd aller du: 
ten und in der befannten, durch geiftreihe Controverſen fo k: 
lehrend erfcheinenden Art und Weile des Verf. — zur Anfhaun 
gebracht werden. Zwiſchendurch werden auch Vorfälle aus der 
neuern Kriegen mit in den Kreis der Betrachtungen gezogen, 
und namentlich im 65., 66. und 67. Bricfe zwifchen Rapoiem, 
Blucher, Gneifenau, ®rolman und Andern über bie Opus 
tionen des Feldzugs von 1813 in Gchlefien und über die Schlacht 
bei Dresden hoͤchſt intereffante Diecuffionen geführt. Das hie: 
durch zur Anſchauung gebrachte Charakterbild Blücher's, Gnei: 
fenau’® und Grolman's, ſowie die Darftelung der zwiſchen 
diefer Trias und Rapoleon fingirten olympiſchen Zuſammen 
Eunft ift als wahrhaft meifterhaft zu bezeichnen. Richt minder 
bemerfenswerth erfcheint aber auch die (&. 347— 360) verſuchte 
pfychologifche Unterfuhung über die Wahrfcheinlichkeit des it 
jener Periode üderhandnehmenden Überdruſſes Rupoleon's an 
Priegerifhen Anſtrengungen und der allmälig in feiner Sit 
aufleimenden Reigung zu einer friedlihern Herrſcherthaͤtigktu 

Den humoriftifchen Theil anlangend, fo fehlt neben mandır 
geradezu Hieroglyphiſchen doch aud nicht ebenfo unfchwer ı 
errathende als tief einfchneidende Satire. Sehr treffend it m 
mentlich unter Anderm die S. 432 Beerenbhorft in den Am 
gelegte Außerung über hiftoriiche Wahrbeit. 

„Es ift doch ein merfwürdiger Charafterzug mander Re 
fchen, daß fie fi fo viele Mühe geben, die Wahrheit zu ver 
beblen, während fie bei jeder Gelegenheit die WBahrkeit = 
erforfchen gebieten. Dem Kinde wird vorgepredigt, daß M 
Lügner dem Diebe gleichzuadhten ſei; der Knabe wird % 
jede Unwahrheit gezüchtigt, der Jüngling entehrt fid in !“ 
Augen feiner Wltersgenoffen durch wirkliche Entſtellung !* 
Wahrheit. Der Mann als Philofoph und Gefchichtfchreiber iel 
der Göttin Wahrheit vor allen andern huldigen. Das &t: 
ben nah Wahrheit ift die erfte und unerlaßlichite Belingiri 
dee menfchlichen, focialen und ftaatlihen Wortbiltung. ®% 
fteht es aber damit im praftifchen Leben? Ängſtliche Rüdht 
ten und Liebedienerei feilein Zungen und Federn. Man rd 
fid Andern dur Aufdeckung ihrer Fehler nicht unangnde 
machen, man verfhweigt was deren Wiederholung verbint:: 
koͤnnte, man beftätigt durch dieſes Schweigen die dreiften ır 
wahren Behauptungen Anderer und wird dadurch mittel: 
felbft zum Rügner. Ich gebe zu, daß man nicht Jedem Art 
fagen darf was wahr iſt: aber eine Wahrheit folte des 
vom conventionnellen Zolle befreit fein: id meine die hit:: 
rifhe Wahrheit.” 

Eine durch Klarheit der Gedanken fih auszeichnent: mt 
ral:philofophifche Betrachtung ſchließt würdig dickes Werk, urr 
mit dem an feine juͤngern Kameraden gerichteten Zum 
„Strebt zu werden was ihr fein möchtet!” fcheidet der Br 
von feinen Lefern. Daß es nicht für immer gejchehe, glaude 
wir, wie ſchon erwähnt, mit aller Zuverficht hoffen au dürfe 
Sollte Died aber dennoch der Fall fein, dann würde es um 
mebr allgemein bedauert werden müffen, als ber Perf. ft 
nicht nur überhaupt als ein höchft befähigter Borkümpfer & 
gemeiner Seiftesfreiheit erwiefen bat, fondern au nur Ber 
feiner Beitgenoffen vermögend fein dürften, mit gleihem & 
ſchicke und gleihem Erfolge auf Erweckung, Belebung Sr 
Erftarfung eined wahrhaft nationalen deutfchen SKriegeriur 
einwirden zu koͤnnen. 2 W. 


Blaͤtter 


far 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


8. November 1846. 





Eduard Duller. 
(Beſchluß aus Fr. 311.) 


Indem wir und nım zu dem Werde „Deutichland 
ınd das deutfche Volk“ wenden, vollen wir bier gleich 
m voraus bemerken, daß ed uns leid that, ‚dies fo em- 
fehlenswerthe Bud) nicht allein hinſichtlich des Reich⸗ 
hums feines Inhalte, fondern auch wegen der tüch⸗ 
gen Sefinnung, die überall uns entgegenmeht, durch 
die große Beigabe von Kupferſtichen fo veuthenert zu 
ſehen. Wenn auch die Verlagshandlung diefem Ubel⸗ 
tande abhelfen und die Anfhaffung allgemein zu er- 
eichtern fuchte dadurch, daß fie das Werk in einzel- 
in Lieferungen erſcheinen ließ, deren Preis fie fehr 
näßig anfegte, fo ift damit, glauben wir, dech weber 


em Publicum noch auch: dem Verfaffer Genüge geleiftet; 


enn immerhin foftet das Wert noch 25 Gulden, ein 
Preis, der für den Zwed des Buches, das nach dem 
Billen und Man des Verf. felbft ein Volksbuch wer- 
en follte, uns ſchon deshalb zu hoch erfcheint. Dazu 
ommt noch, Daß ähnliche oder diefelben Kupferftiche 
don durch andere Werke hinlaͤnglich verbreitet find, 
md dag fie bei aller Ausführung doch nicht im Stande 
ind, ung ein getreues Bild einer Gegend und Land» 
haft bei der oft zu befchränkten Darftellung liefern zu 
innen. Wir würden daher, werm wir einen Rath zu 
theilen hätten, der Verlagshandlung an die Hand ge 
m, ob fie nicht eine wohlfeilere Ausgabe, wobei freilich 
e colorirten Volkstrachten, wenn fie das Werk nicht 
ı jehr vertheuerten, beibehalten würden, veranftalten 
olte, und wir glauben gewiß, daß der Erfolg ein 
inftiger fein werde. Doc mollen wir befennen, daß wir 
recht eigentlich von buchhändierifchen Speculationen 
ichts verfiehen, dag wir aber im Intereffe des Verf. 
id des Buches felbft, weichen Beiden doh nur an 
ößtmöglichfter Verbreitung liegen muß, uns für ver- 
Haft halten, diefen Wunſch bier öffentlic, auszufpuechen. 

„Deutfchland und das deutfche Voll!’ Wer unter 
eſem Zitel etwa eine dürre, trodene, fogenannte ge- 
irte Abhandlung über die geographifchen Verhältniſſe 
eutfchlands und die Gliederung feines Volkes in Stämme 
it etwaniger Unterſuchung ihrer urfprünglihen Wohnftge 
d jegiger Bereinigung und Bermengung zu neuen Staͤm⸗ 


men zu finden glaubte, der würde fehr fehl gehen. Das Buch 
it, wenn es ber Verf. auch felbft ein nicht nach wiſſenſchaft⸗ 
lichen Rormen und Formen ausgeführtee Werk nennt, nichte« 
deftoweniger ein ſolches; denn wiffenfdaftlich nennen wiv 
jene Ausführung, die zuerft ben allgemeinen Grundge⸗ 
danken aus der vorliegenden Maffe der einzelnen Er- 
ſcheinungen auffucht, zuerft alfo die Einzelheiten als ein 
organifches Ganzes auffaßt und barfidit und hiernach 
nun von diefem allgemeinen Standpunkte aus zu den 
Erfcheinungen felbft herabfteigt, fie würdigt und in ih⸗ 
rem Zufammenhange, ihrer Stellung und Bedeutung, 
die fie zu dem Ganzen einnehmen, begreift. Daß: hier- 
bei nicht Alles gleichmäßig in den Vordergrund trefen 
kann, fondern je nach feiner Bedeutung mehr perfpech- 
vifch gefehen, weniger in ein grelfes Licht gefegt werden 
muß, liegt im Weſen ber miffenfchaftlichen Ausführung 
ſelbſt. Wir würden das Buch, wenn mir ed einmal 
unter eine allgemeine Kategorie ftellen wollen, als eine 
Statiſtik Deutſchlands bezeichnen, nicht aber von jenem 
engen befchränften Standpunkte, von dem man nody 
jest fo häufig auf Univerfitäten und in Compendien die 
politifhe Geographie Deutfchlands und auch anderer 
Staaten behandelt, fondern vom freieften und umfaflend- 
ften aus, wo das Bolt nicht allein feiner natürlichen 
Befchaffenheit , feiner Verbreitung über ein gewiſſes 
Land und der Wechfelbesiehung nad, in der das 
Bolf und das Land zueinander fichen, dargeſtellt wird, 


. fondern auch feinem innern Leben nach, wonad) es einen 


Staat, ein organifche® Ganzes bildet, und wie fein gan- 
zes innere Leben, feine Geſittung in feiner Geſchichte, 
feiner Sage, feinem Rechte, feinen Feften, Kiebern und 
Trachten zur Erfiheinung fommt. &o- erhalten wir ein 
lebendiges Bild und feine dürre Zahlentabelle. Und 
wie fehr gerabe ift heutzutage darauf binzuarbeiten, 
daß Alles, mas das Bolt in feiner Eigenthümlichkeit 
Charakteriftifches befigt, demfelben erhalten werde und 
allgemein zum Bewußtfein komme, wenn nicht das ganze‘ 
Leben in eine ſchale Allgemeinheit fich verflachen und 
an die Stelle der munderbarfien Mannichfaltigkeit ein 
tobtes Einerlei treten ſoll! Vorzugsweiſe ift ed daher 
auch von Duller anzuerkennen, daß er ein Hauptaugen⸗ 
merk auf den Bauernftand, dee nody weit weniger von 
den modernen Formen berührt ifl, gerichtet hat, weniger 





1846 . 


deswegen, weil er eine eigentliche Ariftokratie des Be⸗ 
figes, wie man Dies in vielen Staaten anzufehen beliebt, 
bildet, fondern weil er ein wahres biftorifches Element, 
das Moment der Ruhe, gegenüber ber fpringenden, be- 
weglichen Unruhe ber andern Stände, bdazftellt und fo 
gereiffermaßen die Kette bildet, Daß ber Wagen der Ge- 


genwart nicht kopfüber in die Tiefe flürze, daß die Refultate 


der modernen Staatstheorie und der Wiffenjchaft Zeit 
gewinnen, ſich abzuflären, zu reinigen, zu erweitern und 
zu erproben, bis fie erft berechtigt find, in der ganzen 
Maffe verarbeitet zu werden. Duller fagt: 


Ze weniger daher der Bauernftand bei der gefchichtlihen 
Entwidelung und Fortbildung unfers Volksthums zu einer na» 
tionalen Bedeutung handelnd und fördernd eingreifen gekonnt, 
um fo rührender ift ed zu ſehen, wie er innerhalb feiner eng⸗ 
gezogenen Kreife, unter Drud und Misahtung durch die foge: 
nannten höhern Stände, mit beharrfiher Treue bis in die 
neuefte Zeit herein die Spuren und Denfeichen alten Weſens, 
in Sprache, Glauben und Wahn, Bitte und Zracht,' zu be» 
wahren gefucht hat, und es ſteht unferer Poeſie wohl an, daß 
fie in diefen Regionen firh felbft wiederfinden will, wo alle Un: 
bil der Zeiten und Menſchen fo viel Echt » harakteriftifch- 
Altvoldsthümliches nicht zu verwifchen, fo viel Srundzüge von 
urfprünglicher Tüchtigkeit nicht zu erſticken vermocht hat. 

‚Nicht minder bezeihnend und wahr erfcheint uns 
Das, was Duller von der Stellung und Bedeutfamteit 
des deutfchen Bürgerthums anführt, | 
denn in daflelbe hatte ſich das Bewußtfein der alten Volksfreiheit 
geflüchtet und hier vollendete ſich nicht ohne harte Kämpfe die 
nachhaltige Umwaͤlzung, woraus das Recht der freien Perfön- 


lichkeit ſiegend über die Autorität der Gewohnheit hervorfchritt, - 


um eine fittlide Macht gegen bloße Willfür zu behaupten. 
Und gewiß, wenn von einer Zukunft unfers deutfchen Volkes 
die Rede ift, dann iſt dem Bürgertbum eine wichtige Role 
zugedacht, wenn es, auf fih felbft daftehend und feine Eigen- 
tgumlichfeit treu bewahrend, aber ebenfo auch auf der Hut, 
nicht in Sonderintereflen zu verfteinern, noch in Überfchägung 
einer Geldmacht zu erftarren und, die unfeligen Berlodungen 
des Scheins abweijend, den feften und fihern Mittelpunft bil- 
det, in welchem die Strebungen ber übrigen Volksbeſtandtheile 
zum Begriff und zur Berlebendigung eines Deutichen Staats⸗ 
bürgerthums zufammentreffen und harmoniſch zufammenwirken. 

Überfehe man hierbei aber auch nicht das zulegt in 
die Geſchichte eingetretene Proletariat! Das Elend der 
befiglofen Claſſen in England und Frankreich bat fihon 
eine fehr Hohe Stufe erreicht, die Frage wird auch für 
Deutfchland über kurz oder lang von praktiſcher Bedeu⸗ 
tung werden; wir werden nicht im Stande fein, fill» 
fehweigend diefelbe und vom Leibe zu halten, ihre Exi⸗ 
fienz zu leugnen; aber einem humanen Staatsleben ift 
es die heiligfte Pflicht, fchon in der Zeit dafür zu for- 
gen, daß uns der Jammer und die Noth nicht in dem 
Maße wie in England über den Kopf wachſe und daß 
wir auf Mittel finnen, da, wo das Übel bereits befteht, 
durch weife humane Einrichtungen feine Kraft zu brechen. 

Das Wert Duller’s zerfällt in zwei Bände. Der 
erfte Band umfaßt die allgemeinen Eriheinungen und 
Außerungen bes gefammten deutfchen Volkes; er welft 
die Linien nach, welde die Natur felbft zum Haufe des 
deutfchen Volkes beftimmte , die natürlichen Grenzen; 
auf biefelben zeichnet er die Sprachgrenze und zulept 


noch, was als eine blos äußerkiche Erfcheinung, verübt: 
gehende Willkür anzujehen ift, die politifchen Grenm. 
Nachdem fo die allgemeinen Linien und Markfteine, i- 
nerhalb welcher das deutfche Volk fein Geſchid erfült, 
angegeben find, geht er zur Betrachtung des Grub 
und Bodens über; hier fommen die klimatiſchen Be: 
hältniffe, feine Lage zwifchen den andern Ländern Em: 
pas, die Eigenartung feiner Oberfläche zur Sprache un 
Duller fagt fehr richtig: " 

Beobachtet die unendliche Mannichfattigkeit ter Ablaze 
rungen,, den glüdlihen Wechſel von Höhen und Zicfen, ta 
Reichthum abgefchloffener Gebiete, wie fie in großen bit 
keſſeln, Steomgebieten, Meereöniederungen ſich fo reht y: 


macht zu einer vollkommenſten Ausbildung von Einzelcharaktera 
darftellen und dafür eignen. 


- Nachdem er diefe Formationen im Einzelnen durd 
gegangen hat, erfheint nun auf dem fo bekannter 
Boden das deutfche Volk, d. h. jener Theil deffelken. 
weicher durch den Deutfchen Bund zu einem Gas 
geeinigt worden ift; die @liederung in Stämme, ix 
Grundriffe der deutfhen Volksthümlichkeit werden dam 
erörtert und manch kräftiges Wort ohne Heuchelei un 
Selbfttäufhung” in ſchönem fließenden, oft nur em 
zu gefhmüdten Stile geſprochen. Um Die jegige pi: 
ſche Geſtalt Deutfchlande, den Deutſchen Bund, ricts 
würdigen zu können, fchidt er diefem Abfchnitte cn 
zufammengedrängten Abriß ber „Deutjchen Geihidu 
voraus; Doch denke man ja nicht, als ob Dies nur am 
trodene Aufzählung von Thatfachen in hifkorifcher Reihe 
folge darftelle, nein, Duller hat die ganze Gedicht e 
ihren Dauptumriffen gezeichnet, bie Merkzeichen augegt 
ben, um welche ſich die Begebenheiten reihen, die Aa 
nen ausgeftellt, denen die Menfchen gefolgt find. Bar 
auch im Einzelnen fih Manches über die Dulaiı 
Auffaffung fagen und einwenden ließe, fo wollen m 
bier jebocdy einen Gebrauch Davon machen, indem de 
Begründung unferer Anſicht der Duller'ſchen gegemiir 
und zu viel Raum wegnehmen würde und wir af a 
Feld eingehen müßten, das weder den Grenzen dat 
Auffapes neh auch dem Zwecke des Duller'ſchen Dust 
angemeffen wäre. Der Betrachtung über das Br 
und die Bedeutſamkeit des Deutſchen Zollvereins ® 
manches fhägbare Detail überfichtlih und klar aus 
andergefegt wird, reiht Duller die Darftellung über de 
gegenwärtigen Zuftand des deutfchen Volkes an; er ca 
wirft ein fehr anziehendes Gemälde mit fcharfen, fat 
beleuchteten Umriſſen über das Bolt im Staate, ke! 
kirchlichen und Standesverhältniffe, über Repräfentun 
und Gemeindeverfaffung, phufifche, techniſche und geifit 
Eultur und läßt manch beherzenswerthes Wort, mand! 
freien Win? mit einfließen, aus denen ſtets die gref 
Anhänglichkeit und Liebe zu feinem Wolfe und au iX 
Freiheit hervorleucdhte. Den Schlug und Haupttern © 
erften Bandes nimmt fodann eine ausführliche, =" 
beachtungswerthe Schilderung der bdeutfchen Prexin“ 
des öftreichifchen Kaiferftaats und der preufijchen Pr 
archie ein, worin eine Maffe von Material mit aenzuf 
Zahlennachweifungen und gelungenen trefflichen Si::T 


1397 


über Regierung und Volk verarbeitet find‘, wodurch das 
Ganze zu einem lebendigen Bilde, der oftmals trodene 
Stoff bucchgeiftige und belebt wird. Duller fagt: 

In Äſtreich Herrfcht das Princip der väterlichen Gewalt 
im Sinne des römiichen Rechte, audgebehnt über das yanze 
Bolt, fodaß diefes ald Kind betrachtet wird und die Regierung 
ich als patriarchaliſche betrachtet. Hierbei ift aber zugleich 
der Widerfpruch, daß ein fortwährender Kindheitezuftand, eine 
Unmöglichkeit feiner Mündigwerdung angenommen wird, Damit 
jener fogenannte patriarchaliſche Char er ein unmandelbar 
beftebender bleiben koͤnne. Welch ein Unrecht in diefer irrigen 
Anfiht enthalten ift, braucht wahrlich nicht erft ausführlich 
bewiefen zu werden ... ebenfo wenig braucht bewiefen zu wer: 
den, Daß Verneinung der geiftigen Autonomie eines Volkes und 
fortwährende Bevormundung durch eine fogenannte patriarchalifche 
Regierung immer nachtheilig auf deffen fittlihe Bildung zu: 
rüdwirfen. 

Richt minder begeichnend ift die Stelle, wo Duller 
die jegige Politit Preußens befpricht: 

Bloße Zugeftändnifle rufen einen Zuitand des Schwankens, 
der Halbheit hervor, welcher jedem Staat übel anfteht und übel 
befommt, aber keinem in einem ſolchen Grade als dem preufi« 
ſchen, der ein ganzer fein muß in der Wahrheit der Freiheit, 
wenn die verfchiedenartigen Volksſtaͤnme, die fih in ihm ver: 

einigen, durch einen fittlichen Gedanken, eine fittliche Rothwen: 
digkeit zufammengehalten, auch wahrhaft fittliches Intereſſe für 
den Begriff eines preußiihen Staats haben follen; nur dann 
wird der Pommer, der Thüringer, der Meißner, der Rhein: 
länder, der Schlefier auch gern ein Preuße fein, wenn er als 
Preuße die Freiheit im Gejeg verklärt findet. 

Der zmeite Band umfaßt in ähnlicher Weile, wie 
im erften Bande das Land und Volk der preufifchen und 
öftreihifhen Monarchie betrachtet ift, die Beſchreibung 
der andern deutſchen Staaten und zwar in brei Grup- 
pen zerlegt: Die der norddeutfchen, der mittel» unb 
füddeutihen. Es mag wol fein, daß bdiefe Eintheilung 
und Betradjtung als eine äuferliche und mechanifche er- 
fcheint, daß der Volksgeiſt, wie er in den einzelnen 
Stämmen fi charakterifier, ſich nicht ſcharf wie durch 
geographifche Kinien abtheilen läßt, und daß unfere mo- 
derne Staatenbildung mannichfach flörend ihre Grenzen 
und Schranken durch altzufammengehörige Stämme ge- 
zogen bat; jedenfalls müſſen wir aber zugeitehen, daß 
Duller, fo weit e8 an ihm und nicht an bem feflzuhal- 
enden Gtoffe felbft lag, beftrebt war, Die einzelnen 
Zruppen organifch zufammenzufügen, und es verfteht fich 
on felbft, daß er als Schriftfleller nicht vereinigen 
onnte, was einmal feinem Weſen nach getrennt ift. 
Das ganze Buch verdient, um zum Schluffe zu kom⸗ 
nen, nicht allein rückſichtlich des Reichthums feines In- 
alts, der guten Zufammenftelung und fleifigen Be- 
mgung der vorhandenen Quellen, fondern aud) wegen 
er edeln deutſchen, mannbaren Gefinnung des Berf. 
ie rühmlichfte Anerfennung und größte Verbreitung; 
ier hat Duller fein Feld wieder, dies möge er anbauen 
nd gewiß wird' es ihm noch mehr gute Früchte brin- 
en, mehr denn feine Igrifchen Gedichte! 


X: Gegenbaur. 


Das Stammfhloß Hohenzollern 


bat biöher das glänzende Schickſol feines Fürftengefchlehts nur 
wenig getheilt. Den Naturfhönheiten, mit denen feine nächfte 
Umgebung wie die fernere Umgegend nicht ärmlich begabt ift, 
mag die mächtig lodende Rachbarfchaft des Rheinthales und 
des Schweizerlandes manchen Beſchauer und Lobredner entzo: 
gen haben; die Burg felbft ift feit fan einem halben Jahrhun⸗ 
dert folhem Zuftande preiögegeben, daß cin raſcher Verfall 
nicht bat audbleiben können, und auch der Gefchichtsforfcher 
wurde von dem altberühmten Namen weniger ald recht ange 
zogen, indem der Ruhm des koͤniglichen Hohenzollernſtam⸗ 
mes faft alle Augen von dem abgelegenen Ausgangspunkte des 
Geſchlechts abgezogen hatte; ja, was noch ſchlimmer, die neuern 
Arbeiten, welde die Gefchichte der ſchwaͤbiſchen Hohenzollern 
zum Gegenftande haben, feinen gründlicher Forſchung und 
efundtie etreuer Darftelung mehr geſchadet als genügt zu 
haben. Erft feit kurzem kann der Kreund vaterländifcher Ge⸗ 
ſchichtswiſſenſchaft die begründete Hoffnung faffen, daß eine ge: 
diegene allfeitige Behandlung der hohenzoflernfchen Geſammt⸗ 
gefhichte bald möglich gemacht werde dur, die „Monumenta 
Zollerana”, eine „Quellenfammlung für die ältere Gefchichte 
des erlauchten Haufes Hohenzollern”. Im unmittelbaren Auf: 
trage des Königs von Preußen bereift der Freiherr v. Stil: 
fried : Nattonig, durch mehre verwandte Arbeiten längſt 
als tüchtig bewährt, ſchon feit längerer Beit die füddeutfchen 
Archive, um die ihm gewordene Aufgabe in möglichft vollende: 
ter Weife zu löfen. Als Mitarbeiter bei einem Unternehmen, 
welches allerdings wol die Kräfte des einzelnen Mannes über: 
fteigen dürfte, hat fih Derjelbe dem dur jein Berk: „Das 
Markgrafthum Meißen” (Leipzig 1842) vühmlichft bekannten 
Dr. 2. Märder verbunden, welcher in diefem Augenblide in 
Hechingen für das große Unternehmen thatig ift. 

Sind die „Monumenta Zolleraua“ erſt einmal vollendet, 
dann wird wel auch dem alten Stammichlojfe die gebührende 
Ehre mehr als biöher zu heil werden; bis dahin möge der 
Freund der deutfhen Geſchichte cine Peine Schrift nicht über: 
ſehen, welche einerfeit6 als ein anfündigender Vorläufer der 
„Monumenta Zollerana ” felbft betrachtet werden kann, ande 
rerfeitö dem Befucher der Burg Dohenzollern als geeignetfter 
Führer zu dienen vermag und foeben erfchienen ift unter dem Zitel: 
Dos Stammfchloß Hohenzollern, feine Geyenwart und Vergan⸗ 

genbeit. Bon Paul Eheodor Mard. Rebſt einer An: 
fit. Hechingen, Ribler. 1346. Gr. 8. 15 Ner. 

Schon der faubere, elegante Drud des Buͤchleins und die 
ſchoͤne, meifterhaft in Stahl geftochene Anficht der Burg, welche 
ihm beigegeben ift, machen einen ſehr angenehmen Eindrud, 
der dur den Inhalt von Seite zu Seite gefteigert if. Mit 
großer Kunft der Darftelung ift hier Die Schilderung der Ge: 

nwart und bie der Bergangenheit ineinander verflochten. 
Birktice Wichtigkeit aber erhält die in Rede fichende Schrift 
dadurch, daß zahlreiche Refultate Eritifher und ardyivalifcher 
Forfchungen in ihr niedergelegt find, deren nähere Begründung 
von dem Erfcheinen der ‚„‚Monumenta Zollerana” zu erwarten 
il. Mean müßte auf das lebhaftefte wünfchen, baß cin fo ges 
dDiegener Kenner, wie Hr. Mard offenbar ift, zu der Bearbei- 


“tung der „Monumenta Zollerana’ hinzugezogen werde, wenn 


nicht die Bermuthung mehr als gerechtfertigt wäre, daß der 
Berf. feinen Namen, dem Umfange feiner Diesmaligen Arbeit 
entiprechend, etwas abgekürzt hat und in der That bei den 
„Monumenta Zollerana” ſchon die ihm gebührende Stellung 
einnimmt. Bon einem fo gründlichen Arbeiter, wie wir ihn 
in diefem angeblidhen Hrn. Ward begrüßen türfen, ift es denn 
wol auch fehr erflärli und berechtigt, daß er die bisherigen 
unberedhtigten und unberufenen Arbeiter auf dem Gebiete ber 
hohenzollerifchen Gefchichte mit fcharfer Geißel trifft. 
Schließlich fei noch erwahnt, daß der Ertrag der beipro: 
chenen, äußerlih wenig umfang:, innerlich höchſt belangrei: 
hen Schrift au einem erften Fonds für einen hohenzolleriichen 


1268 


Alterthumsuerein beftimst ift, fowie, daß auf einem Befondern : 


eingelegten Blatte „Kenner und Freunde vaterländifcher Ge⸗ 

ſchichte und Alterthuͤmer aufgefodert werden, Beiträge für die 

«Monumenta Zollerana » i liefern oder Rachweifung zu er: 
nd 47 


Meilen, wo foldhe noch zu en fein dürften”. 47. 
Bibliographie. 
Abbrud und Neubau oder Jeptzeit und Zukunft von Wi: 


hael *r**+ Stuttgart, Franckh. Gr. 8. 1 Ahle. 12 Nor. 
Brauner, R., Pier und dreißig Predigten vor der deutſch⸗ 
Batholifchen Gemeinde zu Berlin gehalten. Berlin, Springer. 


&r. S. 
Ta Bei: Zwei heile. Leipzig, Brodhaus. 8. 
3ter Band: 


2 Thlr. 2 
Das uni: Europa und Kaifer Nikolaus. 
Kaifer Nikolaus und feine Rathgeber. Nebit Skizzen aus den 
oͤſterreichiſch⸗, preußiſch⸗ und ruffifchspofnifhen Provinzen. Ins 
Deutiche übertragen. von A. Kresihmar. Grimma, Ber: 
logsecmptoir, Gr. 8. 2 Thlr. 
Beuerbad's, 2, fümmtlide Werke. ter Band: Phi⸗ 
ofopkiie Kritifen und Grundſätze. Leipzig, D. Wigand. 
Gr. 8. 2 Ihir. 7%, Rgr. 
Goethe, W. v., Reineke Fuchſs, mit Zeichnungen von 
W. v. Kaulbad, geftohen von R. Rahn un A Schleid. 
ak Kieferung. München, Literarijchsartiftifche Anftalt. Imp. 1. 
gr 
Sroller v. Mildeniee, I., Die Sefängniffe fonft und 
Verſuch einer geſchichtlichen Darftellung der Gefaͤngniß⸗ 
Prag, Haaſe Söhne. Gr. I Thlr. 
erich, A., Spinoza und Leibniz, oder das Weſen. 
des Idealismus und des Realismus. 


Hamburg und Gotha, 
F. und U. Perthes. Gr. 8. 15 Ngr. 

Keightley, J., Geſchichte von England. Deutſch bear: 
beitet von F. K. F. Demmler. Mit einem Vorwort von 4 
m. Lappenberg. Ifte Lieferung. Hamburg, Laeiß. Gr. 8 

Nor. 


Kopeg, H. Ritter v., Verſuch einer fyftematifchen Dar: 
ftelung der in Böhmen bezüglich der Juden beftehenden Ge: 
jege und Verordnungen. Prag, Haafe Söhne. Gr.8. I Thlr. 

7%, Nor. 

Luther’s, Dr. M., reformatorifhe Schriften, in chro⸗ 
nologiſcher Folge, mit den nöthigften Erläuterungen und einer 
Biegrapbie Luther'8 herausgegeben von K Zimmermann. 

Hier Band. Darmftadt, Leske. Gr. Ler.:8. 2 Thlr. 

Martin Luther. Hiſtoriſcher Roman. Nach dem Franzo⸗ 

hden von 9. E. Zwei Bande. Stuttgart, Hallberger. Kl. 8. 
1 Thlr. 15 Nor. 


jest. 
teformen. 


Helff 


Maurer, K., über das Weſen des aͤlteſten Adels der 


deutſchen Stämme, in feinem Verhaͤltniß zur 
München, eiteracifeh-arhiftilche Anſtalt. 
Moſen, J., Bilder im Mooſe. — Zwei 
TIheile. Leipzig, Brodhaus. 8. 3 Ihlr. 18 Ror. 
Reander, U, Denkwürdigleiten aus der Gefchichte des 
chriftlichen Sebens. 2er Band. äte vermehrte und verbeflerte 
Auflage. Hamburg und Gotha, F. und N. Pertbes. Gr. 8 
I Thlr. 14 Nor. 
Nodnagel, U, Der ewige Iude von Eug. Sue. Zwan⸗ 
zig Briefe an eine Dame. Darmftadt, Jonghaus. 8. 15 Nor. 
Pruner, $, Die Überbleibfel der altägyptifchen Wen: 
fhenrace. Eine Abhandlung, gelefen in der öffentlichen Sigung 
der Akademie der Willenfchaften zu Münden am 21. Aug. 1846. 


Münden. 4. 12 Nor. 
Rabou, C., Die Wittwenaliee. Nach dem Franzoͤſiſchen 
Zwei Bande. Stuttgart, 


Aue gemeinen Br Freiheit. 
Thlr. 


deutſch von A. —R 
Hallberger. Kl. 8. 1 Ihe. 15 Rgr. 

Recueil manuel et pratique de Traites, Couventions et 
autres actes diplomatiques, sur lesquels sont &tablis les re- 
lations et les rapports existant et les rapports existant aujourd’hui entre les divers ſchrift entre les divers 


ins. dn giebe, depuis lannde 1760 jusgi li- 
poque actuelle. Par C. de Martens et F. de Cum. T» 
mes III. IV. Leipzig, Brockhaus. 8 6 Thir. 
Nittershaufen, D., Die Wünſche. Mörgenläntiike 
Erzaͤhlungen und Maͤhrchen. Berlin, Krüger. 12. 15 X. 
Rollett, H., Lyriſches Wanderbug. Frauffurt a 8, 
Literarifche Anftalt. 8. 1 Zptr. W Rgr 
Rom und die Reformation in Stalten. Rah dem Engl: 
er * rib· v. Biedenfeld. Jena, kuden. 3. 


gr 

Schaufpiele des Mittelaltere. Aus Handfchriften heraus: 

ge eben und erflärt von %. J. Monc. ter Band. Sal: 
‚Madiot. Sr. 8. 1 Thlr. 24 Ror.- 


diate 


Schopp e, Amalie, Der Prophet. Hiſtoriſcher Rom 
aus der —* eit Nordamerikas. Drei Theile. Jena, Luden 
9, 3 TIhlr. 2 Nor. 

Schwarzer, €. v., Hſterreichs Yand- und Sechandel mit 


Sinblid auf Sı Indufkrie und Schifffahrt. Trieſt, Yavarger. 
S —** 6, J., ausgewählte bumoriftifcge Roman. 
4ter und Ster Band: Peregrine Pickle. Aus dem Engliſchen 
von E. Drtlepp. Stuttgart, Hallberger. Br. I6. Mr. 
Zillier, U. v., Geſo ichte der Eidgenoſſenfchaft währe 
der Herrſchaft der Vermittlungsafte. ter Band. und, 
Schultheß. Gr. 8. 2 Thlr. 
Deutfcher VolksKalender, 1847. Herausgegeben von }. 
W. Gubitz. Mit 120 Holafepnitten. 1iter Jahrgang. Fer 
lin, ®ereinsbuchhandlung. 8. 12% Nor 
Deütfcher Bolds: Kalender für 1847. 
2. Schweitzer und I. Stein. Mit 8 
lau, Schuhmann. 8. 121, Rer. 


urn — — —— 


Tagesliteratur. 

Anneke, F., Ein ehrengerichtlicher Prozeß. Leipiig 
Bigand. Sr. 5. IE NR 

Aston, Louife, eine Emancipation, Verweiſung ı3 
Rechtfertigung. Brüffel, Bogler. 12. 10 War. 

Einige unmaßgeblicye Bedenken über das Projekt einc # 
fenbahn vom Halle über en nah Hannover. mi 
haufen, Roſenthal. 8 2% 8 

Greith, €., Gregor KV. ‚ fein Leben und Ba 
Zrauerrede. St. -Ballen, Sceitlin und Zollikofer. Gr. ‘ 


N . 
Kalb, 2., Rede zur Gonfirmation der Gräfin Diga ır 
des Grafen Kari von Schönburg, gehalten in der Kirde is 
zeechfelburg am 11. Sept. 1846, Glauchau, Eramır. %.\ 


Rot. 

Küdemann, E., Über das Berhältnif des Chriftenthuns 
zum Stoatsbärgertgum. Nede. Kiel, Akademiſche Buahdır“ 
lung. ®r. 3. 4 Ror. 

Rolte, B., Stellung und Ausfihten des Welthandeln 3 
den erften Monaten des Jahres 1846. Zweiter Beitrag m 


gegeben ver 
Stahlſtichen. Br 


Pe agefiiäte unferer Zeit. Trieft, Favarger. Gr. ‘ 
Preussen und die Tagespresse. Berlin, Reimer 
Gr. 8. 5 Ngr. 


Raveaur, F., Pie Kölner Ereigniſſe vom 3. u. 1. 3} 
nebft Iren jolgen, 1 Uberſichtlich dargeſtellt. Mannheun, %: 
er r 

Redsltob, ©. 8. ‚ Worte für den Glauben der drfli 
hen Kirche. Straßburg, Levrault. Gr. 8. 6 Rgr. 

Theile, Dr. Rupp's Ausſchließung, der Guſtav Arch 
Berein und das „heilige neutrale Gebiet‘. Gin Wort der Be 
ftändigung nebft den nothigen Actenſtücken und andern Bilay? 
Reipzig, B. Zauhnig. Gr. 8. 15 Rgr. 

Zur Würdigung der reformatorifchen Beftrebungen in 7 
katholiſchen Deutfchland, mit kritiſcher Berüdfihtigung 2:78 
G. Gervinus: „Die Miffion der Deutſchkatholiken“. Ser 
fchrift für Staatsmänner. Mainz, Halenza. 3. 15 Rar. 


— — — — — — 


Verantwortlicder Heraufgeber: " Werantwortlicer Heraufgeber: Geineid Weoddans. — Drut BSrockvaus. — Druck und Verlag von 8 ©. Brockhans in Leipzig. 


Blätter 


literariſche 


fuͤr 


Unterhaltung. 





Montag, 


ö— Nr. 313. ö— 


9. November 1846. 





Die neueftien Schriften über Goethe. 
Zweiter und legter Artikel. ® 

2. Briefe und Auffüge von Goethe aus den Jahren 1766-86. 
Zum erften mal herausgegeben duch A. Schöll. Weimar, 
Landes: Induftrie-Comptorr. 1846. 8. E Xhlr. 

3. Briefe von Goethe und deffen Mutter an Friedrich Frei⸗ 
beren von Stein. Rebft einigen Beilagen. Herausgegeben 
von 3. 3. H. Ebers und Auguf Kahlert. Leipzig, 
Weidmann. 1846. Gr. 12. Kor. 

4. Briefe Schillers und Goethes an U. W. Schlegel, aus 
den Zahren 1795 — 1801 und 1797— 1824 Rebſt einem 
Briefe Schlegel's an Schiller. Leipzig, Weidmann. 1846. 
Sr. 8. 10 Rgr. 

9. Aus Goethe's Knabenzeit, 1757 — 59. Mittheilungen aus 
einem Driginal⸗Manuſcript der frankfurter Stadtbibliothek. 
Grläutert und herausgegeben von H. Weismann. Mit 
ſechs Seiten Parfimile.. Frankfurt a. M., Sauerländer. 
1346. 16. 20 Nor. 


Die Goethe’fchen Briefwechſel haben für uns, wie 
fie fo nad) und nad) ans Licht treten, ein Intereffe ganz 
anderer Urt ale wir fonft dergleichen Documenten zu⸗ 
ugeftehen geneigt find. Dieſe pflegen bei berühm- 
ten Gelehrten und Staatsmännern als authentifche Quel- 
Im von allerlei Notizen, die zum richtigen Verſtaͤndniß 
ihrer objectiven Leiflungen dienen konnen, für uns von 
Werth zu fein; wobei e6 uns denn ganz erwünfcht fein 
mag, beiläufig auch zu fehen wie ſich ſolche Perfönlich- 
feiten in reinmenfchlichen und gemüthlichen Verhältniffen 
darftellen. Bei Goethe ift uns diefes Letztere die Haupt- 
ſache; denn es ift nicht nur, mag er fih auch mir Glück 
auf wiffenfchaftliche Studien aller Art eingelaffen haben, 
im Allgemeinen doc immer nur der Dichter in ihm, 
an dem wir lebhaften Antheil nehmen — und bes Did; 
ters Werk iſt's ja menfchliche Verhältniffe und Berfon- 
lichkeiten vorzuführen —, fondern es find auch feine dich⸗ 
terifhen Darftellungen nach feinem eigenen oft wieber- 
holten Geftändniß in weit beflimmterm Sinne als Dies 
bei Andern ber Fall iſt, Abfpiegelungen feiner eigenen in- 
nern Lebenserfahrungen — fodaß dann freilich, was dieſe 
legtern ausfpricht, für das Verfländniß feiner Werke von 
ganz eminenter Wichtigkeit fein muß. 

Dies trifft bei den Sammlungen, mit welchen wir 
es bier zu thun haben, in ausgezeichnetem Grade zu. 
Es fehlt uns fehr an derartigen Documenten aus Goe- 


*) Bergl. ben erften Artikel in Ne. 2220 d. BL. D. Red, 


theis Jugenbzeit. Abgefehen davon, daß vermöge des 
größern Zeitabftandes bier verhältnifmäßig Mehr unter- 
gegangen fein mag, werden aud wol bie Empfänger, 
theils weil damals Goethe noch nicht eine folkhe Celebri⸗ 
tät erlangt hatte wie fpäter, theils weil fie felbft meiftens 
in lebhaften, dem Augenblick ergebenen Jugendjahren 
ftanden, für ihre Erhaltung weniger beforgt geweſen 
fein. Die Shölfhe Sammlung gibt uns eine ganze 
Reihe von Briefen aus jener Zeit, mit welchen fich eine 
Anzahl der widtigften Momente in Goethe's Lebens⸗ 
laufe belegen läßt. Zuerſt finden wir ein Billet, das, 
wenn es auch, was fich freilich weder beweiſen noch 
widerlegen läßt, zu einem Romane gehören follte, nichte- 
deftoweniger den Berluft Annettens zu erwähnen ſcheint 
und zugleich uns in eins ber Verhältniffe hineinbliden 
läßt, von denen Goethe felbft fagt, daß fie feinem Rufe 
nicht förberli gewefen. Hierauf folgen Briefe aus 
Strasburg. Zwei von ihnen find an eine Franziska 
gerichtet, die Hr. Schöll in bem Fraͤnzchen, welches in 
einem der Pleinen Goethe'ſchen Gedichte vorkommt, mie- 
bererfennen will; auch wird in ihnen das Verhaͤltniß 
zu Friederike erwähnt. Der zweite von ihnen, welcher 
1771 auf der bekannten Zerienreife im Elfaß geſchrieben 
ift, beklagt fchon, daß man durch ein ſolches Verhaͤltniß 
ſehr „ſchenirt“ fei. An diefe Briefe ſchließt ſich einer 
an Friederike ſelbſt an, welcher, der erſte nach dem er⸗ 
ſten Beſuche in Seſenheim, das Verhaͤltniß ſchon in 
voller Entfaltung blicken laͤßt. Es heißt in ihm: 

Liebe, liebe Freundin, ob ich Ihnen was zu fagen babe, 
ift wol Beine Frage; ob ich aber juft weiß, warum ich eben 
iego fchreiben will und was ich fehreiben möchte, das ift was 
anderes; fo viel merfe ih an einer gewiffen innerlichen Un: 
ruhe, daß ich gerne bei Ihnen fein möchtes und in dem alle 
ift ein Stückchen Papier fo ein wahrer Zroft, fo ein gi eltes 
Pferd für mich, bier, mitten in dem lärmenden Stras urg, 
als es Ihnen in Ihrer Ruhe nur fein Bann, wenn Sie die 
Entfernung von Ihren Freunden recht lebhaft fühlen. 

Einige Briefe an jüngere Freunde find burch einen 
religiöfen, faft pietiftifhen Geift merfwürdig, der ſich 
in ihnen zeigt; noch mehr fpricht fich diefer in einem 
Schreiben an das Fräulein v. Klettenberg aus, das, fo 
kurz es ift, die Darftellung des Derhältniffes zu ihr, 
die fich in „Wahrheit und Dichtung” findet, auf das voll- 
ftändigfte beftätig. Cine Beileidsbezeugung an die Groß⸗ 
mutter Tertor wegen bes Ablebens des Großvaters er- 
innert nur ganz menig an bie banalen Phrafen ber la- 








1250. 


teinifchen Vorbilder für dergleichen ZTroftfchreiben und 
zieht fih ebenfo Findlih wie würdig aus der Sache. 
Bon ausnehmender Bedeutung für die Charakterzeich- 
nung Gbethe’e ift eine Anzahl Briefe, die er von 
1778 — 83 an einen Mann fihrieb, den er während 
diefer Zeit unterftügte, ja unterhielt. Wenn Goethe 
hier auf der einen Seite auf die zartfühlendfte Weiſe 
den Dank für feine Wohlthat ablehnt und fie als einen 
Dienft darftellt, den er fich felbft erweiſe: 

Sie find mir nicht zur Laft, vielmehr lehrt mich's wirth— 

en ich vertändle viel von meinem Einkommen, das ich 
ur den Nothleidenden fparen Bönnte. Und glauben Sie denn, 
dag Ihre Thraͤnen und Ihr Segen Nichts find? Der der hat, 
darf nicht fegnen, er muß geben; aber wenn die Großen und 
Reichen diefer Welt Güter und Rangzeichen austheilen, fo bat 
das Schickſal dem Elenden zum Gleichgewichte den Segen ge: 
geben, nad dem der Südliche zu geizen nicht verficht, -ja 
felbft in Betreff des Aufenthaltsortes feinem Schügling Feine 
andere Bedingung ftellt als daß er das Geld in des Herzogs 
Zanden verzehre, aus denen es ihm felbft zufließe — 

fo weiß er fich doch auf der andern Seite, da es fih um 
die fittliche Aufrichtung des Unglüdlidyen handelt, des 
Vorrechts, das ein ſolches Verhaͤltniß ihm gibt, auf Die 
würdigfte Weiſe zu bedienen. 

Eben diefe hypochondrifche, allzu weiche und gleich aus 
dem Maß fehreitende Sinnesart, die Ihnen den legten Brief 
wieder eingegeben, iſt's, die ich tadle und bedaure. Iſt's ſchick⸗ 
lich, daß Sie mir fagen: ich ſoll befehlen, in was für 
einem Ton Ihre Briefe fünftig fein follen? Befiehlt 
man das einem ehrlichen und verfländigen Manne? Iſt's artig, 
daß Sie mir bei diefer Gelegenheit unterftreichen, daß Ste 
mein Brot effen? Iſt's einem moralifchen Menſchen anftän- 
dig, wenn man ganz leife etwas an ihm tadelt oder ihn von 
einer Seite krank nennt, gleich obenaus zu fein oder zu thun 
als wenn ihm das Haus über bem Kopf einftele? 

Verdenken Ste mir doch nidht, wenn ih Sie mit dem 
freitih Wenigen, was ih für Sie thun kann, auch (gern) 
vergnügt und zufrieden wüßte. 

Und Dies that Goethe zu der Zeit, in welcher er, wie 
man uns fonft glauben machen mwollte, nur in Saus und 
Braus, wenn nicht gar lieber in allen Ausfchweifungen in 
den Tag hinein gelebt hätte! Nosh ein anderer Brief ift in 
diefer Beziehung merkwürdig. Goethe felbft fpricht es 
mehrfältig aus, daß ihm erft in Italien die rechte Reife 
der Männlichkeit, das wahre innere Maß zu heil ge- 
worden fei. Aber wir finden bier ein Schreiben an 
Jacobi vom Jahre 1786, aus welchem hervorgeht, daß 
Goethe doc wenigftens eine fehr ausgebildete Anlage 
zu folcher Sinnesumwandlung ſchon nad, Italien mit- 
genommen haben muß. Jacobi hatte fi in ber Bor- 
rede zu der legten ber Schriften, welche er in dem be- 
kannten Streite über. Leſſing's Spinozismus erſcheinen 
ließ, dahin vernehmen laffen, das Geſchrei werde ſich 
nach ihrem Erfcheinen wol noch vermehren, aber endlich 
werde doch eine Stille Tommen; was auf biefe folgen 
müffe, wiffe er ficher, unterdeffen lafje er fein Straußenei 
im Sande ruhig liegen, Meifen und Elſtern werden es 
nicht zertreten, Stare und Krähen es weder aushaden 
noch auf die Seite dringen; feinen Inhalt zu offen- 
baren möge dem Lichte, das den Tag regiert, überlaffen 
fein. Hierauf erwidert Goethe: 


"hen fie auf den langhaͤlſigen Werfaffer 


Dann, lieber Bruder, daß ich aufrichtig fei, das Straufmii 
will mir gar nicht gefallen. Als Wort und Rede mict « 
noch hingehen, wenn es nur nicht hinten noch als &iegel af: 
gedrüdt wäre. Wenn die Gegner nur halb Flug find, ſe m 
d, ber in uamdk: 
cher Selbfzufriedenheit aus den Büuſchen berausficht um in 
Schatten fi feiner Superiorität über Elſtern und Krähen e: 
freut, und fie haben das ganze Yublicum auf ihrer Zt. 
Lieber Freund, man pet Erempel, daß Adlereier im Scexk 
Jupiter's vor einem Pferbefäfer nicht fiher waren. 


(Der Beſchluß folgt.) 


Romanliteratur. 


l.. Die Engländer am Rhein. Novelle von Penfersi:. 
Dei Theile. Leipzig, Wienbrad. 1846. 8. 3 Ak. 
Nor. 


Wol Fann Ref. fi denken, wie ein junger Yuter ke 
dem Anblick der reifenden @ngländerlaravanen auf tem 
tifche Ideen verfällt und Liebespaare nebft Liebesintrigun, U 
werbungen und Berfhmähungen in der feftgefchloffenen Seid: 
fchaft ahnt. Drei Theile indeß Fönnen viel Romantifhes w“ 
nehmen, und Ref. wurde es wirklich ſchwer, diefe drei Ik: 
durchzulefen, wo Nichts als das unbedeutende Gerede unkkı: 
tender Reifenden, ohne irgend bervortretende Charaktere, ch 
irgend eine auffallende Begebenheit geboten wird. Richu Ae 
die gewöhnliche Abwechſelung von Dampfichiff und Bae 
Eifenbahn und Poſt, table d’höte und Spaziergang. 1% 
Daß zieht ſich durch Die befannteften Gegenden, ohne ein er⸗ 
nelles Urtheil, ohne neue Beleuchtung: kurz, Ref. fühlte £ır; 
weile beim Lefen und ſuchte vergebens nach Bedeutendite 
was dieſe Langeweile wenigftend auf Momente hätte banz 
fönnen. Das Ende ift noch das Befte — eine Kindtaufe 
William Aſhley hat endlih über die fpröde Schöne gms! 
und fie geheirathet, fie hate ihre Eroberung ihm und va 
fer fauer gemacht. Dieſe Rindtaufe findet jedoch in za 
und nicht auf dem Rhein flat. Die andern Liebesgcikättt, 
weiche zwiſchen dem Hauptroman durchlaufen, find ebak It 
und unintereffant vorgetragen wie Dieje. 


2. Des Amtmanns YPflegling. Hiftorifihe Rovelle aut dc 
Zeiten des eriten Sächüfchen Kriegs von Guſtad vi! 
Heeringen. Amei Theile. Leipzig, Mayer. IM. 
I Zhir. 19 Nor. 

Der fo Sehr anerkannte Schriftfteller bewährt abım“ 
fein Zalent für den Hiftorifchen Roman in diefer Lieblide. 
anmuthigen Rovelle. Die Heldin ift Luiſe Karſch, die Rat 
dichterin, welche zu Friedrich's des Großen Beiten lebt: 2 
nicht von dem großen Monarchen beachtet ward. Sie biif- 
Kühe in ihrer Jugend und brachte ihr ganzes Leben in Di 
tigkeit zu, während fie die erften Jahre ihrer Kindheit in :? 
bildeterer Sphäre bei ihrem Großohm, einem Amtmann, :* 
hatte. Dos Autors Talent, Sconen aus dem Kinderlebca ET 
zuftellen, gibt fi aud bier abermals fund. Luiſe als we 
muͤthiges, veichbegabtes, wildes, ſchelmiſches Kind mit der zu 
Ben Abneigung gegen den Strickſtrumpf und der Freude # 
Dichten ift fehr lebendig gefchildert. Der Übergang in 'T 
unfchönen Kreis ihrer Altern, unter ungebildeten Wenidr 
des Kindes ſtilles Entbehren, das Feine Worte findet, uni te 
Lefer ergreifen. Ihre ganze Lebensgeichichte in ihrer Colt 
beit ift Die Leidensgefchichte eines unverftandenen Hegen!, * 
unerfanntn in nicht genügenden Berhältnifien gebere 
Genius. In diefen anfpruchdlofen Lebenslauf der Raturtiät- 
rin find nun hiftorifche Perfonen gewebt, fie Eommen um F 
ben, fie erſcheinen und verſchwinden, je nach ben Erfoterzd® 
der Erzählung ; fie greifen ein ‚in Luiſens geiftige Entwidd* 
ohne am äußern Schidfale Derfelben Biel ändern zu fire. 
oder Luiſe greift ein in das Raͤderwerk der äußern Bier 





1251 


er als umbewußtes Werkzeug, als ein Zufall, den die Be: 
bite ebenfo wenig zu beflätigen als zu widerlegen vermag. 
So ſieht fie ald Kind Friedrich den Großen im Haufe der Familie 
Kottwig, der Gutsherrfchaft ihres Großohms, des Amtmanns. 
Er vergießt ald junger Kronprinz dort Thränen über den Ber: 
Luft feine® Freundes Katt, des um feinetwillen u Hin: 
gerichteten, Defien trauernde Mutter dort zugegen. Die Grafen 
von Bingendorf und von Schaffgotfch treten als feindlich eKund⸗ 
fhafter auf, werden verfolgt und gefangen. Die vermißten 
wichtigen Papiere findet unjere Heldin und bringe fie in Kö⸗ 
nig Friedrich's Hände; fie ih auch Beugin der Flucht der bei: 
den Herren, welche ihr Freund der Hechelkrämer Ehriftian aus 
der Feftung Küftein befreit hat. Mit diefem Ghriftian hat fie 
als Kind eine lateinifhe Komödie im Kottwitz'ſchen Haufe auf: 
geführts fpäter traf fie mit ihm beim Kubhhüten zufammen und 
er verichaffte ihr Bücher, wonach ihre Dichterieele fih fo 
fehnte, und die beiden Kinder lafen zufammen manche Zauber: 
geſchichten. 

Nicht nur als unterhaltende und erfreuende Lecture empfiehlt 
fi die vorliegende Erzählung, fie kann auch) manchen der neuen 
Schriftftellerinnen und Schriftfteller zum Borbild dienen als ein 
sollendetes Kunſtwerk. Alle Faͤden, welche im Anfang angelnüpft 
find, werden Dur) das Ganze durchgefponnen, Beine noch fo uns 
bedeutende ‚Figur geht verloren. Die Handwerksburſchen, welche 
im Anfange auftreten, von dem muthwilligen Kind Zuife unfanft 
aus dem Schlafe geflört werden und zur Strafe ihr und der 
vernünftigeen Muhme Küfle rauben, werden die beiden Ehemaͤn⸗ 
ner der Dichterin, indem fie ſich nach zehnjähriger Ehe von 
dem erfien Mann fcheiden ließ, um den Schneidermeifter Karfch 
zu beirathen, mit dem jie arm und dürftig lebt, bis der Ju⸗ 
gendfreund Oberſt Kottwig, den man als muthwilligen Cadet⸗ 
ten ?ennen gelernt, fie mit ihren Kindern nach der Hauptftabt 
entführt und ihre dort die Kreife der hoͤhern Gefellichaft und 
eines genußreichen Rebens eröffnet. Es wird auch ein Gedicht 
von der Heldin eingelegt „An meinen verftorbenen Dheim dem 
Unterweifer meiner Kindheit“; es ift eins der beflern der Dich: 
terin, mehr ſich außzeichnend durch Innigkeit und Gefühl als 
durch Kunft und Eleganz des Versbaues. 


3. Gin Rovellenbuh von Rordbmann. 
Mörfchner'6 Witwe und Biandi. 
9 Rgr. 

Diefe Rovellenfammlung hat einen Geleitsbrief, cin of 
Sendfchreiben an Saint: Rene Zaillandier in Paris; es 
enthält eine Abhandlung über den deutfchen Roman. Zaillan: 
dier bat eine „Kritik der deutfchen Literatur‘ gefchrieben und 
Gräfin Hahn: Hahn als eine der erflen gefeiertfien Roman: 
fchriftfielerinnen Deutfchlands geſchildert. Das will der Autor 
nicht zugeben: „fie Men nicht Deutfch, nicht über Deutſch⸗ 
land, nicht für Deutſche“; er meint: „ber franzöfifche Kriti- 
Ber hätte follen Auerbach's « —— zur d neh⸗ 
men, in denen ſich deutſcher Geiſt und deutſches Leben 
kraͤftig zeigen”. Wir ſtellen Auerbach's „Dorfgeſchichten“ ſehr 
hoch, doch enthalten ſie immer nur einen Theil des deutſchen 
BSoikslebens, eine Peine Sphäre, wie Gräfin Hahn⸗Hahn auch 
nur einen Zheil, eine Peine Sphäre des Volkslebens behan⸗ 
delt; denn die deutfchen Ariftofraten darf man doch nicht vom 
Deutfchen Sof ausfchließen, das Salonleben mit den dort herr: 
fchenden Gebräuhen und Misbräuden, mit den Bitten der 
Meichen und Vornehmen muß doch feinen Plag finden. Die 
Gräfin Hahn» Hahn weiß es gut zu ſchildern, dem Lefer an⸗ 
ziehend zu maden; wer ed mit erlebt hat, begrüßt bekannte 
Zuftände; der Kernftehende ſtaunt und ahnt unter den Blu- 
men den verlegenden Stachel, unter der glatten, äußerlich kal⸗ 
ten Lavakruſte die glühende Leidenfhafl.e Warum wirb bie 
Gräfin Hahn: Hahn trog fo vieler Angriffe doch überall gele⸗ 
fen? Das deutfche Yublicum wünfcht fo fehr von feiner armen 
Politik abgezogen zu werden, da man doch wenig Freude daran 
haben kann; es möchte ausruhen von dem ewigen Kampf ge, 


Zwei Theile. Wien, 
1346. 8. 2 Ihlr. 


gr Beſchraͤnkungen. Der Lefer will ſich erholen; daß dieſe 
holung von fremden Schriftſtellern geboten wird, ift freilich 
bedauerlich! Die deutſchen Schriftfteller follen es nur ein mal 
verfuhen Romane wie Sue und Dumas zu fchreiben, jene 
phantafiereihen, dem Leben und der Gefhichte entnommenen 
Darftellungen, mit dem HerzBlopfen auf jeder Seite, mit dem 
fpannenden Intereſſe am Schluß eines jeden Theils, fodaß der 
neugierige Beier dem neuen Theil mit Erwartung entgegenficht. 
Die deutihen Autoren follen nur Myfterien fchreiben wie die 
„Mysteres de Paris’‘, mit der grellen Beleuchtung fo lange be. 
lebender Borurtheile mit der rein humanen Tendenz, bie 
nicht ſcheut die Wahrheit zu beleuchten wie fie if, fondern 
auch wie fie bei den beftehenden Einrichtungen fein könnte 
und gewiß oft war. Man fol nur einen „Alontechristo” ſchrei- 
ben mit ber fo gruͤndlich durchgeführten Lebensfrage, mit dem 
fi ſtets wegenden Prüfftein für die Macht des Reichthums, 
die bald in bis zur Allmacht fleigern wird. Oder die deut: 
fyen Schriftfteller ſollen nur Romane fchreiben wie Walter 
Scott, wie Boz, wie fo manche andere englifche Schriftſteller, 
die man überjegt hat, und noch dazu oft fehr fehlecht überfept, 
und welche Doch mit Eifer gelejen werden, weil der Lefer warm 
dabei wird, irgend eine Zeite in ihm zum Bibriren kommt. 
Das deutſche Publicum hat ein angeborenes Bebürfnig nad 
Enthufiasmuß ; ed feiert jo gern und möchte fo gern den 
Dichter und Schriftiteller aus feiner Mitte hervorzichen, ihn 
bekraͤnzen und fih an feinen Triumphwagen fpannen. Wüe 
Augenblicke begrüßt es irgend einen Dichter, ed nimmt Erſt 
lingsproducte mit Begeifterung auf; — warum gibt es Keinen 
der dieſe Begeifterung fi zu erhalten vermagt Der Verf. 
halt dem deutſchen Publicum vor, daß es Jean Paul erft na 
Deſſen Zod erkannt. Als Jean Paul noch lebte, war die — 
dung noch nicht fo allgemein verbreitet als jetzt. Jean Paul 
ſchrieb aber nur für die Gebildeten und aud für diefe find 
feine Werke nicht als Unterhaltung und Erholung hinterein- 
ander zu leſen. „Immermann“, meint Rorbmann, „hätte 
auch früher anerkannt werden follen; er mußte fi erft dur 
feinen «Müncdhaufen» den Weg zum allgemeinen Intereffe 
bahnen.” Weine frühern Werke waren nit, trog Gei⸗ 
fieötiefe und poetifcher Schönheit, für das größere Icfende Pu⸗ 
bllcum berechnet. Überhaupt: wer lieft denn jept noch Ro- 
mane? Das große Publicum, welches fih die Zeit Damit vertrei» 
ben wid, ſteht nit am höchften in der Bildung. Die deut 
ſchen Schriftiteler fchreiben meiſt für Gelehrte und philoſophiſch 
Bebildete. Solche lefen felten Romane; fie lefen nur, um dies 
felben zu Eritifiren unt Eritifiren fie dann mit Philofophie und 
Gelehrſamkeit. Warum fanden die Romane der Frau von 
Paalzow fo viel Anklang? Autor und Buchhaͤndler fanden bei 
den zahlreichen Ausgaben ihre Rehmung! Warum wurden 
Auerbach's,Dorfgeſchichten“ fo freudig jubelnd begrüßt? Beide 
Schriftfteller find doc ganz deutfh. Sie geben eben Das 
was Anklang findet, was die Gemüther ergreift; und wer Das 
nicht Tann, der thäte beffer ſich unter „Die Überfegerhöflinge” 
u reiben, wie der Verf. des „Geleitsbriefes“ die ehrenwerthen 
überfegenden Literaten nennt, und dann auch gut zu überjegen, 
damit wenigftens die deutſche Sprache nicht darunter leide. 
Ref. ſchmeichelt fih ein guter Deutfcher zu fein, und es thut 
leid, bekennen zu müflen, daß von den vielen Romanen, bie 
jährlich Durch feine Hände geben, auf zehn anziehende Über: 
fegungen aus dem Dänifchen, Schwediihen, Franzöfifchen und 
Engliſchen kaum Ein guter deuticher Roman zu rechnen if. 
Das ift traurig, Doch ift es nicht die Schuld des Publicums. 
Das Rovellenbuch von Norbmann, welches vor uns liegt, 
wird ebenfalld Beinen allgemeinen Anklang finden, obgleid der 
Stil wohl geglättet, der Stoff brav durchdacht, nirgend ein Feh⸗ 
ler in dem Bau der Novellen und Alles regelreht iſt. Die 
Novellen geben auch viele Wahrheiten, viel Poetiſches, viel 
Schöne. D ja! Sie haben viel Verdienftliches ; doch wird 
der Leſer bei einer Störung ſich leicht von ihnen trennen, daß 
Buch zuſchlagen und Sich tröften, wenn er es nicht wieder auf- 








1252 


nehmen kann. „Der Deutfche fhreibe vor Allem Deutſch, feine 
Poeſie fei ftark wie eine Eiche die dem’ Sturm trögt, ſchlank 
und hochgewipfelt wie die Tanne und himmelanftrebend. Wir 
brauchen keine Treibhauspflanzen; natürlide und nicht Fünft: 
Iihe Bärme muß die Knospen und Zweige hervortreiben, — 
Sonnenfchein, Regen und Froſt der Heimat muß fie heimſu⸗ 
hen; die Strahlen der Heimat müflen dur ihr Laub brechen 
und ber Schnee der Heimat muß auf ihren Üſien laſten.“ So 
fogt der Verf. in feinem Geleitsbrief; fein Streben ift fehr 
löblich, ed mag auch Alles recht deutfch fein was er uns vor⸗ 
trägt, aber feffelnd ift es nicht. Gräfin Hahn⸗Hahn wird ihn 
trog ihrer franzöfifgen Redensarten, trotz ihrer oft etwas 
feihten Moral doch häufig verdrängen. Die Novellen führen 
fämmtlich ein tragifhes Moment in rich, gebrochene Herzen, 
Gräber, Unglück und der reflectirende Menfch daneben, der 
währen? er fühlt, weint, betet, noch denken Bann. Die Novelle 
„Das Inſerat“ ift in ihrer breiten Entwidelung nidt fo er 
greifend als das einfache Inferat, welches dazu Veranlaſſung gab. 
„Der Dangl⸗Baum“ iſt tief erfihütternd; die etwas lange und 
ausführlihe Erzählung der Bauern hebt das Grauenhafte des 
Eindruds in ihrem fchlichten einfachen Wortrag. „Das moderne 
Trauerſpiel“ ift wieder voller Angriffe gegen Gräfin Hahn: 
Hahn; es behandelt die Untreue einer Frau, bie der Mann 
rächt. Das Ganze ift dramatifch behandelt, doch nicht gehörig 
motivirt; nur im Geſpraͤch zwifhen Mann und Frau ergibt 
fih Schuld, Reue und Unglüd. Der befte der vorliegenden 
Auffäge ift unftreitig der legte, „Das Weib in feiner Liebe”. 
„Fauſt ift das einzige wahre Buch der Liebe‘, fagt der 
Berf., „Gretchen der Typus des Liebenden Weibes.“ „Wir 
fie liebt, ergibt fi, fündigt und flirbt Die Liebe.” Alle Sta: 
dien der Liebe find nun im „Fauſt“ nachgewiefen, vom Bibel: 
lefen mit der Mutter bis zum erften Erbliden des Geliebten, 
von der Bezauberung det Schmudes bi zum Sinnenzauber, 
bis zur Sünde und deren Rolgen. „Goethe' hat mit feinem 
Gretchen eine Zugendfünde eingejtanden”‘, heißt es unter An: 
derm, „er hat der verrathenen Liebe ein bleibendes Denkmal 
geſetzt.“ Unter dem vielen Geiftvollen, welches diefer Auffag 
enthält, theilen wir geen dem Lefer folgende Charaßteriftit Goe⸗ 
the's im Betreff der Liebe mit: 

„Soethe war wie mit allen Slüdsgütern des Lebens auch 
mit der Liebe reicher gefegnet als alle Andern die mit ihm 
lebten und liebten. Die Kiebe ftand, ihn lang und bang er- 
wartend, an feinen Lebenswegen, warf fich demuthsvoll, all ihren 
Reichthum bingebend, zu feinen Füßen, reihete die Ihränenper: 
ten an eine Schnur und langte fie ihm entgegen; — er nahm 
fie und ſchmuͤckte fih mit den Thraͤnen der Liebe — dann aber 
zerriß er die Schnur und fließ mit Falten Händen die Liebe 
von fi, die er vor wenig Augenbliden warm an feinem po» 
chenden Herzen gehalten. Sein Berftand faß ein Sultan auf 
fhwellenden Kiffen; wenn er in die Hand klatſchte, fprangen 
die Gefühle, üppig ſchoͤne Weiber mit dem Tambourin ihrer 
füßklingenden, bezaubernden Lieder herbei, fehmiegten ſich an 
ihn, thaten ihm feinen vollen Willen, führten wolluftige Zange 
aufs — er fah fi) faft übermannt, raffte den ganzen Stolz 
feines Geiſtes zufammen und fihleuderte den Dolch nad) der 
fhönften Odaliske, die ihn am meiften geliebt; — ein Opfer 
biutete, er fhloß die Augen — und wenn er fie wieder auf: 
ſchlug, war die Schar zerftoben — das Ganze ein Iraum. 
Soethe's Feder glich dem ſcharfen Dolch, er fuhr tief ins Herz 
der Gefühle, ein Gefühl war zu Tod getroffen und ein echtes, 
wahres Gedicht lag auf dem Schreibtiih — es war nun ab- 
getban. Goethe fuchte Die Liebe nicht auf, — fie kam ihm im 
Brautfchmud entgegen; er gab fi) bewältigt — fie zog ihn 
fort, weit fort in das tiefite Dunkel, fchlug ihre weichen Ar⸗ 
me um feinen folgen Raden, verbannte die Strenge aus fei: 
nem ernften Bid, kuͤhlte mit ihren Haarflechten die gedanken: 
alübende Stirn, kuͤßte jeden Vorwurf von feinem Mund; — 
er folgte der leitenden Liebe, riß die duftigen Blüten am Weg 


und die Steige an den Bäumen ab, daß er ben Weg, den in 
die Liebe geführt, wenn fie ihm läftig, wieder zurüdkine, m 
dem er audgegangen — er fand ihn auch, er fand die wıilm 
Blüten, die dürren Zweige am Weg, ftedite fie als Erin: 
rungszeichen Mu fid — er bewahrte dieſe Erinnerungen ing 
fältig, doch juchte er nicht den Weg zur Liebe auf und hätt 
ihn audy nicht gefunden, denn die Merkzeichen lagen wicht md 
am Weg. Die Liebe aber fegnete ihn felbft für fein Km 
loſigkeit — fie fluchte ihm nicht; fie fegnete ihn, der fie m 
rathen — Hatte fie ja doch Ein mal den Herzfchlag des Peein 
erfahren und ſchwelgte num, in Thraͤnen lächelnt, an ter kr: 
innerung.‘ 

„Zu Zeiten überfam den ftolgen Mann wehmüthig die &. 
innerung — er kramte dann in den Liebeabzeichen und träumt 
fi zurüd. Diefe Wehmuth war flärker als fein tel, r 
mußte fie bekämpfen, wenn der Friede einziehen follte in ie: 
fieberhaft pochendes Herz — dann griff er nad feiner Bi 
der Feder, die er heldenmäßig zu führen verftand, und fümrit 
fo fange, bis die Schlacht fiegreich vollendet, bis ein Bud ir 
tig, der prächfige Sarg bejtelt war für die befiegte, auf ır. 
mer ſchlummernde, mit Blumen gefchmüdte Leiche. Lest 
and ftand um den Sarg und laufchte der Erzählung von der 
tbatenreichen Leben der Schlummernden.‘ 

Diefe Mittheilung gut zugleih eine Probe der Kt x. 
Weiſe wie das ganze Buch gefchrieben iſt. Der Autor z& 
einen Accord an und verarbeitet denfelben in unzählige & 
riafionen. Accord und Variationen find häufig genial, ob rest 
das große Publicum Binreißen, feſſeln, entzüden, Das wagt 
nicht zu behaupten, Das muß der Erfolg zeigen. Daß emiir 
gebildete Lefer fih daran erfreuen, mancher Reflerion beitz 
men, manches Urtheil billigen, davon ift Ref. überzeugt. 


4. PBucilie, oder der Ring des Kaiſers. Bon St. Rılır 
Zwei Bände. Leipzig, Wienbrad. 1546. 8. 2% 


22%, Nor. 

Wer Intereffe daran finder, einen ganz verderhte =: 
ſchlechten Frauencharakter confequent durch eine große Ber 
von Abenteuern und Berhältnifien durch diefe Bantı w ı- 
triguen und Miffethaten ausgefponnen zu ſehen, ba be 
Ref. dab vorliegende Werk empfehlen; es ijt reich an mn 
niffen und man muß der Autorin den Triumph eine a 
dungsreihen Phantafie zugeftehen. & 





Literarifhe Anzeige. 
En vente chez F. A, Brockhaus a Leipzig: 


Histoire des progres 
du droit des gens 


en Europe et en Amerigue 
depuis la pair de Westphalie jusqu'ù nos j@s 
Avec une introduction sur les progres du droit de 


gens en Europe avant la paix de Westphalie. 
Par 


Moenry Wheaton. 





Seconde Edition, 
revue, corrig6e et augmentse par l’auteur. 
Deux volumes. 


Gr. 8. Broch 4 Tbir. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brodtant. — Druck und Verlag von F. Et. Brockhanus in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienſtag, 


— Nr. 314. — 


10. November 1846. 


—— — — — — — — 


Die neueſten Schriften über Goethe. 
Zweiter und legter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 313.) 


Noch ausfchließlicher als dieſe Sammlung nimmt 
die von Kahlert und Übers beforgte das perfönliche und 
pfochologifche Intereffe in Anſpruch. Wir lernen aus 
ihr ganz neue DVerhältniffe kennen in denen Goethe ge- 
ftanden, und gewinnen in bie früher bekannten eine tie» 
fere Einficht. Goethe erfcheint hier als Freund und Er⸗ 
zieher des jungen Friedrich von Stein, der, zwei Jahre 
vor feiner Ankunft in Weimar geboren, von ihm in fein 
Haus aufgenommen worden war. Man kann nichts 
Riebenswürdigeres lefen als wenn er mit ihm ſcherzt — 
„wenn ich ein fo feriger Poet märe wie du bift, fo 
antwortete ich dir in Verſen“ —, ober wenn er ihm 
aus Rom vom Amazzamento der Schweine erzählt — 
man tennt die. Sache aus den Werken — und daß er 
im Theater gewefen, wo die Zufchauer einen noch är- 
gern Lärm gemacht ale die taufend Schmeine; wie er 
ihn aufmuntert. ihm italienifche Briefe zu fehreiben und 
ihm verfpricht, wenn er zurüdtomme, wollten fie zufam- 
men nur Italienifch parliren u. ſ. wm. In ein anderes 
höchft bedeutendes Verhaͤltniß Goethe's Laffen die Briefe 
der Frau v. Stein an ihren Sohn hineinbliden. Wenn 
Zimmermann in einem Briefe, der im Anhange beige- 
füge ift, am Diefelbe in Betreff Goethe's, den fie noch 
nicht perſönlich kannte, ſchreibt: 

Ahꝰ si vous aviez vu, que le grand homme est vis à vis 
de son pere et de sa mere le plus honnete et le plus ai- 
mable des file, vous auriez eu bien de la peine, „um ihn 
nicht durch das Medium der Liebe zu ſehen“ — 
fo möchte man aus der zarten Theilnahme, welche bie 
eble Frau in den genannten Briefen nicht nur an dem 
äußern, fondern aud an dem fittlihen Wohl Goethe's 
an den Tag legt, auf eine ebenfo reine wie innige, bis 
ins Alter erhaltene Neigung für Denfelben ſchließen. Es 
ſind, wie wir von dem Herausgeber erfahren, noch Briefe 
von Goethe an Frau v. Stein vorhanden; möchten auch 

diefe einmal ans Licht treten konnen, es würde fih ge⸗ 
wiß auc hier Goethe'6 edle Natur in einem neuen Lichte 
zeigen. Denn aud) Goethe, fagt Frau v.. Stein, hatte 
zwei Naturen. Bie fagt ed in Bezug auf den Punft 
in Goethe's Leben, der immer, wenn auch nicht als ein 


Flecken, doch als eine misliche Stelle in demfelben wird 
betrachtet werden müffen: das langjährige illegale Ver⸗ 
bältnig zu der „Demoifelle”, feiner nachmaligen Gattin. 
Die vorliegenden Briefmechfel geben über bdaffelbe in 
mehrfacher Beziehung Aufſchlüſſe. Es gibt fih in Be⸗ 
treff deffelben im Goethe's ganzem Belanntenkreife eine 
entfchiedene Misftimmung kund. Nun darf freilich nicht 
verfchwiegen bleiben, daß Goethe fih gegen Schiller am 
13. Zuli 1796 (Riemer, ©. 138) fo ausbrüdt: es 
fei heute eine merkwürdige Epoche für ihn: fein Ehe⸗ 
ftand fei heute acht Jahre alt, woraus erhellt, daß er 
felbft das Verhaͤltniß, das man freilich als ein unfitt- 
liches zu betrachten geneigt fein muß, für ein an fid 
fittliches erkannte, wonach es diefes auch in der That 
gewefen fein müßte Auch ift hier wol der Drt, an 
eine Stelle in einem Briefe an Zelter zu erinnern, in 
der er ben Umftand, daß ihn feine „Liebe Pleine Frau‘ 
verlaffen, als einen folchen bezeichnet, von dem Zelter als 
ein derb geprüfter Erdenſohn mol wiffen werde was er 
zu bedeuten habe. Gleichwol hören wir aus dem Munde 
der Frau v.. Schiller in einem der ſogleich anzuführen- 
den Briefe, dag der Grund, weshalb Goethe fih in 
Jena immer fo viel heiterer und freier zeige, zum Theil 
darin liegen möge, daß er fih in Weimar durch die 
allgemeine Diisbiligung gehemmt und gedrüdt fühle. 
Mag Dem nun fein wie ihm wolle, fo ift mwenigftene 
deutlich, wie nahe ed Goethe gelegt war, feine Neflerion 
auf die Halbheiten und Zerrüttungen der ehelichen Ver⸗ 
bältniffe zu richten, die er in ben „Wahlverwandtſchaf⸗ 
ten’ fchildert; man darf mol fagen, daß er auch mit 
dieſem Werke noch fich eines bedeutenden Lebensinhaltes 
auf feine Weife zu entledigen gefucht habe. i 
Vielleicht der intereffantefte Theil diefer Sammlung 
find die Briefe der alten Goethe an Friedrich v. Stein 
und feine Mutter. „Grüße die Mutter und erzähle ihr 
recht viel”, fchreibt Goethe an Denfelben; „ba fie night fo 
ernfthaft ift wie ich, fo wirft bu dich beffer bei ihr be⸗ 
finden.” In der That fpricht fich in den Briefen Der- 
ſelben der gefunde heitere Sinn der merkwürdigen Frau 
ſehr charakteriftifch aus. Der Vorredner täufcht fi 
nicht, wenn er duch fie zu belegen wünfcht, daß bie 
Schilderungen Bettina’s in diefer Beziehung nicht über- 
trieben feien. Der junge v. Stein hatte zuerft fehrift- 


1854 


lich ihre Bekanntſchaft gemacht, da rüdt fie dann fo- 
gleich mit dem echt mütterlihen Anliegen heraus, er 
möge doch ein Tagebuch über Goethe's Tageseinthei⸗ 
lung, wann er Gefellfchaft gegeben ober in Geſellſchaft 
gegangen und Dergkeichen halten und ihr monatlich zu- 
ſchicken, damit ihr die Unbehaglichkeit der Entfernung 
weniger fühlbar ſei. Ein anderes mal ſchreibt fie: 

Es ift ein großes Zeichen Ihrer Liebe und Freundfchaft, 
daß Sie eine genaue Befchreibung von meiner Perfon verlan: 
gen, hier ſchicke ich Ihnen zwei Schattenriffe — freilich ift an 
dem großen die Nafe etwas zu ſtark, und der Beine zu ju 
gendlich, mit alle Dem ift im Ganzen viel Wahres rin 
nen. Bon Perſon bin ich ziemlih groß und corpulent, babe 
braune Augen und Haar — und getraute mir die Mut: 
ter von Prinz Hamlet nicht übel vorzuftellen. Diele Perſo⸗ 
nen, wozu auc die Yürftin von Deffau gehört, behaupten, eb 
wäre gar nicht zu verfennen, daß Goethe mein Sohn ware. 
Ih kann das nun eben nicht finden — doch muß etwas daran 
fein, weil es fchon fo oft iit behauptet worden. Drdnung und 
Aube find Lauptzüge meines Charaktere — daher thu' ich 
Alles gleich friſch von der Hand weg —, das Unange: 
nehmfte immer zuerſt — und verfchlude den Zeufel (nach dem 
weifen Rath des Gevatterd Wieland) ohne ihn erft lange zu 
beguden; liegt dann Alles wieder in den alten Falten —, tft 
alles Unebene wieder gleih, dann biete ih Dem Trotz, der 
mich in gutem Humor übertreffen wollte. Nun, lieber Sohn, 
kommen Sie einmal und fehben Sie das Alles felbft mit an. 

Mit großem Jubel erzählt fie von einer Aufführung 
des „Götz von Berlichingen”: 

Die Frage: „Wo feid Ihr ber, Hochgelahrter Herr?‘ und 
die Antwort: „Bon Frankfurt am Main” erregten einen fol: 
hen Jubel, ein Upplaudiren, das gar luſtig anzuhören war, 
und wie der Fuͤrſt (denn Bilchöfe dürfen Hier und in Mainz 
micht aufs Theater) in der dummen Behuglichkeit daſaß und 
fagte: „Potz, da müflen ja Die zehn Gebote auch darin ftehen” —, 
ba hätte ber größte Murräopf laden müſſen. Summa Sum⸗ 
marum: ich hatte ein herzliches Gaudium an dem ganzen 
Spectakel. 

Und dazu noch das Poſtſcript: 

Dienſtags den U. Mai wird auf Begehren. des Erbprin⸗ 
zen von Darmfladt „Götz von Berlichingen‘ wieder aufgeführt. 
Pop, Frigchen, das wird ein Spaß fein! - 

Auch weiß fie die Weimaraner gar gründlich über 
Goethe's längeres Außenbleiben in Italien aufzuflären: 

Daß er gegen feine Freunde kalt geworben ift, glaube ich 
nicht, aber fielen Sie fih an feinen Plag — in eine ganz 
neue Welt verfegt, in eine Welt, wo er von Kindheit an mit 
ganzem Herzen und ganzer Seele dran hing —, und den Ge: 
nuß, den er nun davon hat. Ein Hungriger, der lange ge: 
faßet hat, wird an einer gutbefegten Zafel, bis fein Hunger 
geſtillt iſt, weder an Vater noch Mutter, weder an Yreund 
noch Beliebte denden, und Niemand wird's ihm verargen Eönnen. 

Eine andere edle Frau, die wir in dieſem Brief- 
wechfel näher kennen lernen, ift Eharlotte v. Schiller, 
geborene v. Lengefeldt. Wir müffen für die Mitthei- 
ung diefer Fragmente aus Briefen Derfelben an den 
Freiherrn v. Stein, ihren Jugendfreund, um fo danf- 
barer fein, da e6 einem geiftlihen Herrn in Schwaben, 
Deſſen Buch Strauß in boppeltem Sinne einen Schwaben: 
freih nennen konnte, gefallen hat, durch Eleinliche Inſi⸗ 
nwationen, wie dergleichen in majorem dei gloriam von 
jeher den geiflfichen Herren in und außer Schwaben 
ganz befonder® geläufig gewefen find, über ihren Cha⸗ 
ralter ein zweideutiges Licht zu verbreiten. Daß Schil⸗ 


— ————— —— —— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — — —— — — — —— 


ler's Gattin an Geiſt und Bildung feiner würdig ge 

weien, hat fpäter Hoffmeifter in feinen „Nachtraäͤgen zu 

Schillers Werken” durch Wiederabbrud ihrer in im | 
„Horen“ erfhienenen Gedichte ſtillſchweigend bewieſen; 

Bier zeigt ſich aber auch, daß fie ganz dieſelbe ital 

Geſinnung gehegt habe, bie wir an Schiller ken 
Sie ſpricht ihre Freude darüber aus, daß ihr ein Sehe 
und nicht eine Zochter gefchentt fei: 

Es würde mir recht viel Aufopferung Eoften, eine gro 
Tochter um mich zu fehen, weil ich zu hohe Begriffe habe ven 
Dem wie unfer Gefchlecht fein fönnte, und durch Alles vu 
die Frauen umgibt, wird ihre Bildung verhindert fo zu im 
wie es meine idealifche Weiblichkeit fein follte Und ihmy 
immer lieber das hohe Bild in mir herumtragen und fehl 
danach fireben, ald ein Weſen das jo nahe mit mir zujumna 
Dinge, das ich wie mich felbft anfähe, den gewöhnlichen Ba 
ohne Rettung wandeln zu fehen. 

Man kann Hrn. Kahlert nur Recht geben, wem 
er in der Morrede die Frau als Schiller's Schupgei 
bezeichnet. Die Übereinftimmung der Denkungsart Ba 
der zeigt fi) auch noch in einem ganz beftimmten Punk 
Sie erzählt von Schiller’ Erhebung in den Adelſiach. 
„Da es einmal gefchehen iſt“, ſchreibt Die adelig geborm 
rau an den adeligen Herrn, „ifi man der Kinder w 
gen fihuldig, ed nicht fallen zu laſſen“; das Diplom, ix 
fie hinzu, fei fo abgefaßt, daß Jeder fehen könne, di 
Schiller ganz unfchuldig daran fi. Faſt mit deniet: 
Worten meldet befanntlih Schiller den Vorfall an Bi 
heim v. Humboldt. Und endlich finden wir hier ma 
einen Brief von Schiller felbfi an die Frau v. Stu 
in welchem er erklärt: da er nun zwei Jahre in Va— 
mar wohne, ohne nad Hofe eingeladen zu fein — sta 
Zweifel weil er eben nicht von Adel war —, fo wirkt 
er wegen feiner Kränklichleit auch ferner Davon uk: 
ſchloſſen zu bleiben. 

Die vierte Sammlung, die uns Hier vorliet, iß 
mehr für Schiller als für Goethe von Wichtigkeit, ten 
von Diefem findet fih nur eine Anzahl Billete an I 
W. v. Schlegel vor, die ganz fpecielle literarifche Grm: 
ftände betreffen, ein Brief, in dem er Denfelben := 
Mitarbeit an der „Jenaer Literaturzeitung”‘, welche de 
nach Halle ausgewanberten „Allgemeinen Literaturzaitum' 
gegenüber gegründet wurbe, auffodert, und ein and 
aus fpäterer Zeit, in welchem er fein Intereſſe für dꝛ 
Poeſie der Inder und feimen Proteſt gegen die bildet 
Kunftderfelben ausſpricht. Dagegeniftvon Schillerder Fr 
gegeben, in welchem er wegen eines Auffages von 3. Ei 
gel in Reichardt's „Lyceum“, in welchem bie „ Hort" 
heftig getabelt worden, 4. W. v. Schlegel die Freurd 
[haft aufkündigt. Merkwürbig.ift es, wie angelegentiid 
ſich A. W. v. Schlegel in feiner Antwort, die hier a⸗ 
dem Goncepte ebenfalls abgedrudt ift, bemüht fih 
rechtfertigen, wobei er von der ewigen Dankbarkeit [pri 
die er Schiller für fo viel Güte und Theilnahme a 
feinem Glück fchuldig fei u. f. w. Bon dem berufen: 
Epigramm: F 

o lang' es waben gibt in aben, 
Wird sie Mt Berund'zer Gen 
ift hier noch ganz und gar nicht Die Hebe. 


1255 


Bon ganz eigenthümlichem Intereffe ift bie Veroͤf⸗ 
fentlichung des Hrn. Dr. Weißmann. Man erinnert ſich, 
Daß Goethe erzählt, wie er in feiner Kindheit am Ende 
Des Jahres gemeiniglich eine Anzahl von Ererritien und 
Arbeiten aller Art, in einen Quartband geheftet, feinem 
Vater überreicht habe. Ein ſolches Heft fehen wir hier 
Der Hauptſache nach abgedrudt. 
zereffante Blide in die Eigenthuͤmlichkeit bes Waters 
ehun, fowie in Die patriarhalifh frommen Sitten des 
Zufs:; es findet fi) namentlich eine lange Reihe von 

änfchen in lateinifcher, deutfcher und griechifher Spra- 
che, mit denen der Sohn den Vater am Morgen zu be- 
grüßen pflegte. Mit Recht hat der Herausgeber einige 
Facfimile beigegeben. Indem er auf die Wichtigkeit der 
Handfhrift für die Charakterifirung eines Menfchen hin- 
weift, fügt er cine bedeutende Bemerkung hinzu: 

Es follen, wie ich von Augenzeugen gehört habe, die Briefe, 
die Goethe in der Leipziger Periode befonders an feinen Freund 
Horn gefchrieben (die fpäter wieder in feine Hand zurüdka- 
men), eine durchaus unordentliche, unregelmäßige, bewegte Hand: 
ſchrift getragen haben und feine Schriftzüge erft in der letzten 
Hälfte feines ftrasburger Aufenthalts wieder zu einem Klaren, 
rubigern, feftern Zpuus gekommen fein, den fie bis in die leg: 
ten Zage feines Lebens behalten. In unferm Hefte fehen wir 
nun zu unſerm @&rftaunen diefelbe feite Handfchrift wie im Al: 
ter, nur pedantiſcher, fhülerhafter und unfreier. Wir en 
affo in dieſen drei Perioden feiner Schriftbildung auch drei 
große Ubfchnitte feiner geiftigen Entwickelung, die Zeit des in 
fh und feinem Zreiben befriedigten, flrebluftigen Knaben, bie 
Sturmgeit des Iünglings, in der die Welt verwirrend und 
überwältigend auf ihn eindrang, und die Zeit, wo der reife 
Mann wieder zu fi gekommen war und in bewußter Kraft 
vorwärts ftrebte. 

Auf fpätere literarifche Projecte deutet nur erſt eine 
Anmeifung zur beutfch-hebräifhen Sprache, d. 5. zu ber 
Schrift, in der die Juden das Deutſche in Briefen oder 
Dergieichen fchreiben ober fchrieben, denn jegt foll fie faft 
ganz verfehwunden fein, auf gewiffe Weife hin. Be⸗ 
kanntlich fchrieb Goethe fpäter, werm auch noch in fei- 
nen Knabenjahten und im Grunde nur ale Stilübung, 
einen Roman, in welchem eine Anzahl von Gefchwifter 
in verfehiebenen Sprachen miteinander cortefpondirten, 
wo denn auf eins von ihnen das Judendeutſche fiel. 


Wie im Mittelalter die Bürger den Zürften ihre 
Herrenrechte wiefen und Iene fich weifen ließen. 


Die Stadt Limburg an der Lahn, welche in frühern Jahr» 
hunderten an bürgerliger Rührigkeit mit Frankfurt gewetteifert 
haben foll, ftand auch noch in der erften Hälfte des 14. Jahr: 
hunderts in fchöner Blüte. „Alle Gaſſen und Hallen waren 
voll Leute und Guts, und wenn fie zu Felde zogen, wurden 
fie mehr als 2000 Bürger und berittene Leute mit Panzer und 
Harniſch geachtet; zu Oſtern empfingen mehr als Men: 
ſchen Gottes Leichnam.“ —— und biedermaͤnniſcher 
Sinn herrſchte in allen oͤffentlichen Verhaͤltniſſen, ſowie im en⸗ 
gern buͤrgerlichen Treiben; klug und ſtandhaft hielten die Schoͤp⸗ 
pen, bei denen, wie in weſtdeutſchen Städten überhaupt, auch 
die Bermaltung war, an ihrem Rechte, und tapfer vegten die 
Infaffen die Fauſt, wenn benachbarte Herren fie in ihrem 
Weſen kraͤnken wollten. Dabei nun verknächerte oder verfpief- 
bürgerte das Leben nicht in alten Formen, fondern wußte fich 





Das Büchlein läßt in- 





feifh und freudig Alles angueignen, was das rheiniſche Volk 
ur Wörderung der Sitte und Bildung, ftädtifhen Wohlerge- 
end und Behagens, zur Sicherſtellung und zum Genuß des 
Erworbenen von Zahr zu Jahr zu eriinnen pflegte. Aber mit 
dem Berlauf des 14. Jahrhunderts, als Kaifer Karl IV. von 
oben herab das Beifpiel eines eigennügigen Gebieterwerbs ge- 
geben und das Reich immer fihtbarer zerfiel, gerierh Limburg 
in [were Anfechtung wegen ber flreitigen Oberherrlichkeit, die 
fih bereits nad dem geoden Zwiſchenreiche widerſpruchsvoll 
genug geſtaltet hatte. Uxfprünglich mit Burg und dem näd- 
ften Gebiete ein Reichblehn, ftand die Stadt den edeln Herren 
und Junkern zu, die, ein Zweig der von Ifenburg, den Na: 
men von Eimburg führten. Uber die Kaifer hatten diefes Lehn 
in ein Afterlehn verwandelt, indem fie den dritten Theil defs 
felben den mächtigen Landgrafen von Heſſen auftrugen (1229); 
ein zweites Drittel fam an Kur: Mainz und nur das dritte 
blieb beim Reiche unmittelbar. Die Verwirrung wuchs, als 
im 3. 1514 Gerlach II. mit Genehmigung des Landgrafen 
Heinrich die Hälfte der Stadt und Burg Limburg „aus wif: 
fentliher Roth“ an den Erzbifhof Balduin von Zrier und 
Deffen Stift verpfändete, und, weil hiermit ein Sechötheil des 
heſſiſchen Rechts gefährdet wurde, der arme Junker den Land: 
grafen zur Entfhädigung auf das halbe Drittel Jeines noch 
unverpfaͤndeten Gutt anwies. Gerlach II. ſtarb 1355 desglei⸗ 
hen ſein Sohn Gerlach III. im 3. 1365, worauf Deffen Bru- 
der, Johann UI., Domherr zu Köln und Trier, wieder weltlich 
wurde und, da er Feine Sohne hatte, im 3. 1374 damit um» 
ing, jenes Drittel des Reichslehns dem Kurfürften von Zrier, 
uno von Balkenftein, zuzumenden, weil auch fein jüngiter 
Bruder geiftlih war. Run mußte aber feiner der Herren bei 
folder Verwickelung den Umfang des Herrenrechts und die ein 
zelnen Rechte, welche fie an Stadt und Burg batten; Ddiefe: 
Ungewißpeit ftellte iich Heraus, als unter den Unterhandlungen 
am kaiſerlichen Hofe im J. 1374 ein Schöffe von Limburg, Jos 
hann von Ruheim, in einen Rechtsſtreit mit der Herrſchaft 
geriet). Statt nun, wie es in neuerer Beit ficher geſchehen 
wäre, für ſich zufammenzufommen und ohne Befragung der 
beteiligten Unterthanen über oberherrliche Befugniffe fih au 
vereinigen und dad Recht zu maden, befcloffen die Fürften 
nad) biedermännifchem altdeutfchen Brauch, die Schöffen von 
Limburg zu fragen und ihr Recht fi „weiſen“ zu laſſen. 
Darum „bejaß denn im 3. 1374 auf Montag nad unferes 
Herren Leichnamsta „war der fünfte Mai, dert Kuno von 
Falkenſtein, —* und Johann, Herr zu Limburg, das 
Gericht auf dem Berge mit ihrer ſelbſt Leiben. Und hatten 
bei fich am Gerichte Herren Friedrih von Sarwerden, Erzbi- 
ſchof zu Köln, Zohann Grafen zu Sayn, Reinharden, Herren 
zu Weſterburg, Dietrih, Herren zu Rundel und andere viele 
Ritter und Knechte. Und das Gericht ging in der Form und 
Weile an als hernach gefchrieben ſteht. Da fund ein Ritter 
mit Ramen Herr Dieteid Waltpode und fragte von der Herren 
wegen die Schöffen von Limburg, daß fie auf den Eid fagten 
und offenbarten, wofür fie bie Yerren hielten, was ihre Herr⸗ 
ſchaft und ihre Freiheit und ihr Recht wäre zu Limburg? Da 
gingen die Schöffen hinaus und nahmen einen Rath und fa- 
men wieder und « verſprechten fi», d. h. fie dingten fih in 
dad Wort. Das Wort fprah Johann Bope, Schöff zu Lim: 
burg, gar berrlih, und ftund feftiglich in der Schöffen Wort 
von Anbeginn des Berichts bis zulent und fprach alfo: Wir. 
beiennen, daß unfer Herr zu Zrier ift unfer «gefaufter» 
Herr (d. 5. der fih in den Befig eingelauft bat) nad Laut 
und Ausweifung folder Briefe, die darüber gegeben und ver: 
fiegelt find. Rach Inhalt und Vollbringung auch foldyer 
Briefe und Reversbriefe, die auch Burg und Stadt von Lim- 
burg von.dem Stifte und unferem Herren von Trier und feis 
nen Vorfahren wiederum und dagegen führen. Berner fpracdh 
er: Wir beiennen und halten unfern Junker von Limburg vor 
unferen rechten und gebszenen Herren, ber von der Herr⸗ 
ſchaft, von ſeinen H Wtern feligen geboren iſt, wie baß 


1256 


die Herrſchaft und Herrlichkeit an ihm erflorben und kommen 
ift von feinem Bater und Herren Gerlachen, feinem Bruder, 
unferem ‚Herren feligen.” 

„Zum anderen mal fund der vorgenannte Ritter und fragte 
die Schöffen von der.Herren wegen und ermahnte fie gar ernft- 
lich und auf den Eid, daß fie erzählten und fagten, von Punkt 
zu Punkt, und von Stüd zu Stud, was der Herrſchaft, ihre 
‚Herrlichkeit, Freiheit und Recht wäre und was man ihnen bier 
zu Limburg an der Herrſchafi befennete, doch aber an ihrer 
Herrfpaft und Zreiheit unverluftigt. Da gingen die Gchöffen 
abermals außen, und berebeten fih und famen wieder. Und 
ſprach der vorgenannte Johann Bope: Wir wiffen vor ein 
Recht, daß das Gericht zu Limburg ift unfere Herren über 
Halb und Haupt; doc daß die Herren an Beinen Bürger von 
Kimburg nicht greifen noch taften follen in einiger Weife, die 
Schöffen haben denn zuvörberft darüber gemweifet. Fortmehr 
wiſſen wir unferm Herren die höchſte Bede, das find zehn 
Mark Limburger Wehrung, und von gemeiner Stadt ein 
mainzer Fuder Weins, und einem jeglichen Schöffen vier Pfen- 
nige mehr als ein Mark. Anderwerb weifen wir den Herren 
die mindefte Bede, das find dreißig &chifling Pfennige und jeg- 
lipem Schöffen zehn Pfennige, und daß man feinen Bürger 
u Limburg pfänden fol noch angreifen um einige Bebe, man 
Hape ihn denn zu zweien vierzehn Tagen auf bie Bede gehinget, 
und auf die Feine Bede zu dreien vierzehn Tagen. Äuch fol 
man feinen Bürger zu Limburg antaften ober angreifen mit 
dem Gerichte, der Jemand gefchlagen oder geſtochen hätte, bie: 
weil der den Mthem in feinem eibe hat, der da gefchlagen 
wäre. Und find diefe Sagen allemege wohl hergebracht und 
allezeit herrlich und feftinlich gehalten.” 

„@nderwerb fragte der vorgenannte Ritter von der Perren 
wegen: Db einer Gewalt zu fimburg thäte, ob dann einiger 
Mann dem Herren denfelben möge angreifen und halten, bis 
auf bie Schöffen, auf daß er nicht vorflüchtig würde? Da 
gingen die Schöffen außen, famen wieder, und antwortete der 
vorgenannte Johann Bope für fie und die Schöffen und ſprach: 
Bir wiffen vor ein Recht, fo hier von einem Mann eine Ge: 
walt wird geklaget, fo fol der ein Gericht beſcheiden von 
der Herren wegen und fol bie Schöffen auch verhaufen der 
Klage wegen, fo wie die gehandelt und gethan iſt. Darauf 
dann die Klage auf den gebracht ift, follen ſich bie Schöffen 
berathen und entfinnen, und follen darauf fagen und vor ein 
Recht weifen, das fie bebünket, das Recht ſei. Und che das 
ihnen werde gemeifet von den Schöffen, fo follen die Herren 
noch ihre Amtleute an keinen Bürger greifen zu Limburg, noch 
taften in feiner Weiſe.“ 

„Anderwerb fragte der Ritter vorgenannt von der Herren 
wegen: Db man einen bebädhte (beargwöhnte), daß er eine 
Gewalt gethan hätte und begangen, was der den Herren 
ſchuldig wäre? Darum fo gingen die Schöffen abermals aus, 
berebeten fi und Samen wieder. Und gab der vorgenannte 
Johann Bope von der Schöffen wegen zur Antwort und ſprach: 
Lieber Derr, wir, die —A von Limburg, wir 
weifen noch ſprechen fein Urtheil auf Gedanken 
(d. h. auf Verdacht). Und fagte ihm Nichts mehr.” 

„Lieben Freunde”, fährt der Verf. der limburger Chronik, 
entweder der fpätere Stadiſchreiber, Thielmann Adam Emmel, 
oder der derzeitige Schreiber, Johann Gensbein, fort, „da 
diefe Frage und Antwort als vorgefchrieben fteht, und noch viele 
mehr Reden, die nit alle hier geſchrieben ftehen, gefhehen 
waren, mit Herrlichkeit und mit Weisheit verantwortet worden, 
da ftunden die vorgenannten zwei Zürften, von Trier und von 
Köln, auf, die Grafen, Herren, Ritter und Knechte, und ver: 
wunderten fi) der großen Fürfichtigfeit. Und Einer fahe 
den Andern an, als ob fie follten fpredpen: 

Der Haaf if und entgangen, 

Den mie molten han gefangen. 
und gaben den Schöffen große Ehre und Weisheit, 
und alfo fehieden fie von binnen. 





Daran gedenket, ihr Jungen und {hr Alten, 

Das ihr mit Seitheit möget behalten 

Euer Leib, But und Eee, 

Das iR euern Kindern gute Märe. 
Und bittet Gott vor den Schreiber Johann, der das Leibe 
verflund und in eine Rotul begriff zu Ehre und Herrlidtet 
der Stadt Limburg.” 

Wir fügen noch hinzu, dag Kaifer Karl IV. in demfelben 
Zahre das Britet des Keicstehns an Kur:Xrier abtrat, we: 
es nad) dem Ausfterben der Junker von Limburg auch das 
f 7, und bie Stabt „nad Weisthum ihrer Redte‘ 
I Hließliy nennen wir die Ramen jener fürſch 
{ , weil ihr @efchleht hier und da in Eirm 
i jope (Bopp); Johann von Ruheim; Helwig von 
. Rarquard von Burgund; Dtto Knipe (Knep); 
. iß; Johann Muͤlich; Heinrich Weiß; Kunz Pıd 
\ Kuno auf der Schopen (Schopen); Ichann Se 


! Siebold.) 
S 8. Bartheid J 
ſchrieb es zu Greifswald im September 1846 als geſchigu 
lien Zuruf an die fürfihtigen Schöffen Rordalbingiens. 





Kiterarifhe Notizen aus England. 
Merico und die Vereinigten Staaten. 


Schon Waſhington Irving in feinem bekannten Geigigts 
werd macht bei der Eroberung Mericob durch die Spanier, 
wenn wir nicht irren, auf das verfhiedene Schickſal aufmert 
fam, welches den fpanifhen Eolonien im Vergleich zu den I 
fiedelungen der Engländer und Holländer im Norden Merich 
geworden ift. Ein neuer amerifanifher Schriftfteler, Bahr 
Ihompfon, früher außerordentliche Gefandter und bevolmäd: 
tigter Minifter der Vereinigten Staaten in Merico, ftelt a 
feinen vor kurzem veröffentlichten „Recollections of Mexies" 
ähnliche Betrachtungen an. Er bemerkt treffend: „ern 
wurde gerade hundert Jahre früher ald Maſſachuſetts colcairt. 
Seine erften Anfiedler waren die edelften Geijter Spaniens in 
deffen goldenem Zeitalter, in ber Epoche der Cervantes, Ser: 
te}, Piparro, Gonfalvo de Cordova, Gardinal Zimens u 
der großen und guten Iſabella. Maſſachuſetts ward durch dit 
armen Wallfahrer aus Plymouth angebaut, die Rights mit fh 
führten als ihre eigenen hartnadigen Zugenden und ihre ur 
begwinglice Tpatkcaft. Merico mit reichem Boden und einem 
Himmelsftri, der zur Hervorbringung von Allem mas au 
der Erde mwächft geeignet ift, und im Befige aller mögliden 
Metalle — Maffahufetts mit unfruchtbarem Boden und ur 
wirthlichem Klima mit nicht einem einzigen Ausfuhrartikel be 
gabt als Eifen und &tein —,. wie find diefe von der Worfehur 
in Züle verabreihten Wohlthaten auf der einen Seite wir: 
end anjegt, wie auf der andern Seite die Hinderniffe über 
wunden worden? Welches ift gegenwärtig der Zuftand beide 
Länder? In güterergeugendem Gewerbfiä, weitausgedehntet 
Verbreitung von Kenntniffen, öffentlichen Unterrichtsanftalter 
aller Art, allgemeinem Wohlbefinden und beftändig zunehmen 
der Wohlfahrt; in Wiffenfhaften, Künftn, Sitten und Reli 
gion, in Allem was ein Voik groß macht, gibt es in der Bit 
nicht, bat e8 in der Welt nie ein Gemeinweſen gegeben mit 
Maſſachuſetts. «Da ift es — fhaut hin! — und Merin!” 


Leitfaden für Heirathsluftige. 

Unter dem Titel: „„Hints on husband-catching; or. # 
manual for marriageable misses‘ (nleitung zun Männer. 
fang; oder ein Leitfaden für heirathsfähige Fräulein) ift ein 
Beine Satire sefhienen, die den feinem Ben nad) ohnehin 

lichen Stoff in einer rohen, das Zartgefühl oft verlegenden 

jeife behandelt. . L3 





Berantwortliger Heraußgeber : Heinrich Bro@hans. — 


Diud und Verlag von F. &. Weodbens in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung, 





Mittw V 





Friedrich Keopold Sur zu —* Von Ylfzed 
Nicolovius. Dein. Kuh, moon und 
Zhielmann. 1846. Sr. 6. 22% 

Es gibt einen paſſiven Zufland des — Ge⸗ 
ſchmacks, in welchem ſich die normale Grundlage deſſel⸗ 
ben leichter erkennen läßt, meil in ihm die individuelle 
Verſchiedenheit nicht fo ſehr hervortritt. Ich glaube, 
daß ungleich weniger Menſchen im Stande find, reizloſe 
Mittheilungen mit Ernſt und Genuß zu vernehmen, als 
zu machen. Könnte ſich Hr. Nicolovius fo paſſiv gegen 
fein Buch verhalten, d. h. könnte er daran zum Lefer 
werden, er wurde es ficherlich nicht mit folchem Antbeil 
* wie er es geſchrieben — Das traue ich eben ſeinem 

Geſchmacke zu, an dem da ohne Zweifel Vieles auch 
normal iſt. Damit will aich nur ſagen, daß ich mir nicht den⸗ 
ken kann, wie ſelbſt lebhafte Verehrer Stolberg's und, was 
ſewiß noch mehr iſt, ſelbſt Geiſtesverwandte des Verf., 
Freunde feiner. poetiſchen und religiöſen Anſicht, dem Hrn. 
Profeffor aufmerkſam von Anfang dis zu Ende zuhoͤren moͤ⸗ 
en. Mit ſtumpfern Waffen hat felten Jemand für feine 
Sache gekämpft, mit dürftigen Gemeinplaͤtzen paftoraler 
Zalbung kaum irgend ein echted Gefühl fo ängftlich er⸗ 
Nist feiner Ausdrucksarmuth nachzuhelfen gefucht wie in 
iefer homiletiſchen Biographie! Solche Schwäche muß 
te Kritik herabſtimmen, ihr die Schärfe bis zu einem 
Brade nehmen, in welchem fie eigentlich aufhört. Was 
id, wenigftens anlangt, fo hätte id) fie mahrlich lieber 
ufgegeben als gefchärft, ic hatte üher dieſes Buch ge- 
hwiegen, das id) fo willig, fo oorbereitet für die Stim⸗ 
ung ehvenwerther Pietät: in die Hand nahm, wenn 
üch niche Manches auffoberte, dem Unmuthe getäufchter 
martung nicht zu weichen. Der allein hätte mid) 
m Schweigen gebracht, und er tft es nieht, ber mid 
m Neben bringt. 

Ich bekenne offen, daß ich ben Grafen Friedrich 
tolberg als Dieter mie zu hoch geftellt, obgleich 
' fo unbefangen urtheilte wie es ſich Hr. Ni: 
lovius von „der Nachwelt” verfpricht,. obgleich id) 
‚hren feiner Lieber das warme Herz anfüblte, das 
ihnen fchlägt. Gr ift reger, firebfamer, fprahgewand- 
: als fein Bruder, aber er hat mit Diefem eine bios 
—8 blos aͤußerlich geſtaltende Kraft gemein, 

d wahrhaft dichteriſche Drganifatten iſt ihm niemals 


gelungen. Ja, bei ihm zeigt ſich noch deutlicher jene 
dilettantiſche Verſuchſthaͤtigkeit, mit welcher ſich damals 
fo Biele hervorgethan, ſelbſt Wieland, nur daß Dieſer 
geiſtig umfaſſender war, meha Halt in ſich Hatte, und 
eine ganz andere Elaſticitaͤt heſaß in feinen künſt⸗ 
deriſchen Gedanken und Witten. Es iſt bei Stolberg 
gewiß die edle Haltung nicht zu verkennen, ſelbſt wenn 
das Ritterliche feiner Poeſie als bloßer Pracht⸗ und Pa⸗ 
rademantel erſcheint; eine ſichtliche Innigkeit der Über- 
zeugung belebt feine Muſe auch im ihrem meflianifchen 
Selbſtzwang, und durch gründliche Bildung und Kenntniß 
feſſelt ſie unſere Aufmerkſamkeit, auch wenn fie im ſtei⸗ 
fen antiken Uberwurf auftritt. Doch Fehlt ihr überell 
die Unmittelbarkeit der Production überall das Eigen⸗ 
ſtandige, die Entſchiedenheit im zav orw — c# iſt eine 
Willenskraft ohne Thatkraft! Mehr als ein .mal „bat 
mich die Geſchichte des Ikarus, die Stolberg in ſchlech⸗ 
ten daktyliſchen Verſen erzählt, an ihn ſelbſt erinnert: 
nicht daß ich ihm Begeiſterung und Andacht abſpräche 
wie Gervinus — er hatte gewiß den Drang zu fliegen 
fo kindlich warm und lebendig wie Iſarus —, aber der 
——— Ausdruck dieſer Begeifterung, Das waren 
die angeklebten Warsflügel, die ihm ſchmolzen auf ber 
Klopftod’fchen Höhe wie auf dee Homeriſchen, und ihn 
nicht felten ine — Waffer finten liefen. Bei alle- 
dem hat 26 mir immer weh gethan, wenn man ber 
literargefchichtlichen Bebentung biefes Mannes Feine Ehr⸗ 
furcht zollte, ‚wenn auch hiſtoriſche ——— zu 
beweiſen ſuchten, daß er an dem großen, ſchoͤnen Einfluß 
des göttinger Dichterſtrebens nur einen geringen Theil 
gehabt, wenn ih auch Ihn unter den ſchnöde Mishan⸗ 
beiten ſah, an denen nicht etwa ber Maufh neuer 
Ideen, nit ber Fanatismus eines aufbraufenden Beit- 
geiftes, fondern rohe, übermüthige Nüchternheit Die Spy 
von frivoler Selbftüberhebung und Schonungsloſi * 
zurückließ. Auch konnte ich nicht anders als mit Un⸗ 
willen den Nachhall aufklaͤrſüchtiger Intoleranz hoͤren, 
mit welcher Johann Heinrich Voß feinem Rationalismus 
eben kein Ehrendenkmal geſezt. Amar begreife ich, daß 
damals, wo die proteſtantiſche Gelehrten⸗ und Dichter⸗ 
melt fo viele Culturbezüge an Stolberg anknüpfte, wo 
perfönliche Verhaͤltniſſe die Gereiztheit ſteigerten, diefer 
Schritt des Mannes Vielen en Stich fein mußte, ‚der 


1258 


bitter fchmerzte: aber nachdem die Parteien felbft vom 
Schauplag abgetreten, ift das loſe Nachgerede indifferen- 
ter oder hämifcher Naturen über Stolberg's Apoftafie 
doppelt widerlich. Es Tonnte daher mir und vielen 
BSleichgefinnten nur erwünfcht fein, daß zu einer Zeit, 
wo man dem allgemeinen Mangel an Pietät wol ent- 
gegenarbeiten muß durch Erinnerungszeichen jeder Art, 
um edle Geifter der Vergangenheit zu ehren, wo gutge- 
troffene Charakterbilder oft ſchon ale Zeugniffe für 
die nationale Gerechtigkeit den Preis verdienen, eine 
kundige Hand es unternahm, auch den vielverkannten 
Friedrich Stolberg ins rechte Licht zu ftellen. Hr. Ni- 
tolovius fühlte fich hierzu berufen durch einen tiefen Zug 
des Herzens, dur ein Gefühl richtiger, geeigneter 
Auffaffung des Mannes, welchem er von „früher Ju- 
gend an mit Hochachtung” anhing; ihm lagen „Quellen 
vor, welche über Stolberg’8 äuferes und inneres Leben 
manche Anbeutung darbieten“. Wir durften alfo erwar⸗ 
ten, daß er uns in biefes wie in jenes einen befriedi- 
genden Blick thun ließe, und feine Commentation nur 
dazu benugen würde, uns das Verſtändniß zu erleic)- 
teen, jedenfalls aber die Mistöne ausfchliegender Partei- 
nahme von beiden Seiten in freundlicher, antheilgewin- 
nender Weife aufzulöfen. Bedenklich war es allerdings 
von vornherein, daß er im Ganzen mehr religiöfes ale 
Iiterarifches Intereffe für Stolberg verrieth; dabei ließ 
fich gleich Die Frage aufwerfen, ob der gegenwärtige Zeit 
punkt der günftige fei, eine Darftellung zu verfuchen, die 


immer und immer wieder an theologifche Discuffionen 


ftreifen muß? Allein gerade diefe Zeit mit ihren „un- 
mäßig wuchernden ?ritifchen und dialektifchen, das Chri⸗ 
ftenthum zernagenden Talenten” flürmt fo fehr auf ihn 
ein, daß er ausruhen will beim Namen Stolberg's, 
in der Erinnerung an einen Mann, „deffen ganze Er- 
fheinung daran mahnt, daß ber Allliebende uns fein 
Ebenbild zumeilen ungetrübter in einzelnen Menfchen 
zeigt”. Wir haben Nichts gegen biefe Art, das Glau⸗ 
bensgefühl zu beſchwichtigen, unter Einflüffen, die es ver- 
legten; wir wollen gegen den Biographen fogar die ge- 
ſetzlichen Anſprüche an ein durchaus objectives Erfaffen 
feines Stoffs nicht geltend machen — und Das nur, weil 
in der Vorrede die Worte: „Wer zur Beruhigung ber 
braufenden, fämpfenden Fluten beizutragen fucht, verrich- 
tet gewißlich eine gute That”, uns wie ein heiliges Ver⸗ 
forechen klingen, welches der Geift der Liebe wol von 
jedem feiner Belenner verlangen darf. Konnten wir in 
aller Unbefangenheit mehr Eonceffionen machen? Harmlos 
fogar, wenn auch mit Kopffhütteln, lafen wir zu Anfang: 
„Nur ein Pfad führt zur Wahrheit ıc. ıc.” Gewohnt, 
um folche Überzeugungen mit Niemanden zu rechten und 
Gewiffensfreiheit im ausgedehnteften Umfange gelten zu 
laffen, verziehen wir felbft die Blasphemie, die in die⸗ 
fen Worten liegt. Denn mas ift es Anderes als Läfle- 
rung des göttlihen Weſens, das den Einzelmenfchen 
und den Bölkern fo verfchiebene Organe gegeben, feiner 
Offenbarung inne zu werden, fo verſchiedene Mittel, nad 
ihm, dem Urquell aller Wahrheit, zu forfchen und ihn 


zu finden, wenn man von bdiefer allumfaffenden Gottheit 
behauptet, fie habe nur eine große Heerftraße zur Er 
fenntniß angelegt ! Da indes folche Vorftellungen noth⸗ 
wendig in der Enge menfchlicher Eigenfucht liegen, fo 
mag man immerhin den Einzelnen wie ganzen Kirchen 
gemeinfchaften die Erelufivverfiherung laffen, das fi 
allein auf‘ diefer Strafe wandeln. . 

So weit ging unfere Nachſicht gegen Auferun- 
gen, die da, wo es fih um Parteiloſigkeit handelt, 
nicht eben das befte Vertrauen einflößen; fo weit unfe 
guter Wille, das Verdienftliche im Vorhaben des Hrn. 
Nicolovius anzuerkennen. Aber er hat und wirklich arg 
getäufcht. Er hat im feierlichen Gewande des Friedens 
mit Worten ber Liebe und Verfühnung eine lange Sal 
baderei eingeleitet, in der kein anderer Geiſtesfunke 
glimmt als jener, aus dem man Haß und Glaubens 
ftreit anfadht. Was half es, daß er mit biographiichem 
Flickwerk das roftige Eifen ummulftete, mit meldem a 
auf Lutherthum und Rationaliften einfliht: — die Epik 
blidt doch durch, fo gut wie die Abficht zu ftechen, zu 
verwunden, und bie lutherifche Religion, diefe ab- 
fheulihe Mutter des „Antichriſtianismus“, zu durchboh⸗ 
ren. Nun, diefe Spige haben wir allerdings nicht zu 
fürchten, denn wie gefagt, fie ift ſtumpf, viel zu fumpf, 
aber die Abficht muß nicht mit ſolchen Infinuationen fih 
an uns herandrängen. Hr. Nicolovius muß nidt weil 
machen wollen, daß er „zur Beruhigung der braufenden, 
fämpfenden Fluten beizutragen ſuche“, während er fo zur 
Unzeit ein volllommenes Gegenftüd ber Voß'ſchen Schrift 
in die Welt binausfchleudert — ein Gegenftüd mit allen 
Fehlern, nur nicht mit den moralifchen Vorzügen de 
felben. Denn Voß hat wenigftens ſehr frei zu bemi- 
fen geftrebt, daß „Fritz Stolberg ein Unfreier game: 
den’, indem er Dies ausdrüdiih auf dem Titel, und 
überall ohne Umſchweif fagt: Hr. Nicolovius aber fe 
müht ſich fehr unfrei (d. h. fehr unaufrichtig) dann 
thun, daß Friedrich Leopold Graf zu Stolberg ein 
Freier geworben, und kündigt Dies mit feinem Ste 
benswörthen an. Indem er den Kirchenwechſel dei 
Mannes zum Hauptthema feiner Demonftrationen malt, 
lodert er alle Beziehungen zur Perſonlichkeit fo auf, da} 
er Spielraum genug gewinnt, ſich mit einer Aufgab 
zu befchäftigen, die eigentlich gar nicht die des Biogta 
phen ift: flatt einer folchen getreu auf bie innern Gründ 
zu dem vielbefprochenen Schritte einzugehen, die im Cha 
rakter Stolberg’s liegen, entfaltet er hauptſaͤchlich dit 
äußern, die in der proteftantifchen und Batholifchen Kirche 
liegen follen, d. 5. er bleibt nicht bei Stolberg's Auf 
faffung der einen wie der andern, er entwidelt bie fe: 
nige, und fpringt von der Vertheidigung zum Angriff 
über. Statt den Religionswechfel des Einzelnen zu er 
klaͤren, verfucht er im Allgemeinen den Übertritt auf dir 
fer Seite zu rechtfertigen. Es ift ein eitles Vorgeben 
oder mindeſtens Selbfttäufhung, wenn er uns glaub 
macht oder wirklich glaubt, als wolle er fiber den Grabe 
Stolberg’s nur einen biographiſchen Denkftein aufrichten, 
an welchem eine erwägfame Nachwelt nicht vorübergeben 





1269 


fann, ohne die Verdienſte bes Todten zu lefen und zu 
würdigen: — eine Kanzel hat er fi darauf errichtet, 
von welcher er bie abgegriffenften Predigten über bie 
alleinfeligmachende Gewalt einer Religionsform berab- 
donnert, die auch von „Millionen Menfchen als bie 
allein folgerehte erfannt wird”, von welder er 
gegen die Derblendung anderer Kirchen eifert, gegen die 
„Advocaten bes Irrthums“ u.f.w. Alles Licht, 
das er über Stolberg's Leben verbreitet, holt er ſich 
vom Leuchtthurm des Katholiciemus, vom päpftlichen 
Gebiete, das ihm der einzige Vaterherd des Chriften- 
thums ift. Da erbliden wir denn den armen Stolberg 
auf den flürmifchen Wellen des Proteftantismus, auf 
welche ihn der Geburtszufall bingeworfen, unter fi) bie 
Abgründe der Bottlofigkeit mit allen moralifchen Unge- 
heuern in ihrer Tiefe, wie er angftvoll umhertreibt 
mit ungeftilltem Heimweh, das ihn um fo mächtiger 
ergreift, wenn er ja einmal das fefte Land berührt — 
nämlich wenn er fih in Rom aufhält und die ganze 
Herrlichfeit des Papſtthums vor ihm aufgeht, wie ihn 
aber fein inneres Verlangen endlich doch in den erfehn- 
ten Hafen bringt, und „der Baum der Erfenntniß zu 
ihm die Aſte herabbeugt”. Das ift die eigentliche Xe- 
benszeichnung von der Hand des Hrn. Nicolovius, Dies 
im Ganzen bie Umtriffe feiner biographifchen Charafteri- 
fit, die freilich in einer fo ercurforifchen, Thatfachen und 
Raiſonnements ineinander wirtenden Darftellung überall 


verſchwimmen. 
{Der Beſchluß folgt.) 





The literature of American local history; a biblio- 
graphical essay by Hermann ER. Ludewig. Gr. 8. 
Neuyork 1846. *) 

Es gereicht uns zu einer wahren Freude, die Aufmerkſam⸗ 
keit der deutfchen Bibliophilen und übeshaupt eines jeden Li⸗ 
teraturfreundes für eine bibliographifche Arbeit in Anfpruch zu 
nehmen, die fchon als die erfte derartige amerikaniſche Erſchei⸗ 
nung von hohem Intereffe fein würde, auch wenn fie nicht Durch 
ihre NReichhaltigfeit und ſachkundige Unordnung die Gruͤndlich⸗ 
teit wie die bekannte Unermüdlichkeit der Korfhungen unfers 
gelehrten Landsmanns auf das glängendfte bethätigte. 

Wenn man bedentt, daß dem Berf. Peine Vorarbeiten irgend 
einer Art zur Benugung zu Gebote ftanden; daß er alle Bü: 
der, die in feinem Kataloge aufgeführt find, in den durch die 
weite Union gerftreuten größern und kleinern öffentlichen und 
Privatbibliotheken felbft hat aufſuchen müflen, um zur Kennt 
niß derfelben zu gelangen ; wenn man ferner der großen Schwies 
rigkeiten und des nicht unbedeutenden Koftenaufiwandes einer 
folhen Nachfpürung gedenkt: fo wird man durch bie reichen 
Ergebniffe diefer derfungen mit wahrem @taunen erfüllt. 
Der Berf. befhrändt den Plan diefer eriten amerikaniſchen Bi: 
bliographie auf daB Gebiet der Geſchichte der einzelnen Staa: 
ten, Graffchaften und Städte, indem er, wie es fcheint, von 
dem richtigen Geflchtöpunfte ausgeht, daß bei dem wachlenden 
Intereffe für Amerika und amerifanifche Verhaͤltniſſe bei dem 
Europäer zuerſt der Wunſch rege werden müßte, die Quellen 
der Befchichte des jungen Landes zu kennen. Auf die Wichtig: 
keit derfelben weift der Verf. in der ausführlichen Einleitung 
him, mit welcher er fein Buch eröffnet und durch Die er, ebenfo 


2) Das Werl kann von Brockhaus und Avenarius in Leipzig 
für den Preid von 2 Thlrn. bezogen werben. 


geiſtreich als beißend ſatiriſch, eine Parallele zwifchen demokra⸗ 
tiſcher und ariftofratiicher Verfaſſung zieht und die auf ameri⸗ 
kaniſchem Boden erft ganz erfenntlihen großen Seiten ber 
erftern bervorhebt. „Wem daran liegt”, fagt er, „ſich von 
ihren großen Verdienſten vollftändig zu überzeugen, der leſe 
die Geichichte des Landes, wo die Demokratie ihre größten 
Zriumpbe gefeiert hat, und erfahre aus der Gefchichte ihres 
Entftehens und ihrer Entwidelung in den Vereinigten Staaten, 
daß ihre Bedeutung ſtets mit ihrer Reinheit gleichen Schritt 
alten muß und daß ihre Beitimmung bald die Weltgefchichte 
en wird.‘ 

‚Guropa hat oft mit einer Art von affectirtem Mitleid in 
Zweifel gezogen, daß eine amerikaniſche Literatur überhaupt exi⸗ 
fire. Der Berf. ſtellt die Unrichtigkeit einer folhen Annahme au: 
genfällig heraus, indem er fie auf ihren Urfprung zurüdführt, 
der in vielen Fällen Böswilligkeit ift, in andern aber Mangel 
an Ausdauer und Sacverftändniß bei literarifchen Studien in 
Amerika, wo das einer jungen Nation nothwendige praßtifche 
Gntwidelungsftreben zur dauernden Feitftellung ihrer Eriftenz 
bis jegt noch nicht zur vollftändigen Ausbildung jencr inteller 
tuellen Heerſtraßen Zeit genug gelaflen hut, die in Geftalt von 
ganz vollftändigen Bibliotheken und unendlichem bibliographi- 
ſchen und literarhiftorifhen Apparat dem wißbegierigen Litera⸗ 
turforfher in Europa den Weg zu feinem Ziele ebenfo ange: 
nehm als leicht machen. Die vorliegende bibliographiiche Ar» 
beit, die fih übrigens felbft jedes Anſpruchs au Volftändig: 
feit begibt, liefert den beften Beweis Davon, wie viel im jungen 
Amerika zur Gründung einer Literatur gefchehen ift, indem fie 
und in der ſyſtematiſchen Ordnung, deren wir gleich erwähnen 
werden, auf 180 DOctavfeiten eine Aufzählung derjenigen Werke 
zur amerikaniſchen Localgefchichte ausfchließli gibt, die wirklich 
im Gebiete der Vereinigten Staaten erfchienen find, und die 
naͤmlich der Berf. in dem kurzen Zeitraum von zwei Jahren 
hat auffpüren koͤnnen. Er theilt die allgemeinern Werke, die 
ſich auf mehre benachbarte Staaten beziehen und die Verhand⸗ 
lungen von biftorifhen Vereinen, fowie einige Eritifhe Drgane, 
auf die im Kataloge hingewieſen ift, in drei Abtheilungen, bie 
er den Werken über Die einzelnen Staaten vorausſchickt. Die 
legtern unterfcheidet er wiederum als 1) Gefchichte der Stan: 
ten und 2) Gefchichte der Grafſchaften, Städte u. ſ. w. und 
reiht die legtern in alphabetifcher Drdnung den auf den ganzen 
Staat bezüglihen Werken an. Wir finden demnach zuerft: 

Hiftorifhe Sammelwerke, Verhandlungen ıc. 22 Artikel 
Reuengland . >» > 2 2 2 2 7555 ⸗ 

Der Velen . » 2 2 2 2 2 49 
Hierzu di Anhang die mehr beifetriftifchen 

Erſcheinungen über Land und Leben im 

Beten. > > 2 re. s 
Dann folgen die Einzelftaaten, mit den Unterabtheilungen der 
Grafſchaften und Stadte, als 


Staat Städte xc. 

Alabama 4 Artikel 1 Artikel 
Klanfb . . > 2 2020. 4 — — 
Columbiaea..... di : 6 =: 
Sonnectiut - >» 2 2222.90 : 2 5 
Delaware -» » 2 22. 14 : 2 : 
Klorida BB 5 — “ 
Georgia nn HM ⸗ _ — 
Illinois 2 22.2.2. DD ©: l : 
Indiana er 5 ⸗ — 
Joway .. 3 — — . 
Kentucky 14 3 2 & 
Luifiana .. .18 s 4 : 
Maine 22.2... 132 : 25 > 
Maryland .. 3 : 9, 
affahufettB . - - - .. 4 - 26 : 
er die Grafſchaften allein niech — : 3 : 
Michigan .. 7 € — 3 


PT Su 





Staat Staͤdte ıc. 

uri A a Rn Urtikel Artikel 
Reuhampſhirer.. os 2: 
Über die Grafſchaften allein nd —— = 9 - 
Buify - - 2... 18 > 8 : 
euyor? |. ⸗ 2 : 
Über die Grafſchaften allein noch — > 9 - 
Über die Kanäle de Stadt . — 8 - 
Kordearolinn - -» . . . 8 » — ⸗ 
Di 222 BB: 4» 
Pennſylvanien ..... 36 ⸗ 9 : 
ode » Island 14 — B = 
Sütrarolinn 3 > h ⸗ 
Jemneſſee 6 - I. 
Ira RR : — “ 
Vermont .. 10 : 3 ⸗ 
Birginien ... en 42 ⸗ 9 z 
WBishft - - » 20.09 —_ ⸗ 

Endlich folgt noch ein Anhang über 

Dregon, Welfengebirge und den fernen Welten 19 Artikel 
Die ameritanifhen Entdellungserpeditionen . 18 > 
Reifen zu Waffer und zu Lande . ... 24⸗— 


Wir glauben, daß ein Blick auf dieſe Liſte genuͤgen wird, 
um den Literaturforſcher don dem Werthe der uns vorliegenden 
Arbeit au überzeugen. Sie hat wie wir hören in Amerifa bie 
Aufmerkfamleit der ganzen gelehrten Welt auf fi) gezogen und 
viele biftorifche Geſellſchaften haben den Verf. zum Ehrenmit: 
gliede ernannt. Wir fügen noch hinzu, daS das 
feiner ftrengen bibliographiſchen Genauigkeit zugleich durch eine 
außerordentlih geſchmackvolle äußere Ausftattung auszeichnet, 
und wünfhen, daß die Arbeit überall einen Anklang finden 
möge, welcher der augenfcheinlich auf Diefelbe verwandten Brühe 


entſpricht. 





Sibliographie. 


Bechaji bar Joſef, R., Syſtem der Moral. Nach der 
von Jehuda Ibn-Tibbon aus dem Xrabifchen gefertigten 
Überfegung nebft einem kurzen Kommentar herausgegeben. Mit 
einer Einleitung und Kragmenten der 3. Kimchi'ſchen Über: 
— vermehrt von A. Jellinek. Leipzig, Fritzſche. 16. 

r. 


Belani, H. E. R., Conſtantine. — Das Geheimniß. 
Zwei Novellen. Leipzig, Fritzſche. 18417. 8. 1Thlr. 7, Nor. 

Bibliothef — *2 Novellen. Herausgegeben von W. 
N. Stehling. lſter Jahrgang. iſtes bis Ites Heft: Der 
Freiſchaͤrler, oder Folgen einer gemiſchten Ehe. Novelle aus 
der jüngften Zeit. Neuß, Schwann. 8. 12 Nor. 

Bouverot, 2. de, Merfivürdige und wunderbare Pro⸗ 
phezelungen des Bruders Hermann von Lehnin, enthaltend die 
Schickſale bes Hauſes Brandenburg, der katholiſchen und evan⸗ 
. gelifchen Kirchen des Erdenrunds, des deutfchen Bundes und 
päpftlihen Stuhles, nebft Aufruf an alle Souveraine Deutfch: 
lands, Se. Maj. den König Friedrih Wilhelm IV. von Preu- 
Sen zum Oberhaupt des deutfchen Landes, unter dem Zitel Kö: 
nigs von Germanien einzufegen, fobald er zum Katholizismus 
übergegangen fein wird. Aus dem Franzöfifchen mit einer Ein: 
leitung. Grimma, Berlagscompteir. Kl. 8. 1 Thlr. 15 Nor. 

Cottrell, C. H., Sibirien. Rah feiner Naturbefchaf: 
fenheit, feinen gefellfchafttichen und politifchen Verhaͤltniſſen und 
als Strafeolonie gefhildert. Aus dem Englifchen uberfegt und 
mit Anmerkungen begleitet von M. B. Lindau. Zwei heile. 
Dresden, Arnold. 2 Ihle. 15 Nor. 

Dreßler, 3. G., Beneke oder die Seelenlehre als Na⸗ 
turwiſſenſchaft. Freimüthige Beleuchtung der von ihm entdeck⸗ 
ten Naturgeſetze, welche in der menſchlichen Seele walten und 





erk ſich neben 


deren Entwidtung beherrſchen. ter Theil. Baugen, Reihe 
& 1Xhlr. 10 gr 
Ficker, C. G., Die Zweifler im neuem Zeftamente (ka: 
thanael, Thomas, Johannes der Zäufer und Pilatut) oder Um 
terricht des goͤttiichen Wortes über religiäfe Zweifel. Beimig, 
Gebhasdt und Reisland. Er. 8. 8 Nur. 

Sothaifcher genealogifher Hof-Kalender auf das I. IMT, 
Säfter Jahrgang. Gotha, 3. Perthes. 16. 1 Ihe. 

Humboldt’s, W. v., gesammelte Werke. ter Band. 
Berlin, Reimer. Er. 8. 2 Thir. 16 Ner 

Sordan, &., Wanderungen aus meinem Gefängnifie am 
Ende des Sommers und im erbfe 1839. Frankfurt a. M, 
Meidinger. Gr. 8. 1 Ahle. 22%, Ror. 

Löw zu Steinfurth, W. Freih., Hiſtoriſch⸗artiſtiſche Brick, 
eſchrieben während einer Reife nah Rom. BDarmftadt, Reök. 
dr. 8. 1 Thir. 5 Nor. 

Meißner, H A., Gpeciolgerichte für umfere Fabrilge 
werbe. Leipzig, Brodhaus. Gr. 3. 28 Rear. 

Murhard, F., Nouveau recueil general de traites, 
conventions et autres transactions remarquables, serrant ä 
la connaissance des relations étrangères des pnissances ed 
etats dans leurs rapports mutuels. Continuation du grasl 
Recueil de feu M. de Mertens. Tome IV. Suppltmem 
aux tomes anterieurs. 1817—1842. Gotsingue, Diecteric. 
Gr. 8. 3 Thir. 22%, Ngr. 

Steiger, 8, Dem Herrn ein neues Lied. Religiik 
Gedichte. St.Gallen, Scheitlin und Sollikofer.. 8. 20 Rar. 

Steub, 2, Drei Sommer in Tirol. Minen, kitere 
vifch-artiftifche Anftalt. Gr. 5. 2 Thlr. 16 Rgr. M 

Storch, 2., Ein deutfcher Leinweber. Zeit: und Leben 
bilder aus der erften Hälfte des 16. Sahrhunderts. Ifte W 
theilung: Philipp von Oſterreich. Roman in drei heilen. 
(d. Die fehöne Kaufmannsfrau von Antwerpen. IL Die Re 
F Spanien. IN. Die Königskrone.) Leipzig, Weber. 8 

r. 


Thumann, C., Die Beſtandtheile des Menſchen und ihr 
Verhältniß zu einander nach der Lehre der katholiſchen Kirk. 
Bamberg, Büberlein. Gr. 8. 1 Ahir. 

Wilfartd, I. G., Goangelifches Kisht und Net. In 
drei Abtheilungen, enthaltend die Dreieinigleitslcehre, die Ki 
fungs: und Genugthuungslehre, fo wie die Erbfündelchre und 
das Recht der Glaubens, Gewiſſens⸗ und Lehrfreiheit. Bram: 
ſchweig, Rademacher. Gr. 8. 2 Ihr. 15 Nor. 


Zagesliteratur. 


Briefe eines alten Zeitungsfchreibers über das Repräke: 

sativfpftem und die preußifhe Verfaffung. Königsberg. Gr-I 
& gr. 

Demokratie oder Bureaukratic, Preßfreiheit oder Gen. 
Zwei Beitfragen, beantwortet von einem Staatsdiener. No 
haufen, Körftemann. Gr. 8. 6 Rer. 

Gerold, H., Be- oder emp-fohlener Studienplas fü 
Mediziner. Nebst einem Anhange, betreffend einige dir 
dien-Objecte. Zur Reform der Medizinalverfassung Press 
sens. Magdeburg, Rubach. Gr. 8. 5 Neger. 

Kunge, E. Ein Brand, aus dem Feuer gerettet. Pre 
digt mit Beziehung auf den hingerichteten Waurergefellen Klebe 
Berlin, Beihge. 8. 2", Rar. 

— — &urze Überfiht der wichtigſten Ereigniſſe auf dem 
Miffionsgebiete im Sabre 1845. Berlin, Bethge. Gr. 3 


BE. F 
Pätſch, 9. F. W., Das Schwert des Herrn. Zulguf 
an die Gebildeten unter den evangelifchen Chriſten zur Berich 
tigung des Urtheild über die kirchlichen Bewegungen br Sr 
genwart. Berlin, Amelang. Gr. 8. 5 Ar. 
Sad, K. H., Betrachtungen über bie kirchlichen Kichtun 
gen der Gegenwart. Berlin, Bethge. Gr. 8. 3 Nr. 


— — 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdaus. — Druck und Berlag von F. WE. Drocchang In Beipsie- 

















Blätter 


für | | 


iterariſche Unterhaltung. 





Donnerstag, 


(Beſchlus aus Nr. 315.) 


S. 49 wirb Stolberg „von ber Nothwenbigkeit ei- 
e von Gott gegründeten und geleiteten 


iche annähernd überzeugt”. S. 55: 

Je mehr Stolberg die Meinungen feiner individuellen Ver⸗ 
nft, den Stolz des Verſtandes dem Anfehen der von Chri⸗ 
16 geftifteten Kirche, der Xrägerin und Bewahre: 
n des Heil, welder der Herr feinen Beiftand bis an 
8 Ende der Tage verbeißen hat, unterwarf; je größer Die 
ahl der Strahlen (melde aftronomifhe Genauigkeit in 
fer bilderreichen Redeweife!) des wahren Lichtes wurde, 
Ihe jeine Vernunft erleudhteten; je mehr er den Frieden 
ıpfand, der über alle Vernunft ift, defto mehr fühlte er fein 
müth dem Katholicismus zgugewendet u. f. w. 

©. 66: 

‚ Stolberg und jeine Gemahlin waren Unterthanen bes 
iches, deſſen Regent Ehriftus ift, und das Kreuz, an wel: 
n der Heiland hing, war ihre Zreft und ihre Hoffnung. 


8 wenige Wefenhbafte und Haltbare in der innern Grund⸗ 


e der proteftantifchen Lehrentwidelung ; die voneinander we- 
Hi abweichenden, nicht felten ſich entgegenftehenden An⸗ 
ten über die Grundartikel des chriftlichen Glaubens, welche, 
er dem gemeinfchaftlihen Namen des Proteftantitmus zu⸗ 
mengefaßt werden; die entzmeite Wiſſenſchaft der Proteſtan⸗ 
und der Kampf ihrer theologifchen Spfteme waren nicht 
Stande, ihnen den fihern Frieden ihrer Seele zu gewäh: 
‚ nach defien Erreihung ein inneres Gefühl des Verlangens 
waufhörlich antrieb. Diefes Gefüht leitete fie immer aufs 
e zu einer ernften und gewiflenhaften Prüfung der Borur: 
le ihrer Kindheit und Erziehung. Indem fie ohne vorge⸗ 
e Meinung in die Gefchichte zurüdblidten, fanden fie aber 
beißerfehnte Gewißheit ihres Glaubens weher bei 
n Urheber deffelben noch bei deffen Schülern. 
ihrem Herzen ertönte der Zuruf des Herrn: Wehe den 
tihten Propheten, die ihrem eigenen Geifte fol: 
! Und je ftrenger. fie die Einwürfe ihrer Glaubensgegner 
tfudhten,. defto Lebhafter wurden ihre Zweifel an dem apo⸗ 
iihen Herkommen der lutherifhen Religion, 
Gebärerin eines völligen Antihriftianismus. 
borchten auf den Ruf der Kirche, welcher der Herr bis 
a8 Ende der Zeit den untrüglichen Beiftand des göttlichen 
les, der alle Wahrheit lehren wird, verheißen hat. Sie 
sten fi) der wahren Kirche Chrifti, die ale Bewahre⸗ 
dee Heiligen Schrift und der von den Apoſteln anererbten 
tion nur ſolche Glaubenslehren geftattet, welche mit 
ift und Tradition, die, vom Heiligen Geiſte ſtammend, ein: 
vr auslegen, übereinflimmen. 
S. 70: . 
Bergeblih fragte er, wodurch denn Luther, der von fü 


— Rt. 316. — 


12. Rovember 1846, 








ſelbſt zeugte, daß er ein außerordentlicher Gefantter Gottes 
fei, diefe feine höhere Sendung bekräftigt habe: umfonft fah- 
fih Stolberg nad einem Beweife um, daß Luther, der feine 
Hände in Blut wufd, ausgefendet worden wie die Jün⸗ 
ger von ihrem Herrn. Mit gefteigertem Erftaunen lernte er 
Luther's Widerfprüche in Reden und Handlungen, Defien Hoch⸗ 
muth und unreine Gedanken näher Eennen. 

Ich will nicht fagen: Eheu, jam satis — Das haben 
mir die Mecenfenten verleideti ber gewiß, ich brauche 
nicht Mehr abzufchreiben. Ich ann reblich verfichern, 
daß in dem Geiſte, der aus dieſen Stellen ſpricht, das 
ganze Büchlein gefchrieben ift, und wer wird mir nun 
nicht gern Die Mühe erlaffen, Dies auf jeder Seite nad- 
zuweifen, alle gefchichtliche und theologiſche Sophiftereien 
aufzuzählen, mit denen Hr. Nicolevius dergleihen Säge 
zu erklären und näher zu begründen: fucht! Sie kommen 
jedenfalls fehr zeitgemäß in einer Periode, in der felbft 
auf dem päpftlichen Throne ein edelgefinnter Graf Maftai- 
Gerretti die Nothwendigkeit einfieht, auf: andere 
Weife als feine Borgänger, die „Päpfte von gutem Wil- 
(en und ernftem Beftreben“, feine apoftolifihe Sen⸗ 
dung zu befräftigen! Das zufammengewürfelte Ma⸗ 
terial hat den Perf. zwar auch in lächerliche Wider⸗ 
fprühe und fromme Sneonfequenzen hineingebracht: — 
aber was Fönnte Dies der fenerfeften Logik des Zelotis- 
mus anhaben? Wüßte ich, daß man diefelbe durch 
Fragen, auf die fich keine vernünftige Antwort geben 
läßt, in die Enge treibt, fo würde ich den Hru. Pro⸗ 
feffor 3. B. folgende vorlegen: Wie konnte eine fo „vor- 
urtheilsvolle Erziehung” (&. 66) eine „teeffliche, mit wei- 
jee Sorgfalt geleitete fein, auf. welche die Macht der Reli- 
gien ihren wohlthätigen Einfluß ausübte” (S. ı)? Wir 
fonnten Stolberg's Altern, eifrige Proteftanten, in der „Er- 
kenntniß der Heildwahrheiten Fortfchritte machen‘ (S. 1)? 
Welches war denn der fefte Grund in der „fprubelnden 
Woge des Proteftantismus” (&. -59), auf dem fi 
Klöpftod, „ber Sänger ber Religion“, was Hr. Nicolo- 
vius felbft erwähnt, und Andregs Kramer, „ber berühmte. 
Kanzelredner”, aber auch der Sänger Ruther’s, mas Hr. 
Nicolevius freilich nicht erwähnt, und Bernflorff und ſo 
viele Andere, deren nähern oder fernern Einfluß auf Stol- 
berg deren Anerkennung, Lehre, Freundfchafts- und Ver⸗ 
wandtfchaftsbeziehungen der Biograph mit ſolchem Stolze 
bervorhebt, auf dem, fage ich, folhe Männer fih zu hal⸗ 
ten vermochten, und „die heißerfehnte Gewißheit ihres Glau⸗ 





1982 . 


bens fanden”? Warum nimmt ber berebte Sachwalter bes 
Katholiciemus Ausfprühe, in denen Zabel oder nur 
eine Billigung des Stolberg’fchen Übertritts liegt, mit 
Verachtung oder hoͤchſtens mit einem mitleidigen Lächeln 
auf, felbft wenn fie won „den Gefeiertfien ber Nation“ 


herrühren, und wenn fie auch ſo mild klingen wie beidem | . 


liebreihen Jean Paul und Herder — während er fi) 
andererfeits, wo e8 gilt zu beweifen, daß „die Proteftan- 


ten ihrem Geiſte nach Republitaner feien” (horribile 


dietu!), auf Außerungen flügt wie die des berüchtigten 
Ignatius Aurelius Feßler, der fo wahrhaft jefwitifch in 
jede Kirche hinübergriff, den die Helldenker von fi) 
weifen und die Hengftenberg'fche Zeitung an den Pranger 
ſtellte — oder auf die Friedrich's des Großen, der gerade 


dieſe proteftantifhen Republikaner fo gut mit fei- 


ner ſoldatesken Fuchtel regierte, der, ſelbſt ein Hyper⸗ 
proteftant (im Sinne des Hrn. Nicolovius), weit weni- 
ger .Republitaner mar als der Sohn Maria Therefia's, 
der im Fatholifhen Glauben erzogen? Warum.... doc 
ig weiß ia, daß alle diefe Fragen nuplos find, und daß 
fie den Hrn. Profeſſor in gar feine Verlegenheit brin- 
gen. Die fonfligen Eigenthümlichleiten feiner Darſtel⸗ 
lung find nicht der Mede werth. Wie veizlos, dürftig 
umd phraſenwimmelnd diefe Schrift vom äfthetifchen Ge⸗ 
ſichtspunkte aus erfcheint, habe ich glei anfangs be- 
merkt. Die Floskeln religisspoetifchen Stils, mit denen 
er uns überfchüttet, find oft fo wohlfeiler Sorte, daß 
man noch in Zweifel fein muß, ob fie auch jedesmal 
ans dem Sepkaften der Kanzelchetorit zuſammengeleſen, 
und nicht vielmehr von der Muſterkarte gewiſſer Fami⸗ 
lienanzeigen abgezeichnet find, die fich in ben Intelligenz. 
blättern findet. Selbft ein Begebniß, bay in dem Leben 
eines Mannes von fo bebeutfamer öffentlicher Stellung 
mit: zwei Werten fih erwähnen ließ, ben Tod „des 
fleinen in Neapel geborenen Töchterchens Sibylle”, beu- 
tet der vedfelige Verf. zu erbaulicher Betrachtung aus: 
„Fuͤr kurze Leiden genoß fie nun ale Lohn, der Unſchuld 
ewige Freuden (warum hat Hr. Nicolovius dies nicht 
in Verſe gebracht?), mährend der Altern Grdenmühen 
und Sorgen barrten“. Dergleichen wieberholt ſich un⸗ 
zählige male, doch wollen wir es aus mehr ald einer 
Ruͤckſicht nicht zum Grgögen der Lefer anführen. Damit 
mag fi übrigens der Hr. Profeſſor eine tüchtige betſchwe 
ſterliche Phalanx anwerben, die ihn bei fernern theologi⸗ 
ſchen Erpeditionen unterflügen kann. Biel: Gluck dazu! 
Wir aber unſererſeits konnten biefe öffentliche Zu⸗ 
rechtweiſung nicht unterlaffen, weil, aufrichtig gefagt, bie 
Dfientation eines perfönlihen Antheils für Stolberg und 
in dem vorliegenden alle nicht weniger als ein Mis⸗ 
brauch ber Pietaͤt erfcheint, wie bie Öftenfation der Liebe 
in unduldfamen Bekchrangseifer ein Misbrauch der Lehre 
iſt. Hr. Nicolevius hat den Manen Gtolberg’s, 

he ex fo hoch verehrt, einen ſpottſchlechten Dienfi ge- 


Bilden Motfſohn. 


mittelbe 
ſta 
ſei, Ri 


Pſychiſche Geſundheit und Irreſein in ihren Übergänge. 
Ein Berfuh zur nähern Ergründung zweifelhaft 
Seelenzuftände für Criminaliften und Gerichteigt 
von Karl Hohnbaum. Berlin, Reime. 13%. 
Gr. 8. 25 Nur. 0 


Einen Berfuc, zur Ergründung und Entſcheidung deln 
theil& über zweifelhafte Seelenzuftande, eine Anleitung ız 
Aufitellung und Rormirung der Beftimmungsgründe, eine En: 
widelung der dabei zu beobachtenden Grundſaͤtze und ihre x: 
gemeffenen Anwendung liefert die vorliegende Schrift kind. 
wegs, Dagegen eine reichhaltige Lefe und Zufammenftelung en 
Erfahrungen, die es anfchaulich machen, daß die Wefen, we: 
Menfhen genannt werden, nicht bloß durch den Misbrust 

zeiheit, ober, eigentticher geſprowen, ihrer Wilkir, ir 
bern weit häufiger noch durch die Befchaffenheit und dm % 
ftand thres Seins und Weſens zu Entfchließungen und Has 
lungen vermocht werden, durch die fie fi Misbilligung, Ir 
achtung, Schande und Beftrafung zuziehen, obgleich jie mh 
oder weniger unmwillfürlich dazu gefommen find. Denn Arab 
it an fih ein Begriff, der jede Verneinung oder Unvolke 
menbeit ausfchließt, wie Weisheit, Liebe, Güto; er fälle 


1283 


Beſtimmemgen vergieiggen Bonnie? Gin Mehres iſt mit er⸗ 
ſoderlich, * ber Griminaliſt überfchreitet daher mit jedem 
Schritte weiterer Nachforſchung und Belümmerniß um Dinge, 
die feinen Beruf nitpt weiter angeben, die Grenzen beflelben. 
Kun beſteht die Muͤndigkeit aber eben in ber bürgerlichen An⸗ 
erkennung der Faͤhigkeit die Rerkmale der bürgerlihen Hand» 
lungen zu erkennen, biefelden den gefeglihen Beſtimmungen 
unterzuordnen und fi danach felber zu befiimmen. Bon jes 
dem mündigen Menſchen gilt hiernach die Bermuthung des Be⸗ 
der dierzu erfoderlichen Preiheit; dad Gegentheil muß 
erwiefen und darf ohne Beweis nicht zugelaffen werden. 
aus ergibt fih ganz von felbft die erfte Regel für die 
Praxis, weiche aber von Eriminaliften und Gerichtsärgten lange 
nicht genug beberzigt worden if: Die bloße Möglichkeit einer 
Abweſenheit der Freiheit if! gar nicht in Betrachtung zu zie⸗ 
ben noch darauf irgend einzugeben, fondern es müfien be⸗ 
fliuımte Thatſachen und Umftande obwalten und thatfächlidh 
nachgewieſen fein, welche eine Anzeige enthalten, daB zur Zeit 
der Entſchließgung die Seele ihrer nicht mächtig, in einem Zu» 
flande von Unfreibeit gemefen fei, der die Zurechnung aus⸗ 
fließt. Ebenfo wenig muß bei der weitern Ermittelung und 
Beurtheilung folcher Unzeigen durch die gerichtlichen Arzte auf 
bloße Möglichkeiten und deren unabfehbare Menge eingegan- 
gen, fondern dad ganze Verfahren nur darauf gerichtet wer⸗ 
den, ob und mit welchem Grade der Gewißheit aus ben ermit- 
telten Thatſachen die Behauptung fih rechtfertigt, daß die 
Entſchließgung ohne Freiheit gefaßt worden fe. Daß hierbei 
alle Thatſachen und Umflände ins Licht zu ftellen find, auf 
welche die verdäcdtigenden Unzeigen binweifen und welche de⸗ 
ren Beichaffenheit aufklären, verftebt ſich ebenfo von ſelbſt als 
daß ohne ſolche Hinweifung auf blos leere Vermuthungen und 
bioße Möglichkeiten hin eine Unterfuchungen anzuftelen oder 
auszudehnen find. Der Berf., welcher allzu fehr der ängftlichen 
Beſorgniß Raum gegeben hat, daß in vielen Fällen Leute mit 
Strafen belegt werden, welche nur als Geiſteskranke in eine 
Heilanftalt hatten gebracht werden follen, und der deshalb mit 
feinen Beobachtungen bis auf die entfernteften Anlagen zu Gei⸗ 
esverirrungen zurüdgeht und deren Beachtung in den zu fuͤh⸗ 
renden Unterfuchungen erheiſcht, hat es felbft gefühlt, daß Dies 
u weit gegangen fei, indem er befennt (©. 8): „daß er mit 
Teinen Betrachtungen der gerichtlichen Medicin keinen Vorſchub 
leiſte, indem er, amftatt ihre Competenz in Beurtheilung zwei: 
felhafter Seelenzuſtaͤnde fefter gu begründen, noch ihre ſchwa⸗ 
Gen Seiten aufdecke, ihren Beruf höher ftelle und jte mit 
Schwierigkeiten und Zweifeln belafte, die man überficht, weil 
man das Franke Seelenieben noch nicht in allen feinen moͤgli⸗ 
den Bergweigungen verfolgt und die Grenze noch nicht genau 
beſtimmt bat, die ed von dem gefunden ſcheidet“. 

&r verwahrt fih zwar hierbei dagegen: „Daß man feinen 
Beftrebungen nicht Die Abficht unterlege, verbrecheriſchen Hand⸗ 
lungen den Mantel chriftlicder Liebe umbängen und fie auf 
Mehnung Pranfhafter Seelenzuftände fegen zu wollen‘; allein 
indem er feine Betrachtungen felbft nur darauf beſchränkt hat 
(8.7): „zu zeigen, daB es Seelenzuftände gebe, die den krank⸗ 
haften fo nahe ftehen, daß es oft ſeht ſchwierig iſt, Seelen⸗ 
krankheit und eeiempefunbbeit zu unterfeiden, und insbeſon⸗ 
dere diejenigen Pranfen Zuftände nachzuweiſen, in denen die 

nntniß ſchwer, der Irrthum leicht und deshalb forgfältige 
Borſicht nöthig ift”, Hat er unterlafien, was zu willen von 
dem erheblichſten Belange ift, wie er ſelbſt anführt: „bie 
Grenzen zwifgen Seelengefundheit und Seelenkrankheit ge 
nauer zu beflimmen” und dadurch die Dberfäge der darüber 
abzugebenden Gutachten und Urtheile feftzuftellen.. Er hat nur 
Die unendlihen Schwierigkeiten diefer Aufgabe noch mehr an 
den Tag gelegt, aber zur Löfung derfelben nur hin und wieder 
Durch eingeftreute Bemerkungen mitgewirkt, meiftens es bei 
der Aufdelung jener bemenden laſſend. Auch dafür, daß Dies 
aus reicher Erfahrung oder Sammlung von Beobachtungen An- 
Derer und mit unve barer Sachkenntniß gefchehen if}, ver: 


‘ 


dient ber Burf. fi n Unerkermung und Dank. In einer Er⸗ 
faheungswiffen | 
und bleiben muß, wenn fie fih nicht zu einer Kenntniß um- 


fhaffen will, die Geſundheit und daß eben methodifh amd 


mati fährden und ören, thut es zunä 
—*— , N en der Erfahrungen zu ehren AAN 


u 
fihtlich zu ordnen, damit die Reflerion Voraus gemwährleiftete 
Saͤtze abnehme. „So verlohnt es ſich denn allerdings der 
Mühe (©. 14), alle von der Rorm abweichende Erſcheinun⸗ 
en ded Seelenlebens, welche entweder ſchon dem Gebiete der 

eifteßfkörungen angehören oder doch ‚mehr oder weniger daran 
grenzen und darein übergehen oder die Grundlage dazu abge 
en, näher ind Auge zu fallen. Allein, indem der Berf. 
Died oder wenigftens dazu einen gewiß fihägbaren Beitrag zu 
liefern unternahm, hätte et genauer fi darüber befinnen und 


beftimmen folen, ob er zunaͤchſt für die pſychiſche Heilkunde, - 


oder für den gerichtlich -technifchen Beruf der Urzte (Medicine 
forensie) zu arbeiten ſich vorfegen wolle. Er würde damit den 
falfchen Anſchein vermieden haben, daß ungeachtet er ſich mei- 
ſtentheils an den Gerichtsarzt wendet, doch es hauptfächlich der 
pſychiſche Heilkuͤnſtier tft, welcher aus diefer Sammlung und 
Beleuhtung von Erfahrungen Ausbeute ‚erhält. Für Iemen 
reift Die Frucht nur mittelbar, infofern er eben in der Heilfunde 
bewandert fein muß, um davon Anwendung machen zu Fönnen. 

Roh eine andere Unbeftimmtheit ift eine Folge diefer Nicht: 
unterfcheidung geweſen, die Unbeftimmtheit des Ausdrude: 
Seelen» oder Geiftesfrankheit. Mit nichten ift dieſer legte 
Ausdruck ganz und gar zu verwerfen. Sobald es Geifter gibt, 
die nicht weit fie find aus fich ſelbſt vollkommen find, fondern 
ausgeftattet mit cinem beftimmten Maße von Anlagen, Vermögen 
und Kräften, welche fich wechfelfeitig bedingen und der Ausbildung, 
Zus oder Abnahme fähig find, muß aud für ihren Lebensverlauf 
ein regelmäßiger oder unregelmäßiger Gang möglich fein, welcher 
legtere nicht blos Krankheit erzeugt, fondern felbft ſchon ift. 
Auch laſſen fich Geiſt und Seele nicht als verſchiedene Wefen 
unterfcheiden, fondern nur als Gegenftand verfchiedener Be⸗ 
trachtungen deffelben Wefens. Gin endlicher Geift ift die 
Seele desjenigen Leibes, der zunäcft ihre Behaufung im Reiche 
des Sinnlihen ausmacht und ohne welchen fie nicht fein Fann, 
weil fie eben nicht unendlich, cin durch fich felbft und in fich 
fetbft beſtehendet Geiſt if. Der Geift in feiner Verbindung 
und Wechſelwirkung mit dem Leibe wird Seele genannt, woher 
ed denn unvermeidlich ift, daß alle pſychiſchen Vorgänge von 
mehr oder minder bemerkbaren fomatifden Erſcheinungen im 
Körper begleitet find, und umgekehrt Teiblihe Vorfallenheiten 
auf die Gefundheit des Geiſtes unabweisliden Einfluß üben. 
Es läuft mithin auf Eins hinaus, Geiſtes- oder Seelenkrank⸗ 
beiten zu fagen. Rum ift es ausgemadt: „daß, ſowie fi 
Beine abfolute Geſundheit des Leibes vorfinden läßt, ebenfo 
wenig der Seele,” indem dort wie bier die Thaͤtigkeit eines 
Drgans oder eines Syſtems gegen die übrigen entweder zu: 
rüdtritt ober fie überholt” (S. 172). Schon in dem Dafein 
einer Seele Liegt die Rothwendigkeit der Unvolllommenheit, 
alfo eines Mangels vollfommenen Seins und Lebens, ſich felbft 
maßgebender Bethätigung. Jeder Zehler, jede Berfündigung, 
jedes Verbrechen gibt Zeugniß davon, daß ein Krankheitsgu: 
ftand vorhanden ſei, in welchem und vermöge deffen die Ent: 
fhließung dazu nur zu Stande kommen Ponnte, fei e8, daß 
das Erkenntniß⸗ ober das Willensvermögen die Schuld davon 
trägt, oder vielleicht beide zufammen. in Geift von der Voll⸗ 
kommenheit, daß er Feine unrichtige Vorftellung faffen und fi 
von den feſten Marimen feines Willens niemald abbringen 
ließe, Pönnte nimmer fehlen noch geſetzwidrig handeln es fei 
denn gegenüber von felbit unvernünftigen und ungeredhten 
Geſetzen. Indeffen macht e8 einen gewaltigen Unterſchied, ob 
es ih nur darum handelt, diejenige Unregelmäßigkeit der Geele 
und deren Entſtehung zu erkennen, welche als Krankheit Ur- 
ſache ber begartgenen Geſetzwidrigkeit geworben ift, um jene zu 
heilen und die Wiederholung diefer dadurch‘ zu verhindern, 


‚ wie bie Medicin nothwendigermweife iſt 








1284 


ones aber über die Bursdyenbazteit berfelben zu ilen und 
durch Yuflegung einer Gtrafe eine gleiche Eutſchließung mit- 
*te8 pſychologiſchen Zwangs zu verhäten. Fuͤr den gerichtli⸗ 
chen Arzt find alfo nicht alle Geelentrankheiten ein Vorwurf 
feiner Amtsbeſchaͤftigung, fondern nur diejenigen, wodurch bie 
Menſchen entweder unfähig werden, ihren bürgerlichen Ge⸗ 
fhäften vorzuftehen oder vor bem Strafrechte verantwortlich zu 
fein. Wenn in Beziehung auf öffentliche und bürgerliche Ber: 
bältniffe von Geiſteskrankheiten die Rede ift, merden darunter 
emeinbin nur diefe legtern Krankheiten gemeint, nur bie die 
Feeiheit aufhebenden und beſchraͤnkenden, wobei die bloßen An⸗ 
lagen, felbft die Vorbereitungen und Übergänge dazu gänzlich 
ausgeſchloſſen bleiben. Denn in diefer engern Bedeutung ift 
Jeder geifteßgefund, dem die Preiheit nicht abgeſprochen wer: 
den darf, der noch irgend fühig ift das Nichtige zu erkennen 
‚und zu erwählen. Die Freiheit der Menfchen oder, was gleich: 
bedeutend ift, die Achtung vor der Würde der Denfchheit ift 
fo unfchägbar, daß Niemand ſich gefallen laſſen oder ſich her: 
ausnehmen darf, ihre Richtvorhandenfein zu behaupten, ohne 
daß der Beweis für ſolche Behauptung zulänglih geführt 
werde. Die Handhabung des Rechts, bei welcher es ſtets auf 
äußere Beweisführung ankommt, kann es um deöwillen wol 
mit fi bringen, daß im Mangel ſolchen Erweiſes Jemand ger 
ftraft werde, bei dem es an Zurechnungsfähigkeit ermangelt; 
aber wie die Achtung des Menfchenwerths und der bürgers 
lien Freiheit unendlid höher fteht als das Intereſſe eines 
jeden Einzelnen, fo gehört e& zu den Zeichen der Zeit, zu den 
Kennzeichen einer verweichlichdenden Sentimentalität, dab man 
die Strafbarkeit um fo vielfältiger Geiftesfrankheiten willen 
auszufchließen . bemüht gewefen ift, die zwar an fidy irgend eine 
Zerrüttung oder Verkehrtheit gefunden Vorſtellens und Bes 
fließend darthun, aber noch keineswegs ein Unvermögen, eine 
Unmöglicyfeit der richtigen Wahl und Selbſtbeſtimmung. 
enn in der neueiten Zeit Männer wie Jacobi, 8 

u. ſ. w. hiergegen geeifert und Darauf gedrungen haben, daß nur die 
erwilfene Unfreiheit den Gerichtdarzt ermächtigen dürfe, fein 
Gutachten auf Unzurechnungsfähigkeit zu richten, fo haben fie fich 
damit ein großes Verdienft erworben, indem fie eine Krankheit 
des Zeitgeiftes richtig erfannt und fie zu heilen unternommen 
haben. Richtsdeſtoweniger maß dem Verf. darin Recht gegeben 
werden, daß es zu weit gegangen ift, überhaupt Affecte und 
Leidenfchaften, befonders felbfthervorgerufene oder ungebän- 
digte, auß der Lifte der Kreiheitsftörungen ganz auszuſtrei⸗ 
hen. Was. zuförderft die Verſchuldung ihres Dafeins und 
ihrer Mächtigkeit anlanat, muß diefe von der Verſchuldung 
einer unter ihrer Herrſchaft begangenen That genau unterfchie: 
den werden. Denn wurde die Gemüthsbewegung abfichtlich er: 
zeugt oder nicht unterdrüdt, um in derfelben ein Verbrechen 
zu begeben, fo Fann fie zu Feiner Entfchuldigung gereichen, weil 
die Berantwortlichkeit fi auf die vorausgefehenen mittelbaren 
Bolgen erftredt. Im entgegengefegten Falle fönnen nur folche 
beftimmte Wirkungen, ' zu deren Eintritt der Affect oder die 
Leidenfchaft als bervorbringende Urfache vorherzufehen war, 
und nicht alle bios mögliche Folgen zur Zurechnung gezogen 
werden. Wenn alfo eine ſolche Gemüthsbewegung in der Folge 
zufällig Veranlaſſung Ei einer ftrafbaren Handlung wird, fo müffen 
einerfeitd befondere Umftände obwalten, deren Nichtbeachtung 
eine ſchuldbare Fahrläſſigkeit enthält, wenn fie das Gewicht 
der Strafbarkeit vermehren fol, wogegen fie diefe ganz auf: 
zubeben oder zu mindern im Stande iſt, je nachdem die Frei⸗ 
heit ded Thäters in ihr untergegangen war. Denn nur Hier 
auf beruht die Zurechenbarkeit, wogegen es gleich gilt, woher 
fie entflanden ift, wenn nur ihr Dafein felbft nicht in der 
verbrecherifhen Abfiht einbegriffen war. Was der Berf. 
über die Unwiderftehlichfeit der Affecten und Leidenfchaften bei 
deren Steigerung, und ganz befonders über die Gewalt der 
Gewohnheit, folglih auch der Entwöhnung, bemerkt hat, 
gehört zu den aliögezeichneten Bemerkungen feiner Schrift 
und ift von praßtifher Bedeutſamkeit. Dagegen hätte Der: 


einroth . 


felbe binreichende MWeraniaffung gehabt, über die Bub 
fambeit der Ginbildungsfraft bei den —— id 
mehr auszubreiten als gefchehen iſt. Sie trägt die Br 
anlaflung zu den. allermeiften in ihrem Gchoofe Ihr Br 
wechſelung mit den Vorftellungen bed Sinnes und der Erkent 
nißkraft, fowie die Unterfchiebung der Urtheile des finniiga 
Urtheilsvermoͤgens ober des Vernunftaͤhnlichen unter die Yok 
fprüche der Denkkraft oder der Vernunft felbft bilden cin 
ahlloſe Menge von Quellen aller der Verkehrtheiten des Ber: 
fkellungs : und Entſchliezungs dermoͤgens, wodurd die Menfda 
irre geleitet und zu Wehltritten verleitet werden. Eine Ra 
weifung derjelben, ihrer Mannichfaltigkeit und —— 
tigkeit, ihrer Entſtehung, ihres Verlaufs und ihres Wi 
Seit würde nicht am unrechten Orte gewefen fein. 

Damen mögen dad Buch liegen laflen! Sie Eönnten ad 
Stellen ftoßen, in denen von natürlidhen Dingen allzu un 
fangen gefprochen wird. Sonſt hat das Buch felbft durch wei 
der angeführten Beifpiele ein hiftorifches Intereſſe. So, um 
nur eines au erwähnen, citirt er aus Dorow's drittem Thek 
bes „Erlebten“ den Wahnfinn des Prediger Mayr zu Koͤnigibe 
als eine Wirkung der Gewiflensangft Deffelben darüber, da 
er früher als Secretair des Minifters von Wöllner, deildkn, 
der feinen König zur Grlaffung des bekannten Religionsedick 
vermochte, fich dazu hatte misbrauden laſſen, eben dieſem &: 
nige bei magifchen Borftellungen die Erfcheinung des Heilans 
vorzugaufeln. Als Prediger war er felbft ein Belot für ix 
Rechtgläubigkeit der Lehre von der Rechtfertigung durd du 
Glauben, und beitätigte damit den allgemeinen rungeis, 
daß Gewiſſensangſt und Anhaͤnglichkeit an der Sünde bei & 
muͤthsſchwaͤche am allermeiften zu der Rechtgläubigkeit für 
welche im fremden Verdienfte nicht nur die Vergebung der eig 
Schlechtigkeit, fondern felbft die Erlangung der Seligkeit ce 
Anftrengung aus Gnade zu erlangen fi getröſtet. &. 








giterarifhe Notiz aus Frankreid. 
Briefe Heinrichs IV. 

Vor kurzem ift in Paris der dritte Band des „Amel 
des lettres missives de Henri IV.“, herausgegeben von Bat 
de Xivrey, erfchienen. Diefer dritte Band iſt eine Brifm 
lung, welche eine der intereffanteften Theile der durch m ®- 
nifterium des ‚öffentlichen Unterrichts veröffentlichten Urkunkt 
für die franzoſiſche Geſchichte bildet, und enthalt Die Briefe dur: 
rich's IV. von feiner Ihronbefteigung am 2. Aug. 15% w 
zu feiner Abſchwoͤrung der reformirten Religion am D. Zu 
1593, ein Zeitraum, welcher die Schlachten von Arques a 
Jory, die Belagerung von Paris, den Kampf bei Aumale, de 
Anfang von Heinrich's Liebesverhältniß mit Gabriele d Eftten. 
die Umftände, die feine Belehrung vorbereiten, umfaft. ?: 
Eorrefpondenz dieſes Fürften nimmt um dieſe Zeit eine ac+ 
Ausdehnung. Bie richtet fih an die am Hofe und in tert: 
mee mit verfchiedenen Amtern beBleideten Edelleute, an de 
Würdenträger der Kirche, ‚an die höhern Corporationen un! # 
den ganzen Staatslörper; an die vornehmften Magiſtrate = 
Staatsbeamten, endlich an alle Mächte, zu denen Zrankın! 
in Beziehung ftand; an die Minifter dieſer Staaten, un % 
Großbotfihafter, die er darin unterhält. Der Herautgebi d 
geglaubt, die Detail der eigentlich fogenannten Diplea- 
aus dieſen legtern Depefchen ausmerzen und fich darauf de 
ſchraͤnken zu müffen, die mwichtigften biftorifchen Rotizen tarıı 
auszuziehen. Uber die Briefe an den Hrn. de Beauvecir, Ge 
botſchafter in England, fhienen iym eine Ausnahme mager 
müflen, wegen des befondern Intereffe der Relationen He 
rich's zu Elifabeth zwifchen feiner Ihronbefteigung und fa” 
Bekehrung. Diefer Band enthält, wie_die vorhergehenden, °* 
den Brieferten nügliche gefchichtliche Überfichten nebft Unze 
ungen über die im Briefwechfel angeführten Perfonen, bey 
von einem Regifter der von Heinrich zwifchen 1589 un 15% 
gefchriebenen Briefe, welche außgelaffen find. sl. 


Berantwortlicher Heraußgeber : Heinrig Brockzans. — Druck und Verlag von F. Sf. Wroddans in Leipzig. 


Blatter 


für 


iterarifbe Unterhaltung. 





Freitag, 


— Nr. 317, — 


13. November 1846. 





Orientaliſche Literatur. 


Hamaͤſa, oder die aͤlteſten arabiſchen Volkslieder, geſammelt 
von Abu Temmam, überfegt und erläutert von Friedrich 
Rückert. Erſter Theil. Stuttgart, &. ©. Liefching. 
1346. Sr. 8. 2 Thlr. 5 Rgr. 

Ein neuer, höchſt wichtiger Beitrag zur Kenntniß bes 
rients, mit welchem uns unfer großer und unermüb- 
Her Dichter befchenkt, die Uberfegung ber berühmten 
Inthologie des Abu Temmaͤm, der fogenannten Großen 
damafa! Daß voir in diefer Überfegung die Frucht viel- 
ihriger Arbeit vor uns haben, läßt ſich ſchon bei der 
roßen Schwierigkeit derfelben vorausfegen. Abu Tem⸗ 
am aus dem Stamme Thai lebte zwifchen 800 und 
30 unferer Zeitrechnung; er war in Dſchaſem, einem 
einen Städtchen zmifchen Damaskus und Tiberias ge- 
wen, wurde in Agypten erzogen und hielt ſich bann 
iufig am Hofe der abbaffidifhen Khalifen, der Nachfol« 
t Harun al Raſchid's, auf, die er in feinen Liedern be- 
ng. Was ihm mehr Ruhm verfchaffte als die Samm- 
ng feiner eigenen Gedichte, ift, daß er fich angelegen 
in ließ, die Altern Lieder, die, zum Theil von alten 
rühmten Dichtern herrührend, im Munde des Volkes 
bten, niederzufchreiben und in eine Sammlung zu tei- 
n, die von dem erften und wichtigften Theile den Na- 
m Hamäfa oder Tapferkeit erhielt. Diefe Sammlung 
ızde alfo faft zu derfelben Zeit unternommen, in wel« 
t Karl der Große eine Sammlung alter bdeutfcher 
lden- und Volkslieder veranftaltet haben foll; allein 
Ihrend von Ddiefer bald jede Spur verſchwand, wurde 

„Hamäfa” als ein Eoftbarer Schag von den Arabern 
ver und werth gehalten und als eine echte Fundgrube 
: ihre Sprachforfhung benugt. Je mehr man fich 
ı der Zeit entfernte, in welcher diefe Gedichte verfaßt 
den waren, beflo mehr fühlte man das Bedürfniß, 
Traditionen über ihre Entftehung und ihre gefchicht- 
en Beziehungen, ohne deren Kenntniß fie oft unver- 
adlich waren, feftzuhalten; und fo entftanden Com- 
ntare, in welchen nicht nur die einzelnen Umftände, 
welche angefpielt wird, berichtet, fondern auch die 
vierigern Stellen, deren es nicht wenige gibt, erflärt 
den. Da mo die Überlieferung nicht ausreichte, wur⸗ 
oft Erzählungen zur Erklärung erfonnen, und baf 

Erklärer oft fehr voneinander abweichen, läßt ſich 


zum voraus denken; ihre Erzählungen bilden aber ebenſo 
wol als die Gedichte einen wichtigen Beitrag zur Kennt- 
niß des Lebens und Treibens der Volksſtämme, welde 
von alter Zeit her Arabien und bie hinter Syrien fi 
beraufziehenden Länder bevölterten. Die Sammlung 
des Abu Temmäm ift in gehn Bücher getheilt, von denen 


‚aber das erſte beimeitem das längfte und bebeutendfte 


ifl. Nückert's Überfegung fol in zwei Theilen das Ganze 
umfaffen; der jegt erfchienene erfte Theil enthält die bei- 
den erften Bücher, nämlich die Heldenlieder, und die Tod⸗ 
tenflagen, der zweite Theil wird alfo das Übrige, Liebes⸗ 
lieder, Spott-, Einn- und Schmähgedidte u. f. m., ent 
halten. Aus den arabifhen Schelien theilt der Über- 
feger Alles mit, ſowol mas zur Erläuterung ober zur 
Charakterifirung der Gedichte nothwenbig als zur nähern 
Kenntniß arabifcher Sitte wichtig ift. 

Was und bei dem Lefen der Heldenlieder befonders auf⸗ 
fallen muß, ift, daß fi) von einem religiöfen Fanatismus in 
den nachmohammedanifchen keine Spur finden läßt. Die 
Religion Mohammed's hatte wol die Eroberungsluft der 
Araber entflammt und in Bezug auf fremde Völker äußerte 
fih ihr Fanatismus, in ihrem eigenen Lande aber blie⸗ 
ben nad) wie vor Rache für Beleidigungen, Sucht nad) 
Abenteuern, Blutrache, Räubereien die Beweggründe zu 
den vielfachen Zehden, in welchen die einzelnen Stämme 
ſich gegenfeitig befämpften. Die Blutrache befonders 
entzündete verderbliche Kriege zwifchen einzelnen Fami⸗ 
lien und Stämmen, wenn nicht die Verwandten des 
Getödteten fi) durh eine Geldfumme das Blut abfau- 
fen ließen. Daß diefes Blutgeld in vielen Fällen nit 
angenommen wird, beweift unter Anderm das von Ra- 
cheglut durchdrungene Gedicht des Miswar Ben Sijäda, 
al8 er den angebotenen fiebenfachen Blutpreis für den 
meuchleriſch getödteten und auf ber Anhöhe Na’f Ku: 
weitib begrabenen Abu Arwa verfchmähte: 

Wie? nachdem auf Na’f Kuweikib fol ein Pfand 

Mir verwahret liegt im Grab von Stein und Sand, 

Rath man Schonung mir mit Dem, der weh mir that? 

Meine Schonung fei: zu Bämpfen früh und fpat. 

Und erreich' ih Rach' heut’ oder morgen nicht, 

Bettern, nun fo wird der Himmel künftig licht. 

Und nie rufe mich mein. Bolt zum Kampftag mehr, 

Faͤll' ich ihn nicht, oder falle felbft vorher. 





1266 


Aufgewälzt habt ihr im Kriegeswechſellauf 

Uns das Web, nun wälzen wir's euch wieder auf. 

Kimm die Sühnung! fagen mir zwar Leute viel, 

Denen doch fein Bruder und Fein Bater fiel. 

@dler, den von Wölfen überfiel ein Heer, 

Die ihn rings umfürmten, eh' er fah, woher! 

Abu Arwa's den!’ ih, und die Thräre rinnt 

Trüb' im Auge, welches Klärung nie gewinnt. 

Ein ritterlicher Geift athmet in dieſem Buche ber 
Heldenlieder; ſtolze Verwerfung alles Feigen und Un- 
edein, wilde Kampfluft und roher Racheburft, zarter 
Sim für Ehre und Treue, reizbares Gefühl für Belei— 
digung und Unrecht, Verachtung gegen den Feind und 
Stolz auf die Vorzüge des eigenen Stammes wechſeln 
in den oft nur aus wenigen Verſen beftehenden Gedich⸗ 
ten. Nur eine für Sitten und Lebensweife der Bedui⸗ 
nen charakteriftifche Erzählung und zmwei Feine Gedichte 
erlauben wir uns noch ans dem vielen Anziehenden, 
was das Buch enthäft, mitzutheilen, um in dem Lefen 
den Wunſch zu erregen, felbft an der Hand des Über- 
fegers in das Zelt des arabifhen Wüſtenbewohners ein- 
zutreten und an feinem gaftlichen Feuer alle die treu- 
bewahrten Gefhichten und Xieder der Vorzeit anzuhören. 


Ubei Ben Sulmi lobt fein Pferd. 
Wie manch' Roſſeheer überholt’ ich mit ihm, 
Dem Thier, dad im Strecklauf den Boden verfchlingt ; 
Das nachhaltig ijt beim erneuerten Lauf, 
Und immer beim erflen den Borfprung erringt; 
Wo Etwas es hemmt, in die Zaͤume fich flürzt, 
Und, ſtraff wie ein Wels, die Ermüdung bezwingt. 
Wir flürzen zum Raub ber uns über das Vieh, 
Da wo es das Steinland zum Borfchein uns bringt. 
Za, flog je ein Hufthier, fo flog dies gewiß; 
Rur eben daß Seinem zu fliegen gelingt. 
Und niemals ein Steinadler über der Höh', 
Dem ſcharf ift der Blick, und dus Herz ift befchwingt, 
Der fern einen Hafen erfpaht in der Flaͤch', 
Und. fommt ihm zuvor, eh’ ins Buſchwerk er dringt: 
Iſt ſchneller als es, und fo ſchnell nicht ein Pfeil, 
Der hüpfend dem fchütternden Bogen entfpringt. 

Kaiß Ben Suheir von Abs und fein Schwager Hudheifa 
Ben Bedr von Feſaͤra⸗Dhubjan wetteten auf den Vorlauf * 
rer Roſſe, Kaiß feiner beiden: Dühes und Gabra, Hubdhei 
feiner beiden: Chattar und Hanfaz der Wettpreis waren zwan⸗ 
zig Kameelhengſte, die Länge des Laufes hundert Bogenſchüſſe, 
und vieraig Kaͤchte lang waren die Roſſe zum Laufe vorgefuͤt⸗ 
tert; der Auslauf war von Dhat al Ißad, und das Ziel ein 


oe mit 100 Kameelftuten, gefolgigen, Bebnterinnen, 
d. h. 
deß die andern im zehnten Monat traͤchtig waren. Dann aber 


erſchlug Hudheifa's anderer Bruder, Hamal, den Bruder ia 
Kaiß, Mälet. Da fandte Kaiß an Hudbeifa: Gib uns ufere 
Kameele mit ihren Jungen zurüd! denn ihr habt für em 
Todten felbft wieder getödtet. Doc die Beni Feſaͤra fpraden: 
Sollten wir ihnen mehr zurüdgeben als fie und gegeben hı: 


ben? und bielten die Jungen zurüd, die mittlerweile die 8 


meele bei ihnen befommen hatten. Kaiß aber wollte fie nm 


mit dem Zuwachs der Jungen annehmen; und ber Kiez ham 


feinen Fortgang. Zuletzt, nachdem Kaiß die beiden Brüde 
Hudheifa und Hamal erlegt hatte, zog er, des langen Arie: 
ges müde, aus dem Lande nach Dman, indem er zu Ah: 
Ben Sijäd, dem vornehmſten Häuptling von Abs, ſprach: Keh 
ret Ihr zurüd zu Eurem Volk und jtiftet Frieden! das if fr 
Euch befier als die Fremde; ich aber, bei Gott, konnte dahen 
nie mehr einer Gatafanerin ins Gefiht ſehen, der ich entwer 
ihren Bater, oder ihren Bruder, oder einen Berwandte z: 
tödtet. Und er blieb in Burfa Oman, bis er ftarb. 


Geſang der Meifun, Tochter des Mälik Ben Bat: 

dal, einer der Frauen des Khalifen Mceamia 
Ein Kleid von Woll', und frei das Herz von Leide, 
Iſt lieber mir als ein Gewand von Beide. 
Ein Belt, an das der Wüfte Winde fchlagen, 
IR lieber mir als der Paläfte Ragen. 
Ein hart Rameel im freien Feld au reiten 
Iſt lieber mir als Maulthiers fanftes Schreiten. 
Ein Hund, der Säfte meldet durch fein Bellen, 
Iſt lieber mir ald der Handpaufen Gellen. 
Ein Biffen Brot im Winkel einer Hütte 
Iſt lieber mir als eines Kuchens Schnitte. 
Ein ſchlanker, ruͤſtiger, von mir ein Vetter, 
Iſt lieber als ein Zölpel mir, ein fetter. 

Unter den Todtenklagen hat uns eine als beſonde 
rührend angefprochen, bie des Mutammim Ben Nurci 
auf den Tod feines Bruders Maͤlek, welcher af Lr 
Bekr's Geheiß von Deffen Feldheren Chäled Ben Ein 
verrätherifch hingerichtet worden war. 


Mein Weinen bei den Gräbern 
Schalt mein Gefell, 
Da mir vom Auge ſtroͤmte 
Die Thraͤnenwell'. 

Er ſprach: O wilft du weinen 
Dei jedem Grab 
Um Den, dem bei Dekaͤdek 
Man feines gab? 

Ih ſprach: Ja! weil ein Kummer 
Den andern ruft; 
Laßt mich! Bier alles Diefes 
Iſt Maͤlekv ruft. 

(Die Yortfegung folgt.) 


———— — ——— ——— ——— ——— — — 


Zwei anonym erſchienene Schriften 


1. Harmloſes Unkraut. Reiſeblaͤtter aus Baiern von 6.8 
Bremen, Schünemann. 1840. Gr. 8. 1 Zr. 
2. Briefe eines Affen an feine Brüder. Bum Druck beforde 


von ****. Hanau, Edler. 1846. 8. 1 Zhlr. 


Ich finde, es if ein recht männlicher Stolz, wenn Js 
ein gutes Buch gefchrieben hat und nennt feinen Ramen nı& 
Er deutet damit an, daß er alle die Rüdfichten, alle die Fe 
ausfegungen, alle die Beziehungen, bie fich oft an einen 8 
men Mnüpfen, verſchmaͤht er will nur fein Werk reden lofe 
es ift ihm nicht um feine Perfönlichleit, nur um feine OT 
ift e8 ihm zu thun. Mit einer feltenen Gonfequenz fühet da 


1367 


berühmte Hippel diefe Anonymität durch; erſt nad fenem Tode 
ſtellte fi, Heraus, dag er Verfaſſer der „Lebensläufe”, des 
Buches „Über die Ehe”, der Schrift „Über die bürgerliche Ber: 

erung der Weiber” u. ſ. m. feis dieſe Confequenz ift wahr: 
haft hiftorifch gemorden. Der Berf. von „Harmloſes Unkraut‘ 
war ſchon vor dem Anslichttreten feines Buches über Das 
was man Ruhm und Lob nennt hinaus; cr flarb nämlid, 
laut der Borrede, in Pifa, wo er für unheübare Übel Linde 
rung fuchte, während man in Deutichland fein Buch drudte. 
* „Harmloſe Unkraut“ iſt, wie der Titel ſagt, ein Reiſe⸗ 
journal; aber der Verf. hat Mehr als das Gewoͤhnliche gelei⸗ 
ſtet. Uberall zeigt er ſich als einen Mann des Fortſchritts; 
aber ein enragirter Politiker iſt er nicht. Er weiß, daß Refor⸗ 
men mehr durch den Drang und das Zufammentreten der Um: 
ftände herbeigeführt werden müflen als durch den Willen und 
die Beranftaltung eines Einzelnen. Freudig erkennt er daß Lo⸗ 
benswerthe und Gute, wo ed in deutſchen Zuftänden ſich findet, 
an; fein Urtheil z. B. über die baierifchen Finanzen, über den 
Main: Donau» Kanal, ift durchaus gründlih, auf Zhatfachen 
bafırt; feine Abficht ift ſtets, Irrthum zu berichtigen, Zweifel 
zu vernichten, Wahrheit ans Licht zu ftellen. Zufolge dieſer 
legten Bemerkungen Pönnte man glauben, das „Harmloſe Uns 
kraut“ gehöre in die Claſſe der ftatiftifchen oder ſtaatsoͤkonomi⸗ 
ſchen Schriften; Das if aber nicht der Zall, nur ein paar 
mal fommt der Berk. auf folhe Materie; aber er erledigt fie 
gründlich, ohne weitläufig zu werden. Ungemein anziehendb 
wird die Lecture des Buchs durch den natürliden, gefunden 
Big des Verf. Ale Darftelungen des Verf. find anſchaulich, 
er mag nun Städte und BStädteleben oder Berg und Wald, 
Flur und Fluß befhreiben; fo Biel man aud gelefen baben 
mag über Nürnberg, Regensburg, Bamberg, Baireuth, Muͤn⸗ 
ben und über Das ländlihe Kreuth mit feiner vortrefflichen 
Molkenanftalt: der Verf. bringt überall Reues, Eigenthümli- 
ches, nichts Forcirtes oder Gefuchtes, ſondern Ratürliches und 
Wahres. Auch eine nürnberger und eine bamberger Sage, ganz 
gut erzählt, finden fi in dem Buche. 

Schließlich wiederholt es Ref., daB Diefe „Reifeblätter aus 
Baiern“ gewiß einen großen Leferkreis befriedigen werben, be 
fonders den, der weder nad) Obfcönitäten noch nach Ercentri- 
ſchem verlangt und nicht durch die franzöfifche Schauderroman⸗ 
ti für Ginfachheit und Wahrheit abgeftumpft ift. 


Die „Briefe eined Affen an feine Brüder‘ find mehr eine 
Tendenzſchrift. Während Ref. das Buch lab, wurde es ihm 
recht anfchaulich, von welchem Effect Montesquieu’s „Lettres 
persanes“ gemwefen fein müflen, ums Jahr 1721, wo eine 
derartige Einkleidung oder Berkleibung in Europa gang neu 
war. Montesquieri, der die legten Regierungsjahre Lubiwig’6 AIV. 
und die Zeit der Megentfihaft erlebt hatte, gebrauchte dieſe 
Form, um der Megierung und dem Yublicum Dinge gu fagen, 
die jegt in Deutfchlend die Cenſur nicht paffiren würden. Der 
Yerfer in den „Lettres persanes‘ redet oft wie ber wilbefte 
Jakobiner; mit Der fhärffien Dialektik fpricht er über Kirche, 
Kicchenregiment und Kircheniehre, über Lurus, über Tugend 
und Lafter. ühnlicherweiſe verfährt in dem oben angezeigten 
Buche der Uffe- Es ift nicht zu leugnen, die Form bat etwas 
Ermüdendes, man fol deshalb nicht mehre Eapitel hintereinan⸗ 
der leſen; aber ber Lefer wird uns beiflinnnen, daß jedes Ga⸗ 
pitel mit Gewandtheit behandelt und bucchgeführt iſt. Gewiß 
wird dies Buch nicht ohne Wirkung bleiben auf das blafirte, 
müde Decennium in welchem wir leben. Schabe, baß ber 
Perf. nicht gleich ftart im Wig wie in der Dialektik ift; ein 
natürlicher, Präftig ind Gentrum fehlagender Wig, der bald 
hierhin und bald dorthin fprüht und fengt und brennt, würde, 
wenn er dem Berf. zu Gebote geftanden hätte, fein Buch zu 
einer der —— Erſcheinungen der Literatur bes Fort 
ſchrites gemacht en. 

De Haupttheile, in welde das Ganze zerfällt, find 
Religion, Politik, forinles Lebens; hoͤchſt ſinnreiche Artike 


Strasburg, Dr. Schuͤtenberger. 


über Erziehung, Mode, Preßfreiheit, Ehre, Mäßigfeits: 
vereine, Hexenproceſſe, Offentlichkeit und Muͤndlichkeit find 
in das Ganze verwebt. Der Berf. hat ganz offenbar Talent 
zum Molferebner, Das fiehbt man aus Stellen wie Die, mo er 
auseinanderfegt, Daß die flehenden ‚Deere in den meiften Staa⸗ 
ten den dritten Theil der ganzen Staatseinnahme verfchlingen ; 
ba fagt er unter Underm: „Was find ſtehende peere im Frie⸗ 
den? Ein Krebsfchaden der menfchlichen Geſellſchaft, eine Schule 
bes Lafters und entehrender Sklaverei, ein Erbtheil der Bar⸗ 
barei, ein Miftbeet, auf dem man Tagediebe zieht, Biutegel, 
welche die beiten Kräfte des Staats verzehren, die Gtügen der 
Iyrannei und Willkür, eine Waffenbierardie, die den Thron 
allmaͤchtig und das Volk elend macht, das Grab jedweber freien 
Regung, ein Prügel: und Spießrutheninftitut, entblößte Dee 
gen und fomit die ewige Beranlaffung und Beförderung uns - 
feliger Kriege.‘ Hoͤchſt beachtenswerth find die Unfichten des 
Berf. über Die Übervölferung Deutfchlands und über die Aus: 
wanderungen. Der Berf. macht nämlich darauf aufmerkfam, 
daß es nothwendig fei, Daß Deutfchland die vielen Ausıwande- 
ver nach Amerika duch die Auswanderung nicht verliere, fon» 
dern ſich erhalte dadurch, daß von Weiten der Megierunge 

die Auswanterung organifirt und deutſche Colonien angeleg 

werden. Allerdings hat der Nerf. Recht, es wäre gut, wenn 
Deutichland Das auf friedlihem Wege gewänne, Eolonien nam» 
lich, welche England, Frankreich und Holland mit den Waffen 
erobert haben; es wäre gut, wenn ed deutfche Colonien gabe, 
ein überfeeifches,, mit dem continentalen Baterlande durch das 
Band der Rationalität aufs engfte verbundene Deutfchland. 
Wenn man die ungeheuer große Zahl deutfcher Auswanderer 
sufammenzubalten verftanden hätte, welch einen Abzug hätte 
Deutichland für feinen Handel, trog aller englifchen, franzoſi⸗ 
fhen und bollandifhen Eolonien. Unfer Verf. theilt die Grund⸗ 
fäge der Tenneſſee-Coloniſations Compagnie, welche nur eine 
Privargefelfchaft ift, mit; diefelbe hat im Gebiet des Freiftaate 
Zenneflee über 864,00: magdeburger Morgen zu verfügens 
nämlich jede Familie kann bis zum Belauf von IUU Neres, alfo 
ungefähr 260 magdeburger Morgen, noch unbebautes aber 
brauchbares Land zu 25 Eent. oter 371, Kreuzer für den Xere, 
und weitere 100 Acres zu 33 Eent. oder 50 Kreuzer für den Acre 
erhalten. Ferner, um Denjenigen, die ſchon bebautes Land zu 
Baufen wünfcdhen, dies billig zu verichaffen, bat bie Gefellfchaft 
mehre fchon angebaute Landgüter gekauft, die den erften An⸗ 
fiediern zu 50— 75 Gent. oder I Gulden 15 Kreuzer bis I Gul⸗ 
den 52 Kreuzer abaetreten werden. Kerner wird den Ankom⸗ 
menden Mehl, Fleiſch, Kaffee, Zuder aus großen Producten⸗ 
lagern ſehr billig überlaflen, oder man kann den Betrag dafür 
in 6— 12 Monaten, fei ed in Geld oder in eigenen Erzeug⸗ 
niffen, zurüderftatten. Ebenfo werden aus der Gügemühle die 
nöthigen Balken, Breter u. f. w. unter aͤhnlichen Bedingungen 


‚ geliefert. Wenn nun ein Privatunrernehmen fo viele Bortheile 


anbieten kann, um wie viel größere könnte das gefammte deutfche 
Vaterland, wenn e6 eine Draanifation der Auswanderung und 
Die Anlage deutfcher Colonien begründen wollte, gewaͤhren! 
Der Berf. der Briefe wendet fi fegt zu einem neuen in⸗ 
tereflanten Ihema, nämlich die Anlegung von Urmencolonien 
in Deutfähland. Er befchreibt die Armencolonie Oſtwald bei 
Strasburg, im 3. 3840 angelegt von dem Bürgermeifter von 
Diefe Unftalt iſt auf 200 Go; 
loniſten berechnet; es find ihrer jegt 200; fie bearbeiten 147 
Heltaren Land. Auch Viehzucht und Handwerke werden betrie⸗ 
ben; Die Arbeiter befommen ein Pleines Vaglohn, wovon fie 
ein Drittel als Eigenthum empfangen, bie übrigen zwei Drit⸗ 
tel dienen zur Vergütung von Rebrung und Kleidung. Der 
Gepitalwerth des Bodens, worauf die Colonie Dſtwald errich⸗ 
tet ift, war 145,500 Francs, das Einkommen davon 400 Fr. 
Sept wird ter Werth des Landes allein auf 252,000 Ir., der 
Werth der Gebäude auf 101,000 Fr. geſchätzt; Mobilien und 
Vieh auf 25,000 de im Sabre 1843 war die Zotafausgabe 
27,198 Ir., die Gefammteinnahme 46,515 Fr. 


1268 


Ein anderer hoͤchſt wichtiger Gegenſtand wird &. 277 fg. 
zur Sprache gebracht, nämlih eine Nationalbank, nicht eine 
Bank für Preußen, oder Baiern, oder Öftreich, oder Würtem- 
berg, fondern eine wahre Nationalbank. Der Staat hat die 
unabweisbare Verpflichtung, jedem Bürger durch zweckdienliche 
Einrihtungen und Gefege zur Erlangung materiellen Wohl: 
ftandes und bürgerlicher Ehre zu verhelfen; an ihm ift es daher 
au, dieſes Recht für die minder begüterten Mitglieder der 
Geſellſchaft zu wahren und dafür Sorge zu tragen, daß die 
ärmern Volksclaſſen nicht ein Opfer der Habfucht der Reichen 
werden. Da aber die fi in einzelnen Händen mehrenden Ca» 
pitalien die ärmern Staatdangehörigen mehr und mehr in ih» 
rer menfchen« und völkerrechtlihen Stellung bedrohen, jo muß 
au der Staat darauf bedacht fein, diefen dur) organifche 
Verbindung der vorhandenen Kräfte, durch Erweckung und 
Hörderung felbitändiger Unternehmungen ein gehöriges Gegen⸗ 
gewicht zu geben. Der Staat ift bier um fo mehr zu einer 
energifchen Hülfe verpflichtet, als er feit Sahrhunderten den 
Fehler auf ſich geladen hat, Die untern Volksclaſſen misachtet und 
durch diefe Misachtung zum Theil einer Unmoralität und Ro» 
heit überliefert zu haben, für welche er fich jest verantwortlich 
macht und ftraft. Eine Nationalban? nun würde den unbemit- 
telten, rechtlichen Staatsbürgern, gegen Entrichtung eines mä- 
Bigen Binfes, die Möglichkeit gewähren, felbftändig an Handel 
und Gewerbe tbeilzunehmen; die Zinfen müßten, namentlich 
für ganz Heine Eapitalien, niedrig geftellt werden, damit der 
durch diefelben zu erringende Berdienft das Fabrikarbeitslohn 
überfteige und fomit auch ärmere Lunftfertige Arbeiter ermu⸗ 
thigt würden, durch Anleihecapitalien auf perfönlichen Credit 
felbftandige Gefchäfte einzurichten. Hiermit aber wäre ein Mit: 
tel geboten, dem Geldmonopolwefen, welches ſich aus der über: 
mäßigen Anhäufung der Gapitalien in Den Händen Einzelner 
jegt ſchon entwidelt, die Stirn zu bieten, ohne dem Zabrif: 
wefen felbft au fhaden, indem, da Jeder der ein Darlchn von 
der Bank bekäme erjt von Suchverftändigen ſcharf geprüft fein 
müßte, noch Arbeiter genug zur Beftelung der Fabriken übrig 
bleiben würden. Die erwähnte Bank muß eine Nationalbanf 
fein, wenn fie regenerirend auf die focialen Verhaͤltniſſe Deutſch⸗ 
lands wirken fol; fie muß aus Staatsmitteln fchöpfen, damit 
fie nicht Beute einer privilegirten Kafte und fomit gerade das 
Gegenteil von Dem wird was fie werden fol. Diefe Mittel 
aber befigt Deutfchland, und eine Rationalbanf würde ſich ber: 
ftellen laffen, wenn die deutfhen Regierungen gemeinfchaftlich 
handeln und den Grundfag befolgen wollten: dus Volk iſt nicht 
des Staatd wegen, fondern der Staat des Volkes wegen da. 
Die für Militair, unnöthige Hofchargen, auswärtige Gefandt- 
ſchaften, Zafelgelder u. dergl. verausgabten Millionen kommen 
vom Volke, und deshalb kann das Volk verlangen, die Ergeb: 
niffe feiner Befteuerung auf zwedmäßige, ihm au gute kom⸗ 
mende Weiſe verwendet zu fehen. Übrigens würde eine Ra 
tionalbant nad) den erften Opfern den Staaten guten Gewinn 

eben, weil fie ein entfchiedenes Übergewicht über alle Banquiers 
uben Pönnte. Bedenkt man zu gleicher Zeit den unberechenba⸗ 
ren Bortheil, daß das arme Boll den Händen niederträdhtiger 
Wucherer, habſüchtiger Kabrifanten, die Noth der Völker zu 
diebifher Ubervortheilung benugender Fruchtipeculanten und 
fonftiger Schurken ontriffen, fo manchem tuͤchtigen Geifte, der 
jegt aus Mangel an Mitteln zur Ausbildung verkannt unter- 
geht, die Gelegenheit zu höherer Wirkſamkeit geboten wird, 
edenkt man ferner, daß nur eine folhe Anftalt im Stande ift, 
den blühenden deutfchen Mittelftand, Ddiefen wahren Kern der 
Nation, zu retten; zicht man ferner in Erwägung, daß die 
aufgehäuften Eapitalien Einzelner ungeheuer im Werthe fallen 
müſſen und ihren Inhabern Nichts übrig bleibt als fie eben- 
falls dem bürgerlihen Verkehre zuzuwenden; berüdfichtigt man 
endlich, daß durch ein derartiges Inftitut die Nation an inne 
rer Selbftändigkeit gewinnen wird: fo follten doch die Regie 


rungen Deutſchlands diefe wichtigen Gedanken einer Rational 
band prüfen und batdmöglichft ins Leben rufen. 

‚Etwas Weiteres hat Ref. nicht hinzuzufenen. Das Bus 
verdient eine weite Berbreitung. Ref. weiß fehr gut, def 
nicht jeder Lefer jeden Say als richtig unterfchreiben wird; 
aber darin liegt ein Nutzen des Werkes, daß es zu Unter 
fuhungen, zu Disputationen anregt. Auch unter hohen und 
höhften Staatsbeamten möchten wir das Bud, verbreite 
fehen; fein reicher Inhalt würde gewiß zu mandem Guten 
anregen und von mandher verkehrten und thörichten Maßregel 
zurüdichreden. D. 





Literarifhe Notiz aus Frankreich. 


Widerlegung naturphilofophifger Verirrungen. 


Die Raturphilofophie, wenigftens fo wie fie von den fpe 
eulativen Philofophen conftruirt ift, hat in neuerer Zeit befen: 
ders lebhafte Angriffe zu erleiden gehabt. Man hat ihr den 
Vorwurf gemacht, Daß fie, die pofitiven Nefultate der eigent: 
lihen Naturmwiffenfchaften verachtend, fi) allzu fehr von dem 
Boden der Realität entferie und in haltlofen, unbegründete, 
aller wirklichen Berechtigung ermangelnden Phantaftereien er: 
gebe. Man braucht nicht alle Anfeindungen, welde von de 
Empiribern, von denen der ganze Werth der Raturphilofophie in 
Abrede geftellt wird, gegen dieſen Theil der Urwiſſenſchaft er: 
hoben find, gerade’ zu unterfchreiben, und wird es bei einige 
Kenntniß der Sadjlage Doch geftehen müflen, daß von Seilen 
der Philofophen in diefer Beziehung die Lächerlichiten Misgrift 
gemacht jind. Es erſcheint Died um fo erklärlicher, wenn man 
bedenkt, daß die Raturphilofophie diejenige unter den philoe 
phiſchen Disciplinen ift, welche die Ergebniffe der fogenannten 
eracten Wiffenfhaften — wenigftens in ihren allgemeinen Be 
ziehungen — am wenigften verſchmähen und geringfchägen darf. 
In diefem Punkte ift übrigens auch gar nicht mehr zu reiten 
Die Philofophen felbft räumen es ſchon mehr und mehr ein, 
wie nothwendig eine vertrautere Kenntniß der wahren Be: 
bältniffe ihnen if. Wenn es noch beftimmterer Belege br 
dürfte, fo würden wir auf den Borfchlag, der von einem gt: 
achteten Sprecher der philofophifchen Beitrebungen ausgegar 

en ift, fich behufs ber Gonftituirung einer umfaffenden phis 
opbifchen Geſellſchaft vorläufig an den beftehenden Verein da 
Naturforfcher anzufchließen, um auf dieſe Weife gleich von Ir 
fang an einen Vereinigungspunft zu haben und um es laut u 
bezeugen, wie noeh en big die Berudfichtigung der naturhiſtorr 
ſchen Forſchungen auch für den Philoſophen hinfort gewerte 
iſt. Wir find zu dieſer Abſchweifung durch das Erſcheinen er 
ned Werkes veranlaßt, aus dem wir noͤthigenfalls noch vie 
fache Belege für die Haltlofigkeit der Speculationen über die 
Eriheinungen auf dem Gebiete der Ratur anziehen fönnta. 
Daffelbe führt den Zitel: „Principes de philosophie pour 
servir de base à la metaphysique de la nature et à la phy- 
sique experimentale‘, von 2. U. Gruyer. Man findet in die 
fer Schrift weniger ein beftimmtes, abgefchloffenes Syftem, # 
dem der Berf. vielmehr nur einige unbehauene Baufteine ge 
liefert bat, als eine Eritifche Zergliederung und Beleuchtung 
der Speculationen Anderer. Gruyer geht dabei zum Theil ſche 
fharf zu Werke und man fieht es feinen Grörterungen ıu 
daß ihm außer feiner tüchtigen philoſophiſchen Durchbildunz 
auch fehr umfaflende pofitive Kenntniffe zu Gebote ftcher 
Dazu kommt noch, daß ihm eine klare, logiſche Darfteluss 
bei feinen Entwidelungen von ftatten if. Seine Behaupten 
gen felbit werden, wie gejagt, mehr in der Form einzelan 
Säge geboten, aus denen fi vielleicht in der Folge ein vel 
ftändigeret, abgerundeteres Syſtem entwidelt. N. 





Verantwortlicher DHeraußgeber : Heinrich Brockhaus. — Zrud und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 











Blätter 


2 ’ 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Drientalifhe Literatur. 
(Bortfegung aus Nr. 317.) 


2. Dafid. Gine Sammlung perfifcher Gedichte. Rebſt poeti⸗ 
ee aus en a und son 
. gr. umer. urg, ann u . 
1846. 8. 1 hir. 15 Rgr. 8 of nn un u 
3. Moslicheddin Sadi's Rofengarten. Rach dem Zerte und 
dem arabifhen Sommentare Surkri’d aus dem Perfifchen 
überfegt, mit Unmerdungen und Bugaben, von 8. H. Graf. 
Reipzig, Brockhaus. 1846. Gr. 12. I Ahle. 6 Nor. 
Aus dem Zeltlager bes Beduinen führen uns bie 
zu gleicher Zeit erfchienenen Überfehungen von Werken 
zweier berühmter perfifcher Dichter in bie verfeinerte 
Belt der Städte Perfiens, und zwar find es gerabe bie 
beiden großen Dichter, auf welche die Stadt Schiras fo 
ſtolz ift, die zugleich neue lberfeger gefunden haben. 
Der „Guliſtan“ oder „Rofengarten” ift unter allen Werken 
Sadi's das im ganzen Orient am allgemeinften gelefene, 
ja es ift fein gebildeter Perfer, der nicht zum Theil die 
Sprüche deffelben auswendig wüßte. Das Werk ent- 
hält abwechſelnd in Profa und Verſen größere. und klei⸗ 
zere Erzählungen, mit Sprüchen und allgemeimern Be⸗ 
merfungen verwebt, über alle Berhältniffe des menfch- 
lihen Lebens. Es ift in acht Abtheilungen getheilt: 
1) „Bon den Königen und dem Hofleben”; 2) „Bon 
den Gefinnungen der Derwiſche“; 3) „Bon dem Werthe 
der Genügfamfeit”; 4). „Don den Vortheilen des Still 
ſchweigens“; 5) „Bon der Liebe und der Jugend”; 
6) „Von ber Schwäche und dem Alter’; 7) „Bon dem 
Einfluffe der Erziehung”; 8) „Bon dem guten Betra⸗ 
gm im Umgange”; dazu noch eine Einleitung und als 
Anhang zur fiebenten Abtheilung ein Geſpräch über 
Reichthum und Armuth, welche beiden Theile in höherm 
Stile gehalten find. - Schon Olearius hatte in der Mitte 
des 17. Jahrhunderts die Deutfehen mit, dieſem Buche 
befannt gemacht, in einer vielgelefenen Überfegung, bie 
aber freilich mehr eine freie und oft fehr ungenaue Be- 
arbeitung war. Der neue Überfeger bat fich bemüht, 
aicht nur den Inhalt, fondern auch die Form des Wer⸗ 
kes in unfere Sprache zu übertragen, und bei gewiffenhafter 


Zreue des Sinnes auch die Abwechſelung der Berfe und’ 


die Art und Weife des Reims in den Verſen wie in ber 
Kunftprofa. genası zu beobachten, ums ſo das Ganze in 


—— — ———— — — — — — — — — —— — — — —— — — 


feiner eigentlichen Geſtalt dem Leſer vorzuführen. Et⸗ 
was freier verfährt He. Daumer in feiner Uberfegung 
des Hafis. Don ber Gedichtfammlung biefes berühm- 
ten Lyrikers befaßen wie ſchon eine Überfegung von Hrn. 
v..Dammer, welche aber mit Vernachläſſigung des Reims, 
der doch die Haupteigenthümlichkeit weftafiatifcher Poeſie 
ift, fih bemüht, die für uns meift ungenießbaren Vers⸗ 
maße bed Driginald genau beizubehalten und jo dem 
Schwunge des Dichters ſchwere Feſſeln anlegt. Dr. 
Daumer bat fih in der Form nur an den Reim ge- 
halten und trifft in. diefer Binfiht ganz mit Hrn. Graf 
zufommen, der fih in ber Vorrede näher über diefen 
Punkt ausgefprochen hat. Er wollte die bei Hafis „auf 
dem Gipfel ihrer Entwidelung ftehende orientalifche 
Poeſie in unferm heimatlichen Sprachelemente - fo treu, 
wahr und wefenbaft, zugleich aber auch fo zwanglos, 
re N und genießbar ale möglich abfpiegeln”, und 
dag ihm Diefes auf eine meifterhafte Art gelungen ifl, 
zeigt jede Seite ſeines Werkes. Zwar gibt er uns nur 
eine kleine Auswahl des Schönften aus der nicht weni⸗ 
ger ale 571 Gafelen enthaltenden Sammlung. bes 
perſiſchen Dichters, allein aus dieſem Wenigen lernen 
wir hinreichend den Genius Deffelben erkennen und ber 
wundern. Ä 
Wüßten wir von der Perfönlichkeit des Hafis nichts 
Weiteres, fo würben wir in feinen Gedichten nichts An⸗ 
deres fuchen als was fie ung auf ben erfien Blick dar⸗ 
bieten, Preis des finnlichen Genuffes, der Liebe und des 
Weines, mit keckem Dinwegfegen über alles Das mas 
als Tugendpflicht geboten, mit uͤbermüthiger Verhoͤhnung 
alles Deffen was als Religionsglaube gelehrt ober ale 
religiöfe Übung empfohlen wird. 
Wißt, daß ich alle Feſſeln der Geduld 
Serriffen habe ; . 
Wißt, daß ich mich der Ungebundenheit . 
Befliffen babe; 
Wißt, daß ich aller heiligen Bräuche mich 
Entbunden habe, 
Und doch die allerreinfte Seelenruh 
Zum Kiffen habe! 0 
Was thut es auch, daß ich der Kaba mich 
Entfremdet babe, 
Da ich zur Kaba ihres Augenlichts 
Rarciffen habe? . 





: 190. 


- Wenn ic die Hyarinthen ihres Haars 
"Want, Braunde, maß id) an dem Roſenke 
‚ Breunde, was id an dem Roſen 
Bu miften habe? are 
Wißt, daß ich felbf nach Edens Früchten kein 
ertangen habe, u 
ih I eines Liebchens Apfelkinn 
Gebiſſen habe. 
Do nun Ude, da ich zur Schenke nun 
Bu eilen babe, 
Und in Betreff des Kirchengangs ein zart 
Gewiffen habe. 


Bringe mir den Stein der —5— 
Beinge mir den Becher Dihemfgib 1, 
Mir den Spiegel Alerander's 
And das Birgei Salsmonis, 

Bringe mir mit einem Worte, 
Weing', a Schenke, bringe Wein! 
in, daß ich die Kutte wafche, 
Pe Ad bed — — 
Und des Haſſes ſchwarzem Makel, 
Bein, daß ich das Garn des Unfinns, 
Wetches über Welt und Leben 
Pfaffiſcher Betrug gebreitet, 
Mit geflärktem Arm zerreiße, 
Bein, daß ich die Welt erob're, 
Wein, daß ich den Himmel ftürme, 
in, daß ich mit einem Gprunge 
ex beide Welten fege, 
Bring’, e Schenke, bringe Bein! 

Bie erftaunen wir aber, wenn wir erfahren, daß 
dieſer Feichtfertige Mann zu einer Gemeinfchaft von Der 
wiſchen gehörte, fich lange mit theologiſchen und philo⸗ 
Tegifchen Arbeiten befchäftigte, die „muflifhe Zunge“ 

enannt wurde, ein großer, berühmter, eine Menge von 

—*— um ſich verfammelnder Lehrer ſeiner Jeit war, 

Unterricht am Hofe gab, und ſo hoch in Gunſt ſtand, 

daß ihm der Großvezier eine beſondere Schule baute; und 
wenn wir hören, daß man auch jegt noch zu feinem 

Grabe wie zu dem des Sadi als zu dem Grabe eines 

eiligen wallfahrtet! Dürften wir feinen zahfrefdgen 
ommentateren Glauben ſchenken, fo wäre freilich in 
feinen Gedichten von nichts Anderm bie Rede ale won 
ber göttlichen Liebe und von ber Trunkenheit myſtiſcher 

Begeiſterung. Betrachten wir aber bie Sache unbefan- 

gener, fo finden wir, daß fish bei ihm eigentlich nur auf 
andere Weiſe dieſelbe Gefinnung ausſpricht, die auch 

Sadid „Rofengarten‘ durchweht. Weide gehören zu der 

Glaffe der Sufi, über deren wahres Wehen und mac 

Bieles zu lernen übrig bleibt. Ale Werkheiligkeit, alles 

Streben nad) Erwerbung eines Berdienſtes vor Gott 

als die niedrigfte Stufe der Religioſitaͤt anfehend, ſtre⸗ 
ben Diefe nach einer bloßen Anbetung Gottes im Geifte 
oder nach Einer myiyſtiſchen Bereinigung mit ihm, was 
bei Manchen zu einer völligen Gleichgültigkeit in. Bezug 
auf Alles was das finnliche Leben beteifft und zu gänz- 
licher Verachtung aller äußerlichen Zugenbdbeftrebung führt. 

Wie Hafis fo iſt auch Sadi —53* aller Pfaffen 

und Mönche, auch er fegt ſich zumeilen, mie in feinem 

Sefprähe über Reichthum und Armuch, in fehroffen 


—— gegen die Anſichten ber Aſteten, die er mi 
feinen Sarkasmen verfolgt; aber er hält überall Rai, 
er überfchreitet nie die Grenzen Deffen mas allgem 
als fittlih und beilig geachtet werben muß, übel 
richt fig im —* ein tiefes xeligioſes Gefihl 
auf wir moͤchten ſagen echt evangeliſche Weiſe au. 
Dagegen ſucht Hafis gefliſſentlich feine Grundfäge auf 
die äußerſte Spige zu treiben, bie relidiöfen Eifere 
buch Verfpottung alles Heiligen und Sittlichen zu w- 
hoͤhnen und durch deißenden Spott vote duch humeriki 
fen Leichtfinn fie zu blinder Wuth zw reizen ober m 
dee Welt lächerlich zu machen. Was Sadi von im 

der hale, ſpricht ex uni 


Beſen ber wagen 
Anderm in folgender Stelle am Ende der zweiten I 


theilung Mar-und beflimmt aus: 

Ein König blickte mit dem Auge der Verachtung auf m 
Schar Derwiſche; Einer derfelben, der es gewahr wurde, fprab: 
D König, wir finb in dieſer Welt an Soldaten ärmer ci de 
aber an Lebensgenufß reicher, im Tode gleich und bei der Lıl 
erſtehung beffer. 

Genießt der maͤcht'ge Für muͤhlos des Lebend Frucht, 
Indeß der Derwiſch oft nach kargen Bifſen ſucht, 
So Tann, wenn Beiden einſt die Sterbezeit gefchlagen, 
Doch Keiner aud ber Welt mehr als ein Vahrtuch tragen. 
Wo man das Bündel ſchnͤrt, der Wanderung gewaͤrtig. 
Sind Fürften nicht fo Leicht als Bettler reifefertig. 
Das Außere ded Derwifches ift ein abge tes Meid md 
geſchorenes Haar, fein wahres Wefen aber iſt ein aufge 
Geiſt und abgeftorbene Luft: | 
Nicht ber vol Anmaſung am Thor ſich niebrrfekt. 
Sum Steeite fi erhebt, wenn man dm widerlicht; 
Ja wenn ein Muͤhlſtein ſelbſt vom Meng berunterroll 
Kein Wiffender ik Der, der ans dem Wege geht. 
Die Regel der Derwiſche iſt Lobpreiſung und Dasmas 
Schorfam und Dienftbeflifienheit, Spendung und Gmii® 
keit, Vertrauen und Erhebung, Geduld und Ergebinz: *8 
dieſe Cigenfchaften befigt, ift ein echter Derwiſch, um if“ 
auch in ein Prachtgewand gekteidet Wer aber eille I 
fhwagt und an das Beten nicht denkt, feinem Wegierden fröpt 
und feinen. Lüften ſich ſchenkt, den Tag bis zur Nadt in da 
Banden ber Üppigkeit fig wiegt, und die Racht bis zum 7 
in dem Schlafe der Gedankenlofigkeit Tiegt, it was feine dit 
greift und fpridyt was ihm über die Junge Iduft: Der iſt ⸗ 
agenichts, und iſt er auch mit der Kutte beklrdet 

Der du entbloͤßt von Gottetfurcht iar Innern BR, 

Und herchleriſch ein freomm Gewand wm dich gelegt: 

Laß doch ben flebenfarb'gen Vorhang vom dee Thaͤr, 

Iſt deines Hauſes Jun're nur mit Stsch belegt 


(Der Beſchluß folgt.) 





Zur Zogesliteratur. 
Mitten in die Gaͤhrung, bie das fehnefüchtige Berlangen 2 





deutſcher Beltung im Auslande exzeugte, dahin zielead: 
Deutſchland einsleitende Macht in Guropa werde, wie fi En: 
und Frankreich diefet Bedeutung rühmen, fiel der „Dffene ? — 
des Könige von Dänemark. Es if daher begreiftich, mi 
die dafeiende Bewegung, den geifligen Sroreß, aufs * 
gern: michte. Fremden Auge reilich erſchien bieſet uu⸗ 
de& unter ben. Truͤmmern der gebrochenen imaut LA® 
dig mogenden Natlonalgefühls als ein euriofer Kaumel, er“ 
wie in —3 — Blaͤttern net, durch der Genuß eine ji 
verbotenen geiſtigen Getraͤnks Vie höldelberger Woreft, ® 





1m 


ten 


1. Schleswig »boifteinifhes Portfolio, herausgegeben von %. 
Rauch. After Band. Iftes Heft. Imgolfladt, Fromm. 
1816. 8. 8 Nur. 

enthält eine Sammlung der belannten Erlaſſe, Petitionen, 

Adreffen u. f. w. 

2. Odleswig : Holftein, Dänemark und Deutſchland. Kurze 
Darftelung ihres geſchichtlichen Derpeitnifiet von Ludwig 
Häufter. Heide ‚, Winter. 1846. 12. 6 Nor. 

enthaͤlt eine kurze Darftelung des a der angegriffenen 

Länder und fragt: „Was uns Ludwig KIV., was und o⸗ 

leon, was uns Rußland abzwang, fol auch Dänemark es wa⸗ 

gen duͤrfen? Sollen wir abermals die Abelung Polens an dem 
eigenen Boden und Volke erleben muͤſſen ?“ Die Schrift weiſt 
auch auf die gute Lage Holfteins für deutfche Seemacht hin. 

Die Rechte des Staats Holftein, als deutſchen Bundesſtaats, 

möchten übrigens wol nad der neueflen Lage der Sache Richts 

zu befürchten haben. 
Reihen wir ein auch vielbeſprochenes deutſches Land ber 

Kabbarfihoft an: 

3. Medienburg wie es ift und werden kann. Zweite Auflage. 
Reipzig, D. Wigand. 1846. Gr. 8. 15 Nor. 


Der Berk. ift der Meinung, daß in Mecklenburg Gewerbes 
Induſtrie zugefafien werben, dann das Land dem Bollverein 
beitreten und die Conſtitution umgeänbert werden müffe, damit 
nicht länger von 3005000 Einwohnern nur 1000 ftaatsbürger- 
liche haͤtten. Der Verf. verlangt auch Berkleinerung 
der unmaͤßigen Guͤterareale, damit neben großem Landbefige 
auch Feiner beflände, als Stuͤtze nit nur des Manufacturi- 
ſten, fondern auch des Fabrikarbeiters. Beide follen von 
ſolchem Beinen Berige ihre nothbürftigften Lebensmittel 
ſelbſt verſchafſen; vorzugswriſe follen die armen 
Manufacturiften auf dem zu bildenten Pleinen umb ganz klei⸗ 
nen Landbefig untergebracht merden. Gegen baaren Ankauf 
fagt der Berf. mol, aber nidyt von woher die armen Leute 
das Geld nehmen follen, vor allen Dingen aber, ob fie au 
hingehen und mit doppelten Sorgen für Si und: ihr Stückchen 
Zand arbeiten wollen. Rur mehr Ausgaben würden die Ar 
Better Pott Einnahmen erhalten; die Kartoffel, die fie fi Feibft 
ziehen mödten, würde ihnen viel theueres zw flehen fommen 
als eine gekaufte. Der Mann kann nicht das Land bearbeiten, 
alfo Frau und Kinder; wenn aber. keine da find! Run, der 
Archeiter hat ja ausreichenden Landbefitz; er miethet fich einen 
Knecht. Es fällt in einem Jahre drei, vier mal feine Kuh; 
ach, der Arbeiter nimmt von feinem Gute fo viel ein, daß er 
fi) wol zehn im Jahre kaufen könnte! Und endlich, nur in gro» 
Ben Städten Pönnen fie leben und beſtehen; nun aber ftelle 
man fi das Bild eines Arbeiter « Land » Compleres für eine 
Menge von nur 20— 30,000 derfelden vor! Welch eine Un: 
zahl von Grenzſtreitigkeiten würden nun vorfallen? Unb we in. 


der —2 das Lanb hernehmen ber heraus mit 
allen uͤbrigen Ständen, damit der Arbeiter Platz und ber 
Staat ein krabbeinder Ameiſenhaufen werde! Es find nur 
Geifenblafen einer loßgelaffenen Laune, die wir in ber Schrift 
We in vosmeinen;s Ernſt kann es dem Verf. unmöglich gewe 
n fein. 

Aus Weranlaffeng der neueſten Vorgaͤnge in den ſlawiſches 

Ländern find erſchienen: een Kae 


4. Galizien und die Robotfrage, vom Berfafler der Schrift: 
„Überbli der Berhaͤltniſſe I Galizien und Polen.” gr 
zig, Hinrichs. 1846. Gr. 8. 15 Nor. 


„Das ud enthält nur den Wiederabdrud von Beitung® 

artikeln, Zweifel über den Grund der Bauernunruhen, die fid 

von felbft mahen, und mehr allgemeine Redensarten über 

Seohnen als fpecielle Auseinanderfegung der galizifhen Robot. 
ift nur der Zitel, den die Shrh Bat. 


5. Die legten Ereigniſſe in den drei Theilen des alten Polens. 
Geſchichtlich erläutert von Adam von Buromsti im 
den, Kran, 1846. 8. 7 Ner. 

Es wird verfucht darzulegen, daß der polniſche Adel ei 
befonderes, von Haus aus Eriegerifch gefinnter — *2 — Stamm 
fei, der zis einem friedlich gefinnten fich gefellt habe, welche 
jegt die Bauern umfaffe und deſſen Sinn nach ruhigem Ader- 
bau, fröhlichen ibylifchen Lanbleben geftrebt, und der ſich ba 
ber, um biefe® Leben nur zu bewahren, immer gern gefügt 
babe. Der Adel babe die Kriege geführt. Der San; feiner 
Siege und feiner Groberungen habe die Bauern mit fortgerift 
fen; ben Emzelnen im flrahlenden Prunte des Reichthums und 
patriarchaliſcher Dberherrlichkeit zu fehen fei jener auch nur 
gewohnt gewefen. Da hätten zuerft die Siege der Schweden 
über den Adel, bann die Bebrudungen Rußlands, die Thei⸗ 
lung endlich die Borftellung des Adels als eines Schuͤtzers na» 


‚tionaler Größe und die Berarmung deffelben die der perſoͤnli⸗ 


. Erhabenpeit vernichtet. Hinzugelommen wären bie geſetz⸗ 
lichen Beftrebungen zur focialen Befreiung des Bauernftandes, 
und fo habe vieler immer mehr und mehr aus der Nachfolge 
des Adels zu weichen Sinn und Willen bekommen und babe 
ſich als Stand in einem Staate, d. h. in einer gefeglich geord⸗ 
neten Gefelfpaft, neben dem del zu fein zu denken gelernt, 
nicht mehr als blos ferundirender Zen einer nafionalen Schwin⸗ 
Gr So Hätten die Beftrebungen des polnifchen Adels für 

hoͤhung des Slawenthums Leine fihern Mittel mehr; Ruf 
land fet beftimmt, bie vorzüglich durch deuffche Wirkung dar» 
niederfiegende flawiſche Fahne aufzuheben und mächtig aufrecht 
gu erhalten. Dazu müfle es eine riefenhafte Ginheit bilden 
mb, nicht den Weiten bedrohend, fondern nur dem weitern 
Vordringen von Diefer Seite einen Wall von Granit entge 

end, den Halbmond flürzen, den Drient ins Leben zurhd: 
rufen und Ufien mit Europa verbinden, um, die Beſtimmung 
des Tlawifhen Bölterftammes zu erfüllen. Uber der ruffifchen 
werbe aber in kommenden Beiten die allgemeine großflawifche 
Fahne vom Eismeer bis zum Mittelmeere, don der Weichſel bis 
gum Stillen Ocean mächtig wehen und das polnifche Element 
ein unfrucdhtbares in jenem UN der Slawen fein. Aber von 
welchen Wirkungen wird es Urfache fein? Der Verf. fagt nur, 
daß ed anders als in der Vergangenheit fich geltend machen 
werde. Er kann es Daher feinen Lanbsleuten nicht verargen, 
daß fie für fih auß feinen panſlawiſtiſchen Ideen Feinen Rugen 
dbjeben. Die ruffifche Herrfchaft ift das Weſen davon, jenes 
AU der Stawen nur eine Art Berfüßungsmittel für ſolche bit: 
tere Medicin zu Sunfen der flawifhen Gefundheit. Wir uns 
ſexerſeits Tonnen den Gedanken von ruſſiſcher Hegemonie deB. 
Slawenthums Feine Unwahrheit beimeflen, denn es ift Wirkun 
der Gefchichte, daß von allen flawifchen Reichen, deren es fa 
unzählige gegeben, allein Rußland zu einem Staate geworben 
ift. Daher iſt dem Gerede von feiner Jrmaqht in den euro: 
yälldhen iſſen, wie in ber Schrift: . 





. 


6, Außland, Deutſchland und Frankreich. Auffchlüffe über. bie 
. zuffifche, Politif. Nach den Rotizen eines alten Diploma⸗ 
ten von Marc Fournier. Bern, Senni Sohn. 1846, 8, 
18%, Rgr. 

bie im Übrigen eine nichtsnutzige Bufammenftoppelung von Ge 

ſchichte und Anekdoten ift, ausgekramt wird, Bein Glaube zu 

ſchenken. Es ift ein mächtiger Staat, teogbem daß der Verf. 
gegen feine Rationalität Ifchoumwanen, Botiaken, Oſtiaken und 

Dergleichen aufmarſchiren läßt. Hat denn der franzöfifche und 

englifhe Staat eine Rationalität, oder auch nur dieſe 

Grundlage? Man Pönnte den tatarifhen Namen ganz er 

liche franzöfifde und englifche zur Seite ftellen. 


7. Deutſche Auswanderung und Coloniſation. Herausge; eben, 
bevormwortet und mit einigen dur begleitet von 
Wappäus. Leipzig, Hinrichs. 1846. Gr. 8. 20 Pr 

Die Abhandlung felbft, welche von dem brafilifchen 

Conſul Sturz in Berlin herrührt, geht von der Anfiht aus, 

daß zerftreutes Auswandern für den Einzelnen ſowol wie für 

deutſche Rationalitäteinterefien nur Schaden bringe; das erſte 

Augenmerk müfle daher dahin geben, ein Gebiet in einem un⸗ 

getrennten Stüde zu erwerben, auf welchem eine Volksmenge 

von wenigftend einer Million binlänglih Plag finde. Nach 

Durdgmufterung der verfchiedenen Länder, wo ein ſolches Un 

ternehmen möglich wäre, ſcheint die Wahl nur zwiſchen Uru- 

guay und Brafilien übrig gelaffen zu fein. Wer würde nicht 
lepteres, welches doc offenbar inehr ein eingerichteter Staat 
if, vorziehen? Auch wolle die brafilifhe Regierung zu Un- 
ternehmungen der Art gern die Hand bieten. In den werth⸗ 
pollen Zufägen ‚finden wir auch noch das ſuͤdliche Chile als em 

Land erflärt, welches viele Vortheile für deutfche Auswanderer 

darbiete. 

Erregt nun dieſe Schrift Ausſichten und Hoffnungen fuͤr 
deutſche Politik, die fie wenigſtens doch noch als möglich vor: 
ausfept, fo benimmt uns großentheils 


8. Deutfchland und die Schiveis. Von Adam von Gurowski. 

Aus dem — dranzöf jhen. Leipzig, Thomas. 184. 8. 

1 Thlr. 15 
allen Muth. * Wautiſcher Geiſt habe ſich der deutſche Geiſt 
niemals offenbart, feit er in der Geſchichte mitzaͤhle; gleichwol 
hege er ein grenzenlofes Selbftvertrauen zu feiner politifchen 
Fähigkeit, und Diejenigen, welche ihn gegenwärtig repraͤſenti⸗ 
ren, feierten feine Infpirationen, weiches auch der Horizont 
ihrer Thätigkeit fein möge. Die Vorübung der Deutſchen für 
dad öffentliche Staatsleben gejchehe in Bierhäufern und Con» 
ditoreien. Dad ift der Kern der Schrift, deren Schale glänzt 
von jenen ruffifhen Hoffnungen, die wir bereits in diefem Auf: 
fage kennen gelernt haben. Der politifhen Schwäche des deut⸗ 
fhen Geiſtes wird die Nührigkeit in der Schweiz als Spiegel 
vorgehalten; Das rechtfertigt den Zitel. 

(Der Beſchluß folgt.) 


Riterarifhe Notiz aus England. 


Lob für Nordamerika. 

Ein aünſtigeres Zeugniß ir Charakter und Inftitutionen 
der Nordamerikaner ift ihnen Baum von einem europamübden 
und freiheitdurftigen Demokraten ausgeftelt worden al& von 
einem ruhigen, in England rühmlichſt und in Deutfchland je- 
denfalls gefannten Seologen, Charles Lyell, in Deſſen „Tra- 
vels in North America, with geological observations in the 
United States, Canada, and Nova Scotia’ (2 Bde, London 
1845). Der Hauptzwedt des Derf. war allerdings Bereiche: 
zung feines Wiffend und feiner Wiſſenſchaft. Doc Hatte er 
auch für andere Dinge ein offenes Auge. Seine Bleifeder nos 
tirte die Eindrüde, welche die gefelligen und politifhen Ber: 
bäftniffe auf ihn machten, und er gibt fie yätmiffe auf ihn machten, und er gibt fie einfach und bi 7 de RT und ehrlich 


Derantmwortliher Herausgeber : 


ee Te BSrockhbausa. — Drug und Verlag von F. X. Wrodhans in Leipzig. 


den 
Dar X5. ni Perg hen gedrängten Bla m 
Borlefungen ihm die Anerkenntniß beisiefen, die om Park 


gewinnt, ſondern ihn auch in feinen geologiſchen Yorke 

auf jede Weile unterflügten, erſcheint dog fein Hk 
be es, das freie Reſultat nn „Slaubens und Dali: 
haltens“ "Diefem ufolge und vorausgeſetzt, daß Breigehigke 


im Stande ift, Wiſſenſ aft, Literatur und Künfte zu Ihafe, 
muß Nordamerika das Land fein, wo bie Schoͤpfungen raif 
edeiben, ber Game reiche Früchte tragen wird. Der Erf 
(and einen dafür fo entſchiedenen Öffentlichen Sinn, dah ey: 
wiß nicht dev Einzige ift, dem Das bei einem Bolke Bun 
nimmt, von welchem die meiften Reiſenden berichten, def d 
neben den üblichen fünf Siunen einen ehesten habe, der fi 
Ber. als jene fei, den Geldfinn. „Richt genug“, heißt eh, „id 
felten ein veicher Eapitalift ſtirbt, ohne einen Theil feines Ber 
mögend 1 w Förderung von Rationalinftituten zu hinterlafe 
warten Biete ar nicht ihren Tod ab, um zu ähnliden Imeda 
wahrhaft fürflige Geſchenke zu machen. “So erwähnt ir 
Verf., daß die Berrrächtniffe und Geſchenke im Staate Rıfz 
chuſetts während der Sobe 30 Jahre mindeftens ficben Ir: 
lionen Zhaler betragen baben, und Maſſachuſetts — nıbrakı 
zu bemerken — hat weniger Ginmwohner und muthmaßlig m 
niger Geld ald das Königreih Sachſen, von jenen unge 
ein Dritte. Spricht Das aber auf der einen Beite fir di 
auch fonft bekannte Eigenthümlichfeit der Amerikaner, u 
heuere Kräfte an die Erlangung fihneller Refultate zu ir 
und weiß man, daß in Kunft und Wiffenfchaft fenel: x 
werthoolle Refultate fih ſchwer, wenn überhaupt, verein,’ 
loffen, fo fteht freilich zu efürchten, daß die guten Leute 4 
überflürgen und bie Treibhauskraͤfte ihrer Inftitute, Unis 
täten und Borfefungen mehr oberflädhliche als gediegene Kere 
niffe, mehr mittelmäßigen ald guten Gefſchmack erzeugen & 
wider ift jedoch auf der andern Seite zu erinnern, daß Zu! = 
zeitweilige Übelftände find, Unkraut fich ausgaͤten läßt un I 
Kräfte zulegt auch den guten Samen zu fruchtfragenben Hr 
zen erziehen werden. Schon Daß ift erfreulich, daß ii Br 
fern in den arbeitenden Claſſen ihre liebſte Erholung eb: 
hören‘ ven orlefungen finden. Beſonders waͤhleriſt —X 
fie freilich nicht fein, denn ein Zimmergeſelle, weichen da I’ 
fragte, wohin er ‘gehe, war auf dem Wege zu ema Er 
lefung über die „Aftronomie des Mittelalters”. Indeſſca *3 
Das immer befler als auf dem Wege in eine Kneipe, und = 
bem Knaben, der ohne Wahl Alles lieſt, was ihm unter ð 
Hände kommt, wird bisweilen ein großer Gelehrte. #r 
demnach Nordamerika die Erwartungen erfüllen, melde ir 
Werk anregt und zu begen berechtigt. 





Literarifhe Anzeige. | 
WeoRftänbig ift jegt erfhienen und durch alle Buchs 
lungen zu beziehen : 


Correſpondenz 
Aaisers Berl V | 


Aus dem Töniglichen Archiv und der Bibliothegue & 
Bourgogne zu Brüffel mitgetbeilt 


Dr. 8, Banz. 


Drei Bände. 
Gr. 8. 1844 — 46, 12 Zhlr. 
(Seder Band 4 TIhlr.) 


Eeipzig, im November 1846. J. A. Brocha u. 





Blaͤtter 


für 


literariſche Unterhaltung, 


Sonntag, 


— Nr. 319, — 


15. November 1846. 





Drientalifhe Literatur. 
(Beſchluß aus Nr. 218.) 

Ganz anders Iautet freilich das Glaubensbekenntniß 
des Hafıs, allein in folgendem Gedichte zeigt er deutlich, 
daf man. fich irrt, wenn man ihn für einen bloßen Pro- 
pheten der Sinnlichkeit halten will, und daß es feinen 
möftifhen Erflärern nicht an Anhaltspunkten fehlt, wenn 
es ihnen auch oft ergangen ift wie den Erklaͤrern des 
„Hohen Liedes”. Sein wahres Weſen zu ergründen und 
ihm in jeder Hinficht die rechte Stelle in der Geiftes- 
weit anzumweifert, wird nur einem genauern Studium 
des Sufismus und des ganzen religiöfen Treibens ber 
Perfer gelingen. 

Bir, Vater Schemfeddin und feine Kinder, 
Wir, Scheih Hafis und feine frommen Moͤnche, 
Wir find ein eig'nes wunderliches Volk. 

Bon Sram gebeugt und ewiger Klage voll, 
Ohn' Unterlaß in unferem Zrauerjo 

Des feuchten Auges heiße Perle ftreuend, 

Und ewig hell und ewig heiter doch; 

Der Kerze gleich binfchmelzend und vergebend, 
Und doch, wie fie, in lichter Wonne lachend; 
Gemordet allezeit von Wimperdolchen, 

Bon Graufamen, die nur nad DBlute dürften, 
Und juft bierinnen unferes Seins gewiß; 
Verſunken in ein Meer von Schuld und Sünde, 
Ganz unbekannt mit den Gefühl der Reue, 
Und fromm zugleich und frei von allem Argen, 
Des Lichtes Söhne, nicht der Finfterniß, 

Und fo ter Menge völlig unbegreiflich. 

Denn diefe Eennt nur dreierlei Naturen, 

Den Frömmler erftlih, den Fanatiker, 

Den finfteren, blödfinnigen Barbaren, 

Den Wuͤſtling ohne Geiſt und Herz fodann, 
Den felbftifchen, unedelen, gemeinen, 

Den endlid in gewohnter Schranke dumpf 
Beharrenden ; für Leute fo, wie wir, 
Gebricht ed ihr an Namen und Begriff. 

Die angeführten Stellen könnten hinreichen, einen 
Segriff von dem Inhalte der von Hrn. Daumer uns ge: 
otenen Sammlung und zugleich von dem ausgezeichne- 
m poetifchen Zalente des Uberfegerd zu geben; denn 
zollten wir alles das, Schöne, was das Werk, in feinem 
Jaupttheile ſowol als in ben Zugaben aus verfchiebenen 
ndern Sprachen (befonders aus der lettifch -Lithauifchen 
zolkspoeſie), enthält, auch nur anbeuten, fo müßten wir 
as ganze Buch ausfchreiben. Nur noch zwei kurze , 


Stüde können wir uns nicht verfagen bier anzuführen, 
im denen ſich die ausgelaflene Laune des Hafıs auf eine 
originelle Weiſe ausfpricht: 
Im Begriff, zu reifen, 
Thu' ich ein Gelübde, 
Werd’ es fiber halten: 
Wird die Huld des Himmels 
Ihre Macht beweifen, 
Werd’ ich wohlbehalten 
Der geliebten Heimat 
Wonne wiederfeh'n — 
Auf der Stelle werd’ ich, 
Meinen Gott zu preifen, 
In die Schenke geh'n. 
Was Hafıs von feinen Liedern fcherzend fagt: 
Horch' hoͤrſt du nicht vom Himmel ber, 
Ein wunderberrlih Muficiren? — 
Du hörft die lieben Engelein 
Hafifens Lieder einftudiren. 
fol nad) der Legende mit zwei DVerfen Sadi's wirk⸗ 
lich gefchehen fein. Als nämlih Sadi in feiner Einfie- 
delei bei Schiras lebte, hörte einft ein frommer Mann 
im Zraume, daß die Engel im Himmel Etwas leife fan- 
gen, und auf feine Frage erhielt er zur Antwort, es 
feien Verſe Sadi's, welche die Engel nun während eines 
Jahres ftatt des täglichen Preis- und Dankgebets fin- 
gen würden. Kaum war er erwacht, fo eilte er zu ber 
Einfiebelei des Dichters und fand ihn eben befchäftigt 
diefes Verspaar aufzufchreiben: | 
Wenn auf der Bäume Laub des Weifen Blick fi richtet, 
Iſt jedes Blatt ein Buch, dad ihm von Gott berichtet. 
Das oben angeführte Stud kann als Probe der Form, 
in welcher ber „Roſengarten“ abgefaßt ift, und ber Über: 
fegung felbft dienen; denn es enthält bie Abmechfelung 


| von einfacher Profa, gereimter Profa und Werfen, bie 
| durch das ganze Werk bindurchgeht. 


Auch aus biefem 
Werke wäre unendlich viel Schönes hervorzuheben, unb 
der UÜberfeger kann feine Arbeit ebenfalls, wie der des 
Hafis, „ein Werk der innigften Liebe und Hingebung“ 
nennen; wir müffen uns aber begnügen, aus dem reichhal- 
tigen Schage nur noch einige wenige Verfe herauszuholen. 
Aus der Abtheilung über Liebe und Jugend: 
Wenn fi meines Herzens Wonne mit dem. füßen Lächeln 


. nabet . 
Streut fie nurnoch mehr des Sale in der offnen Wunde 
Brand 00m 





wm 


Könnt’ ich ihrer Loden Spige einmal in die Hand nur 


aflen 
Wie des Reichen Urmel wär’ es Pi des armen Bettlerd 
and. 


Aus der Abtheilung über die Genügſamkeit: 
Der Reiche ift nicht im Gebirge, ift in ber Wüfte nicht ein 
remder 
Denn überall hat er fein Lager, fein Bei ift immer aus» 
. gefpannt. 
Doc wem das Ziel der Erdenwünſche ſtets unerreichbar ift 
en 
Dur ik im Baterland ein Fremdey, ik in der Heimgt um: 
bekannt. 


Muß auch der Mann ſein Haus und Vaterland verlaſſen, 

Was kümmert's ihn? Iſt doch cin jeder Ort fein Zelt. 

Der Reiche findet Nachts in ſeinem Hauſt de 

Des Armen Haus iſt de wo Nacht ihn uberfällt. 

Iſt's nöthig denn, daß er am eig'nen Heerde fitze? 

Sein ift wo er au geht des Schöpfers weite Welt. 
Aus der Abtheilung über die Derwiſche: 

Sch fige nicht auf einem Thiere, muß auch des Thieres Laft 
nicht tragen, 

Ich bin nicht Herr von Unterthanen, muß nicht im Fürften- 
dienft mich plagen, 

Ich bin nicht mit des Reichthums Sorgen, nit mit der 
Armuth Meth gefihlagen, 

D’rum kann id frei und froͤhlich ahmen, ſorglos des Kebens 
Biel erjagen. 

Die Anmerkungen enthalten neben den nöthigen Er- 
Märungen eine Blumenleſe von Erzählungen und Ver: 
fen aus Sururi's Commentar, zahlreiche Parallelſtellen 
aus Attar's „Pendnameh“ und einige aus Sadi's „Pend⸗ 
nameh“, aus Sadi's „Bolten und aus dem Bude 
„Auwari Sohnili“; von biefem legten nur noch folgende 
treffliche Berſe über die faffchen Freunde: 

So lange fie an deiner Tafel ſchmaufen, 

Bichfk du ſie wie die Bienen dich uubrauſen; 

Doch if in Haus und Hof Bein Vorrath mehr, 

Der Beutel wie ein Geigenfaften leer, 

Siehft du die Liebenden Genoſſen ſchwinden, 

Kaunft von der Freundfchaft Feine Spur mehr finden. 

Sie zeigen wie des Marktes Hunde fi: 

Nur beine Knochen lieben fie, nicht Dich. 


Mit der meine biefer Überſetzungen arabifher und 
yerfifcher Mode verbinden wir noch die einer nach ber 
engtifhen Uberſezung ins Deutfihe überfegten chineſiſchen 
Novelle, die uns einem Müchtigen Blick in die uns noch 
fo wenig genau befannte chineſiſche Welt werfen läßt. 
4. Die biutige Made einer jungen Frau. Ghinefifike Erzaͤh⸗ 

kung. Mac ber in Ganten I8b6 mwfchienenen Ausgabt von 





1846. Gr. 8. 2 Thir. 

Der Inhalt ift einfad, Der Sohn des Profeffors 
Chow ſieht jenfeie der Gartenmauer die Tochter des 
Nachbars, des Capitains Wang; Liche, Gegenliebe, Brief- 


| wechfel, geheime Zuſammenkünfte, tout comme chez 





nous. Durch eine Lift gelingt es dem Herrn Studieſet 
ber fi) Zingchang nennt, fi) mit Einwilligung der alu 
blinden Altern in bem Gartenpavillon. ganz nahe ki 
der Geliebten, welche Keacu Lwan heißt, einzuquartieren, 
Nah allerlei Schwierigkeiten erfolgt eine geheim: In 
rath, da eine öffentliche bei dens Adelsſtolz ber Famiit 
Wang nicht möglid, ift, und dazu bedarf es in Chin 
nicht einmal eines Schmiedes von Gretna⸗Green, fondem 
blos einer gefälligen Tante, welche eine Abfchrift du 
im Schlafzimmer gefchriebenen Contracts an fi nimmt 
und dann den Liebenden gute Nacht wünſcht. Profeffe 
Chow wird bald darauf zu einer andern Stelle in an 
entlegenen Stadt befördert, fein Sohn findet aber Ri: 
tel und Wege in feinem Gartenpavillon zu bleiben; nad 
einiger Zeit fühlt er jedoch eine lebhafte Sehnſucht fe 
nen Vater vwiederzufehen, nimmt einen rührenden X: 
fhied von ber Geliebten und — kehrt nicht wieder. Rt 
den Poftverbindungen fiheint es im Weiche der Bit 
noch fehr im Argen zu liegen, denn es vergehen Is 
ehe es dem Fräulein Keacu Lwan gelingt, genau zu e 
fahren, daß ihr Zreulofer mit einem xeichen Mika 
der Provinz, wo er fi nun aufhält, verheirathe d 
und als ein guter Familienvater die frühere Gelich 
längft vergeften bat. Bei diefer ſchrecklichen Nachtet 
befchliegt fie blutige Mache zu nehmen; fie bringt ik 
trauriges Schickſal in Verfe und erhängt ſich hun 
nachdem fie zuvor — mas einem europäifchen Nitan 
nie einfallen würde — ihre ganze Liebescerrefpenin: 
nebft dem Heirathecontract am bie Gerichte ber Proxe: 
ihres Geliebten eingefandt hat. Der unglückliche im 
hang wird ins Gefängniß geworfen und erhält verinz 
50 Streihe wit dem Bambus; nach genauerer Inte: 
fuhung der Sache geruher dann Se. Ercellenz da Net 
Genfor Fom zu befehlen, daß er zu Tode geprügelt mr 
was die Gerichtsdiener mit ihren Bambusftöden io dr 
rig vollziehen, daß die Stücke des Körpers in der dik 
umberfliegen. Bemerkenswerth iſt noch, baf in Chin 
wie es feheint, die Liebenden eine große Fertigkeit haba 
ihre Gefühle in Verfen aus dem Seegreif auszudrude 
wobei es ihnen auf ein Dugend mehr ober went 
nicht anfommt. . 

Daß der deutſche Überſetzer wohl darau gethan bi 
fi fireng an die Ausdrücke des Originals oder vieimt: 
der englifchen Uberfegumg zu binden, und „Sag für 24 
zu übertragen”, wagen wir zu bezweifeln. Gefiid 
konnte er nicht wiffen, ob er überal dem Chinefiſca 
und nicht vielmehr nur dem. Gnglifchen tren klick 
dann war es doc ber Berſtaͤndlichkeit wegen cft a 
zwungen chinefifehe Bilder ober Anfpiefungen zu al 
son und amf europälfcke Weiſe zu parapbrafisen, 86 


| eusopäifche Namen umd Aucdrücke zu gebrauchen, m 
überiegt van Adolf Pättger. Leipzig, Iucany. | 


bei es ſich fenderbar genug ausnimmt, wenn Keacu fru 
am. ihren Geliebten fehreibs: „In diefem Leben kim 


| wir nur platonifch Vruder und Schweſter fein“; mc 


wenu fie vom Habes ſpricht, bee allzu europäide 
Tel Capitain, Profeffor u. f. w. nicht zu gedere 
Gadlich I doch das chinefiſche Driginal abwechſelad a 





Preſa und Verſen yefihrieden, in der Ibesfegung finden 
wir aber nur Proſa; Gedichte in proſaiſcher Uberſetzung 
innen aber hoͤchſtens als Hülfsmittel zum Studium 
des Originals gelten, auf ben Namen einer eigentlichen 


Überfegung der Poeſie kann nur Poeſie Anſpruch ma- 
hen. Eine freiere Bearbeitung mit Übertragung ber 
Berfe in Verſe hätte unferer Anficht nach dem Ganzen 
Richts von feiner Eigenthümlichkeit geraubt, ja Diefe im 
Begentheil beffer bewahrt und dem Lefer noch mehr 
Benuß verfchafft; auch hätte die engliſche Schreibung 
er chineſiſchen Eigennamen füglich In die nach beutfiher 
Insfprache übertragen werden follen. Ob die Erzählung 
ine fo prachtvolle Ausftattung verdiente, wie fie der 
Berleger derjelben hat zu Theil werben laffen, wollen 
vie nicht entfcheiden. 108. 


— —— — — —— — — — 


Zur Tagesliteratur. 
( Beſchluß aus Nr. 318.) 


Glimpflicher geht mit uns um: 

. Die Deutſchen und die Franzoſen. Von einem Beangofen. 
Deusfch von Georg Mupl. Karlsruhe, Bielefele. 1846. 
8. 25 Nor. 

Ja, wir erfahren (follte es nicht von einem nur Franzi 
iſch redenden Landemanne fein?) recht derbe Wahrheiten. Ein 

Rationalgefäht fei und zu einer Beit förmlich angelehrt und 

Mgepredigt worden; eine unferer größten Verirrungen fei ein 

bertriebener Nationalftolz, gegründet auf die behauptete reine 

raanifche Abluft. Die heutigen Deutſchen betrachteten ſich 

[6 bie Repräfentanten und direcien Racylommen ber germani⸗ 

hen Völker; da Fi nun aber dieſe Völker über ganz Europa 

erbreitet, fo gäbe es natürlich Bein Land, aus dem man nicht 

Has von diefer Erbfchaft erholen könnte. Der germanifche 

ubm fei allenthatben wo man ihn fände, ein But der Deut: 

; alles Große in allen Ländern habe nach Meinung der 
xutſchen der deutſche Geift vewirkt. Die Ratienaleinheit fei 

u eine Idee der Schule; Der Geſchichte gemäß feien Die Deut- 

ben von Anfang an polisifch getrennte und unter verichieber 

m Herrſchern ſie hende Völderihaften geweſen; für den Zweck 

er Schule ſei es nur gut geweſen, die von ihr gefchaffene 

u Nation als Die Erbin der alten Kaifer zu betrachten, dis 

var nach außen, in der Ferne, ein mehr oder weniger aner- 

mis Anfehen geübt, im Innera aber immer nur neminel 

Meien mären. Tbar jenem eingebildeten Erbſchaftsrechte ge 

Ü foberte man, je nach Appetit un® Laune, CHaß, Lothrin⸗ 

M, die drei Bisthümer Metz, Toul, Verbun m. ſ. w., man 

nnie jedoch ebemin vechtmäßig mar der Schweiz, Gavoyen 
f m. verlangen. Indeſſen begnügte man ſich zulegt mit 

lagen und Beichwerden, und es wäre in Deutſchland allge 
in berrfchende Annahme, das gemeinfame große Vaterland 

b das durch habſüchtige und falfche Nachbarn unabläffig be 

übte Schlachtopfen anzufehen. Uber fsien denn Die, die 

chleſien, Böhmen, Mähren erobert, die ſich bei der Thei⸗ 
ng Polens zwei Theile angeeignet, der Spielball und das 
hlachtopfer treufofer Nachbarn? Spiele derm dad Land eis 
beklagenswerthe Ralle, welches Ungarn, Siebenhürgen, Kroa- 

8 und Dalmatien hinter fi) hesmazfshiven lafle, und welches 

nen Fuß auf der Kehle ded fchänen Italiens haltet Beſon⸗ 

6 auß zwei @rfcheinungen ſchließe mar, daß das deutſche 

mens berufen fei, dem Geſchicke Eurepas ame neue Richtung 
Beben, und zwar exftend aus dem Ercigniſſe der Reforma- 

9. Über vor Luther habe es lange verher Reformatogen ge: 

ben (Albigenfer, Waldenfer, Hug); und dann fei das Pein⸗ 

der freien Prüfung der Vernunft durchans Beine Kchre Zur 
er's; es hätte fich gebildet, als ſchon fehr weis von ikm und 





feiner Üeformetiom entfernt in ganz andere GBeunblagen ber 
Gntwidelung bes Weiß überhaupt übergegangen wire. Endlich 
fei aber auch gerade der gebfite Theil der Laͤnder, wo das ger⸗ 
manifhe Blut fih am reinften erhalten, katholiſch geblieben 
und der Proteitantismus habe fi zuerft in Böhmen und in 
Rorbdeutfchland feſtgeſetzt, nicht weil die Voͤlkerſchaften daſelbſt 
Zunge ‚gewefen wären, fondern weil fie der großen europäis 
ſchen on weniger gleich, mit Einem Worte, weil fie weni⸗ 
ger katholiſch geweſen. Luther habe mit der Meformation nur 
politifche Folgen für das politifche Deutfchland, wie e8 damals 
war und nur fein Fonnte, d. h. für die Fürſten, erwirkt; für 
das Volk habe er getban, was man für daſſelbe hätte thun 
Eönnen, und Das fei etwas Großes gewefen; er habe eine Na- 
tionalerziehung gegründet, worin ber Keim der Nationateinheit 
[don enthalten gewefen. Dad zweite Product, welches die 
Deutſchen als ein ganz befonder6 nur ihnen allein angehöriges 
Rationalgur anzufehen beliebten, aus welchem fie fi einen nur 
ihnen zukommenden Ehrentitel machten, der bis jept norh nicht 
recht nach dem Geſchmacke anderer Völker gemejen, wäre Die 
Philoſophie. Man müſſe bier aber nicht bloße Spiteme Ein⸗ 
—* ſich denken; die Philoſephie liege in Deutſchland gewiſ⸗ 
ermaßen in ber Luft; es ſei ein Ganges von Ideen, von Geis 
ftesgewohnbeiten, die man, um fie zu wiſſen, gleichjam mit 
fid verkörpern müffe. Uber daher fei auch nur das Streben 
nad) Principien das Weſentliche bei der Sache, und diefes fange 
feit Hegel an fi mehr und mehr der Herrichaft des Prakti⸗ 
jchen zu nähern, dem wirklichen und gefchichtlichen Leben; bie . 
Philofephie werbe dermaleinft in Deutfchland nidyt mehr fo na⸗ 
tional und eingebürgert fein, wie fie es heutzutage wäre. Eine 
wirkliche Nation hätten die Deutſchen nie ausgemadyt und ale 
folche Leine Wirkung auf andere Volker ausgeübt; und wem 
die deutfchen Patrioten Diefed beflagten, fo müßten fie zuge: 
ben, daß, wenn bie deutfche Ration wirklich als Eine begruͤn⸗ 
det worden, fie ganz gewiß nicht das Deutichland geworden 
wäre, welches ſie lieben und beivundern, ihr Deutfchland, wie 
ſie es hätten und haben wollten. Die Deutfchen wären Prar- 
zoſen geworben, Grfcheinungen eines moralifchen Gentralifation, 
während Deutichland ein Aggregat Fräftiger Individualitäten 
fei, welche ihre Role würdig fpielten; aber — mehr zu Haufe, 
in der Familie, bürgerlich; der adelig gefinnte Franzoſe brauche 
Repräfentation, Offentlichkeit. Frankreich Aufgabe fei es, 
Repröfentativregierungen in Europa einzuführen und freifinnige 
been darin zu verbreiten Run gut, aber wenn bie franzs- 
fiſche Repräfentation dem deutfchen Bürger, jener Präftigen In- 
dividualität, nicht recht zuſagte? Wenn er fih nur getäufcht 
hätte, als er nach der glaͤnzenden Seifenblaſe franzoͤſiſch zuge: 
ſchnittener Conſtitutionen ſo begierig gegriffen und nun die 
Früchte des Tantalus ihn neckten, an den Füßen zum Gehen 
gefeflelt? Do Diefes fell uns bier wenigen interefiizen. Wir 
wollen nur noch ein paar Worte wegen der behaupteten Eia- 
trichterung des Nationalgafihle hierherfegen. Kat der Verf. 
vergeſſen, daß die engliſche Invafion das Teanzöflfche Rational 
gefuͤhl fo munderbar und ihm fo munderbare Kraft 
und Sieg verliefen, als «6 die frangöfifepe mit dem deutächen 
gethan? Das ift der Kreißlauf der drei Nationen; es ift nur 
der Unterfchied, daß das deutſche Nationalgefühl das jüngfle 
der Geſchwiſter ift, erft ein Menfchenalter alt. Und dach wie 
vollkommen da! Mag es alfo gekommen fein von wo es Wolle, 
genug, e6 if ba. Freilich hat es cinen harten Kampf gegen 
mälhtige Kronen und Negievungen, die dem franzöfikchen nicht 
entgegenfhanden ; feines einzige Waffe, fein Königthum, tft die 
Preſſe; und doch, Kat die aicht, fo gebrüdt fie felbit if, den 
Bunbesbefchluß in der fchleswig : boffteinifchen Sache ergeugt ? 
Das hat fie fo gewiß als in England tie Antie Corn⸗Law⸗ 
Meetings den Peel'ſchen Bolltarif. Warten wir alfo ab, ob 
jenes KRönigthum der Dernenkrone durch das fih an bailelbe 
anichnende Natienalgefuͤhl die firahlenden Kronen der Macht 
nicht noch zu mehren dewtihen Handlungen beivegen werde, 
zur Geltendmadung um Wirkſamkeit der neuen Nation. 


1276 


Wenn nun indeß zwar Zabel, aber doch Beinen lieblofen, 
und die legterwähnte Schrift eines angeblid Fremden ge 
bracht, fo finden wir in einer beutfchen: 


0. Zouriß e und unpolitiſche Fahrten und Abenteuer von 
arl Hein gen. Zwei Bände. Manheim, Hoff. 1846. 
8 1 Thlr. 15 Nor. 
nur offene Verachtung der deutſchen Hundeftaaten. Wohl denn, 
mag der Verf. in der Fremde Löwenftaaten finden! 


B- Marquard. 
Bibliographie. 


Diplomatisches Archiv für die deutschen Bundesstaaten, 
grösstentheils nach officiellen Quellen, mit erläuternden An- 
merkungen herausgegeben von A. Miruss. Ister Band in 
2 Abtheilungen. Leipzig, Renger. Gr. 8. 8 Tblr. 

Bibliotheca historico-naturalis. Verzeichniss der Bücher 
über Naturgeschichte, welche in Deutschland, Scandinavien, 
Holland, England, Frankreich, Italien und Spanien in den 
Jahren 1700 — 1846 erschienen sind. Von W. Engelmann. 
Ister Band: Bücherkunde. Hülfsmittel. Allgemeine Schrif- 
ten. Vergleichende Anatowie und Physiologie. Zoologie. 
Palaeontologie. Mit einem Namen- und Sachregister. Leip- 
zig, Engelmann. Gr. 8. 3 Thlr. 2) Ngr. 

Bretzner, C. F., Das Leben eines Liederlihen. Ein mo» 
raliſch⸗ſatyriſches Gemälde nad Ehodomiedi und Hogarth. Neu 
herausgegeben von 3. Fund. Ifter Theil. Ingolftadt, Fromm. 
1847. 8. 20 Rer. 

Cecil oder Abenteuer eines Hafenfußes. Nach dem Gngli: 
ne von Amalie Bölte Ifter Band. Deffau, Aue. 8. 

ir. 

Dünger, H., Die Sage von Dr. Johannes Fauſt. Stutt- 

Gr. 16. 16 Nor. 
Frid, Ida, Kobetterie oder Kern und Schale Roman. 
Drei Theile. Dresden, Arnold. 8. 3 Thlr. 9 Nor. 

Huſſen's legte Tage und Feuertod. In Sendbriefen von 
Pogrus an 2. Nikolai. (Erſtmals gedrudt 1523 zu Eoftnig.) 
Reutlingen, Heerbrandt und Ihämel. Gr. 8. 2 Rgr. 

Jacobi. C. G. J., Mathematische Werke. Ister Band. 
Berlin, Reimer. 4. 4 Thlr. 

Kennedy, G., Dunallan. Aus dem Englifchen überfept 
von ©. Plieninger. Bier 1 2te Auflage. Reutlin- 

r. 





gart. 


gen, Mäden Sohn. Br. 12. 

Koh, K., Wanderungen im Driente während der Jahre 

1843 und 1844. IT. Meife im pontiſchen Gebirge und türfi- 
[hen Armenien. Weimar, Landes-Induftrie-@omptoir. Gr. 8. 
2 Ihle. 7%, Nor. 
WLengerke, A.v., Beiträge zur Kenntniß der Landwirth⸗ 
(haft in den König. Preuß. Staaten. Ifter Band. Beobach⸗ 
tungen auf landwirthſchaftlichen Reifen. Die Provinzen Sach⸗ 
fen und Schlefien. Berlin, Veit u. Comp. 8. 2 Thlr. 22), Nor. 
.  Ludovic, C., Flüchtige Bemerkungen auf flüchtiger 
Reise. Dresden, Arnold. 8. I Thir. 15 Ngr. 

Marl, P. T, Das Stammſchloß Hohenzollern, feine 
Gegenwart und Bergangenheit. 
15 Rar. 

Mayr, A., Übersicht des Weltsystems. In zwei po- 
pulären Vorträgen. Würzburg, Stahel. Gr. 4. I Thlr. 

Moore, T., Laleh⸗Rukh. Eine romantifhe Dichtung aus 
dem Morgenlande. Nach dem Englifchen bearbeitet und mit 
Anmerkungen begleitet von Wollheim. Hamburg, Schuberth 
u. sony &r. Fu 1 er 

üller, ©. A., Statiftifches Jahrbuch für 1846. Leip⸗ 
sig, Hinrichs. Gr. 8. 1 Zhle. 20 Nr. pp 

Neumann, 2.G., Gedichte. Wien, Haas. 8. 22Y, Rgr. 

Dettinger, © M., Ioujour. Humoriſtiſch: fatirifches 
Refecabinet. Iter Band. Mit 49 Karikaturen. Leipzig, Ph. 
Reclam. 1847. 8.8. 1Thlr. 15 Rgr. 


Hechingen, Egersdorff. Gr. 8. . 


Ree, H. P., Forſchungen über die überſchriften ber Yet 
men. Leipzig, Beigihe. 8. 24 Rar. 

Roth, D., Der Pfarrhof zu Kleinſcherk. Vaterlaͤndiſche 
Erzählung aus dem Unfange des 18. Jahrhundert. Hermann: 
ftadt, v. Hochmeifter. 12. 15 Rgr. 

Schattenfeiten der öftreichfgen Staatsverwaltung und ge’ 
[eufoafttigen Zuftäande. Hamburg, Hoffmann u. Campe. 8. 
‘ r 


& ell, F. J. Lehrbuch der chriftlihen Religion nad) deutf- 
Batholifchen Grundfägen. Leipzig, Einhorn. Gr. 8. 1 46. 
Schleiermacher's chriſtliche Lebensanſchauungen, in ei⸗ 
ner Bluͤthenleſe aus feinen Kanzelvortraͤgen für die Gegenwart 
dargebracht. Bon U. Baur. eimar, Landes: Induftrie-Eom: 
ptoir. Gr. 8. Ihlr. 10 Nur. 

Schleifer, M. 2., Gedichte. Peraußgegeben von 8. 8. 
Kaltenbrunner Wien, Haas. 1847. 8. 2 Ahle. 

Schubar’s, 2., gefammelte Schriften. Iſte Lieferung: 
Myfterien von Berlin. Zwei Bände. — &t. Zruyen. Ami 
Bände. Berlin, Heymann. 8. 1 Thlr. 10 Rear. 

Urania. Taſchenbuch auf das Jahr 1847. Reue Role. 
Gter Jahrgang. Nebſt dem Bildniffe Berthold Auerbachs. 
Leipzig, Brockhaus. 9. 2 Ihr. 15 Xgr. 

E kauſcheres Vergißmeinnicht von den Zouriften I. Hy 
rius uf feine Ercurfion im Lande der Weftphalen. Iftes Het. 
2te Auflage. Minden, Eßmann. 12. 3 Rgr. 

Verhandlungen der 8. Verfammlung deutfcher Philologen 
und Schulmänner in Darmftadt, den 1— 4. Dctbr. 188. 
Darmftadt, Lange. 4. 1 Zhle. 5 ar. 

Gemeinnügiger Volks⸗Kalender für das Tahr 1847. Ita 
Jahrgang. Reuhaldensieben, Eyraud. 10 Rear. 
Boblm uth, 2., Gedichte. Leipzig, Grunow. Gr. 16. 


r. 

Wolff, D.2.B., Der Kampf der Franzoſen in Algerien 
Gine hiftorifche Skizze. 2te bis auf die Gegenwart vermehrt 
Ausgabe. Leipzig, Xeubner. Gr. 8. 1 Zplr. 


Zagesliteratur. 


Bachmann, C. F., Über eine Schattenseite unserer 
Literatur, und über die Bestimmung der Universität, nach 
dem Statut der Universität Jena. Zwei Prorectoratsreden. 
Darmstadt, Leske. Gr. 8. 7%, Rgr. 

Epriftern, Politiſches Album für Schlesroig » Holfein. 
Vollftändige Sammlung der Actenftüde, Petitionen und Aberf 
fen in der Schleswig » Hoffteinifhen Sache. Hamburg, Ri: 
meyer. 12. 8 Rgr. . 

Denkſchrift über das Übungslager bei Augsburg vom *. 
Aug. bis ð Sept. 1846. Mit bayerifchen Volks⸗ und Kriege 
liedern von A. Adam, F. Berg und Andern und einem Plant 
des Lagers. Augsburg, Schloſſer. Gr. 16. 3%, Nor 

‚ Sögen, Pfaffen und Chriſtus. Eine Anficht über das hie 
ftorifche Chriſtenthum und den biftorifchen Ehriftus. Aus den 
Papieren eines Theologen herausgegeben von einem feiner Freunde. 
Darmftadt, Lese. 12. 12%, Ror. 

Kaifer, 3. F., Gedicht zur feierlihen Enthüllung de 
Monumentes Kaifer Franz I. Wien, Lechner. Gr. 8. Rgt. 
Rom, Iefuiten und NRedemtoriften. Gin Gendihreiben 
an die Redaktion der hHiftorifch > politifchen Blätter von einem 
ihrer 2efer. Münfter, Iheiffing. Gr. 8 7%, Nor. 

Schuller, 3. K., Der Freiherr Nicolaus Weffelenyi, I. 
be Gerando und die Sachſen in Siebenbürgen. Apologetiſche 
Bemerkungen. Hermannſtadt, v. Hochmeiſter. 8. 6 Kar. 

Uhlich, IT Säge in Bezug auf die Verpflichtungsfermel 
proteftantifcher Geiftliher, ausgegangen von der Synode iu 
Berlin 1846. Wolfenbüttel, Holle. Gr. 8. 10 Rgr. 

Wilke, F., Bur richtigen Würdigung eines Sendſchrei 
bens des Drganiften ©. Gerlach und Beleuchtung der Schmoͤ 
fchrift des Dom -Drganiiten ®. Baake. Hamburg, Schubert 
u. Eomp. Gr. 8. 8 Kor. 


Verantwortliher Deraudgeber: Beinrich Brockkaus. — Drud und Verlag von F. X. Wrodbans in Leipzig. 











Blätter, 


literarifde 


für 


Unterhaltung. 








Die neuefte Literatur über Rußland. 
Zweiter Artikel. 
Rußland erfcheint unferm neue Treibhauſe bes 


leidigen Literatenthums, das unfere Literatur und unfern - 


Buchhandel zu Grunde zu richten droht, ein fruchtbares 
Miftbeet zur Erzielung von Probucten aus altem und 
frifhem Samen, die zum Theil fchon welt aufgehen und 
zum Theil einen widrigen Beigefchmad haben. Wir 
ſehen bier fünf Schriften vor uns von ziemlich gleicher 
Tendenz, aber fehr verfchiedenem Werthe: Ä 
5. Denkwürdigfeiten und geheime sejhiäten bes petersburger 
Hofes. Leipzig, P. Nedam jun. 1845. 8. 1 Ahir. 23%, Nor. 

6. Ein Jahr aus Urfula’s Leben. Bon E. Schellenberg- 
Biedermann. Mit IS Tithographirten Abbildungen. Win: 
terthur, Literarifches Eomptoir von Hegner sen. 1845. 8. 
1 Zhlr. 34 Nor. 

. Die weiße Sklaverei, oder die Leibeigenſchaft in Rußland. 
Bon dem Berfafler des „Enthüllten Rußland”. Drei Theile. 
imma, Verlags : Comptoir. 1845 — 46. 8. 4 Zhlr. 

gr. 

8. Neifeabenteuer in Georgien, Girkaffien und Rußland von 

&. Poulett Cameron. Frei nad dem Englifchen von 
— Se ftäder. Zwei Bände. Dresden, Arnold. 1846. 


. Ihlr. 

9. Moskowiter und. Iſcherkeſſen. Skizzenbuch aus dem Ruffi- 
ſchen des Hamar-⸗Dabanow. 8wei Theile Leipzig, 
Weber. 1846. 8. 2 Chlr. 


5. „Denkwürdigkeiten und geheime Geſchichten 
des peteröburger Hofes“ koönnte füglid den Titel füh- 
ven: „Das öffentliche Geheimniß ıc.” . Was fich hier 
findet ift von Peter I. bis auf Kaifer Alexander oft 
wörtlich aus den zu wenig beachteten, größerntheils au- 
thentifchen Berichten genommen, die bereit6 1809 unter 
dem Zitel „Rufliihe Günſtlinge“ erfchienen, fowie von 
dem nämlihen Verfaffer (einem ehemaligen Arzte in 
ruſſiſchen Dienften) „Das Leben Peters III.“; und 
wo dem Derfaffer diefe Quelle verfiegt, d. h. nach dem 
Tode Katharina’s II., wird er unvollfländig und ver⸗ 
mischt Wahres mit Falſchem nad) befannten Gerüchten, 
Befonders was die Erhebung Polens und die Empörung 
bei der Ihronbefleigung des Kaiſers Nikolaus betrifft. 
Übrigens ift bie Zufammenftellung nicht ungeſchickt und 
das an ſich unbebeutende Machwerk läßt fih ziemlich 


*) Bergl. den erſten Artikel in Re A— Id. U.  — D. Wet, 





Br R db bi dr S von Pul- 
tawa) —X —— mit geofem Erfl Ar? 


gebietende aufsutreten, fo warb ihm unter ber kurzen 
Regierung Katharina's I. auch die Gelegenheit gebeten, buch 
dad am 5. Ayguft (1726) mit Hſtreich geſchloſſene Bündniß, 
welches vom wiener Hofe allerdings gefucht wurde, fein Ge 
wicht in die Wagfihale der Geſchicke des europaͤiſchen Südens 
zu legen. Das deutſche Kaiferhaus glaubte damals andere 
Garantien für fein Beftehen, für den Befig feiner Lande zu 
bedürfen als ihm das beutfche Reich zu gewähren vermochte. 
Die im Rorden raſch emporgelommene Macht der Zaren ſchien 
ihm eine erwünfchte Stüge, und von diefem Buͤndniß fing der 


ß an, fi in allgemeinen politifchen Uingelegenheiten un 
ſers Erdtheils geltenb zu machen. | 


6. „Ein Jahr aus Urfula’s Leben” enthält harm⸗ 
lofe Briefe einer jungen Schweizerin auf einer Meife 
über Petersburg nad Moskau an eine Freundin in 
Schwaben, voll naiver und Iebhafter Schilderungen rufe 
ſiſcher Erfcheinungen, Sitten und Gebräude, mit 18 
von ber Brieffchreiberin felbft gutgezeichneten Lithogra⸗ 
phien veranfchaulicht. Die Reife ging mit einem Oheim 
und feiner Gattin von Travemünde aus auf dem Dampf- 
fiffe, und zwar fo fehnell, daß nur zwei Tage in Pe⸗ 
teröburg, welches auf den naiven Mäbchenfinn, einen 
großartigen günfligen Gindeud! machte, verweilt wurde. 
In Moskau fand unfere Reifende die zärtlichfte Auf 
nahme in ber Familie eines Freundes ihres Waters, det 
hier nad) allen Andeutungen in glänzenden Berhältniffen 
lebte; in welchen erfahren mir nicht, ja fonderbarermeife 
nicht einmal die beftimmte Jahreszahl dieſes bebeutenden 
Lebensjahres. Wir müffen fie aus ‘den geſchichtlichen 
Andeutungen entnehmen. &. 45 fehen wir bie Vor⸗ 
bereitungen zur Krönung des Kaifers Nikolaus im Kreml 
treffen und wohnen auf der folgenden Seite dem Volks⸗ 
fefte bei, das der Kaifer bei diefer Gelegenheit gab. 
Dies war alfo im Sept. 1826. Danach umfaßt aber 
dies merfrwürdige Lebensjahr drei gewöhnliche; denn &.200 
wohnen wir dem Ginzuge des perfifchen Prinzen Kosrew- 
Mirza und den Feften bie ihm gegeben wurben bei, 
und es war im Auguft 1829, daß Dieſer den Todtſchlag 
der ruffifchen Geſandtſchaft in Teheran zu verfühnen 
nad Moskau kam. Im Ganzen , bietet, ſich uns bier 


— — 











ee 75 


ein heiteres Bild des rufftfchen eebens dar, wie wir es 


jegiger Zeit nicht gezeichnet zu finden gewohnt find, und 


felbft die verrufene moskowitiſche Natur bot, als fie ſich 
zu Frühling und Sommer geflaltete, dem Alpenfinde 
manchen weizenben Bermf. - So Kfen wir ©. 139: 


: Rob ſcheint wur zwei Zahredzeiten/ nur Mint und 


Sommer, zu habens denn Frühling und Herbſt eilen ſchnell 
dahin. Um jenen zu erhaſchen mus man ſich auf bie Lauer 
ftellen, und wer in der Mitte des Maimonatd in den Bim- 
mern feftgehalten wird, für Den gebt er verloren: er tritt 
am aus des Winters Schnee und Eid in des Sommers 
—* te Gebuüͤſche. Wer dieſen zu erhafchen verſteht, fühet 
Heute im leichten Schlitten und übermorgen pflüct feine Hand 
Garten eine Bliıme. ni em mit 
warmem Regen begleiteted Donnerwetter diefe fchnelle Berän- 
derung. Bin fotches erſchien geſtern Morgen; am Nachmittag 
war das Schneegewand verſchwunden und am Abend endet 


ich fon zarte Blüten an den Knospen der Birken und eini: 


ger flott eenden Sträudyer. Heute find Spargel (bekanntlich 
m Moskau von feltener Größe und Burtheit) fichtbar und Blu⸗ 
men mancher Wirt prangen im Garten: ich athme ihren Duft, 
und um den blühenden ſpaniſchen Flieder flattern Schmetter 

Unge, Me Bienen funmen, Srasnüden und Rachtigallen er: 
fülen die Luft mit ihrem Gefange, fie ift da die Dauerlofe Er⸗ 


Theinung des Beählinge in ihrer ganzen Schoͤne, in ihrem 
hochſten Sem 


de, wm fon in wenigen Tagen dem Sommer 
zu weichen. 
. Und 8 204 bietet ſich uns folgende reizende 
Scene bar: 


Bulella (eine fange ſchone Perſerin) war hier. Der ſchoͤne 
Tag lodte und mit Hrn. P.. (dem Hautherrn) eine Spazier⸗ 
fahrt nad) dem prächtigen Sorten der Gräfin Orloff zu madıen. 
Der grüne Hain nahm uns auf und fein —5 Schat⸗ 
ken, der Sehng 1 Teitver —— — bot und e 


am. be Beüde N ** 
einen —— —** —— wir zu * 
Tempeln, Stand 


Lu in bewaldeten Hügeln, * 
Ihellen Zeichen, welche ihre herrliche Umgebung in reizender 
rien Stung —— und in denen ſich Em chwãne und 
e Enten adeten. Mir war als hätte ih noch 
ui wie en jenem Gilden Sommerabend die Ratur m fel- 
der Üppigkeit gefehen, nie fo feurig Die e Blumen, nie fo un 
vergleihlih ſchön die Ausfiht vom Gperlingsber Berge 
ungeheuere Moskau ſchien ſich in buftiger Ferne gerfierhaft 
verlieren; Baum erfannte man da und dort feine Ten nm 
matten —— beleuchteten (Birken, fubechaft trat der Ken 
wit. feinen Kirchen und Qurmen hervor, glei a ak ‚m 
deu Luft glängten ihre Kuppeln und Kreuze, malerifch ſchlä 

elte fi der Nice mit gen bededte Moskowafluß (e) 
ie Sau) am —3 bed Berges gegen die ferne Stadt hin. 

Um jenfeitigen Ufer fah man weidendes F erblickte man 

in Sau eine daß von Bäumen befranzte Juugfern 
geine taiſerliche Gegichungsanftalt) und foemmplice, iden 
und Ahorn beichattete Hütten. In der Abficht, den Überblid 
diefer wahrhaft feffenden * t noch einmal gu genießen, 
% mackvolle us am nord: 


fen Bad * ße ſi 







nd fnften i in tie in 
y und ihr — in * u 
Dieſer Gottesdienſt im Freien an * m ſelchen Abend, 

vei diefem Simmi, dieſer Sonne war ganz "edgnet, dr 


⸗ 


— Will⸗ 





& 


und Seele zur Mitfeier einzwladen ... Endlich mußte der Kit 
weg angetreten werden, auf welchem , unfer Fremd Yelaantı 
üntraf, mit denen er fi unterhielt.” Wir Mädchen verloren 
uns unterbefien gern im Rachtigallenhain, wo uns aus Yıf 
trag der Befigerin dieſes Baubergartend herrliche Blumen m) 
Fruͤchte geboten wurden. fa, welge ax erſern bein 
ders Wohkefallen fand, ſtexkkte Rühende Nefen in ihte dantıı 
Evenskind von den Fruͤchten aufick, 
von welden ich genafcht hatte, gleich einer Nymphe des Hans 
meinen Bliden entſchwunden. Vergebens barrte ich ihrer Rit- 
kehr, fie ſuchend ging ich weiter. und blieb dann plöplid we 
feftgewurzelt ftehen; denn in einem Rundtempelden, nicht fe 
vom mic, erblickte ich das bekraͤnzte perfifche Kind, erbli 

Zuleika gleich einer Braut an der Seite des firluihen in 







Haare und war, als ich 


mr Kosrew⸗Mi waren meine 

lauſchen! Sch ſchlich mich immer näher, es war keine ir 
[hung ; wenn ich auch die perfifhe Sprache nicht verftond, ' 
hoͤrte ich doch feufzen, ſah die beredten Blicke, ihr Händel 
aber die Trennung ſchien nahe und ich feplüpfte wie das Kit 
Gewiſſen zu meinen Fruͤchten zurüd, wohin Zuleika mir a: 
bald folgte. Sie ſtog an mein Herz mit dem Ausruf: „& 
iſt gerettet!” „Wen wmeinft du?” frug id mit we 
ſtelltet Meugier. „Ben bemußten Frrumd, Water ver ı® 
Kindern, welcher wegen einem (eines) Dienftfebter(s) ercbamt 


j wurde. Der eble perfiihe Fuͤrſt will ſich für diefen bıem 


Dffigier beim ruffilchen Kaiſer verwenden und glaubt ki: 
Kehitte zu thun“, fagte Zuleika bewegt. Ich theilte 4 

nd machte mir im Stillen Borwuͤrfe, ſolche Im 
mißfannt zu haben. 

Selbſt der firenge Winter war für unfere Shaw 
zin nicht ohne Reiz, wenn Gefilde und Wald fenam 
im Demantglanze funkelten. Die Sprache finden m 
in. diefen harmlofen Blättern ziemlich rein und nur id 
ten trifft man auf ein „bei Haue⸗ und aͤhnlidei 
Schweigerdeutſch. 
(Die Beortfenung Pigr. ) 





Stimmen über die Schiller : Bnetin chen —XXR 
vom Jahre 1 
Bor kurzem machte, von der „Kölniſchen Zeitung“ ws 
gehend, Die Kunde von dem nunm Pe fung 
rigen Zubiläum der Schiller » Goethe'ichen „Zenien‘ die KEN 
dur die fämmtlichen deutfchen Blatter. Ein literariſches 3 
bildum! Grinnerungsfefte diefer Art find bei uns zu Hart - 
au In — — uten 74 Hm man zu fag —* 
ge en Deutſchland — jo ſelten ge en, DR 
zime zufällige Anregung der : u 
faſt als eine ganz eigenartige Rewigkeit —— — möchte. * 
both gibt es außer den Geburts⸗ und Sterbetagen der Dice 
und Gelehrten, die man denn doch — noch 
Ehren hält, und toben man gebührendermaßen zu einer 9 
che⸗ ob Gqliller⸗, Reibnig» md — Veronlafte⸗ 
nimmt, noch der —2* erangemomente in unferer Piteratur; 
ſchichte die Fülle, ſedaß ich ein fomtiger küberargifcher Erimm 
rungslalendes mit goldenen Bahlen und *77 
und Untergaͤngen, Gternenbildern und Wondesiwehfein, Fe 
md Iubeltagen anlegen ließe. Da hätten wir denn ;. 8. € 
innesungedaten , wie den Beginn ber Gurk « md Tres 
—* * —— — ge Dicitertuue d 
orbrechende rgeue —XX& , Scils 
Bud! — der Moslim 2 feiert ja a as Propgeten Al 
on Mein nah Medina —, erſtes einen des I 
— der « Gorthe'figen tat u fm 
wer var an Dergleihen! Die Gegenwart uns ff 
zu Taffen, wir haben fo viel Andereh außzuziffern, pof m a 


Beine Muße übrig bleibt literariſchen Jubiläen nachzurechnen. 
Underer Sturm und Drang haben und srfaßt, und fliegen wir 
auch nicht mit dem Fittigen dichterifcher Begeifterung, ſo trägt 
und doch die Schwinge des Dampfed und andere Gewalten 
reißen ups wit fich fort. J 
Doch kommen wir auf die „Xenien“ zurück, Die vor 
einem halben Sahrhunderte die ganze literarifhe Welt 
Deutſchlands in Aufregung gebraht, Gedankenblitze eines 
genialen uthes, nach allen Richtungen hinzuckend, äber 
aa in allen Richtungen und auf allen Punkten zuͤndend, 
freilih aber auch auf manden Stellen als Sauerteig wirkend, 
der ſchaͤumende Blaſen und brodelnden Giſcht auftvarf. Bon 
unfern großen Dichterdioskuren hieß es Damals im gangen li: 
terarifhen Deutfchland: „Timeo Danaos et dona ferentes”, 
und man erinnert fich seht — nachdem jener äftbetifche und in 
feiner Art’ gewiß claſſiſche Krieg längft ruht und Freund und 
Zeind zu den Schatten binabgeftiegen, oder vielmehr im ewig 
— Olymp mit Göttern und Heroen ſelige Sympofien 
eiern —, obgleich nicht ohne einige Mühe, der Stachelroſen, 
Dornen» und Reſſelkronen, die den Zenienfpendern als Gegen⸗ 
gefhen? dargebracht worden. Die Mafle der Iegtern muß 
ziemlich beträchtlich geweien fein und mag den Empfängern 
wos zuweilen ein Homeriſches Gelächter entlo@t haben: zudte 
aber die „goͤttliche Braue im zürnenden Unmuthe“, ftob ſcheu 
die dunkle Schar auseinander und floh von dannen. Man hat 
fi) jegt bemüht, jene epigrammatifhen Gegengaben zu ſam⸗ 
mein, gewiffermaßen ats Titerarhiftorifdye Feſtgabe zur Jubel⸗ 
feir. Ein möglichft volfommenes Spicilegium dürfte gewiß 
nicht unwillkommen fein; wie viele jener Antidora brüdt wol 
aber die lange Racht der Vergeſſenheit. So feheint man ſich 
3. B. jener Gegenftimmen nicht mehr zu erinnern," die in 
m von W. nu t 
der Schwärmerei und Aufklärung, den Bedürfniffen des Zeit 
alters angemeffen” (Leipzig 1797), zu wiederholten nalen 
aut geworden. In einer Schrift, die fich felbit ald Zum: 
melplag Literarifher und publiciſtiſcher Polemik bekannte, 
waren Untiphonen der erwähnten Art ganz an ihrem Plage. 
Die a der beiden ——— rief ger ernftlich und gra- 
vitätifh in die Weit hinaus: „Gtoße nner, große Sun- 
der?! oder die Zeniendichter. Die zweite gab fi als „Paro⸗ 
dienverfuh der Schiller'ſchen Zenien”. 
Mit einer Erklaͤrung des WBortbegeiff der enien“ begin⸗ 
nend, forfcht der erfigenannte Auffag nach ber Abſicht und bem 
Ziele der Zeniendihter. Es wird gefragt: „ob 26 ſatiriſche 
Berfe fein follten, in welchen man das Deutfche Yublicum auf 
feine Schriftfieller aufmerffam machen und elende Autoren nad 
Berdienft züchtigen wollte; wäre Dieb bie einzige Abficht ge: 
wefen, fo würde ein folches Unternehmen mehr Lob als Tadel 
sorwienen, denn der Name der elenden Geribenten 
gion, wie von einer leipziger Meffe zur andern erweislich ſei, 
und Züdktigung koͤnne gegen manden ©rribler nicht gu hart 
vorgerfonmmen erben.’ (Ein jiemlich offenes — und 
eine nicht minder für heute wie fuͤr damals paſſende Wahr⸗ 
heit.) Weiterhin wird imterſucht, ob Satire uͤberhaupt ein ge⸗ 
eignetes Südtigungsmittel fei, und zugegeben, daß ed, wo man 
mit 
feiner fatirifhen Galle zumeilen Luft zu machen; nur follte 
man meinen, dab ed in Deutfchland noch weit wichtigere Ge⸗ 
genftände gäbe, woran ber Deutihe feinen Witz ben Lönne, 
als diejenigen find, welche die Hersen Goethe und Schiller in 


Zenien. 


Der Mann mit dem Klingbeutel, 
Dreffieurd! GE if Vebrauch, wer dieſe Etrade bereifet, 
Legt für Ye Dummpelt was, für die Gebrechlichen ein. 


Helf’ Gott! 
Das vermänfdte Bebeitei! Es haben die vorderen Knlfdien 
etuiht; Für md mit bezahlt. Geben Nichts. Kutſcher, fahr zui 


de Se 


Gründen der MWernunft nicht audreichen Fönne, gut ſei, 


’ 


ihren „Kenien” gewählt. Es wird weiterhin eingeräumt, daß es 
weit leichter jei, über feine Gollegen zu wigelm, als dieſe oder 
iene Gebrechen des beusfchen Baterlandes mit Ichhaften Bar: 
ben zu ſchildern; auch verdenke man es am Ende nicht, wenn 
fie ſich Aür einen Begenftand entfchieden, der ihrem flüchtigen 
Genie angemeffener; aber gegen den literarifchen Unfug, wie 
er in dem famofen Almanache getrieben worden, müfle Proteſt 
eingelegt werden. „Wer wird es leugnen”, heißt e8 weiter, 
daß Goethe uns Deutſchen manden Aufſatz geliefert hat, der 
an poetifch-lebhafter und dabei fo einfacher Sprache noch im: 
mer ſeines &leichen, aber vergebens fucht? Wer verkennt wol 
Schiller's Genie in fo vielen feiner Gedichte, in welchen er 
und mit neuen und fühnen Bildern, oft auf angenehme rt 
uͤberraſchte? Aber die Verdienfte diefer großen Männer wiegen 
die großen Sünden lange nicht auf, Die fie durch Derausgabe 
der uXenien» begangen haben. Der echte Freund ber Mufen 
muß mit nicht geringer Betrübniß ſolche Blätter zur Hand 
nehmen, in welchen diejenigen Maͤnner, die man die exften 
Köpfe Deutfclands nannte, jetzt als Fiſchweiber einen Kon 
angeben, ber nur von ihrer Zankſucht und Geſchmackloſigkeit 
den ſicherſten Beweis abgeben kann. Sie ſetzen "alle Geſetze 
der Rechtſchaffenheit aus den Augen und bedienen ſich ſolcher 
Waffen, die von jeher nur dem gemeinen Pöbel eigen waren. 
Kothivärfe find ihre Beweife, und die niedrigſten &chimpfs 
wörter ſollen Widerlegungen fein. Die Reinheit Beufcher Mu- 
Kr a aus diefem Muſenalmanache ganz entflohen zw 
m” u. f. w. 


In diefem enträfleten Zone geht es nun fort, und die 
Poffenreißerei, ſchale Wigelei, Bosheit, Pöbelhaftigkeit, Unmb 
relität und große Sündhaftigkeit der Kenien-Dichter wird fiharf 
Beruntergefangeit und zur Wahrung des guten Geſchmacks und.der 

oralitat deutichen Echriftftellern die Preisfrage zur Beantwor. 
tung vorgelegt: wie dem Treiben der plumpen Nachahmer, die 
‚Bunter den Fittigen ber beiden großen Schugpatrone wie Ungeziefer 
hervorkriechen werben, bei Beiten zu fleuern”. Wir heutzutage 
denken von den „Zenien” freilich anders und beurtheifen fie von 
einem andern Standpunkte aus, in ihnen ein literargeſchicht⸗ 
liches Kleinod bewahrend; traten aber Goethe und Schitter als 
renifhe Nedivivi unter und, ich glaube wir verführen tro 
unferer fuperioren Stellung und feinern Auffaffung nit alimpf 
licher mit ihnen, und würden uns ſchwerlich eines wüthenden 
„Kreuziget fie!” enthalten. Mögen die Unfichten andere ger 
worden fein, die Reibenfchaften find biefelben geblieben, und die 
Eitelkeit hat fi) wo möglich noch zu einer hochmuͤthigern Im 
toleranz gefteigert. 


Zun einem kurzen Vorworte befennt der imgenannte Yarı 
diſt der „Ienien‘‘, fich gerade mit Männern wie Goethe und 
Schiller nicht meſſen, gleichwol aber dem Keize eines Ber- 
ſucht nicht widerftehen zu Binnen, zumal er ein den Her⸗ 
zen Goethe und Gchiller dargebötenee „Körbchen von Sa⸗ 
chelroſen“ fo gut geraten finde, daß er fi nun mit den Ee⸗ 
nien wieder verf fühle, die m ſeit Erſcheinung des Schit⸗ 
iur kom Atanachs ſeht verhaßt gewefen. Gr habe ra nıh 

ach in Feld und Garten nad einem aͤhnlichen Geſchenke für 
die Xenien⸗Dichter umgefehen und zwar Peine wohlduftenden Wo: 
fen, aber Dornenhecken gefenven, die ja Au ut feieh, Yıh 
unartige Thiere von den Gärten abzuhalten u. f.o. Wir flechten 
nun einige dieſet Reiſer von ber Dornenkrone los und geigen 
fie einzeln. Sie haben ja längft aufgehört gu vetwunden. 


Yarodiec. 


Die Sammlung, ihr Herren, ift für die gebrechlichen Dichter, 

Legt doch für Goethe was und auch für Schiiler was tin! 
Das vrrwoͤnſchte Webettl? Nut gar Ar Umanachödtchrer! 

Das wire Aare als ara! Geben Midi’ Kutſcher, fahr pu! 





1280 


: o. Die Alfide. 

Stilte Ineteten wir Salpeter, Kohlen und Schweſel, 

Bohrten Röhren; gefall' nun aud das Feunerwerk euch. 
Dad Berbindungsmittel. 

. Wir verfährt die Natur, um Großes und Kleines im Menſchen 
Zu verbinden ? Sie ſtollt Eitelkeit zwiſchen hinein. 
BWBedientenpflidt. 

Rein fei zuerſt dad Haus, in weldes bie Königin eingieht. 
Friſch denn! Die Stuben gefegt! Dafür, ihr Herr'n, feld ihr da' 
u R Ungebüpr. ‚ 
Aber erſcheint fie ſelbſt, hinaus vor die Thuͤre, Geſindel, 
Auf den Seſſel der Frau pflanze die Magd ſich nicht bin. 
An +96 
Treibet bad Handwerk nur fort; wir koͤnnen's euch freilich nicht legen; 
Aber ruhig, des glaubt, treibt ihr eb kuͤnftig wicht mehr. 
Wiederholung. 
Hundert mal merb’ ichts euch ſagen, und taufend mal: Irrthum iſt 
Irrthum, 
Ob ihn der groͤßeſte Wann, ob ihn der kleinſte beging, 


Einladung. 
GPlaubſt du denn nicht, wir koͤnnen die ſchwache Seite dir zeigen? 
Thu' ed mit Eaune, mit Wie, Freund, und wir laden zuerfl. 


Bir enthalten uns, die Auswahl bis zu einem vollen 
Dugend fortzufegen. In der obenftehenden „einladenden” Zenie 
hatte der Lichter doch deutlich genug merken lafien, wie er es 
mit den „Zenien“ gehalten wiffen wolle, aber man Hört, in mel» 
dem Lone geantwortet worden. In mehr als einer ber Anti⸗ 
Eenien erreicht der letztere den hoͤchſten Grab der Berbitterung, 


Stille Eneteten tie Neid, Stolz und Grobheit zuſamme 


Machten Kugeln’ daraus, wärfen fie euch an ben Dell. 


Wie verfährt die Natur, um Großes und Kleines im Vnfen 
Bu verbinden? Gier, bringt Goethe und Schiller hervor. 


. Dichterpflicht. 
Hein ſei ber Tempel bed Ruhmes, In welchem die Dichter jä Hal 
D'»rum verſfchließet bie Thür, wenn Goethe und Schiller ſich wi. 


Über erſcheinen fie dB fid auf den Seel zu pflanyen, 
Jagt fie vom Tempel, der nur für edle Dichter gebaut. 


Treibet dab Handwerk nur fort, im gröblidden Lone zu fürn, 
Wir begegnen euch fo, wie’d einer Fildfrau gebührt. 


Qunbert mal werb’ ichs euch fagen, und tauſend mal: Goethe u 


Stiller 
Haben im Almanach ſich als Dichter bed Dreus gereist. 


Srage und Antwort. 
Glaubt ihr denn wol, ihr könntet die ſchwache Bade nat zuya) 
Mit nichten, ihr Derren, denn auch die ſchwarze Seite zeigt & 


und doch wollten die Parodiſten und äfthetifchen Gegner ta 
Tempel der Mufen und Grazien 'gehütet wiffen. Dan fe 
daß die Wahrheit vom Splitter und Balken unter allen ia 
fänden Wahrheit bleibt. Gluͤcklicherweiſe achteten die Die 
Diosfuren in ihrer olympifchen Ruhe bes gegneriihen %& 
belfers nicht. 


EEE 


Literarifhe Notizen aus England. 


Das Chamäleon. 

Über dieſes lange Zeit als fabelhaft betrachtete Thier theilt 
das neuefle Reifewerk des Engländers Henry H. Methuen: 
„kife in the wilderness; or wanderings in South Africa“ 
folgende Thatſachen mit: „Die Hottentotten fingen ein Cha: 
mäleon. Db ed wahr, daß diefe Thiere ihre Farbe dem Laube 
des Buſches an dem fie hängen gleich machen können, ver: 
mag ich nicht zu fagen; aber dieſes eine glich ſolchem Laube 
dermaßen, daß es ausnehmend ſchwer hielt, es davon zu un. 
terſcheiden. Es ward nad dem Wagen gebracht, gleich einem 
sifietdäter bei dem Halſe aufgelnüupft und wurde nun nicht 
allein im Gefiht ganz ſchwarz, fondern wechfelte auch am gan- 
zen Leibe feine Farbe in die verfchiedenartigften grünen Schat- 
tirungen. Es mochte in der Länge drei Boll meſſen; an jedem 
un befanden ſich zwei Breite Zehen mit Runzeln, welche das 

ier in Stand fepten, fi an den Zweigen feftzuflammern. 
- Auch feine Augen waren hoͤchſt feltfam, fie waren haſelbraun 
und Bein, lagen auf bervorftchenden, beweglichen Kugeln, etwa 
fo groß wie grüne Erbfen, und eins davon wendete fi oft 
völlig rüdwärts, während das andere ebenfo weit. vorwaͤrts 
blickte Auch an Beſchreibungen anderer merlwürdiger Thiere 
jener Küfte ift das erwähnte Buch reich, obwol deſſen Berfi, 
wie aus Allem hervorgeht, der mathematifchen und phyfikali⸗ 
ſchen Kenntnifle völlig bar ift, die für den Reifenden unum- 
a nothiwendig find, um feinen Befchreibungen einen wif: 
Fenfeha ichen Werth zu verleihen. 


Unmwiffenheit der MRönde im Drient. 

Der Amerikaner Francis Schröder, Secretair des Befehls⸗ 
babers des nordamerifanifhen Geſchwaders im Mittelmeere 
während der Jahre 1843 —45, erzählt in dem jüngft erfchie 
nenen ‚Shores of the Mediterranean; with sketches of tra- 
vel“ mehre Beifpiele von der großen Unwifienheit der Bände 
im Morgenlande, die doch zum größten Sheil aus Europäern 


befteben. linter Anderm, fragte ihn bei dem Beſuch bed großen 0. 


Klofterb der Krippe des Heilandes in Bethlehem da F: 
defielben, ein Spanier, der erft drei Jahre zuvor aus Mir 
Heimat in diefen Eonvent gefommen war, nad) den erfın & 
grüßungen, Wer und Was die Bäfte wären, und fügt =9 
der erhaltenen Auskunft ‚„„ameritanifche Offiziere” mit Mit 
verhehltem Unbehagen langgedehnt hinzu: „Und — wi =f 
Ehriſten ?“ Später fragte der fromme Mann no, dR° 
engliſchen Dienften fänden, und es brauchte voiederpaltn Br 
derungen von Seite der Amerikaner, um ihn zu ubuny® 
daß fie nicht nur in befter Form getauft feien, fondern das M 
amertfanifhe Union au alẽ ein völlig unabhängiges unt f: 
veraines Volk daftehe. R 





giterarifche Anzeige. 


In meinem Verlage ift neu erfchienen und burd alle Dei 
bandlungen zu beziehen: 


- Biber im Mooſe. 


Novellenbuch 
von 
JFulius Mofen. 
äwei Theile. 
&. 8. Geh. 3 Thlr. 18 Nor. 


Bon dem Verfaſſer erſchien früher bei mir: 


Gedichte. 
Zweite vermehrte Auflage. 
Gr. 8. 1843. Geh. 1 Thlr. 18 Nor. 
Eeipzig, im Rovember 1846: 


F. A. Brockhaus. 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdans. — Drud und Berlag von F. X. Brockbans in Letypfig. 





⸗ 


Blatter 


| für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienſtag, 


ö—⸗ Nr. 321. — 


17. November 1846. 





Die neueſte Literatur über Rußland. 


Zweiter Artifet. 
(Bortfegung aus Nr. 320.) 

7. „Die weiße Sklaverei in Rußland.” Wenn wir 
iies Werk ald einen bloßen Roman betrachten Tönnten, 
o würde unfer Urtheil bei aller Anerkennung einer ſel⸗ 
men Erfindungsgabe feelenpeinigender Auftritte, um 
velhe wir den Verf. nicht beneiden, und eines bebeu- 
enden Talents zur Charakterzeichnung doch, bei der Häu- 
fung von Unwahrſcheinlichkeiten — die felbft die Möglich 
teit ruffifher Möglichkeiten, und Das will wahrlich Viel 
agen, überfteigen —, bei dem häufigen Mangel aller Moti- 
rung das Ganze als eine auf Schauereffecte wie wei: 
and ein Spieß’fcher oder Cramer'ſcher Roman berechnete 
frage verwerfen müffen. Diefen Theil unfers Urtheils 
u begründen bat uns der Verf. leicht gemacht. Nach 
et Schilderung ber großen Scene, daß ein franzöfifher 
raf auf dem Gute eines verruchten fürftlichen Million⸗ 
aires in einen bodenlofen Moraft verfinft, von einer 
in gebildeten fchönen Sklavin gerettet werben fol, diefe 
ber auch herabzieht, und ſich Beide, die ſich rettungslos 
erloren fehen, im Moraſt faft bis an den Hals ftedend 
hre Liebe erklären, eine Scene von faft grotesk-komiſcher 
Birfung, zerftört der Verf. felbft alle Illuſion, wenn 
ı eine ſolche möglih war, und ſagt (IM, 72): 

Einige Leſer werden vielleicht in ihrem byperkritifchen Ei⸗ 
? fragen, warum ein folcher Auftritt, der fo viele Elemente 
3 Romifchen enthält, überhaupt von dem Werfaffer dargeftellt 
oxden ſei? Aber hierauf gibt er mit aller gebührenden Hoch⸗ 
btung die Antwort, daß der Lefer, gemeinſchaftlich mit dem 
ublicum — von weldhem er ein geachteted Atom ift —, nur 
‚leicht vergißt, daB er Liebesfcenen in einer Novelle haben 
ill, während zu gleicher Beit, die Mehrzahl von demfelben 
ublicum gewohnt ifl, das Benehmen der Helden und Helbin- 
n eined Schriftfiellers — wenn es ihn des Leſens würdigt — 
nau zu beobachten und mit der Schärfe eines Luchsauges 
e Abweichung von den Regeln des fteifen Unftandes zu ent: 
den, wie fie nur eine alte Jungfer von Zante zeigen kann, 
mn fie ihre fchöne Nichte in Geſellſchaften begleitet. 

Soll Dies etwa Humor fein, fo — bedauern wir ben 
umoriften und wären mit bem Roman als ſolchem fertig. 
kein es ift ein Werk A la &ue, das auf eine gewiffe ge 
ichtliche Bedeutung Anfpruch macht als ein Bild aus der 
irklichkeit der Gegenwart, felbft mit namentlicher Auf- 
hrung hoch⸗ und Höchftgeftellter noch lebender Perſo⸗ 


nen, und mit der unverlennbaren Abſicht dieſe verächt- 
lich und verhaßt zu machen, ja fie als Meuchelmörber 
und Verbrecher auf bloßen Verdacht hin zu brandmar- 
fen, und doch zugleich mit Zügen von ergreifender Wahr» 
beit und echt ruffifcher Färbung; — und hier reicht das 
bios aͤſthetiſche, und auch. das moralifche Urtheil, das 
fih der Verf. wol überhaupt verbitten wird, nicht 
bin, um fo weniger, da dies Werk, das felbft gefchicht- 
liche Zhatfachen in fich verwebt,; den ausgefprochenen 
Zweck bat, die Greuel des durch neuere Geſetze faft fefter 
gemauerten Stlavenverhältniffes in Rußland anſchaulich 
zu machen. Raupach mochte mit „Sfidor und Olga“ 
eine ähnliche Abficht haben, aber — wie weit bleibt fein 
Bild hinter dem unfers Verf. zurüd und wie bleich find 
feine Farben gegen diefe! Wer wirkliche Nerven und 
nicht Stride unter feiner Menfchenhaut hat, der wird — 
wenigftens um des äfthetifchen GBenuffes wegen — wol 
ſchwerlich diefe drei Theile zu Ende lefen. Doc unfere 
Zeit ift nicht fo nervenſchwach, fonft hätte ſchon „Iſidor 
und Olga‘ unmöglid fogar zu einem Zugſtück auf un⸗ 
ferer Bühne werden Fonnen, und — wir gefteben, bis 
zum dritten Theile würden wir Dem, der ein Bild von 
der empörenden Seite ruſſiſcher Verhaͤltniſſe gewinnen 
möchte, allenfalls die Leſung diefes großen Werkes an- 
rathen, aber nicht weiter. Wir könnten uns mit der 
Dinweifung begnügen, baß der Lefer Das mas in un- 
ferm erften Artikel in der Anzeige von „Das enthüllte 
Rußland“ hinſichtlich des Verf. nur flüchtig angedeutet 
At, bier gleihfam in die Scene gefegt findet; allen als 
ein Fingerzeig von Dem, was in diefem haßdurchglühten 
rke zu erwarten ift, mag ein flüchtiger Umriß des 
Gewebes gelten, in beffen Einzelheiten wir. und unmög- 
(ih, und zwar aus mehr ale einer Rückſicht nicht, einlaf- 
fen tönnen, und aufrichtig gefagt aus Ekel auch nicht mögen. 
Ein junger Schöner Mann von hoher Bildung und 
der feinften Erziehung wirb durch feine angenehme Un- 
terhaltung einem ausgelebten epikuraiſchen, egoiftifchen 
englifchen Diplomaten, mit bem er mehrmals in Italien 
sufammentrifft, faft unentbehrlich und gewinnt die Liebe 
der fchönen Nichte, bes legten Zweiges vom edeln Ge 
fhlechte ber Mortimer. Zwar ift er dem Oheim wie 
der Nichte ein Geheimniß felbft in Hinfiht feiner Na⸗ 
tion — 05 Pole oder Ruſſe, zwiſchen weichen ihre Ver⸗ 


muthung ſchwankt —; doch beruhigt ſich befonders die 
Nichte, daß er von hoher Geburt fei, denn — auf dem 
innern Dedel feiner Tafchenuhr gewahrt fie unter einer 
Zürftentrone die Worte: „Meinem geliebten Kinde, Mat- 
thäns. Warſchau 1824” — und Matthäus war ber 
Name des inteteffahten Frenidlings, Ber ſiſe mit &Ruf- 
zern, Worten und Blicken, obgleich mit einer gewiffen 
Scheu, beftürmte. Dem Oheim ſchien das Spiel bedenk⸗ 
lich zu werden, weniger des Schickſals feiner ihm kind⸗ 
lich ergebenen liebenswürdigen, ſtark romantifch gefinnten 
Nichte als der Beforgnig wegen, dag er an ihrer Pflege 
und Gefellfhaft einbüßen möchte, und er bewog feinen 
jungen Freund fchleunig in — nicht erflärten — Ange⸗ 
legenheiten von Ar am Fuße der Pyrenden, wohin er 
fi) zutückgezogen hatte, nach, Paris zu zeifen, und zwar 
fo ſchleunig, daß Diefer der erftaunten Geliebten nur noch 
aus dem Wagen zurufen konnte: in 14 Zagen fehre 
er zurück. Sie kannte bie Unbeugfamteit des Oheims 
und wagte nicht weiter zu forfchen; allein es vergingen 
mehre 14 Tage, ihre Unruhe flieg, und der Diplomat, 
der beforgte feine Abſicht mit ihr ganz zu verfehlen, lei⸗ 
tete eine Erklärung ein, aus weicher Blanche, fo hieß 
die Schöne, vernehmen follte, daß Matthäus aus eigen» 
nügigen NRädfichten fie verlaffen habe. Das war für 
Blanche's Romantik zu viel, fie flürzte ohmmächtig zu 
Boden, die Bedienten waren nicht zu erflingeln, ber 
alte wohlbeleibte Herr büdte ſich fie aufzuheben, Das 
Blur ſchoß ihm nach dem Kopf, es ergriff ihn ein 
Schwindel und er flürste vom Schlage getroffen über 
fie Hin. Endlich trat der Kammerdiener ein und fand 
Beide bewußtlos am Boden. Die Nichte wurde bald 
wieder zum Bewußtſein gebracht, aber der alte Hert 
war todt. Beine Rachlaſſenſchaft war nicht bedeutend, 
benn er hatte, um behaglicher leben zu können, fein Ber- 
mögen auf Leibrenten gegeben. . Blanche, die ben Oheim 
in Hinficht des Matthäus fchon gemistraut hatte, wandte 
ſich nach Paris, wo fie von dem Geliebten vielleicht Er 
fundigung einzuziehen hoffen tonnte, und wmiethete fich 
Hier bei einer alten eigennügigen Frau und ihrer Tochter 
ein, mo ihr nicht aufs freundlichfte begegnet wurde. 
Da tom, als ihre Beſorgniß über ihre Zukunft flieg, 
ein Banquier und überbradte ihr einen Brief des Ge: 
liebten mit 1000 Pf. St., als eine Zahlung, die ihrem 
Dheim gebühre, und andere Papiere, die ihr die Erb» 
ſchaft eines beträcktlichen Landeigenthums burch den Tod 
entfernter Verwandten zufiherten. Bald vereinigen ſich 
nun die beiden Liebenden und in’ acht Tagen foll die Berbin: 
dung vollzogen werben. Wir finden fie hinter ben Gars 
dinen einer Loge im Opernhaufe. Die ſchoͤne Englän- 
derin hat beweits die Aufmerkſamkeit einiger jungen yn- 
riſer Wöäftlinge auf ſich gezegen, bie fie Hinter ber Bar: 
dine erfannten, allein nicht hatten herauobringen konnen, 
wer ihr Begleiter fei; und fiehe, da öffnete fich die Gar⸗ 
dine, während ihre Begleiter hinausgegangen war, und 
Blanche gab ihre Schönheit der Bewunderung preis. 
Unter ben fingen Wüſtlingen befand ſich ein ruffifcher 
Fiünſt, ein Mond dee verworfinflen rt, welcher auf. das 


Geſchwaͤtß der Andern, wie man ſich der unglüdlidn 
Schönen, die ihnen von einem eiferfüchtigen Argus be— 
wacht ſchien, nähern koͤnne, eine Wette von 100 Panik. 
dor anbot, daß er in ihre Loge gehen molle, fie mit ihm 
eigenen weißen Händen bie Bofentnodpe von ihrem dr 
fen ihm geben, er dann den Vothanzg zugichen nah, 
zum Zeichen, daß fie ihm einen Kuß gewähre, un n 
dann noch zehn Minuten figen bleiben und ſich mit ik 
unterhalten wolle. Die Wette wird angenommen, da 
Fürft geht in die Loge: Blanche weift ihn erfhrde 
hinaus; er aber begehrt von ihr die Rofenknospe un 
droßt fie vor dem ganzen Haufe zu en, wenn Ik 
fih weigere. In der Angſt, das Matthäus zurüdik 
ren und Mord und Todtſchlag entfichen werde, gibt fı 
die Roſenknospe bin und beſchwört ihn fie ſogleich u 
verlaffen; er dagegen erklärt ihr, daß eine Wette ita 
verbinde zehn Minuten bei ihr zu verweilen, und N 
ihre Schönheit ihn eniflammt, wird er zudringlich un 
fhlingt feine Arme um fie, während der Schreck Blandı 
die Stimme verfage nad Hülfe zu rufen. Da mie 
Matthäus herein, erflarrt bei dem Anblick und fit, 
wie Blanche erwartete, den Frechen zu paden, fe 
er ihn zitternd auf die Loge zu verlaffen. Der gut 
erwidert die Auffoderung mit Hohn, Matthäus cz 
ihn, fie ringen miteinander und er wirft feinen Gee 
über die Logenbrüftung unter dem Bravorufen der Va 
tenden und eines Theils des Parterre ins Ordeik. 
wo er Inſtrumente und Lampen in Stüden fhlät 
zmei Muſiker unter fich nieberfchmettert, das Blut ite 
aus dem Munde flrömt und er mit zerbrochenem Ir 
fenbein mie tode daliegt. Die Policei drang foglad ü 
die Loge und bemädhtigte fich des Thaͤters, als ein mfiht 
deutfcher Baron Bamberg — zu feinen ſchlechten Pain 
gen wählt ber Verf. mit befonderer Vorliebe Deufät - 
zu ihm dringt und ihn in ruffifher Sprache fragt, m! 
et ihm gebe, wenn er die Ausfage des Gegner, de 
unterdeffen zu fich gebracht ift, fo lenke, daß er un 
fährdet davonkomme. Sie merden um 30,000 Ruh 
einig. Dee Fürft wird ind Foyer getragen, ihm mit 
eine Aber geöffnet, und et ifk deteit Die boshaftef« 3: 
gabe gegen feinen Gegner zu Protokoll zu geben, # 
ber deutfche Baron ihm einige Worte ins Ohr füriie 
et erſchriẽt und dem unangenehm übertaſchten Pol 
mann die Erklärung dictirt, daß er ſich auf bie Fr 
ftung der Loge gefept, das Gleichgewicht verloren b 
und fo ohne fremde Gewalt herabgeflürzt fei. 2% 
Duell, weiches nun erfolgen foll, weiß der Baron f O 
vermitteln, daß keiner ber beiden Gegner fih zum 
flimmten Stunde am Plage einfindet. Und woher bi 
er diefe Gewalt? Wir wollen es unfern Leſern ve 
then: er war ein Glied ber geheimen Policei in Feint 
burg. Auf eine barocke Weife rechtfertigt fi Matti 
bei Blanche als ob. es ihm an Much fehle, fe ver 
mit ihm Paris und bie Verbindung zwiſchen ühnen mi 
gefhloffen. Da erwacht in Matthäus die Sehnſucht wel 
MRupland, Bei feinem ſichebaren unhötmlicden Cds 
ken zoiien Furcht und Huffnung ergreift Blande he 


1283 


ängfte Ahnung und fie beſchwoͤrt ihren Gatten nach | fien Geſelſchaft, der hoͤchſten wie der niedrigften, führt‘ 
uf der legten Station umzufehren und fi mit Dem zu und ums tiefe Blicke in das Innere des ruſſiſchen Le- 


egnügen, was fie ihm zugebracht und das binreichte zu 
inem wenn nicht glängenden doch behagtichen Leber, 
Fr aber erklärt ihr, daß er fie zu dem edelften Wanne, 
er ihn Sohn nenne, führe, bei dem fie eine freubige 
lufnahme in feinem fürftlichen Palafte finden werbe. 
Sie gelangen nach Petersburg und fahren in das Thor 
ıned der anfehnlichften Palaͤſte ein; der Portier be- 
wüßt den Antommenden voll Erftaunen und voll Ehrfurcht. 
Ratthäus frage nach dem Zürftlen und hört — daß 


= vor ſechs Wochen begraben und daß der junge Fürſt, 


an einziger Sohn und Erbe, anmefend fei. Blanche 
ſchrickt über die Wirkung biefer Zodesnachricht auf ih⸗ 
a Gemahl; aber bald ſoll ihr Schred in Verzweiflung 
nd Verachtung übergeben. Dem jungen Firften ift 
‚ze Ankunft gemeldet, er kommt: — es ift der fo über 
pf von Matthäns ans der Loge im parifer Opern- 
mufe erpedirte Fürſt. Matthäus ſteht mit geſenktem 
ı aupte vor ihm. Der Fürſt erkennt ihn, weiſt 
wf feine gebrochene Nafe und begrüßt ihn mit einem 
>dylage feiner Meitpeitfche ind Geſicht, daß gleich ein 
other biutunterlaufener Strich darüber binläuft. Blanche 
arte, Matthäus werde wie in der Loge gleich einem 
Tiger feinen Gegner paden; Der läßt aber die Schmach 
n Demuth über fi ergehen, denn — er ift ein Leib⸗ 
igener des Fürſten. Der verftorbene alte menfcen- 
reundlihe Fürſt hatte zwei Kinder eines Leibeigenen 
on Schöner Bildung, einen Knaben und ein Mädchen, 
Rattwey und Nabefchda, in feine väterliche Liebe aufge- 
ommen, die in feinem unbotmäßigen, bösartigen Sohne 
eine Befriedigumg fand. Beide hatten eine forgfältige Er- 
iehung genoffen: ber Knabe mit fürfllicher Freigebigkeit 
uf Univerfitäten und auf Reifen, das Mäbdhen in der 
ornehmiten adeligen Penfion in Mosfau (eine nad) den 
Befegen felbft totale Unmöglichkeit), Es war fein fefter 
Borfag, ihnen die Freiheit zu ſchenken und fie fürſtlich 
u verforgen; allein — aus gutmüthiger Schwäche ver: 
ochte er nicht über fi, fie aus feiner unmittelbaren 
Whut zu entlaffen und ſchob die Ausfertigung ihrer 
reifprehung immer hinaus. Matthäus war gewiß, 
a6 feine Gegenwart mit einer * Gattin ben vä⸗ 
lich Hefinnten Fürſten ſofort beſtimmen würde, und in 
iefer Überzeugung hatte er die WReife gewagt und — 
ih fih nun fo fürchterlich getäuſcht. Empört über bie 
laviſche Feigheit ihre® Gatten und wit Derachtung er: 
alle will die freie Englänbderin den Palaft verlaffen; 
Hein der Fürft erklärt ihr, daß fie nach den Belegen 
18 die Battin feines Leibeigenen auch feine Leibeigene 
i, über weiche feine Willkür zu entfcheiben habe. Die- 
rn Schlag wirft Blanche zu Boden und fie verfällt in 
ne todtliche Krankheit. 

Bis auf den letzten, wenn us unwährfcheinlich her⸗ 
eigeführten doch erfchütternden Auftritt werden unfere 
fer die Eompofttien mol phantaſtiſch, aber ſchwerlich 
eiftreich finden; allein jegt eroͤffnet fich eine Meige von 
Scenen vor une, bie uns duch alle Sphären ber ruffi⸗ 


bens und ruſſiſcher Verhältniſſe eröffnet, bei denen das 
Herz krampfhaft erbebt und denen nad) diefen politifchen 
und moralifgen Berhältniffen doch die Möglichkeit 
miche abzufprechen if. Wir wolten aber unfere Lefer 
nur darüber beruhigen, ‚daß ber Verf. feine Lande: 
männin Miß Mortimer zwar mit ihser romantifchen 
Seele durch alle Höhlen des Jammers fchleppt und 
ſelbſt ihr Kind als Bettlerin an der Landftraße an ih⸗ 
ver Bruſt erfrieren, aber fie nicht ganz finfen läßt: wir‘ 
finden fie am Ende den Untergang. ihres Gatten im 
polnifchen Aufſtande an der Seite der Schwefter Deſſel⸗ 
ben, der Gemahlin des Grafen Horace von Montreſſan, 
nachmaligen Marquis Saint-Amand, den Nadefchda doch 
mit fi) aus dem Sumpfe glüdlich gerettet hatte, im 
Innern Frankreich betrauern. Mit Hülfe der Fuͤrſtin 
Lowicz, der engelgleichen Gemahlin des mit temporairem 
Wahnſinn behafteten Großfirften Konftantin — der Verf. 
führt beide fürftfiche Perfonen perfönlih und handelnd 
auf —, bat der Graf die beiden Frauen aus Rußland 
entführt — und wir laffen den Vorhang fallen. Doch 
müffen wir der humoriſtiſchen Charakterzeichnung dee 
englifchen Stallknechts im Dienfte des Grafen Horace 
lobend gedenken, und Dies würde auch der Fall mit ber 
des Grafen felbft fein, wenn er nicht durch einige ver 
übte, dem fonftigen Charakter widerfprechende unebie 
Tücken verunftaltet wäre. So müffen wir auch aners 
fennen, daß der vermworfene und keineswegs undenkbare 
Charakter des jungen Zürften mit großer Confequenz 
durchgeführt ift, und dag man überhaupt in dieſem 
Bilde feltener Verruchtheit auf Charakter» und Natur- 
züge teifft, die von genauer Menſchenkenntniß und, tie» 
fer Beobachtung zeugen. Ob die ungleich beffere Über⸗ 
fegung auch von dem Überfeger der Schrift des nänli- 
hen Verf. „Das enthüllte Rußland“ herrührt, ift nicht 
angegeben; allein fie hätte füglich unterbleiben können, 
ohne daß umfere Literatur oder unfere Kenntniß Nuß⸗ 
lands dabei verloren hätte. Das Berlags - Komptoir 
in Grimma fcheint aber der hauptfählichfte Kanal zu 
fein, in welchen der ruffifche Unrath ausgefchättet. wirb, 
und wir bewundern in weicher Maßlofigkeit. 
(Die Kortfegung folgt.) 





Dolores. A novel by Harro Harring. Neuyert 1846, 


Unter dem obigen Zitel bat Harro Harring einen großen 
politiſchen Roman gefchrieben, deſſen Scene nad Südamerika 
verlegt ift. Da er felbft Tange in Brafilien vermeilte, von wo 
er aber fpäter nad) Reuyork überfiedelte, fo koͤnnte man von 
diefem Buche intereflante Auffchlüffe erwarten; allein der Ro: 
man enthält nur Gefühlsfchilderung und politifchrreligiöfe Aus: 
führungen, ſodaß man in diefer Erwartung gänzlich getaͤuſcht 
wird. Nur einzelne Ramen find fütamerifanifch und ſelbſt die 
meiften Perfonen find europätfche Blüchtlinge oder Geſchaͤfts⸗ 
leute, ſodaß das Suͤdamerikaniſche nur die Fleinfte Zuthat ift, 
faum mehr als Der Rahmen, worein der Verf. feine politifcyen 
Derlamationen gefaßt hat, die nicht einmal mehr das Verdienſt 
der Driginalität haben. Der Roman ift allem Anfchein nad 
deutſch gefihrieden und aus dem Deutfchen ins Englifche über 





1384 


fegt, und zwar ſcheint, beim Unfange wenigfiens, Leine Durch 
aus fefte Hand ſich ind Mittel’gelegt zu haben. &o, um ei: 
nige Beifpiele anzugeben, finden wir &. 10: „Celeste availed 
himself of this list”‘,- wo hist, Zifte, offenbar für artifice, Lift, 
pefset wurde; mate, der Thee von Paraguay, was ein im Eng: 
ifchen ganz eingebürgertes Wort ift, wird immer mit natio- 
nal tea umfchrieben; dann heißt es einmal: „Rosas leis his 
horse to be led before the people”, anftatt allenfalls: „Ro- 


‚as had his horse walked through the streets to receive 


instead of him the respects of the people”, und ganz befon- 
ders auffallend ift der oft wiederkehrende Gebrauch des Udjectivs 
bloody, das nicht mehr ſowol blutig als henkermaͤßig, ver: 
teufelt heißt und überhaupt ein Schimpfwort ift, wie a bloody 
thief, a bloody rascal u. f. w. . 

Die wenigen einzelnen Stellen über Zuftände des Landes, 
die der Verf. eingeftreut, find indeflen zum Theil fehr interef: 
fant; als Probe mag die folgende Stelle über Brafilien dienen: 

„In keinem Lande eriftirt fo wenig Vorurtheil gegen Farbe 
und Religion und nirgend anders iſt Zoleranz gegen Weiße 
und Schwarze fo vorherrfchend als in Brafilien. Die Schwar: 
zen wachfen auf mit den Weißen und find ihre Spielgenoffen 
in der Kindheit, und hierdurch entfteht ohne Frage ein wichti⸗ 

ec Einfluß, der für den moralifchen Zuftand des Volkes von 
Bor wohlthätigen Folgen if. In den großen Städten, wie 
3. B. Rio-Janeiro, ift das Berhältniß der weißen Bevölferun 
zur fhwarzen wie 1 zu 3 (genauer wie 1 zu 3,9 oder 2 zu 7, 
im 3. 1 zählte Rio⸗Janeiro 280,000 Einwohner; worunter 
nur SB,UM Weiße), und nad den officiellen Gefängnißliften 
tommen im Durchſchnitt 5 weiße Verbrecher auf 1 fchwarzen 
oder farbigen. Unter diefen Weißen jedoch find die Wenigſten 
Brafilier, fondern die Mehrzahl find Fremde, die unfer Land 
als Bagabunden, chevaliers d’industrie mit ihrer Gegenwart 
beebren. Der Früchte⸗ und Gemüfehandel, die Fiſcherei, der 
Detailbandel mit wohlfeilen Artikeln, fowie auch die gewöhn- 
lichften Handwerke werden alle von Negern oder Farbigen be: 
trieben, und ed gibt kaum eine ehrlichere und arbeitfamere 
Menſchenclaſſe in irgend einer Stadt Europas als unfere freie 
farbige Bevoͤlkerung. Während der Sklavenhandel von unſe⸗ 
rer Gonftitution für abgeſchafft erflärt ift, begünftigt und be: 
fördert die Regierung direct und indirect die Einführung von 
Regerftlaven zum Vortheile der englifhen Bergwerke und 
Panzungen und für die fazendas (Meiereien) unſerer Ariſto⸗ 

aten im Innern des Landes. Eigenthümer aus der Mittels 
claſſe (fazendeires), im Befife von nur einer Beinen Anzahl 
Reger, koͤnnen ganz natürlid in der Bodencultur nicht Schritt 
halten mit den britifhen Speculanten und portugiefifhen Ari: 
ſetraren welche aus Afrika ganze Schiffsladungen von Negern 

t ihre Pflanzungen bier einkühten und fazendas anlegen und 
Minen graben nad Luft und Gefallen. Das ftricte Verbot 
aller Einführung von Regerſklaven und die ganzliche Abſchaf⸗ 
fung der Regerfflaverei wäre durchaus im Interefie des Volkes, 
da die Bewohner ded Innern ihre Ländereien ebenfo vortheil⸗ 
haft mit freien Negern bebauen, ald es unter den obigen Um: 
fländen mit Sklaven gefhieht. Sie haben nicht das Capi⸗ 
tal der Fremden und Xriftofraten zu ihrem Gebote, um 
einige Hundert Neger zu befchäftigen, und jeder Regerſklave 
ift Fir den weniger Bemittelten ein beträdhtlihes Eigenthum 
an und für fih (150 — 300 Dollars), welchen er nicht gegen 
Krankheit und andere Unfälle verfihern kann, während der 
Reichere weniger durch den Berluft eined Einzelnen einbußt. 
Als unfere Neger in den aufgeflandenen Provinzen wie Löwen 
an ber Seite ihrer frühern Cigenthümer fochten, fochten fie 
nicht mit dem Blutdurfte des Wilden, fondern mit der Stärke 
von Löwen und mit mannhaftem Bewußtfein. Der brafilifche 
Reger ift nicht fo ftumpffinnig als es zuweilen fcheint, und das 
Herz des Neger fühlt und duldet zumeilen tiefer als die ver: 
barteten Herzen der Weißen. Diefe Toleranz der Weißen und 
die Abmefenheit aller Vorurtheile gegen die Farbe, fodaß ein 
Mulatte ebenfo gut Staatsminifter werden kann als ein Por: 


tugieſe, bübet unfkeiti eine Urſache und Anregung gu mil: 


fer und phyfiſcher Veredelung, während die Reger anden 
Länder, welche fih mit ihrer Freiheit» brüften, von den Ve 
Ben verachtet und wie Vieh behandelt werden und fo aud zu 
Schmach unfers Zahrhunderts unter das Bieh herabfinte’ 

Diefe verftändige Darſtellung verdient um fo mehr ka ı 
fie in den Bereinigten Staaten gedrudt wurde, wo wird 
das Loos der Regerſklaven am bärteften fcheint. Übrigens def 
auch in Brafifien nicht Alles Gold ift, erweift fi gleih u 
dem folgenden Eapitel, wo unmittelbar die empörendfien Bra: 
ſamkeiten an vier Regerfklaven und dazu «noch von einem Beh 
verübt werden, während der Berf. in einer Rote den Vorſal 
als einen thatfächlichen hezeichnet. Doch mit der Unterfheitun, 
daß die großen SHaveneigenthümer entweder Engländer oder m 
den Braftliern noch wenig vermifchte Abkommlinge der Portuge 
fen find, die Geburts : und Geldariftokratie, können wir war 
ftehen, daß der freie Neger von Brafllien das verhältnißmiha 
gluͤcklichſte Loos in Amerika genießt, ja er ift der Zahl nah je 
rabezu die Mittelclaffe und mit diefer überhaupt durdaus ir! 
Darauf rechnen auch die Ubolitioniften in England am meiftn, 
indem fie fagen, daß bei fortgefegter Einführung von Kıyn 
flaven aus Afrika diefe Race geradezu bie herrſchende Ent 
mit der Zeit werden muß. 

Die obige Probe mag auch als Mufter für den Stil gi 
ten; er ift überall ſchlicht und einfach, aber ohne fh ie x 
fonder zu erheben. Als flüchtige Lecture kann das Bus ır 
mer empfohlen werden, doch wird es vermuthlich bald dert 
erfheinen, da der Verf. zu dieſem Zwecke kürzlich nad &4 
land gekommen fein fol. un. 





Literarifche Notiz aus Frankreich. 


A. von Haller's Leben. 

Jede biographiſche Darftellung, fobald fie einen irgest X 
deutenden Mann, einen in ſich abgefchloffenen Charakter 
trifft, hat ihren eigenthümlichen Werth und Ihr Inter. & 
kann nicht leicht ein Xeben geben, welches eine größer Mi 
von Beziehungen und reichliern Stoff zur Anregunz td, 
als die thatenreiche Laufbahn des großen U. von Halle, deſen 
unvergängliche Leiftungen Zeugniß abgeben vom reinften Ei. 
und von ber heiligften Begeifterung für das Gedeiher dt 
Wiſſenſchaften. Es Tann daher der ftrebfamen Jugend ©: 
nichts Anregenderes geboten werden als ein Bild dies Az 
nes, der mit einem unbeſchränkten Wiſſen den edelften 
ter verband. Die Begeifterung, welche aus foldyen Darſil 
gen quillt, muß mehr ald irgend etwas Anderes befruchte 
und fördernd auf die Studien einwirden. Wir erfreuen :> 
deshalb am Erfcheinen einer „Biographie d’Albert de Hal. 
von dem wir fihon die zweite Auflage erhalten. Der u: 
Bannte Berfaffer, Deſſen Identität mit dem Herausgeber I 
„Bssai sur la vie de J. G. Lavater” auf dem Zitel ange 
tet wird, hat die neue Ausgabe feines Werkes mit Zul 
Berichtigungen und Beilagen verfehen, welche den Beh de 
felben zu erhöhen geeignet find. Leider iſt diefes reihe AR 
rial nicht eben gefchidit verarbeitet ; der ganzen Darftelun; © 
nicht Börner Abrundung gegeben, Die einzelnen Bauſteint 4 
gen no 


etwas wire durcheinander, und fo wird gir!t 


gegenwärtigen Form, die wirftid noch eine Tor gfältige BE 
ar 


eitung erbeifcht, vieleicht Manchen abſchr 


en, ber dae 
eine geiftreihe Darftelung gefeffelt würde. 


Für Ten, * 


mehr auf die Sache ſelbſt zu ſehen gewohnt iſt, bietet nat 


vielfaches Intereffe und ein reicher Stoff. Befonders merk 
ift die Auswahl aus dem unendlich ausgedehnten Briefwede. 
duch den Haller faft mit allen bedeutenden Männern IX 
Zeit in Berbindung ftand. Hier find uns vorzüglich Lie dt= 
mente aus der Correſpondenz von Intereffe gemejen, 7 
zwiſchen Haller und dem tieffinnigen Bonnet lange Zeit > 
Beiter einer lebhaften Zreundfchaft beftanden hat. l.. 


Verantwortlicher Deraußgeber: Heinrich Brockdans. — Drud und Berlag von F. X. Drockdaus in Leipzig 


N 
® 











Blätter 


für 


(iterarifde Unterhaltung. 





Mittwoch, 


18. November 1846. 





Die neuefte Literatur über Rußland. 
3weiter Artikel. 
(Sortfegung aus Wr. 321.) 


Beiweitem belehrender und genufteicher war für un 
Mr. 8, „Reifeabenteuer in Georgien, Girkaffien und Ruß⸗ 
land“. Es thut wohl, das unbefangene Urtheil eines 
Mannes von Einfiht und Erfahrung über Verhältniffe 
und Gegenftände zu vernehmen, die uns in neuefter Zeit 
nur mit feindfeliger Parteilichkeit gefchildert werben. 
Leider müffen wir aber einen groben Misgriff des beut- 
fchen Bearbeiters bemerken, der auf dem Xitelblatte be- 
fagt: „rei nach dem Englifhen.” Roman, Drama 
laffen fich wol frei nach einem fremden Originale über- 
tragen, aber nicht perfönliche Abenteuer, denen dadurch 
ie biftorifche Glaubwürdigkeit verfümmert wird, ba 
man nicht weiß Wem die etmwanigen Weisheiten oder 
Dummheiten beizumeffen find, ob dem Originale oder 
ær freien Bearbeitung. Dabei offenbart ſich noch der 
Ebelſtand, daß Herr Gerftäder ebenfo wenig als bie 
rıeifien der Überfeger der von uns bis jegt angezeigten 
remden Schriften über Rußland mit dem Gegenftande 
eibft unmittelbar vertraut ift, welches bei einer freien 
Ibertragung wenigftens das erſte Erfoderniß fein dürfte. 
Doh kann Dies den Werth der Schrift an ſich 
iche verfümmern, und abfihtliche Entflellungen der Ur- 
hrift fcheinen nicht flattzufinden. Der intereffante Rei- 
mbe, ber uns bier feine Abenteuer auf feinem Wege 
on der perfifhen Grenze durch die an ſich durch grie- 
ifche, hebräifche, hriftliche und mohammedanifhe My- 
pologien und bie Natur fo intereffanten und feit einer 
teihe von Jahren befondere für uns durch die blutigen 
ämıpfe ihrer freien Bergbewohner gegen die Ketten 
tußlande merkwürdigen Gegenden des Kaufafus nad 
em europäifhen Norden mittheilt, war zwei Jahre bis 
838 englifcher Conſul (Oberſt im britifchen Heere) in 


abreez (Tebris, das alte Tauris) und der türkifchen. 


nd perfifchen Sprache mächtig. Er verheißt uns blos 
)as zu berichten, was ihm felbft aufgeftoßen ift; er 
alt Wort und läßt fih in Bein eigentliche® Urtheil uber 
tußlanb ein. Er beſtand die in ber üben Gegend be- 
mders langweilige zweiwoͤchentliche Duarantaine in ber 
tofadlen » Station biesfeit bes Fluſſes Aras (Araxes im 


Alterthum, die Grenze zwifchen Europa und Afien), 
ber feit dem Iegten Wertrage von 1828, durch welchen 
ber Schah einige der berrlihften, blühendften Zänder- 
fireden hatte abtreten müffen, bie perfifche und ruſſiſche 
Grenze bildet; doch traf er bier eine Seltenheit merk- 
würdiger Art an: in dem ruffifchen Duarantaine - Gom- 
miffeir einen fehr zuvorfommenden, höflihen und unei⸗ 
gennügigen Beamten, der nicht einmal bei bes Rei⸗ 
fenden, Abfchied von feiner Dankbarkeit ein paar Rafir- 
meffer annehmen wollte, die feinen figtbaren Beifall er- 
halten hatten. Unfer Reifender verfieß die Quarantaine 
zu Pferde mit zwei treuen Dienern. I, 8 heißt ee: 
En route ftieg nad) und nad) der gewaltige Ararat vor 
meinen Blicken auf, in Bergleihung mit dem alle übrige Sce: 
nerien, fo großartig fie auch fonft an ſich fein möchten, in Un: 
bebeutendheit dahinfchwinden, während ein eigenes Gefühl von 
religiöfer und biftorifcher Ehrfurcht den Neifenden ergreift, 


' vor Defien ftaunenden und bewundernden Bliden dieſes unge" 


beuere Werk des Schöpfers nah und nad auftaudt . . . 
wird von den Landesbewohnern Agree⸗ Dagh (mol nad) eng: 
liſcher Ausfprache?) genannt, und nahe bei ihm fteigt ein Hei» 
ner Berg, dem größern faft in jeder Hinficht ähnlich, empor, 
den man den Ehuhud Agree⸗Dagh (Heinern Ararat) nennt... 
Seit jener Zeit, wo die Arche Roah’s auf feinem Gipfel ge: 
ruht haben p% bat diefen Fein menfchlicher Fuß mehr betreten, 
und obgleich manche kuͤhne und unternehmende Männer, ber 
ſonders ein ausgezeichneter franzöfifcher Reifender (Zournefort) 
ihr Außerftes wagten und daranfepten, die Höhe zu erklimmen, 
fo haben fie body immer wieder von dem Verfuche unverrichte⸗ 
ter a abftehen müffen. Die armenifhe Bevölkerung er 
gähıe fid) dabei die Geſchichte von einem türkifhen Paſcha (die 

eit konnte ich nicht ermitteln), der die Erfleigung erzwingen 
wollte und ſich höchft vorficgtig mit Belten und ®rovifionen 
für fein Gefolge verfah; am zweiten Tag aber fhon kam die 
ganze Klerifei in toller Verwirrung wieder beruntergeftürzt 
und zwar viel ſchneller als fie binaufgeflommen war und ſchwur, 
daß fie unterwegs von ganzen Scharen von Teufeln, Beiftern 
und Kobolben angegriffen wären, die wahrſcheinlich dieſes Vor: 
rüden als einen Eingriff in ihre alten langverjährten Rechte 
betrachtet hätten. *) 


In Nachitſchewan fand ber Verf. als Generaldirector des 
Bezirks einen Polen von einer edeln Familie, der in Na⸗ 


*) Solite denn Hr. P. Cameron nit gehört Haben, daß Pro: 
feffor Parrot d. 3. 1839 den Ararat erfliegen und den hoͤchſten Gipfel 
16,254 Fuß hoch gefunden hat? Und nady ihm 1885 ein Ruſſe. Das 
hätte wenigſtens ber beutfche Bearbeiter bemerken follen. Im vos 
rigen Jahre erftieg ihn Profeſſor Abi aus Dorpat im Auftrag 
der ruſſiſchen Regierung. 





1286 


poleon's Heeren die fpanifchen, deutſchen und ruſſiſchen 
Feldzüge mitgemacht hatte, in der Schlacht bei Leipzig 
verwundet und gefangen wurde und als Oberlieutenant 
den franzöfifchen Dienft verlief. Die Stadt, von noch) 
17 — 20,000 Einwohnern, lag noch in Ruinen wie fie 
den Eroberern war übergeben worden. Er mwehnte hier 
einer armenifchen Proceffion nach dem angeblichen Grabe 
Noah's bei, der von ben Armeniern befonder6 verehrt wird. 
Das Gebäude erfchien ihm mehr einem verfallenen, ge- 
wölbten und mit Badfteinen überbauten Weinkeller (fchr 
charakteriftifch) ähnlich denn etwas Anderm; e6 muß aber 
ein fehr altes Werk der Baufunft fein, „denn die ein- 
gelnen Steine . find noch mit jenem marmorharten Kitt 
verbunden, deffen Wiederauffinden in unferer Zeit fo 
viele gefcheite Maͤnner umfonft verfucht haben”. . In 
Eriwan, lange Zeit die Hauptfladt des nördlichen Per- 
fiens unter bem berühmten und mächtigen Huffein Khan, 
dem Surdar (Gouverneur und. Befehlähaber der Trup⸗ 
pen) der Grenze, Deſſen zwar despotifcher aber gerechter 
und fefter Regierung Ehriften und Mufelmänner noch 
mit freudigem Stolz gedenken (mie die armen Syrier 


. der Ibrahim Pafcha’s), befchäftigte ihn vorzüglich ber 


alte Held, der bier mit Föniglicher Pracht und Gewalt 
in dem Schloffe refidirt hatte, an deffen einer Seite eine 
ungeheuere Felsmaſſe vom Fluſſe Zengui befpült empor- 
ftarrt. Die Felsmaſſe führt den Namen „Der Jung- 
frauenfprung”, weil, wie noch lebende Zeugen dem Rei- 
fenden erzählten, eine ihrem Bräutigam kurz vor ihrer 
Verbindung geraubte fchöne Georgierin ſich zu ihm, der 
feine Arme zum Felſen emporftredte, herabftürzte und 
wunderbar, außer einigen leichten Quetſchungen, unbe- 
Thädigt davonfam und vom gefürchteten Surbar dem 
Geliebten vermählt wurde. Wir finden die romantifche 

egebenheit Hier novelliftifch erzählt, wie fie der freund» 
liche Wirth, ein armenifcher Kaufmann, dem Heifenden 
fol mitgetheift haben. Ob hier ber freie Überträger nicht 
novelliſtiſch nachgeholfen hat, müffen wir dahingeflellt 
fein laffen. ine einfachere Darftellung würde mehr 
mit dem Ganzen harmoniren. Den Weg durch das 
Diligan » Thal nach Tiflis, der Hauptſtadt Georgiens, 
fand der Reiſende in feinem gebirgigen Charakter fehr 
reizend und ließ fi mit feinen treuen Dienern zu ei⸗ 
nem Abmwege von der Hauptfiraße verleiten, auf dem fie 
fi) verirrten und bei einbrechender Nacht in eine im 
dichten Walde am Feuer lagernde zahlreiche tatarifche 
Horde geriethen, deren Führer er, als das Beſte in fol 


hem Zalle, in feftem vertrauenden Tone mit einem: 


freundlichen „ Solam Aleikum“ begrüßte. Uber bie 
plöglihe Erfcheinung erftaunt, aber gutmüthig erwi⸗ 
derte Diefer den Gruß, und als er ihre DVerlegenheit 
vernahm, wurde ihnen fogleich die gaftfreundlichite Auf: 
nahme zu Theil. Am andern Morgen begleitete fie der 
Häuptling felbft bis ungefähr 12 Werft von der Stadt 
auf den rechten Weg. In Ziflis wurde der Reiſende 
von dem Generalgouverneur — in dem Chef des Ge- 
neralftabes fand er einen Sohn Kotzebue's — , durch 
den Diplomaten Mr. de Rodofinikin (fo führt der deut- 


ſche Uberfeger fonderbarerweife und zumeilen zu Be: 

wirrung die ruffifhen Namen auf, als wären es fr 
söfifche) Demfelben vorgeftellt, fehr zuvorkommend aufy: 
nommen. Er präfentirte fi ihm in Militairunifem 
und fügt (I, 44), dag es in dem durchaus militeinice 
Staare, wo alles Cwil (die höhern Chargen der Birk 
matie außgenommen) nicht allein nicht geachtet, ſonden 


ſogar verachtet werde, gerathen fei, feine Beſuche in Uni, 


form abzuftatten, da ein Beſuch in Civilkleidern dh 
für eine Beleidigung angefehen, und ein Offizier mn 
den Ruſſen in einer‘ andern Kleidung gar nicht begrf: 
fen werden fönnte, indem es keinem ihrer eigenen Of: 
ziere verflattet fei, anders zu erfcheinen. „Ahnliche Ir 
geln werden von dem englifchen Militair in Indien k 
obachtet”, fügt er hinzu. Auch fieht fich der Reiſend 
dur die Uniform „allen jenen taufend kleinen w 
angenehmen Beläftigungen und Erpreffungen enthotn, 
denen er in jedem andern Falle rettungslos audgrier 
iſt“. Verhäle fih Das auch fo in Indien? Tiflis ge 
winnt mehr und mehr das Ausfehen einer europäiſhe 
Stadt mit ſchönen Gebäuden und breiten Eiria 
Einige Tage nad) des Reifenden Ankunft 
erregte ein Vorfall theild große Entrüftung , theild Beſeixi 
theils die Spottluft der Beruohner von Ziflis im höchſten Ga 
Ein Gouvernements⸗Commiſſair nämlich, der unter jchr {her 
er Bedeckung aus dem Süden mit einer ziemlich bedeuterie 
(dfumme für den kaiſerlichen Schag nad Tiflis gejeme 
worden, war von einem Stamm ber wandernden Zataren amt 
fallen und geplündert worden und hatte leider babei zugleig ir 
fhiedene ſchwere Beutel mit Dukaten (dem Lohn und Geiz 
feiner eigenen mehrjährigen Arbeiten und Erſparniſſe, m} 
vielen Heinen verſchiedenen Erpreffungen und Betrüga: # 
ſtehend) verloren; man Bann fich denfen wie er tobte... Ei 
ſechs Werft von der Stadt entfernt, in einem Beisa Ak 
an der linken Geite der Straße mußten die Männer, vlt 
die Geldescorte erwarteten, im Hinterhalt gelegen habın, w 
fo ſchnell hatten fie ihren Überfall bewerkftelligt, daf id de 
Kofacken, eines Angriffs gewärtig, von den Pferden guia 
und gebunden und geknebeit auf der Erde liegend fanden, & 
fie nur daran benden konnten eine Lanze einzulegen ober (aM 
Saͤbel zu ziehen. Dann bemächtigten fi die Räuber in ar 
Bequemlichkeit des Schapes, dem Commiſſair nur fremik 
bemerkbar machend, daß fie wüßten wie das Geld ertworken I 
md ed Denen zurücderftatten mollten, die ein ebene BD 
Recht darauf Hätten als fein Kaifer amd er, obgleith a aM 
ſicherlich zur hohen Ehre rechnen würde, ein Unglad mi 
nem Fuͤrſten gemeinfchaftlih zu ertragen... Das wur = 
freilich für den armen Commiſſair ein fehauderhafter Ent 
denn wie loyal er auch wirklich fonft gefinnt fein mod." 
bat er doch gewiß dieſe Gelegenheit es zu beweiſen für ich 
unpaffend gehalten und hätte feinem, kaiſerlichen Herrn ſihe 
mit Dem größten Vergnugen den alleinigen Genuß de DE 
teuers überlaffen. Bu 
Die Beſchreibung der Horde durch den Gaflice 
der deutfchen Kolonie, wie es viele in Georgien ait 
ließ feinen Zweifel, daß es diefelbe mar, welde de 
Meifenden einige Nächte früher fo gaftfreundlih u 
genommen hatte: Der Reifende war bei der Audi 
der Gefandtfchaft,, welde der Seraskier Paſcha 9 
Erzerum an den Generalgosuverneur, ihn zu feinem 
Hierungsantritte zu becomplimentiren, abgeorbuet bit 
Hier war Alles Darauf berechnet den Morgenländer bo 





1287 


Draht in Erſtaunen zu fegen. Bei dem Diner wurde 
Der Reifende vom Generalgouverneur dem Gefandten vor- 
geftelt und kam neben ihm zu figen. 

BWehmüthig betrachtete Diefer aber die herrlichen Weine, 
die er an fich vorübergehen Laffen mußte, und warf nur manch⸗ 
mal einen traurigen Blick auf den Mollah, ber ihm mit feinem 
ernten, Falten Geſicht gegenüber W Endlich aber, als ihn der 
Knall der Ehampagnerpfropfen faft zur Verzweiflung bradhte, 
und fein Durſt augenfheinlich mit dem Wunſche, den Ge 
fegen des Propheten zu folgen, kaͤpfinte, frug ich ihn laut: 
„Ob er nit ein Glas von diefem Ingmwerbier trinken 
wolle.” Er warf mir einen wirklich ernftlomifchen Blick der 
Dankbarkeit zu und nahm es an und das @iß der Geremonie 
war hierdurch gebrochen, ließ Glas nad) Glas in ſchneller Rei: 
benfolge verfchwinden. 

(Die Fortfegung folgt.) 





Aradesten von Karl Oberleitner. Wien, Überreuter. 
1845. 12. 


Die Menſchen haben zu ullen Zeiten eine befondere Rei: 
gung für Sentenzen, Sprüdwörter, bon-mots, Devifen, Apho⸗ 
rismen und ähnliche kurze gehaltvolle Ausſpruche gehabt; man 
bat es bekanntlich nicht unterlafien, viele Schriftfteller und 
Dichter auszubeuten und die fogenannten fchönften Stellen, in: 
nerlich unzufammenbängend, wie eine Perlenſchnur aneinanderzu: 
reihen, und man bat damit zu jeder Zeit einem großen Zheile 
von Lefern ein willkommenes Geſchenk gemacht. Daß es aber 
nicht berüdfichtigt wurde, nur folde Stellen auszuwählen, 
welche felbit nach der Zrennung von ihrer urfprünglichen Um: 
gebung noch denfelben Werth, dDiefelbe Bedeutung behalten und 
überhaupt den Charakter einer Allgemeingültigkeit haben, bat 
die Erfahrung zur Genüge gelehrt, und es wird jedem Gebil- 
beten, dem ed um die Ehre eines Schriftftellers und um die 
wahre und tiefere Bedeutung von Ausfprühen au thun ift, 
niemals gleichgültig fein, wenn ſolche traurige Sammlungen 
in die Welt gefchicdt werden. Man wird in der Regel nwr 
die Speculation eined Eompilatord oder eines Berlegerd darin 
erblicden koͤnnen. 

Ganz anderd erfcheinen uns dagegen die veröffentlichten 
Sammlungen, weldye Schriftfteller und Philoſophen von ihren 
eigenen Gedanken und Anſichten liefern, fobald nur der innere 
Gehalt derfelben eine Veröffentlichung zu rechtfertigen vermag. 
Groß und umü ih ſchweben uns hierbei Die „Maximes 
et reflexions’ eines Larochefoucauld vor und welcher den: 
kende Leſer follte darin nicht eine ebenfo tiefe und fcharffinnige 
Beobachtung gleihwie eine langjährig geprüfte Erfahrung er: 
fennen und bewundern? ine überrafchende Auffindung und 
eine nicht minder überzeugende Enthüllung der Wahrheit leuch⸗ 
tet uns faft aus allen jenen Kerniprücen hervor, weldye mit 
kurzen und prunklofen Worten das Siegel der Echtheit felbft 
in der Ginfachheit ihrer Yorm ausgeprägt haben. Aber auch 
nur ſolche Ausiprüche, welche Wahrheit und Allgemeingültig- 
Beit enthalten und einzeln für fih ein Meines abgeſchloſſenes 
Ganzes bilden Tönnen, follte man einzeln aneinanderreihen und 
Dem großen Weltpublicum vorlegen. . 

Karl Oberleitner, ein junger Schriftfteller in Wien, be: 
kannt dur verfhiedene humoreske Skizzen und Aphorismen 
(Arabesten) in der „Illuſtrirten Wiener Theaterzeitung“, hat 
unter dem Zitel „Arabesken“ eine Heine Reihenfolge von Ge: 
danken, Anfichten, Bergleicgen und Anfpielungen geliefert, welche 
von einer thätigen, bunten Phantafie zeugen, keineswegs aber 
von Neife und Prüfung, und deshalb befier noch einige Zeit 
im Herzen oder doch im Yulte des jungen Schriftftellers ge⸗ 
ſchlummert hätten. Gibt man ji in leichten novelliftifchen 
Skizzen feinen bunt auftauchenden, regellofen Gefühlen und 
Zdeen hin und ſtreut diefe unbefümmert um den ernften logi⸗ 


hen Kritiker in das dünne Fruͤhlingsgewebe des Ganzen, fo 
wird man überall Rachficht und Schonung finden, nirgend Rn 
ftoß erregen; ftellt man ſich aber wie ein Geſeggeber auf die 
Rebnerbühne der Welt und predigt im kurzen Gtil der 8Zwoͤlf⸗ 
tafelgeſeze feine Anſichten und Meinungen, fo wird derfelbe 
Gedanke, welcher in einer Novelle Vergnügen gemacht haben 
würde der ſtrengſten Kritit unterworfen umd mit Recht kalt 
getadelt. 

Arabesken find vegellofe Verzierungen und mit diefer Be: 
deutung ließe fi ein großer Zeil jener literarifchen —** 
entſchuldigen, indem das Sanze nur oberſlaͤchlich hingeworfene 
Gedanken⸗ und Gefuͤhlsſpielereien verſpricht. Aber wir — 
holen: ſolche Skizzen darf man nicht auf die vorliegende Art 
veröffentlichen ;_benn einem denkenden Lefer, welcher ſich nicht 
Sand m die Augen fireuen läßt, koͤnnen einzeln baftehende 
kurze Ausſpruͤche nur dann von Werth ſein, wenn ſie allge⸗ 
mein wahr An Arebesken. ſi 

exleitner's, Arabesken“ find weniger gedacht als geſpro⸗ 
hen, und mehr gemalt als gefühlt; ihr a Ken: 
oft nur in der poetifch-bildlichen Einkleidung, welche ohnedies 
noch gewoͤhnlich gefucht und fchwülftig if. Um aber nit uh: 
gerecht oder lieblos zu erfcheinen, müffen wir unfer Urtheil mit 
einigen Beifpielen begründen. 

„Babeörter find Euranftalten für eheliche Zwiſte.“ 

Diefer Ausfpruch ift mehr fomifh als wahr und entbehrt 
der fchlagenden Allgemeinheit. | 

„Ein kaltes Herz ift eine duftlofe Wachtblume.“ 

Weshalb gerade eine Wachsblume? Wäre eine duftlofe 
Blume (der Natur oder Kunſt) nicht genug? Ebenſo: 

Im Palmenſchatten der Zufriedenheit ſchlummert die tus 
gendhafte Armuth.“ 

Was bedeutet hier Palmen ſchatten? Wo es darauf an: 
kommt, eine Wahrheit auszufprechen und zu begründen, ift 
jedes poetifhe Anhängfel ohne Bedeutung flörend. _ 

Ein glängender Stil iſt Das für fchöne Gedanken, was 
eine goldene Vaſe für frifchblühende Blumen.“ 

Sollte Das wahr fein? Gollten frifhblühende Blumen 
erft in einer goldenen Bafe Werth und Genießbarkeit erhalten? 
Sind fie auf dem freien Felde in ihrer urfprünglichen Umge⸗ 
bung nicht ebenfo ſchoͤn, nicht fihöner? 

„Die Geburt tft Die Einzieh⸗, der Tod die Ausziehzeit aus 
dem irdifhen Wehnhaufe, in dem wir die Miethe mit unferm 
Leben bezahlen.” 

Dieter Vergleich iſt gefucht und dennoch unangenehm durch 
feine Zrivialität. 

„Man ftirbt vor Freude und flirbt vor Reid, — und be: 
neidet Andere, wenn fie geftorben.”, 

Died iſt ein bloßes Wortſpiel ohne innere Gedankenver⸗ 
bindung; nur der Gedankenſtrich bindet bier die beiden Säge. 

„Liebe ift Galvaniemus; Die Lippen die leitenden Dräbte 
der Gefühlsftröme; verbindet man zwei Herzen, hat man einen 
galvanifchen Apparat, mit dem man das erthlofefte vergol⸗ 
den Eann. Das weibliche Herz bildet meiftentheils den negati- 
ven, daB männliche den pojitiven Pol; doch kommen zwei ne 
gative zufammen, ift die Verbindung unmöglich, wie au zwei 
pofitive fih wirkungslos berühren. Die —* iſt der 
Multiplicator, der den Strom der Gefühle verſtaͤrkt und dauern⸗ 
der macht; denn hier iſt es die Seide der Bildung, verſchlungen 
mit dem Metalldrahte der Empfindung, die den Liebesgalva⸗ 
nismus zu einem conftant wirkenden macht. Zerreißt die Zwie⸗ 
tracht die leitende Verbindung der Herzenselemente, hört auch 
der galvanifhe Strom auf. Wie der Galvanismus das Wafı 
fer in Waſſerſtoff und Sauerftoff zerlegt, fo die Liebe die Thraͤ⸗ 
nen in Luft und Schmerz; Luft ift Sauerftoff, welcher alles 
Leben erhöht, Schmerz der Waſſerſtoff fontimentaler Seelen. 
Die Berührung der galvaniſchen Kette verurfacht einen empfind» 
lichen lag; auch in der Liebe treffen uns gar manche harte 
Schlaͤge, die deſto ſtaͤrker ſind, je mehr Herzen mit dem unſe⸗ 
rigen vereinigt ſind. Iſt einmal das Herz von ben Leiden 





1288 


ſchaften oxydirt, hört fein Einfluß auf Andere auf und der gal: 
vanifche Strom der Liebe ift unterbrochen.” 


Iſt ein Bild fo fehr technifch zergliedert und erklärt, wie 
kann man darin nur noch den geringfien Reiz erbliden, abge: 
fehen von der übergroßen Geſuchtheit und Erzwungenheit des 
Einzelnen im Ganzen. Kürze iſt der Hauptvorzug von geiſt⸗ 
und wigreichen Ausſprüchen und die Liebe darf nicht gar zu 
Pont behandelt werben. 

„Schiller ift der Reichsapfel, Goethe der goldene Scepter 
des literarifchen Deutſchlands; — Heine der deutfche Voltaire, 
Börne der meinende Genius am Sarkophage —— — 
— Wienbarg und Gutzkow find die männlichen Staubfäden an 
‚den deutfchen literarifchen Blüten.‘ 

Hier erwartet man nad dem Reichbapfel und dem &cep: 
ter auch die Krone, das Schwert, den Mantel und alle übri: 
gen Paiferlichen Keichskleinodien; ftatt defien fpringt der Dich 
ter auf der Brüde eines Gedankenſtrichs vom Scepter des deut: 
ſchen Reichs auf Voltaire, von Diefem auf den weinenden Ge⸗ 
nius und von diefem über einen zweiten Gedankenſtrich auf die 
männlichen Staubfäden an den deutfchen literariſchen Bluͤten 
über, während Schiller, Goethe, Heine, Boͤrne, Wienbarg 
und Gutzkow die Reihe der Berglichenen bilden. Dies ift aber 
doch etwas ftark verwirrt. Wo ift hier Logik des Gedanken? 
wo Zufammenhang * Wenn Oberleitner eine Reihe von Schrift: 
ftellern in ein Ganzes bringen will und fi dazu eines Bildes 
bedient, warum läßt er daflelbe augenblicklich wieder fallen und 
fpringt ohne alles Bedenken von deutfchen Reichskleinodien auf 
Voltaire u. f. w. über? Was bat Diefer mit Ienen zu ſchaf⸗ 
fen? Weshalb Heine ein Voltaire, Wienbarg und Gutzkow bie 
männlichen &taubfäden an den deutſchen literariſchen Blüten 
fein follen, Das wagen wir gar nicht näher zu unterfuchen, 
ed ſei genug, bie — große Ungeregeltheit des ganzen Ge⸗ 
dankens gezeigt zu 5 

„Wehmuth, du Dorn der Lebensrofe, warum verlegeft du 
dab menfchliche Herz? Bift du der Keim des fchlummernden 
Todes in und? Warum übft du fo großen Einfluß über alle 
fühlenden Weſen? Die Freude verftummt plöglih, das Auge 
fuͤllt fih mit Thraͤnen, draͤngſt du Dich.leife in das weiche Herz 
ein. Du mahnſt und an das Vergaͤngliche und zeigſt uns in 
beinem Hohlſpiegel die Ginfältigkeit des irdiſchen Zaubers und 
läßt uns darin fchauen, wie in einer Stunde Das zerflört 
wurde, was Jahrhunderte geſchaffen!“ 

Hier iſt blos ſubjectives Gefuͤhl ausgeſprochen und es fehlt 
die Grundlage der allgemeinen Wahrheit. 

„Jeder ſchoͤne Gedanke, den wir niederſchreiben, rettet 

uns eine Secunde der fliehenden Lebenszeit; denn ſo oft wir 
denſelben wieder leſen, gefelt fi) der geſchwundene Augenblid 
zeugend zum gegenwärtigen.” 
Dieler Ausſpruch ift fehr wahr, doch joll man nicht jeden, 
ſelbſt nicht jeden fhönen Gedanken veröffentlichen; der Dichrer 
muß auch Etwas für fi, für feinen eigenen innern Bildungs: 
bedarf behalten. 

‚Die Erinnerung begleitet uns wie ein trauernder Schat- 
ten im Sonnenfhein des Glücks.’ 

Hier ift die Erinnerung nur einfeitig aufgefaßt; als ob 
wir und nicht mit derfelben Stärke angenehmer Zeiten er: 
innen fönnten, und als ob nicht felbit die Erinnerung ver: 

ngener Leiden das Gefühl des gegenwärtigen Glücks zu er: 
Böhen pflegte! Hiermit vergleihe man den Ausfprud: 

„Srinnerung ift der Friedhof unferer Erlebniffe.” 

Warum der Friedhof? 

Rur wenige Arabesken von Karl Oberleitner laſſen fi 
vor der Beleuchtung einer logiſchen, ruhigen Anſchauung auf- 
vecht erhalten; Lie wenigſten tragen eine erfennbare Wahrheit 
in ihrem Innern und nur wenige find in ein entfprechendes 
Bud eingefleidet; die meiften find Unfihten, wie fie jedem 
Menſchen von Phantafie je Denipen von Phantaſie je augenblicklich in der Seele auftfttfeee — in der Seele aufftei- 


gen \ und welche ein junger Schriftfteller mit Recht aufzeihne, 
um ſich felbft Far zu werden und die Wahrheit aller Ding 
nad und nach zu erforſchen. Aber niemals follte mon fd di 
einfallen laffen, folche leichte Gedankenſkizzen durch die decſe 
zu veröffentlichen, bevor man fie taufend mal 'gelefen und jahre 
lang geprüft bat. Ein einzingr Gedanke von Larohefoumd 
enthält mehr Nachdenken, Beobachtung und Lebenserfahrun 
ald alle Arabesken von Karl Oberleitner zufammengenomma. 
Wir wollen diefen jungen Schriftfteler hiermit Feinehiurgs mt: 
muthigen, wir find ihm vielmehr aufrichtig gewogen; abe 
ernſtlich warnen müffen wir vor ſolchen Sammlungen, fer 
im Interefie der Literatur als auch der einzelnen Schriftkele. 
Was wäre leichter als taufend folder Gedanken auf fm 
Papieren zufammenzufuden und daraus ein Bänden ju mi 


hen wie das vorliegende? Der Schriftſteller würde auf tik 


Weiſe ein wahres Cchlaraffenleben führen und mit fee 
mübelofen Einfällen den Ramen eines gedrudten Gele 
erobern 
Da biefe Arabesken, welche die Spalten einer —— 
tung immerhin verzieren und illuſtriren mögen, jedoch 
a Stellung eines felbftändigen Bücdhleins eingenommen hab 
ehoͤren z. auch dem Bereiche der Literatur an und mufr. | 
S alb ernfter beſprochen werden als fonft geſchehen fein wurk 
Der Berf., welcher diefe Arabesten dem Dichter Dito Yıeit 

ler in Wien gewidmet bat, übergibt übrigens diefelben de 
Yublicum mit den Worten: 

Früchte nit kann ih euch bieten — 

Samen find ed künft'ger Blüten — 

Same, ber vom Baum bed kebens, 

Aus der Frucht des eig'nen Strebens, 

‚.. Im Erinn'rung großer Geiſter, 
In Betrachtung edler Dieliter, 
In dem Drange nah dem Biel — 
i Nicht auf duͤrren Boden fiel. 
Der Gedanken junge Triebe 
Macht gedeihen — eure Liebe. 


in einer fo befceidenen, liebenswürdigen Weiſe, daß mr m 
gern zu ihm bingezogen fühlt und gleich einem frafetı Be 
ter die Nachſicht der Liebe nur mühſam unter der ernfn in 
der Pflicht zu verbergen weiß. 





Literarifhe Notiz aus England. 


Eine neue fhottifhe Dichterin. 

In einem Pleinen, wunderſchon gedruckten und mit © 
fprechenden Kupfern ausgeftatteten Quartbande hat it 
Ogiloy, in London an einen. Engländer verheirathet, aber '7 
fchottifcher Herkunft und in Schottland erzogen, eine Sat 
lung Gedichte und Romanzen veröffentlicht unter dem Zi 
„A book of Highland minstrelsy” (London 1846). Der Int- 
erzählt meift Sagen und Märchen aus den fchottifchen Hediz 
den, faft ohne Ausnahme tadellos. Tief und lebendig hat die= 
fehr junge Dichterin den wilden, ſchwermuͤthigen Sinn des Sur 
erfaßt, hat mit glüdlichem Fleiße feine untergehenden Legenden 5 
fammelt, die Ausſchmückung feiner träumerifchen Märden re 
Phantafıe vertraut und mit feltener Gewandtheit des Auzirsf 
wahre Poefie gefchrieben. Kurze Proben laffen fich nicht auspet= 
Könnten lange geftattet fein, würde wieder die Wahl idee 
merden, denn ie „Shrift of Janet Campbell‘ für ben tt 
gifhen Ernſt und „Parting on the brig‘ für haͤuslihe 
Schmerz, fo zeugt „Vow of Jan Lom“ für das rechte & 
der Behandlung einer. alten Sage. Wer die Dicterin tr 
Überfegung einer ihrer Gaben in Deutfchland einführen A 
greift vielleicht nicht fehl, wenn er „Lord Murray“ u 


Tg ranmonttider Seraubgeber: Gehneib Weoddans, — Drud und Zerlan von @, SE, Meoiane in Beim. Deraußgeber: Heinrich Brockdand. — Drud und Berlag von F. . Vrockhaus in Beipgig. 





Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Donnerdtag, 


— Nr. 323. ö— ⸗7 


19. November 1846. 








Die neueſte Literatur über Rußland. 
Zweiter Artikel. 
(Fortfegung aus Nr. 322.) 


Ein militairifches Feſt zu Ehren eines vom Kaufa- 
ſus zurücdkehrenden türkifchen Gavalerieregiments, mit 
einem Manoeuvre verbunden, welches der Neifende un- 
ter dem Hetman der Kofaden, feinem Freunde, nicht 
ohne Gefährlichkeit mitmachte, gibt ihm Gelegenheit zu 
manchen, bis auf die trefflichen Linienkofaden, nicht ganz 
günftigen Bemerkungen über das ruflifhe Militair. Er 
tadelt die Plumpheit und Steifheit der Infanterie, die 
aus der Heinlichen Corporal » Drillung hervorgeht, und 
Die Zerlumptheit der ruffifchen Krieger außer dem Dienfte 
(wie wir wiffen eine Folge des Raubſyſtems ihrer Offi⸗ 
‚iere). 1, 66 heißt ee: 

Es möchte übrigens bier am Plage fein, einige Bemer- 
aangen über das militairifche Geſetz der Ruflen hinzuzufügen, 
a8 keineswegs zum Vortheil derfelben fpricht. Diefe fürdhter: 
che Strenge einer unnadfichtigen, ja graufamen Disciplin er» 
ã edrigt die Soldaten felbft zu bloßen willenlofen Automaten, 
Daß fie, wie andere Mafchinen, deren Feder oder Kette, die 
e in Bewegung fehte, gebrochen, matt und kraftlos in fidh zu⸗ 
mmenfallen, wie Died fchon oft der Fall, daß, wenn vielleicht 
er Führer und einige der höhern Dffiziere fielen, von den 
nteroffigieren Peiner im Stande war den Befehl zu überneh- 
en und dad Corps zufammengebauen wurde... Noch vor 
2 Jahren Eonnten die Offiziere eines Regiments, fogar Capi⸗ 
ine (?) und &ubalterne, nicht allein von ihren VBorgefegten 
;rperlich beftraft werden, fondern es war ein keineswegs 
gewöhnlicher Kal, daß fie an den Zifchen Derfelben wie Die: 
r oder Sklaven aufwarten mußten. 

Ein Hufarenoffizier, erzähle der Verf., war mit wich⸗ 
en Depefchen im Begriff von einer Poftftation abzu- 
ren, als ein Staböoffizier, der nicht Pferde vorfand, 
a feine Pferde ohne Weiteres abfpannen und fich vor- 
en laſſen wollte. Der Hufarenoffizier trat an ben 
agen und machte ihm ehrerbietig Vorftellungen dage⸗ 
15 der Stabsoffizier fprang wüthend heraus und 
ug ihn wit der Fauſt ins Gefiht. Der Beleibigte 
ff nad) feinem Piſtol und fchoß ihn nieder. Das 
egögericht verurtheilte den Thaͤter nah Sibirien in 
Bergwerke. Der Kaifer Tief das Kriegsgericht ſich 
h einmal verfammeln und legte ihm die Frage vor, 
rer Dufarenoffizier erſt nach dem Fauftfchlag das Piftol 
den oder e6 ſchon geladen zur Hand gehabt habe, und 


da das Legtere der Fall war, fo caflirte er das Urtheil. 
„Welches freudige Staunen bdiefer Befcheid, befonders 
bei den Gutgefinnten, erregte, obgleich fi bie rohe Ari⸗ 
flofratie dadurch natürlich in ihren Rechten gekraͤnkt ſah, 
kann man fich denken.” Dann fommt er auf die Strafe 
der Degrabation der Offiziere, die fich kines Vergehens 
ſchuldig gemacht, zum Gemeinen, woburdh die Grenz⸗ 
linien zwifchen Soldaten und Offizier verwiſcht werde, 
führt für die Unzweckmäßigkeit biefer Strafe, da 
der Degrabdirte ſich wieber bald zu feinem vorigen 
Range auffhwingen kann, mehre ſchlagende Beifpiele 
an, und rügt 

dad Mecht, was jeder Offizier bat, vom Faͤhndrich aufwärts, 
faſt unbegrenzte körperliche Strafe an irgend einem der ge: 
meinen Soldaten zu vollziehen, ohne dafür oft einen Grund 
zu haben, was natürlich nur zu häufig benugt wird, um ir» 
end einen plöglichen Eigenfinn oder Privatrache oder augen: 
Blickliche zornige Leidenſchaft ( Aufwallung ) zu befriedigen. 
Furcht ift das Hauptprincip des ruffifchen Militairgefeges, und 
daber bemüht fih felten der Offizier (außer einigen fchonen 
Ausnahmen) die Zuneigung und freundliche Sefinnung der Ge⸗ 
meinen für fi) zu gewinnen; und doch ift Fein MWefen auf ber 
weiten Welt geneigter als gerade ber ruffifhe Soldat, die 
Güte feines Vorgefepten anzuerkennen und zu würdigen. 

Das Lepte was er noch bemerkt „ift: die entfegliche 
Grauſamkeit, mit der das Syſtem koͤrperlicher Züchti⸗ 
gung, beſonders bei dem ſogenannten Spießruthenlaufen“ 
gehandhabt wird. Nun, das engliſche Militair will ſich 
feine neunſchwänzige Katze auch nicht nehmen laſſen. 

Don Tiflis ging die Reife durch ben wichtigen 
und befchwerlihen Paß von Wladekawkas, im Ubri- 
gen aber durch die entzückendſten Gebirgsgegenden nad 
den außerordentlich kräftigen Bädern bes Kaukaſus. 
Gleich in der erften Nacht überfiel dein Neifenden ein 
furchtbarer Gewitterflurm. Die Schilderung deffelben 
ift fehr lebendig. Noch manches Abenteuer brachte ihn 
nad) Pätigorst, dem Hauptbadeorte. Wahrfcheinlich ift 
es ber Übertrager, der (I, 81) Kibitle und Telege 
miteinander verwechfelt. Die Kibitke ift bedeckt und ein 
keineswegs unbequemes Fuhrwerk; die Telege dagegen 
ift unbedeckt und entfpricht feiner fchauderhaften Be⸗ 
fhreibung. Der Verf. hielt ſich längere Zeit in Pä- 
tigorsk guf, von wo aus er manche intereffante, aber 
auch gefahrvolle Ausflüge machte, bei welden ihn fein 
Stüdsftern bewahrte. Wir finden hier eine ziemlich be- 








taillirte Schilderung des Kriegsfchauplages und des Guer⸗ 


zillatriege der Bergvölker, mit denen unfer Reifender 
ziemlich oft unvermuthet zufammentraf. Befonders war 
Dies der Fall mit einem jungen Häuptling, der, früher 
in ruffifhen Dienften, ſich verlegt gefunden und über 
den Kuban geflohen war, wo er mit offenen Armen 
aufgenommen wurde. Er hatte den Nuffen die -blutigfte 
Rache geſchworen und hielt feinen Schwur bei den plög- 
lichen Überfällen der Militairpoften längs der Linie, die 
er faft beftändig in Allarm hielt. Die unaufhörlichen 
Einfälle der Bergvölter, die in der Stille der Nacht den 
Kuban überfihreiten und dann mit todesverachtender Wuth 
die Militairftationen flürmen, machen den Aufenthalt 
in dieſen reigenden Bädern unficher und unbehaglid. 
Sehr intereffant ift die Schilderung eines in Kislawosk 
während eines Baus beabfichtigten Überfalles, der aber 
‚durch die vorfichtig getroffenen Mafregeln des Comman- 
danten, eines beutfchen Barons P., vereitelt wurde und 
in deffen Anführer der Reiſende feinen gefürchteten jun- 
gen Freund aus den Bergen zu erkennen glaubte. Die 
Gebirxgskrieger zogen nad) einer Recognoscirung 10—12 
Werft weiter und überfielen einen Militairpoften, ben 
fie zufammenhieben und werthvolle Pferde, einen großen 
Vorrath von Ammunition und eine beträchtliche Anzahl 
Rinder und andere Hausthiere mit fich fortichleppten. 
In den Bädern wurde der Meifende mit den vornehmen 
Polen und Ruffen bekannt, welche Exftere in Folge des 
Aufftandes zur Befreiung ihres Vaterlandes und bie 
Legtern für den Militairaufſtand bei der Thronbefleigung 
des Kaifers Nikolaus lebenslaͤnglich nah Sibirien ver- 
bannt und durch den Großfürften Thronfolger Alerander 
auf feiner Neife durch Sibirien erlöft und nad) dem Kau⸗ 
kaſus verfegt waren. Er erzählt hierbei einen ſchönen Zug 
des jungen —— der die Befreiung des Oberſten 
N. (dem ſeine Gattin in die Verbannung gefolgt war) 
auf die edelſte Weiſe bewirkte. Die Verbannten wur⸗ 
den nach dem Kaukaſus verſetzt, um als gemeine Sol⸗ 
daten zu dienen. Der Verf. ſagt (I, 112): 

Doch klingt Died graufamer als es wirklich ift, denn nach 
den flamwonifchen. (?) Geſetzen erhält ein Edelmann, der gegen 
den Keind gejandt fih zum Offziersrange emporichwingt (mas 
im Kriege, falls ihn nicht die blutige Senſe der Schlachten 
hinwegmaͤht, felten oder nie lange außbleibt), zwölf Monate 
nach feiner erſten Beftallung Alles was er verloren, Rang und 
Vorrechte zuxruck und darf feinen bisherigen Stand als freier 
Edelmann verlafien... Von Mehren diefer Unglüdlichen erhielt 
ich auch etwas genauere Nachrichten über jene fernen und. ges 
fürchteten Einöden, in welchen Einige von ihnen acht bis zehn 
Jahre verlebt hatten; wie es aber mit vielen Sachen geht, fo 
auch mit diefen: bie Schreckniſſe werden fchlinnner und gefähr: 
licher außgemalt als fie wirklich find, und wenn auch bie 
Strafe, Bott weiß es, hart genug ift, jo behandeln andere 
Länder ähnliche Verbrechen faum milder. Die Gefangenen je: 
ner Wildniß haben doch wenigftend die frifche freie Simmel: 
luft, und bedeckt auch, ſechs Wochen im Jahre ausgenommen, 
ewiger Schnee die öden Flaͤchen, fo befigen fie doch warme 
Wohnungen, Kleider und Provifionen im Überfluß und dürfen 
frei und ungehindert mit ihren Leidendgefährten verkehren. 

Wir führen Dies an gegen den Berf. von „Ruß: 
lands inneres Leben”, der uns gerade megen dieſes 


Punktes grimmig angefchnaubt hat. Wir müffen de 


Verſuchung wiberfiehen, bei den vielen intereffanten Ju, 
gen und Schilderungen zu verweilen, und und begnugm 


des Derf. Anfichten von dem Refultate diefes merkwir 
digen Freiheitskampfes, der uns in feinen Erfcheinunge 
oft in die Scenen des grauen Alterrhums verfegt, mit 
zutheilen. Nach einer fcharfen Kritik der bishetigen 
Hauptanführer, unter denen Yermolom ungeachtet der 
oft verübten Grauſamkeiten doch das meifte Gute und 
Baron Rofen, der bekanntlich des Commando mega 
feiner unglaublihen Erpreffungen und Unterfchleife ent: 


fegt werden mußte, das Verderblichſte Leiftete, leſen wir 


I, 154: 


Nicht zu leugnen ift es übrigens, Daß ein großer Zhei 
des Unglüdd und der Kiederlagen, welhe die moslomitük. 
Armee erlitten, daB Zaufende von geopferten Menſchenleben 


und ungeheuern Summen Geldes der Thorheit, Schurke 


und Beftechlichkeit einiger ber kaiſerlichen Offiziere zugeihrir 


ben werden muß; und in der That ift, wie mein Zreumd!. 


bemerkte, die Aufgabe der Generale Golowin, Grabbe un 
Rajewsky, wie anderer gutgefinnter ruffiicher Befehlshaber die 
jest nur gewefen, die Fehler und den Schaden wiedergutr 
machen oder zu verbeflern, der durch ihre Vorgaͤnger und kıra 
Geſchoͤpfe entitanden war... Run aber ift Die Frage, ob jar 
ungeheuere Aufwand von Blut und Schägen, der an die Er 
rihtungen jener zahlreichen Poften und Feftungen gemastt 
worden, den ruffifhen Intereffen Hinficgtlich der Körderung ti 


Planes jenes Land zu unterwerfen nützlich geweſen ft... 


Hierauf kaun ih nur antworten, daß die Zeit allem jene Kr 
fultate erflären und rechtfertigen Bann, die Durch das jekiz 
Syſtem des kaukaſiſchen Kriegs herbeigeführt werden. &ık 
aber ein Kampf, auf den kommende Generationen mit Ei: 
nen und Berwunderung zurücdfehen werden; denn auf be: 
nen ®eite fteht ein Kaiferreich, das vor einem Jahrheden 
faum gekannt und beachtet wurde, deffen rafend fihnel mat 
fende Macht und Größe es aber gegenwärtig für ein ki 
der europäifihen Mächte zu einem Gegenftand ber Bekinm, 


für einen andern des Hafles und Reides macht, währcad u 
Alle mit gleicher aͤngſtlicher Wachſamkeit beobachten: cin Sur 


ferreih, deſſen Territorium gegenwärtig ein Drittheil der ir 
wohnbaren Erde mit einem Einfommen und einer Arme bi 
det, weiche in Zruppenzahl die der größten Nation um di 
Doppelte überfteigt, und einem Deitiel der ſänmtlichen Brrt 
Berung bed Landes gleichkommt, mir dem ed Krieg führt. I 
der andern Seite Dagegen zeigt fich ein über ein weites Land iM 
ſtreutes Bolt, das, von den fern des Schwarzen bis zu lat: 
des Kaspiſchen Meeres, Weiber und ‚Kinder eingererhnet, kas 
drei Millionen Seelen zählt, das, von Geld, Kanonen und Bi 
terial gleich entblößt, dem märhtigen Feinde Richts entgeger⸗ 
zuftellen hat als flarfe Arme, unzerſtörbaren Muth, bei 
Baterlandslisbe und unzähmbare Wildheit, zugleich mir IM 


günftigen Boden feines Landes als Schug, der feit der ER: 


pfung der Welt die Geimat feiner Kinder von dem Jod ı? 
der Unterdeüdung einer fremden Macht frei gehalten Wi 
Died Land aber, bon großartiger, entzuͤckender Raturihinie 
mit feinen reichen Thaͤlern und tiefen Bergichlünden, die jedes 


von ungangbaren Sümpfen eingeichloffen, ben Reihen u E 
oberer verderblicher find als dem nie fehlenden Scharffchia 


der Gebirge, trägt oben, weit höher ais die moskowi 


Kanonen. ihre eiſernen Todesboten ſchleudern Amen, ungeheum 


Flaͤchen der ſeltenſten Schönheit und Fruchtbarkeit, auf bar 
die gewaltigen Heerden der Stämme in Frieden und Sicht 
heit weiden können, während jene der Feinde ſich nie ‚aus im 
Bereich ihrer Feuerfchlünde hinausıwagen dürfen. Hinter IX 


fen Ebenen fteigt der ſchneeige Patriarch Eiborus in fine 


Mantel gehöüt empor und fchaut wie verachtend nad !i 











1291 


Fremden hinüber, die nur den Gedanken zu faflen wagten 
feine flarren Glieder in &efleln zu legen. gien, 


Einem talentvollen und geiſtreichen ruſſiſchen Stabs⸗ 
offiziere, der in der Betrachtung der Scenerie äußerte: 
„Jahre werden noch vergehen ehe wir ſiegen koͤnnen, 
und was für eine ungeheuere Macht wird dann erfo- 
derlich fein, das wirklich Errungene zu bewahren? Was 
fagen Ste dazu?” erwiderte ex, daß Dies wol dem fcharf- 
fihtigften Staatsmann ober tüchtigften Befehlshaber ſchwer, 
ja unmöglich fein würde zu beantworten, da vieleicht eine 
Anderung von Umftänden in der weſtlichen Hemifphäre 
auch diefem Kriege eine andere Wendung geben koͤnne; 
als Soldat aber müffe er ihm fagen, daß ihn zwei wich- 
tige Gründe zu dem Glauben bemögen, daß es noch 
fiherlih eine ſehr lange Zeit dauern würde, bis dieſe 
Bergvölter unterjocht werden fönnten: die günflige Ge⸗ 
flattung und Befchaffenheit des Landes für das tapfere 
Volk wie der wilde, trogige Muth der Cirkaſſier ſelbſt, 
der in allen Rändern der Erde die Bergvölker am läng- 
fien von jedem Joche freigehalten habe; und zweitens 
die Überzeugung, daß der ruffifche Soldat ebenfo gut als 
Grenadier wie fohlecht als Leichter Fußfoldat und Ti- 
railleur fei. 

„Sie fprechen, felbft ein Bergbewohner“ (wahrſcheinlich 
ein fchottifcher Hochländer), erwiderte der Ruſſe Sachelnd, „auch 
natürfih mit den Gefühlen und Ideen eineß ſolchen.“ „Und 
Sie”, entgegnete er ihm, „mit dem eines Stabsoffiziers — voilä 
tout.” Hier endigen die Notizen — führt ver Reifende fort — 
die ich über diefe intereflanten Regionen niedergefchrieben; aber 
dennoch zögert die Feder und will nicht fcheiden von der Er- 
innerung jener mir fo lieb gewordenen Drte. Meine Wande⸗ 
rung durch den Kaukaſus und feine Provinzen war eine ununs 
terbrochene Kette von Bergnügungen und Unterhaltung gewe⸗ 
fen, und ich bin von Ruffen und Kofaden, von Eirkaffiern und 
Zataren mit einer Freundlichkeit und Gaſtfreundſchaft aufge 
nommen worden, der ich ſtets mit der herzlichſten Dankbarkeit 
gedenken werde. 

Wird das neue Syſtem ber Freundlichkeit und des 
Handels, das der gegenwärtige Oberbefehlshaber Füuͤrſt 
Woronzow anmendet, und wie es ſcheint am Kuban 
mit großem Erfolge, die Bergvoölker den Ruſſen geneigter 
madhen? Mir koͤnnten es Hlauben, wenn — nur bie 
ruſſiſchen Civil- und Militairbeamten nicht eben ruffie 
Ihe mären, bie ihre Natur in die Länge nicht verleug⸗ 
nen tönnen. Ein intereffanter charakteriftifcher Zug, den 
der Neifende mittheilt, Lönnte wol zu jenem Glauben 
dringen. Nachdem der Verf. die Schönheit der beiden 
Gefchlechter, vorzüglich des männlichen, gepriefen hat, 
fügt er (I, 175): 

Reiterübungen und Jagd wie Mufit und Tanz bilden ihre 
Hauptvergnügungen, and beſonders geben fie ſich dem legtern 
mit einer Leidenfchaft hin, die fie felbft, in Fried und Freund: 
ſchaft, bis mitten unter ihre Feinde hineintreibt. Wie mir ge 
jagt wurde, fo iſt es ein keineswegs ungewöhnlicher Fall, daß ver: 
ſchiedene Häuptlinge und cirkafſiſche Edle, die mit der vuffifchen 
Regierung in offener erklärter Jeindſchaft leben, wenn fie wif: 
jen, daß fie dem Wort ded commandirenden Generals feft ver: 
trauen ®önnen, um die Erlaubniß nadyfuchen, die Sommer: 





Er erzählt, wie ein deutſcher Neifender im Dienſte 
der ruſſiſchen Regierung gefangen genommen und in die 


Berge gefchleppt und nur gegen ein ſchweres Köfegeld 


in Sreiheit gefept war, Er ging nach Pätigorsf, um 
feine angegriffene Geſundheit herzuftellen, und traute fei- 
nen Augen nicht, als er eines Abends bei einem großen 
Balle zur Geburtsfeier ber Kaiferin in dem Eraftigen 
edelaus ſchauenden cirkaffifchen Häuptlinge, der gerade zwei 
jungen reizenden Damen ämfig den Hof machte und kei⸗ 
neswegs [pröde von ihnen behandelt wurde, feinen Wirth 
aus den Bergen zu erkennen glaubte Er fuchte den 
Commandanten der Garnifon auf und theilte ihm fein 
Mägliches Abenteuer und feine Überrafhung mit; war 
aber fehr befturzt, als der General ihm laͤchelnd erflärte, 
Wer auch der Fremde fei, und wenn das Blut des Kai- 
ſers an feiner Hand lebe, dürfe ihn Doch Niemand an 
biefem Orte antaften, da er dem Ehrenmorte des Gene- 
rals Rajewky freies Geleit und freien Aufenthalt ver- 
danke. Er machte fih den Spaß dem Häuptling den 
Reifenden vorzuftellen, und Jener gab fi Diefem fehr 
freundlich zu erkennen, ertundigte fi mit vieler Güte 
nach der Gefundheit feines frühern Freundes und ver- 
fiherte ihm mit vieler Herzlichkeit im Tone, daß es ihm 
ein mahres Vergnügen gewähren würbe, ihn wieder ein⸗ 
mal unter feinem Dache zu beherbergen. Der Reifende 
gebadyte des breitägigen Rittes, von dem er noch die 
Nachwehen zu empfinden glaubte und der anfehnlichen 
Erleichterung feiner Kaffe, und trat bei ber letzten Höflich- 
keitsverſicherung unwillkürlich einen Schritt zurüd, „waͤh⸗ 
rend ein ziemlich hörbares Gekicher, befonders von dem weib⸗ 
lichen Theil der Geſellſchaft aus, den ganzen Kreis durchlief”. 
(Die Fortfesung folgt. ) 





Der Sieg des Socialismus über den Sefuitismus, oder 
die Conftitution der Jefuiten und ihre geheimen Ver⸗ 
haltungsbefehle. Bon Th. Dezamy. Aus dem 
FSranzöfifchen mit einem Nachwort von E. Weller. 
Leipzig, Jurany. 1846. 8. 1 The. 


Zefuitißmus oder Socialismus! Daß in bdiefen beiden 
Snbpyneten die Zukunft der curopäifchen Zukunft liege, daß 
fein Übergang, Peine Vermittelung möglich fei, Dieſes fucht 
Dezamy in der vorliegenden Schrift mit ebenfo viel Beleſen⸗ 
beit als Scharffinn nachzuweiſen. Er weift nach, daß der Je⸗ 
fuitismus eben ftarf und groß geworden fei durch bie focialen 
Elemente, weldhe er fchlau zu benugen wußtez er beweiſt Dies 
duch die innere Gefhichte, durch Die ausgezogenen geheimen 
Statuten der Geſellſchaft Jeſu. Darum fagt er: „Man wü: 
thet gegen alle Werbe und Thaten der Sefuiten; man ver: 
font kein Princip, Beine Meinung, Beinen ‚Begriff, feinen 
Maßſtab. Man haut und flößt auf das Gute wie auf das 
Schlechte, auf das Wahre wie auf das Falfıhe, auf das Ge⸗ 
wiſſe wie auf dad Ungewifle; daher Fommt es, dag man fehr 
oft zu einem dem verfolgten gerade entgegengefegten Bielpunft 
gelangt.” „Man macht fih im Allgemeinen ſehr irrige Vor: 
flelungen von der Macht der Geſellſchaft Jeſu; man erhebt 
fie entweder überdiemaßen oder man macht gu wenig Dar» 





aus. Die Einen glauben, das ganze Geheimniß ihrer Stärke 
beruhe auf ihrer Macchiavelliſtiſchen Politik und man brauche nur 
diefe abfcheuliche Politik bioßzuftchen, um den Jefuitismus zu 
gerſchmettern.“ Aber wie nun Dezamy darthut, fehöpft der 


monate an den heißen Quellen zubringen zu dürfen: eine Sitte, 
Die, jo fonderbar e8 auch hingen mag, faſt ſtets erfüllt wird | 
und, wie mir von vielen Seiten beflätigt wurde, den- zuffifegen In⸗ 


terefien mehr Bortheil bringt als jahrelange Kämpfe und-Kriege. 





1292 


Jeſuitismus nicht aus feinem Macchiavelliftifhen Geiſte das 
Princip der Starke; feine eigentliche Stärke zieht er aus den 
Elementen der Ordnung und der Vereinigung, die feine Con⸗ 
ftitutionen erhalten. „Weit entfernt alfo, gegen das Princip 
der Bereinigung loßzufchimpfen, weil es unter den Händen 
ber Jeſuiten zu einer gefürdteten und graufamen Waffe wird, 
muß man in ebendemfelben Brincip, fobald ed vom Geifte 
der Freiheit geläutert und beicht, das wirkende Mittel fuchen, 
welches uns von dem Ausſatze des Iefuitismus befreien wird.” 
&o liefert alfo Dezamy eine durchaus neue und eigenthümliche 
Kritik des Sefuitismus. Der Jeſuitismus tft, indem wir De: 
zamy weiter verfolgen, weit entfernt, in fich felbft eine dauernde 
und ernfte Macht zu befigen; aber feine Gegner find ſchwach. 
Da er gegen kein organifirtes Ganze zu kämpfen, faft kein ge: 
wiffes Princip der Vernunftmaͤßigkeit und Gerechtigkeit gegen 
fih bat, fo braucht er zu feiner Aufrechthaltung nur Rah des 
Widerftandes. Sobald aber die Einheit unter feinen Gegnern 
fih erhebt, fobald fie dem Despotismus der Conſtitutionen 
Loyola's wahrhaft freie brüderliche Eonftitutionen unterfchieben, 
fobald ein georbnetes Sanjes fi dem geordneten Ganzen ge: 
genüberftellt, dann wird beim gekingften Hauche dieſes Bild 
mit Thonfüßen auf feinen Grundveften ſchwanken und für im» 
mer zufammenftürzen. Alfo für den Sefuitismus den Socia⸗ 
lismus! Möge Dezamy felbft reden: 

„Voͤlker, wollt ihr vollig und entfchieden triumphiren? 
So mögen eure Gefühle Vorftelungen werden, mögen fie ſich 
lautern und erleuchten, mögen fie ſich in beftimmte und über: 
zeugende Principien formen, mögen fie fih zu einem thatfäch: 
lien Syſteme ausbilden. Schließen wir uns nicht in ein un: 
umſchraͤnktes Ideal ein, wie folgerichtig und erhaben audy die 
fes Ideal fein mag: forfchen wir unabläffig nad den wirkfam- 
ften und leichteften Mitteln zur Ausführung. Aber vor Allem 
feien wir nicht intolerant und ausfchließend; laſſen wir fort 
während unfere Reiben und. unfere Lehren offen. Dann, erft 
dann wird das Schiff der Menfchheit nicht mehr dem Sturme 
zum Fangball dienen und von Klippe zu Klippe ſtürzen; dann 
werden wir mit Fühner und fiherer Hand die Piloten der fo. 
cialen Ordnung es im rafchen Kaufe endlich in den Hafen der 
Freiheit und des Gtüds fteuern Tonnen. Die Organifation, 
die Wiflenfchaft find die wicdhtigften Punktes nad der Herr: 
[haft des Glaubens trachtet Keiner mehr, Alle zielen nad 
der der Überzeugung, der Gewißheit.” 

Um die Wahrheit feiner Behauptungen nachzuweiſen, zer: 

liedert Dezamy erftend die hauptfächlichften Punkte der Eon: 
Fitutionen Loyola's in der Kürze und zweitens vergleicht er 
mit der darin enthaltenen Lehre die Grundſaͤtze der Gerechtig⸗ 
keit, Freiheit und Einheit de& modernen Socialismus; zu bie: 
fem Behufe hat er endlich ein vollftändiges Mufter der Afforia: 
tion unter dem Titel „Geſellſchaft für auswärtige und innere 
Colonifirung ”’ entworfen. Indem Dezamy die Thaͤtigkeit der 
JIefuiten » Miffionen in Paraguay betrachtet, zieht er daraus 
Holgendes : 

„Ich fhließe aus dem Allen, daß die Iefuiten in der 
That einige Keime von Gerechtigkeit und einige Aufklärung 
in die neue Welt gebracdht, daß aber diefe Keime in ihrem 
Emporfproflen von einer Maſſe Unkraut erftidt, dieſe Aufklaͤ⸗ 
rung von abſcheulicher, ungeheuerer Finſterniß verfchlungen 
wurde. Mit andern Worten: ift man nicht, wenn man es 
ihnen zur Ehre anrechnen Bann in Paraguay gute fociale Ein: 
richtungen oder wenigftens den Entwurf zu einer guten Orga⸗ 
nifation gelegt zu haben, andererfeits berechtigt, von ihnen 
frenge Rechenſchaft zu verlangen über die fonderbaren, ab: 
ſcheulichen Beſchraͤnkungen welche fie zu der Lehre hinzuge⸗ 
fügt, über alle Ungerechtigkeiten und Thranneien die fie ohne 
Scham mit den fo reinen Principien der Vereinigung und der 
Gegenfeitigkeit verknüpft haben ? 

Rahdem Dezamy in 37 Paragraphen die Statuten feiner 
organifirten Geſellſchaft aufgeftelt bat, beleuchtet er: 1) die 
Einwürfe gegen das Princip der Aſſociation; 2) gegen die 


Folgerungen des Socialismus. In einer ruhigen, Maren, dl: 
gemein verftändliden Sprache werden die Einwände, welche 
man fortwährend im Geſpraͤche, in Journalen und Büdern ui: 
wirft, ſcharf und glänzend widerlegt. Wie großartig und ci 
erfcheint und dieſe ſchlichte Entwickelung gegen jeden politifhen 
Parteifanatismus! Swifchen Sefuitismus und Soctialibmus wer: 
den ſich die Geſchicke der europäifchen Welt entfcheiden, aber 
der Zefuitismus ift nicht blos bei den dunkeln Juͤngern de 
la's, er ift auch bei den politifchen Parteien, welde in de 
Preſſe und auf der Zribune für Kragen kaämpfen, denen das 
SIntereffe des Volkes vollkommen fremd geblieben if. Da 
Sefuitismus ift nach Dezamy der Geift des Todes, der Finke: 
niß und des Fanatismus, der Geift der Demuth, Furcht, Ir: 


terdrückung ift die Lift, die Heuchelei, der Bercath in hu 


Bereinigung und Verherrlichung; ed find alle Ungeredtigte: 
ten, Lafter und Verbrechen zu religiöfen Rothwendigkeiten e: 
hoben; es ift mit Einem Worte der Gefammtinbegriff der Ext 
würdigung des Menfchengefhlechts. Der Socialismus dagezr 
ift ein glühender Herd von Wahrheit, Licht und Leben, it ix 
Geiſt der Freiheit, Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit; fein Im! 


ift ein Werk der Verbreitung, der Brüderlichkeit und dr Ba 
Er ift nicht die Vollkommenheit felbft, abe tu 


fhenliebe. 
Anfang alles Fortfchritts, er ift ein wunderbar gebaute Stij 
welches ohne Sturm und Gefahr feine Fahrt auf dem war 
Meere aller Zugend und Glüdfeligkeit befolgen kann und kr 
Stranden befuͤrchten läßt. A 





Literarifhe Anzeige. 
Neue medicinische Enceyklopädie. 


Im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig erscheit: 
und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


Enoyklopädie 


der 





medieinischen Wissenschaften 


Methodisch bearbeitet von einem Verein von Ärla 


unter Redactlion von 


Dr. A. Moser. 
Gr. 12. Geh. 


Jede Abtheilung dieser Encyklopädie ist einzeln unter be 
sonderm Titel zu erhalten; erschienen sind: 


I. Handbuch der topographische® 
Anatomie, mit besonderer Berücksichtigung & 


chirurgischen Anatomie zum Gebrauch für Ärzte 


Studirende, bearbeitet von Dr. Z. Mochmanı 


1844. 3 Thlr. 

II. Handbuch der speciellen Pathr 
logie und Therapie, bearbeitet von ? 
L. Posner. Erster und zweiter Band. 

46. 4 Thir. 12 Ngr. 
(Der erste Band: „Acute Krankheiten“, kosset 2 Ti 
der zweite Band: „Chronische Krankheiten. Erster The‘ 

3 Thir. 12 Neger.) 

III. Die medicinische Diagn 
und Semiotik, oder die Lehre von der Erf 
schung und der Bedeutung der Krankheitserscheinunz® 
bei den innern Krankheiten des Menschen, bearbel“ 

von Dr. AM. Moser. 1845. 3 Til. 


Berantwortlicher Heraudgeber: beinrich Brockbans. — Druck und Verlag von F. WE. Drockhanus in Leipzig. 


180 





Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Die neuefle Literatur über Rußland. 


3weiter Artikel. 
(Bertfegung aus Mr. 312.) 


Der zweite Band, welcher die Reife vom Kaukaſus 
an den Don und von da über Charkow, Mestau, Now⸗ 
gorod⸗Weliky nad) Petersburg enthält, bietet weniger 
Intereſſantes dar, da die Abenteuer aufhören und uns 
nur Bekanntes mitgetheilt wird. Auch hier belebt der 
Reifende feine Erzählung mit manchem Zuge ber ver- 
fhiebenen Stänme, wie z. B. die Geſchichte von dem 
doniſchen Kofaden Bogdan, einem zweiten Mazeppa um⸗ 
ter ber polnifchen graufemen Oberherrfchaft, und mit in 
diefen Gegenden vorgefallenen Begebenheiten, z. B. eine 
fhaubervolle Novelle von einem alten abgebrannten Schloffe 
bei Charkow, wo in den legten Jahren ber Kaiſerin 
Katharina einer der Mörder Kaiſer Peter's HI, ein 
General Graf v. K.., fein Alter in Tiefſinn zugebracht 
haben, und Deffen liebenswürbige Tochter und maderer 
Sohn ſchrecklich zu Grunde gegangen fein follen. Wir 
einen Seinen Grafen v. K.. unter den Mördern Pe 
er’s II., und wenn wir aud) annehmen, daß damit 
ein Franzoſe, fondern ein Ruſſe bezeichnet werden foll, fo 
cheint uns bo die ganze Erzählung (der aus Furcht 
or bem firengen Vater der Geliebten verſteckte heimliche 
Batte in ber Kifte, deren Dedel ine Schloß gefallen, 
ftidt und der Leihnam wird durch den Milchbruder 
r unglüdlicden Gattin beifeite gefchafft) fehr loyal apo- 
yphiſch, ſowol in dem Tiefſinn bes alten Grafen als 
ber gan, unmotivirten Reue bed Sohnes, eines wadern 
u ſarenoffiziers, über die Ermorbung eines Schuftes, der 
me unfchuldige Schwefter mishanbelt, um Geld zu er- 
efjen, und weldhen Mord zu verbergen er ſelbſt fein 
chloß in Brand fledt und aus Neue in ein Klo 
e geht. Das Hat keine ruffifche Faͤrbung. Überhaupt 
ben voir faft alle angeführte geſchichtliche Thatfachen 
ar nicht uuwahr an fih, aber unrichtig wiederge⸗ 
ben. Noch wollen wir ein Raifonnement bes Englän- 
8 mittheilen, das wol einem jeden Unparteiiſchen 
d Wohlunterrichteten wie aus der Seele gefchrieben tft. 
fand im Kreml das Tebensgrofe Bild bes Kalfers 
exander, ver ibm eine Feine altarähnlicge Kifte, auf 
icher zwei große Schlüffel liegen und an der niele 


verblichene,, zerriffene Bahnen lehnen, die ſchwer gewen⸗ 

nenn Trophaen eines tapfern Volkes; im ber Kifte feibß 

Kegen „bie Schugbriefe und die Gonflisation bed uw 

era — verlaffenen Polens”. Der Ber. fährt 
et (Il, 38): 


tor abſchoſſen, während fie ſelbſt bie und theilnahmios ae 
fiyauten, wie ein edles, herrliches Vo n?) 


Reihen die Blüte feiner Jugend Tämpfte und fiel, die bis zu 
dem letzten Augenblick mit unerfihüsterlicher Treue dem kaiſer⸗ 
lien Führer anbingen, eben dieſer Mintfter, der unter dem⸗ 


felben Banner 
ach für „feinem Souverain und Staate nüplich und wün⸗ 


ergen, daß ein großer, ja ein gerttsr 2* 





1294 


abprallen oder an feiner Stärke zerfplitteen müffen ; fo aber, und 
feron in dem legten Aete dieſes blutigen Zrauerfpiels (1830) fraß 


wurden die letzten —— ihrer Heldenſohne durch unheili⸗ 
fol befejleunigt ... D 


fläarben den fchönen 
Vaterland! 

Aber nun — die legte Schilderhebung bes polnifchen 
Adels, wo das Volk fi weigerte mit ihm gemeine 
Sache zu machen und ihn tobtjchlug, ale er es dazu 
zwingen wollte? Iſt Dem fo, wie unlängft in einer Bei- 
lage ber augsburger „Allgemeinen. Zeitung’ ausgeführt 
wurde, daß der polnifhe Bauer feinen Abel als nicht 
von feinem Blute, fondern als fremden CEindringling, 
Eroberer, Unterjocher feines Volkes betrachtet, ben er 
jest feiner Macht beraubt fieht, fo — ift das polniſche 
Sklaventhum erklärt und Alles gewinnt eine andere 
biftorifche Bedeutung: das eigentlihe Volk der Polen 
ftrebt dahin, das drüdende Joch feiner fremden Zwing- 
herren abzufchütteln und — ift infofern in feinem Nechte. 
Mit dem afiatifch - farmatifchen Adelspolen hat es aber 
dann auch für immer ein Ende, und — das moskowi⸗ 
tifche Polen möchte auch nicht von ewiger Dauer fein. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Romanliteratur., 


I. Die Adoptivtochter. Ein Roman von Karoline von 
Böhren. Zwei Theile. Leipzig, Kretzſchmar. 1846. 12, 
2 Ihlr. 15 Rgr. 


Anderſen's „Bilderbuch ohne Bilder” Hat die Verf. durch 
das Bild des dritten Abends zu diefem Roman veranlaßt; in» 
deß nur die erfien Geiten bieten Anklänge davon, bad Ganze 
if ein erfter Verſuch. Die Verf. tritt der Kritik des Publi⸗ 
cums in der Borrede mit Würde und Beſcheidenheit entgegen. 
Was fie darzuftellen beabfichtigt, ift Har. Sie wollte zeigen, 
wie die fchöniten @igenfchaften der reich begabteften Seele, un- 
ter ſchlechter Leitung, durch Eitelkeit und Bergnügungsiuft 
ber Sünde, dem Unglüd verfallen Bann. Diefe —* iſt in 
der Adoptivtochter einer frivolen, reichen Frau trefflich durch 
geführt; das Kind verraͤth ſchon im erſten Auftreten mit ben 
Yuppen ihren Hang zur Eitelkeit und Frivolität. Als junges 
Mädchen entwidelten ſich diefe Eigenfchaften unter den ihr ge: 
botenen Berhältniffen noch mehr. Cine unglüdtiche Liebe, eine 
unglüdlihe Ehe fioßen fie in iener verderblichen Richtung fort. 
Mit dem Berluft Der Reichthümer finft das bezaubernde Gefchöpf, 
dem Bein Mann widerftebt, nicht der edle und nicht der fihlechte, ia 
fie ſinkt bis zur Maitrefie eines Fürften herab, und als fie von 
Diefem verlaſſen wird, noch tiefer. Als fie den Geliebten ihrer 
Jugend wieberfieht, der ihr zu arm war, um ihm treu zu 
fein, als fie ihn glücdlich mit Frau und Kindern erblickt, ftirbt 
fie. Der Roman ift mit großer Kenntniß der Welt und der 
Geſellſchaft gefchrieben: die Heldin lebt in der wirklichen Melt, 
wo täglich ſolche Heldinnen zu Grunde geben; md für diefe 
Wahrdeit müflen wir aud der Unfängerin dankbar fein. Alle 
Unnetur , alle Verzerrung iſt vermieden. Der Lefer be 
wegt rg auch immer in einem gebildeten Kreifes es werden 
Saiten berührt, Eonverfationen gehalten, wie fie die gebildeten 
Kreife halten. Daß unter Underm auch von Gräfin Hahn⸗ 
Hahn gefsrochen wird, nimmt Riemanden Wunder, obgleich: 
gerade diefes Geſpraͤch mit Abſicht herbeigezogen feheint: die 


Berf. wollte eine Kritil der Hahn'ſchen Werke anbringn. 
Ref. erlößt ed fi und dem Yublicum, dieſe Kritik zu Entf: 
ren, fie ift eine der unzähligen aͤhnlichen Kritiken, tadelnd ua 
lobend, was ſchon von der einen Partei getadelt und gel 
wurde. Def. theilt nicht die Unficht der Verf., er würde in 
deß, wollte er fie widerlegen, nur taufend mal Gefagtet wie 
derholen; & ſchweigt er lieber und erfennt hiermit das une 
ftreitbare Eigenthum einer Anſicht an. 


2. Der Pantheifl. Ein epifches Idyll von Theodor Schwar 
(Melab). Leipzig, Ab 1846. 8. 1 Thir. 15 Ror. 


Zu einer Zeit, wo die religiöfen Anfichten fo haarſchaf 
bezeichnet werden, wo ein Jeder fo genau ſich Rechenſchaft zit 
über Das was er glaubt, fowie auch über Das was im 
Freund und Nachbar glaubt, wo es beinahe Roth thäte, da 
man feine Glaubensartikel auf die Bifitenkarten fegen lich, 
da mag das vorliegende Büchlein manchem Lefer fehr milk: 
men fein, indem es den jegt fo allgemein werdenden Panther: 
mus in feinen verfchiedenen Färbungen fchildert. Die Di 
euffionen für und gegen einen perfönliden &ott find im 
Kern des Buches, der Roman ift nur um diefes Kerns wilm 
entftanden. Der Pantheismus in feiner Poefie, in feiner mar: 
men Raturanfchauung findet feinen Vertreter in dem Helde 
des Buchs, dem Dberförfter, und in dem braven Kunftgär: 
ner, der in feinem Umgang mit der Ratur fidh diefe Anſichte 
erworben bat. Dem Oberförfter ift ein Atheift zum Gefährt 
gegeben, ein Jäger. Diefe Drei find rechtichaffene Menika, 
obgleich fie ſich der chriftlichen Religion entfremidet haben, un 
mögen affo die Ortbodorgläubigen von ihrer Verachtung geger 
Andersdenkende einigermaßen zurüdbringenz doch werden R 
nicht als befriedigt dargeſtellt: der Atheift bringt ſich foye 
felbft ums Leben, als er feinen Herrn wieder zum perfonlige 
Gott zurückkehren fieht. Unparteifch ift das Büchlein nicht ge 
fhrieben; der Autor neigt ſich merklich der chriftlichen Gottrk 
anſchauung zu, er bat den Pantheismus fiubirt, nicht de u 
ihren Anſichten befriedigten Pantheiſten. Auffallend if dx 
Belehrung des Helden zu einem andern Gottesglaubee | 
liebt ein gläubiges frommes Mädchen, weldye gar nicht bare 
fen kann, daß es eine Liebe ohne Bewußtfein Gottes, m Br 
wußtfein ohne einen perfönlichen Geift geben mag. „Bi il 
und diefes blinde, dur alle Ereaturen binfkrömende ken! 
Heißt Das nicht den Schöpfer über feinen Geſchoͤpfen vergefien!” 
fo fagt und denkt fies und diefe Misbilligung feiner und ki 
Vaters Anfichten erwedt in ihm die Sehnſucht nad dem pe: 
fönlihen Bott. Er fieht einen armen Mann fterben mit he 
feften Vertrauen auf Gott; der Paſtor Weller redet ihm 
ins Gewiſſen. Ein waderer Amtmann poltert einige kräftig 
Staubensgründe hervor, indem er auf den Tiſch fchlägt, DI 
die Glaͤſer klirren; und der junge Mann ift befehrt. Die F 
kehrung des alten Kunftgärtnert ift noch weniger motivirt, abe 
auch fie gebt vor fidh. n ift noch ein Bedenken! Emo 
das bürgerliche Mädchen befinnt fi, dem Mann ihrer Fit 
ansugehören, weil er von Abel. Das ift veraltet, Dos nf 
nit in das Zeitalter des Yantheismus, wo ein abeliger Die 
förfter nicht zu ſolchen Bedenklichkeiten berechtigt. Unter = 
dern munderlihen Grfcheinungen begegnet man auf bife 
Blättern auch einer Gefellfhaft adeliger Gutöbefiger, meld 
fehr fchlechten Zon haben und ebenfalls Feinen Glauben: 
find noch obendrein undöflih, und in einem Merk, wo Mt 
Figur eigentlich als Typus irgend einer Kaſte dafteht, mh 
man den Adel nicht als unhöflich darftellen, da die Form te 
vor Allem in diefem Kreife cultivirt wird. Der im jeyf 
Moment fo beftimmt außgefprodpene charakteriſtiſche Zug de 
deutfchen Wriftokratie ift die confervative Gefinnung in Pr 
und orthodorem Glauben, welcher Iegtere ſelbſt, wo pie 
phiſches Denken ihn abftreift, dem Schein nad nod aufreik 
erhalten wird, während nur vielleicht einige wenige jumt 
Leute in Lebensluft und Leichtfinn den perfönlichen Gott = 
kurze Beit außer Uctivität fepen. Diefe fo charakteriſtiſche & 


1206 


thüml 
* wird das vorliegende Werk manchen den 
Ir der nit tief in Die Philofophie eingedrungen tft, nicht 
nur amufirt fein, ſondern noch lernen will, anſprechen, da es 
Stoff zum Denken enthält; aud wird ihm manche au gehd- 
riger Stelle angeführte Reflerion von der originellen Auf: 


ichkeit Zeit Hat der Autor t, s 
ichkeit unferer hat ber verfehl —— 


faſſung des Autors überzeugen, und ſeine eigenen Anſich⸗ 


ten beſtaͤtigen oder wankend machen. Das iſt ja aber der 
Fortſchritt, daB man ſich Mar wird über Das was man be 
net, und die Feder des Autors foll eine Kerze fein, weiche 
— — die jetzigen Zuſtände, die jezigen Menſchen und 
deren Gott. 


3. Die Tochter einer Schriftſtellerin. Von der Verfaſſerin 
der „Tante Anna”. Aus dem Daäniſchen von Emell. 
Zwei Theile. Hamburg, Laeisz. 1846. 12. 1 Xhir. 


Der Charakter der Schriftftellerin Eäcilie Warner ift fo 
liebenswürdig gefchildert,. daß er dem ganzen Roman Intereffe 
verleiht, wenngleich derfelbe manches Unbedeutende in feinen 
Blättern aufgenommen hat. Die Schriftftellerin bat, um ihre 
Wohlthaͤter zu unterſtühen, zur Weder gegriffen; fie wird um 
ihres Talents willen gebeirathet, da Hr. Warner gern feinen 
Kamen rühmend in der Literaturzeitung lefen möchte. Der 
Charakter diefes Mannes iſt eine vollftändige Garicatur. Mit 
der Geburt ihrer Tochter wendet ſich der Schriftftellerin Herz 
ganz dem Kinbe zu; fie fehreibt nur ungern, der Gemahl aber 
will fie immer wieder zurkdbringen zu der Bahn des Ruhms, 
und es kommen da aͤußerſt unnatürlicde Scenen vor. Die 
Tochter der Schriftftellerin ift die Heldin, ein liebenswürdiges 
Präftiges weibliche Wefen, welches einen Unwürdigen liebt, 
und in diefer Liebe energifch ift bis zu ihrem Tode. Die Ne 
benfiguren find fehr marfirt: rau v. Dörer, die wohlthätige, 
coquette und endlich pietiftifhe Frau, welche aus der Welt: 
dame endlich fich zur Ronne bekehrt; ihre franzoͤſiſche Kam: 
merzofe, der Lieutenant Dörer und noch andere bier und da 
auftauchende Erſcheinungen. Bwei Geftalten find vor Allem 
gütig bedacht — Ernſt Duros und Bertha, feine Frau. Cr 
das Ideal eines vollendeten Mannes, fie in echter Weiblichkeit 
liebend und wirkend. Das ganze Werk hinterläßt einen wohl⸗ 
thuenden Eindruck, doch enthält ed Beine dänifchen Benrebilder. 
Die Berf. muß viel gereift fein, fich viel in der Fremde auf: 
gehalten und die dort aufgenommenen Bilder auf dieſe Weiſe 
perarbeitet haben. Buchen wir eine Tendenz in dem Romane, 
eine darin eingekleidete Wahrheit, fo Fönnte man allenfalls den 
Beweis finden, daß die ausgezeichnetfte Frau oft einen unwür- 
digen Mann lieben Tann, felbft wenn ihre Achtung ihm ent- 
jegen ift und einem Undern gehört. 46. 





Bonaparte ale Erfter Conful. 


Sn dem nun eefhienenen ſechſten Bande des „Diary and 
stters of Madame d’Arblay” herausgegeben von ihrer Nichte, 
jelcher den Beitraum von 1793 — 1812 umfaßt, befinden fi 
nter einer Menge auf die literariſche Thaͤtigkeit diefer Zrau 
ezüglichen Stoffe auch viel — merkwuͤrdige That⸗ 
ichen, Anekdoten und Charakterzüge. Beſonders intereffant 
tdie Schilderung des Eindrucks, welchen Bonaparte als Er⸗ 
er Conſul, als fie ihn zum erſten male ſah, auf die geiftreiche 
rau gemadt hat. Ihren Gatten, erzählt fie, hatte fein Be 
ıf nad Frankreich gerufen und fie war ihm dahin gefolgt 
ei einem Lever, welches der Erfte Conſul bald nad ihrer 
nkunft in Paris hielt, war es ihr vergönnt von einem Fen⸗ 
er dicht neben den Gemaͤchern Defielben nicht nur das Zim- 
er zu überfhauen, wo das Lever ftattfinden follte, fondern 
sch die Zreppe welche zu dem Empfangzimmer führte. Auf 
efe Weiſe war fie und die fie Begleitenden in den Stand yes 
bt, Alle die fi zum Lever einfanden genau zu beobachten. 
tehre Bediente bes Erſten Gonfuls in prächtiger Livrẽe wa» 


zen beſchaͤftigt Stühle für Dieimigen herbeizuholen, welche 
ſolcher bedienen wellten, mehre Beamte, gleichfalls in ve 
vergolbeter Uniform, fchritten dann und wann auf und nieder, 
um ben anweſenden Herren und Damen ihre Pläge anzumeifen 
und fo für den Erften Conful den Durchgang frei zu machen, 
während Undere von vornehmerm Uusfehen in ſchwarzer Klei⸗ 
bung wit goldenen Ketten um den Hald den Eingang der 
Thüre frei zu halten fuchten, bie unmittelbar in das Audieng 
zimmer. des Gewaltigen führte. Um meiften zogen aber ten 
Bli der Aufchauer auf ſich die Reihen der Adjutanten Bone» 
parte's, welche dermaßen ſchimmerten und ſtrahlten, daß alle 
andere Pracht der Gewaͤnder, felbft der buntefte in Schatten 
fiel, fobald man fie mit jenem Prunke verglich. 

„Wr hatten fie”, fährt die Dame in ihrer Erzählung 
fort, „ lange betrachtet, ohne daß wir zu entdecken vermochten 
was dieſe Offigiere vorftellen follten, da meine drei weiblichen 
Begleiterinnen eben ſolche Reulinge bei diefem Schaufpiel war 
ven wie ich; aber fpäter ftand Hr. dD’Arblay auf, um Einen 
von ihnen zu fprechen, führte ihn über den Gang weg auf 


mich zu und ftelte ihn mir mit den Worten vor: «General 
Laurifton!n Der Lepte, weicher eintrat, war der Zweite Eon- 


ful, Cambaceres, der mit ftattlihem und feierlichem Schritte 
bereinfam und langfam, gemeflen und entfchloffen vorwärts 
trat. Er war reich in Scharlach und Gold gekleidet, ſah nicht 
rechts nicht links, und behielt den Ausdrud feften Ernftes 
und gemwichtiger Würde bei. In feinem Gefolge befanden ſich 
mehre Perſonen, die, wie ich glaube, obwol ich es nicht gewiß 
weiß, Staatsminifter waren. Endlich waren die beiden Teben- 
digen Heden zu beiden Seiten gebildet, die Thür des Audienz⸗ 
zimmers ward mit eindrucksvollem &etöfe weit aufgeriffen und 
ein behender Offiziet — eine Ordonnanz oder wer weiß was — 
flieg ſchnell die drei Stufen zu unferm immer hinab, ftellte 
1 neben die Thuͤre, erhob die eine Hand fo gerade es gin 
ber feinen Kopf, or die andere wagerecht aus und rie 
mit lauter und befehlender Stimme: «Le Premier Consul!» 
Man wird gern glauben, daß ed Nichts weiter bedurfte, um 
allgemeine Spannung hervorzurufen; nicht ein Athemzug regte 
fih, als er und fein Gefolge entlang fchritten, was To rafch 
geſchah, daß, wäre ich nicht fo nabe an der Thüre geftanden 
und hätten nicht alle Umftehenden mir Platz gemacht, daß ich 
zu vorderſt ftehen konnte, ich Baum feiner anſichtig geworben 
wäre. Durch dieſe Gunft der Umftände aber Eonnte ich ihn, 
obwol nur einen Augenblid, fo nahe ins Auge faffen, daB id 
durch feinen Blick beinahe die Fafſung verloren hätte. ein 
Geſicht Hat einen tief eindrudsvollen Schnitt; er ift bleich bis 
zur Bläffe, während nit nur im Auge, fondern in jedem 
Bug — Borge, Nachdenken, Zieffinn und Überlegung auf das 
Tharffte ausgedrückt find, verbunden mit fo vielem Charalter, 
nein, Geift und einem fo durchdringenden Ernft, oder befler 
Hefagt, Schwermuth, daß der Beobachter ‚gewaltig davon bes 
teoffen wird. Und doch gleichen die Büften und Medaillen die 
ich gefeben im Allgemeinen ibm fo fehr, daß ich, wie ich 
laube, ihn erkannt haben würde, ohne dag man es mir ge: 
agt; er hat ganz und gar nicht das Ausfehen das man von 
Bonaparte erwartet, fondern viel eher das eines in tiefen 
Studien verfuntenen, contemplativen Mannes, der «über Bir 
dern» nicht nur «ber nächtigen Lampe Ol», fondern feine ei: 
gene tägliche Kraft «aufbraudt» und aden ſchwachen Leib bis 
zum Berfall verwüftet» durch abſtruſe Speculation und theore⸗ 
tifche Pläne, oder vielmehr geiftreiche aber unausführbare Traͤu⸗ 
mereien. Uber das Ausſehen des Befehlehabers, der an der 
Spige feined Heers fteht, der feine Schlachten felbft ſchlaͤgt, 
der jede Schwierigkeit durch perfönliche Anſtrengung beflegt, 
der jeden Anſchlag felbft ausführt, der was er anräth felbft 
vollbringt ; deſſen oraeit, hoͤchſt unternehmender, und deffen 
Tapferkeit der kühnſten Urt ift — dieſes Ausſehen, welches 
man nach feiner Stellung und den Thaten, bie ihm folde ver: 
(haft, erwarten ſollte —, ſucht der Zuſchauer vergebens. Die 
—2 feines Anzugs er, in ſo augenfaͤlligem Gegen⸗ 


der praqhtvollen an Biene er ganzen lmgeb 
Kane mt aleidalis ſo g mmaltip wit —ã oh Befichtibildung, * 
VGedankens DBloͤſſe ang Bet ift», vefammen » um ihm 
weit u de⸗ Anfehen eines Gelehrten als «in —* 
au» — 


Io Werkauf ihrer 


das Darauf Arne ae —— — vor feinen. 


er dem u aachläffg in einer Hand —* und * gar er 
um das Boden und Bäumen und bie andern Unarten feines 
Pferdes zu kümmern fchien, ſodaß eini Perfonen in meiner 
Raͤhe mit ihrer Bemerkung, er fei ein —* Reiter, Lügen 
pekraft wurden. Ich bin gewiß die Lepte, ein Urtheil über 
iefen Gegenftanb zu fallen; aber als Zufchauerin Fam 28 mir 
por, als wöre er ein Mann, der ſich fo fiher bewußt war, € 
Eonne fein Roß Belichen lenken, daß er es nicht für der 
Mühe werth hielt Dasjenige fortwährend in Zucht zu halten, 
mas ee, wie er wußte, ſobald es aotpnendig. im Augenblid 
zur Drbnung zu bringen vermedte. Dem Zenfter an dem 
ich fand gerade gegenüber ftellte ſich der Erſte Conſul auf, 
nachdem er die Runde gemacht; dort theilte er einige Ehren 
el auß, indem er feinen Arm mit einer Miene und einer 
ürde ausſtreckte, Die fein ſcholaſtiſches ernſtes Ausſehen gänz 
hi ummanbelte und ihm einen im höchften Brad kriegeriſchen 
mb gebieterhfhen Ausdrud verlieh. In dem Augenbiid, wo 
die ufitbande mit ihren Trommeln und Trompeten an dem 
Erſten Conſul borbeibeflirte, brach plöglich die Sonne durch Die 
Wolken, welche jene den ganzen Morgen verhült hatten; Die 
Wirkung war fo unvorbergejehen und uͤberraſchend, daß ich 
mid nicht entbrechen konnte, gegen meine Breundin, eine Fran⸗ 
zöfin, Dies zu äußern, die mid jedoch mit erflaunten Bliden 
maß und nicht ohne einen Anflug geringichäsigen Mitleids 
entgegnete: «Est-ce que vous ne savez pas cela, Madame? 


Dès que le Premier Consul vient & la parade, Je soleil 


yient aussi! I a beau pleuvoir tout le matin; c’est egal, 
il n'a qu’& paraltre, et tout de suite il fait beau!» 3 
entſchuldigte mich wegen meiner Unwiſſenheit, zweifle aber, 
man ed mir vergeben.” 26. 





Bibliographie. 


Beibel, E., Sedit Öte Auflage. Berlin, A. Duncker. 
1847. 16, 1 Thlr. 4 Nor 

Iris. Deutfcher Almanad für 1847. Herausgegeben von 
3. Strafen Railaͤth. Reue Folge. Ifker Iahrgang. Mit 6 
eraptisen Peſth, Heckenaſt. Gr. 8. 3 Ihlr. 10 Mor. 

Jahrbuch gneutfiher Bühnenfpiele. Deraußgegeben von F. 
W. Gubis. zofer 3 San füel 18471. Berlin, Vereins: Bud» 
handlung. 20 Ror. 

Same, 3 on — Ein Roman. Aus dem 
Engliſchen ige se von ®. Suſemihl. Ifter Band. Leipzig, 
Kollmann. 

Der — im Rwat. und Familienkreiſe. Eine Aus⸗ 
wahl der vorzüglichſten neueren poetiſchen und proſaiſchen Er⸗ 
eugniſſe im Gebiete der Komik. Mit Originalbeitraͤgen von 
7 . Rüthling. 2te ftard vermehrte und verbeflerte up 

Iftes bis tes Heft. Potsdam, Zanke, 12. A 71, 
Leben des Peter Rofa Urfula Dumoulin Borie, — 
von Acantha, apoſtoliſcher Vicar im weſtlichen Tonquin der 
Con Tegation auewärtiger Mifjionen, Martirer während der 
Verfolgung am 3. Jänner 1838 Mit einem Unhange über 
die en bei den Ungläubigen. Aus dem ran nöd 
Wien, Meaitariften: Eongregations- Buchhandlung. 8. 17, R 

Lewald, A., Entwurf u eine practifihen Schaufbieler. 
ſchule. Bien, Wallishauſſer. 2 Ihr. 


Ta 


Kirche. Cine Erklärung von Proteflanten Marburgs 











Buthexr’3, De. M., 
en m ex — *— denn en * 
pe Tone. Bwei Bände: Leipzig ha Dr m 


undt, Xh., Biendega, ber Bater der Crime. Gi 
Roman. ifter Band, Berlin, Mytius. 2847. 8. 2 Sk 


var meubeder, C. G., Die Hauptverfudge zur VYackkeatin 
evangeliſch· peoteſtantiſchen Kirche D PA 
—— bis 7 unfere a n Mr — 33 


Einheru’3 Ber! — — er 
—— F., Das Berhältnig der —— 
gan ber Staatsbürger. Gin Beitrag zur Reform der 
ae vom ehfophligen, legisiotiven und pro: 
Stan Bay 





Simms, W. G. Wigwem und Särte Grgäblungen tu 
dem Wellen Amerilos. Aus dem —— von F. Gerſtaͤkn 
Dresden, Arnold. Gr. u l 

Spiekerkoͤtter, 6. G. H., —— oder Gr 
Gedi te Ai häuslichen Erbauung. Minden, Eßmann 184 


12. 

Seins neider, M., Manne. Berlin. 1841. 10% 

Struve, G. v. Das öffentliche Necht Des deutſchen der 
bed. Zwei Theile. Dannheim, Bersheimer. Br. 8. 4 Ih 

Uhland, 2., Drametifche Dichtungen. Heidelberg, Br 
ter. 8. 1 Ihe. 24 Ser. 

Ulert, 9. %., Geographie der Griechen und Röme e 
den früpeften Beiten bis auf Ptelemäus. Iten Theiles 3 ih 
theilung.: Skythien und das Band der Beten ober Dar sah 
den Anfihten ber Griechen und Römer. Weimar, Lars 
uftsie-Comptoir. 8. 3 Ihir. 22%, Nee. 


Zagesliteratur. 
Brandt,g. W., Bertpeibigun der lutheriſchen Kick 
in Preußen gegen einen Angri n gm Dr. Kniewels Da 
ziger HE Marienioerder. . I Nor 
„M., Peria, Sabbath und Boppeifeie. Dr 
—* Hafen "Anträge der Breslauer Rabbiner: Berfammiusg 


eilmann, 3 wi Feſtrede bei der Zeier der Grm 

—e zum beuitkatgotihen Gettechaufe zu Dffenbach a R 
enbad. 8. gr 

20 —— für Auswanderer. Eisleben, Reichardt.“ 


— W. v., Über Eiſenbahnen und Banken mit Lit 
nr icht au England, „ofereig und Preußen. Würzburg, &# 


sh ner, 3* . ir reformatorifhen Beftreb 
tathetifigen Kirche. Mein Austritt aus der roͤmiſch⸗kath 
Kirche ımd die von Hrn. Meldior, Fuͤrſtbiſchof von ae 
über mic verhängte Excommunication. Rebſt einigen Bra 
Fangen über des Herrn Fürftbifchofs Hirtenbrief bei feinm 2# 
thumbankeifte. at Heft. Ifte Abtheilung. Altenburg, Pe 
rer. Gr 


Nor. 
Das Verhaͤltniß der Kichtfreunde zu der proteflantiide 
i ar 


3 in de 


kurfuͤrſtliche Gonfitorium der Provinz Oberheffen. 
Heinemann. Br. 8. 1%, Bor. 


Beremmelticher ee Geiurich Brodpant. — Deud uub Bring vor F. W. Mesdpamä in Beingig- 


fchen anffurt a. M., | 
Gr. 8. 16 Rgr * Beat ae 
Rigardlon, ©, fie Harlowe. Nach dem Yin 
— Im auge —* von H. Bode Dei 
ie. Leiprig, Serhard. ee 
Zee Bent: Di —— — Fran * 
er : Dis ie der — en 
Bauarlänber. Gr. 8. 1 Zhle. 16 Kagr. 
Erklaͤrungen der chen Seogöbien des Sophodei 
Bpenkfurz 4. MR, nder. 21 Rar. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonnabend, 


— Air. 325, 


21. Rovember 1846. 








Die neuefte Literatur über Rußland. 
Bweiter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. IM.) 


9. „Moskowiter und Tſcherkeſſen“ ergänzt gewiffer- 
mafen die vorangezeigte Schrift. Wenn uns jene ben 
Kumpfplag mehr in allgemeinen Zügen fchildert, fo führt une 
diefe gleihfam in die innere Wirthfchaft des merfwürbi- 
gen Gebirgsfriege mit dem intereffanteften Detail ein. 
Man findet bier Feine Parallele zwifchen Moskowiter 
und Zfcherkeffen, wie der Titel könnte erwarten laſſen, 
fondern, merkwürdig aus einer ruffifchen Feder, ben Ge⸗ 
genfag der Schlechtigkeit und Verworfenheit einer halben 
Civiliſation und des rohen Naturadels eines edeln freien 
Dergvoltes im Kampfe, fih gegen jene zu fhügen: jene 
nicht verfchlechtert und dieſe, wie es fcheint, nicht ver- 
fhönert. Es find Skizzen ohne mweitern innern gefchicht- 
lichen Zuſammenhang, ale daß fie uns zwei Brüder 
aufführen: der Altere ein herrlicher gebiegener Charak⸗ 
ter, apitain und Commandeur einer Kofadenabthei- 
lung am Kuban, aber — wahrfcheinlich irgend eines 
Verſehens oder politifcher Verwickelungen wegen — früher 
degradirt und daher trog der ausgezeichnetften “Dienfte, 
die ihm die Epaulettes wiebererworben haben und mehre 
Auszeichnungen dazu, doch zu einem weitern Apancement 
richt berechtigt, der rechtmäßige Sohn eines finnlichen 
hwachen ruſſiſchen Großen in Moskau, von der Mut- 
ee vernachlaͤſſigt und unterdrüdt; der Jüngere, ein herz⸗ 
nd grundfaglofer fünfundzwanzigjähriger Cavalerieoffi⸗ 
ier, der wahre Typus eined jungen reichen ruſſiſchen 
delmanne, ein von der intriguanten Mutter ihrem Gat- 
n untergefchobener Baftarb von einem gefangenen fran- 
fifchen General, einem Gascogner, von ihr verhätfchelt. 
ie ruflifhen Damen, die bier auftreten, jind alle ver- 
ihlte treulofe Weiber. Man blidt in einen Abgrund 
nn DVermorfenheit und Lieberlidykeit; aber leider aus 
m Leben gegriffen. Der jüngere Bruder verläßt den 
ienft, um ungebundener feinen Neigungen und Xüften 
Shnnen zu fünnen, und wird von der Mutter, die ihn 
He in Europa reifen lafien will, aus Beforgnif, er 
schte hier auf feinen wahren Vater. treffen, zu einer 
eiſe nach Perfien beredet, ba nun einmal gereift wer⸗ 


. mann aud dem Feinde befannt.) 


den fol, und macht auf dem Wege dahin einen Ab- 
fieher nah ber Staniga am Kuban, wo fein Bruber 
fteht, der ihn brüderli aufnimmt, aber bald in feinem 
wahren Nichts erkennt und wenig Freude an ihm hat, 
da er ihm durch fein fahriges Weſen und fein unver- 
ſtaͤndiges, anmaßliches, freches Geſchwaͤßz mande Ver⸗ 
legenheiten bereitet. Hier bewegt ſich der kaukaſiſche 
Krieg in feinem ganzen Detail vor unſern Augen, und 
ed treten großartige Charaktere, nicht unter den ge- 
meinhin habfüchtigen, parteiifchen und prahlerifhen ruffi- 
ſchen Chefs, fondern unter den Tſcherkeſſen hervor, und 
jelbft in einem jungen in Petersburg erzogenen und Ruf- 
land im Dienfte treu ergebenen Tſcherkeſſen, der unter 
des Capitains Commando als Offizier dient, und gern 
feine Landsleute mit den Ruſſen verföühnt fehen möchte, 
dem fich aber unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen: 
fegten. Der Capitain wird bei einem Allarm im Kampfe 
ſchwer verwundet. Bein wohlgefinnter Oberft,- ein Deut- 
ſcher, befucht ihn und bittet ihn einen berüchtigten Räu⸗ 
ber aufzunehmen, ben er. als Kundſchafter — nicht feiner 
freien Brüder, welches er verächtlich von fich gewiefen 
bat, fondern Deffen was in den Rußland unterworfenen 
u mmen vorgeht, zu gewinnen hofft. Der Oberft fagt 
(S. 178): " 

Mir ſcheint's als fei Ali Karfis (fo hieß der Räuber) nicht 
abgeneigt mit uns völlig Frieden zu ſchließen. Er iſt mir 
ſelbſt perſonlich zugethan. (Der Oberſt war als ein Ehren: 
&o erfahre ich, daß er vor 
kurzem eine ganze Racht auf unferm Grund und Boden einem 
feiner frühern fchurkifchen Genoſſen in einer Schlucht aufge: 
lauert und zulegt unverrichteter Sache wieder über den Kuban 
zurüdgelehrt fer, ohne bier das Mindefte anzurühren. Gr 
ſelbſt ließ mir fagen, er habe Died nur aus Achtung für mid 
getban.... „Da fehen &ie ſelbſt, Oberft, daß ich Recht babe”, 
erwiberte der Capitain, „ich liebe die rauhe Ehrenhaftigkeit 
diefer Leute. Nehmen Sie den Tſcherkeſſen und betrachten Ste 
ihn als Menfchen, was er der Familie, was er feinem Glau⸗ 
ben ift. Nie hört man bei ihm von Slaubensabfall, trog der 
befchwerlihen Borfchriften feiner Religion. Er ift nüchtern, 
keuſch und mäßig in feinen Bedücfniffen und Wuͤnſchen, ber 
treuefte Freund, chrerbietig gegen Priefter, Greife und Ältern. 
Seine Tapferkeit ift bekannt. Stets werden &ie finden, daß 
er der Sitte der Vorzeit, bie bei ihm das Gefeg vertritt, blind 
ergeben if. Wenn ihn die Sache des Vaterlandes ins Feld 
ruft, wie ift er ftets bereit Alles hinzugeben, und Feindſchaft, 
perfönlie Interefien, ja fogar die geheiligte Blutrache zu 








1208 


vergeffen. Dabei befchuldigt man fie mit Unrecht der Unwiſſen⸗ 
heit und Barbarei; betrachten Sie aber ihren Gartenbau, ihre 

eſchickten Handwerker, namentlich an den Orten, wo na 
Eivilfation nicht mit ihrer umbildenden Hand eingegriffen bat, 
und Sie werden mir zugeftehen, daß fie nicht die viehifchen 
Barbaren find, wofür wir fie zu halten pflegen.” ... „Aber 
Capitain, warum ſchenken fie den Auffdderungen: unferer di⸗ 
en Regierung Pan Gehör?” ... „Exlauben Sie mit, Wirſt, 


hnen darüber: mein® Anftiht mitzuthellen, wie fi die Sache | 


verhält. Wenn man die Zicherkefien ruhig im Beſitz ihres 
Eigenthums verbleiben, wenn man fie felbft nad ihrer Sitte 
ihre Angelegenheiten verwalten und Gott nach ihrem Glauben 


dienen laffen, kurz, wenn man den Zuſtand und die Rechte der | 


Bergvölker achten wollte, fo würde man ihnen Schug und Gerech⸗ 


tigteit widerfahren laflen. Dies mag die wohltpätige Abſicht 


der Regierung fein; aber fie findet bedeutende Hinderniffe in 
der Ausführung. Das vorzüglichfte Hindernig ift — die Ver⸗ 
ſchiedenheit des Glaubens, der Sitten und Meinungen: wir 
verftehen diefe Leute nicht, ebenfo wenig wie fie und in unfern 
beften Abfichten verftehen. Ein andered Hemmniß aber ift — 
daß wir bei allen guten Abfichten häufig genöthigt find, den 
ſtaͤrkſten Einfluß auf dies Boll Leuten zu verftatten, die nur 
daran denken fich zu bereichern, zu plündern, zu preilen, zu 
bedrüden, welche die Hand des Sohnes gegen den Water, der 
Frau gegen den Mann zu erfaufen fuchen.” ... Der Oberft 
erhob fich dem Anſchein nach unangenehm berührt... „Wahr: 
lich, Capitain“, ſprach er, „'s kann Ihnen übel bekommen! 
Recht haben Sie in Manchem, aber wie koͤnnen Sie ſich zu 
deren DVertheidiger aufwerfen? Sie werden nur bie eigene 
Saut zu Markte tragen! Und nehmen Sie fi in Acht, daß 
Sie nicht einer von den Räubern auß feinem Verſteck in jene 
Weit befördert, um fig dort den Lohn für Ihren Geradfinn 
zu holen!” ... „Dahin führt unfer Weg: zwei mal kann man 
nieht fterben und ein mal kann man's nicht umgehen”, erwi⸗ 
derte der Eopitain. Der Öberft ergriff feine Hand, drüdte 
fie herzlich und ging. 

Hier gibt der ruffifche Schriftfteller felbft zu, mas 
von andern Gchriftftelleen, deren Werke wir angezeigt 
haben, angeführt wird, daß die Habfucht und Schlech⸗ 
tigfeit der ruſſiſchen Civil- und Militairbeamten diefen 
heilfofen Krieg, der Rußland fo viel Blut und Geld 
koſtet, entzündet hat und unterhält. Der befte und ener- 
gifchfte Wille vermag nicht die menfhlichen Werkzeuge, 
die‘ er gebrauchen muß, ehrlich und untigennügig zu 
machen, und Das fft der innere freffende Krebsſchaden 
RNußlands. Mehre Epifoden, befonders die ergreifende 
Lichesgefhichte' des vorermähnten tfcherkeſſiſchen Offiziere 
mit einer tfcherkeffiihen Schönheit in einer feindlichen 
Aule, und die Geſchichte zweier gefangenen ticherkefli- 
chen Kinder Ichrt uns auch die Sitten der kaukafiſchen 
Bölker kennen: Altes tft auf ihrer Seite voll: Romantik, 
die fi) bier ungefucht darbietet, umb auf ruſſiſcher Seite 
voll civiliſirt⸗ übertundhter Schlechtigkeit und Verworfen⸗ 
heit. Welch ein Bild der kaukaſiſch⸗ruſſiſchen Soldateska 
und zwar des Offisiescorpe, aus der Faber eines Ruſſen! 
Die Zitelkupfer vor ben zwei Bändchen gereichen ihnen 
gerade wicht zur Zierde, befonders nicht das erſte, in 
welchem man die gerühmte maännliche und weibliche 
Tſcherkeſſen⸗Schonheit ſchwerlich erkennen binfte. 9) 

7. 


) Der dritte und legte Artikel folgt im December. 
D Ned. 


Bibliothet ausgewählter Memoiren des 18. und 19. Jahr 
hunderte. Mit gefhichtlichen Einleitungen und In | 
mertungen herausgegeben von F. E. Pipig un 6. 
Fink. — Erfter Band: Memoiren der Frau Roland. 
Zwei Theile. Zweiter Band: Major Maſſon's gr 
heime a über Huflaud. Zwei Zeile 
Dritter Band: Michael ODginski's Denkvirdigkite 
über Polen, das Land und feine Bewohner. Dei 
Theile. — Belle: Bue, Verlags - und Sortiments 
Buchhandlung. 1844—45. 8. 5 Xhlr. 15 Nor. 

Die von Schiller unter Mitwirkung von Paulus md 
Woltmann in den 3. 1790—1806 herausgegebene ——* 
Sammilung hiſtoriſcher Memoiren vom 12. Jahrhundert bis af 
die neueſten Zeiten” Hat die Herren Pipitz und Fink zur Be 
‚geündung eines aͤhnlichen Unternehmens veranlaßt. Rum wirt ma 
—* jetzt lieber ausländifche Memoiren, in der eigenen Sprad 
ihreö Landes lefen ald in deutſchen Überfegungen. Ab I 
lange die Beichaffung derfelben für Deutfche immer nod mit 
Mühe und Koften verbunden ift und uns höchſtens nur franic- 
fifde Memoiren zugängli find, von andern aber die hehe 
Bücherpreife den weniger Bemittelten abſchrecken, fo bleiben gute 
deutſche uberſedungen allerdings ein fortwaͤhrendes Bedirfuß 
Wir fagen „gute Überfegungen”, denn die Überfegungen franzci 
fcher Memoiren, welche uns feit einer Reihe von Jahren 3 
nannte und ungenannte volgarirzatori dargeboten haben, it 
häufig fo fluͤchtig und ohne hiſtoriſche Kenntniffe gearbeik 
dabei in einem fo fchiechten Deutſch, daß man ſich ihrer wan 
baft zu fhämen Urfache hat und in ordentlicher Verlegenheit in 
wenn man Etwas aus ihnen anführen fol. 

Über den Plan ihres Werkes haben ſich die Herausgeta 
in folgender Weiſe geäußert. Die ‚Bibliothek ausgemähtt 
Memoiren‘ zerfällt in fünf Abtheilungen, welche folgende &r 
der umfaflen: Frankreich, England, den Rorden (Rußland m 
Polen, Schweden und Danemarf), Italien und vermiſthte &* 
ten. Unter dem legten etwas fonderbar gewählten Austin 
verftehen fie Spanien, —— Griechenland und Kl 
Zur Aufnahme in diefe Bibliothek wählen fie vorzügih de 
noch nicht‘ überfepten oder vergriffenen Memoiren, üb 
nur die intereffanteften und. dabei in Deutfchland minde d 
breiteten, aber nicht ſolche, welche fi) auf politifche und Kritgk 
geſchichte, fondern mehr die, welche fi auf Hof: und Kae: 
uͤengeſchichte beziehen und Die geiftigen und geſellſchafticher 
Berhältnifie des Zeitraums, auf ben fie ſich beſchränkt habe 
am anſchaulichſten ſchildern. So viel es olme Zwang 
Bann, follen überall deutfhe Verhaͤltniſſe im Auge behaltm 
werden, wenngleich der Charakter der Sammlung nicht gefal 
tet, derfetben deutfche Dentwürdigkeiten einzunerjeiben. 

Gegen diefe Grumdfüge laͤßt fi im Uslgemeinen Kich 
einwenden. Wir bemerken nur Zwrierlei. Einmal werden N 
— bei Aufnahme von Hof⸗ und Familienmems 

rafalt anzuwenden haben, daB. fie nidt det Neigung U 

Beitgenoffen für den Scandat und für das jogenannte Piquit“ 

zu fehe nachgeben, ſich aber dann auch bei Aufnahme feier 

Denttvürbigkeiten in ihre Bibliothet mit tüdytigen hifkeritde 

Waffen. verſehen müflen, um etwanigen Ungerechtigkeiten uf 

Irrtbümern zu begegnen. Zum Undern fehen wir nicht reh 

ein, wie die Herausgeber die Aufgabe löfen wollen, ührral 

auf deutſche Berhältniffe Rüdficht zu nehmen, wie Löblih &* 
iminee dieſe patriofifche Beſtrebung ifl. In den vortiegenta 

Bänden haben wir wenigfiehß eine folge Beriukfldstigung bez 

fher Buflände nicht wahrgenommen) es wär wol nit einwe 

gut moͤglich. Daß fie nun deutſche Denkwürdigkeiten 3" 

ausfchfießen, liegt wel fihon in den Verhältniffen des deutſhe 

Buch andeid und in den natürlichen Begriffen vom Eigenthas 

eine Undern. Wer die SHeräubgebes follten doch ihre If 

— auf: frühere oder auf noch ungebsudte Desilt 

ürdigkeiten richten, wobei wis auf Die fo ſchaͤrbere 











2208 


„Erinnerungen eines Greiſes“ aufmerkſam maden, die durch 
drei Jahrgaͤnge der Beiblätter zum „Altonaer Mercur“ neben 
den anfpreibendften Iagesbegebenheiten in kleinen wojönisten 
unſcheinbar durchlaufen und hier unftreitig von den igften 
im Zufammendange gelefen find. 
(ine neue und lobenswerthe Einrichtung diefer Bibliothek 
find aber die von den Derausgebern veriprochenen. und zu 
zweien der vorliegenden Bücher bereitd gegebenen Ginleitungen 
nebft den erläuternden und berichtigenden Anmerkungen. Solche 
Zugaben haben wir für unfere neuern Überfegungen fchen mehr: 
mals empfohlen, indem durch fie allein die fegung erft den 
wahren Werth für heutige Kefer erhalten fann, wenn fie aud 
feinen Anfpruch machen wird ein Deiginalwerk zu fein. In 
den bis jegt exichienenen Bänden finden wir vor den „Denk⸗ 
würdigßeiten der Frau Roland‘' eine Abhandlung über die Frauen 
in der Revolution, und vor denen des Major Maflon eine Ein- 
leitung: „Ruſſiſche Geſchichten im 18. und 19. Jahrhundert.” 
Die erftere ift gut gefchrieben und entipricht auch ihrem Jede, 
doch hatte fie noch mehr bedeutende Einzelheiten enthalten fols 
ien, wozu die Herausgeber manchen Stoff aus K. ©. Jacob's 
leichnamiger Abhandlung im erften Zahrgange der Neuen 
Feige des „Hiftorifchen Taſchenbuch“ und aus Lairtullier’s 
„Les femmes celebres de 1780 a 1785 (9aris 1840) 
herbeiziehen konnten. Die zweite Einleitung gewährt dur 
Zufammenftelung aus freilich leicht zugangliden Werten 
(Barthold's treffliche Abhandlung im neunten Jahrgange 
des genannten Taſchenbuchs ift unbenugs geblieben), einen 
guten Überblit über die ruſſiſchen Berhältniſſe bis zum 
Tode Peters III., ganz £ wie fie fi in der mit dem 
Drudorte Paris im 3. 1798 erfcdyienenen „Geheimen Lebens: 
und Regierungsgefchichte Katharina's II.’ befindet, und gibt 
am Schluffe durch einen Auszug aus des Yürften Dolgoruli 
„Notices sur les principales familles de ia Russie’ allerhand 
Ergänzungen. Auf das Einzelne koͤnnen wir nicht eingeben: 
ine Parteilichkeit für Rußland und feine Ginrichtumgen ver 
räth fich aber nirgend. Die hiſtoriſche Einleitung zum dritten 
Band führt den Zitel: „‚Yolnifch »ruffifhe Wahlverwandtſchaf⸗ 


ten vom Einzuge der Polen in Moslau (1605) bis zum Ein 


zuge der n in’ Warſchau (1831). 

Was nun die Auswahl der für eine ſolche Bibliothek bes 
fiimmten Dentwürdigkeiten Betrifft, fo hängt bier zu viel von 
den Stimmungen der Herausgeber und von andern äußern Unm 
fländen ab, als daß man ein Wort firengen Tadels ausſprechen 
fonnte, wenn nur die Wahl nicht ganz unnvedmäßig if. Und 
Dies kann man von den vorliegenden Bänden gerade nicht ſa⸗ 
gen. Die Denktwürdigkeiten der Frau Roland bilden einen 
fehr guten Anfang und die Herausgeber haben mit Recht ges 
fuhrt, die Aufmerkfamfeit beuffcher Leſer (und wir hoffen auch 
deutfeher Leſerinnen) auf eine Frau zu richten, die zu Den edel⸗ 
fien, reinften Charakteren der franzöfifchen Revolution ah 
wie graͤmlich auch Schloſſer und neuerdings Riebuhr bie 
Grau Roland beurtheilt haben. In die Ginzelbeiten koͤnnen 
wir ˖ jegt nicht eingehen und bemerken nur, Daß Die von 
Breuil im 3. 1340 in zwei Bänden herausgegebenen „Lettres 
insdites de M. Phlipom (Mad. Roland) adressses aux de- 
meiselles Cannet in diefer ung nicht benugt find, ob» 
ſchon fie angiehende Beiträge zur Jugendgeſchichte der Roland 
in den Zahren 1772—80 enthalten. Unfere Herausgeber haben 
fi lediglich an die fhäne parifer Ausgabe der Memoiren vom 
3. 1821 gehalten und aud die Anmerkungen der Herausgeber 
Barriere und Berrille, was nur zu loben ift, mit überfegt. 
Die eigenen Bugaben find meiftens biographiſchen Inhalts und 
erläutern die Lebensumflände Marat's, Cloot's, Payne's, Mi⸗ 
randa's, Cheniers, Monge's und anderer. Wortführer der Res 
volution. 

Die Dentwürbigbeiten des Major Maſſon tragen aller 
dings ein ganz anderes Gepräge und wir moͤchten, da doch we: 
der diefe noch die des Brafen Oginski über Polen ein fo au: 
Berordentliche® Inteseffe Haben und wir namentlich Die letztern 


| wärtige Politik, 


in einer lesbaren deutfchen Überfegung von F. Sleich befiken, 
fat glauben, daß hier politiſche Sympathie für Polen und po⸗ 
litiſche Antipathie gegen Rußland die Wahl der Herausgeber 
beftimmt hätten. Denn was die Maſſon'ſchen Denkwuͤrdigkeiten 
betrifft, fo ift der Inhalt diefer im 3. 1804 gedrudten Memoiren 
fhon in viele andere Bücher übergegangen und die meiften un 
erfreulihen Thatſachen waren auch ſchon anderweitig befannt, 
wie bie über den Hof Katharina’s M., ihre Bünftlinge, ihre 
Regierungsmeile ‚ pre Pflege der Wiffenichaften und ihre aus⸗ 
affelbe gilt von ihrem Sohne, dem Kaifer 
Paul, feiner Gemahlin Maria, der lächerlihen Etiquette an 
feinem Hofe, den Bücherverboten, der barbarifchen Stemge, 
die faſt an Geiſtes abweſenheit grenzte, den Anekdoten von Su⸗ 
warow, den Gallizin, Schuwalow, Woͤronzow, den Telow u. A., 
über welche von den Herausgebern biographiſche Anmerkungen bei⸗ 
gebracht find, ſowie auch allerhand politiſche Nutzanwendungen, des 
ven fie fich befler enthalten hätten. Denn ſoiche Zufäge ſchwaͤchen nur 
den Eindrud, den das Ganze der Memoiren auf den Leſer machen 
fol; wir wollen ja in ſolchen Zällen den Major Maffon hören 
und nicht Die Herren Pipik und Fink. Zür die biftorifchen Rach⸗ 
mweifungen ift nun überhaupt, wie auch in den Dginski ſchen 
Denkwuͤrdigkeiten, Die —— ihr „Geſchichte des IS. Jahr» 
hunderts“ eine Hauptquelle geweſen; wir finden indeß auch an» 
dere Bücher, als Arndt's „Schwediſche Geſchichten“, angeführt. 
Hier und da wird freilich Einzelnes vermißt, wie namentlich 
die Benutzung der ſo anziehenden Beiträge Raumer's aus den 
verſchiedenen europaͤiſchen Archiven. Dann waͤre es ſchon bil⸗ 
lig —&* ‚, bei den Unterhandlungen, die Katharina Il. mit 
deutichen Fürftinnen anfnüpfte, um für ihren Sohn eine &e- 
mahlin zu erhalten, und bei den Herabwürdigungen, zu denen 
fih die Mütter entſchließen mußten, indem + ihre Zöchter 
ſelbſt nah Rußland brachten, der Denkwürbdigkeiten des 
Breiberrn von Affeburg zu gedenten, aus denen manche 
Rotiz Maſſon's auf &. 27 j hatte können befichtigt werden. 
In der Einleitung find auf &. 1063 zwei ruffifche Staatsmän- 
ner ohne genügenden Grund ſchlecht behandelt worden; von 
Pozzo di Borgo heißt es: „er babe feine politifche Laufbahn 
als Jakobiner begonnen und als durchtriebener ruffiiher Diplor 
mat geendigt‘‘, und vom Finanzminifter Gancrin wird wol nicht 
ohne Abſicht gefagt, er ſtamme von einem heffifhen Juden ab. 
Hierüber würde der Artißel über Gancrin im „Converſations⸗ 
Zerilon der neueſten Zeit und Literatur” die Herausgeber eines 
Beſſern belehrt Haben, Pozzo di Borgo aber, ein umfichtiger 
und feinem Herrn treu ergebener Dipfomat, ift ohne Grund 
verunglimpft worden, wenn auch feine politifhen Grundfäge 
und fein flandhafter Haß gegen Rapoleon den Herren Pipig und 
Fine nicht gefallen follten. In derfelben Ginleitung mußten 
fie auf S. 106 fagen, daß Maffon in der Freigrafſchaft Bur⸗ 
gun geboren jei, nicht blos in der „‚Breigraffchaft”, da dieſer 
ame weniger bekannt ift al6 der franzöfifche der Franche Gomte. 
Weshalb auf S. 60, wo Maflon der Vorſtellung Euripideifcher 
Scenen in Peteröburg erwähnt, in einer Anmerkung ſteht: 
„Der geiftreidhe Einfall, auf den überftudirte und blafirte Leute 
in Berlin gefommen find, ift alfo, wie man fieht, in einem 
ruſſiſchen Kopfe entſtanden“, ift Baum zu begreifen. Wenn die 
Herausgeber auch felbfi an der geiftvollen Beichäftigung eines 
kunſtliebenden Königs Fein en finden, fo war do bier 
gewiß nicht der Ort, ihr Misfallen auszudrüden. 

Dem Schickſale des Grafen Oginski, der in Folge des 
traurigen Ausganges Des polnifchen Aufftändes im J. 1794 
fein Baterland verlor, eine Reihe von Jahren im Auslande, in 
Englant, Frankreich, Italien, in der Zürkei, in Galizien lebte 
und fpäter mit dem befondern Wohlwollen des Kaifers Alexan⸗ 
der beehrt wurde, wird Kiemand fein Mitleid verfager. Ob 
aber Dies allein die Benusung feiner Denkwuͤrdigkeiten für 
die Bibliothek der Herausgeber rechtfertigt, wo noch andere 
und viel angiehendere Stoffe vorlagen, laffen wir jest dahin⸗ 
getelt fein. Die Erzählungen des Verf. tragen das tr: 
pröge der Glaubwuͤrdigkeit an ſich; er war immer wohl um? 





1300 


terrichtet und zeigt überdies große Unparteilichkeit, two e8 dar: 
‚auf ankommt, die Fehler und Misgriffe feiner Landsleute und 
Die Berdorbenheit des Adels einzugeftehen. Endlich erhalten 
die aufrichtigen Beſtrebungen Alerander'8 I. von Rußland, den 
Holen ihre Rationalität und ihren Standpunft unter den euro: 
päifhen Wölfern wiederzugeben, bei Oginski volle Anerken⸗ 
nung. Dagegen gebt auch aus diefen Dentwürdigkeiten qur 
Genüge hervor und wird von den Herausgebern auf &. 82, 
2378 und 304 des zweiten Theils aus guten Quellen beftätigt, 
wie wenig das franzöfifche Directorium zur Zeit der Republif 
und fpäater Napoleon ſowol als Erfter Eonfut wie als Kaifer 
geneigt gewefen find, etwas Nachdrückliches für die Polen zu thun. 
Die Herausgeber haben in den Anmerkungen, die fie aus 

Malmesbury’ 6 und Adair's Ddiplomatifhen Depefchen, aus 
Mickiewicz' Buche über die flawifchen Zuftäande, aus den „Le 
bensbildern aus den Befreiungskriegen“ und andern guten 
Quellen (nur das parifer Machwerk der „Memoires d’un 
homme d’etat” follte nicht unter ihnen fein) ausgeftattet ha⸗ 
ben, manches recht Zweckmaͤßige beigebracht. &o über die Gra⸗ 
fen Potochi, über Poninski, über Kosciuszko, Czartoryiski, 
über die preußifchen Minifter v. Herzberg und v. Luckhefini, 
deren Legterer nicht mit Unrecht eines unredlidhen Zreibens 
beſchuldigt wird, und über das Benehmen Friedrich Wil» 
helm's II. überhaupt ; daß fie dagegen gegen Rußland Feind: 
liches enthalten, und namentlich gegen den hochfahrenden Ab» 
gefandten Sievers, ift bereitd angemerkt worden. Denn im 
Anfange der Ginleitung zu Maſſon's Denkwürbdigkeiten lefen 
wir die etwas bombaftifche Erklärung der Herausgeber, daß es 
nicht überflüffig fei, dem Rothkäppchen Deutfchland von Zeit 
zu Zeit ein: Hüte dich! zuzurufen, damit ed nicht heute oder 
morgen den Wolf für die Großmutter nimmt. Soll uns Deutfche 
denn Died Gefpenft der Ruſſenfurcht überall hin verfolgen? 
Unter den Anmerkungen zu Dginski's Denkwürdigkeiten ha⸗ 
ben wir bei I, 109, wo die Reichstagsſitzung am 3. Mai 
1792 gefchildert ift, Die weit Lebendigere Befchreibung dieſes 
Tages aus Elifa v. d. Recke's Tagebuche in Ziedge’5 „Leben 
der Herzogin Anna Dorothea von Kurland‘ vermißt, auch die 
Anführung der Schriften Raumer's und Falkenſtein's über dieſe 
Buftände vergeblich geſucht. 

Sollte das Unternehmen der Herren Pipig und Fink feinen 
weitern Fortgang haben, fo empfehlen wir ihnen zur Bearbei« 
tung unter Anderm die englifchen militairifhen Memoiren des 
Dberften Londonderry und des Major Moyle Sherer, oder die 
Denfwürdigkeiten des Schaufpieler® Matthews, die beigifchen 
Memoiren des Feldmarſchalls Merode, oder die franzöfifchen 
des Schaufpielers Fleury, des Eonventsdeputirten Barrere, des 
Generald Mattbieu Dumas und des Adyocaten Berryer. Durch 
forgfältige, mit Anmerkungen verfehene Überfegungen oder durch 
zwedmäßige Abfürzungen und Auszüge werden Die genannten 
Herren ihre Lefer lebhaft anregen, fortdauernd unterhalten und 
dabei durch wirklichen Ertrag mehr befriedigen, als wenn fie 
in der Wahl augenblidlichen Stimmungen nachgeben. ad. 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


Das Medicinalmefen in Franfreid. 

Ein alter bewährter Spruch fagt, daß jeder Stand, jeder 
Beruf fiene Freude ,: aber auch feine Pein und Folter habe. 
Das dem Menfchen eingeborene Verlangen nach Veränderung 
amd ein eigenthümliches Misbehagen laſſen nicht felten in trü- 
ben Stunden die Schattenfeiten unferer bürgerlichen Stellung, 
an welche wir gefettet find, fo grell bervortreten, daß wir die 
damit verbundenen Freuden vergeflen und uns nicht felten als 
die Opfer einer verunglüdten Wahl betrachten. Aus einer fol: 
hen düftern Stimmung ſcheint und eine Schrift, in welcher 
die Lage der Arzte in Frankreich mit den trübjeligften Karben 
gefehildert wird, hervorgegangen zu fein. Ihr Zitel lautet: 
„Btat de la medecine, garanties sanitaires du peuple en 
France, et plan d’organisation medicale”, von M. Rungli. 


Der Berf. meint, je umfaffenber die Yür ei, w 
Staat fuͤr die Tüchtigkeit und Geſchickli —X Pin —* 


und je höhere Anfoderungen man an Jeden ſtelle welchet fü 
der ärztlihen Laufbahn widmet, deſto umgenügender erihen 
Dad was man zur Berbefferung der unglüdliden Stel, 
thäte, in welche die meiften jungen Mebiciner durch ihre Be: 
hältniffe ‚geworfen würden. Wenn wir behaupten, daß kr 
Berf. bei feinen Herzendergüflen die Farben etwas ſtari uf- 
trägt und vieleicht in feiner Unklage zum Theil zu weit geh, 
fo wollen wir dadurch Feineswegs die Michtigkeit feiner Ange: 
ben und die Begründung der Thatſachen, melde er beibring, 
in Abrede flellen. Es mag ein trauriges, demüthigendei &: 
fühl für einen wiffenfcpaftlih gebildeten Mann fein, wen a 
fieht, wie der Beruf, der ihm ans Herz gewachſen ift, von w 
würdigen Charlatans Kerabgewürdigt und in den Kreis w- 
freier Handwerke gezogen wird, während Männer von Amt. 
niffen und Charakter, weldye eine höhere Anficht von der I 
gabe der Medicin haben, dem kummervollen Elend und ir 
Misahtung preisgegeben find: Aber ob der Staat wirkt 
diefen traurigen Berhältniffen fo leicht eine volftändige W 
bülfe bringen kann, möchten wir doch dahingeftellt fein cf. 
Wir Eonnen bier die Reformen, welche der Verf. in Borfä; 
bringt , Feiner gründlichen Würdigung unterwerfen, weil d 
zur Widerlegung einzelner irrthümlicher Anfichten um fo md 
einer ausführlichen Auseinanderfegung bebürfte, als Monde 
von Dem was er fortfihaffen möchte mit dem Wefen det m 
dieinifchen Berufs im innigften Bufammenhange fteht unt ft 
nicht ohne Gefahr tilgen läßt. 


Gedichte von R. Martin. 
R. Martin hat fi) in neuefter Zeit Durch die Herausjk 
der „Po&ätes contemporains de l’Allemagne‘“, melde 1 
den „Ecrivains et po@tes de l’Allemagne von 5. Blax a 


wa um Diefelbe Zeit erichienen find, um die Verbreitung ir, 


deutfchen Kiteratue in Frankreich wefentliche Verdienſte enze 
ben. Auch als felbftändiger Dichter hat er fich durd eng 
anfprechende Sachen bekannt. gemacht. So enthielt die Ara: 
Sammlung „Ariel’‘, die er vor mehren Jahren heraus, a 
nige duftige Lieder, welche durch die Jartheit und Jumgkt 
der fi in ihnen ausfprechenden Empfindung ihre Brut 
fhaft mit der deutfchen Lyrik bekundeten. In der Abt hi 
er feine eigentliche Anregung und Begeifterung aus dem Ber: 
germanifcher Poefie gefhöpft. Auch in feinen neueften Gt 
ten, welche unter dem Witel „Les cordes graves” eihımz 
find, tritt dDiefer eigenthümliche Zug zu Zage. Alle Diätunze 
weldhe uns bier geboten werden, find ernft und zart, man I 
überall, daß ihm die Poejie als eine heilige, fein ganzes ke 
ausfüllende Aufgabe erfcheint. Rirgend finden wir Anklixz 
an die welterfhütternden Principien der neuen Schule, nie «= 
Streben, durch das Brillantfeuer eines albernen Antithet: 
fpield die Augen zu bienden. Würbdevoll und gemefien, Je 
darum nicht: inhaltöleer erſcheinen uns feine Hymnen, 
Baterlandsliebe und Religiofität athmen. Unter den Erik 
verdient vorzüglich die an den dänifchen Dichter Anderfen be 
vorgehoben zu werden. Überall fehen wir, wie würdig Ar 
tin feine Stellung als Dichter auffaßt. Er jagt in diejer & 
ziehung jelbft: 
Comme l’oiseau des mers qui pressent T'ouragan 

Rave les flots goufldu du fareuche Ocdan, 

Et d'un eri prophötique incossant et snuvage, 

Avertit les nochers monaces du naufrage; 

Ainsi fait le poöte: aux murmures confas 

Sortis des nations et des hommes dmus, 

A l’air plus electrigue, aux fronts peuchos plus sembres, 

Aug sinistres dclairs qui sillounent les ombres, 

Au bien qui ve resserre, au mal qui s'elargit, 

A l’dgoisme impur qui parteut eurgit, 

Il pressent l’avenir tout charge de tempötes, . 

Et voudrait l'ompöcher d’eclster sur nes tötes. li. 


Berantwortliger Herausgeber: Heinrich Brockzans. — Drud und Verlag von F. M. Drockhans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonntag, 


— Nr. 326. Te 


22. November 1846. 





Volksliteratur. 


. Stefan der Keſſelſlicker. Eine D ihte von U 
Klecmann. Berlin, Cptinger "1840. 8. 1 Sale 


74 Ror. 

. ud" der Rue. Ein Bollebuh von Jeremias Gott: 
beif. Bearbeitung des Verfaſſers für das deutſche Volk. 
Berlin, Springer. 1846. 8. 25 Nor. ° 

. Stadt» und Land» Gefchichten von Julius Hammer. 
Zwei Bände. Wltenburg, Pierer. 1846. 8. 2 Ahlr. 

. Bollsgefhigten von ©. Spindler. Erfter und zweiter 
Band. Stuttgart, Hallberger. 1846. 8. 3 Thlr. 

. Der Geldstag, oder: Die Wirthſchaft nach der neuen Mobe. 
Bon Seremias Gotthelf. Solothurn, Sent und Gaß—⸗ 
mann. 1846. 8. 1 Ihlr. 

Seit den Erfolgen, welche die „Schwarzwälder Dorf: 
gefhichten” von B. Auerbach fi errungen haben, hat fich 
ein eigener neuer Zweig in unferer Kiteratur, auszubilden 
begonnen. Es liegt in dieſer Erſcheinung nichts Zufälliges, 
ſondern ein fehr nothwendiges, heilfames Element für bie 
Entwickelung unfers Volkes und unferer Geſchichte. Das 
Intereffe bat fi einem Stande zugewandt, ber feither 
ei der großen Maffe unferer literarifchen Producte faft 
janz außer Acht‘ gelaffen wurde und ber in- feinem 
Schoofe nicht allein eine reiche Fuͤlle von poetifchen An⸗ 
ſchauungen birgt, ſondern auch ein nothwendiges Blieb 
n der vormwärtsfchreitenden politifchen Entwidelung bil⸗ 
en wird. Das eigentliche Bürgerthum bat durch bie 
tanzöftfche Revolution feine richtige Stellung eingenom- 
zen, iſt als hiſtoriſch berechtigt und politifch geftaltend 
a die Geſchichte eingetreten; bie Zeit bat ihre heilfame 
kinwirkung auf Bildung biefes Standes ſowol nad) in- 
en ale auch nad außen ausgeübt und ihn als gleich 
erechtigt mit in ben Vordergrund des modernen Staats⸗ 
bens gefchoben. Die Literatur bat von demfelben ihre 
efruchtenden Keime und neuen Stoffe erhalten und wieber 
:lebend und geftaltend auf benfelben zurückgewirkt. Diefe 
Bechfelmirfung bat bereits bie heilfamften Früchte ge- 
agen; aber die ganze breite Maffe des Volkes, nament- 
bh der Bauernſtand, ift von bdenfelben bis jegt noch 
nberührt geblieben. Der Auséſpruch Rouffeau’s, mit 
re er feine „Neue Heloiſe“ einleitet, ift bis auf unfere 
eit noch ziemlich maßgebend für alle Erfcheinungen ber 
teratur gewefen und erft in ganz neuer Zeit hat fich 
x Blick auch nad jenen Richtungen erweitert, die feite 


2 


© 


. außer dem Bereiche des politifchen und Titerarifchen Le⸗ 


ben® Tiegen blieben und nun ale Ballaſt mit fortgetra- 
gen wurden. Statt ben Segen der Kunſt auch auf den 
Landmann auszubehnen, fchienen die literarifchen Erzeug⸗ 
niffe nur gefhaffen, ihm feinen Stand zu verleiden, in- 
dem fie Vorurtheile verbreiteten und fefter begründeten, 
bie. ihm benfelben verächtlih machten. Wer find, frage 
Rouffeau, die Helden eurer Romane? Bornehmthuende 
Leute und berüchtigte Weiber, hochſtehende Perſonen und 
Krieger! Und die Lehren die ihr predigt, die Unterwei⸗ 
fungen bie ihr bietet, was find fie Anderes als übertriebene 
Genußſüchtigkeit ftädtifcher Sitte, Kebenswelsheit der Höfe, 
Luxus und Epikuräifche Moral! Kalfcher Zugenbichein ver- 
dunkelt echtes Verdienſt; eine platte Außenſeite vertritt 
die wahre Pflicht; fchöne Worte gelten mehr als fchöne 
Thaten und bie Einfachheit gutes Sitten wird Roheit 
gefiholten! Und nicht allein, Fahren wir fort, im Ro» 
mane, fondern auch im Drama waren es vorzugsweife 
nur ariftofratifche Elemente, bie ſich dafelbft ablagerten; 
Helden der gelehrten Stuben und Salondamen, bie 
Höfe und das Lager waren die Perfonen. die vor un⸗ 
fern Bliden erfchienen, der Schauplag auf dem bie 
Handlung ſich ereignete, und erſt in ganz neuer Zeit 


"hat fih das Verhaͤltniß etwas gümftiger herausgeftellt. 


Die Philofophie Hat die gleiche Berechtigung aller Stände 
als freier Menſchen dargethan und die Literatur hat ihre 
Kreife mit Erfolg auf ein Gebiet erweitert, worin fie 
bereits die fhönften Fricchte getragen bat. Es mag fein, 
daß auch hier ein gewiſſes fpeculatives Faufmännifches 
Intereffe bereit fich geltend macht, welches manchen 
Schriftfleller veranlaßt, daffelbe Gebiet zu betreten, ohne 
daß er von ber eigentlichen hohen Wichtigkeit dieſes 
Schrittes überzeugt ift, ohne daß er auch das Talent 
befigt, diefe Stufe vollftändig aufzufaffen und fie künſt⸗ 
lertſch zu verklaͤren; es mäg ferner fein, daß auch eine 
gewiſſe Überfättigung, ein Uberreiz in ben gefchraubten 
Formen unferer heutigen Gefelihaft Biel zu den Er- 
folgen dieſer neuern Erzeugniffe beigetragen bat, daß 
fie gewiffermaßen als eine Modefache angefehen wer- 
ben, und daß fich die mit allen Genüffen fertig gewor⸗ 
bene höhere Geſellſchaft nur an biefen Exzeugniffen den 
überreisten Sinn wieder flärkt, um nachher deſto beſſer 


= als unbekanntes Land, als vernachläffigte tobte Maſſe genießen zu können; es mag dies Alles dazu beigetra⸗ 





. 
OD * 
4 ” fi . 
. ' -. 


en haben, dieſe neue Bolkeliteratur zu vermehren, , das 
Sntereffe für fie rege zu halten; aber die tiefere hiſtori⸗ 
ſche Bedeutung wird damit. doch nicht in den Hinter 
grund gedrängt, bie Frage nicht gelöft, als deren Glie- 
der wir gie dieſe geuem Grfcheinungen betrachten müf- 
n. Es ift aber Dies, um unfere Anſicht kurz Hinzu- 
Feen, nichts Anderes als dag demokratifche Princip der 
modernen Zeit, das in diefen Erzeugniffen ſich abfpiegelt 
und auf einem Felde feine Erfolge zu erringen fucht, 
an dem die Geſchichte feither theilnahmlos vorübergeſchrit⸗ 
ten iſt. Erſt wenn bie ganze Bildung über alle Staube 
gleichmäßig Tich verbreitet hat, wenn der große Haufen 
aus feiner Glaichgültigkeit, bie nicht felten au Stumpf 
heit grenzt, Tosgefchält ift, wenn alle bie einzelnen Glie- 
der bez arafem. Kette ein ‚apmminfamee, reges, geiſtiget 
Leben durhdrungen hat, wenn der 
Heinfien Theil heruntergedtuͤckt iſt ober ganz. in bay ger 
bildeten Maſſe hei: Volkes ſich aufgelöſt bat, erſt dann 
werden unſere ſocialen und literariſchen Beſtrebungen 
einen Nachdruck, eine. Stärke erhalten, die mit flolzem 
Bahnen Muthe der Zukunft eutgegengehen kaun. Mur 
348. feinen eigenen Kreiſen heraus läßt ſich ein Dolk 
weiter bilden, erſt wenn es bie ihm ganz eigemthümlichen 
Anſchauungen erkannt, in feinen eigenen Spiegel ge⸗ 
—* Be zum Bewußtſein exhoben hat, erſt dann iſt «% 
f dem Wege auch aus feines beſchräänften Sphara 
—RE und einer weitern hoͤhern geiſtigen Ent⸗ 
g wis Exrfola ſich aim n. Das Wistzemn, 
—* gerade — beim Bauernſtande fg tief: ger. 
gen. eglichen Fortſchritt eingemurzelt if, mirb um. fo 
Lichter verſchwinden, wenn er nicht mehr. zu fürchten 
hat, ſeinen eigenen Boden unter dan Füßen zu verlier 
yon, wenn ſein Stanbpunkt ihm Man und firhey gewor⸗ 
&gp iſt, von Dem. aug er bie. andern Erſcheinungen krn⸗ 
uam lernen ſolz man Derjenige, der weiß und ſicher 
met, welche Kraſt en. beſitt, ſtuͤrzt fh muthig in ham 
ypmmärtzihiehenden, Sam der Zeiten, und alleg Halba 
und Forcirte führe ſrüh ober ſpaͤt bittene Be. in ſui⸗ 
gem Gefolge. 
a neueren Zeig mar. eh zuerſt Immermann, der ip 
je „Münchann? ı die [ine Schilberung. bes weiß. 
en Bquernlebens entwarf; freilich- mans. dieſe mehr 
6 —* untergeordnet den andern ſatixiſchen und 
milden Tendenzen feines Buches, allei ar ram deqh 
p. gleicher. Zeit, ein heßtives Werk geichaffen,, bad- mis 
„ anfangen, ſchlichten, friſchen Natız. Exäftig. gegen 
——ã— Ütengrifchen Prigftänpe —2 Frei⸗ 
barath bat: in frines. „Aodsenfgien‘! für dieſen ber. Riten 
zone zu früh entxiſſengen Dann eine ſchoͤne Anſpialurg 
uf Dice sahch. eiafließen Inffen, umb- Bamit auch 
—— atom, den dafieihe: auf- ale Leſer Hape 


yen pi Pa rin, Burſch ich aan, 
ber Ye * bi a 
— ac 
oig nen · Boden. 


SI rn ' 





Poͤbhel auf ſeinen 


* 
* ee —— in 


Freilich iſt biefes Wert vermöge feiner andern Anlagen 
wicht weit und tief genug in® Volk eingedrungen, und 
erft Berthold Auerbach hat mit feinen „Schwarzwaͤldu 
Dorfgefhichten” fiegreiche Bahn gebrochen. Hier iſt ß 
Reben und die Anſchauungsweiſe des Dorfes und ſeine 
Bewohner aleiniger Ziel der Darſtellung und mi 
ducch keine andere Abſicht verfümmert. Mit Wahrket 
und tiefer Empfindung hat Auerbach das Keben dei 
Landmanns aufgefaßt und der nadten Wirklichkeit ben 
verflärenden Schleier der Poeſie umgeworfen und fie mit 
ber Hille der Kunft verklärt, ohne weder jeue zu ent 
ſtellen noch diefe zu vernachläffigen. Der Erfolg Inn 
und lohnt noch jept. bad edle Streben des Dichters um 
wird ihm Muth geben, auf der betretenen Bahn weiter 
fortzuſchreiten, zumal fſelbſt auch das Aueland — wem 
Dies ein Grund fein ſoll — wit ſeinen Erzeugniſſen fh 
befshäftigt und hiefelben giurfüg urtheilt, wie Dies cin 
Bericht von F. Nend Taillandier in der „Rexue de 
deux mondes“ and eine englifche Überfegung beweiſt 
(Der Beſchluß fulgt.) 





Historia de la civilizacion espadola Jesse la invanıı 
de los Arabes ee - epoca. presente. Por Da 
Eagento de Tapia. ände. —— IH 

Wir find gewohnt, in 3 nyr das Bild des buͤtger 


lihen Zwieſpaltẽ, eines von Parteien, welche die Arglift fumte 
Yolitit bat weer, bat beihwichtigt, zerriffenen, von Ai 


eigenen Söhnen zerfkeiſchten Landes — erblicken; wir kn 
hieran Die er ab 3 geiſtige Lebben in Kunſt und tde 
ratur feinem Untergangs € iengefübrt wexde, und fühlam 


darin beflärkt, wenn wir Kunſtwerke und Di 
thelen von —5 — nden —* —28 und nad, fra 
oder Paris abgeführt werden; wir Bi en Spanier in = 
net —— und veiigiäfen Nitterlichloit, wie ihn Galdırm mi 
einer Gwshr als Feldheren und Shantimsen, wi A 
die ve ul che bis ae en den. Außgang dei 1% Jahrhunden 
ze in feinem Pr) barzigen Ringen * remdberrſceß 
u Mi veiheit vor Augen und glaub en, daß, wir von fa 
eit eingeladen find, der Sobtenftic bed politiſchen und 
giöfen 2ebens in Gaftiien und 
8 dem G BR 


* es arte 


der en ar son fan, Dub | nen er 
* kiftete, Das dans, in *3 —— 
HN ſich Be un 5 


ge —— und feiner Marſchale ein Er 
Hi, weil. mader Zeit: agch Okziwalt feine: 
— —* et 


koͤnnen, day, letzten — — 
au ——— greheitbe it. ein 2 % Behr al 

egeden werden ie i raͤngt und die xe 
ai nn und- interne ic Veen utionnairen Se 

megung u der un ur vorangegaage⸗ 
Anes in nen gen finlgt: eige Schre, IM 

— 1— überfehen wird, weicht am dex Go 
eotticien £ ebene in Griecdeplond, Eipanien umd ben Dr 
a ifg ve — 
mit u: 

—S gemewie nen —— * und: Sache 


mer 

















wa Dupent. ( 
Gharis William Karl Firzwillien. 


aller Kräfte aus einem Übergange 
chen, auf Ftreiheit beruhenden politifchen Stellung entgegen 
wbeitet, inmitten dee ſtuͤrmiſchen Umwandlungen in Madrid 
md Barcelona umfaſſende gefchichtliche Werke erſcheinen, Samm ⸗ 
ungen von Urkunden und Quellenſchriften, ernſte, befonnene 
Interfuchungen über eine ferne Vergangenheit, deren Abfaſſung 
ine lange, friedliche Muße zu erfedern feheint. 

Dahin rechnen wie daB obengenannte Werk, dem, wenn 
6. ſchon Schriften derfelben Nichtung bei audern Voͤlkern on 
kKkündlicgleit und Bielfeitigkeit nachſteht, ein eutichiedener Werth 
icht abgeſprochen werden kann. Bor allen Dingen aber Darf 
ei Beurtheilung deffelben nicht aus dem Auge gelaſſen iwer- 
en, daß die bier vorgeführte Zeichnung ohne Die Vorlage des 
rfoderlihen Materials, ohne genügende Vorarbeiten im Allge⸗ 
zinen wie im Einzelnen, gewiflermaßen aus dem Rohen ent- 
sorfen werden mußte, während es für ähnliche Arbeiten in 
franfreih, England und Deutfchland nur einer gewifienhaften 
Serwendung von vorangegangenen Unterfuchungen und, abge: 
then von einer tuͤchtigen Grundlage hiftorifcher Kenntnifle, ei⸗ 
ver glücklichen Combinationsgabe bedurfte. 

Das vorliegende Werd crmangelt der Vorrede, Die über 
id, Umfang und Methode bei der Arbeit ſich ausfpräde. 
Aber dem Leſer Bann nicht entgehen, daß der Berk jich vor: 
wasweife das Doppelmerf Guigot’& („Histoire generale de la 
3wilisation en Kurope” und „Histoire de la civilisation en 
"rance”) zum Vorbilde gewählt hat. Daß er, abgejehen von 
en obengenannten Misverhältniffen., diefen Meiſter weder in 
ex Auffaffung noch in der Darſtellung erreicht hat, mindert 
en Werth eines Werkes nicht, das in feiner Art im Gebiete 
er hiſteriſchen Literatur Spaniens völlig ifoliet daſteht. 
Ageſechen vom den eigentlichen Quellenwerkan, bat Zapia 
ie Arbeiten eines- Sonde und Gardona, eines Morente, Cap⸗ 
any und Rovaszete, beſonders die in Deutfchland zu. wenig 
dachtete gediegene Wonographie von Nuüez de Caſtrõ („Sole 
Kadrid es garte”) mit Treue benutzt. Dagegen. würde ihm 
Sempese („‚Memorias para.la histaria de las canstitucionea 
mpainles’’) bei genauerm Studium cine ungleid, veichere Aus 
gut gewaͤhrt heben als es der Fall ik, ſowie für Die 
Berauß wichtige Zeit der Reformen von Aimenes die. Abhand⸗ 
ngen von Gonzalez Arnao (Th. IV der „Memorias de la 
«al academia de la histaria”) und Lavergue („Revue des 
=ux mondes”, t. XXVI.), für die Geſchichte Aragoniens das 
Tannte trefffiche Werk: von Gervinus, für die Philipps II. 
© Biographie diefe® Könige von Leti nicht hätte Ben 
erden follen. Andererfeitö haben gerade die legten fünf Jahre 
ne Menge ausgezeichneter Werte and Licht gefördert, welche 
u Berichtigung und Erweiterung der bier gebotenen Ewzaͤ 
ng dienen: und die bei eimer zu erwartenden zweiten Wuflage: 
werlich unberürkfichtigt bleiben dürften. Dahin vedinen wio. 
ter Anderm fie Die Seit Karfis V. die von Mill heraudtge⸗ 
benen, bis auf fünf Bände erfihienenen „Pepiers d’etat: du- 
reine} de Granreile“ £ „Colleotion de- doeuments et monu- 
ınts inddita“)s file die Zeit von Philipp II. bis zum Aut ſtuvben 
ı panifen Knunigshauſes ein zweites des nämlichen Birs: 

„4 


ocö („N’Espagne depuis le rögne de — e 4: jusqu’k, 
nennt den ebong’’), die neuesdings volflänbig: verdfe 
lichten Memoiren des Herzogs de In Gere, in denen ſich die 


kbe | tembften ſpaniſchen 


Gugenio'#. de Bien geifiweiihe Digrefflon über wies der: Bodum‘ 
Ion") und vor — 

ea“) und vor allen Dingen die unvergleigliche Biographie desr 
” Antonio Gere; von Salvador Bermudez be Caſtro 33 


Haben wir urfern Leſern hiermit im Allgemeinen der 
— bezelchnen geſucht, den Tapia bei der Abfaf— 
diefoo Werkes einnahm, fo wenden wir uns jegt zu einem 


fun 
Berichte über den Inhalt deffeiben mit dem Bemerken, de 
wie bier —5 nur bei der Entwickelung des politifchen Le⸗ 
bens in Spanien weilen werden. Wir hoffen in dieſer Bezie⸗ 
bung um fo mehr Entſchuldigung zu finden, als die Darftel- 
lungen des Berf. über die Literatur in den einzelnen Beiträu« 
men wenig Mehr bietet al6 uns aus Bouterwek bekannt ift, 
die Mitiheitungen aber über den Standpunkt, welchen die In- 
buflrie in Spanien zu verfchiedenen Zeiten einnahm, vorzugs- 
weife Biel zu wünftyen übrig Taffen, da bier faft alle Vorarbeir 
ten abgingen. 

Das legte Eapitel des vierten Bandes, ‚Observaciones' 
generales y conelusion‘ berſchrieben, hätte ebenfo fügli 
an die Spitze des erften Bandes geftelt werden können. 3 
ihm ift die Seftaltung des gefelfchaftlichen Lebens in Spanien 
nach folgenden vier Epochen umterfchieden: 1) Die Zeit des Hel⸗ 
denfampfes mit den Mauren. Glut für Freiheit und Unab- 
hängigkeit, Begeiflerung für das Kreuz, Poeſie, Vermifhung 
avabifcher Bildung mit romanifcher Nitterlichkeit. find die vor« 
waltenden Elemente; unbeugfames Feſthalten am Hergebrachten 
zeichnet die Eortes von Aragonien, Würde und Klugheit die 
Stände von Eaftilien aus; das Städteweſen, felbft die Lehns⸗ 
verfoffung gewinnt andere Yormen als in dem übrigen @uropa 
bes: Mittelalters. 2) Die einige Monarchie. Übergang zur 
Gentraliſation und: damit zum Misbrauch der Gewalt. Aber 
weit Basten, Aragonien, Valencia und Catalonien noch ihre 
alte Berfaffung behaupten, Pann Feine uniforme Adminiſttation 
hervorgehen. Bann gründet Rimenes die Macht bed König: 
thums; mit Juan de Padilla flirbt der Geiſt der Unabhängig. 
keit in GSaftilien, wo der Abel von den Cortes auögefchloffen 
wird. Auf Königthum, Rom, Inquiſition und Sefuiten ſich 
ſtuͤgend, waͤchſt der Einfluß des Klerus. Philipp IT., der Ara» 
goniens Yueros brach, umfaßte ehrgeizig die Welt. Aber der 
Kampf mit dem Anslande brach Spaniens Wat, alſo daß 
diefe bald nur: noch auf der Tradition beruhte. Die Klöfter 
wweden reich, während das Boll verarmte und das Fekd un: 
bebaut blieb. ES war: die Zeit des Hungers und der Autos⸗ 
daft. 3) Die Beit der adminiftrativen Reformen unter Den: 
Bourbons. Mit Philipp V. fand- die abfolute Regierungsweiſe 
von Verſailles im Madrid Eingangs Frauen und Abentenrer 
führten das Heft; hatte man in der erften ne die ſoge⸗ 
mennten materielfen Intereffen unbeachtet gefaffen, fo wandte 
ſich jegt Allen Zhätigkert auf tie Finanzen. Die Mucht ber 
Kicche wurde: beſchraͤnkt und der Glaube wich der modernen 
Shrtofopbie Franktreichs. 4) Die Zeit politiſcher Revolutionen. 

r daB alte &chäude ſchlaͤgt die Lohe der Revolütion" zuſam⸗ 
men; dev Staat iſt ohne Oberhaupt, das fo lange gefrffette 
Bolt zeigt ſith fauderein und entfalter feine Rieſenkraft; der 
—— von Verfaſſungen folgt deren Sturz. Gin chaoti⸗ 
ſches Ringen aller Lebenselemente 

Wir gehen über die äußere Geſchichte der weſtgothiſchen⸗ 
Herrfchaft, Der Vernichtung derfeiben duch‘ die Utraber, ber 
erſten Geftaltung. eines: Meimen chriſtlichen Skaats hinweg. 
Bow nun am ein erbitterter: Kampf: zwiſchen zwei Wölfen, die 
im Stauden wie in- Sprache und' Sitte —— — 
hatten, em Kampf fuͤr weliliche und Slaubenherrſchafi. Die be⸗ 
drängten Ehriſſen konnten ſich waͤhrenddeſſen nicht in: gleichem 
Grade der Induſwie und den: Künften des Friedens hingeben wie 
die im Beſitze der reichſten Provinzen befindlichen und uͤberdies auf 


itlichen Mittheilungen über die Verhaͤltniſſe der Abrisſen unter | ifee kriogeriſ⸗ Stimmmgeneffer im Afrika ſich ftügenden Art» 
e Regierung — IN. beſinden⸗ fermer Die von Miguel dere —* ur: Monche; Golsenen (vHlanoe) und Skilaven befchaͤf⸗ 
Sgegebenen: „Negeciatione welatives & la- sucsessiom. tigten- ſich min dem Weleebau, wahrend die übrige: 3 


guie”' ( „Collection de documents et memmnertis inddim’), | den Wbiffen: gehörte: Unter diefen Umflänben bonnte Der gei⸗ 


2 *. 


⸗ 


ſtige Fortſchritt nur gering fen. Auf Gomeilien oder Cortes 
wusden Die Angelegenbeiten des Staats beratben. Rod war 
Die Erblichkeit des Throns nicht feſtgeſetzt. Seit aber nad 
dem Zode Almanzor's die Einheit des maurifchen Reichs, def 
fen Walis fi) losriffen, aufhörte und die Könige von Leon 
nicht mehr ausfchließlih auf Rettung dur Waffen zu finnen 
hatten, wurden die Cortes häufiger und regelmäßiger berufen 
und bildeten die von den Königen mit Fueros begnadeten Städte 
bald einen Halt gegen die Macht ver groben Srundbefiger 
ner ‚oder ricos hombres), deren Stellung zur Krone ohne 
inlaͤnglichen Grund mit ‚ber der Pairs in Frankreich vergli- 
den zu werden pflegt. ' 

Unter Alonſo VI. begegnen wir einer raſchern Entwicke⸗ 
lung der Givilifation. Scharen fraͤnkiſcher Witter, welche über 
die Pyrenäen gezogen waren, um am Kampfe gegen bie U: 
moraviden theilzunehmen, trugen die Bildung von Frankreich 
und Deutfchland nad Spanien hinüber; in dem eroberten, an 
Kunft und Wiffenfchaft reichen Zoledo fand der chriftliche Staat 
einen glänzenden Mittelpunkt; mit ungewöhnlicher &chnellig- 
Beit gewannen die Städte, in denen auch zur Beit maurifcher 
Hoheit der Geift eines freien Bürgerthums nie völlig erſtorben 
war, einen hoben Grad politifiher Bedeutfamkeit. Waren bie 
Seiete bis dahin meift nur für einzelne Landſchaften bindend 

eweſen, fo wurde den unter Alonſo VII. auf den Cortes zu 
jera erlaffenen Beftimmungen für ganz Eaftilien Gültigkeit 
beigelegt und an den zu Burgos unter Alonſo VIII. gehalte- 
nen Cortes nahmen auch die Städte heil, ohne auıf das bloße 
Recht zu Petitionen beſchränkt zu fein. - 

Mit befonderm Interefie wird der Lefer den im erften 
Bande, Cap. 6, gegebenen Erörterungen über ben estado so- 
cial del primitivo reino pirenaico, über die dortigen Fueros 
und das eigenthümliche Verhältniß, welches der Herricher feinen 
Unterthanen gegenüber einnahm, folgen. &Starb in Sobrarbe 
ein Villano, ‘an deſſen Befistbum König und Edle. gleich 
mäßig berechtigt waren, ohne Hinterlaſſung männlidder De: 
feendenten, fo theilten König und Edle zu gleicher Maße, der: 
geftalt, Daß der in der Theilung nicht aufgehende Dchfe in 
zwei Hälften zerlegt wurde, von denen ber König die rechte, 
der Edle die linke erhielt. In, Ravarra, wo das weftgothifche 
Be nie Geltung hatte und deshalb der Klerus nicht gunachit 
als Bertreter des Landes daſtand, erblidt man früßgeitig 
eine aus zwölf alten, verftändigen Männern (mas ancianos 
sabios) beftehende Rationaljunta um den König, ohne deren 
Beirath Derjelbe weder ein Geſetz inf (facer cort) noch 
über Krieg oder Frieden beflimmen durfte. Wuch hier bildeten 
die drei brazos de& clero, der nobleza und der Procuradoren 
nur Eine Kammer. 

. Zn Gatalonien, wo das Lehnsweſen nismald zu einem 
ähnlichen Einfluffe gelangte wie in den andern fpanifchen Rei⸗ 
Ken, und wo Handel und Induftrie frühzeitig ben Bürger bo» 
ben, nahm der. Tierséetat ſchon in der Mitte des 11. Jahr⸗ 
hunderts neben GeiftlichPeit und Adel feinen Plag ein. Ara⸗ 
goniens Freiheit ſicherte das uralte Recht der Ernennung eines 
vom Könige unabfegbaren, aus dem Stande der Gaballeros 
gewählten justicia mayor, und die an dieſes Amt gelnüpften 

eros de la manifestacion und de la firma de derecho. Die 
dortigen Eortes hatten vier Brazos, indem ber Adel von zwei 
Seiten, ein mal durch die niedern Edeln (caballeros) und fo- 
dann durch zwölf ben Staatsrath bildende und im erblichen 
Befipe ihrer Würbe ſich befindende ricos hombres vertreten 
wurde. Wann zuerft und in wie großer Bahl die Procurado⸗ 
ven bier Zutritt zu ben Gortes fanden, wagt der Verf. nicht 
mit Gewißheit zu beftimmen; ausgemacht ift, daß fie ald hom- 
bres buenoa nicht übergangen werden durften, feitdem eine 
Menge wohlgeorbneter arabifcher Städte, in denen fi die al 
ten Municipaleinrichtungen erhalten hatten, dem Reiche ein« 
verleibt wurde. So beichränkt wie bier war allerdings das 
Foͤnigthum in Gaftilien nie, weil die Monarchie auf weſtgothi⸗ 
ſcher Grundlage beruhte und die Krone bald erblich wurde. . 


Das 14. Sapitel ſchildert den 'estude seüist de hs kai. 
nios musulmanes in Spanien Bis zum Unfange, des 13. Ice 
hunderts. Gehen wir bavon ab, daß bie Mauren das un 
worfene Spanien durch Seringfügigkeit der Abgaben und durh 
Beritattung der Glaubensfreiheit zu verföühnen teadsteten, f 
zeigten ſich die Steger anfangs als Karte Eroberer, die nu 
auf Vernichtung der vorgefunbehen Civiliſation fennen. Er 
eitdem die Abhangigkeit vom Khalifate gelöft wurde und Dmaii 

en ein felbftändiges Reich bildeten, wurde Vieles ander. 
Immer aber Bränfelte der Staat an der Gewalt des Hayk, 
am Mangel einer feften Beftimmung der Thronfolge und an 
Ehrgeige der Stammhäupter. Pracdtbauten, Handelöflcttn, 
Univerfitäten, Bibliotheken, ein fleißiger Betrieb der Berge 
werte und ein zur böchflen Stufe der Kunſt gefteigerter de: 
bau zeugen von dem &langreiche der Dmajjiden, deſſen reich 
Südprovinzen von den bewaffneten Epriften nicht zu leiden hat 
ten. Nah dem Tode Almanzor's ſchwand die Größe wu eu 
Zraum unb weber Almoraviden noch Almohaden konnten & 
nen Staat ftügen, der niemals ein feſtes Syſtem gekonnt hatt 
und in welddem bis auf den Despotismus Alles wandelbar war. 


(Der Beſchluß folgt.) 





Literarifhe Notizen aus Frankreid. 


Das untere Donaugebiet. 

Wir erhalten in folgender Schrift: „La Bessarabie u 
cienne et moderne”, von Bugnion, eine ziemlich bract 
bare Schilderung von Beflarabien, mit Rüdblidien auf die & 
ftorifchen Ereigniffe, don denen im Laufe der Zeit diefe Ge 
end berührt iſt. Intereſſant find die Mittheilungen, wi 
bir in Bezug auf die Raturproducte und die Berhältniffe te 
nduftrie gemacht werden; auch unter den geographiſchen u 
ftatiftifchen Rotizen befindet ſich manches Beachtenämerthe; we 
niger befriedigen indelfen bie Bemerkungen, welche und ih 
die Regierung und das Adminiftrationswefen im Algen 
geboten werden. Hier ſcheint der Berf., welcher proikat 
ſcher GSeiftlicher in der Schweizercolonie Ehabag bei Yen 
ift, ſich Rüdfichten auferlegt zu haben, um feinem Bet da 


-Bugang nach Rußland nicht unmöglich zu machen, mir f t 


denn auch für noͤthig erachtet, durch die Bemerkung auf im 
Zitelblatte „Admis par la censure impe6riale russe" daſſelbe 
gegen Hinderniffe diefer Art fiherzuftelen. Was der Tr: 
ftelung, welche im Allgemeinen Eintad unb anſpruchtlob ; 
haften ift, Eintrag thut, find die vielen flörenden Provimids 
men, don denen ſich der Schweizer ſelbſt in der Ferne nut 
felten lobmachen Fann. - | 





Das Keben der Miftreß Fry. 

Der. Abriß eines der bingebendften Wohlthätigkeit gem? 
meten Lebens, wie ed uns in einer Biograpbie der bekam 
Eliſabeth⸗Fry geboten wird, welcher vor kurzem zu Lauf 
die Prefie verlaffen hat, ift das befte und anregendfte Ruik 
ben Funken der Mildthaͤtigkeit, welcher in Jedes Bruft gif 
ift, zu fehüren. Selten ift wol ein Charakter in unferer az 
nögt en Beit, welcher eine größere, innigere WBerfchmelzung +4 
unbeichräntteften Aufopferung und ber fletigen, unwandelbut 
Berfolgung des einmal erfaßten Zieles aufzumweifen im Etis* 
wäre, als wir bei bdiefer bochhergigen Quäkerin finden. da 
anonyme Verf. des vorliegenden Schriftchens beſchreibt M 
mennichfaltigen Lebensfchickfale diefer Frau, deren große Aa 
in England und auf dem Gontinente überall mit lebendiet⸗ 
Denkzeichen ihres reinen Eifers für die Sache ber Gefanze 
und Berwahrloften bezeichnet find. Gr kann Dies nicht ik 
ohne den gottesfürdptigen Sinn und die wahre Religichtix 
weile in ihrem Bufen Sebte und fo zu ihren unzählbite® 
Wohltbaten antrieb, als den eigentlihen Grundton ihre 33 
gen Weſens ‚hervorzuheben. hi. 


Berantwortlicher Herauögeber: Beinrich Brodbans, — Druck und Werlag von F. SE. Wrodbans in Beiyziz. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Montag, 


I Kr. 327, 


23. November 1846. 





—— ee TG — —— — —— — 


Volksliteratur. 
(Beſchluß aus Nr. 326.) 

Es find zwei Richtungen, die bereits in ber Volks⸗ 
literatur deutlich heraustreten; Die eine und beimeitem 
die vorzüglichere, der Literatur als Kunſt angehörige ift 
diejenige Seite, welche ihre Stoffe dem Volksleben ent- 
lehnt, bie Anfhauungen des Volkes aus ihm felbft heraus 
entwidelt und zur Darftellung bringt. Diele hat keinen 
andern Zweck als diefe Darftellung felbft, fie haͤlt im 
ihren Gebilden dem Wolke feinen Spiegel bin, worin 
ſich fein Wefen abklaͤrt; daran kann fich daffelbe in bie 
Höhe arbeiten, es lernt, ohne daß es gerabe Abficht des 
Schriftſtellers ift, daraus fi erkennen, und wird mit 
einer gewiffen Freude erfüllt über fein Dafein, das fo 
herrliche Früchte zu tragen im Stande if: Der andern 
Seite würden wir, wenn man die erfte die Riteratur 
rus dem Volke nennen wollte, füglich ben Namen 
ver Riteratur für das Volk beilegen können. Hier ift 
er Zwei die Hauptfache, bie Darftelung nur Mittel, 
im auf diefem Wege gewiſſe moralifche und politifche 
‚ehren unter das Volk zu verbreiten. Als Mufter mag 
ier vor Allem Zſchokke gelten, der die Geſchichte bloß 
efindet und in derfelben feine Anfichten dem Volke un- 
erbreitet. Die tünftlerifche natürliche Darftellung ift 
Tebenfache, ihm kommt es blos darauf an, zeitgemäße 
nfihten, goldene Lebensregeln zu verbreiten, er will 
ı8 Volk lehren und unterrichten, und die Wahrheit bei der 
arſtellung ift ihm gleichgültig. Cine dritte Seite auf 
efem Gebiete ift diejenige, welche filh auch den Namen 
rı Volksgeſchichten beilegt, bei denen man aber burdh- 
8 feinen Grund zu biefer Benennung abfieht, wenn 
Ht etwa der, baß man glaubt, ſolche Leichte novellen- 
rige Stoffe, flüchtig entworfen und ausgeführt, würben 
- das Bolt, das weniger gebildet fei, um an einer 
ern Auffaſſung und poetifhen Darftellung Freude zu 
Den, die rechte Nahrung fein, weil fie eben leicht und 
rflächlich wären. Die Bedeutung folder Schriften 
weder für das Volk von Intereffe noch auch für bie 
eratur von Belang. Zu der erfien Seite zählen wir 
„Stefan“ von Kleemann; der „Uli“ und „Gelds⸗ 
von Botthelf Hält die Mitte zwifchen ber erſten 
zweiten; während die Erzählungen von Spindler 
' Hammer mehr der zulegt angegebenen Richtung 
eimfallen. 


„Stefan, ber Keffelflider”, von Kleemann, ift eine 
einfache fchlichte Erzählung aus einem ſchleſiſchen Dorfe. 
Die Anlage und Ausführung ift Mar und mit Geſchick 
behandelt. Freilich fehlt den Charakteren dieſe fpecififche 
Wärme und Friſche des Lebens, mit ber Auerbach feine 
Figuren ſchildert: die Perſonen Kleemann's find mehr 
allgemein gehalten, haben nicht dieſe individuelle Färbung 
und charakteriſtiſche Lebendigkeit, jedoch find fie mit Wahr⸗ 
beit und Conſequenz ausgeführt. Das Volksleben ale 
ſolches ift mehr ſchon dutch allgemeine Betrachtungen 
und Reflerionen in der Anlage in den Hintergrund ge- 
treten; der Boden, auf dem fich die Beftalten bewegen, 
ift nicht beftimmend, aud hat die Redeweiſe nicht die 
Formen, mit denen ſich diefe Stände charakteriftifch aus⸗ 
drücken. Kleemann arbeitet und fchafft mehr ſubjectiv thaͤ⸗ 
tig, ſtatt daß er die Geſtalten, was gerade bei dieſem 
Zweige ein Hauptvorzug waͤre, in ihrer groͤßtmoͤglichſten 
Objectivität aufzufaſſen ſucht. Cine gelungene Darftel- 
lung vom Volksleben, die den geheimften Zügen ber ein« 
fachen ſchlichten Natur nachgeht, fie belaufcht in ihrem 
Geheimtreiben, muß nothwendig auf einem tiefen Stu⸗ 
dium des Volkes felbft ruhen, und derjenige Schriftftel- 
ler wird fie um fo gelungener zur Anfchauung beingen, 
ber alle weitern höhern Formen der Bildung einfiweilen 


vergißt und blos die einfache Natur auf ſich einwirken 


laͤßt und blos dieſe zum Gegenſtande feiner praftifchen 
Geftaltungen wählte. Es mag fein, daß ein folches Auf- 
gehen in Formen die der gegenwärtigen Bildung fern 
liegen, eine ſolche Entäußerung in Situationen und 
Gedantengänge, welche ihren eigenen ruhigen Weg be- 
folgen, während um fie her Alles in flüffiger Bewegung 
ift — es mag fein, daß Diefes für den mobernen Schrift⸗ 
fteller Feine leichte Aufgabe iſt: defto größer ift aber auch 
das Verdienft, wenn fie volftändig gelöft if. „Stefan“ 
bietet zwar Feine befonbere ſchlagende Charaktere bat, 
die Erfindung felbft ift nicht gerade fehr neu, die Le⸗ 
bensanfhauung bed Bauernftandes nicht recht Flar und 
beftimmt, und dennoch wird der Leſer das Buch nicht 
unbefriedigt weglegen, weil eben doch immer bie ein- 
fahe menfhlihe Natur, unter welchem Gewande fie 
auch auftritt, das Intereffe reizt und das‘ Gemüth 
erhebt. 

Voltsthümlicher und charakteriflifcher als das vor⸗ 
bergehende Buch, find die Schriften von Gotthelf gehal- 








1306°- 


ten; man fieht feinen Figuren an, daß fie frifh und 
räftig aus dem Leben genommen find; namentlich hat 
Gotthelf im „Uli” eine prächtige Mannichfaltigkeit der 
Perſonen entwidelt und Diefelben charakteriftifch feft und 
conſequent entwickelt. Diefe fchlagende Wahrheit, in wel- 
chet feine Leute fich bewegen wie fie fich ausdrücken, wie 
fie denken, ift ganz nad) der Natur gezeichnet. Da feine 
Erzählungen aus dem fchweizerifchen Volksleben gegriffen 
find, fo mag er vielleicht duch den Stoff felbft ſchon 
einigen Vortheil errungen haben, weil das ſchweizeriſche 
Leben in gefihloffenen, beftimmten Kormen ſich bewegt und 
weit weniger von den Ginflüffen einer höhern Bildung 
berührt ift. Die Wahrheit und pfochologifche Schärfe, 
mit welcher Gotthelf feine Perſonen fchildert, ift wirk⸗ 
lich gelungen zu nennen. Wenn er auch nicht in den 
Schler gefallen ift, den Zſchokke in guter Abſicht fo 
häufig begeht, Daß er feinen Perfonen Reden in ben 
Mund legt, die fie vermöge ihrer Bildung nicht halten Fon» 
nen und die ſehr ſtark nach der Doctrin der Katheder 
ſchmecken; wenn ex feine Perfonen auch reden läßt, ganz 
wie es ihrem Weſen zukommt: fo ift bamit boch feines- 
wegs zu leugnen, daß mitunter die praktiſche Seite zu 
weit heroorragt und daß der Verf. in dem Wunſche 
gute Regeln zu verbreiten, Mufterwirtbichaften aufzu- 
flellen, die Reben und Gefprädhe weiter ausdehnte als 
es eine rein Lünftlerifche Anlage ohne Nebenzwecke ei- 
gentlich erheiſcht. Daher kommt es auch, daß eine ge 
wiffe Breite, wenn man ben praktiſchen Standpunkt 
gußer Acht läßt, in die Augen fällt und den Verlauf 
ber Handlung aufhält. Freilich ift der Beurtheiler fol- 
der Schriften immer in dem Dilemma, daß er zwar den 
praktiſchen Nugen bderfelben anerkennen muß, aber ande 
zerfeite doch auch die äfthetifhen Foderungen nicht un⸗ 
berückſichtigt laſſen darf. Eine der fchönften und origi- 
nellſten Charaktere ift im „Uli” das Schweizermädchen 
Vreneli, das unter der rauhen fpröden Schale feines 
Wefene ein tiefes Gefühl befist, und das bei den 
drückendſten Arbeiten, bie es als eine Verwandte voll- 
ziehen mußte, dennoch feinen Muth nicht verlor, Gott und 
Menfcdyen und jedem jungen Zage in neuer Friſche ent 
gegenlachte und ſich Plag machte in den Herzen, wie 
fee man ſich auch dagegen wehren mochte, deren Leib 
und Seele felbfk in der wüſteſten Acbeit und unter ben 
ſchlechteſten Gefinnungen ſtets zein erfhien und das un- 
tee dem Falten Eis feiner Umgebung vein und frifch 
blühte wie ein Beufches Schneeglodkin. 

Die „Volksgeſchichten“ von Spindler, fowie bie 
„Stadt: und Landgefhichten” von Hammer gehören 
dem eigentlichen Kreife der Bolksliteratur nicht an, ba 
fie weder das Leben des Volkes ſelbſt zum Gegenftande 
haben noch auch eine gewifle praftifhe Richtung nach 
demfelben bin befolgen. Es find leichte Erzählungen, 
Cchwänte, die in Novellenform ober auch genzeartigen 
Dichtungen ſich uns darbieten. Spindler hat bier vor- 
aus feine Leichtigkeit der Darftellung, die unterhält ohne 
gerade zu erheben, die in einzelnen Zügen ergögt ohne 
gerade zu erheitern. Bereits anderwaͤrts zerſtreut gedruckte 


Erzählungen fiellen fih hier unter dem gemeinfame 
Titel dar, ohne daf man einzufehen im Stande win, 
welches gemeinfame innere Band biefelben zufammen: 
balt. Sie find fait alle leicht und flüchtig gefhre 
ben, wie ber Berf. dem einen oder dem andern Jour- 
nale einen Beitrag verfprocken hatte,“ und werden nich 
viel Anſpruch auf befondere Eritifche Beurtheilung mı- 
chen können, ebenfo menig wie die vorliegenden Schriften 
von Hammer, vor welchen fie freilich eine gewiſſe flilfi- 
ſche Sertigkeit und Abrundung voraus haben, ohne dei 
den Leſer zu ergreifen unb das Intereffe zu fern. 
Aus dem erfien Bande von Hammer heben wir dk 
Schilderung „Aus dem Leben eines Megiftratord” auf, 
jeboch entbehrt auch fie in der Tiefe ber Auffaffun 
und in der Schärfe der Darftellung und verdient bie 
infofeen ausgezeichnet zu werben, als fie etwas beffe 
ald die übrigen matten Erzählungen if. 

J. Gegenbaur. 


— — 


Historia de la civilizacion espailola desde la invasım 
de los Arabes hasta la &poca presente. Por Dei 
Eugenio de Tapia, Bier Bänke. 

(Beſchluß aus Nr. 336.) 

Der zweite Band beginnt mit einer Unterfuchung uber da 
focialen Zufland Eaftiliend vom 13. Jahrhundert bis auf de 
Tod von Enrique IV. Mit der fortfgreitenden —— 

annen Handel, Induftrie und Atkerbau einen neuen 


ſchwung bei ben Chriſten. Aber noch waren bie Kräfte geipe: 


ten, die Inftitutionen nur local, alle Elemente des öffentliches 
Kebend gefondert, Fein gemeinfamer Mittelpunkt einte das Xu- 
gen. Der Adel zürnte den aufblühenden und deshalb mit id 
ren Foderungen gewichtig aufblüßenden Städten: ba M 
erenrpten Geiftlichfeit. Wenn Alonſo X. in B auf kant 
feiner Be Würde fo viel vergab, daß er ſich une im 
beugte, fo folgte er darin wol nur dem Geiſte des Jahn‘ 
dertd. Was duch Sammeln und Ordnen von Gefegen geſceb, 
reichte lange nit aus, um die miteinander ringenden their 
tiſchen, ariſtokratiſchen, monarchiſchen und felbft demokratilä: 
Llemente zu Einem Staate, unter Einem Dberhaupte, u & 
nem Gefege zu amalgamiren. Überall Parteiungen und BU 
gerfriege, auch ehe die unnatürliche Macht eines Alvaro de kur 
zur Oppofltion trieb. Undererfeits ſchwächte jih Aragemier 
durch Ihellungen gu einer Zeit, als eb gerabe der Centralin 
tion bedurfte. Überdies mußte Pedro II. allen Foderungen te 
Cories zu Tarragona nachgeben; tie ein gupeiter König 3 
der Justicia mayar neben Alonjo ITI.; faſt wicht geringer © 
die Gewalt der zu Barcelona refidirenden Generaldepututz“ 
Die Eap. 10 gegebene Überficht des catalonifchen Handels © 
ruht faſt ganz auf den befarmten trefflihen Worfchungen "= 


Rad der Auflöfung des Reiche der Wmohaden hielt i⸗ 
die mohammedaniſche Herrichaft nur dadurch, daß alle Kraft 
der Mauren in Granada concentrirt wurden. Yarteiungen = 
Wahlkrone ſchwächten den Gtaat, deflen Könige ihre SEX 
auf Yractbauten, Zörberung ven Runft ımd MBiffenfchoft ı= 
eine Hoſhaltung verwandten; der die Feines chriftlichen Ak“ 
habers gleichfam. ir 

Mit der Regierung der katholiſchen Könige beginnt I 
die innere Geſchichte Spaniens der an — — 

un 


nene Bahn brach. Durch die Bereinigung von Uragem® 
Da dahin bißdete ‚eine ſtarke, compatte Macht, die, u 


1887 


dem Geſe Sul verleihen konnte. Es Lofkete viel Kampf, 
bis Ifabella die Unterwerfung ded Adels durch die Hermandad 
der Städte erreichte, die Abgaben ordnete, eine würdige Stel: 
fung zue Kirche gewann, die veräußerten Krongüter wieder 
erwarb, dem Tribunal der audiencia del rey einen fehlen Sig 
anweifen und durd die ordenanzes reales ihrem Volke ein re: 
vidirtes Gefegbuch geben konnte, das freilich Bein uniformes, 
den Zoderungen der Seit angepaßtes Ganzes bot, aber doch 
einer Menge von Übelftänden abhalf. Induftrie und Handel 
rahmen dur Begünftigungen jeder Art einen raſchen Auf: 
ſchwung; Kornfelder dedten die Ebene, Beben und Frucht: 
bäume das Gebirge, und, fegt ber Verf. ſchmerzlich hinzu, wo 
man jetzt kaum eine Hütte gewahrt, zeigten fich die Fruchtkam⸗ 
mern großer Städte. Manche diefer Schöpfungen gingen, wie 
Sap. 1 de& dritten Bandes außeinanderfegt, in Folge der Par: 
teiungen nach dem Tode Iſabella's wieder zu Grunde und no 
sin mal drohten Gaftilien alle Schredniffe der Anarchie. ber 
kerdinand griff mit Rachdrud durch und ſchon Fonnte Zimenes 
ın die Begründung eines abjoluten Königthums denken, wie 
65 in Frankreich durch einen Richelieu ins Leben gerufen wer: 
en follte. So übernahm Karl 1. ein ſtarkes, wohlgeordnetes 
Reich, das durch die von Padilla geleiteten Bewegungen ber 
Städte nur momentan erfchüttert werden Bonnte. Bei dieſer 
Selegenheit gibt der Verf. in den „„Reflexiones sobre las an- 
iguas hermandades de Castilla’ höchſt intereſſante Mitthei« 
ungen über diefe von Marina („Teoria de los Cortes’‘) nicht 
immer richtig aufgefaßten Staͤdtebuͤndniſſe. 

Unter der Regierung Karl's I. bildete fi das theokratiſche 
Element, vornehmlich mittels der Jeſuiten, duch. Die Natio⸗ 
nalrepraͤſentation in Caſtilien unterlag einer völligen Umgeſtal⸗ 
tung, indem ter Adel des Rechts der Bertretung verluftig 
ging, und fpflematifch verfolgte des König fein Ziel, dem 
Staate eine religiöfe und politifhe Einheit zu geben. Er 
urfte Biel wagen, weil durch ihn Biel für die Größe Spa: 
niens geſchah. 

Die Herrſchaft Philipp's II. bezeichnet der erfte Act der 
eiben, Die eier eines YAuto-da>fe zu Valladolid. Durch ihn 
purde das abfolute Königthum durch einen Wall von Geſetzen, 
Beifklihen und Bölbnern gefichert und der auf Spanien ru 


ende Fluch auch auf Spanien übertragen. Im Kampfe gegen 


ie Niederlande, England und Frankreich wurde Spaniens Be 
ölßerung deeimirt, feine Macht zu Grabe getragen; die Flucht 
td ygeiftreichen Antonio Perez gab die erwünfdhte Gelegenheit 
ur Vernichtung der Fueros von Arayonien; die Wiſſenſchaft 
tlag dem Spsuche des Glaubensgerichtd; Willfür und Fana⸗ 
ismus ſchlugen ein ſtarkes, edles Volk in Banden: aber def: 
en geiſtiges Leben für immer y erfliden waren jelbft fie in 
hrer Verbrüderung nicht ſtark genug. Mit jedem der nad» 
(genden Habsburger tritt der über Spanien fid) lagernbe 
ammer anfchaulicher hervor. Unter Philipp III. führte der 
räge und intriguante Lerma dad Heft der Gewalt und erfolgte 
ie Vertreibung des fleißigften Theils der Bevölterung, ber 
Roristen. Die völlige Erſchöpfung des Schatzes bewog Phi 
pp IV. zur Berufung der Cortes nad Madrid, deren Kl 
ber die maßlofe Zunahme der Geiſtlichen jedoch Leine Ubhülfe 
nd. Zu dem fortgefegten Kampfe mit dem Auslande gi 
n fi Bürgerkriege und weder Philipp IV. noch der Graf: 
erzog Dlivares fanden Muße zum Ordnen der Bermwaltung. 
nter Karl 1I. walteten Jefuiten und über das Reid, wie 
ber ein herrenlofes Land, verfügte fremde Politik. Der Reich⸗ 
um war geſchwunden, Kunſt und Wiſſenſchaft von ihrer ‚Höhe 
rabgeftiegen, der freudige Nationalſtolz Hin und nur Abſolu⸗ 
ömus und Geiſtlichkeit waren geblieben. 
Durch den jeit der Einfegung der Bourboniſchen Dynaftie 
gründeten Einfluß Frankreicht gewann das fnanifche Bolt 
ne neue Phyfiognomie. Gedanken, Sitte, politifche Inſtitu⸗ 
snm, Ulled unterlag der Umgeflaltung. Die verlorene Frei: 
it erhielt es freilich nicht zuruck; Catalonien büßte die legten 
um gebliebenen Vorrechte ein und Cardinal Giudice wußte ber 


‘ 


Berlefungen. Mitau, Reyher. Er. 


Inquifition neum Slanz zu verleihen: ober es gewann durch 
Alberoni und felbft durch Rizerda wieder bolitifee Bedeutung 
im europäifchen Staatenfyftem und ſchloß ſich den Kortichritten 
der Eivilifation an. Das zeigte ſich vornehmlich unter Ferdi 
nand VI., wo der Marques von Enſeñada durch genauen aus 
halt die Mittel gewann, Induftrie und Handel zu beleben, für 
den Bau einer Plotte zu fornen, die Colonien zu heben; ent» 
fhiedener no unter Karl UI., wo durch Aranda, Plorida- 
Blanca und den gelehrten Campomanes Großes und Bleibendes 
peföaften, die Genoſſenſchaft der Iefuiten vertrieben, das Glau⸗ 
enögericht von der Regierung ſtreng überwacht, ven Schen⸗ 
$ungen an die todte Hand Schranken gefegt, die Staatsſchuld 
verringert wurde. Unter Karl IV. führte das Bündniß mit 
Frankreich die Vernichtung der kaum wieder begründeten See⸗ 
macht und unheilbare Berwürfniffe im Königshaufe herbei. 
Dann erfolgt die Schilderhebung gegen Napoleon. Uber we: 
der die Energie einer revolutionnairen Regierung noch die 
Kraft, die bisherige Ordnung aufrecht zu erhalten, gab fich 
fund und bei dem Ausarbeiten der neuen Berfaffung. vergaß 
man, daß es eines confervativen Körpers zwifchen den Depu⸗ 
tirten und ber Krone bedürfe, um die Ufurpation der legtern 
und die Angriffe der Erſtern zu limitiren. Im Übergange vom 
Despotiſsmus zur Freiheit machte fih ein Strom von Ideen 
eltend, der nur durch die Erfahrung hätte geleitet werden 
önnen. ine Folge hiervon war 1814 die Reaction dureh 
Berdinand VII, welche jede jegenGreiche Schöpfung der juͤng⸗ 
ften Zeit, felbft die von Karl II. eingeführten Reformen, als 
ein Werk der Revolution zertrat, die Herrfhaft einer unwiſſen⸗ 
den und fanatifchen Camarilla, endlich der Aufftand von 120. 
s 4 





Bibliographie. 


Adelung, F. v., Kritisch - literärische Übersicht der 
Reisenden in Russland bis 1700, deren Berichte bekannt 
sind. Zwei Bände. Petersburg. Lex.-8. 3 Thir. 20 Neger. 

Almanach dramatifcher Scherge zur Darftellung in Fami⸗ 
uenfeeifen. 1847. Ifter Jahrgang. Leipzig, Köhler. Kt. 8. 

t. 
‚ Auftria. DOfterreichifher Univerfal: Kalender für das ges 
meine Jahr 1847. Ster Jahrgang. Mit Tithographirten Ta⸗ 
fein, ARufifbeilagen und Holzſchnitten. Wien, Klang. Ler.:8. 
I Ahle. 3%, Nar. ' 

Bafile, G., Der Pentamerone, oder: Das Märchen al- 
lee Märchen. Aus dem Reopolitanifihen übertragen von F. 
Liebredht. Mit einer Borrede von I. Grimm. Zwei Bände. 
Breslau, Mar u. Eomp. 8. 2 Zhlr. 15 Ror. 

Bretfhneider, K. G., Die religiöfe Slaubenslehre nach 
der Vernunft und der Offenbarung für denkende Leſer darge⸗ 

. Ate verbeſſerte, vermehrte und mit einem Regiſter ver: 
age. Halle, Schwetfchte u: Sohn. Sr. 8. 1 hir. 

4 Tr. “ ’ 

Srahı, J. A. M., Seichichte der Geſellſchaft Jeſu. Eine 
politiſch⸗literariſche Darſtellung Bon des Ordens Gründung 
an bis auf die neueſte Zeit. Mit Ausſchluß der Miſſionen. 
Bürzburg, Stahel. Er. 8. 2 Thlr. 20 Nor. 

Die ſymboliſchen Bücher der evangeliſch⸗lutheriſchen Kirche, 
deutfche und lateiniſch. Neue forgfältig durchgeſehene Ausgabe, 
mit ben fächfifhen Bifitationsartiteln, einer hiftorifhen Einlei⸗ 
tung und einem fünffachen Regifter. Beforgt von 3. J. Mül: 
Tex. fe Abthrilung. Stuttgart, ©. ©. Lieſching. Ler. +8, 


18 Nor. 

Bühler, & €. W. v., Jechniſche und abminiftrative 
Bemerkungen über die Eifenbahnen des weft: und norbweftlis 
hen Deutſchlands, Belgiens und des Elſaſſes. Stuttgart, 
Shweizerbart. Br. 8. 1 Zhlr. DI Nor. 

- Burfy, E., Das künſtliche Kicht und die Brien. Zwei 
8. 8 Nor. 





1308 


Dieterici, C. %. W., Der Volkswohlſtand im Preußi- 
ſchen Staate. In Bergleihungen aus den Jahren vor 1806 
und von 1828 bis 1832, fowie auß der neueften Zeit, nad ſta⸗ 
tiſtiſchen Ermittelungen und dem Gange der Gefeggebung aus 
amtlichen Quellen dargeftellt. Berlin, Mittler. Ler.»3. 2 Thlr. 

Edarpt, C., Berwehte Blätter eines jungen © Dramatur: 
gen. 2te Auflage. Leipzig, Teubner. 184 6 Ror. 

Ellissen, A., 
bischof von Athen. Nachrichten über sein Leben und seine 
Schriften, mit Beifügung der Letztern, soweit sie bekannt 
sind, im Original und in deutscher Übersetzung. Ein Bei- 
trag zur politischen und literarischen Geschichte Athens im 
Mittelalter. Göttingen, Dieterich. Gr. 8. 25 Ngr. 

‚ Ergänzungs-Eonverfatione Lexikon. After Band. Heraus: 
gegeben von F. Steger. Ite unveränderte Auflage. Leipzig, 

omberg. Ler.»8. 2Thlr. 
. Beldmann, 2, Deut ide dr Driginal: Euftfpiete. 2ter Band. 
Wien, Warlispauffer 184 12. 2 Zhlr. 
Lübeck, Asſchenfeldt. 8. 


ꝓ eib el, E., Zwölf —8 
gr. 

Großmann, Julie v., Aus Vorzeit und Reugeit, — 
Erzaͤhlungen. Berlin, Bereinsbuchpandlung. 8. 1 Thir. 15 Nor. 

Henne, A., Allgemeine Geſchichte von der Urzeit bis auf 
die heutigen aa e. 2tes Buch. Schaffhaufen, Brobtmann. 

r. 8 r. 6 Nor. 

Hermann, K. F. Zur Begleitung meines Lehrbuch Der 

gottesbienftlichen Alterthümer der Griehen. Göttingen, Die: 


terih. 8. 21% Nor. 
Huldigung den Frauen. Zafchenbud für das Jahr 1847. 
oter Jahrgang. Wien, 


Herausgegeben von 4 ‚©. Gaftelti. 
Zendler u. Comp. 8. 2 Thlr. 20 
Sordan, W., Geſchichte der Sntt Hayti und ihres Re 
gerftaateß. Ifter æhen. Mit dem Bildniſſe ouffaint Louver⸗ 
eure 6. Leipzig, Surany. Gr. 8. 2 Thlr. 7, Nor. 

Kerner, J., Die Seherin von Prevorſt. Eröffnungen 
über das innere eben des Menfchen und über das Hereinragen 
einer Geifterwelt in die unfere. Ate vermehrte und verbeflerte 
ui Stuttgart, Cotta. Gr. 8. 2 Thlr. 15 Ror. 

er A ar .M., Selsiäte der Stadt Wittenberg. Defr 
Nor. 

" Neuefter —*2 Rational-Kalender für das Jahr 1847. 
Danzig, Gerhard. 121, Nor. 

Rowcroft, Der Buſchraͤhndſcher. Erzählungen aus den 
Solonieen von Ban-Diemendland. Aus dem Sntifgen von F. 
Jezfiser. Drei Bände. Leipzig, D. Wigand. 8. 2Thlir. 

gr. 

Spieler, C. W., Geſchichte der Reformation in Deutſch⸗ 
land bis zum Reli ionsfrieden in Augeburg. Ifter Band.: Ge: 
ſchichte der chriſtlichen Religion und Kirche, beſonders in Deutſch⸗ 
land bis zur Reformation. Ifte arheilung. Leipzig, 2. O 
Weigel. 1847. 1 Zhlr. 

Die Spinnflube, ein —* für * J. 1847. Herausg. 
von W. O. v. Horn. 2ter Jahrgang. Frankfurt a. M., 
Sauerländer. 8. 12%, Nor. 

Stanley, 4. P., Thomas Arnold. Aus feinen Briefen 
und aus Rachrichten feiner Freunde gefchildert. Be nad dem 
1 he 10 gr. K. Heins. Potsdam, Riegel. 1847. Gr. 8, 

r 

Stöber, K., Geſchichten und Erzählungen. Dresden, 
Raumann. 5 Nor 

Literar:hiftorifches —7— ‚Herausgegeben von R. E. 
Prug. ter Jahrgang. Mit Beiträgen von W. ae 
is, © Brindmeier, rs . Helbig, * Köchly, ©. 
Meyer, W. Rogge, I. W. Sharfer, 8 Stahr und 
dem ‚Herausgeber. Hannover, Kiuß. 2 Ihlr. 10 Ror. 

Rheinifhes Taſchenbuch auf das 8 1847. Herausg. von 
C. Draͤrler⸗Manfred. mie 8 @itabı Iftihen. Frankfurt a. M., 
Sauerländer. Gr. 16. 2 Thlr. 15 Nor. 


Verantwortlicher —— Heiurich Brockhaus. 


Michael Akominatos von Chonä, Erz- 


Tegner's, E. Frithiofsſage, deutſch von E. Hartmann 
Stereotypausgabe. Leipzig, Schmalg. Gr. 16. 11, Kar. 

Zreplin, Gedanken über Die —E des Renſchen 
Potsdam, D. Janke. Kl. 8. 12 Kgr. 

Ulrici, Kr Shakſpeare's dramatiſche Kunft. Seite 
und Charakter des Shaffpeare'ihen Dramas. 2 
beitete Fa fe abtpeitung. Leipzig, J. D. Weigel Ar. 

r. 14 Ror. 


Beltheim, s Graf v., Dramatifhe Verſuche. Btar⸗ 
tue, © €. keibrod. 8. 1 Zhlr. 10 Rer. 
f her, W., air viade⸗ und Lyſandros. Eine Kr 
Baſel, Bahnmaier. Gr. 8. 12 Nor 
Vögeli, ©. Der Konftanzer Sturm im 3. 1548, mit a 
Ängenden Bufägen aus des gleichzeitigen Gbronifen Saultef 
—* Überfall der Stadt Konftanz und urkundligen %e: 
lagen. Belle:Bue, Verlagshandlung. 8. Nor. 
Niederrheiniſcher Volkskalender auf das Jah par. ha | 
aufgegeben von R. Benedir. I2ter Jahrgang. Bell, d 
ge gr. 
Weihnachtsblüthen. Gin Almanach für die Jugend uf! 
3.1846. In Verbindung mit Undern berausg. von G. Piic: 
ninger. 10ter Jahrgang. Stuttgart, Belfer. Gr. 16. II. 


Tagesliteratur. 


Aufsess, Freih. H. von und zu, Sendschreibe u 
die erste allgemeine Versammlung deutscher Rechtageki- 
ten, Geschichts - und Sprachforscher zu Frankfurt ı N 
Nürnberg, Riegel und Wiessner. Gr. 8. 4 Neger. 

6 a endif ch, K. L., Zeugniſſe. Königsberg, Von. & 
gr. 

Burkhart, Neevige ůr en den Selbftmert. Hu 
esmeihte und Sc. &r Nor. 

Dietſch, 3. €. C., —2 am 3. Subelfefte des Kir 
ügen, —8 zu dof den 25. Aug. 1846. Hef, &:= 
Ror. 


— eines ungariſchen Poeten am 18. Oct. Sex 
Deutſch. Altona, Blatt. Gr. 8. 2 War. 

Der Herr Doctor Hanne in Braunſchweig im Cetlict 
ni der daſigen Geiftlichleit. Braunfhweig, Meyer sa &.\. 


IR idenhain, H., Schmidt’s Reform der Median 
fassung Preussens, nach wissenschaftlichen Gesichtpumtt 
beleuchtet. Marienwerder, Levysohn. 8: 10 Ngr. 

Kelbe, ©. A., Zwölf Predigten, zunächft als ein Zeurf 
gegen die Unflagen des Herrn Dr. De mit einer Kar? 

raunfchweig, Meyer sen. Gr. 8. 208 

Kraufe, C. W. A., Trachtet am en nad dem Rt 
Gottes. Predigt. Breslau, Leudart. Gr. 8. 2%, Ryr 

Langbein, B. A., Der verborgene Schat im ME 
Prebigt. reißen, Stintige und Sohn. Gr. 8. 2%, Rx 

Lehner, ©. S., Feftrede bei der ZOhjaͤhrigen Jubeür 
des Königlichen Gpmnofiume zu Hof, am 23. Aug. 1346. & 
rau. Br. d. 6 Kor. 

Mappes, N M., Bum Andenken an Mr. Philip 3 
Cretzſchmar vorgetragen bei der Jahresfeier der Gendendei 
ſchen naturforfchenben Geſellſchaft in Frankfurt a. M. og 
Mei Een Frankfurt a. M., Sauerländer. Gr. 8. 9% 

‚&., Die Stellung der Arbeiter bei der Lantei= 


—* Brett, Berlagscomptoir. 1847. 8. 24 RE 
Schreiber, V., Die Polen im Gro ergogthum Ten: ger, 
mit befonderem Berug auf die Sabre 1 und 


Betrahtungen über die Urfachen des gertze⸗ der * 
Republik. Leipzig, Mayer. Gr. 8. 7, Nor. 
Souhon, A. F., Geid getroft. Predigt, über Er 
Sob. 16, 33. Berlin, Bohlgemuth. Gr. 8. 274, Kor. 
Walter, 3.3., Tod ve Babftzs und Wahl feines 8:3 
folgers. Solothurn, Scherer. Sr. 8. 3%, Rgr. 


— Driud und Verlag von F. 8. Per per in Leipiig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 








Die Zouriften im Drient. 
Fünfter Artikel.” 


8. Meife in den Drient von Konftantin Zifhendorf. 
an Bände. Leipzig, B. Zaucnig. 1846. 8. 3 Thlr. 
gr. 

Der bekannte Ausfpruch Leffing’s, hinter ben fich bie 
verlegte Eitelkeit der Schriftfteller nur zu häufig zu ver- 
ſchanzen pflegt, daß bei Beurtheilung literarifcher Leiſtun⸗ 
gen die Perfonlichkeit des Berf. ganz aus dem Spiele 
gelaffen werden müffe, mag im Allgemeinen aud für 
die gegenwärtigen Berhältniffe feine Geltung behalten; 
auf die meiften Erfheinungen im Gebiete ber Zouriften- 
Literatur können wir ihm aber durchaus feine unbebingte 
Anwendung zugeſtehen. Wenn uns ein Schriftfteller 
diefes Genre mit allen Beziehungen feines lieben Ichs 
sehellige, uns feine Neigungen, feine Erlebniffe in mög- 
ichfter Vollſtaͤndigkeit vorüberführt und, wie der Verf. 
vorliegenden Reiſewerkes felbft geftcht, es für nothwendig 
wachtet „die erfte Perfon auf eine gewiffe Weife in den 
Bordergrund treten zu laffen” (S. vın), fo ift gar nicht 
ibzuſehen, weshalb ber Kritiker nicht berechtigt fein follte, 
Yie Perſon des Neifenden felbft in ben Kreis feiner Be⸗ 
prehung zu ziehen. Hr. Tifchendorf möge es und des⸗ 
yalb nicht verargen, wenn wir uns genöthige fehen, feine 
Derfon felbft, von der er uns fo viele Einzelheiten auf- 
ifht und die une bier in fo mandherlei Eigenheiten ent- 
egentritt, bier und da etwas unzart anzufaffen. Cr 
at eine folche perfönlicde Kritik durch feine gefällige 
Selbftbefpiegelung geradezu herausgefodert, und wenn 
bon die Veröffentlichung feines Werkes überhaupt, das 
ns des Neuen fo gut wie gar Nichts bietet, als ein 
jusfluß feiner Eitelkeit eine Zurechtweiſung verdient, fo 
irf er fich nicht befchmeren, daß ein Kritiker, der vom 
tannten Fallmerayer als „mild und fchonungsvoll” be- 
ichnet wird, nit allein die Schwächen und Mängel 
iner Production, fondern ſelbſt die Blößen, welche ber 
Ichree Reiſende in feinem Weſen und Treiben felbit 
etet, aufdecht und bervorhebt. - | 

Die wiffenfhaftlichen Arbeiten des gelehrten Profeſ⸗ 
6, welche — wie zur Genüge befannt ift — auf bie 


*, Den vierten Artikel thellten wir im Nr. 7E—79 d. Bi. mit. 
' D. Web. 


‘ 


24. Rovember 1846, 








kritiſche Säuberung und Beleuchtung des biblifchen Ter- 
te6 Bezug haben, laffen wir ohne die leiſeſte Abſicht 
der Berkleinerung beifeite liegen, obgleich fie in ihren 
glänzendften Refultaten auch in der gegenwärtigen Schrift 
oft genug zur Sprache kommen und der Verf. an mehr 
als einer Stelle mit den ermuntesnden Zeichen der An⸗ 
ertennung, welche ihm von verſchiedenen Seiten zu Theil 
geworden find, feinen Prunk treibt. Zu folchen For- 
ſchungen mag ihn übrigens ein feltener Fleiß, genügende 
Sachkenntniß und philologifher Scharffinn befähigen. 
Das Alles aber gibt ihm noch keine Berechtigung, - fi 
auf ein Gebiet zu wagen, wo er unter ber Maſſe des 
Beffern verfchwinden muß. Wer fi) unterfängt über 
den Orient zu fchreiben, der muß einen fchärfern Blick 
für Die Geftaltung bes Lebens, einen unbefangenern Sinn 
und vor Allem eine ganz andere ſtiliſtiſche Ausbildung mit- 
bringen als die ift, welche Hr. Zifthendorf im Staube ſei⸗ 
ner gelehrten Studien ſich erworben hat. Ein Werk wie 
das vorliegende, ‘von dem der Verf. fonderbarermeife felbft 
fagt, „er habe es beimeitem mehr mit dem Herzen als 
mit dem Kopfe geſchrieben“, ift feinem eigenen Gehalte 
nach durchaus’ ungeeignet, unfere Aufmerkſamkeit zu fef- 
fein, und. wir würben uns darauf befchränten, mit eini- 
gen flüchtigen Notizen es in die Kategorie der Bücher 
welche keine weitere Beachtung verdienen zu vervoeifen, 
wenn nicht ber gelehrte Rimbus, den Tiſchendorf ſich in 


der Sphäre der Kiterarifchen Welt zu verfchaffen gewußt 


bat, eine etwas umftändlichere Beleuchtung wünſchens⸗ 
werth erfcheinen ließe, ° 

Wie der Berf. von feiner Perfon nicht eben allzu 
gering denkt — weitere Belege behalten wir uns vor —, 
fo bat er fi auch die Aufgabe welche er auf feiner 
Neife verfolgt und den Verlauf feiner Wanderung ſelbſt 
großartig genug vorgeſtellt. Nur Wenige von den un- 
zähligen Touriften, welche jegt fortwährend die befuchten 
Gegenden des Orients nad) allen Richtungen Hin durch⸗ 
wandern, mögen, wenn fie die Leichtigkeit der beſtehen⸗ 
den Berbindungsmittel in Anfchlag bringen, in einen 
ſolchen Pathos verfallen mie Zifchendorf es thut, wenn 
fie von ihren Erlebniffen reden. Oder follte es jenen 


'wanberluftigen Söhnen Albions beim Antritt ihrer gro- 


fen Tour dur das Morgenland, bekanntlich jegt eine 
wefentliche Bedingung fafhionabeln Modeanftriche, in ben 


LG 


Sinn kommen, „daß dies ein Weg über Klippen, ein 


fhwinbelnder Steg über einen Abgrund ift, mo ſich's 
leichter ſtuͤrzt als ſich's gebt”, wie fich unfer deuticher 
Reiſende (I, 17) in feiner überfhmänglihen Sprache 
ausdrückt? Im Ganzen feheint er übrigens, einige Eleine 
Stzungen alperedwiet, weiche friner erhikten Phantaſie 
Vikeicht noch bedeutender vorgediinten find als fie in 
Wirklichkeit waren, feine Reife ohne ernftlihe Faͤhrniſſe 
und felbft mit einem gewiffen behaglihen Comfort zu- 
rüdgelegt zu Haben; fonft würde er ſich weni woi 
nicht fo ſehr „entſetzt“ Haben, als ihm geſagt wurde, daß 
ein junger Schweizer, der nach Odeſſa ging, auf dem 
dritten Platze des Dampfſchiffs ſtationirt war (}, 32), 
wo es freilich wol weniger bequem hergehen mochte als 
auf dem Platze, welchen unſer begünſtigterer Bibel⸗NRei⸗ 
ſanbe einnahm. Es iſt übrigens eine troͤſtliche Betrach⸗ 
ng, wenn mean bedenkt, wie fi der Geiehrtenſtand 
wWimälig auch bei uns bie Geltung errungen bet, daß 
er nicht mehr wie ehemals bie geplagte Bedienteurolle 
zu ſpielen genäthigt iſt, ſondern daß er außer der Be⸗ 
friedigung des Selbſtbewußtſeins und der füftlichen Aus⸗ 
ſicht auf uavergängliches Nachrahm auch nad, eine gam; 
erraͤgliche Stellung und ziemlich behagliche Exiſtenz zu 
gewaͤhren vermag. Der Verf. begeht demnach offenbar 
güne Ungerechtigkeit, wenn er bie auptung aufftelſt, 
Meucſchland genoſſe noch jetzt des ausfchliehliden Nufes 
Pre Ieesmamnten armen Teufel auf Reiſen zu ſchicken“ 
, 388 

Wir haben ſchon eben amgefühet, baf Täfikenberf, 
melcher im feine: Bigenfheft ats Reiſebeſchreiber ſich für 
berechtigt hält, it erſte Perſon in ben Vordergrund 
Werten zu Leflen”, und mit feinen perfönlichen Beziehna 
gen zur Benüge bekannt macht. So gibt er us nicht 
alle bei verfhishenen Gelegenheiten pittoreſske Schilde⸗ 
eungen feines lichen Iche, erzählt und, wie er „mit dap- 
aAter Brille, denen eine mit ihren vier blauem Glaͤſern 
Die Augen gegen deu gefaährlichen Winerfircht der Sonne 
Hhügte, und wit einem Serohhute, won bem berab ein 
grümee Schleier wehte”, auf einem mmishigen Eſel, Der 
Mn — im ſſtolzen Dewußtſein — „an bie Spitze der 
Havasane trag”, prachtvoll durch bie Müſte galopirte 
, 11) — ſendern er weiß auch verzuglich bie Zeichen 
der Anerkennung wohl zu notiren, wweldhe ihm auf feimer 
Wanberfahrt geipendet wurben. In der Ant und Weiſe, 
wie er folche erfreuliche Grinmgrungsn mit feiner Gr- 
zaͤhlung verwoben hat, Legt ex wirklich ein bemerfend- 
werthes Geſchick an ben Tag. So hebt er bei der Schi⸗ 
derung der Perſonlichkeit vom griechiſchen Patriarchen 


zu Alexandria haewor, daß Papſt Guger XVI., aß 
@ ihn empfangen bäfte, viel einfacher gegangen wäre 





(l, 80), was er affenbat uur is ber t einfließen 

lãßt, um an feine anderwaͤrts beſchriebene Audienz beim 

Heiligen Vater, deren außerdem (I, 144) noch cin mal 
aähnung geſchieht, aufs neue pa winmern 

In denjerigan Partien, wo er mehr ader weniger 

als Jachgelehrter — „ein Mann meines Fuchs” (1, 79) 

wetzitt, ſo z.B. im dem awas Tenlaiın Brise „an 


— 


eine hohe Gönnerin über mein: biblifeh » Beisifches Unter. 
nehmen” (li, 144-164), weiß er aus ben einzeln 
Blumen, welche er auf diefem Wege gepflüdt hat, einen 
Ihönen Kranz zu flechten. Gr ergeht fich bier con amore 
in ben wohltguenden Erinnerungen an Die Rührum, 
weiche ihm ein ſchweizetkſcher Gebäprter (wie man fit 
fieht doch wol de Wettr) für ſeint ſchönen Erfolge be 
zeigte, der ihn „mit Thraͤnen ber Theilnahme” empfing 
— „feine Freude über meine biblifch-Eritifchen Unternehmun- 
gen gehörte, fo ſchien es, gr den erminfchteften Erfah. 
rungen feiner alten Tage” (II, 160) —. Dabei bat a 
nicht unterlaffen, die freundlichen Stimmen der Kritif, 
| Das, was 1 über ige im „Lie u. {.m 
gefagt hat, forgfam zu fammeln und die „gefeierten Namen 
Letronne's, Raoul Rochette's, Haſe's, Ascaſes' und Gui⸗ 
zot's“ zu weiterer Bekräftigung anzuführen. Wenn er bei 
diefen offenbaren Ausbrüchen felbftgenugfamer Stimmuy 
im verfchämten Zone meint: „er könnte ben Vortf 
der Eitelkeit fürchten, werm er Bie einzelnen Stimmen 
nennen wollte, Die feine Herausgabe des «Codex Ephraemiı 
im feinem eigenen Sinne beurtheilten“, fo find ſolche be 
fhöntgende Rebensatten offenbar nicht geeignet, den br 
gangenen Misgriff vergeffen zu machen; beſonders wem 
er von andern Stellen, vielleicht nur in der Abficht, ud 
den Blick auf feine eigentliche gelchrte Thätigkeit m 
Hintergeunde zu eröffnen, meint, „doch weine cigent- 
ihen handſchriftlichen Arbeiten gedören nicht hierher”. 
Bei einem fo lebhaften Selbſtbewußtſein, wie man is 
rien wenigen Stellen [chen zu vrfennen im Stande if, 
laͤßt ſich mol denken, daß fede Kußerung der Jeil⸗ 
nahmlofigfeit oder jede geringſchaͤzige Berührung, wie 
fie ihm in Betreff feiner Arbeiten denn dach mol zuwei⸗ 
fen begegnet fein mag, ihm äußerſt verlegenb gewim 
fein muß. Ober follen wir es etwa als ein Zeichen de 
Befcheidenheit entgegermehngen, wenn er, freilich im ge 
reizten None, erzählt, wir ihn ein „nambafter theslag- 
fher Profeffor Deutſchlands“ zwei Jahre nad dem E— 
fheinen diefe® Coder, der, mie er am anderer Stell be 
kennt, „die theuerſte Chriſtgabe iſt, Die ihm die Gnak 
des Herrn befchert Hat”, fragte, ob derſelbe wicht af 
erſcheinen werde ? | 
Wir find welt entfernt davan, den Werth und dä 
Bedeutung diefer bibliſch⸗kritiſchen Beſtrebungen, die x 
ber Verneinung ihre Spige nicht Enden” (U, 158), 5 
gering anſchlagen zu wollen, feınie es ung nicht in da 
Sinn kommen kann, im Angefüht fo Sobender „pico® 
justificatives” und fo — Auszeihnungen, meld 
dem Berf. durch Verleihung von Ziteln und Orden j# 
Keil gersorden find, fein Verdlenſt herabzuſetzen; wos 
ums diefen Außerangen gegenüber zur Küge zeit, iR 
nur die Wer und Meife wie dies Alles zur Epradt 
gebracht und in den Niordergrund geruͤckt wird. Bor 
mit gelehrtem Flitter prauken, wenn man an undem 
Seellen mit der Mene, als hatte man intereffante Auf— 
Thläffe und neue Dffenbreimgen im Rüdhalte, die 
— trivialer Reiſeabenteuer mit wiederholter Ver⸗ 
icgerung.: „Ich werde zu vermeiden ſuchen, mas man 











a8 


Ritkeitugen zu sine Ana wilfenkhaftiehen Acchend 
ung finupdia Anm’ (1,170), eimieitet, - Ä 
Bi der iihm gewordenen Theilnahme, auf Vie der 
deiſende fich mir Beriizbe beruft, erſcheint es natürlich, 
aß er in der Erzäblung feiner: perfönlidden Begegniſſe 
berall von den gewährlichen Mitsheilungen moderner 
lsuriiten in Ton und Farbe abwoicht. Es iſt bekannt, 
«6 die meiſten Gcheiftfteflee dieſes Wenre ihter Ber 
Ihterftattung dadurch einen piquanten Beigeſchmack zu 
eden wiffen, daß fie ſchonungslos die perfönlichen Ver⸗ 
indungen, welche. fie auf ihren „Weltfahrten“ eingegam- 
en find, der Indiscretivn der Teichtfertigen Leſewelt 
veißgeben, und ihre Werke bieten uns nicht felten das 
nerfreuliche Schaufpiel, daß wir ſolche Perſonen, welche 
m fchreibfeligen Reifenden und Meiſendinnen“ bei ih⸗ 
m planlofen Wanderungen fücderlich geweien find, unit 
sbant und herziofem Spotte belohnt fehen. Der 
def. vorfiegenden Reiſeberichts Fällt in das andere 
ztrem. Überall gibt er uns bie Merficherung, daß er 
ch für die liebevolle Aufnahme zu lebhafteſſem Danke 
mpfüchter fühle, und felb® der „Ttebreichen Aufnakme 
ı der Wüftle bewahrt er ein bantinniges Gebächtnip“ 
I, 129). Mit großer Anerkennung fpriht er ferner 
tt von der „lieben Begleitung” die ibm auf feinen 
wrihiedenen Touren geworben if, won ber Unkerſtüchung 
nice ihm vor hochgeftellten Perſonen mit liebrvollet 
füefoege gefpender wurde, und nur em mal verfällt er 
B Angeſicht „feiner Hohen Goͤnnerin“ in den ſpottſüchti⸗ 
in Ton moderner Touriſtik, indem er meint, „bie Be⸗ 
ainen lebten fo frei und unabhängig, daß fie wiwmer- 
ehr mit dem zmwangvollen Leben eines beutfchen Hof: 

'anns taufcher würden” (I, 756). 
(Die Zostfenung feigt.) 


u 


— — 40 








Ngclieder der Troubadoure gegen Rom und die Hierar 
die, Originale mit dertſcher übreſezung vun Edn avd 
Brinämaier. Halle, Gchwerſchke und Sohn. 1926. 
6.8. 10 RNyrx. 

wis weit Mãgeli unfsres Belt 
eben, daß REITER übergeiffen der «lb» 


tigten 
ba 
ımöge- Ob unſere Zeit, ob namentlich Dentfchland med) 


«iin, als läge für Jeden, der ſich über das Ötuchen nad 
18 römmishen Stuhl i | 


: neuern Bei unterrichten uud fich ein begrünbetes 
ben will, Des @itoffes jüen genug vor, fodaß wir wicht 
h der Provence zu gehen brauchen, um neınc Gründe 
ers Urtheils Nichtigkeit zu ſuchen 

Können wir uns mit dem Ge netz, non dem 
. Brindimaier feine Arbeit betrachtet willen will, nieht 
Keen erklären, fo mehmen wir fie doch aid Beitruͤge 

ichte jener Zeit mit Dank an usb warsden. in nad d 


barer dafür fein, hätte iger —— des Berl, ni 

die gange Arbeit ſchädlich eingewirkt. Melden Fr nr “ 
Gedichte Stimmen gleichzeitjger Dichter namentlich in den. 
Seiten haben, in denen bie auf Eproniken beſchraͤnkte Geſchicht⸗ 
ſchreibung meiſtens in den en gelehrter Geiſtlichen ruhie, 
und eine freiere und unbefangenese Veurtheilung faſt nur 
in den in ber Volkeſprache verfaßten Gedichten erfcheint, 
ift längft anerkannt, Wir Haben bereits beutfche und enge 
life Sammlungen der Art und sine Sammlung der pro» 
vengalifchen geſchichtlichen oder politifchen Gedichte würde eine 


nit minder dankensiwerthe Arbeit fein. Aber dann mü 

dieſe auch möglich vollſtaͤndig geſammelt werden, rn 
Re ein treues Bild ihrer Seit geben. Hr. Brinckmaier 
aber bat ſich Auf die Kirche beſchraͤnkt; die immerwährenden 


Wechſelwirkungen zwiſchen Staat und Kirche und die ſeibſt in 
den mitgetheiften, der Kirche feindlichen Gedichten überall an- 
zutreffende Beziehung auf gefchichtliche Perſonen und Ereig, 
niffe machen eine ſolche Trennung mislich, daher denn auch bie 
Ceflärungen in manchen Fällen ungenügend ausfallen mußten, 
Da Hr. Beindmaier indeſſen einmal nicht für gut gefundeh 
hat, eine derartige allgemeinete Sammlung zu veranftalten, To 
arüffen wir fehon mit Dem vorlieb nehmen was er ums hat 
geben wollen. 

Wir erhalten ia dem vorliegenden Baͤnd 15 teil 
vollfkindige, theils bruchſtuckweiſe —— Gaidtı aus 
dem 12. und 13. Jahrhundert, von Guillem von Meistagnas 
gout, Bertian Garbonel, Pons von Capdeuil, Bertraus von 
Alamanon, Peire Vidal, Peire Cardinal, dem Tempter und 
Guillem Fiqueiras und ein Bruchſtuͤck aus einem dogmatiſchen 
Gedichte der Waldenſer; die Zahl dieſer gegen Rom und die 
Geiſtlichkeit gerichteten Satiren und Schmaͤhgedichte ließe ſich 
noch vermehren, indeffen reichen ſchon die gebuterren Bin, um 
Ken rote die gebildeten Laien und das Wort damals th 

den dem Ditze der Albigenſet, in Bezug auf 
Die voͤmiſche Fiercrehie geſinnt waren. 

Unter den deutſchen Minneſaͤngern iſt bekanntlich Waldes 
von bes Bogelweide einer ber bedeute Gegar Roms 


aber felbft feine deftigſten Angriffe, wie: e’b&best, ich are 
wel genesen” oder: „Got Wr zo künege awen er wi’. ſ. m 


nd milb im Vergleich mit den erbittesten und wülenden ut 
der Provençalen. Strophen wie bie folgenden: 
Mom, (6 Wie mem, 


Rom, möge dich erſchlagen 
Gottes © 


TH Du, fo erpüht, 

HSandelſt für bene Geld 
Gärten als gu jagen, 

Rem, Das weiß Sie Melt. 


Rom, mit arger Lift 
Speanf bu beine hliagen; 
Dem many Billion frips, 
Dre mit des Roth uud ringen 
Unfulbäunli vor Bir 
Srägit bu des Lammed Mienen, 
Innen reißend Thier, 
BScqchlangꝰ in Kronenzier, 
Gift'ge Vipernbrut. 
Beshatb grüßt dich der Teu 
Wie drs Freunden tat. 


von diquetras, uber bie folgende von Peire Tarbinui: 


Se bher gar ihr Stend, 
Se ſchUmner ig's bewandt, 





1812 


Auf Lüge wird gezänft, 

Se mehr die Wahrheit fehlt. 
Ze wen’ger Wiſſenſchaft, 

Te groͤß're Raͤnkekraft, 

Und von der Demuth gar 
Sindet fih nicht ein Haar, 
Ja, gegen Gott fo feind 
Hat's Niemand noch gemeint, 
Als diefed Pfaffenheer 

Seit alten Seiten ber. 


und viele andere gleicher Art wird man bei ben deutſchen Dich⸗ 
teen jener Zeit nicht Leicht finden; bei den Peabengaten ift es 
faft der gewöhnliche Ton. Selbſt NRutebeuf, der nordfrangö: 
fifhe Dichter des 13. Jahrhunderts und ber erbitterte Feind 
der Geiſtlichkeit und namentlich der Mönchborden, erreicht fel- 
ten eine ſolche Schärfe, ift aber an feiner Satire den Proven⸗ 
galen überlegen. | | 
Die hier mitgetheilten Gedichte zeichnen fi im Ganzen 
enommen weder Durch hohen bichterifchen Schwung noch durch 
Mannichfaltigkeit der behandelten Gegenftände aus. Die Ber: 
derbniß der Geiſtlichen im Allgemeinen ift der Inhalt der mei: 
ften Gedichte; ein Gedicht von Fiqueiras wendet fich insbefon- 
dere gegen Rom, ein anderes von Guillem von Montagnagout 
gegen die um 1229 in Zouloufe eingeführte Inquifition und 
ein Meines von Peire Sardinal gegen die von Rutbeuf zur 
hauptfächlichen Zielfcheibe feiner Pfeile gemachten Sakobiner. 
Den Waldenſern waren bie meiften Dichter guͤnſtig; Peire Ear: 
dinal fagt geradezu von den Jakobinern: 
' Sie fiten in Richthoͤfen zu Bericht, 
Waldenfer ift wer ihnen wiberfpriät. 
Die beigefügte Überfegung ift faft durchgängig lesbar; der 
Uberfeger verlangt die Unerkennung: „daß gewiflenhaft und 
treu überfegt und womöglich jedes Wort wiedergegeben wurde, 
‚foweit e& die Berfchiedenheit beider Sprachen und der Bwang 
des oft ſehr peinlichen Versmaßes, das genau beibehalten wurde, 
und der Eünftlihen Reimverſchlingungen, gegen welche fi un: 
tere deutfhe Sprache ſträubt, nur irgend zulaſſen wollten.” 
Wir müffen ihm diefe Anerkennung theilweife verfagen. Herr 
Brindmaier bat mitunter fehr frei überfegt, ſodaß faft Bein 
deutſches Wort mehr einem provengalifchen entfpricht. Dies 
dürfte höchftenfalls nur zu geftatten fein, fo lange der Sinn 
berfelbe bleibt und die UÜberfegung fließend und ungezwungen 
ift; Überfegungen aber, wie die der folgenden Berfe (S. 68): 
Aquist fels prezicator 
An mes lo uegl’ em error 
(wörtlich: Diefe falfchen Prediger haben die Welt in Irrthum 
gebracht), durch: 
Mit dem falſchen Heuchelwort 
. Raubten fie der Melt den Dort, 


dergleichen noch mehre vorkommen, Fünnen wir nicht billigen, 
fo fehr wir auch die Schwierigkeiten des Überfegens, die wir aus 
Erfahrung Eennen, in Anfchlag bringen. Die beigefügten An: 
merkungen find dankenswerth, hätten aber etwas zaͤhlreicher 
ausfallen follen. 

Hr. Brindmaier verfpricht, wenn dieſes Heft Beifall fin- 
det, bald ein zweites, Stimmen der Waldenfer enthaltend, und 
foäter noch mehre folgen zu laſſen. Möge er ſich bei ihrer 
Bearbeitung auf einen freiern Standpunkt ftellen! 


2 Siedler . 





Literarifhe Notizen aus Frankreich. 
Emancipation der Sklaven. 
Es ift in Sachen der Sklavenemancipation unendlich Biel 
eſchrieben, aber, man muß es geftehen, im Ganzen Wenig ger 
heben. Wie mandyer Federheld glaubt, wenn er fein Votum 


abgegeben und eine werthlofe Flugſchrift zufammengefudelt bat, | - i 
Berantwortlier Heraußgeber : Heinri Mrodfans. — Drud und Berlag von F. X. Wrodpans in Leipzig. 


‚geneigt ift. 


mantiſchen Blendwerk nicht leihen wuͤrde 


er habe der Wenſchheit einen Sienſt Lele ſtet und er fine 14 
nun ruhig ſchlafen legen. Freilich iſt Die Racht des Ward 
ger und kann aud wol Sklavenketten ſprengen, abet du 
ort müß dann gewichtig fein und feinen rechten Roqhder⸗ 
haben. Und daran hat es gerade in Frankreich gefehlt. Au 
bat fchäne Phraſen gedrechfelt, fich in ſchwungvollen Derums; 
tionen gefallen und dem hohlen Pathos feinen Zribut gezatt; 
die armen Sklaven aber find vor der Hand im Status m 
geblieben. Das find fo ziemlich — wenn man von einigen ncım 
Beſchlüſſen abſieht, Die eben auch nur noch Beſchluͤſſe find — 
bie Reſultate, welche die Franzoſen, dieſe praktiice Latien 
erzielt haben. Mit Recht beſchuldigt der Verf. einer car kr. 
zem erfchienenen inhaltsreichen Brofcüre ( „Kmnancipation is- | 
mediate et complöte des esclaves”, von @. de Filice) de 
Lauheit des größern Publicums; aber mit noch größeem Rat 
ſucht er den Grund diefer unleugbaren Inbifferenz in dem Rx 
gel an Energie, welchen die Männer an den Zag gelegt hıkn 
welche fih an die Spige der Bewegung ftellen mellten. N 
Furcht vor entſcheidenden Schritten, das Spftem des Zum 
und ber allmäligen Entwidelung, die überkrichenen Küdkden 
auf die Verhältniffe der Sflavenbefiger, alle Das find ehrak. 
viele Hinderniffe, welche fich diefer wichtigen Mafregel eng 
gengeftelt haben. Felice ftellt den Sag auf und man mid d 
geftehen er verficht ihn mit Nachdruck, daß nur die unmit 
are Aufhebung bes Sklavenſtandes und die Ausficht auf cm 
ſolchen Schritt der ganzen Sache den nöthigen Schwuz z 
verleihen im Stande wäre. In der That glauben wir, W 
gerade in Frankreich das fortwährende Auffchieben und kr 
mitteln der unpaffendfle Weg war, den man einfchlagen for: 
Dadurch ift allmalig daB Intereſſe, welches man durch en « 
fgiedened Handeln beleben und anfeuern mußte, abgeſtrie 
und die Thaͤtigkeit, welche in den für den Zweck der Olten 
befreiung beftehenden Geſellſchaften entwickelt wird, hat ke 
Anfchein einer Fünftlichen, gemachten Begeifterung unt bie: 
jedenfans ohne ‚alle lebhafte, tiefer gehende Einwirkung x 
ie Ration. . 


Speculative Poefie. 

In Deutfhland gelingt es zuweilen einem ride, 
welcher feinen Worten irgend eine geheimnißvolle kalız W 
geben weiß, ſich bei wirklicher Seiftesarmutbh eine In m 
Ruf zu verfchaffen; denn, vie Goethe fagt, ift das den 
Publicum nun einmal fo beſchaffen, daß es von einer gern 
Dunkelheit leicht auf eine bedeutende geiftige Tiefe zu (Alice 
‚if. Uber in Frankreich läßt ſich das öffentliche Unk 
duch einen fo oberflächlichen Anſtrich von Xieffinnigkit nt 
leiht beftechen. Klarheit ijt bier immer noch eine der az 
Boderungen, welche an den Schriftſteller geftellt werten, = 
der alte Voltaire ſche Sag: „Alles was nicht Bar, ik mt 
franzöfifch”, hat immer noch feine volle Beltung. Freilich 
der Grund hiervon fchon in der nüchternen, ſtreng Izie 
Bliederung der franzoͤſiſchen Sprache, welche fich zu jenem ® 

0 Aber nimm 
würde fi) auch ein Autor,. welcher fich dieſer Rünfte beim 
um das Yublicum zu beftechen, bier eines gluͤcklichen Eru— 
erfreuen. So koͤnnen wir denn auch für ein vor furım @ 
ſchienenes dramatifches Werk, welches uns unter dem ges 
nißvollen Titel „Les mystäres du monde” gebetm nit 
fein günftiges Prognoftifon ftelen. Der Berf., 2. Ri 
feau, bat offenbar felbft nicht gewußt was er wil; 24 

ſtens ſieht man fi} in feiner Dichtung nach einem keft 
Plane, nad Einheit und einem leitenden Gedanken tearzt 
um. Die Handlung ift in die Zeit Jakob's verlegt und } 
Hauptperfon biefes Studis, welches ſich über IM) Seiten de 
—* und in fünf Stunden eingetheilt iſt, ſoll die billes 
amar fein. Vergebens haben wir uns beſtrebt, in dir" 
worrene Darftellung, die offenbar etwas Abſonderliches bede 
ten fol, Licht zu bringen; bis jegt hat ſich uns das Berkie' 
niß dieſes Ideenwirrſais noch immer entzogen. I. 








u — 


Blätter 


fur 


iterarifbe Unterhaltung. 





Mittwoch, 


— Nr. 329. — 


25. November 1846. 


— ——— —— — 


Die Touriſten im Orient. 
Fünfter Artikel. 
(Fortſetzung aus Nr. 328.) 


Bennfhon die fortlaufende Schilderung aller Be- 
egniffe, welche die Perfon des Reifenden betreffen, und 
ie intereffelofen Zappalien, zu benen wir auch die Aus- 
ruhe „Eindifcher Freude über den Aufbau eines Heinen 
Beduinenhaufes, welches das erfte war, das er fein nen- 
ien donnte“ (I, 156), rechnen, auf die Dauer nothwen⸗ 
ngerweife felbft folche Lefer ermüden und zurückſchrecken 
nuffen, welche mit mufterhafter Geduld und Langmuth 
ugerüftee find, fo ift noch weniger abzufehen, welches 
intereffe bie Ergüffe verwandtſchaftlicher Kiebe und Zu- 
agung, wie fie bis zum Uberdruß bier aufgetifcht wer- 
en, einem größern Kreife gewähren können. Es mag 
et Familie des Touriſten zur wohlthuenden Befriedi- 
ung gereichen, wenn Derfelbe ber einzelnen Glieder an 
m erhabenen, geheiligten Stellen bes gelobten Landes 
t Liebe gedacht hat, und wenn ihnen verfichert wird, 
Ne er im Gewühl des Reifelebens ober in den öben 
steppengegenden, „durch die melancholifchen Laute eines 
Büftenögelchens an den WWeidenzeifig des Doigtlandes 
innert” (I, 158), den Theuren in ber Heimat den Tri- 
u der Erinnerung gezollt hat. Aber find Dies Em- 
Andungen und Gefühle, welche man vor den Augen 
5 größern Publicums zur Schau zu legen berechtigt 
? Wahrlich, die andädhtigen Pfingfterinnerungen auf 
m Sinai, welche dem Geburtstage „einer feligen Frau” 
!ten, mögen feiner tindlihen Dankbarkeit zum rühm⸗ 
den Zeugniß dienen; aber wenn Hr. Tifchendorf bei 
Dfaffung feines Buches, ſtatt es blos „mit dem Her⸗ 
n zu ſchreiben“, feinen Kopf ein wenig mehr zu Ra- 
e gezogen hätte, fo würde er ſolche Stellen bei einem 
° die Dffentlichleit beftimmten Werke ſicherlich unter- 
üdt haben. Daß er „feiner geliebten Braut Angelika‘ 
eſes Buch, wie in der Dedication vermerkt wird, „am 
ochzeitsmorgen“ darbringt, kann kaum als Entſchuldi⸗ 
ing für diefe taktlofen Herzensergießungen angenommen 
den. Wenn die Dame, deren Name biefem Werke 
wiffermaßen zur Agibe dienen foll, mit literarifcher 
itte befannt ift, fo wird fie ihm für die DVerficherun- 
n treuer Liebe, welche ihr in diefer Schrift mehrfach 


gefpendet werden, geringen Dank wiſſen. Stellen aber 
wie folgende (I, 187): | 

Als ich darauf am Ufer fchlief, träumte ich von einem 
ſchönen Auge in der Ferne. Sich, fagt’ ih Der die es trug, 
gegen den böfen Blick hab’ id den Talisman gefunden; aber 
wo wäre Rettung vor deinem himmelfhönen Bid. 


fodern den Spott der „herzloſen“ Kritik heraus. 


Übrigens ift der Touriſt naiv genug, uns feinen be 
zaubernden Verkehr mit einigen Schönheiten des Mor- 
genlandes zu fchildern, von ſchoͤnen Augen zu reden, 
„welche gefährliche Nepe warfen” (IT, 249), und zu ver⸗ 
fihern, „daß er e8, ungeachtet er mit den beiden ſchwarz⸗ 
äugigen Griehinnen manch freundliches Wort gewechfelt, 
bob immer noch freundlicher gedacht habe als er's fa- 
gen Tonnte” (II, 263). Ja, er erfpart uns nicht ein- 
mal die Befchreibung feines gefährlichen „dos-&-dos‘ 
in einem Wüftenzelte, „wo es ihm feine Nachbarin, von 
der ihn nur die Leinwand trennte, durchaus nicht übel 
zu deuten fchien, daß er von der harmlos gewordenen 
Dofition unbedenklich, Gebrauch machte” (I, 210). Für 
folhe Frivolitäten, welche einem beutfchen, in gelehrte 
Forſchungen vertieften Profeffor gar wunderlich ftehen, 
finden wir den einzigen Troſt und eine genügende Be- 
rubigung in Dem, mas ihm bei der „verfchmigten 
Schwägerin des Hrn. v. 2.” gefagt wurde, als er feine 
Derwunderung darüber ausbrüdte, daß ihn eine orien- 
talifhe Damengefellfchaft unverfchleiert empfing. Man 
entgegnete ihm bier: „vor uns Franken hätten fie ſich 
nit zu fürdten; uns bielten fie für gute Kinder” 
(1, 104). So mollen wir es ihm denn hingehen laffen, 
daß er fih in die feurigen Augen der Drientalinnen 
vertiefte, um fo mehr, da er, wie er anführt, mit glei 
chem Intereffe die „lieblich feurigen Augen der Gazelle, 
wie fie immer eine fchöne Geliebte des Drients haben 
muß, ftudirt hat“ (I, 275). 

Sreilich wäre e8 dem Verf. der fich, wie wir fehen, 
mit dem Studium der Augenfprache fo gründlich befaßt 
bat, fehr zu rathen gemwefen, ſich im Gebrauche ber 
Schriftfprache womöglich eine größere Beläufigkeit und 
Abrundung zu verfchaffen, ba er fi einmal das Ber- 
gnügen nicht verfagen wollte, mit feinen Reifeerinnerun- 
gen vor die Offentlichkeit zu treten. Wir wollen nit 
fo weit gehen wie der geftrenge Autor ber „Fragmente 


“ 


1314 


aus dem Oriente“, welcher ihn als einen der fchlechte- 
fien Proſaiſten Deutfchlande bezeichnet hat: denn unter 
unfern deutfchen Gelehrten fcheint die rüdfichtslofe Sitte, 
das Publicum mit einem unverdaulichen Stile zu be- 
läftigen, einer gefälligern fprachlihen Ausbildung no 
immer nitht ganz weichen zu wollen. Aber fchon ein 
oberflächlicher Blick auf diefes neue Erzeugnif der meht 
und mehr anfchwellenden Reifeliteratur drängt uns bie 
Überzeugung auf, daß dem Verf. beffelben zu folchen 
literarifhen Schöpfungen, bei denen Gemwandtheit des 
Ausdrucks und gefällige Form eine nicht unmefentliche 
Bedingung ausmaden, alle Befähigung abgeht. Sein 
Stil tft nicht allein holperig und ungefügig, fondern zu⸗ 
weilen verfällt er geradezu in Incorrectheiten, deren ſich 
ein Sthriftftelfer denn doch zuerft entledigen follte. Da⸗ 
hin rechnen wir Provinzialismen wie „bie Frauen fahen 
nur in der Ferne hübfch” (I, 46), „ich wimfchte, daß 
ih umfonft zweifelt” (TI, 49) n.f.w. Dazu kommt, 
daß der Sagbau im Allgemeinen bei ihm jeder Anmuth 
entbehrt, indem die einzelnen Glieder einer Phrafe in 
der Regel, weil ihnen der feine Zufammenhang fehlt, 
tofe anseinander fallen und dann im Gegentheit oft 
wieder raus ineinander fpielen. Wir könnten als Be⸗ 
teg für unfere Behauptung, bag ihm das Gefühl für 
die zartere Gliederung ſtiliſtiſcher Darftellumg fehlt, jede 
Seite feines Buches aufſchlagen. Indeffen mag folgende 
Probe zur Charakteriſtik dieſes zerfahrenen, unfchönen 
Wefens genügen (I, 128): 

Gibt es irgend eine Kebensweife, die geradezu zur Erblin» 
dung führt, fo ift es gewiß die dieſer Mönche. Ihre Klöfter 
lisgen mitten im blendenden Sande unter der augenfeindlichen 
üguptifhen Sonne. Ihre Zellen find dunkle Kammern, des 
Abends nur von einem Kerzchen oder Lämpchen erleuchtet. Die 
Koft des Leinöls, die fie täglich haben, fol an fich ſchon Au- 
genübel erzeugen. Taback rauchen fie faft ſaͤmmtlich und in 
reichlichem Maße. In den büftern Kapellen endlich, mit ftets 
brennenden Lampen und Lichtern und bem unaufbörlih dam: 
pfenden Räucherwerf, bringen fie den größten Theil des Tages 
umd der Racht zu. 

Böllig unerträglich aber nun werben bie Stellen, wo 
der Schriftfteler fi) durch ein wirres Phrafenfpiel zu 
einen höhern Schwunge flache. Da werden Tropen 
auf Tropen gehäuft, von benen keine m fi eine Be- 
friedigung gewährt. Die Gedanken gehen auf Stelzen 
und mit dem bildlichen Ausdrucke, hinter dem fich fo 
oft die innere Beere birgt, wird ein unmäßiger Luxus 
getrieben. Da Heißt es voll Pathos: „Das Jahrhundert 
wird fr” — wenn nämlid erft England Aoypten in 
fen Netz gezogen hat — „mit vollem Rechte der großen 
That bewußt fühlen” (I, 168). Bald wird von Leuten 
geredet, „deren Kopf ohne Zweifel unfähig war, ein 
Beftirn zu erfchaffen am Himmel ber Gedanken” (11, 94), 
bald von einem Berge, „der dafteht wie ein Moment 
ber Begeiſterung, der eine irdiſche Form gewonnen hat“ 
(fl, 207), bann mwieber von Griechenland, „das unter 
feinen unglücklichen politifhen Träumereien den Boben 
nach dem Muge feufgen läge” (I, 23), und von ber 
Eypreſſe Heißt es gar, fie ſei „ein Eharfreitagsgedanke, 
won der Trauerwoile in «iefen Ernſt ‚gehüllt, aber den 


Blick. geheftet auf den Schimmer des Oſtermotgen 
(II, 305). | 

Bo fein Rebeftrom fih auf eine fo unnuge Weil 
fräufelt, da wird auch gewöhnlich der Sapbau gam 
außer Augen gelaffen und wir bekommen Phrafengefig 
wie folgende (1, 31): 

Seit vier Tagen hinter die Couliſſen verſchwunden, jet 
plöglid um Mitternacht fräumerifch aufs und abſchreitend uf 
der Bühne, nahm ich mich aus wie ein Rachtwandier. 

Dabei bricht denn nicht felten mitten aus diefem git- 
ter die Plattheit hervor. So 3. B. wenn ber Darf. m 
Difteln fpriht, deren Stacheln vom bloßen Exhm fı 
wehe thaten, daß er ſich veranlaßt fieht die gludiik 
Conftitution eines Eſelmauls zu beneiden (1, 166), en 
wenn er, um das Coſtume der fchottifchen Garniſon me 
Malta zu zeichnen, fagt: „ihre Erfcheinung wäre cha 
nördlich, unten füdlich” (1, 23). Was foll man fen 
über fo nichfige Redensarten fagen: wie „der von m 
glücklichen Praxis gefüllte Beutel (des Kameelarztes) Ir 
vierfüßig neben ihm ber; er beftand nämlich aus am 
anfehnlihen Heerde Ziegen und Lämmer“ (1, 2) 
Solche burleste Wendungen und fade Wigeleien, ı 8 
auch: „es gäbe in der Welt feine verfehlte Earriere, nex 
Zebermann fo fehr am Plage wie das Kameel ink 
Wüfte wäre” (1, 257), können als Beleg dafür din 
daß Zifehendorf, der doch bei feinen gelehrten Forkkus 
gen fich als echt deutfcher cul de plomb bewida br 
die Aufgabe eines Reiſeſchriftſtellers fih gar zu ak 
gedacht haben mag. Oder hat er etwa geglaubt, (as 
Stile eine gewiffe Leichtigkeit und Anmuth zu aa 
da er doch zu einer leichtern fchriftlichen Daredın 
ebenfo wenig gefchaffen ift als das Kameel ie Fulı 
zu ben Iuftigen Sprüngen der feueraugigen Ga! 

(Der Beſchluß folgt.) 





Über den inneren Zufammenhang des Buck: 
„Die Einwirkung des Chriſtenthums auf die altbet 
deutfhe Sprache. Ein Beitrag zur Geſchichtt c 

deuffchen Kirche von Rudolf von Raumer.” 
(Eine Erlfuterung vom Verfaffer, mit Bezug auf Nr. 8 u. 10: E 


Der obige Verſuch par von ben verfchiedenften Seitca M 
fo viel Anerkennung gefunden, daß ich fehr anmasen cs 
müßte, wenn ich mich über Die wenigen entgegengejepten 
men befchweren sollte. Ich ‚habe fie vielmehr einer jergch 
gen Prüfung unterworfen, um zu ſehen mas ſich etwa 
ernen ließe. Was ich Daraus gelernt habe ift: daß meit 
ein Miöverftändnif zufäßt, dem ich bei der Abfaffung dei 
binfängli) vorgebeugt zu haben glaubte. Ich würte die 
diefes Misverftändniftes gern auf mich nehmen, wenn midi d 
beiweitem größere Theil der Öffentlichen Brurtheilunget a 
verftanden hätte, wie ich verftanden zu fein wunſche 2. 
chließe ih, daß ich mich doch nicht fo gang unklar mul am 
gedrüdt haben. Ich habe nämlich in meinem Bude nik 
Form, fondern den Inhalt der Sprache ins Auge gefaßt 8 
Died glei auf dem Zitel anzudeuten, babe ich meinen 
uch ausdrüdlich einen „Beitrag zur Geichichte der Teil 
Kirche” genannt. Jedes Misverfläniniß aber fchien mir 
ſchnitten dur den Anfang der Vorrede, der fo Fautet: . 
Berk, das ich Hiermit der Hffentlichkeit übergebe, beabũ 
nicht, ein Beitrag zur deutſchen Srammatik zu fein. Us 
m Misverſtändniß vorzubeugen, das allerdinggs duch die 


135 


Hälfte des Titels veranlaßt werden könnte, babe ich die zweite 
binzugefügt: Gin Beitrag zur Geſchichte der deutſchen Kirche. 
Sch babe naͤmlich verfudk, am Jnhalt der deutichen Sprade 
Die große Umwandlung barzuftellen, die das Wollen und Den: 
Zen unfers Volkes durch die Einführung des Chriſtenthums er: 
fobren Hat.” Damit feheint mir deutlich genug geſagt zu fein, 
was ich in dem Bude nicht geben will, nämlich einen Bei: 
trag zur deutfchen Sranımatif. Wenn alfo Jemand einen fol 
chen nichtödefkoweniger in meinem Buche ſucht; fo Hat er ſich 
die Schuld des vergeblicden Suchens felbft zugufchreiben. Was 
ih nun aber in meinem Buche habe geben wollen, Das fei 
mir erlaubt bier mit wenig Worten barzulegen Rur muß id 
im voraus um Eins bitten. Es handelt fich bier um eine rein 
biftorifche Frage, Die ohne Yarteileidenfhaft irgend einer Art 
gelöft fein will. Der Berf. if deshalb auch mit feiner perfön: 
lichen Überzeugung möglihft wenig hervorgetreten. Die zwei 
oder drei Stellen, in denen er ſich über die Wichtigkeit der 
bier befpsochenen Gegenftände äußert, glaubt er vertreten zu 
Tonnen, da er fie mit ziemlicher Überlegung niedergeſchrieben 
Bat. Es handelt ficy zuvörderfit nur um die Wirkung des 
Ghriftentbums ; und dab das Chriftenthum in unſerer deutfchen 
Geſchichte eine mächtige Role fpielt, darüber werden Freund 
und Feind einverflanden fein. 

Die Urt, in der ich die Sprache zur Grundlage einer Fir: 
chengeſchichtlichen Unterfuhung gemacht habe, ift nun bie: 
Jedes Wort der Sprache füllt mit feiner Bedeutung eine ge: 
wiſſe Begrifföfphäre. Der einzelne Sprechende befommt das 
Wort mit diefer beftimmten Bedeutung überliefert. Er Bann 
zwar durch den Zufammenbang, in dem er das Wort gebraucht, 
Die Bedeutung deffelben modificiren, und ift er ein mächtiger 
Geift, fo gelingt es ihm wol, die neue mobdificirte Bedeutung 
des Wortes in den allgemeinen Sprachgebraud einzuführen. 
Smmer aber muß anfänglich bei allen Modificationen die Be: 
Deutung bes Wortes zu Grunde liegen, in der e6 überliefert 
worden ift und in der es mithin die andern Menfchen anwen⸗ 
den. Wer diefe Grenze überfchreiten und die MBörter ganz 
nach Willkür bald in diefer bald in jener Bedeutung brauchen 
weßte, der müßte Darauf Verzicht leiſten, fich feinen Mitmen: 
fen verftändfih zu machen. Wenn wir nun genöthigt find, 
bet unferm Sprechen immer von der überlieferten Bedeutung 
der Wörter auszugeben, fo wird es vom höchſten Intereffe fein, 
zu erforfchen, woher dieſe Bedeutung flammt und in weichen 
Ummandlungen fie bis auf den heutigen Tag überliefert wor: 
den ift. In einer völlig unvermifchten Sprache, die fih obne 
alle Einwirfung von außen innerhalb eined einzigen BVolkes 
entwidelt hätte, würden alle Wörter aus den einheimifchen 
Wurzeln ſtammen und die Umwandlung der Bedeutungen, welche 
die Wörter im Verlaufe der Sahrhunderte erfahren hätten, 
würde ganz und gar ein Werk dieſes Volkes und feiner Mit: 
glieder fein. Eine unbedingt reine Sprache der Art wird es 
Saum geben. Unter den Sprachen der europäifchen Eulturvöl: 
Ber ſteht die altgriechifche jenem Ideal am naͤchſten. Die Spra: 
hen des jegigen Europas dagegen haben eine Menge von Wär: 
tern aub der Fremde entlehnt und haben einer Menge 
von einheimifhen Wörtern Begriffe eingepflanzt, 
die nicht auf ihrem eigenen Boden, fondern in der 
Bremde gewachſen find. So ftammt befunntlidy ein gro: 
Ber Theil unferer vwiffenfchaftlichen Kenntniffe und Begriffe aus 
dem claſſiſchen Alterthum und mit diefen Begriffen bat ſich auch 
ihre Bezeichnung in unferer Sprache eingebürgert. Eine Menge 
Son Aubdrüden, wie Idee, Philofophie, Logik, Mathematik 
u. f. w., haben wir griechiſch in unfere Sprache aufgenommen 
und Niemand wird ihnen ihre griechifche Herkunft ftreitig ma- 
chen. Weniger zu Tage liegend und doc ebenfo ficher fit der 
@infuß der alten Griechen auf unfer Sprechen und Denken, 
wo wir ihre Wörter nicht in griechifeher Form beibehalten, 
fondern deren Begriffe auf deutſche Wörter übertragen haben. 
Am deutlichften Laßt fi Dies machen an den griechiſchen Wör- 
tern, die man ind Deutfche übertragen bat, ohne daß es ge: 


‚ber althochdeutfchen 


tungen ift, den aften griechiſchen Ausdruck dadurch zu verdran⸗ 
gen. &o’haben z. B. manche neuere Logifer ihre Darſtellung 
der Logik nicht „Logik, fondern „„Denklchre“ genannt. Das 
ift nun zwar ein deutſches Wort und es hat viclleicht Manches 
für jih, das deutſche Wort ftatt des fremden zu gebrauchen: 
aber der Begriff, den dad Wort „Denklehre“ bezeichnet, iſt 
nicht von Denen entdedt, die das Wort „Denklehre” erfunden 
haben. Bielmehr ift „Denklehre“ Nichts weiter als eine Über- 
fegung des Wortes ‚Logik‘, und das Verdienft, die „Dent⸗ 
lehre“ ſowol als die „Logik“ mit ihren abftracten Gefegen von 
ben übrigen Wiffenfhaften ausgefondert zu haben, bleibt den 
Griechen. Wie gewaltig au in biefer Weife die alten Philo⸗ 
fophen auf den fpätern europäifchen Sprachgebrauch eingewirkt 
haben, dafür Liefert namentlich die Geſchichte mancher Ariſto⸗ 
telifhen Begriffe Du SE Beweiſe. Der Hiftoriker hat dabei 
nur immer dies Eine feft im Auge zu behalten, daß die Frage, 
ob nicht möglicherweife Die neuern Bölfer auch ohne den frem- 
den Einfluß auf diefelben Begriffe gekommen fein würden, wenn 
ihnen das Schickſal nur gehörig Zeit dazu gelaffen hätte, gar 
nicht ind Gebiet der Gefchichtöforfhung, fondern in das ber 
reinen Speculation gehört. Der Gefchichtöforfcher hat nur zu 
fragen: Woher find Lie beftimmten Begriffe in der Wirklichkeit 
dem einzelnen Volke zugelommen ? 

Wie nun auf unfern wiſſenſchaftlichen Sprachgebrauch die 
Griechen, fo hat auf unfere religiofe Ausdrucksſsweiſe ein ande: 
res Volk den größten Einfluß gehabt, nämlich die alten Iſrae⸗ 
liten, zu denen befanntlich- au der Stifter und Die Verbreiter 
der hriftlihen Religion gehört haben. Es fchien mir nun 
ſehr der Mühe werth, zu unterfucdhen, in welchen Jahrhunder⸗ 
ten und auf welche Art die iſraelitiſch⸗chriſtliche Ausdrucksweiſe 
in die deutfche Sprache aufgenommen worden ifl. Daß die Ein- 
verleibung der neuen religidfen Ausbrüde mit einer tiefgreifen- 
ben Umwandlung der Denfmweife in engftem Zufammenbange 


ſteht, bedarf Peiner Auseinanderfegung. Denn daß Iemand 


dad Wort Buße ausfprechen kann, ohne deshalb bußfertig zu 
fein, ift gegen jenen Zufammenhang im Allgemeinen ebenJo 
wenig ein Einwurf, wie es Richt& gegen den Einfluß der Grie⸗ 
chen auf unfere philofophifhe Bildung beweift, dag gar Man- 
her Biel von Logik fpricht, ohne deshalb ein guter Logiker zu 
fein. In welcher Zeit dad Chriſtenthum in Deutfchland zur 
Herrſchaft gefommen ift, willen wir aus der Geſchichte. Es 
war die frühere Hälfte des fogenannten Mittelalters. Derſel⸗ 
ben Periode gehören nun aud die deutfhen Schriftwerfe un, 
deren Sprahe wir mit Grimm althochdeutſch nennen. 
Machen wir uns näher mit diefen Schriftwerken bekannt, Jo 
fehben wir, daß wir in ihnen Die Quellen befigen zur Löſung 
ber Frage, in welcher Zeit die chriſtliche Ausdruckßsweiſe dem 
Deutſchen einverleibt worden if. In welchem Umfange und 
auf weldhe Art Died gefcheben fei, Died nachzuweiſen ift der 
Zweck meined Buches. Ic babe meinen Stoff in drei Bücher 
getheilt. Im erften Buche handle ich von ber althochdeutichen 
Sprade und ihren Dentmälern; im gweiten gebe ich eine ge: 
Ihichtlihe Darlegung, auf welche Urt fih das Chriſtenthum 
prache bemädhtigt hat; endlich im dritten 
Buche ftelle id die chriſtlichen Beftandtheile der althochdeut⸗ 
fhen Sprache ſyſtematiſch zuſammen. Dies ſchien mir Die na⸗ 
türlichfte Anordnung meines Stoffes zu fein. Inwiefern nun 
bie einzelnen Theile meines Buches aufs engfte zufammengehö- 
ren, indem fie fi) untereinander flügen und fragen, Das laͤßt 
ſich leicht dartfun. Der Zweck meines Buches ıft, die Grün: 
dung einer chriftlichen Ausdrucdsweife in deutfcher Sprache ge» 
—* nachzuweiſen. Wenn ich nun die Entſtehung und 
Ausbreitung einer ſolchen Ausdrucksweiſe unter dem deutſchen 
Volke darlegen wollte, fo hatte ich zwei Fragen zu beantwor⸗ 
ten. Erſtens: Welche Begriffe der chriſtlichen Religion find bis 
zum Schlufſe des 11. Zahrhunderts in die deutſche Sprache 
aufgenommen worden? Und zweitens: In welchem Umfange 
haben fich diefe chriftlichen Ausdrücke wirklich unter das deutſche 
Volk verbreitet? Die erftere Frage ſucht das dritte Buch zu 


beantworten, indem es bie chriſtlichen Ausdruͤcke bes Althoch⸗ 
deutfchen aus den Quellen foftematifh zufammenftelt. Man 
at diefe Arbeit als überflulfig en wollen, weil Graff 


in feinem „Althochbeutfchen Sprachſchatz! ſchon Daffelbe gethan 


gabe. Durch einen einzigen Bli in Graff's „Spradhihag” und 


n mein Buch kann man ſich von der Grundlofigkeit dieſes Bor: 
wurfs überzeugen. Graff gibt in den ſechs Quartbänden feines 
ausgezeichneten Werkes ein Verzeichniß aller althochdeutſchen 
Wörter nah den Anfangsbuchſtaben der Wurzeln geord- 
net. Ich dagegen ftelle auf 132 Seiten die griftlid:reli: 

iöfen Ausdrüde des Althochdeutſchen nach ihren Begrif- 
Pen geordnet fyftematifch zufammen. Der Vorwurf, 


“meine ganze Arbeit ſtecke ſchon im Graff, ift alfo ebenfo tref⸗ 


fend, ais wenn Iemand einen Spruchfatehismus deswegen für 
überflüffig erflären wollte, weil alle in demſelben aufgeführten 
Spruͤche fih auch ſchon in Lankiſch's alphabetifcher Eoncor: 
danz verzeichnet finden. Daß mir gerade diefer Theil meiner 
Arbeit — das Zufammenfuchen der verfchiedenen, oft fehr zahl- 
zeichen Ausdrüde für einen und denfelben Begriff, die Ent: 
widelung der Bedeutungen und das Auffinden möglichft tref⸗ 
fenber Quellenbelege — ziemlihe Mühe gemacht hat, bavon 

an fich Jeder überzeugen, wenn er, unabhängig von mir, 
Daffelbe verfuht. Warum ich bei den Hauptbegriffen in aller 
Kürze auf die Sprachen ded Neuen und Alten Zeftaments zu 
rüdgehen mußte, ergibt ſich fhon aus Dem, mas id im An: 
fange dieſes Auffage über den Einfluß der alten Völker auf 
die begriffliche Seite der neueuropäifchen Sprachen gefagt habe. 
Denn Ifraeliten, alt» und neuteltamentlihe, waren es, weldhe 
die bier in Frage ftehenden Begriffe geprägt haben. uf diefe 
Art babe ich die erfte Frage: welche Begriffe der chriftlichen 
Religion bis zum Schluffe des 11. Jahrhunderts in die deutiche 
Sprade aufgenommen waren, nad beten Kräften zu Idfen ver: 


Sucht. Weit fchwieriger ift die zweite Frage: wie weit fi nun 


diefe Begriffe und ihr ſprachlicher Ausdrud ſchon damals un: 
ter dem deutfchen Volke verbreitet haben. Cine ſolche Frage 
wird ſich immer nur annäherungsweife Löfen laſſen. Ich habe 
zu dieſem Amede folgenden Weg eingefchlagen. Einerfeits habe 
ich die gefeglichen Beftimmungen geprüft, durch die man in 
der erften Halfte des Mittelalters eine gewifle, wenn aud un» 
vollfommene Kenntniß des Chriſtenthums fowol unter dem Kle: 
zus als unter den Laien zu verbreiten fuchte. Andererſeits 
habe ich eine möglichft vollftändige Überfiht über ſaͤmmtliche 
althochdeutſche Sprachquellen gegeben, um zu zeigen, inwiefern 
wir in ihnen die handfchriftlichen Denkmäler von der wirklichen 
Bolziehung jener Karolingifchen Verordnungen befigen. Daß 
diefe an fich freilich trockene Überficht fireng nach dem Plane 
des Ganzen gearbeitet ift, davon kann man ſich leicht überzeu- 
gen. So habe ich 3. B. die gedrudten Ausgaben Feineswegs 
alle aufgeführt, weit ich durch die Anführung von Drudiwer: 


. en überhaupt nur dem Ungeübtern die Orientirung erleichtern 


wollte. Dagegen mußte id die Handfchriften alle anführen, 
fammt ihrem Alter und ihrer Herkunft. Denn nur fo befommt 
der Lefer ein anſchauliches Bild von ber Ihätigfeit des dama⸗ 
ligen Klerus in den verfchiedenen Theilen unfers Vaterlandes. 
Hei Fragen von untergeordneter Wichtigkeit mag es binreichen, 
wenn der Gelehrte feinem Publicum nur die Endergebniffe ſei⸗ 
ner Unterfuchhungen vorlegt. Dagegen bei Ereigniflen von fo 
unermeßlicher Nachwirkung wie die bier befprochenen werden 
ernftere Leſer jederzeit einen Einblick in die Acten wünfchen, 
und diefen kurz und anfhaulih zu geben beabfihtigt das 
zweite Capitel meines erften Buches. 

Daß aber Hier von fehr wichtigen Dingen die Rede ift, 
darüber gedenke ich mich in Beine weitern Auseinanderfegungen 
einzulaflen, da mir bis jegt noch Fein irgend bedeutender Mann 
vorgelommen ift, der es geleugnet hätte. Ebendeswegen werde 
ih alle Belehrungen und Verbefferungen, die zur Förderung 
der Sache beitragen, mit Dan? annehmen. 

Erlangen, im Dct. 1846. 

Rudolf von Raumer. 


Litererifche. Notiz aus Srankreid. 
Buftand des Unterrihtswefens in den farbiniige 
Staaten. 

Man hat aus einigen neueren Maßregeln des Königs Kul 
Albert von Sardinien den Plan zu erkennen geglaubt, fe 
Politik eine felbftändigere Haltung zu verleihen. Im Algen: 
nen find e8 wol eigentlid nur noch fromme Wünfde, we 
ihn zu einem Vertheidiger der freien, liberalen Grundig 
geftempelt haben. Bevor man ihm den Ruhm eines Seo 
mators feiner Staaten fpendet, bedarf es noch überuum 
derer Beweiſe von der Hochherzigkeit feines Willens au me. 
bis jept erhalten haben. Befonders ift der oͤffentliche Untn 
richt das Feld, auf dem wir ihn noch näher kennen imma 
müffen. Keine von den mannichfaltigen Aufgaben dei Sub 
liegt in feinen Ländern, in denen ber Gewiſſensfreiheit noh h 
enge Schranken gefegt find, im gleihen Maße darnieder mE 
die öffentliche Erziehung. Wie viel in biefer Beziehung uch 
zu thun bleibt und wie traurig der Stand der Dinge im Ge 
zen bisher gewefen ift, erfehen wir aus einer kuͤrzlich eige 
nenen Schrift: „Sur linstruction publique dans les Bus 
Sardes”, von 3. Depoifier. So vorfichtig der Verf. aud de 
au felbft wo cr tadelt auftritt, und fo reichlich er den % 
gierungsmaßregeln das lebhafteſte Lob fpendet, fo Ki mw 
doch überall ein Misbehagen mit den beftehenden Unterrälb 
einrichtungen, welche der wefentlichften Umgeſtaltungen betich 
tig find, zwiſchen den Beilen. Sein Werk ift eigentlich cm 
doppelten Aufgabe gewidmet, indem ed und einmal ein mr 
lichſt vollftändiges Bild von dem Stande des Unterrihtäurts 
in den farbiniihen Staaten geben, und dann zugleich Er 
fhläge zu zwedmäßigen Reformen bieten fol. Der Raua 
bietet und bier auf die Auseinanderfegungen des Verf. u 
einzugehen. Rur wollen wir bemerken, daß wir ein nihad 
Eingehen auf ein genaueres ftatiftifches Detail für wünide 
werth gehalten hätten, ſchon weil die Quellen, welde m Zr 
poifier zu Gebote geflanden zu haben fdheinen, nur für Br 
nige zugänglich fein dürften. Wir werden nämlich darüber @ 
Breeifel gelafien, ob und inwieweit etwa feinen Mitthelnger 
eine officiele Veranlaffung zu Grunde liegt. Der Ba. ia 
zwar die Verantwortlichkeit für bie Säge, zu deren Beide 
er fi) macht, überall felbft zu übernehmen; aber nuhiter 
weniger ſcheinen einzelne Stellen, die ihm entfchlüpfen, ders! 
binzubeuten, daß der Fürft, Deffen guter Wille hier ſe ie 
angefchlagen wird, der Abfaffung diefer Schrift nicht 3 
fremd gewefen fein dürfte. So fagt der Verf. ausbrüdiid,® 
würde ſich bdiefer fchwierigen Arbeit nicht unterzogen hi 
wenn er nicht geglaubt hatte, im Sinne feines erhabenen F- 
ften zu handeln. Die Zukunft wird ed nun offenbaren, ? 
Karl Albert wirklich von cinem fo heißen Verlangen, fan 
dem Kortfchritte entgegenzuführen, befeelt ift, wie Depeme® 
verfichert. Wenn er ed wirklich ift, fo koͤnnen die VBorkkur 
welche bier in wohlmeinendfter Abfiht und mit hinlänz# 
Sachkenntniß gemacht werden, nicht fpurlos vorübergehen. ® 
ſonders nothwendig erfcheint ed, für die Bildung und Ya 
ziehbung tüchtiger Schullehrer größere Sorge zu tragen ® 
Dies biöher geſchehen iſt. Der Verf. nimmt zwar in c 
Darftellung überall die Lehrer in Shug — und er hat ® 
leicht feine guten Gründe —, indem er die ganze Schul ® 
die Kaulheit und Befchränktbeit der Schüler ſchiebt; aber 2 
fieht recht gut, daß Dies nur Eonceffionen find, die er 2 | 
tereffe der. guten Sache für nothwendig erachtet, und iS 
im Grunde von der Unfähigkeit der Lehrer innig überzesst ! 
Auch in Bezug auf die Jeſuiten legt er fi) eine kluge RCE 
auf. Nirgend findet fich ein Wort des Tadels gegen Liei 6 
feufchaft, in deren Händen die Sache des Unterrichtsmeitt: 
lange ausfchließlih war; aber wenn man feine Anfihte = 
Rathſchlaͤge mit dem Ziele, welchem die Iefuiten nachſttttt 
zujammenhält, fo Fann wol Bein Bweifel Darüber bleiben, : 
er keineswegs mit ihnen gemeinfchaftliche Sache machen ms 
oder ſich auch nur mit ihren Anfichten befreunden Fann. | 





Bexrantwortlicher Herausgeber: Heinrih Brockpand. — Druck und Verlag von F. ME. Brockhaus in Eeipzig. 


Blätter 





literariſche 


für 


Unterhaltung. 





® 
Donnerstag, 





Die Touriſten im Orient. 


Künfter Urtilel. 
(Behind aus Nr. 329.) 


Wir haben uns über die Gebühr Hei den iIntereffe- 
bſen perförlichen Beziehungen des Verf., bei den ftilifli- 
hen Mängeln feiner Darftellung und bei feiner uner- 
nicklichen Phrafeolsgie aufgehalten; aber als Entſchul⸗ 
gungsgrund bafür, daß wir bisher fo wenig auf den 
Igentlichen Inhalt biefee beiden Bände eingegangen find, 
nag die Geringfügigkeit und Nichtigkeit deffelben dienen. 
zwar erweckt ber Verf. zu Eingang feines Werkes nicht 
einge Erwartungen, wenn er feinem Bruder, dem er 
en Zweck und die Aufgabe feiner Wanderung ausein- 
nderfegt, im ſchwungvollen Zone fchreibt: „Und ift nicht 
#t eben der Orient begriffen in feiner großen Entwicke⸗ 
ing, politifcy wie veligiost Das will gefehen, geprüft, 
tfaßt fein.” dl, 19.) Aber was er uns im Werlaufe 
n polttifchen Erfahrungen und Beobachtungen vorführt, 
atſpricht den Ausſichten, welche uns hier eröffnet wer- 
m, nur wenig, und religiöfe Betrachtungen wie bie 
wiche 1, 128 verzeichnet find mag Einem auch wol 
m frieblichers Herde der Heimat ber Geift eingeben. 
denn er aber feine Entwidelungen mit fo neuen, origi- 
len Gebanten wie: „Die blühende Erde ift fehön, der 
Hige Himmel muß fhöner fein” (I, 20), ober: „Das ift 
er Triumph des Geiſtes über die Materie. Städte ver- 
bwinden” u.f.w. (1, 30) zu würzen meint, fo voiffen wir 
mn auch dafür geringen Dank. Noch wunderbarer aber 
ſcheint es, wenn er ber politifchen Discaffien, in Be⸗ 
ig auf die ſich anfangs beim Lefer die Erwartung neuer 
uffchlüffe regt, mit fo nichtsſagenden Phrafen wie: „bie 
ofen Sreigniffe des Orients mit Ungebulb wecken wel- 
N, das (eic) hieße fih am Herzen der heutigen Politik 
T Großmächte vergreifen‘ (I, 168), aus dem Wege zu 
den hofft. Die langen Auszüge aus ber „Sammlung 
* merkwürdigſten Reifen im Orient” von Paulus ge- 
n uns keinen Erſatz für fo getäufchte Erwartungen. 
ie erfcheinen vielmehr um fo zweckloſer und unnkger, 
6 das Werk aus bem fie geſchoͤpft find ſelbſt zugäng- 
h genug fein dürfte. 

In Betreff auf Mehemet Ui, Deſſen Namen mm 
i der Beſprechung orientalifcher Angelegenheiten einmal 
gut unerwähnt laffen aus, verwahrt Hr. Tiſchendorf 


x 








fiplichten zu wellen. In⸗ 
deffen meint ex doch, er fei feit feiner Ruͤckkehr fo oft in 
den Fall gekommen, fein Urtheit über diefen Mann, der 
von den Einen ale ein Unterbrüder feines Volkes ver⸗ 
ſchrien, von Undern als Megenerator des gefannnten 
Morgenlandes gepriefen wird, abzugeben. Wenn wir 
nun bie etwas unbeflimmt und vag gehaltenen Auße⸗ 
rungen über biefe orientalifhe Größe zu einem feſten 
Reſultate geftalten follen, fo zeigt es fih, daß Tiſchen⸗· 
dorf fi im Grunde über diefe Perfönlichkeit eine ganz 
haltbare Meinung gebildet hat, bie aber durchaus nichts 
Neues und Driginelles an fih trägt und bie recht gut 
in unzähligen ‚Werken nachgelefen werben konnte. Er 
ift näͤnlich der Anfıht — fo lefen wir uns wenigſtens 
fein Urtheil aus einem bunten Gewirr zufammenhangs- 
loſer Ideen heraus — , daß Mehemet zwar unfern Be⸗ 
griffen von Menfchlichkeit und Herrfcherwürde wenig ent⸗ 
fpricht, aber nichtsdeftoweniger für die Begründung finat- 
licher Verhältniffe im Oriente und für die Eigenthuͤm⸗ 
lichkeit feiner -Beoölterungen vollkommen gefchaffen ifl. 
Die Strenge und Härte, weiche e in der Durchführung 
feiner Maßregeln an den Tag legt, erfcheinen als noth⸗ 
wendige Bedingungen, um bie Wiebergeburt der Ratio 
nalitäten des Orients, wenn anders fie im Buche ber 
Zukunft verzeichnet ift, durchzuführen. Nur wo Tiſchen⸗ 
dorf von feinem fitliftifchen Schwunge und dem Schwall 
feiner Mede fortgeriffen wird, verfallen feine Behauptun- 
gen auch bier dem Gebiete des Phantaftifhen. Bo bür- 
fen wir feine Angabe, daß Mehemet „die Ufer bes Ms 
mit Kabritgebäuden überfäe” (1, 55), ebenfo wenig buch⸗ 
ftäblich nehmen als die Lobfprüche des „Verſtorbenen“, 
wenn Derfelbe die Lage und das Loos der Fellahs und 
als beneidenswerth f&hildert. Die Beſchreibung ber Per- 
föntichkeit von Mehemet Uli, von dem er meint, „er habe 
zwifchen den Augen eine mehr als ernfle Kalte, die ihn 
wünfchen fieß, ihn niche zum Feinde zu Haben” (I, 33), 
ift zu unbedeutend als daß wir hier näher baranf ein- 
zugehen verſucht wuͤrden. 
Auch was über Briechenland und feine verwirrten 
Berhältniffe mitgetheilt wird, verväth, daß der Darf. aus 
dem Stubium ber. alten Welt für die Enträthfelumg ber 
Fragen der Gegenwart fein neues Licht gewonnen bei. 
Seine Andeutungen find ſtizgenhaft, ungenügend umb 





gewähren nirgend neuen Aufſchluß; denn mit Declama⸗ 
tion und Pathos ift bier Nichts gethan. 

Doch alle dieſe XZrivialitäten wollten wir gern 
in den Kauf geben, wenn uns wenigſtens die pittoresten 
Partien dafür einigermaßen entfchädigten. ber aus 
alle Dem was bisher angeführt iſt wird man fdhon 
errathen haben, daß unferm Reifenden bie Gabe, in ei- 
ner leichten, flüfjigen Schilderung die äußern Eindrüde 
abzufpiegeln, nicht im allzu hohen Grade verliehen wurde. 
Vergebens fieht man fich in dieſen zwei Bänden nad) 
intereſſanten Zeichnungen der Gegenden, welche der Rei- 
fende auf feinem Wanderfluge berührt hat, nah Be: 
f&hreibungen malerifcher Landſchaften oder denkwürdiger 


Überrefte des Altertfums um, beren Bilder an feinem 


Auge vorübergegangen find. - Nichts ift langmweiliger und 
einförmiger als die ewigen Erclamationen, mit denen 
er in der Ohnmacht, uns. Elare Bilder jener Erſcheinun⸗ 
gen vorzuzaubern, die wichtigen Punkte feiner Reife fort 
und fort begrüßt; und mit Necht wird man mit Unge- 
duld erfüllt, wenn man bie leere Phrafe: „Wo foll ich 
anfangen, wo aufhören Jeruſalem zu befchreiben‘‘ (1, 302) 
in endlofen Variationen wiederklingen hört. Freilich ge 
fieht der Verf. oft genug, daß er von den Reizen, wel⸗ 
He ſich vor feinen Augen entfalteten, zu fehr ergriffen 
war, ale daß er die Eindrücke unter benen er ftand 


wiederzugeben vermögend geweſen wäre, unb es erſcheint 


wol begreiflih, daß, wenn „feine Gedanken bereit wa⸗ 
ven, fi) an eine wunberbarfchöne Scene zu ergeben wie 
Gefangene” (1, 2337), ein befriedigender Ausdrud der 
überwältigenden Gefühle nicht gut möglid iſt. Aber 
wer fo lebhaft empfindet und dabei fo unvermögend ift 
feinen Gefühlen Worte zu geben, ber follte im Hoch⸗ 
genuffe eigenen Schwelgeng auf bie Freude, aud auf 
Andere zu wirken, willig Verzicht leiften. Denn was 
der Lefer doch mol zuerft verlangen kann, ift Anfchau- 
lichkeit und Klarheit. Mit nebelndem und ſchwebelndem 
Entzüden, mit einer fentimentalen Gefühlsſchwelgerei 
und mit abgerifjenen, unzufammenbängenden Ausbrü⸗ 
den der Bewunderung kann ihm wenig gedient fein. 
Überhaupt ift es zu verwundern, wie es fo unzähligen 
Meifebefchreibern in den Sinn kommen kann, daß fie, 
flatt uns faßliche, deutliche Anfchauungen zu geben, une 
mit den verfehmimmenden Gindrüden beläftigen, welche 
ihnen die Gegenftände durch das Prisma augenblickli⸗ 
her Launen machen. Dabei wähnen fich biefe Autoren, 
welche ihren Herzensergüflen fo hohen Werth beilegen, 
noch für berechtigt, auf ihre Enthaltfamkeit zu pochen, 
wenn fie wie Zifchendorf es thut (II, 275) jede Zumu⸗ 
thung, als wollten fie die Gegenſtaͤnde in ihrer Objecti- 
vität fchildern, von der Hand weifen. „Sch habe Kon- 
flantinopel nicht fchildern wollen, um zu fagen: Sieh, 
das ift Konftantinopel; ich habe nur ben empfangenen 
Eindruck darzuftellen verfucht fo gut ich's kann.” 

Nur Hier und da taucht aus dem breiten Berichte 
eine Scene oder eine Anficht auf, bei der wir gern ei- 
nige Augenblicke verweilen. Dahin rechnen wir bie 
Schilderung der Natronfelder in Agypten (1, 113) und 


die Erzählung‘ von dem Aufenthalte in ben Loptifhen 
Klöftern, die wir gern von ber gewandten Feder Jul. 
merayer's gelefen hätten, denn dann erft würde das welt 
lichem reiben entfrembete Leben ber ehrwürdigen Mind: 
ber Wüfte, vor unfern Augen. eine , plaftifche Geſtalt ge 
wonnen haben, wie fie Zifchendorf nimmermehr her 
zurufen im Stande ifl. Wie dürftig und unbefriedigen 
ift bier bei ihm die Befchreibung ber Pyramiden, mit 
ihrer obligaten Bezugnahme auf die befannte bombafi- 
he Sentenz Napoleon’. Mit ber Verficherung: „Ib 
babe mich vecht in der Betrachtung ber Gegenwart us 
der Vergangenheit ergangen, als ich auf dem Gipfel da 
Pyramiden fland” (1, 93), ift Wenig gethan, wenn wir 
aus dem Schage diefer Betrachtungen Leine weiter 
Spende erhalten. Wie mancherlei Fragen gab es hin 
nicht über die Bebeutung, die Anlage und den Sim 
diefer wunderbaren Zeugen des Alterthums zu berühre, 
deren fich der gelehrte Verf. ohne Zweifel enthalten hat, 
um Alles zu vermeiden, „mas feine Mittheilungen ın 
firengwiffenfchaftliden Abhandlungen ſtempeln tönnte“. 

Nur an ber unrechten Stelle ergeht er ſich oft m 
unangemeffener Ausführlichkeit. So hätten wir ihn fe 
ner langen und breiten Beſchreibungen des Kam 
(1, 258) gern überhoben, um fo mehr, ba Das walk 
über die Zweckmaͤßigkeit biefes „Schiffes der Wüfte m- 
führt, längft ſchon von Buffon u. U. unendlich beſſer gelg 
if. Oder glaubt er uns etwa Neues zu fagen, wen 
er das Kniegelenk diefes Thieres fchilbert, deſſen Au 
dauer er feinen Leſern wünfchen follte, fowie er ſelbſt — 
wir haben es ſchon oben geſehen — die gute Conſtitutie 
feines Maules beneidet. 

Seine biblifch-Fritifchen Studien, deren er zur Be 
berrlichung feiner Perföntichkeit fo oft Erwähnung tat, 
dienen ihm felbft zum Gegenftande tändelnden Gpetts, 
und man tönnte fein gelehrtes Treiben nicht beffer pr 
ſifliren als es von ihm felbft geſchieht, wenn er bei ße 
legenheit der Heufchreden, von denen er während feine 
Reife vom Sinai nach Kairo redet, meint, fie wären fr 
neswegs zu einer aͤgyptiſchen Landplage angewachſes 
und dann hinzufügt: „für einen Kritiker und Auslege. 
der Bibel wäre Dies eine allzu fchmeichelhafte Erfahrun 
gewefen” (I, 259). Man wird unwillkürlich verfukt 
in den anmuthigen Ton dieſes Scherzes zu fallen, west 
man ihn an andern Stellen über feine Aufgabe E 
Selbſtbewußtſein und Salbung reden hört; denn darf 
über ben Erfolg feines Unternehmens zu gering dadtt 
fann man ihm nicht eben zur Laft legen. Fürwaht, i 
es nicht ein redendes Zeugnif innerer Überzeugung ve⸗ 
der fchönen Arnte dieſes Reifenden, wenn er die gelehtt 
Welt darüber, daß er die Gelegenheit nicht hatte, # 
wiffe Manufrripte zu vergleichen, mit den beſcheident 
Worten tröftet: „Die Wiſſenſchaft hat Nichts verlo. 
daß ich es ohne tertkritifhe Prüfung laffen muft“' 
(II, 292.) Wäre er fich indeffen nur diefer feiner 34 
gabe noch beftimmter. bewußt gewefen, und hätte er des 
um mit beflo größerer Muße feine. ernften Studien 3 
verfolgen, bie Beurtheilung der orientalifchen Zu 





md die Beſchreibung jener‘ Gegenden, deren Ramen 


(don in unferer Bruſt felige Ahnungen wecken, Undern 
überlafien! 

Nur an einigen wenigen Stellen tritt der Touriſt 
als Greget und Erklaͤrer biblifher Beziehungen auf. 
Nach den gediegenen Forſchungen eines Robinfon, Deffen 
Unterfuchungen für die Kenntniß von Palaͤſtina epoche- 
machend find, hätten wir freilich, flatt der ſchon oft vor- 
gebrachten Hypotheſen und der ſchwülſtigen Ziraben, be- 
flinnmtere Nefultate erwartet. Dazu fommt, daß Ti⸗ 
ſchendorf fich bier auf einen Standpunkt ftellt, ben er 
dem profanen Publicum gegenüber nit behaupten kann 
und der ihn in einen eigenen Zwiefpalt bineingefloßen 
bat. Wir haben bier vorzüglich die auf biblifche Wun⸗ 
der bezüglichen Stellen im Auge, in denen ſich der kun⸗ 
dige Verf. in ziemlicher Breite ergeht. Mit dieſer na⸗ 
tũrlichen Erflärung der Wunder, auf die denn doch 
mehr oder weniger, ungeachtet aller Proteflationen, man- 
he diefer Auseinanderfegungen hinausläuft, hat es — 
wenigftens für den fchlichten Laien, der in die Vermitte- 
fungstünfte moderner Theologie nicht eingeweiht ift — 
eine eigenthümliche Bewandtnif. Man laffe entweder 
das Wunder in feiner Reinheit ober als realifirten, fu- 
pernaturaliftifchen Wunſch — wie es Feuerbach nennt — 
unberüdt ftehen, oder man verzichte auf die überfinnliche 
Deutung und fpüre der Möglichkeit einer Handgreiflichen 
Erklaͤrung nad. Vergebens verwahrt ſich der Verf., in- 
dem er meint: „Ich bin weit entfernt, dem Wunder feine 
Glorie abftreifen zu wollen”, und Betheuerungen wie die, 
weiche er folgen läßt: „An dem natürlichen Faden, den 
uns Mofes gegeben mit eigener Hand, zieht er uns aud) 
mit eigener Hand zur Anfchauung des Wunders zu ſich 
hinauf“, find leeres Phrafenfpiel, unklare und verſchwom⸗ 
mene Redensarten, welche des entfchiedenen Urtheils er- 
mangeln. Wir beziehen uns zum Belege Deffen, was 
bier von uns angeführt ift, auf feine Andeutungen 
über den Zug ber Ifraeliten — wo er fi für Deliopo- 
lis entſcheidet (I, 173) — und über bie Entſtehungsart 
der Manna (I, 204). | 

Biel natürlicher wäre es gewefen, wenn er alle Ein- 
wendungen moberner Kritit und die Deutungsverfuche 
eines pocftelofen Rationalismus — wir erinnern hier nur 
an bie fpießbürgerlihen Erklärungen von Paulus — bei- 
feite gelaffen und fich auf einen Standpunkt geftellt hätte, 
den vor ihm fchon fo bedeutende, von reinem Glauben 
erfüllte Pilger im Morgenlande in ihren innigen Be- 
richten mit fo glücklichem Erfolge eingenommen haben. 
Der Einwand, daß die Wiffenfchaft diefe Erklärungen 
und Beleuchtungen fobderte, konnte für ihn nicht maß⸗ 
gebend fein, dba er ja abfichtlih den Schein miffen- 
Schaftliher Forſchung vermeiden wollte. - Der halbweg 
gelehrte Unftrih, den er burch dieſe betreffenden Par- 
tien feiner Darftellung gegeben bat, koͤnnte ohnedies 
Leicht zu dem Glauben verführen, er hätte, von gelehr- 
ten Reminifcenjen geleitet, dem Publicum, welches er 
ſich felbft nicht unter den Gelehrten feines „Bachs ge- 
wählt Hat — und jeder Schriftfteller iſt allerdings be- 


verhtigt, fich felbft den Kreis für fein Werk zu zeichnen —, 
durch, diefe leeren Entwidelungen imponiren wollen. 
Überhaupt ift Lauheit, Halbheit und Unentſchieden⸗ 
beit der vorzüglichfie Tadel, ben wir gegen biefe ganze: 
Schrift erheben möchten. Wir haben auf die Gefahr hin 
misbilligende Stimmen achtungsmwerther Männer unfers 
„Fachs“ herauszufodern, das Werk einer Gräfin Hahn-Hahn 
ale eine anfprechende Erſcheinung dem Kreife, für den 
ed offenbar nur beftimmt war, empfehlen fönnen, weil 
dieſes Buch, ohne daß feine DVerfafferin irgendwie An- 
fpruche auf die Mittheilung neuer Beobachtungen oder 
geündlicder Nefultate erhoben hätte, ganz beachtenswer- 
the Partien zu bieten fchien und babei in feiner gefälli⸗ 
gen Darſtellung eine anziehende Lecture gewährt. Wo 
aber auf der einen Seite ebenfo wenig Neues und Selbftän- 
diges gegeben und andererfeits der Genuß des Gebote- 
nen durch einen reislofen, ungefügigen Stil, durch eine 
würzlofe Erzählung unbedeutender Exlebniffe und durdy 
eine ſchwankende, ihres eigentlichen Field unbewußte 
Anlage verfümmert und erfchwert wird, dba muß bie 
Kritit, ohne ben Vorwurf der Inconfequen, und Par- 
teilichkeit zu fürchten, ihre rauhe Seite hervorkehren. 
Und fomit fohließen wir mit ber Verficherung, daß, wenn 
es, wie der Verf. verfichert (IT, 5), „ein großes Glück 
ift, eine Reife in den Orient zu machen, ein noch größe» 
res aber, eine Reife in den Orient zu befchreiben”, der 
Genuß, welchen es gewährt, einen folchen KReifebericht 
zu lefen und öffentlich zu befprechen, äußerſt gering an⸗ 
zufchlagen fein dürfte. *) F. G. Büuther. 


Eine Feindin der Eiſenbahnen. 


Bor nicht langer Zeit hat Vater Arndt in Bonn erklärt, 
er fei „den Eifenbahnen recht von Herzen gram, auf denen 
fi die europäifche Faulheit, wie auf dem Lotterbette durch die 
Welt wiegen läßt”. Man darf es dem alten Herrn aber nicht 
allzu hoch anrechnen, wenn er in diefem unermeßlichen Geſit⸗ 
tungsmittel nichts Anderes zu erbliden wähnt als den „rech⸗ 
ten Pfleger der Faulheit” und wenn er in Beforgniß vor dem 
möglicherweife daraus entfpringenden Folgen „vor der Faul⸗ 

eit und Dummheit des Menſchengeſchlechts erfchridt”. Es 
ift nicht das erfte mal, daß felbft die Tuͤchtigſten und Kräftig- 
ften ihrer Zeit das Verftändniß der anrüdenden neuen und ber 
au ihrer völligen Herbeiführung nothwendigen Hülfsmittel nicht 
mebr beſeſſen; daß fie, befangen von alten, gewohnten Anſchau⸗ 
ungen, gegen ein gewaltig emportauchendes Streben ober eine 
überwältigende unmiderftehliche Bewegung gezürnt und geeifert 
baben. Tacitus nennt das Chriſtenthum superstitio exitiabi- 
lis und Schlöger vertheidigt die Sklaverei! Es mag gegenwär: 
tig freilich noch viele Undere geben, denen, obwol aus ganz 
andern Gründen, die Eifenbahnen ebenfo verhaßt, die aber nicht 
fo aufrichtig find wie der alte Arndt, ihrem Grolle Luft zu 
machen. Denn die Anzahl Derer ift ficherlid nicht gering, 
welche, die Ratur diefer großen Schöpfung errathend, fühlen, 
daß mit ihnen die Herrſchaft der Gedankenbedruͤckung zu Ende 
efpielt fein wird; daß das dur @ifenbahnen erleichterte Bus 
Fammenftrömen von großen Maffen an einem Orte, heute hier, 
morgen dort, alle Hemmungen des Gedantenaustaufches zu 
nichte machen, und fo aller Quälereien, Feſſeln, Daumfchrauben 





+ In einem ſechſten und legten Artikel follen noch einige neuete 
Schriften über den Drient befprodden werben; wir hoffen benfelden 
im December liefern zu Lönnen. D. Keb. 





De 7 0 ES Zu Zul bier une he, — En u en EEE — — 


und Mundſperren des Policeiſtaats Potten wird. Aber aus 
eben dieſein Grunde iſt Bielen die Dies einſehen die Sache 
ſelbſt ein Dorn im Auge, weil die Fortdauer jener geiſtigen 
Bevormundung in ihren WBünfchen und SIntereffen liegt, und 
wenn fie ihr geheime Grauen wie ihren Groll äber biefe 
neue Grrungenfchaft des Menſchengeiſtes nicht zu äußern wa- 
gen, fo geichieht Dies nur, weil fie klug genug find fich in 
das unabwenbbare Schickſal zu fügen. 

Es gibt aber noch eine andere Sorte von Gegnern ber 
Eſenbahnen, jene Bärtlinge und Weichlinge, welche durch bie 
Pünktlichkeit und Schnelligkeit diefer Einrichtungen in ihrer 
Behaglichkeit und Bequemlichkeit geftört werden, oder die im: 
mer etwas Abſonderliches haben und neidifch jind, daß fie diefe 
fliegende Bewegung mit der Menge theilen müflen. Als Ty⸗ 
pus folder Leute Tann eine englifche Zouriftin gelten — denn 
DaB es ein Blauftrumpf ift Behn gegen Eins zu weiten —, 
welche ihre Unfichten über dieſen Punkt in einer im „Athe- 
nmaeum“ veröffentlichten Schilderung eines Ausflugs nad der 
Küfte von Kent niedergelegt bat. „Ich muß”, bemerkt fie, 
„mein maßlofes &rftaunen darüber außfprechen, daß ein Volt 
wie das englifche, welches Bequemlichkeit, Ruhe und Behaglich- 
keit fo fehr liebt und das am ländlichen Gegenden ımd Ber: 
gnügen fo großen Gefallen findet, ohne Überwindung feine 

elbftentäußerung fo weit hat treiben koͤnnen, um Richtd mehr 
von feinen ſchoͤnen und lieblihen Hochftraßen, feinen zierlichen 
und eindrudsvollen Städten und Dörfern fehen zu wollen und 
fi Dagegen mittels eined Verfahrens, welches einer zarten 
nervöfen Deganifation (!) jedes mögliche Leid anthut, dahin⸗ 
wirbein zu lafien. Das laute Zreiben, das Gefühl der Uber: 
eile, unzertrennbar von dem unerbittlichen Haften am Augen: 
blick, die Empfindung hülfloſer Einfperrung, das fürchterliche 
Fopfzerreißende Getöfe, die ebenfo betäubenden als widerlichen 
e: ich frage mich felbft, wie ein gebildeter Engländer, 

der nicht von den fchmuzigften Röthigungen des Lebens bazu 
gezwungen wird (!), noch vielmehr, aber wie eine englifche 
Dame, die im Abfcheu vor lautem Getoͤſe, garftigen Gerüchen 
md der rohen Haft und den Ellenbogenftößen des armen Hau: 
fend (!) aufergogen wird — ich frage mich, wie Diefe ſich fo 
bereitwillig diefem Wechſel haben fügen koͤnnen? Ich habe auf 
meiner Reife oft mich des Gedankens nicht erwehren Tönnen, 
daß die zukünftigen Gefchlechter und beneiden werden, wenn fie 
von den leichten Kutfchen lefen, deren Räder beim Fahren durch 
ihr Geraͤuſch felbft eine flüfternde Unterhaltung nicht unmög» 
lich machten, da fie leicht dahinrollten und beren Bewegung 
fo ganz und gar den Befehlen ihres Herrn gehorchte — wahr: 
lich der Iegte Ausdrud des Geſchmacks, dev Berfeinerung 
und, des Wohlbehagens. Und das Alles haben wir hinwegge: 
worfen!“ Doch genug diefed empfindfamen Geſchwaͤhes, wel- 
ches mit ein wenig Veränderung man ebenfo treffend einem 
ner oder Präulein aus mittelalterliher Zeit, wo äelter, 
um und Packroß der Poſtkutſche weichen mußten, in den 
Mund legen Tünnte. Bezeichnend aber vor Allem für die Gei- 
ſteshoͤhe jener Schriftftellerin ift es, daß fie, dem Wahlſpruch ihrer 
Landöleute „Time is money’ entgegen, meint, die durch Ei: 
fenbahnen erzielte Zeiterfparniß habe wenig zu bedeuten und 
bie Meifenden Fönnten jedenfall ihre Zeit nicht „harmlofer und 
vostheilhafter” todtichlagen als in „der Reiſekutſche oder der 


Stage-coach“. Ariftokratiicher Dünkel und Verachtung des 


Volkes und feiner Bedürfniffe konnten fih kaum ſchlagender 
ſelbſt das Urtheil fprechen, indem fie den Hang der vornehmen 
a euttigten Welt zum Nichtsthun und Faullenzen beurfunden, 
als durch ſolche Behauptungen. , 26. 





Zur polnifhen Literatur. 
1. Wieczory pod lipz czyli Historya narodu Polskiego 
opowiadana przez Grzgorza zpod Raclawic. ofen 1846, 
. Kine neue ausführliche Geſchichte von Polen, nicht unähn: 
lich den Schriften, die bei uns in den Jahren der Erniedrigung 








utſAtande bis 1813 n find.- Sie iſt miht.cn io 
gen neuer w ſeglbet icher Berigüngen , nicht ein dina 
btiß, ſondern ſtellt, indem fie den Volkston aufs glüdtiäf: 
trifft, hoͤchſt anſchaulich, voll von charakteriftifchen Alam u 
dem Volksleben, das rfammtlehen Des Bolkes dar, mit dem 
alleinigen Zwecke, den Pattiotismus der Polen zu ſtihln. 
geigene Stelle mag zur Charakteriſtik dienen: „Bon dieſen 
eiten pabe ich euch erzählt, damit ihr gedenket, dab nur Kr: 
beitfamkeit, Gehorſam dem Gefep und Achtung Fremden kigen 
thums zu Reichthum und Glück führt, wenngleich andererfei 
auch ber Krieg nothwendig fein Tann, fofern ex der göttliden 
Gerechtigkeit nicht wiberfpridht. Ja es kann Fälle geben, m 
zur Bünde, zum Verbrechen wird, wenn ihr den Feind duldet, 
E den Nacken bingebet wie das hier das geſchlachtet wir, 
vor feinen Gößen eu neigt, feinen Befehlen aelärhet umd frine 
Sprache fprechet.” Als Berfafler wird der durch treffliche Or 
zählungen und Gedichte bekannte Lucian Giemienfli genannt. 


2. Lelowel, Dzieje Polski. Mit zwölf Kärtihen. Breiim, 
fer 


Das Vorbild für das zuerft genannte Werk, eine gebräu: 
tere Geſchichte Polens von dem berühmten polniſchen Geſchich 
fhreiber, die gegenwärtig bereits in fünfter Auflage erihent 
und feit ihrem erften Erfücinen im 3. 1836 zur Wedung de 
Patriotismus unter den Yolen mehr als jedes andere Bub 
beigetragen bat. 

3. X. J. Kitswicsa, Dzieta historyezne. Zwei Zheil. Ve 
fen 1846. 

Unter den von dem Grafen Eduard Raczynſti veröftet: 
lichten Memoiren befinden ſich aud die von Kitowicz, Dein 
fämmtliche hiſtoriſche Schriften in einer auf fünf Bande br 
vechneten Ausgabe jet neu abgedrudt werden. Kitowir lebie 
in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, diente erſt in 
polnifchen Heere, gehörte zur Barer Conföderation und wur 
dann Geiftliher. Mannichfache Lebensſchickſale ließen ihn die 
vornehmften Ereigniffe und Perfonen feiner Zeit in der Ri 
betrachten, die er dann in feinen Memoiren auf dad umflin® 
lichſte und getreuefte ſchilderte. Seine Schilderungen Ta 
hoöchſt intereffant, fie bekunden, daB Kitowicz zum Hi 
geboren war, daß er nicht nur mit ungetrübten Auge um # 
zu ſchauen wußte, fondern daß er auch was er angeht 
hatte trefflich Darzuftellen verftand. Deshalb ift er in nur 
fter Beit als einer der beften Schriftfteller aus dem Beitelt 
des Könige Stanislav Yuguft anerfannt worden. 8 





Biterarifche Anzeig e. 


In meinem Berlage iſt foeben erſchienen und durch alle Buqh 
bandlungen zu erhalten: 


Gefammelte Schriften 


| Cudwig Rellſtab. 
18ter bis 16ter, oder Neue Folge I1fter bis Ater Band. 
Gr. 12. Geh. 4 Thir. 


Die erſte Folge, Band 1— 12 dieſer Geſammtausgabe, erlchia 
1843 —44 in vier Lieferungen zu 3 Xhle. und enthätt: 1912 
Dritte Auflage. — Sagen und romantifche Erzählungen. — 
Kunftnovellen. — Novellen. — Auswahl aus der Reifebiſder 
galerie. — VBermifchtes. — Vermifchte Schriften. — Dramatid 
Werke. — Gedichte. 
Die erften vier Bände der Neuen Folge enthalten: Algier ze) 
Paris im Jahre 1830.” Zweite Auflage. — —S — 


Eeipzig, im November 1846. | 
EA. Prodhau 


Berantwortlidder Heraudgeber : Geinrich Brockzaus. — Drud und Berlag von $. «. Brockhaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Freitag, 


—— Nr. 331. — 


27. November 1846, 





Dramatifhe Büherfhan. 
Vierter und legter Artikel.) 


5. Der Kalfer und der Rare, oder: Das Zurnier am Hofe. 
Großes romantiſches Mitterluftfpiel in vier Jufzig 
grestüe von Auguft Koh. Mainz, Wirth. 1846. 

. r. 


Dieſe heitere Arbeit gehoͤrt ſicher zu den geiſtreichſten und 
launigſten Productionen der legten Jahre und wird von Rieman⸗ 
dem unbefrietigt auß ber Hand gelegt werden. Iſt die Ver: 
foottung gewifler Zuftände und Dinge, z. B. der Eenfur, auch 
etwas allzu fpftematifch betrieben und durch einige witige Ge⸗ 
danken, wie man fagt, zu Tode gehe t, fo ift das Ganze doch 
von einem fo anfpruchslofen und frifhen Humor belebt, daß 
wir ed ſchon um Diefed unter uns fo feltenen Gaſtes willen 
freudig begrüßen. Der humoriſtiſche Grundgedanke ift der, daß 
die Welt aller Plage los und aller Leiden ledig wäre, wenn 
fie weniger ihrer fogenannten Weisheit als dem Geiſte heiterer 
und forglofer Rarrheit vertrauen möchte. Dies Problem in 
leichter, wigiger und poetifcher Weiſe zu löfen, ift Die Aufgabe 
die fi der Berf. geftellt hat, und die er vortrefflih zum Siele 
führt. Sein Rarr ift in der That ein Beförderer des Welt⸗ 
glück, und fein Kaifer verftändig genug, für ihn die Eenforen: 
weisheit auf immer zu verabfhieden. Merbietet doch der Gen: 
for dem Kaifer fein das Wort ‚„‚Aufllärung‘ zu gebrauchen, 
weil es cenfurwidrig fei, und ftellt hoch über den Monarchen 
das Cenforamt, wofür ihm denn am Ende auch der Gcheren- 
orden zu Theil wird. Richt minder ergöglich ift eine Geburt 
unferer Beiten, daß fahrende Sängerthum, zur Darftellung ge: 
bracht und geiftreich perfiflirt. Räme zu diefem Allen nun — 
was der Arbeit allerdings fehlt — die elegante Korm der Ge⸗ 
danken und der Sprache Hinzu, fo hätten wir, da die That 
und die Gefinnung vorhanden find, ein ganz vorzügliches Luft 
fpiel erhalten; anmuthig und unterhaltend bleibt diefe Leiftung 
indeß felbft dann noch, wenn ihr aud der Stempel voliftän- 
diger Ausbildung fehlen mag. 

32. Hermann und Thusnelde. Driginalfchaufpiel in vier Ucten 
von Bernhard Werner. Darmftadt, Kern. 1846, 
&r. 12. 12 Rer. 

Wenn es in diefer mit hinreichender Begeifterung ausge 
flatteten Arbeit auch nicht zur Darftellung einer eigentlich dra⸗ 
matiſchen Handlung gedeiht, fo gibt fie doch ein gutes Cha: 
zalter = und Zeitbild und erfreut uns durch wirklich poetifche 
Intentionen. In dem Verf. brauft es gewaltig, wie feine Bor: 
rede und bemeift, die allerdings im ercentriihen Stil feines 
Vorbildes Grabbe gefchrieben iſt. In der gebundenen Rede 
des Stücks felbft bewährt der Verf. jedoch mehr Haltung und 
Geſchmack als fein Borbild; er bat feine Charaktere ftudirt, 
er geftaltet fie dichterifh und erlangt mehr als Einen guten 


*) Vergl. den erſten, zweiten und dritten Artikel in Nr. 91 — 8, 
m -—- 9 und ME -— Ti d. Bl. D. Red. 


Erfolg. Segeſt und Thusnelde jind befonderd als gelungene 
Geftalten zu bezeichnen; nur Hermann leidet an maßlofer, bis⸗ 
weilen carisaturartiger Übertreibung. Die deutſchen Yührer 
und Bölfer find dagegen wieder meiftene ganz annehmbare, 
kraͤftige und eigenthümliche Bildungen. Go wechſelt Gutes 
und Unlöblihes, wie in der Auffaffung des Inhalts fo au 
in Ausdrud und Sprade. Die Scene, wo Zhusnelde in Ban⸗ 
den gelegt wird, diejenige, wo Hermann auf den verwundeten 
Acrumer trifft, zeugen von ficherer Begabung und guter Ber 
herrſchung; dagegen ift der Tod Hermann’s im Wahnfinn, die 
Götter läfternd, welche den Verrath nicht firafen, nicht wohl⸗ 
thuend und fließt das Stück Peineswegs fo ab, wie es feir 
nem Inhalte nad abgefchlofien werden ſollte. Die Ausfiht 
auf den ewigen Rachruhm des Helden und die hierin gegebene 
tragifhe Suhne wäre poetifcher und Bunftgerechter gewefen. 
Allein zur Löfung in Suhne gelangen überhaupt ſtets nur we⸗ 
nige deutſche Zragödien. Wie fehr der Berf. oft die Sprache 
missbraucht, davon nur diefe Probe. Während Hermann die 
Goͤtter läftert, ruft Chottwald: 
D Wodan, firaf ihn nit: er weiß es nicht, 

Was feincd Mundes Lieberſchau'r erftottert, 

Was feined Hergend Wundgefhwär da fprubdelt! 
Dergleichen zu vermeiden lehrt jede Charis; es heißt die Gra⸗ 
zien verhöhnen, irgend eine poetifche Geſtalt fo reden zu Laffen. 
In einigen eingewebten Liedern bat der Verf. bekundet, Wr 
er auch mit dem Iprifchen Elemente wohl Ei verkehren wei 
Wenn er fi fammelt und ſich beberriht, kann und wird ihm 
noch Manches. gelingen. 


93. Winkelried, Drama in fünf Acten, von 3. 3. Porchat, 
metrifh ins Deutfche übertragen von F. Nefler, nebft 
Halbfuter’s Lied vom Streit zu Sempach. Genf, Kef- 
mann. 1846. 12. 15 Ror. 

Die Franzoſen haben und die Kunft, ein biftorifches Drama 
au fhreiben, welche fie in. ihrer daffifden Epoche nicht Eann- 
ten, entfdieben abgelernt und fangen fogar an uns barin zu 
überbieten. Das vorliegende Stück enthalt Alles was in die 
fer Gattung von bewährtem Effect zu fein pflegt, und noch Et: 
was darüber; wir müffen es daher, da auch die Überfegung 
geſchickt gearbeitet ift, ſchon gelten laflen was es werth ift. 
Dffenbar hat Schiller'6 „Tell“ vorgeleuchtet, und oft gar nicht 
ungluͤcklich. Tüchtige Charakteriftii und wirkungsvolle Rheto⸗ 
rik find Eigenthümlichkeiten aler franzoͤſiſchen Arbeiten dieſer 
Art und finden ſich auch hier wieder: Kir das eigentlich poeti⸗ 
ſche Element iſt, wie gleichfalls gewoͤhnlich, nur in einzel⸗ 
nen Wendungen und Ausdruͤcken, in Schilderungen und Re 
partiß geforgt; die Auffaffung des Ganzen ift Dagegen ziemlich 
profaifch, indem fie politifch fein fol. Hauptcharaktere find 
Leopold, der ehr. und herrſchbegierige Erzherzog und fein 
Sohn, ein Eleiner Tyrann, mit dem Bufchnitte eines künftigen 
Alerander; Winkelried felbft ift jedoch Feine bedeutende Per: 
fönlichfeit. Die Sprache ift ausgewählt und zeugt 


4322 


Ient, obſchon Hin und wieder Fremdartiges hervortritt. Die 
Begegnung im zweiten Act zwifchen Leopold und dem Helden 
kann für den Glanzpunkt des Dramas gelten und wird «6 
durch die nachfolgende Erzählung des Offiziers vom Tode Ebal's. 
Das Stüd endet in einen Trauerchor auf den fiegreichen Fall 
Winkelried‘3 wit guter Wirkung. Poͤchſt dankenäwerth aber 
ift die Zugabe, welche Wie vier Bomanzen von einem alten 
Riede über die Sempacher Schlacht — von dem „Strit ze 
Sempach“ — mit Erläuterungen enthält, und die Rochholz' 
„Cidgenoffifcher Liederchronik“ entlehnt find. Der Berfafler 
diefes alten Heldenliedes ift bekanntlih ein Theilnehmer an 
diefem Kampfe: 
Halbfater unvergeſſen, 

Ufo iſt er genannt, 

3’ Luzern if er gefeflen 

Und alba wohl erkannt; 

Gr, er war ein froͤlich man, 

Dieb Lied hat er gebichtet, 

Als er ab ber Sat ift kam. 
Der naive Reiz diefes merkwürdigen alten Gedicht aus dem 
14. Zahrhunbert ift wohl geeignet, bie fteifen Eonvenienzen 
und die bedenklichen Megelmäßigkfeiten des modernen Dramas 
nexgeſſen zu machen. 


‘54. Ulrich von Hutten. Ein hifkorifches Zrauerfpiel von Hans 
Köfter. Breslau, Graß, Barth und Komp. 1846. K2. 
My, Nor. 

Wenn auch der edle Eharakter Hutten’s Hier zum äräger 
von 'Ideen gemacht ift, die weder ihm noch feinem Jahrhun⸗ 
dert angehören, und die überhaupt der dramatifchen Geſtaltung 
wenig zufagen, fo ift doch nicht zu verfennen, daß dieſe Dich» 
tung nur einem vidfeitig gebildeten und poetifih angeregten 
Geifte entfpringen Eonnte. Rom erften Auftreten Hutten's an, 
als naͤchtlichen Wanderers und Flüchtlinge bei Bingen am Rhein: 

Ein naͤcht'ger Wand!rer nun feit Wochen fan, 
Berg’ ih dem Licht des Tags den ſcheuen Blick, 
Und ſuch' vergebens das zerrifl’ne Herz 
In dunkler Stile vom gewalt'aen Schmerz 
Ded Tags zu heilen. . 

bis zu feinem Zode auf der Infel Ufenau in Pfarrer Schnegg's 

Armen ſtellt uns Hutten ein fo edle, warmes und lebenvolles 

Bild eines deutfchen Patrioten und eines Helden und Kaͤmpfers 

für die Wahrheit dar, dag wir unſern Bli mit Befriedigung 

und innerer Erhebung auf ihn richten. Allerdings will eine 
eigentlih dramatiſche Ahat fih aus dem Ganzen nicht recht 
ıbenausbilden, fo manches Element dazu von dem Verf. auch 
berbeigebracht wird, und bie Verbindung der Perfonen des 
Drama bleibt von Anfang bid zu Ende mehr eine gedachte 
als eine in Wirklichkeit dargeftellte, etwa fo wie in den hiſto⸗ 
rifhen Gemälden der Griechen und Römer die handelnden Per: 
fonen mehr nebeneinander als zueinander gehören; inzwiſchen 
tft eine geiſtvolle Charakteriſtik, erhoben durch eine gedanken: 
volle Außerung und poetifchen Ausdrudt, doch durchweg fefige: 

Halten. Schon Dies zeugt von Beruf und von Macht, ihm 

‚zu entipredhen. Zum eigentlich poetifchen Schaffen aber erhebt 

fh der Verf. in dem Intermezzo: „Hutten's Fahrt durch 

Deutſchland“, mit welchem er den Lauf feines Dramas nad 

dem britten Acte unterbricht. Bier find dem @entalen ver: 

wandte Lichtblicke niedergelegt, folder Art, daß fie den Dichter 
von gutem Schrot und Korn anbündigen. Mit Schärfe ımd 

Seift berührt der Berf. z. B. die refigiöfen Irrungen unferer 

Seit in Rachfolgendem: 

Wallfahrer. 
Mit Muſchelhut und Stocke 

Wall'n wir zum heil'gen Rocke, 

Erbarm' dich, heil'ger Rod! 

Schutzlos liegt er mir daheime, 

Haus und Felder, Kind alleine! 


Erbarım’ dich, Heil’ger Mod! _ 

Wir verkauften unfre Saaten, 

Du wirſt für den Winter rathen, 

Und dich erbarmen, beif’ger Rod! 

Denn mit Muſchelhut und Stode u. f. w. 


Ein neuer Schwarm erfcheint. 
Yutten. 
Wo eilt ihr Hin? 
Gilfertiger. 
... Wir wilfen’s nißt, 
Doch geh'n wir weiter ald die Anden. 
Hutten. 
Wo führt ihr Hin? 
Eilfertiger. 
Und über Luther immer weiter, 
... 3 doch mohin. 
Danach müßt Ihr den Thelner fragen. 
Dutten. 
Bedenkt eö wohl, bie Erd’ ift rund, 
Und merbet ihr nicht bald gefcheiter, 
So kommt ihr anf den Punkt zuruͤck, 
Bon dem ihr fort wollt, und nicht weiter. 
Die folgenden Sänger, welche fih auf den deutſchen 83 
verfteh'n, die aber nicht, wie Hutten „gern und gan 
Deutſchland ſteh'n“, die Fushejägerariftofratie, der Jourech 
mus und endlich Poeſie und Kritit — die bürre nämlih - 
werden nicht minder geiftreich abgefertigt. Repräfentaut ð 
letztern ift eine leicht erfennbare Geftalt: 
Gutzgauch bin ih — Urbild ber Poeten. 
Die ber deutſchen Ghelichkeit jemals 
Nafen drehten. 
Gutzgauch bin ih — bie Jaurnaltrompete 
Der gedoͤrctan Poeſie in Deutſchland 
Morgenroͤthe. 


Conſervative, Eommuniften, Rationaliſten, Abgeordack Ser: 


Intiondhiftorifer, deutiche Pariſer und verwandte Erſherazr 
füllen dies dreiſte Intermezzo. Das Gange trägt ſehtu m 
poetifchen Stempel und Iaht des Gewöhnliche hinter Bi FE 
ruck, indem es nahe an ben Grenzen binfkzeift, wo die neF 

vefie Des Drama beginnt, und die Kunſtichöpfung ira & 


ang nimmt. 
(Die Vortferung folgt.) 





Geſchichte der Iſraeliten mit befonderer Berudfihtige: 
der Culturgeſchichte derfelben. Won Alexander ta 
Großen bis auf die gegenwärtige Zeit. Nah d 
beten vorhandenen ‚Quellen bearbeitet von Julis 
Heinrih Deffauer. Erlangen, Palm. IM 
Br. 8.. 83 Ihle. 20 Ner. 

Die Gefchichte des jüdiſchen Volkes bietet eine ganz m" 
thümliche Erfcheinung dar. Die Erzväter, Prophet: = 
Schriften defielben werden von Mobammedanern und 
nicht nur in Ehren, fondern fogar heilig gehalten, ww. 


Letztern insbefondere werden es niemals in Mbrede elle Kr 


nen, baß, wie ihr verehrungswürdiger Meifter und Her pe 
jüdifchen Stammes war, fo auch feine Religion auf Liefe R 
fprung zurüdweife: fie ift ein veredelter Zweig einet Ab 
Stammes. Man wird es ferner nicht abzuleugnen vermig® 
daß, wie der jüdifche Religionscultus trog feiner fbalz 
Unvollfommenheiten und entftandenen Auswüchfe denned = 
den Religionsfyftemen der Alten Welt einzig Laftcht, in 
das aus bemfelben bervorgegangene Chriſtenthum einer 
fpritt der Menſchheit, wenn auch erft nach Langen Kim“ 


108 


waglich t habe, der, betrachtet man ihn nach feiner gan⸗ 
sen Größe und Zolgewidhtigkeit, unbedingt in Erſtaunen fegen, 
a Bewunderung erregen muß. Wan kann endlid mit Zuver: 
Gicht behaupten, daß namentli in den Yfalmen und prophetis 
Jehen Büchern die Schönheit der Sprache, die Erhabenheit der 
Ideen und die Energie, mit welcher einzelne Ausdrücke und 
Bilder auf die Gemuͤther der Lefer wirken, faft alle Literatu⸗ 
ren ber Alten Welt übertreffen: nur die Hindus ftehen den 
Juden in einzelnen poetifhen Schöpfungen voran und Die mo: 
Hammedanifchen Araber und Perſer dürfen ihnen an die Weise 
werden. Dagegen bat die gefammte chriſtliche Literatur 
auf ihrem zeligiöfen Webiete Fein ganzes Werk aufgreifen, 
was mit fiherm Erfolge eine Bergleihung mit jenen biblifchen 
Schriftftelleen auszuhalten vermöchte: die Legtern, ebenfo oft 
nachgeahmt als nicht erreicht, bilden für die chriftlich- religiöfe 
und kirchliche Paeñe noch immer eine reiche, vielleicht nie zu 
erichöpfende Quelle. Berbindet man nun überdies mit Om 
was foeben yefagt worden ift die Bemerkung, daß das jüdifche 
Religionsbuch eine überaus reichhaltige Sammlung von Schrif: 
ten iſt, die theild in Beifpielen, thells und namentlich in kur⸗ 
n @entenzen eine praktiſche Moral lehren, fo muß man dem: 
ben einen Geſammtwerth beilegen, der die höchfte Achtung 
vor einem Volke einzuflößen geeignet ift, das ein ſolches Buch 
u ſchaffen vermochte: man kann es Die fchönfte poetifche 
Gpreftomathie religiöfen Inhalts nennen. Fragt man aber 
nah dem Schickſale, welches diefem Volke zu aller Zeit, na- 
mentli aber unter den Chriften und durch Diefelben bereitet 
ward, einem Volke, das fo anerkannt Merkwürbiges und Se- 
gensreiched der Welt zu vermaden im Stante war: fo he: 
machtigt ſich des denkenden Geſchichtsforſchers ein gerechtes 
Erſtaunen, und es iſt in der That nicht ſo leicht als es beim 
erſten Anblicke ſcheinen duͤrfte, genügende Gruͤnde aufzufinden, 
welche das Raͤthſel zu loͤſen vermoͤgend find. j 
Rachdem die Familie Jakob's während der ägyptiſchen Pe- 
riode, deren theils mythiſcher, theils rätbfelhafter Charakter 
noch keineswegs bis zur hiſtoriſchen Glaubwuͤrdigkeit aufgeklaͤrt 
iſt *), zu einem zahlreichen Volke herangewachſen war; nach⸗ 
dem der Aufenthalt in der ſogenannten arabiſchen Wüfte unter 
dem Einfluffe des Mofaismus eine neue Generation zu dem 
bevorftehenden Kampfe mit den jtammverwandten Gemiten um 
Das verheißene Vaterland fähig gemacht hatte; nachdem endlich 
notbdürftig Raum gewonnen war für bie zwölf Stämme und 
deren Priefterfchaft — das ganze fogenannte Gelobte Land ift 
nigmald volftändig erobert worden — war das ganze Volk 
mehr als ein mal in Gefahr, da es an Einigkeit und politi: 
fcher Einheit fehlte, benachbarten Feinden zum Opfer zu Kim: 
zeligiöfe Begeifterung — denn mit der politifhen Unterjohung 
war der Berluft oder wenigftens die Corruption des väterlichen 
Religionscultus nothwendig verbunden — und der Heldenmuth 
Einzelner braten Rettung. Doch fühlten die Einſichtigern 
um fo lebhafter die Nothwendigkeit der Vereinigung der zer: 
fplitterten Nationalmacht im Königthume, fo wenig aud das 
Mofaifhe Gefeg dafür ſtimmte, je verführifiher das Beifpiel 
Der nachbarligen und zugfeih ſtammverwandten Voͤlker war: 
der Erfolg vechtfertigte wenigſtens theilweiſe und eine Zeit lang 
Die gehegten Erwartungen. Wichtiger als das Königthum 
ward der Prophetismus und der Bau des Nationaltempels. 
Das religiöfe Bewußtſein gewann an Stärke und Veredelung 
um fo mehr, da au Waffenfiege und GBebietsvergrößerung das 
Vertrauen auf den Nationalgott mächtig flärkten. Und Diefer 
werde niemals, fing man an zuoczfi tliher als je au glauben, 
Den Untergang jeined Volkes befchlicßen, ja Telbft in der dro» 
bendften Gefahr einen außerordentlihen Metter fenden. Die 
*) Wie verfhieben find nicht die Kronologifhen Berechnungen 
über den Auszug der Juden aus Agypten! Der Unterfchied zwiſchen 
den beiden rhronologifhen Ertremen beträgt nicht weniger als nahe 
an 500 Sabre. Senffarth, ber am mweitsken zurüdgeht, nimmt das 
Jahr 198 v. Ehr. Geb. an. 


Literatur, in dem — wurzelnd, gber wit einer a 
meinen orientalifgen Färbung in Ihrer Auffaffungs: und M⸗ 
drucksweiſe, und ſelbſt nicht ohne einen Anflug philoſophiſcher 
Forſchung, erhob ſich raſch zu ihrer Blüte: ſchon in Saloınd's 
Seit war „des Schreibens Bein Ende”. Allein bald bradste 
ber ftarre Separatismus des Volkes und der Despotismus des 
Koͤnigthums den Verfall ſowie zuletzt den politiſchen Untergang 
über beide. Der erſtere untergrub die Quellen des eigen 
Rationalwohls, während der legtere die Ration von dem B⸗ 
niglihen Hauſe zurüdftieß: dieſe trennte ſich in Iſrael umd 
Juda. Jenes, obwol an Umfang beimeitem das Größere, ver- 
lor fehr bald feinen innern Halt durch den Abfall nom Jeho⸗ 
vah⸗Cultus, durch die Vernichtung des Prophetismus und durgh 
den faft immer mit Blut bezeichneten Wechſel feiner Regenten: 
ed ward eine Beute des aſſpriſchen Eroberers Salmanaffar ; 
feine in die Gefangenſchaft abgeführten Bewohner fahen ihr 
Baterland nie wieder und ihre Rachkommen find wahrfeintü 
die heutigen Reftorioner von Mofful.*) Juda dagegen bilit 
fi beinahe zwei Jahrhunderte länger gerade durch die Mittel, 
weldye Iſrael verfhmäht hatte, und in Folge einer Anzahl gu⸗ 
ter Könige aus dem Haufe David's. Als aber eben jene Er- 
haltungsmittel an fittliher Stärke verloren ober verachtet zu 
werben anfingen, als die Politit der Könige oft unklug ober 
ſchwach zwiſchen Agypten und Babylon ſchwankte, da theilte 
es endlich ein gleiches Schickſal mit feinem Bruderftaate: Haupt: 
ftadt und Tempel wurden zerflört und der Kern des “olkes 
von dem Eroberer Nebukadnezar theild innerhalb Bobplons, 
theils außerhalb anzefiedelt. Uber Diefer jüdifche Staat hafte 
den Volksgeiſt und feine Literatur durchgebildet. In feinen 
Prephetenfchriften ift der Beift des Mofaismus am reinften 
und ftärfften ausgeprägt. Einzelne nähern ſich unferer euro⸗ 
päifhen Lyrik, während andere eine Vergleihung mit unferer 
Elegie zulafien. Selbſt im Exil verftummte die Stimme der 
Propheten nit: eine Zolge der früher nie völig unterbroche⸗ 
nen Wirkſamkeit des prophetifhen Geiſtes und der ungleich 
feftern Begründung des Mofaismus in Juda als in Sfrael. 
Die —I uͤber die juͤdiſchen Zuſtaͤnde in der babyloni⸗ 
ſchen Gefangenſchaft find allerdings dürftig; doch fo viel geht 
aus einzelnen Andeutungen hervor, daß die Lage der Geſan⸗ 
genen fehr erträglich gemwefen fein müffe. Zeigt es ſich aber 
aud), daß der Habylonifihe Religionscultus und deffen Prieſter⸗ 
ſchaft nicht ohne Einfluß auf die prophetiſche Denk⸗ und Bor: 
ftellungsieife der Juden geblieben waren, fo offenbart fih doch 
zugleih auf der andern Seite eine innigere und feftere An⸗ 
bänglichfeit an den Kern des Mofaismus. Die ſchwere Prü- 
fung der Gefangenfchaft hatte wenigftens den Männern, die 
meiter fahen als die Volksmaſſe, die Überzeugung beigebracht, 


daß, follte ihre Nationalität nicht zu Grunde gehen und gieich⸗ 


fam in den Geift der verwandten Nachbarvölker fi verflüch⸗ 
tigen, ein Mittelpunkt aufgefunden und feftgeftellt werden müſſe, 
nad welchem Bin die Herzen und Augen der Nation fi) zu 
richten hätten. Und diefer Mittelpunkt konnte nur gebildet 
werden durch eine Schriftfammlung non echt moſaiſchem Geiſte 
und durch MWiederherftellung des Natianaltempele. Männer 
wie Serubabel, Esra und Nehemia erwarben fidy entjchiedene 
Berdienfte um die Wiederbelebung des jüdiihen Volkes. ‚Die 
Herfer, denen ed feine Befreiung aus politifchen Gründen ver- 
dankte, ſchtitten nur einige male hindernd ein, als Verleum⸗ 
dung gegen baffelbe am Hofe des Herrſchers Eingang gefun- 
den hatte. Im Ganzen verlebten die Juden während der Per: 
jerherrfchaft eine ruhige, ihr Aufleben befördernde Zeit. Da 


*) „Die Neflorianer oder die zehn Stämme u.f.w. Nachweis 
ihrer Identität mit den verloren geglaubien zehn Etämmen Iſraels. 
Bon Afahel Grant. Im Audzuge überlegt von Preiswert.” (Baſel 
1883.) Der Babel, daß die amerikaniſhe Bevölkerung von jenen 
Iſraeliten abflamme, wird von nun an wol Niemand mehr Glau⸗ 
ben ſchenken, fo eifrig fie au der Englaͤnder Jones nad Bla ver: 
theidigt bat. 





132 


näherte ne den Grenzen ihres Landes der Berflörer des Per: 
ſerreichs, Wlerander der Große. Beliebt waren fie bei andern 
Bölkern nichts ihr Separatismus, aus der Eigenthümlichkeit 
des religiöfen Glaubens hervorgehend, ftellte fie in einen fteten 


Degenfag, zu ben legtern und brachte ihnen auch politifche Rad): 
theile. 


eſonders aber hatten ſie die feindliche Gefinnung und 
Berleumdung ihrer Halbbrüder, der Samaritaner, zu fürchten; 


politifche Eiferfucht und religiöfe Berwürfniffe hatten gleichen . 


Untheil an diefer Erfcheinung. Kein Wunder war ed baber, 
daß die Juden durch eine glänzende Gefandtfchaft den heran: 
ziehenden macedonifhen Sieger zu gewinnen fuchten, der ihnen 
um fo weniger gewogen fein Eonnte, als fie feiner Mahnung, 
ihn bei der Belagerung von Tyrus zu unterſtützen, nachzukom⸗ 
men fi geweigert hatten. Wlerander, erzählt uns der judifche 
Hiſto riker Iofephus, ward nicht nur befänftigt, fondern fogar 
den Juden befonders zugetban. Und bier fichen wir an 
dem Punkte, von wo aus unfer Berf. die Geſchichte feiner 
ea paohen begonnen und bis auf die neuefte Zeit fortge: 
ührt bat. 

Bir gefteben es offen, daß wir anfangs mit einigem Wis: 
trauen an daß Lefen feined Werkes gingen, da uns namentlich 
in der Einleitung bei einem flüchtigen Blicke in diefelbe einige 

Serungen den Verdacht erwediten, als fei das Ganze darauf 
berechnet, den Juden an der Hand der Gefchichte eine ortho⸗ 
dorsmoralifche Vorleſung zu Halten. Allein wir kamen bei ei- 
nem genauern Eingehen auf die biftorifhe Darftelung fehr 
bald von unferer vorgefaßten Meinung zurüd. Zwar gehört 
der Berf. keineswegs zu den leidenſchaftlichen Reformatoren des 
Qudenthbums, wol aber fchließt er fih Denen an, die mit Be: 
fonnenheit und richtiger Würdigung der Zeitverhältniffe das 
Starre, das Unhaltbare, dad Unmefentliche, überhaupt das Un⸗ 
würdige und Nachtheilige entfernt und daß äußerlih und in- 
nerlih Beſſere an deflen Stelle gefegt willen wollen; er gehört 
zu den Offenbarungsgläubigen und wir dürften fein Glaubens» 

efenntniß in folgenden Worten finden: 

„Wir überlaffen das Urtheil über die zeitgemäßen Schritte 
der berliner Reformer, deren Namen einft die Nachwelt 
mit Dankbarkeit und Ehrfurcht nennen wird, fo fie auf dem 
Wege der weifen Mäßigung, den fie betreten, bleiben werden, 
dem verehrlihen Lefer; wir erwarten aber von dem für alles 
Gute empfänglihen Geifte Iſraels, daB es weder unbedingt 
verwerfe noch unbedingt annehme, fondern Alles prüfe und das 
Befte behalte; daß der Hüter Iſraels das Voll, welches er ei» 
ner Dffenbarung auf Sinai würdigte, den rechten Weg führen 
wird, fo es ganz ihm vertraut und mit treuem, aufrichtigem 
Herzen nah Wahrheit forfcht.” 

Bir fehen ferner, daß der Verf. eine große Anhaͤnglich⸗ 
keit an feine Stammgenoſſen befigt und ihrer ganzen Vergan⸗ 
genheit eine gewifle Bewunderung nicht verfagen fann. Wer 
möchte das Erftere nur im geringften tadeln und das Legtere 
nicht für gerechtfertigt erflären rüdfichtlich eines Volkes, von 
dem Folgendes mit Recht gefagt werden darf: 

„Reiche find wie Schatten vorübergegangen, Rationen auf 
einander gefolgt, ohne mehr ald ihre Namen übrig zu laflen; 
die welterobernden Römer, die weifen Griechen, fie find ver: 
Ihwunden, aber die Juden find noch da. Sie betreten ebenfo 
die Schneefelder Sibiriens wie den brennenden Sand der Wüfte, 
leben im öftlichen Zheile von China wie im weſtlichen von Ame⸗ 
rifa, und es gibt faft Feinen Theil der Welt außer demjenigen, 
aus welchem fie gewaltfam verbannt find, wo fie nicht Zeug: 
niß ablegen von dem Einen, den ihre Väter erkannt und den 
fie im treuen Glauben anbeten und verehren.” 

Wenn fodann der Verf. tief ergriffen fich zeigt von den 
Leiden feiner Volksgenoſſen, oder auch empört über den Haß, 
womit fie von den Ehriften insbefondere verfolgt wurden, und 
über die barbarifchen Grauſamkeiten, welche die Belenner der 
Religion der Liebe über fie verhängten, mit denen fie im Grunde 
aus einem Gotteshaufe flammen: wer möchte Dies verwerf: 
lich und nicht natürlih finden? Uber gleichwol bleibt der 





forachliche Ausdrud vollkommen gemäßigt, der geſchichtlihen 
Wiffenfhaft und des gebildeten Mannes würdig, und eine hä 
aptungeiwertbe Gefinnung fpricht fi in den Worten ai: 

„Muß nicht der Unwille über die Ungerechtigkeiten, die 
zum Dimmel freien, in Liebe und Verehrung, bie Erhit: 
rung in Gefühle der innigften Danfbarkeit fich verwanden ge 
gen die Rachkemmen der Quäler der Ifraeliten, wenn fe we 
der gut machen, was ihre Worältern verbrachen?” 

Schen wir endlih auf die Darftellungsmeife des Bal, 
0 Fönnen wir uns nur lobend über dieſelbe ausfprehen: i 
ift in jeder Beziehung angemefien und dem Zwecke dei Berı 


“entfprechend. Es ift daffelbe nämlich für gebildete, aber nift 


gelehrte Juden beftimmt; denn die vorhandenen Berk fr 
theil® zu gelehrt, theils nicht unparteiifch genug, theilt dm 
Beftimmung nicht genügend oder veraltet. Um feine Ritude 
bat fi der Berf. unbedingt duch fein Werk ein Br 
erworben. Allein aud unter den Chriften werden Barx 
fein, die, außerhalb des Kreifes der gelehrten Geſchichtskerun 
ſtehend, daflelbe nicht mit Nutzen leſen möchten, zumal da u 
die wiflenfchaftlichen Leiftungen der Juden befonders im Rt 
telalter vielfach berüdkiichtigt find. Darum bat nit Hei \ı 
jüdifche, fondern auch die chriftliche Gefchichtsliteratur dark 
das befprochene Werk ein Gefchen? erhalten. Schlichlid mix 
nur noch die Bemerkung einen Plag finden, daß es der ie 
nit hat über fi gewinnen koͤnnen, die Urſachen mehr = 
vollftändiger hervorzuheben, die feinen Stammgenoſſen die k 
klagenswerthen Berfolgungen, namentlih im Bittelalter, 
Seiten der Ehriften zugogen: die religiöfe Intoleranz unt ?® 
barbarifche Fanatismus der Letztern bildeten gewiß niht * 
einzige Urſache; das Tliacos intra muros peccatur et eM 
erleidet bier ohne Zweifel feine paffendfte Anwendung #* 
hatten uns eigentlich vorgenommen, unfere oben gegebene 6% 
leitung wieder aufnehmend, das Berfäumte bier anzu 
aber der Raum verbietet und, Dies in erwuͤnſchter Kell 
digfeit zu thun. 0. 





Notizen. 


Charakteriftit Alerander Dumas. 

Ein englifcher Kritiker ſchildert bei Gelegenheit te ® 
— ber „Pauline“ von Alexander Dumas ben Ir“ 
hen Charakter diefe® Dichters in wenigen Worten wie FH 
„Wlerander Dumas ift ein Mann, der allenthalben gememn E 
Jedermann in England Eennt; der Alles und Jedes mi !- 
über geſchrieben und eine Unzahl anderer Dinge nebenbei =- 
fen; der während des Frühſtücks ganze Tragoͤdien fhrik 
und der, wenn er felbft Feine Encyklopaͤdie verfaßt, werisk 
alle, die zufammengetragen worden find, geplündert hat." V 
nicht nur Diefer und andere franzöfilhe Dichter, die # 
Stoff aus englifchen Zuftänden gewählt, kommen ta! 
Kritiker ſchlecht weg, den Deutihen geht es nicht vid * 
Gr ſagt in dieſer Hinficht: „Kotzebue hat in den «Die >" 
ner (sic) in England» dreifach aufgehäufte Abgeſchmadtde 
zu Stande gebracht und Keffing eine romantiſche Tragete 
ter dem herzzerreißenden Titel «Mit Sarah Sampfen 
ſchmiedet.“ 


Anekdote. 
In Münden, erzählt der Marquis de Salvo in KT 
„Trois mois A Montmorency”, pflegte eine gewiſſe Gi 
reits den Achtzigen nahe, in vollem Anzuge zu Bette u © 
damit fie fogleich des Morgens die fie Befuchenden zu = 
gen im Stande wäre. Mad. Statl, die von diefer Eige 
lichkeit gehört und fi) von der Wahrheit zu überzeugen MIE- 
ftattete ihr eine® Morgens in der ficbenten Stunde em * 
fuch ab. &ie fand die Gräfin im vollften Puge nad) der rm 
Mode. „Wahrlich“, rief Mad. Staël verwundert aus, -" 
kann id) doch fagen, daß ich eine Dame gefehen, dw Mm 
deshabille ift!“ l 


Berantwortlicher Derausgeber : Heinrih Brockdans. — Drud und Verlag von F. IX. Brockhans in Leipzig: 


Blätter 


für 


literarifcht unterhaltung: 





Dramatiſche Buͤcherſchau. 


Bierter und legter Artikel. 
(deentans end Kr. 2.) 


55. Der Leit. Dramatifches Eharaktergemälde in fünf Acten. 
Bon, — Erdt. Danzig, — 1846. .. 19. 25 Ror. 


Dos Ganze nF Bade 


diefe gräufamen Frommen, diefe gen — Mar art, bie 
Priefler des Mordes und jeder Ihr Leben iſi der 
Flug der Völker und ihr Wachsthum der Tad des Blaubı 
und ber Geifleäfreiheit” u, fı w., machen immer. ihre Wirkung. 
Der Iefultismus:hat feinen andern Pol, im Socialigmus: der 
Berf. wäre geeignet, uns auch dieſen guf zur Anſchauung zu 
Pa die verfpiedenen Grade der Affiliation hat er bier 

efflich gezeichnet und würbe fie audy wol dort barzuftel: 
im ul 


ei: 


56. Warbed, oder: — vineriſd· danath⸗ 


ride | in vier Wufzäden von Sanace Gholt. 
deburg, Pig und Comp. 1845. : &r. 8. 16 Mar. 
bei biefer Arbeit 
den bi —R Entwurf zu ı 
metkſam ju machen, melde: 
verdient der Verf Dan; t 
Aaanderen Grade ein dri 
ftaltung auffodernd. — 
ſcher, von der Selbſtſucht 
kanni und entlarvt, und di 
weil Eine neue Inkrigue {hr 
er dennoch der echte Yräten 
Berfntipfung! Welch. Gef 
Tein_diefer Votieichtige, 5 
Verf. zu fehmwer; er hat ihn mähfam, fole er konnte, umher ⸗ 
jerwälzt, dieſen Koloß eines dramatifhen Stoffe, ohne ihn zu 
emen und zum Leben zu geftalten. So weit ber Entwurf 
al, hat er fih geholfen: wo diefer zu Ende ift, hört aud die 
ſchaffende Hand auf wirkſam zu fein; das ige bleibt rohe 
Materie, vom Geifte völlig verlaffen, Was Spraͤche und Mus: 
drud: betrifft, & verrathen beide eine nidht fertig gewordene 
Bildung des Gefhmads, indeyi Gutes Und Übled beftändig 
wechfeln. Gtellenmweife nimmt ber Berf. gute Unläufe auf poe⸗ 
tiſchen Ausdrud, fo 3. B. im Eingange: 
= gereford. 
Dieb if der Heilige Derb, gu dem wir flch'n, 
Ihr Söhne: dieß der wirthilde Palaf, _ 
VBs Matgaretde, Die Beperefäl . 
Des reihen‘ Niederlande, tin Hohes Weib⸗ 


mag: 


Der heusen Ahnen ben, bie Beeinde (hügt 

Des unterbrädten ältern Kntgftamme 

Und den Werfolgten eine Buffudht beut. 

Seht um eus der! Blei freundiigen gindten 

Gimpfangen uns Bein Cintritt In dies Daus 

Der ereln Yart'd rhabme-Gehalten nf. © . * 
Berfe die eine gewigſe Bee —S en ſcheinen ¶ Wein bie 
Smash —— ei dem Bi ent. 1 it in Fieiſch und Blut 
übergegangen, wie Ya nacher Sendungen, wie folgende: 

Verefoeb. 

Eommt. meine Söhne, kommt Aue, Tommt, 

Mir fpriigt €8 Tant Im innert Fingemelde, 

Er it e8! Das find König Toward's Büge. 

Margaretde: 


oder: n 
GER eb gewagt; in ſolch ein fhmaces Licht 
Bel feiner Lünft'gen Gattin Prinzen Ckich 
Zu fegen? Der Miitämärbige ſou aoch deut’ 
Bon meinem Hofe fort verwiefen merdm. : " 
und andere beweifen, in denen eine unbegreifliche Roheit des 


1326 


Ausdruds faft auf den Gedanken bringt, die deutſche Sprache. 
fei dem Verf. eine erlernte. Zum Schluß ded Drama macht 
fih vollends eine Junergründliche Verwirrung des Stoffs und 
der Motive geltend. 

597. Dramatiſches. Bon F. 
Sotop. 1846. Gr. 16. 
Ein gefügiges und mannichfaltiges Talent, daB fih in 

eleganter Form auszudrüden weiß, zeigt fih in fänımtlichen 

Stüden dieſes Bandes. Lebenskenntniß und die Fähigkeit, eine 

verwidelte Zabel zu geftalten, zu beberrfchen und kunſtreich 

durchzuführen, fpricht ſich befonder6 in der fünfartigen Komödie 

„Die Zuriften” aus, welche einen complicirten Criminalftoff 

heiter löft, wobei wir uns denn freilich zu fragen haben, wozu 

diefer Aufwand kuͤnſtlicher Erfindung eigentlich verhanden iR, 
wenn das fehließliche Refultat am Ende doch in Richts zergebt. 

Das Sujet erinnert übrigens an mehr als einen englifhen Ro- 

man, und wird wol der englifhen Belletriftit entlehnt fein; 

bin und wieder nimmt der Gang der Ereignifle eine für das 

Lufifpiel gar zu düftere Färbung an; allein Erfindung und 

Ausdruck find hervorfiechend. 
„Herz und Krone”, Tragödie in fünf Ucten, behandelt die 

Geſchichte der Liebe König Philipp Auguſt's von Frankreich zu 

Agnes von Meran, welche Ingeborg von Dänemark mit ihrer 

nonnenhaften Erſcheinung erbarmungslos trennt, wobei ihr die 

Sntrigue der Kirche —28 iſt. Das Stuͤck enthält treffliche 

Einzelheiten und macht durch Agnes, Philipp's und des edein 

Barred Grfcheinung einen wohlthuenden Eindrud. In allen 
drei Geftalten fallen der Kirche und ihrer Herrſchſucht fehr 
edle Opfer. Dffenbar Tündigen fi Begabung und Berftänd: 
niß der tragiſchen Foderungen in biefer Arbeit an, wenn wir 
auch Geftalten wie Sinan, und Scenen wie die zwifchen dem 
Zuden und Ritter Barred im legten Acte für verfehlt halten 
müffen. Schön ift befonderd des Ritters Entrüftung über den 
ihm von feinem Pöniglihen Freunde angefonnenen Meuchel⸗ 
mord an feiner Feindin Ingeborg: 
König Philipp! 
Was war mit mir! Die Kinderjahre kommen 
Mir wieder — aberivigige. Gedauken, 
Berwirrte Schredenbilder, im Gehirn. 
Des Kaaben aufgeftiegen! War mir's body, 
Als wäre Giner hier geivefen, ber 
Zum Meucdelmorb mid dingen wollte! Nein! 
Es waren nur Gedanken, welche ſich 
Ergögen an des Herzend Beben u. |. w. 

Das Schaufpiel „Der Egoift‘‘, in’ fünf Aufzügen, ift ung, 
wir geftehen ed, unverftändfich geblieben; indem Baron Aſſer 
doch wahrlich Das nicht ift, was wir gewöhnlich einen Egoiſten 
nennen, vielmehr ale ein Pant, ein Geck bezeichnet werden 
muß, während Altmann, fein Alter Ego, nicht mehr und nicht 
minder als ein Schurke vom reinften Wafler ift, daher auch 
nicht zum Bilde eines Egoiften paßt. Oder follte Cantor Borr⸗ 
mann etwa der wahre Egoift fein, trog aller feiner Herzens: 
güte? Der Berf. möge indeß fortfahren; er bat in den beiden 
erften Arbeiten willkommene Proben von Zalent gegeben.‘ 

58. Marianne. Ein Weib aus dem Volke. Gemälde aus dem 


Volksleben in fünf Acten, von Dennery und Mallian. 
Deutih gen ©. Drärler: Manfred. Darmftadt, Kern, 
. 8 r. 


h. Wangenheim. Kaſſel, 
1Ihlr. 


Dies dramatiſche Blutgeſpenſt begegnet uns hier zum zwei⸗ 
ten male in einer von Drud: oder Sprachfehlern wimmelnden, 
elenden Überfegung, die dem Namen des achtbaren Verf., den fie an 
der Stirn trägt, wahrlich zu geringer Ehre gereicht. Apollo 
behüte alle deutſche Bühnen gnadiglich vor folder Waare! 


59. Die Freierei im Policeihaufe. Driginalluftfpiel in fünf Ac⸗ 
ten, von Bernhard Werner. Darmftadt, Kern. 1846. 
Gr. 12. 18 Ror. 

Wir haben Mühe zu glauben, daß, wie doch wahrfchein- 
lich der Fall ift, der Verf. dieſes Luſtſpiels und der des unter 


7 


Re. 52 ‚erwähnten Zrauerfpiels eine und diefelbe Werfen fi 
Bon den verjchiedenen Mequifiten eines guten Luſtſpieis, as 
ba find: Neuheit der Situation, frifhe Erſindung, Cleyay 
ber Gedanken und der Sprache, Wig, fittliche Tendenz un 
Charafterzeihnung, ift eigentlich keines vorhanden ; und ur. 
brauchte Späaße gegen die Policei, triviale und oft gehirt 
Cinfälle und alte, längftbefannte Situationen vermögen in u: 
ern Augen doch Fein Luftfpiel gu bifden. Bor allen Dia 
heint uns zur Hervorbringung eines folgen eine That ia 
Gefinnung, was fo oft völlig überfehen wird, erfoderlih p 
fein, oder um es vielleicht deutlicher zu fagen: in der Fake 
felbft muß fich eine fittlihe Denkart manifeftiren. Wir haltın 
dies Erfoderniß, das unfers Wiſſens von Beinem kritiide 
Handbuche als ein es aufgeftelt wird, nichtsdeſtoweniget 
für ein ganz unerlaßliches, und wenn es auch für ji ak 
nicht genügt, claffifche Luftfpiele hervorzubringen — wie bi 
fpielsweife Goldoni uns zeigen fann —, doc für dasjenige 
Element, das Seinem claſſiſchen Luftfpiel fehlen darf, und ag 
welchem 3. DB. der bleibende Nachruhm Moliere's beruht, un 
beffen Mangel Poeten wie Kogebue, Scribe und die yrk 
Schar der Reufranzofen und ihre Nachahmer zu dauerntm 
Ruhme nicht gelangen läßt. Auf einen folchen höhern Rı 
ftab macht das vorliegende unbedeutende Luftfpiel nım al 
dings gar Feinen Anfpruch, wenn auch das Verhoͤr Balthujırı 
ergöglich ift und die Lachmusteln in Bewegung fekt. 


60. Sefammelte dramatifche Werke von Roderih Benebir 

Dritter Band. Leipzig, Weber. 1846. 8. 1 SH. 15 Rx. 

Ia, wir zweifeln, daB felbft dem Verf. diefer Drama, 
ungeachtet feine befanntern Namens, das Vorhandenſein rm 
ſolchen äfthetifchen Foderung deutlich geworden fei, und win 
den uns kaum wundern, wenn auch er fie entweder ignerick, 
oder fie für eine müßige und überflüffige Spitzfindigkeit erklärt. 
Der Stoff des Luftfpiels ift auch bei ihm, ‚wie bei der Re: 
zahl unferer Luftfpieldichter, ein rein äußerlicher, und die cigat 
lihe Bedeutung der Komödie geht auch bei ihm völlig verlrer 
Das Mores castigare ridendo ift nur wenig beachtet, mean 
Lachen zu erregen das hoͤchſte Biel des Poeten bleibt. Ei 
anderer großer Fehler der Mehrzahl unferer heutigen Luz 
dichter befteht .darin, daß fie ſich Doch allzu wenig mit Den br 
kannt machen, was von der Gattung ſchon in der deutſchen— 
teratur vorhanden ifts wir hegen wenigftens zu dem Bar. di 
Vertrauen, daß er, hätte er gewußt, daß die meiften Ama 
feines „Alten Magifter‘ bereits in unferer komiſchen Literatz 
gegeben find, Diefen ganz ungefchrieben gelaffen haben märk. 
Allein, fo gefihieht ed: die Unkunde glaubt RNeues zu briga 
und wiederholt nur das ſchon vielfah Vorhandene. Tirt 
Fehler ift eigentlich gar nicht zu entichuldigen, denn er zu 
entweder von Untreue gegen das Publicum oder von einer mft 
F rechtfertigenden Rachlaͤſſigkeit im poetiſchen Beruf. Is 
chlimmſten aber wäre es, wenn dadurch die Kritik felbf a 
einem Irrthum veranlaßt werben follte. Das Luftjpiel „DT 
Stebrief”, in drei Aufzügen (1843), bietet eine große Br: 
wandtfchaft mit dem eben angezeigten Werner’fchen Stüde der 
und hat etwa denfelben Werth. „Der Liebestrank, oder: Di 
neue Erfindung”, Poffe in drei Acten, ift Das, wofür fe ih 
gibt, jedoch ohne den Feen Humor Raimund’s oder Re 
ftiroy’6, und „Der alte Magifter”, Gchaufpiel in vier Lat‘ 
gen, ift ein breiteres Pendant zum „Armen Poeten“ und mr 
zig aͤhnlichen Sachen. 


61. Dreißig Jahre aus Rapoleon's Leben. Dramatiſcht⸗ &: 
mälde in ſechs Abtheilungen. Nach dem Franzöfiher det 
Alerander Dunas von W. Schütz. Erfurt ' 
1845. Gr. 8. I Zhlr. | 
Es Tann Fein Verdienft dabei fein, eine fo alte Arbeit T- 

mas’, die obendrein zu feinen allerfchlechteften Hervorbring:” 

gen gehört, vieleicht zum zehnten male ins Deutfche au u 

tragen; die bloße Anzeige eines Joldyen Unternehmens mu N 

ber genügen. 


‚m 











1327 


63. Sammlung der beften neueſten franzöfiihen Bühnenjtüde 
in deutfchen Übertragungen. — Siogenes. Luftfpiel in fünf 
Acten nebſt einem Borfpiele, von Felix Pyat. Nach dem 
Beangöfifipen von U. Diezmann. Leipzig, Zeubner. 
1846, 8. 15 Ror. 

Re. wünfhte, der Nerf. hätte für feine willkommene Lei: 
flung einen andern Zitel aufzuftellen vermochte, nur zu dem 
Zwecke, damit biefelbe, wie fie e& verdient, ind Auge falle und 
nigt mit der großen Maffe franzoͤſiſcher Übertragungen ver: 
mifcht werde, welde das Jahr erzeugt und das Jahr ver: 
khlingt. Das Luftfpiel „ Diogenes” ift eine fo ausgezeichnete, 
dem Claffiſchen fo nahe flehende Arbeit, und erſcheint bier in 
einer fo forgfältigen und mufterhaften Überfegung, daß wir 
gern alle Freunde der echten Dramaturgie herbeirufen und fie 
auffodern möchten, fich mit uns an diefer trefflichen Leiftung 
wm erfreuen, in welcher &eift, edle und poetiſche Intention, 
Berftändniß und Geſchmack ſich zu feltenem Bunde die Hand 
eigen. In fo runden, in ſich fertigen und gefchmadvollen 
Productionen find die Franzoſen doch wahrlich noch immer 
infere Meifter ; diefe Erbfchaft ift ihnen aus einer einft für 
laſſiſch anerkannten, obwol nun viel gefhmähten Kunftperiode 
venn doch geblieben. Unter dem Bilde des fittenverdorbenen 
Athen gerßelt der Verf. die Sittenverderbniß der Welt über: 
yaupt, wie fie mit der Überfeinerung im engen Zufammenbange 
teht; es iſt nicht eine einzelne, befondere Schwäche, gegen wel» 
be er feine Geißel ſchwingt, fondern der Berfall und die Ver: 
öhnung des Moralgeſetzes überhaupt; und dabei ift Athen — 
Paris, und unter dem Bilde von Griechenland fehimmert das 
on Frankreich hervor. In diefer Maſſe gleich larer und gleich 
erderbter Menfchenfeelen — Alkibiades, Klinias, Rikias, Thu⸗ 
ydides, Demoſthenes, Klito, Lufippos, Georgias, Hyperboles, 
nd wie fie Alle vom Dichter und Weltweiſen herab bis zum 
Straßenräuber und offenen Diebe heißen — erſcheinen an den 
eiden Endpunkten der Sefellichaft, im böchften Glanz und in 
ieffter Riedrigkeit, zwei Geftalten, die fich lieben, ja fich 
eben müffen — deshalb, weil fie nicht find wie Die ans 
en alle; dieſe find Afpafia, auf ber höchſten Gtufe des 
Beitglanzes, und Diogenes, faft nadt in feiner Zonne. Dies 
der Grundgedanke des Verf. Schaut ihn an, ihr jungen 
Kamaturgen, Bier ift die echte Poefie des Dramas. Bu die: 
r trefflihden Erfindung der dramatifhen Thatſache tritt 
ne ebenfo geiftreiche als gefchickte und kunſtmaͤßige Durch⸗ 
drung. Zuerſt, in einem Borfpiel, tritt der junge lebens⸗ 
uthige Zumanderer, Diogenes, auf; er will Alles fein und 
un, der Welt auf allen Wegen nügen, ein junger, faft deut⸗ 
ſer Tugendenthufiaſt. Er will das Baterland vertheidigen: 
ı trifft er auf Den tapfern Stelsfuß Kynegiras, den der Staat 
thungern läßt; er will Handwerker fein: da begegnen ihm 
wbende Handwerker; er will ein Dichter fein: da Plagen So⸗ 
wiles’ Zöhne den Vater des Irrfinnd an; er will ein Künfl: 
et werden: da hört er von Phidiad, der im Gefängniß 
Imachtet ; ein WBeltweifer: da fiehbt er Sokrates zum Tode fuͤh⸗ 
n, ja endlich plündern den Ratblofen die Straßenräuber. Da 
ktet er fi in feine Zonne, will Nichts fein, Nichts haben, 
ichts lieben, Nichts haften. So beginnt das eigentliche Luſt⸗ 
tel: das Sittengemälde, das ſich nun vor uns entfaltet, die 
hmeichelei der Macht, die Üppigkeit des Befigenden, das 
tderben des Armen, der Geift der Intrigue und des Ber: 
the, die Käuflichkeit und Beftechlichkeit der Amter, kurz, die 
gemeine Entfittlidhung, die wir im Kreife der fhönften Frau 
— der Alles huldigt, hier vor uns ſehen, iſt ebenſo ſchoͤn, 
ch und mannichfaltig als ergreifend. Aſpaſia weiſt Alle ab, 
u Alle gleich ſchlecht find; ſelbſt Alkibiades, der in aller⸗ 
oſten Scenen mit feinem Vater um ihr Herz ringt. Sie 
t Diogenes geſehen, und unter feinen Lumpen die edlere 


enſchennatur heraus erkannt: fie kann fortan nur ihn lieben. 


e Intrigue ſchreitet zu einer Anklage gegen fie: Afpafia ſiegt 
b bietet Diogenes Herz und Hand. Des Einzelnen in die 
fhönen Arbeit ift bier kaum zu gedenfen: es bieten fi 


⸗ 


meiſterhafte Satiren auf Volkeregierung, Volkswahlen und Der⸗ 
gleichen dar, wechſelnd mit Fand 5 dichterifchen Gedanken 
uber die Allmacht ber Liebe im affen und Verwandeln. 
Hier müffen wir fehlleßen, aber Dichter und Überfeger mögen 
unfern beften Dan? hinnehmen. 


63. Kö und Guſte. Poſſe in einem A . { dem 
Branzöffhen je W. Fr ied ri ug Bee m 
846. 8, 5 Rgr. 


So kecke und derbe Späße wie biefer werben von und 
niemals gering geachtet; auf die Volksbildung üben fle ohne 
age einen wohlthätigern Einfluß aus als bie Iarmoyante 
ttung franzöfifch · fentimentaler Dramen oder als die tragie 
fhen Ungeheuer „Vampyr“ und „Saleerenfllanen”. Wir ernflen 
Deutſchen aber, etwas trübfinnig von Natur, Pönnen noch ims 
mer vielerlei fo ergögliche Derbheiten des Auslandes gebrauchen, 
ehe wir das Leben leichter und frifcher nehmen werden. 


64. Oftreichifches Bolkstheater. Yon Kari Haffner. Drei 
Tänne Leipzig, Ph. Reclam. .1845—46. 8. 4 Ahlr. 
5 Rgr. 


Ratur und Charakter der wiener Vorſtadttheater find hin⸗ 
reichend bekannt, und bei den Meiſten, die jene Theater be⸗ 
ſucht haben, in ſo guter Erinnerung, daß wir die Elemente 
nicht erſt hervorzuheben noͤthig haben, welche die dort zur Dar⸗ 
ſtellung kommenden Dramen von einem wirklichen deutſchen 
Volkstheater in ſich enthalten. Wir beſitzen in ihnen etwas 
den italienifhen Maskenſtuͤcken, den franzöfifchen Vaudevilles, 
den engliſchen Punchſcenen Ahnliches, und zwar ftehen fie mit 
dieſem Charakter in Deutfchland allein da. Auf den nord» und 
weftdeutfchen Theatern find diefe Stuͤcke daher auch mehr oder 
minder Fremdlinge. Der Verf. diefer Dramen ift nun weder 
fo poetify wie Raimund, noch fo derb und glüdlih im Er⸗ 
finden wie Reſtroy: allein feine gute Laune erfreut uns body. 
Unter den dramatijirten Volksmaͤrchen find „Das Marmorherz”, 
in drei Aufzügen, „Der Tod und ber Wunderdoctoͤr“, in drei 
Acten, „Die Ehränenquelle”, in zwei Aufzügen, „Der Stod im 
Eiſen“, in vier Arten, gut gearbeitete und gefälige Erſchei⸗ 
nungen. Minder loͤblich find uns die Charaktergemalde: „Bes 
ter Kranau“, „Die wiener Stubenmäbdhen” und ‚Der wilde 
Jäger” erfchienens befonders befaßt ſich das erfigenannte allzu 
fehr mit der leidigen franzöfifhen Sentimentalität, die bei ei- 
nem entfprungenen Räuber ctwas jeltfam auftritt. Die Phan⸗ 
tafiebilder: „Asmodus“, eine Promenade durch drei Jahrhun⸗ 
derte, und „Der Zeitgeift”, in drei Ucten, kommen uns aber 
doch etwas zu dreiit und formlos vor, wenn auch die Gattun 
ganz unterhaltend iſt. In den Gefängen und Liedern wird o 
der komiſche Kern vermißt, dur den Raimund und Neſtroy 
fo wirffam zu fein pflegen; Manches aber nimmt gar einen 
ernften Anlauf und verdirbt damit allen und jeden er. 


65. Dichtungen und dramatifche Scenen von Lotte Luife 
Kraufg. Schweidnig, BWeigmann. 1845. Gr. 8. 20 Nor. 
Dffenbar ift die Verf. dem Berufe nicht gewachfen, dem 

fie fih gewidmet Hat, und da fie wol von fich felbft nicht be» 

haupten wird, daß ihr die dramatifche Aufgabe klar geworden 
fei, ja, da fie felbft mit der deutſchen Grammatif noch nicht 
aufs Meine gekommen ift und in der Iyrifchen Poefle nicht über 
das Gelegenheitögedicht hinausbiidt, fo kann fie für ihre Ver: 
ſuche auf Beahtung von Seiten der Kritik weiter keinen An: 
fpruch machen. So unfertige Gaben gehören hoͤchſtens einem 
Kreife von Freunden, nicht aber der Literatur überhaupt an. 


(Die Zortfegung folgt.) 





Noch ein Urtheil über Chefterfield und 
feine „Briefe”. 
Richt in England allein kettet fi) an den Ramen Cheſter⸗ 
field der Begriff feiner Lebensfitte und Abgefchliffenpeit, erin⸗ 


" Uets unbefangenen Gefiyiägugen 


1328 


in, eine gervinnende Erſcheinung, Abet bei näherm Be⸗ 
achten ein unliebenswür enſch. Ran fieht in ihm ei» 
nen Mann von mittlere Groͤße, in geſtigter Dofuniform und 
dem blauen Bande des Hoſenbandordens, mit regelmäßigen, 
ügen. Weine Enrede iſt verbind⸗ 

feine ung tadelled. Gr lacht nie, aber duch nie 
weicht ein böfifches Lächeln von feiner Lippe, und hat er den 
NAreis der Gefeliſchaſt Durdigangen, ift det große Zweck feines 
Zageseßegeiged wreiht: — alle Frauen hat er halb und hulb 
wennen, jeber Mann wünidt fein Freund zu fein. Buß 
Cheſterñeld ein Staalsmann ern Redner und 

om Gchötigeift, Das hängt nicht an feinem Ramen. Die 
MWBenigften willen, daß Ver Heine, geſchmeidige Marin einer dee 
beiten Lords : Birutenant von Irtand, der beſte Mebner im Dber: 
hauſe und feiner Brit einer der gerwandteften Schriftſteller und 
ber wigigfte Menfh war — zu einer Zeit, wo Witz Mehr hieß 
ats ein Luftiger Einfall oder ein glänzendes Bonmot, und bie 
vornehmften Leute feinen höhern Stolg Tannfen Als zu Mitta 
bei Swift, Abends mit Addiſon gefpeift und einen Tag au 
Popens Bike in Ervickenham verbracht zu haben. Was müßte 
der ziertiche, beredte und Kiterarifch gebildete Graf empfinden, 
Time er zurüd dus dem Grabe und überzeugte fi, daß die 
Wentgften nur von ihm wiſſen und es der fchte Stügpunft 
feines Namens und feined Rufes ift, daß er vertraute Briefe 
an feinen Sohn gefdrieben! Mindeftens einmal in feinem Le: 
ben würde er dann gewiß aus vollem Herzen Dem bie Hand 
ſchutteln, der ihm aufs neue Anerkennung zu verſtchaffen fucht 
durch das Wer: „The Letters of Philip Dormer Stanhope, 
Barl of Chesterfield; including numerous' letters now first 
published from the original manuseripts. Kdlted, with no: 


& er an einen Mann von geägiäfem Mußern und ciäfaltem 
tt 








tes, 3 Eord Mahon.” (4 Bde., London 1845.) Ohne daß 
birfe Sa 


mmiung viel Neues bringt, bringt fie doch alles Ber: 
geffene, und.die „zahlreichen, jegt zum erfteii male nad Drigi- 
nufbantfchriften abgedruckten Briefe” ‚Jaben jedenfalls das Wer: 
dienft, den Inhalt ſchon gefanntet Briefe j betätigen. Aber 
doppelt dankenswerth, weil erläuternd und berichtigend, find 
die „„Notes”‘, die Anmerkungen des Herausgebers. Sie ſollen 
bem: Grafen in Feiner Hinfiht die Brüde treten; nur fälfche 
Beurtheilung follen fie verhindern und gegen ihn Fuß gefaßtes 


— zuruͤckweiſen. Der aufmerkſame Leſer findet dann ſelbſt 
die Stelle 


heraus, welche dem Grafen als Staatsmann, als 
Literat, als Sittenlehrer und als Menſch gebührt — in Peiner 
der vier Beziehungen eine niedrige. Da die Briefe Cheſter⸗ 
field's an feinen Sohn faft ausſchließend fein Gedaͤchtniß erhal: 
ten haben und fortwährend flreng über ihn zu Gericht figen, 
fo wachen ſich werigftens in ihrem Betracht einige Worte 


n n 
Was den Briefen namentlich und am haͤufigſtenn vorge: 


worfen wird, iſt, daß fie Unſittlichkeit empfählen, Verſtellung 


lehrten und für das Leben in der großen Welt mehr Gewicht 
auf. äußere Formen ald auf innern Werth legten. Die erſte 
Anklage ſcheint infofern gegründet, ale es nicht. eben Moral 
redigk, einem jungen Manne zu rathen, für den Unterricht 
in der Kunft zu gefallen mit einer verheiratheten Frau eine 
liaison angubnüpfen. Lord Madon erinnert aber mit Recht, 
daß bei ſolchen Stellen die befreffende Zeit und die betreffen: 
den Perfonen in Erwägung zu ziehen feien. Cheſterfield lebte 
in einer Zeit, wo die angeſehenſten parifer Damen indgefanmt 
mehr oder minder galant waren, der Genuß einer gewiflen 
Freiheit ihnen ein wohlerworbened Recht galt, und der Ehe: 
mann, der fi) Dem widerfegt, ein Ungeheuer geheißen haben 


‘8 eigene Beichügerin hatte in Geſellſchaft 


würde: 
aefagt: „Il lui faut necessairement une passion, et s’il ne 
m’ett juge pas digne, nous lui en chercherons quelque au- 
tre.“ Wiſſend nun, daß ein’ junger heißblütiger Menſch, der 
in Paris Feine „liaison” habe, muthmaßlich in ſchlechtere Hänte 
fallen werde, während eine ſolche liaison ihm Feinerlei Mäch 
theit bringe, empfahl er als Weltmann — von zwei Übeln das 


Yeläkee. ÜRehe Bük is müge jü vertseien. Mr be gu. te 
Hage exwidert Der Dan et, .daB. die von Check y: | 
ich EL elung, ke Wahrheit be 


von jedem guden Anne geübte Anſichhalten betrefe. & 
bie dritte An 
ee der Briefe ſhon deshalb Fein unvermeibbärer, folkd 
die Gefahr Eeine große fein Fonne, weil Derienige, an win 
der Mater fle gerichtet, fich eh ‚unermüdet im 
nügliher Kenntniffe als bis zum 
feinem —— rciailer Il 4 

. Wenn deſſenungeachtet der Seraydgeher. erklärt, dab, va 
daB yichlige er fen der PN eh —5 — Kante 
und Eebenserfahrung erfodere, nur Diejenigen, deren Gruntüig 
feft_ und deren * reif, „fie mit vollem 2 um 
Neil leſen könnten, ſo wird ihm daxum wol Riemant e; 
derſprechen mögen. Auch eine Stimme im „Bdinburgh rerien 
(Detober 1845) thut es nit, feht aber Hinzu: „Dagegen it. 
ten wir jeden Vater, der feinen Sohn für das öffentliche dr 
ben Bilden will, dieſe Briefe zu ſtudiren. Sie enthalten Bu 
188, was ebenfa ſehr wegen kind Ausdrucks ald wegen fi 
tiefen Sinned Bewunderung heiſcht, Stellen, die einen Bauk 
foucauld zum Kachdenken zwingen. und einem Labruptre Bm 
cherung feines Wiffens fein. wurden...  ... 

Schließlich auß den zum erften male veröffentlichten Bu 
fen eine der ‚mehren Verhaltungsregeln beim Geſpraͤch: 
den Leuten mit denen du redeſt ftetb in bie . 
bu es nicht, ſieht ed aus wie ein ſchuldiges Gewillen. De 
dem verlierft du den Vortheil, ihnen in den Augen Be 
welchen Eindrud deine Unterhaltung auf fie madt. Un u 
eigentlichen Gefinnungen der Menſchen zu ergründen, verttät 
id beiweitem mehr meinen. Augen als ‚meinen Dbres & 
Tönnen Alles fagen, was fie mid) hoͤren laſſen wollen 1a 
fie können felteh mich nicht fehen laſſen, was id nah je 
Wunſche nicht wiffen fol.” 

Bibliographie. 

Appert, B., Erinnerungen qud ‚meinen Krlebnijin = 
Hofe Euonolg Pbifinp, aus den Zeiten des Kaiferihi = 
der Neftauration.. Deutfch herausgegeben nom Berfalr = 
©. Ploetz. Drei Bände. Berlin, Berliner Literatur: cm 
tot. 8. 3 Thlr. 15 Rgr. .: . F 

Cruſenſtolpe, MJ. v., Earl Johann und die &4& 
den. Hiſtoriſche Skizzen. Aus dem Schwediſchen. Ste Ir 
Berlin, Morin. 8. 1 IH. 15 Nor. -. . 

Graf Rudolf von Rohenſtein der Weibermörter. © 
Ritter⸗ und Geiſtergeſchichte vom Berfafler des Rüden K 
peiligen Jehme ic. Zwei Baͤnde. Leipzig, Lierariſches 9- 
eum. 12.. r. a . 
Karſten, $-, Grundiehren der populären pretehus: 
ſchen Dogmatik für gebildete Proteftanten, zum BVerjlärtz! 
der Firchlichen Kragen der Gegenwart, in ‚Borlefungen üct 
proteftanti mus und Kirche. Roſtock, Stiller. 1817. Ge” 

Thlr. IR 


Küngb era, H., Das Recht der Deukfe 





chen. in jeinm $ 
ſchichtlichen Grundlagen und feiner Korkbildung unter 
Stuttgart, Hallberger. 8. 2 Thlr. 20 Rgx. i 

Loebell, J. W., Weltgeſchichte in hriſen und Aus 
tungen. Iftet Band, Leipzig, Brodhaus. Gr. 3. 2 IH 

Manufrio der Rauberhauptmann, und bie ſchöne Kat 
rin, vom Verfafler ded Gevatter Tod. Leipzig, Literanide 
Mufeum. 12. 15 Ror. \ u 

Marx, K.F.H, Zum Andenken as Dr. Joh. Suegiü 
k. Hannov. Obermedicinalrath und Leibarzt. Göttisge 
Dietörich. Gr. 8. 25 Ngr. 


Berantwortlier Yeraußgeber: Heinrich Wroddans. — Drud und Werlag von F. X. Drockhans in Beipsig. 


Sonntag, 


; Dramatifhde Büdherfdhau. 
- Bierter und legter Artikel. 
. (Bortfegung aus Nr. 332.) 


- 66. König Heinrich IV. von Deutfchland. Hiftorifches Drama 
in fünf Ucten von Dito Prechtler. Wien, Klang. 
1846, 8. 0 Rgr. 

Die Leidenſchaft König Heinrich's non Deutfchland für die 
Sräfin Emma v. Gpatenberg ift barum ein reicher tragifther 
Stoff, weil fie bei dem leidenfchaftlichen und eifernen Fürften 
die —— ap zum Bruche mit dem Reiche wurde, welcher 
Heinrich an den Rand des Verderbens führte, und der 
_ dann wieder, indem ber König fi) mit eigener Kraft aus der 
.  füßen, aber verderblichen Feſſel befreite, feine Umkehr und feine 

„ Würftengröße wach rief. Diefer ſchoͤne Stoff ift jedenfalls in 
‚.eine fähige und geſchickte Hand gefallen: der Berf. hat daraus 
. ein großen Lobes würbiges hiſtoriſches Drama geftaltet, das 
 fowol Derjenige mit Belriedigung durchlieft, der darin nad 
dem Kunftgefege fucht, als Der, welcher blos einer anzichenden 
dramatiſchen Action nachgeht. Gegen die Führung der Fabel, 
gegen die Zeichnung der hervorftechendfien Charaktere, vor Al: 
lem des eifernen, willensftarken Könige und feines ſchlauen 
Widerfachers, Kurfürft Hans von Köln, feines Freundes Kob: 
beim, Emma’s und ihrer Mutter und der Sachfenführer, ift 
durchaus Fein Einwand zu erheben; wir haben es überall mit 
einem kundigen Poeten, der feines Stoffs völlig Herr ift, zu 
thun. Bein Ausdrud zeigt ſtets ein ſchoͤnes Maß, War: 
benreichthum und poetijche Begabung, und bewährt und be 
hauptet fi felbft da, wo die Übergänge aus der politifchen 
Erregtheit in die Zärtlichfeit des Liebenden bei Heinrich ein 
ſch lüpfriges Zerrain darboten. Die Arbeit ift nach allem Die: 
fern mit Recht als eine gelungene zu bezeichnen und wird, da 
fie ſich aud für die Darftellung vollfommen eignet, hoffentlich 
das Luftrum ihrer Entftehung überdauern, was denn in Deutſch⸗ 
land fon für einen großen Erfolg gelten muß. Schön ift 
vorzüglid Emma's Entfagung, die in gleider Lage mie in 
derer Drama von Wangenheim Agnes v. Meran, von Heinrich 
fich löfend, ausruft: 
Emma. 


Auch ich bin fehuldig, Heinrich! 
Was ich, die Tochter ſtiller Einſamkeit, 
Erſt ſpaͤt erkannte, ihr erkennt es auch — 
Ihr muͤßt in dieſer Stunde es erkennen: 
Deutſchland hat keinen Segen fuͤr dies Buͤndniß, 
Und unfre Liebe keinen fuͤr dies Band. — 
Was halt’ ich dich, den Millionen rufen, 
An meiner Bruft ſelbſtſuͤchtig liebend auf? 
Mein, an dad Herz des Waterlanded, dem 
Ich dich entfrembet, geb’ ih dich zurüd. 

Ind weiter: 

Ein Opfer heilt die Zukunft beined Volls. 
Bernimm die Stinnne aus des Vaters Grab: 


Blätter 


literariſche Unterhaltung. 


AT Kr. 333, ö— 


trefflichen Sonette der Einleitung; z. 





29. November 1846. 





Vollende, Heinrich, was ich kuͤhn begonnen; 

Deutſchland ſei einig, groß durch einen Herrn. 
Mit den Worten Heinrich's: 

D, welche folgen Traͤume rufft du auf! 
beginnt denn feine Wiedergeburt, die zu allgemeiner Huldigung 
des „neuen” Heinrich's, als deutfchen Kaifers, führt: 

Heinrich. 

Ich falle dich, du Krone meiner Vaͤter, 

Und neues Leben zuckt durch meine Bruſt. 

Vom Duft des Weihrauchs klaͤre ſich der Äther, 

Und müßt’ ich ſelbſt, des hohen Ziels bewußt (?1, 

Fuͤr ihre Unabhängigkeit auf Erden 

Der Märtyrer der beutfhen Krone werben! 


Der Berf. Bann auf Antheil und Beifall rechnen, wenn er 
uns neue Arbeiten in dieſem Geiſte bietet. 


67. Johann Huß. Srauerfpiel von D. R. Gies. Dresden 
Arnold. 1846. 8. 24 Ror. 


Es gereicht Nef. zur Freude, einer lobwürdigen Leiſtung 
eine lobwürdigere folgen laffen zu Pönnen. Das Thema im 
„Huß“ ift dem in dem eben angezeigten Drama an Macht 
und Gewicht noch überlegen; ein &toff, der nicht diefe ober 
jene Fürftenfamilte, nicht dies oder jenes einzelne Land, nein, 
der die Menfchheit im Ganzen angeht, der fi in die Welt ber 
Gedanken verliert und mit der hoͤchſten aller Kehren: „Be: 
winge dich felbft, fei mit deinem Sein und Haben ein Dpfer 
Kür die Wahrheit und Die fittliche Menſchheit“, endet — ein fol: 
her Stoff muß an fich über das hiftorifche Drama binaußrei: 
hen und in der reinen Tragik ausgehen und fi) löfen und fi 
verflären. Und fo bat der Dichter denn auch feinen Stoff er⸗ 
faßt und durchgearbeitet. Schon darin, daß er, außer in dem 
Gharakter der Gemahlin Kaifer Sigmund's, alle Leidenfchaft 
ausſchließt und durchweg den Zon ded gemäßigten Pathos, wie 
er in Goethe's Dramen fo überaus fiegreich hervortritt, feft- 
hält, joon darin zeigt fih ein echter Beruf, die Kenntniß und 
die Übereinftimmung mit dem Geſetz des Schönen. Die fefte 
Zeichnung der Handelnden, die Sicherheit, welche ihn, indem 
er ganz ungeziwungen und natürlich fpricht, ſtets das Rechte 
fagen läßt, ſodaß uns dünkt, es könne gar nicht anders gefagt 
werden, und endlich die befonnene und doch fo fpannende Fuͤh⸗ 
rung ber dramatiſchen That — hier eigentlich der Entſchluß 
Kader Sigmund's —, alles Died gibt diefer Tragoͤdie einen 
ausfchließlichen Charakter: es ift die innerfte und innigfte 
Harmonie zwifchen Stoff und Form, Inhalt und Geftaltung 
befielben. Unter den biftorifhen Tragödien diefer Überfiht wür⸗ 
den wir, wäre es unfers Berufs, einen Ehrenpreis zu erthei- 
len, nicht anflehen, ihn dieſer Leiftung zuzuerkennen, welche 
uns den idealen Begehrungen und Bedingungen der Kritif — 
Alles zufammengenommen — am nädften zu konmen ſcheint. 
Bon der poetiihen Begabung des ger. zeugen fon die 








Bon dem Wege, wo bie Wagen vollen, 
Flieget Staubgewoͤlk Heut’ in bie Lüfte, 
Morgen finten feuchte Nebelduͤfte, 
Wolken ziehen und Gewitter grollen. 
Um den Lebensweg auch oft entzollen 
ollgn fi, were er hurch Band and Gluͤfer 
f xt zu dem Irapr'gen CM ber Sch 
o wir enblich Ale wohnen follen : 
Über hinter Erdendunſt und Staube 
Liegt ded Weltalls wundervolle Schöne. 
Und der Geiſt, den finf’rer Aberglaube 
Fruͤh umwoͤlken mödte, nimmer feöhne 
Gt dem Nebsltild, den Dunſt und Staube, 
Daß ein gold'ner Himmelsftrahl ihn kroͤne. 


Es iſt vielleicht ein Mangel in der Uuffaffung des Seckts 
daß und Huß von vornherein mit abgeſchloſſener Redynung, 
des Todes gewiß und zum Sterben 
matifche Interefie verlor dabei; allein indem der Pathos ſich 
verminderte, trat ein ruhiger Gang der Handlung hervor, und 
das Pfochologifche wurde Das überwiegende Moment im Stüd. 


ed Element ift denn guch trefflich ſowol in Huß wie in Rai: 


er Sigmund zur Barfelung gekommen. Huß weiß, daß er 
erliegen muß. Gigmund will, daß er frei nah Böhmen heim: 


kehre, zur Ehre feines Faiferlihen Wortes; allein die Gewalt - 


der Umftände reißt den Kaffer wie das Opfer feined Wort: 
bruchs hin. Bortreffli find denn auch Die beiden mit der 
Handlung Yofer oder enger verknüpften Epifoden: die Abfegung 
und Gefangennehmung des Papftes Balthafar Eofla, Huß' ur: 
fprünglichen Feindes, und die Mitſchuld und der 
ronymus’ von Prag, Deflen kurze Untreue eine fhöne Buße 
übe. Sprache und Ausdruck find durchweg reich, poetiſch, 
und durch eine gewiſſe verklaäͤrte Muhe dem Soethe ſchen Slil 
in der Tragodie nahe gebracht. 


fhema unfeter Beit, das äffentliche Serit, nicht r pre: 


hen als Huß (8.31) thut, da thm verkündet wird, ‘Der Raifer, 


am.Beit zu gewinnen, bagehre für ihn ein üffentlih Gericht: 
' : 9u. 
.. . Hffentlch 
O, Dead ti viel — Das gibt air wieher Haffnung. 
Gedheim — es if ein fhredlih Wert! Getheim 
VDeſchieht, was Laſter und was Saͤnde thut. 
Bes ſchungt durch aufgehäufte Actenſtoͤße 
Sich in Milllanen feſt verfäkung'nen Knoten 
MDes Moſſes ber Werlsumbuag ſchwatzer Rame: 
Unb wehrios ſteht, den furchtbar ſie gefaßt, 
Saaͤrat an jedem lieb durch gifd’ge Minge, 
Und Memandb hört ben Xen, der Mettung xufl, 
Deen tief im ‚Kerker ſchmathhtet der Umsfizite. 
Mir graut, ven? Ah am dies ‚„ABehelm". Mod offen, 
Werl wie das Bit der Some If die Kahrhekt, 
Die Tugend. . . . 
Bm Worte „Diifien Negt der heilige Schut 
Des Blrgerd — o, Died „Dflentiih”, ed giht 
Die ganze Kraft der Besie, gibt bie Lraffinung, 
Des Ledens ſuͤde Hoffmung mir zurüd. 
SHhLlum. 
Du boffeft mol zu viel von dieſem Wort, 
Die Väter haben dich fen lang’ verurteilt... . 
.. . Offentlich — Geheim — 
Die Gadye bleibt diefeibe. ... - 
Suß. 
..- Rein, mein Freund! 
Dieſelbie Kleibt fie nit. Die Wahrheit ft 
Srwaltig. . . - 
Ich werke ſterhen — anders aber wird 
Der Weg zum ode fein und anders mein Gedaͤchtniß. 
Sie werden den Sedanken meinsr ‚Seele 


bereit erfheint: das dra: 


rtod Hie⸗ 


Man Bann für ein Lieblings: ' 


Nicht in den bieiernen Sarg — in dies Geheim, 
Begraben — frei und mädtig wird er wanbeln 
Durchs deutſche Land und durch die Länder alle... . 
Es iſt was Großes, iR was Riefenbaftes 
In dieſem Glauben, daß man leben werde 
In fernep Landen und in ſexnen Zeiten. 
Es meicht der göltlihgn egemunart... 
Enprum. 
. 0. Der Kampf iſt gar zu ungleid. . . . 
Suß. 
Und dennoch fiegt fie; dennoh muß fie fiegen! .. - 
Behängt die Lüge ganz mit feinen Schellen, 
Stimmt fie zum Ginklang, freut eu ihre Spiel — 
Freut eudh der Harmonie — ein Wort der Wahrheit 
. Zerxxcißt bie koͤntlichen Accoxde alle. . - 

Gern ftellten wir noch einige fo reine und trefflidhe Stellen m 
unfere Lefer hin, geftattete es der Raum; allein den Yorda 
Iefen wir auch ſchon aus dieſem Meinen Bruchſtücke beruzi. 
Möge ihm die Muße ferner günfkig fein, wir wünfden Dit 
um Dank für die reine Freude, die feine Mrbeit uns gemikt 
at und noch Vielen gewahren pird. 


1 88. Die Wiedertäufer in Münfter. Trauerſpiel in fünf It: 
von E. Pabſt. Münfter, Bundermann. 4845. 8. By. 


- 


das —— zu des VerfaſſersSheaterprobe (Mr. 33) ar 
deſſer 


AD. Spartacus. Lragöbie von P. Mebox. Wien, Mirkker 
und Bianuchi. 18346. Gr. 8. 224, Ber. 

Üher die Verwendung antiker Stoffe fuͤr das moderne O 
haben wir und bei Gelegenheit des Amaulius“von Faltender. 
(Nr. 46) bereits ausgefprochen. A dlches wie Dort gejagt wur% 
wäre bier zu wiederholen. Der Verf. liebt es mit vollen Badar 
fprechen; er liebt die vollen, prägnanten Säge mehr, und den de 
thos leidenfchaftlicher al& wir, des guten Maßes Freunt, N 
ligen möchten: allein er bat feinen Stoff gut ergriffen, ie 
und glücklich geftäftet. Indem er feinen Spartacus barın z 
tergeben läßt, woran fo vieled Heldenthum ſcheitert, ninlıt 
an der Menfchennatur, die des Maße Keind iſt; indem frz 
edler und reiner Wille an der nicht zu bändigenden Lalız 
fhaft, an dem Haß, der Rachgier und dem Unverftan? je 
Benoffen zu Grunde gerichtet wird; indem er erfiegt, weil & 
Rom, feine Mutterftadt, nicht zerftören will — Hat der Did 
in der That ein reiches tragiſches Element in die fenſt ur 
ih troftlofe Geſchichte gebracht. Hierdurch trägt fi. ak 
und feflelt feine Arbeit; hierin hat fie ihre Bedeutung. F 
Kunftwerth wäre unzweifelhaft, beherrfchte der Poet ſich Id? 


189 


Eur 779 5 — — 
vene u je HR, ie Me 


Du mänfheft zu verlöfden, 
Died, ac du die -Grienbniß 
Hervorgutagen über dad Gefleät. 


Saon wählt der Tag fih ie dab Bat dar Nat 
Und grau und medilg wird eb In der Diefe m. f. m. 
die ſelbe Meder ſchreikt auch fo übertriebene Sahen nieder wie: 
Byartacup. 
Bar, Sitfel, Beieköpfarr Despt (1) 
‚Daran! I weiß zu Merken — bunuderd mad made? 
umb fo umwäsdige wie: 
Batiatus. 
... Du daR 
Das Baterland yur immer fn der Zafche, 
anftatt: „auf der Zunge”. Dann folgen wieder fo rät 
Fr — * Ah Monolog 8 nes & 2): 
Gin mecht erbäuelih Ding iR dep die Meur, 
Die henklerifde Bettlerin! Umkrailt 
Nom von der Gaulb und ded Mewiflens Bängen, 
Bemvähft mod von der Suͤnde Euft.und Mel, 
ntfndat fie ihr Diebifhed Werlangen 
horn wieder rüdwärtd auf bie alte Strabe. 
oder in dem andern Geibftgefprädh: 
Rinig von Rom! Wenn ich nun wollte fen? 
Wenn ich die fühe Iracht nım pfüdten wollte? 
und weiter: 


und: 





2... Das MR der Syartecus — 
Mor dem bie Beglenen Morus gejittsrt! 
SZest dasa das Leaben in dem Biute? Liegt 
Die Gerie und bad Denken und der ZBille, 
Deb kuzyen Dateind unerforfät ‚Seheimnis, 
Da ain’gen Bechern dieſaa zothen Maftes? 
Sent ‚Mleliehin den mächtigen Bobopkın 
Umb zabltief haufet nur ber kühufe Eitoly, 
Der feime Hana nad Aönigdtronen Furcht? 
Diefe Proben zeugen von poetiſcher Anregung und von einer 
4 4 as —E der weniger der Beleu als ‚der 
Riderung und Mäßigung zu richtiger Temperatur bedarf. 
¶Der veſchus folgt.) 





Romauliteratur. 


1. Prinz Eugen, der edle Ritter. Hiſtoriſche Movelle von aM. 
net. Amei Bände Oanever, Heiwing. 1846. 12. 
Ahle. 15 Rgr. 

Die Gefchichte des edeln Mitters hat in ber neuern Beit 
kurz hintereinander zwei Bearbeitungen erlebt; die eine von Hefe 
el ——— sahen, Die anbere if die 
vorliegende von Honel. Mas Hefediel zu viel an phantaftilchen, 
romanhaften Juthaten hatte, das geht der Bracheigung Honek's 

‚end Zener die Befhipbe Duxd feine einge: 


faft ganz ab; 
webten &rfindungen ‚ganz in den Hintergrund drängte und im. 


Stile der alten Ritterromane arbeitete, hat Diefer eine trodene 
Aufzählung, des geſchichtlichen Verlaufs der Außen Ereigniffe 
im ®eben diefes ebnen „Mürkenfchredens” geliefert. Jener hat 
fein Berk einen hiftorifhen Roman, ne hiſtoriſche Ro- 
selle genannt: Beide mit Anrecht. Die u bat die Anf- 
gabe, die Beiten ihrer gangen ‚Breite und äKiefe nach der a: 
genwart zu Schildern, fie muß ein getrous Wi Der nergange- 
nen tiefen und zwar nicht in der teodenen, 

tofen Methode, wie fie noch vor Furzem in Deutſchiand üblich, 





die sreit 
Fe bewegen, 





roch des I 
ie Übergän 
Se 
nothiweni 
bie Hiftorie il 
das innere & 
en Aufeı 
ori —9 
Wege aber w 
willlürlihen, 
gan zu einı 
en Du 
zraphie 
— 
ellung fehlt 
Detail. Der 
‚m Faden dei 
Aion Dom 
duhen, und e_ _ . ee 
e nur die geringfle Reflexion aufzubieten; aus 
nen Momenten muß er ſich nun fein Ganzes zu bilden {u 
jen, ohne dadurch weder bie Selhigte zu verlaffen, noch un 
ber poctifchen Wahrheit felbft zu nahe zu treten. Der Hilton 
Ber ftrebt nach der watürlichen Wahrheit, belegt feine Mufide 
ten mit äußern Thatſachen; der Dichter dagegen fucht feine 
Darftellung aus dem ‚menfhlihen Wefen herauszubegründen: 
feine Wahrheit ift bie poetiſche nn “ 
«6 gerade zu fein. Honek hat 
elden auf allen Feldzügen b 
lucht aus Frankreich bis zu fi 
nen immer kennen, au 
und wer auf dem andern. Abı 
wodurch Eugen alle Herzen fü 
‚mit ber feine Truppen ihm in 
ifkerung aud welder das ver 
ehle Ritter” entfprungen ift, | 
lager hinüberffang ;_jenes hiſt 
ben Gugen'6 fo großertig mad 
pfer des Ghriftenthums den 9 
und bie hriſtliche Welt von I 
eeihlaffenden Fanatiemus retta 
iſt nicht ‚mehr darin die Rede < 
erzählung davon uns Liefert. 
noeifche Auffofung, und Die Exf 
Erzählungen ik matt und nur 4 
den; auch ift die Schilderung B , 
‚Helden für den Aroc bes Buchs viel zu weit und unwefentlich. 


2. Zolle Welt, Ein Roman von Sheodor Deiders. Awei 
Xpeite. Leipzig, Röhfing. A840. 8. 2 Zhir. 15 Nar. 
Wahrhaftig, es iſt eine tolle Welt, ein tolles Lehen unter 
fohen Menfgen, wie fie das vorliegende Bud) zeichnet. Da 
aft ein Zohtengräber, der naͤchtliche Drgien feiert ın feiner ein ⸗ 
faınen Wohnung und dazwiſchen mit weinerbigtem Gemüthe 
wit feinen Beeunden, die der gebildeten Belt angehören -— 
dar Eine iſt Mrat, der Andere Derat —, mitten in ber Nat 


m eine 








1332 


zwiſchen dem &elage ein Grab ausfhaufelt und dann mit ihnen 
die Zeche wieder ruhig fortfegt. Beide wiflen zwar,’ daß der 
Sodtengräber dadurch Geld erhält, indem er Die Leichen be: 
zaubt, daß er die Gräber erbricht und’ mit gottlofer Hand die 
Ruhe der Zodten ftör:, daß er mit dDiefem Belde feine Aus: 
lagen beftreitet, und dennoch empfinden fie einen Ekel über 
Denfelben, Beinen Abfcheu; fie geben ſich Rendezvous bald Hier 
bald da. Das ift eine tolle Welt, die fih au um den Thür⸗ 
mer body oben auf der Kirche verfammelt und ihren Punſch 
trinkt; der Zodtengräber, der Arzt, ber Literat und ber Xhür: 
mer! Dabei hat der Ihürmer die Gewohnheit, dem Todten⸗ 
gräber, fobald er fommt, vorber erft eine Kanne Wafler von 
oben herab auf den Kopf zu gießen. Diefer Ihürmer bat eine 
tafende Leidenfchaft, er liebt den Brand unb möchte gern auf 
eine untenftebende Hütte, worin feine frühere Geliebte wohnt, 
den rotben Hahn auffteden, weil fie ihn als Tochter des frü- 
bern Thurmvogts, während er noch Trompeter bei den Sol: 
Daten war, in dem Korbe biß auf die Mitte des Thurms bin: 
aufgezogen und Dann fo hatte hängen laflen, ſodaß er ſich veranlaßt 
fand, von oben herab den Bapfenftreich zu blafen. Eine tolle 
Welt, wahrhaftig, daß zwifchen den Beiden, Arzt und Literat, 
ein freundliches Verhältniß ftattfindet und ſich erhält, während 
der Eine doch in der That gin Dienfch von gemeiner, nieder: 
trächtiger Gefinnung ift; Eine Schmarogerpflanze, die jich übel 
behandeln läßt, ohne zu murren, die fi) taufend mal abweifen 
laͤßt und taufend mal mit demfelben freundlichen Geficht wieder: 
kehrt. Es ift wahrhaftig eine tolle Welt, aber Peine Welt der 
Wahrheit oder auch nur der poetifhen Wahrfcheinlichkeit; eine 
tolle Welt, aber Beine Welt der menſchlichen Bernunft, der 
eiftigen Schönheit. Es ift wahrhaftig auch eine ganz gewöhn: 
iche Anlage, wenn der Hauptheld der Erzählung fortwährend 
auf der Landftraßge herumlungert und wenn er mit jedem Abend 
einen Drt erreicht, wo Leute wohnen, die in die Gefchichte ein: 
greifen; diefe Stationen find der Länge nah auf der Landftraße 
ausgebreitet und mit jedem Abend muß ſich Etwas ereignen, 
was zur Entwidelung gehört, und zulegt muß noch gar der 
Held Abends eine hohe Felfenwand von der Landftraße herun⸗ 
terfallen, um in der Wohnung feiner Geliebten, die er feither 
vergeblich gefucht hatte, zu erwachen. Das ift aud) recht wahr: 
Sheinlich, denn er hatte ja die in den Felfen eingehauene Treppe 
nicht bemerkt, die zum Haufe Hinunterführte, war aber zum 
Süd unten auf einen Haufen Reifig gefallen, fodaß ihm der 
Sturz — das wäre auch abicheulich gewefen! — keinen Scha⸗ 
den gebracht hatte. Die Erfhütterung feines Gehirns war 
nur unbedeutend gewefen. Aber daB Herzeleid ging nun erft 
recht an; die Geliebte war Braut eined Undern, eincs Zreun: 
des unfers Helden, den fie aber nicht Ilebte, dem fie nur aus 
Gehorſam gegen ihre Altern ihre Hand gab. Zufällig verlieben 
fi aber noch zwei Mädchen in ihn, der Held aber zieht entfagend 
weiter. Später entdedit er, daß er der Sohn eines Grafen ift; 
fein Vater, trogdem daß er in feiner Nähe ift, will ihn aber 
nicht ſehen. Er er bat früher ſchon einmal aus Lebensüberdruß 
eine Kugel nad fich gefhoflen, die aber abgeleitet wurde, in: 
dem im felben Augenblidde der Briefbote Fam und einen Wed: 
ei von unbekannter Hand brachte. Der Held fällt einem 

ommen Club in die Hände, der Betrüger und Spieler enthält, 
wird aber bald den Abgrund gewahr und reißt fi wieder loß; 
er erfchießt feinen Freund, den Literaten, der einen nächtlichen 
Angriff auf den Vater des Helden macht, um ihn zu berauben. 
Seine Geliebte ftürzt fi ins Wafler, nahdem ihr Mann, der 
nun endlich eingefehen bat, daß feine Frau ihn nicht liebt, ihr 
entfagt bat und nad Amerika ausgewandert ifl. Der Bater 
des Beiden wird an feinem Schreibtifche todt gefunden, nad: 
dem er vorher noch an feinen Sohn gefchrieben und ihm fein 
Bermögen vermacht hat. Der Thürmer bat feinen — aus⸗ 
geführt und das Haus feiner Geliebten angezündet. Der Todten⸗ 
gräber ift beim Aufbruch eines Gewölbes, um von neuem zu 
plündern, dur Einſturz erfchlagen worden, und der Held der 
Erzaͤhlung, für den „tein Hoffen und Wünſchen mehr galt“, 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich WBrodjans. — Drud und Berlag von Y. X. Brodtans in Leipzig. 


be ti ni ausſchließlich dem Augenblicke 
eig Ne Ce Bet, ei Belt bet Zalhet! “. 





Literarifhe Notizen aus England. 


Moderne Sternbeuterei. 

Einen Beleg,. zu wel ungereimten Lräumereien die U 
ſchweifung der Einbildungsfraft auch noch in umferm profeifden, 
den materiellen Intereffen vorzugsweife geweihten Zeitalter wi 
in dem Wutterlande ihres Cultus führen Fönnen, liefet m 
unter dem Zitel „The stars and the earth; or thoughts up 
space, time and eternity” erſchienenes Buch, defien Verſche 
nicht undeutlich zu verftehen gibt, daß die Sterne am Hmm 
durch die Ausftrahlung und Wellenbewegung des Lichts von da 
Erde aus die Eindrüde der auf diefer fih ereignenden Begche 
heiten, je nach der Zeit, welche ber Lichtftrahl von und zu dickes 
oder jenem Sterne gebraudt, empfangen und in fi ufneiaa, 
wonach Ddiefe fernen Weltförper ihrem Weſen nad eigmth 
nichts Anderes wären als Daguerreotypen der Ereignifie u 
unferer fublunarifchen Welt. ine große Beſcheidenheit de 
GErdenbürgers, die aus einer ſolchen Hypotheſe herdorlenchte 
So fagt der Verf. an einer Stelle: „In diefem Yugmiik 
wird auf einem der Sterne dab Bild der Wiege jüchtber, ad 
welcher Kaspar Haufer geraubt wurde, um mit lebendig 
Leibe in die Gruft gemauert zu werben; in einem am 
Sterne ftrahlt der Schuß, welcher Karl XII. tödtete.” dee 
geht doch noch über die Seherin von Prevorft und die Bike 
ihrer myſtiſchen Adepten in Deutfhland. . 


Deutfhe Dihter in englifger Bearbeitun. 
Die engliſche und deutſche Literatur verdanken aufs ner 
einer Dame eine innigere literarifche Befreundung untereuz: 
der. Es find vor Furzem von Anna Smwanwid ‚Selen 
from the dramas of Goethe and Schiller. Translated «ih 
introductory remarks’' erfhienen, welche die Befähiyes M 
Berf. zu diefer Aufgabe auf das augenfcheinlichfte Dakar '3 
die Umdichtung der gewählten Stüde in vieler Hinficht akt: 
dichteriſche Bearbeitungen berfelben in der engiiſchen Exakt 
übertrifft. So Goethe'6 „Iphigenia“, die ſchon früher ni 
liam Taylor einen ziemlich gewandten Bearbeiter gehe 
Befonders gelungen ift der Berf. der „Taſſo“, vontmk 
leider nur den erften Act und eine Scene des zweiten 34 
gibt, was fie mit der Bemerkung entſchuldigt, daß ter &* 
Act in fich felbft eine vollendete Dichtung bilde, während !* 
erfte Scene des zweiten Acts auf bewunderungswürdige 
die eigenthuͤmliche Gemüthöftimmung des Dichters male. & 
Band enthält nebftdem einige Auszüge aus Schillers „Ir 
frau von Orleans“. 2 





Literarifhe Anzeige. 


Im Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig ift eridum® 
und in allen Buchhandlungen zu erhalten: 


Valtiſche WBriefe. 


Zwei Theile. 
Gr. Geh. 2 Thlr. 20 Mor. 


Reifebemerkungen und geiftreiche Schilderungen einer D 
nach englifhen Driginalen bearbeitet, bie allen Denen, SW 
ch für ruſſiſches Beben und befonders für die Zuſtinde ME 

eeprovinzen intereffiven, eine willkommene Gabe 9 


werben. 








12, 











Blätter 
Sie 


literarifde Unterhaltung. 





80. Rowember Line“ 





Dramatifhe Büherfhau. 
Bierter und letter Artikel.“ 
(Beistus aus Nr. 30.) 


10. König Wend’s Tochter. eyriſches Drama von Henzit 


de Im 8 
ee A. deo. Leipgig, a Nor. 
r iſt für unſern Stotz nicht wenig niederſchlagend, daß 
der Preis des poefiereichſten unter den diesjährigen Dramen 
unzweifelhaft einem Erzeugniß des Auslandes, und noch dazu 
eines Landes, das und feine heutige dichterifche und Kunft · 
bildung verdankt, zuerkannt werden muß. Unter allen in uns 
ferer Bücerfhau ten Poeten Hat allerdings Keiner ein 
an zurter poetifcher fo reiches und des dauernden Ber 
ftchens fo würdige® Gedicht geli als bie vorfiegende Ar- 
deit des daͤniſchen Dichters ik. Zwar ift, wie aud der Kitel 
andeutet, das vorwaltende Element in derfelben weniger ein 
Roffartig und dramatiſch wirfendes als ein in Iprifhem und 
epifchem Hther ſich verklärender Gedanke; allein wenn das 
dramatifche Interefie auch ftelenweife zurücktreten muß, fo ift 
die dramatifche That doch vorhanden und von Anfang bis zu 
Ende fefleind und fpannend. Die’ gewählte daher 
erechtfertigt und muede mit allem Füge aus Men. Der In⸗ 
fefbft ift einfach diefer: Römig Mene bat feine Sndter Se 3. 
ante zur Shlichtung aller Kämpfe an Graf Sri 


demont —J— Dieſe Tochter iſt ein Jahr naı ‚aim 
erblindet. Ebn Jahia, ein maurifcher Arzt, ihre — 
im ſechzehnten Jahre erwartend, hat fie in tie 


in Pflege; ihre Wogefchiedenheit E fo groß, 5 & rer 
war, Jolanthe zu verbergen, daß ihr der Sinn des Gefichts vor 
andern Menfchen fies ie glaubt zu fein wie alle Wenſchen: 
So if'5 mit Kindern ja. Erzaͤhlet ihnen Fr 

Von Gott, der Aumadıt, einem andern Beben, 

Und febt nur, wie fie horchen, wie verwundert — 

Gin Zweifel... . 

Zwar leife nur, fi in dem Antlig mafet, 

Und wie fie dann fo rührend laufchen 

Auf Daß, was unbegreiflih iſt für fie. 

So if die ganze Welt nur für Iolanthe, 

Fin Räthfel, das fie grübeln macht. . . - 
zndeß rüdt die Beit heran, von welcher der Arzt die Ent- 
heidung erwartet, ob Sotantpe das Licht des Auges zurüd- 
'ehre. Denn, fagt er zu Ben 

Ihr glaubt, es fei und des Gefihted Ginn 

Ins Xug’ gelegt; doch dies it Mittel nur, 

Die Kraft des Geh’nd ſtroͤmt aus der Seele Tiefen, 

Geht aus von des Gehiznes feiner Werkſtatt. 
Darum ift es nötig, daß die Kranke nun ihren Zuftand er- 
'enne. Wie man noch über Mittel hierzu berathſchiagt, ge» 
angt Graf Zohan im ie einfame Hütte. Er fieht, er fpricht 
Jolanthe, umd in’ einer Scene von hoher poetiſcher Gchönheit 
fährt fie von bem Liebenden mas ihr fehle. Ihe Herz er: 





wirt Au den 2eprer und die Liebe ift es, die ihr das 
verlorene Licht zurüdgibt. Wie Eon. Japia fein Amulet an 
Vogt, fann fie fepen- Seiftan erfährt, daß fie bie ihm verlabtg 
Braut Le, ‚fie abes erkkant, unter allen Bingen — Neuſchen 
dein den Geliebten fo, wie fie ihn innerlich anı ut hatte, 
Bi” Freunde Barım, Bater ipt — inge (5 
Dieter ee gem Kern der Dichtung if mit hinreihendem 
btfihaft zwifgen Mcht und Liebe, der “ 
ae wie bie Bi Sdipfenin des Lichts ſei, den Iolanthe 
in Folgenden’ ausfprict : 
Dos Auge {A 08 nit, womit man fieht, 
‚Hier, nah? beim Herzen llegt und das Befiht, 
Yier innen weilt im frohen Angebenfen 
Sin Nadhall von dem Lichte dad mid traf, . 
di Das Lit, dem hoflenb en Fa 
ie ungemein zart und tifch aufgefaßte 1 
the's, die Trefligteie —8 Fülle vn Sprach 
— elegiſche sand, der im poetifhen S 
janzen ruht —: alles Dies. will mebe genof 
fein. If num Fix wie wir zugeben mäffen, 
de dem Stüde zu Grunde lie; Eühn u 
freift fie aud fat bis an die Grenyen des ! 
wird uns Dies während des Refens dod dt 
poetifchen Schleier verhält, mit dem ber L- 
umfleibet, daß wir durdaus nicht zweifeln, innerhalb der Gren · 
aen der wirflichften Ratur zu. flehen, und an das Märcpenhafte 
des Stoffs kaum erinnert werden. Und fo empfehlen wir benn 
diefe außgegeicpnete Arbeit, deren Überfegung volfommen ger 
lungen if, zum Genuſſe allen Denen, die cine wahre tendenz: 
loſe Poeſie noch zu genießen Ka 
TI. Cola Wienzi. Tragodie in 
Sailer. Reipgig, Lord. 
Eine zweite Bearbeitung beffelb 
Inhalt jedoch von der Gefentlih abweichend. 
hiftorifen ais dem poetiſchen Intereife — — und a 
t 





u Karl 
156‘ re 


* degm * 





FR That des Kunftgeiftes ic ab 
BWBiderfaher Baronceli, find ira, Ed Gefaiten:, am ‚am 


Rienzi felbft, wie fen 
beften find nod die Frauen: Bitto ıgenia, ihre und Riea- 


x ter, gezeichnet. Wie Ri u 
Ya a —X Italiens an * —ES— 8 


‘ . 
e 
. 
. 


herrſchaft — durch den römifchen Päbel? — zu fegen, fehlt 
es ihm doh an Muth, Blut zu: vergießen. „Reine reine 
Sache fol der Srundſtein meiner Groͤße fein’, fagt er. Armer 
Held, armer Boldstribun! Natürlich erliegt er bei ſolchem Hel- 
denthum Rem Wbdel, Ben er anfeindete, den Pxiefteen, deren 
Herefchaft er bedrohte, ber Niebrigkeit feines Anhangs, der 


ach Plünderung verlangte. „Weine Sendung ift zu Ende”, - 


find feine legten Worte, ald der brennende Saal einftürzt und 
ihn begräbt. „Wehe Denen, die auf Erden leben.” Diefer 


legte Sag fcheint ein lapsus calami zu fein, mit dem wir | 


Nichts anzufangen wiſſen. 
72. Der Talismaͤn. Poſſe in drei: Aeten von Joh. -Refiroy. 
Wien, Wallishaufer. 1846. 8. 20 Nor. 


Der komifche, aber Wahrheit enthaltende Gedanke, daß 


unſere Lebenslaufbahn oft von Geringfuͤgigkeiten, wie etwa bie 
arbe unferer Haare [+ abhängig fri, und daß daher eine 
raune oder ſchwarze Haartour zum Talisman, vwirkfam vor 
Allen bei den Frauen, werde, iſt bier: höchſt ergoͤtzlich, wie im⸗ 
mer bei dem Berf., durchgefuͤhrt. Wir lachen von Herzen über 
des armen Feuerfuchs gezwungene Verwandlungen und nehmen 
die mit Laune gegebenen Lehren in der beften Laune hin. 


73. Jahrbuch für. Theater und. Theaterfreunde, herausgegeben 
von ©. Lehrün.  Erfter Zahrgang. Reue Auflage. Mit 
einer Lithographie und acht Facfimiles. Hamburg, Schu⸗ 
berth und Comp. 1846, Er. 8. 1 Ihir. 20. Kor. 


Für .den Inhalt dieſes Bandes haben wir Urfadye erkennt: 
lich zu fein. Das Stammbud) des großen Schröder mit Fac⸗ 
fimiles von Ramlet, Mendelsfohn, Leifing, Ktopftod, Leife: 
mig, ‚Rogebuc.u.. 9. ift allein genügend, diefer Mittheilung 

e. Ihetlnahme zuzumwenden; wir fehen daraus, in wie gro: 
jem Anſehen der deutfche Roscius und Garrid bei den Dich: 
tern feiner Beit ſtand. Richt minder anzichend iſt' denn auch 
die. Geſchichte des alten hamburger Theaters, welche Veranlaf⸗ 
jung: gibt, mehre antiquarifche Euriofitäten, ale, da: find die 

rgliederung. einer thedtralifchen Darftelang aus dem 17. 
Zahrhundert, „Irenaromachia“, Yragitomödte vom Fried und 
— einen Theaterzettel von 1709, andere von 1725 und 
idR, 


welche wahrhaft curios zu lefen find und Dergleichen 


mehr mitzutbeilen. Dies Alles nun müflen wir den Liebhabern 
folder Sachen am Orte feldft nachzuleſen überlaffen, und wol: 
len. dagegen unfern langen Auffag mit den Berfen ſchließen, 
welche der große Leſſing (1780) in Schroͤder's Stammbuch 
ſchrieb, weil fie ebenfo vielen Beug auf den dramatifihen 
Dichter wie auf den Burfteller darbieten: ' 
Daß Weifalt- dich wicht: fkolz, nicht Tadel furchtſam make! 
Des Könſtlers Schaͤtung if nicht iebeb Fühlers Sache, 
:Denn. auch den- Winden brennt das kiht — 
Und wer dich fühlte, Feeund, verfkanb. dich darum nicht. 
19 





Lieder. aus Rom von Bern hard von Lepel. Berlin, 
A. Duncker. 1846. 8. 1 Thlr. 


Der: Berf. dieſer Lieder hat wahrſcheinlich erſt ſpaͤt ange⸗ 


“Fangen ſich mit dem. Dichten zu befaflen. Rechte Jugend ſpricht 


A darin nicht aus, und: Übung auch nicht; dagegen zeigt fi 
in ihnen ein gewifler trockener Ernſt, eine nuͤchtetne Betrach⸗ 
tungsweife und eine ganz ehrenwerthe Überlegung ,. wobei. cd 
einerſeits ihm zum Bortheil ‚gereicht allem Überfchwenglichen, 


das fo oft mit Unklarheit und mit noch viel Schhimmerm eins unb 


daffelbe iſt, glüdiich aus dem Wege zu gehen, andererfeits aber 
ein nicht zu leugnendes Misverhaͤltniß zwifchen der poetifihen 
Form und dem. meiftentheild eng an Das Profaifche halten⸗ 
den Ausdruck und Inhalt hervortritt,. wodurch im Ganzen Fein 
wohlthuender Eindrud entiteht. Es gibt eine gewiſſe Ratkcheit des 
Worts, welche wir haͤufig in Gemeinſchaft mit dee höchſten Gattung 
der Poefie auftreten ſehen, wo fie die ſchlagendſten und eugrei- 





fendften Wirfungen zu machen- iſt. Man komm ſich ki 

worftellen, wie ein Kicker tl wohlgefinnter ” ” 
fen aufgelegter jüngerer ober älterer Mann bei Wahrıcaumy 
folder Wirkungen auf den Gedanken kommen kann, durd ike 
Uche Bitte], weltche fi ohnehin. durch ihren realiſtiſchen Ei 
rakter emhfehien nlicheB zu e . :Rur müßte kahl 


le tragenden und nährenden Erde, aber der andere ik ie 


4 
"Kügelt und erhoben, und des Gottes Auge trifft zwar in dm 


und in Xiebe die irdifchen und fterblichen Dinge, aber der Bit 
ſelbſt if. verklärt. 

Der Berf, der „Lieber aus Rom’ iſt dem Papſtthu 
nicht hold, was man ihm nicht übel nehmen ann, und trif 


; feinen Groll über den noch immer lebendigen Krater, der, a 


ſchwach Steine und. Lava autzuwerfen, die Welt ut Gift: m 


Peſtbuͤnſten heimfücht, gleich anı Eingange aus, nachten e 


der Meinen Sammlung, die zuſammen etwa drei Dutzend kr 
ber enthält, eine Widmung ‚an feinen Onkel verangekhift 
welche und, beiläufig geſagt, ihrer Friſche wegen befler gefaln 
bat als manches der Lieder ſelbſt. Mach jener Apoftropk = 


den Krater ift man denn auf Das was nachkommen wir, 


manches ftrafende Wort, auf. mandyen. Ausbruch des Unwilas 


gegen Rom Hinlanglich vorbereitet ;. nur: wäre zu wünſchen t 


weſen, daB Alles einen höhern Schwung. und Flug genumn 
hatte und. die. Grazien nicht vergeflen Worden mären, wen 
man gleich willig einräumt, daß der Verf. fie auch nis 
eigentlich beleidigt hat. Wir mögen gern glauben, daß 5: 


in der Six—tiniſchen Sapelle das Collegium. der 


in feiner | ‚ das vömifche Ritval dk 
wollziehen In Aral feiem bt, während Michel Say) 


Juͤngſter Zag dad Donnerwort der legten Entiiiam 


von dem, Wänden herab in. die Verſammlung zu fake 
ſcheint —, daß diefe Zuſammenhaltung in jeden 

Zufchauer mannichfache und. nur allzu. nahliegende 

hervorruft, die fich. auch wol zu einem: poetiſchen Vertrag =: 
züglich eignen. Dies hat nun auch der Verf. zum Gegmiss 
eines feiner Lieder acht; er befchreibt. denn alfo den Ara 
des umherfigenden Kirchenfürften, das herniedertönent: „IX 
PMiferere”, den „aus dem Meßbuch fchreienden, mit gelter= 


‚ leide behangenen” Dekan u. j: w.; Alles mit durchaus ti 


ner. alltäglichen: Bezeichnung, ohne daß der Blitz eines glücc 
gefzoffenen Wortes, oder die Helle eines aufleuchtenden Geder 
end irgendwo bervorträte, und ohne daß das Ganze, wir ® 
doch fein müßte, fi zu lebendigem Bilde abrundete. Die $ 
nun in ber That Peine Poefie zu nennen, ja es ift nicht c 
mal lebendige Schilderung, fondern nähert ficy wirflih 
bloßen Aufzählung. Nachdem nun der Dichter auf diefe Bi 
die Einzelheiten angeführt — was läßt er nadhfolgen? Ri 
weiter al& folgende Strophe: 
So thun fie ernft als 0b fie etwas thäten 

Und draußen harrt das Volk, bem viel gebriht — 

Und draußen ringt die Welt, der viel gebridt — 

Und von der Wand herab broh’n die Propheten. 

Ernft mahnt Buonarotti's Weltgericht. 
&o jchließt das „Die Sixtiniſche Kapelle” überfchrieben 8 
dicht. Jedermann wird einräumen, daß dies erflaunlid Bi 
ift. Eime Art der Betrachtung, mie fie der Berf. bier ze 
Gegenſtand eines Gedichts macht, erhebt fich nicht einen 3:* 
hoch über den Ton alltäglicher Berwnnberung, womit man !! 
Bente fich: bei taufend Anläffen. äußern härt; etwa: „Wieits 
möglich! „Hier ſchmauſen die Menſchen und in derfelben Eck 
gerade gegenüber. fierben ganze Familien vor Hunger; AT 


FEs iſt doch arg! dort ſtehlen Bunte in dem nämlichen Iuar 





in when "Our 
So wenig als in diefen 


weg geſagt hätte: Dieb: Alles geſchieht bier unten: und von 
oben Sen die Propheten und’ Buonarbtti's Jungſtes Gericht 
herab. Durch bie Beifügung aber von „drohen“ und „mals 
nen‘ verdirbt fich ſelbſt die ſchwache Wirkung, welche er 


er 
durch die bloße einfache Gegenü ung beider Thatſachen 
ohne allen Beiſatz halte reellen nnen. Iſt nun die Wen- 
dung des Gedichts ſchon an ſich fehr ſchwach, fo wird das 
Ganze im eigentlichen Sinne fehle dur den mißlichen 
Umftand, daß jenes Ende des Liedes ſchon zu Unfang ein mal 
vorkommt, und in der Mitte ein zweites mal, im Ganzen alfo 
drei mal. In der erſten Strophe naͤmlich Heißt es von der 
Kapelle: 
Drin riefig Buonaratti'd Yaibverblußte 
GeRalten von den Wänden nieberidhau'n. 
Und in der zweiten leben wiederum die Berfe: 
Und äberm Hochaltar der heil'gen Yalle 
Blickt ernft herab dab große Weltgericht. 
Das ift nun vollfommen unftatthaft, bean auf dieſe Art widelt 
fi: das ganze Lied in fich felbft auf. Der Werf. wird wol, 
wenn er fein Gedicht noch ein mal: hiernach überdenkt, ſabſt 
den großen Fehler einfehen den cr gemacht bat. Un disfem 
Fehler aber leiden bie. meiſten feiner Lieder. Lieſt man fie, fo 
bat man faft immer kurz vor dem ufle jedes einzelnen ein 
ihl des Zweifels, ob und wie der Dichter es anfangen 
werde, fo raſch mit feinem Gedichte fertig zu fein; man glaubt 
fi oft nech mitten in der Vorbereitung und Einleitung des 
Liedes zu befinden, fiebt. aber ſchon den Querſtrich und dab 
weiß. gelaſſene Yapter dicht vor ſich, der Schluß ift alfo ganz 
nahe, man if der [härfften und einfihneidenften Wendung ge- 
wärtig, ſtatt defien aber kommt entweder etwas ſchon Dage⸗ 
neſene s oder Etwas — das ſich von ſelbſt verſteht. So iſt die 
Pointe des „Banganelli” überſchriebenen Liedes: 
Buch aber frommt es nieht ihn nadguahneen, 
Euch hat's allein gefrommt — ihn zu vergiften! ' 
Es ift bier offenbar ganz derſelbe Fehlet gemacht wie im vor- 
ber — Gedichte; nachdem Vielerlei, Betrachtung oder 
Beſchreibung, vorangegangen, das einen bedeutenden Ausgang 
am Schluß um fo unerlaßlicher noͤthig machte, als die Betrach⸗ 
tungen an ſich ſelbſt nicht hinlaͤnglich bedeutſam waren, endet das 
Ganze mit einem Verſe oder zwei Verſen, die nur ſchlechthin aus⸗ 
ſagen was ohnehin Jedermann wußte, und die eigentlich nichts An⸗ 
deres find als das in dürren Werten ausgefprochene Thema, auf 
welches der Berf. ein Gedicht hat machen wollen, daß aber 
ebenfo wenig ins Gedicht ſelbſt hineingehört als die Aufloͤſung 
ins Raͤthſel. 
Bir machen Hrn. v. Lepel in befter Abficht auf feine. 
Fehler aufmerffam, da wir in’ feinen Liedern einen entfchieden 
ernten und treuen Willen zu erfennen meinen, einen reblichen 
proteftantifchen und liberalen Arger, Beinen Wettfhmerz, und 
überhaupt, was bei allen Graden des Talents body anzuſchla⸗ 
en, eine rechtſchaffene Freiheit von der eitten Sucht nad Ef⸗ 
Pectreichem und Außerorbentlihem. Aber dies Alles, jo ſchaͤtens⸗ 
werth es unter gewiſſen Bedingungen ſein kann, genuͤgt nicht 
zum Dichter. ielleicht wird es Hrn. v. Lepel fehr "leicht 
Berfe zu machen; aber es iſt bekannt, daß dieſe Leichtigkeit 
vielmehr ein Grund zum Mistrauen gegen ſich ſelbſt als zur 
Zuverſicht iſt. Richts in aller Art von Production ſetzt mehr 
der Gefahr aus, ſich in Unhaltbarkeiten und Widerfprüche zu 
verwideln ald das Verſemachen und Neimen. Dafür enthal« 
ten denn die Lieder des Verf. nicht wenig Belege, die wir 
aber feineswegs alle aufzuzählen gefonnen find. Wir begnü- 
gen uns mit der Anführung von ziweien. In einem Liebe, 
worin Ware Aurel's capitolinifche Reiterſtatue befungen wird, 









heige es, ‘dußr:der WS von einen gluͤcklichen Boike um⸗ 
woebene: eid ‚aum „ſill verlaffen⸗ auf die deus. fremde Welt her⸗ 
rabblicke. Gleich darauf aber, in dem Schlußverſe deſſelben Lies 
:deB loͤßt biefelbe Erzſigur den Batican anfıhauen 
achef: Der Dichter‘ Hat bier offenbar ’vergeffen, daß 
‚er ed mit einer Statue zu thun bat, die nicht zugleich FIT - 
vorlaften, herabliken und auf Bun Vatican fehend im belächeln 
fann. Übrigens wird man an bem Inhalt dieſes Schlußberſes 
‚abermals die Bemerkung beftätigt -finden, die oben über Die 
Pointen des Verf. gemacht worden. In einem andern Liede 
‚läßt der Verf. einen Ritter, weicher weder Guelfe noch Ghibel⸗ 
line zu fein erklaͤrt, durch zwei andere Bitter erfchlagen, die, 
ihm während biefes Geſchäfts zurufen: „Lerne dich entfchei- 
den.” 26 bat der Urmfte nod zu lernen?! Er wird ja tobt 
gefchlagen 

‚Es gibt fo viele überfchwengliche „Gedichte auf Rom und 
alien, und dort genoffenes Glück ift im fo zahlreichen Liedern 


1 .befungen werden, daß man nicht unzuftieden fein kann, zuwel⸗ 


lien aud Laute des Misvergnügend und Bornes über jene‘ 
Stätten zu vernehmen. Aber foldhe Laute Tonnen den reiten 
Eindruck nur dann machen, wenn fie nicht eintönig find, fon 
doen im Gegenfag auch zu heitern und begeifterten, zu welden 
ed in Italien doc) ficherlich nit an Ge Ye Ai fehlt, vernom- 
men werden. Bon dem ungufriedenen Di verlangt man, 
daß er fih fein Recht zum Unmwillen über das Schlechte durch 
das Zeugniß. erkaufe, daß er das Schöne und Herrliche zu em: 
pfinden fähig fe. Nur der hochgeſtimmte Dichter hat die 
‚Erlaubniß zuweilen auch verftimmt zu fein. Unſer Berf. flieht 
‘die Freuden, die Liebe, die Schönen, und als er „das Weib 
im heitern Kleide” ſah, ſchloß er ‚den Bi vor ihrer: &on- 
nenhelle”. Aber was thut er flatt defien? Gr „ſchweift ein- 
ſam draußen in der Runde”. Das ift nun weder poetiſch noch 
überhaupt intereffant; es iſt die Sprache und Denkart der 
Hypothondrie, und diefe Stimmung bat dem Berf. bei: feinen 
diepterifihen Verfuchen offenbar geſchadet. Die vier Nummern, 
welche er unter dem Ditel „Benrebilder‘ vereinigt und in 
weiche jener trübfinnige Humor Peinen Eingang gefunden hat, 
find ungleich lebendiger, freier, : gelungener al8 die übrigen. 
Die Befpreibung des neapolitanifchen Ealeffino iſt munter und 


talentwoll, und in den Berfen, melde Bocu’a terra (der be 
kannte Zuruf ˖italieniſcher Räuber an die zu -beraubenden Opfer, 


fih: mit dem Goſichte zur Erde gekehrt niederzuwerfen) über 
ſchrieben find, behandelt der Bert feinen Gegenſtand mit Ge⸗ 
f und Laune. Währt Hr. v. Lepel zu dichten fort, fo ift 


‚zu wünfchen, daß. er den unbeftreitbaren Vorzug, welchen bie 


vier: zulept' bezeichneten Sieber vor den übrigen haben, in Er⸗ 
wägung ziehe und den Wink der in dieſem Unterfchiede liegt 
icht unbeachtet laffe. 62. 





Bibliographie. 

Auerbad, B., Schrift und Boll. Grundjüge der voll: 
tbümlicyen ‚Literatur, angefchloffen an eine Eharafteriflit 3. P. 
Hebel’. Leipzig, Brockhaus. 8. 1 Zhlr. 18 ar. ' 

Bofe, 9. v., Handbuch der Geographie, Statiftik und 
Topographie Des Königreichs Sachſen. 2te- völlig neu bearbeis 
tete und vermehrte Auflage. Dresden, Adler u. Diese. Gr. 8. 
1 Hr. 5 Rar. 

&arlen, Emilie (Fiygare:), Der Einfiedler auf der 
Zohannis = Klippe. Küften : Roman. Aus dem Schwedilchen. 
Ifter Band. Berlin, Morin. 8. 1 Thlr. 10 Rgr. 

Dalei, B., Das heilige Feld der Todten, in Reihen von 
Grabfchriften. Zur Andacht und @rbauung auf Gräbern. 
Belle: Buc, Verlagsbuhhandlung. 16. 10 Nur. 

Ehrmann, D., Beiträge zu einer Gefhichte der Schulen 
und der Cultur unter den Iuden. Don der Ruͤckkehr aus dem 
babylonifhen Eril bis zum Schluffe des Talmuds. Prag. 
&r. 8 10. Rgr. 





Bröiße, 5 5 Inc: algemeinten Bitenstete: 
ga, Ar Band. Me Shen Dresden, Arneld. 
Groß „Deffinger, #2. ——— Theilung Polens uud 


die Geſchichte der 
nn Eınod. 8 cThir. 5 Ron - 
Grüneifen, €, — Hardbuo in Gebeten une 


Eibemn, ©tuttgart, Co u | 
: Buglow’s, *— dramatiſche Werke. Aer Band. Yun 
gg Da Ur Pr des. Tartuffe. 7 Beippig, Lore. 1847. 


Porn ‚ 
147° aus > Gärten des Auslandes nach Beutfehland ver⸗ 
— Aſtes Baͤndchen. Dresden, Arn a 
2 e Piel, a Fräulein Thereſe enburg, 8 


—— 


indeiter, € J., Der Banatismus in der. cheiſt · 
lichen Kirche ſeit FE v. Longern und Jacob —— 
bie auf Rupp's Ausweiſung aus der 5. Hauptverſammlung 

Suflan : Adolph» Vereins in Berlin 1846. Zum Sp 


12. 
Sadhenau, ©. J Fr —* "Bauernkrieg für den MR: 


telftand. —— in 33 a grtngen. Ifte und. Re Liefe⸗ 
—S —E der Menfchheit. 


rung. Rottweil, & 
Klemm, G., 
Ster Band: Die Staaten von Anahuac und da⸗ alte Agypten. 
einig, Teubner. Gr. 8. 2 Thlr. 332% 
raut, W. T., Das gelte Stadtrecht von Lüneburg. 
Göttingen, Dieterich. Gr.8. 15 Ne 
Die badifgen Landtage von 184 und 1846. Tagebuch 
eines unbetheiligten Beobachters, K. M. v. 8. Stuttgart, 


vechn 1847. Gr. 8. 1 Ihr. 15 Ror, 
eyer, E. Str dien zu Sethe — Altona, 
merich. 1847. Sr. 8. Ihlr. 19 Nor. Han 


Molbech, 8, Bond, Upfala und Stockholm im Sommer 


4842. Etliche Blätter auß einem Tagebuche, mit einer Zugabe. 


über die ſtandinaviſche Einheit. Aus dem Daͤniſchen überfept 
von 2. Ft us. Meinz, Kichheim, Schott und Abielmann. 
L. 
Mügpe, Th., Reue Rovellen. Ater und äter Band. 
Hannover, Kius. &. 12, 4 Ihlr. 15 


Neumann, K,F,, Die Völker des südlichen . Russlands 


in ihrer geschichtlichen Entwiokelung, Eine von dem kö- 


nigl. Institut von Frankreich gekrönte Preisschräft. ir 


sig, Teubner. Gr. 8. 1 Thlr. 
Kiedner, C. W., Geſchichte der Heiftigen Kirche. Leip⸗ 
zig, Brockhaus. Gr. 8. 3 Lhle. 24 Rar. 
Roth, K. %.; Über Behfars Ungnate, nach den Quellen. 
Hiſtoriſcher — Baſel, Dan: igbaufer &.8. 4 Ror. 
— a Rorbury. Drei Ban Hamburg, Laeiß. 8. 


Parzuagegeben von 


Ir 

fcher Volkskalender für. 1847. 
8. Steffens. Dr Hartmann. 8. 12%, 8 

Wildenhahn, A., Iohannes Arndt. Gin Beitbii aus 
Braunſchweigs Kirchen⸗ und Stadtgeſchichte in den erſten Jah⸗ 
ren des 17. Jahrhunderts. Zwei Speie Leipzig, Gebhardt 
und Reisland. 1847. 8. 1 Thlr. 

Zachariä, H. U, Die Gebrechen an die Reform des 
deutfchen Strafverfahrens, bargeftellt auf der Baſis einer con- 
fequenten Entwidelung des ih auifiterifihen Peek aerujaterifen 
Principe. Göttingen, Dieterich. 

Zukrigl, J., — —— —E it 
lichen Zrinitätölehre gegen die Einwendungen ihrer neueften 
Gegner, mit befonderer Rüdficht auf die Glaubenslehre des 


Werantworfiiiker Heramdgeber : 


aft in Glen Dres· 


ihre . ui 
—X Dick, Bi u. 


— Vergißmeinnicht auf. das Zape | 4 


m Die Grabechrift. des, Darius‘, zu Naksoki. 
Rustam, ‚er Autert. Zürich, Orell, Füssli u. Comp. Gr.8.. 


— 
unfere Zeit dargeftellt: er „ein Inn Büdern. MW ttel, . 
Pr 1847. ur N 9 aſenbttet, 





Dr Bi. 9% isch : Mi, Mesmmiten und Che. 6.‘ 


| Tagestiteratur. 


Gon 33* p.üũber die engliſche Karifseferm mb 
für dm f Handel 


i ,. Oindeutun 
urn, & an, a 
Ehui; und Gonfigmanden Reipaig, Weichardi. 8 


Buw mei, D, en | im Sommer 1848, Kleine Etgin⸗ 
gungen zut Bemplin — ——— Leipgig, Literariſhes 


—A ð. —8 bie durch. Rang und Stam 
Bevorzugten in unferer Zeit fi borzugäiweife zu hüten haben 
a Sena, Frommann. Gr. 8. 2 

ühne,.:®., Haben und brauchen Dr noch Jeſum fi 


Gottes Sohn zu en? Eine Stimme vom Sunde. Bek: 
Bue, Berlagsbuchhandlung. Kl. Nor. 
Leift, 8: W., Über die Entwickelung eines pofitiven ge 
meinen Rechts in der eivilifirten Renſchheit. Rede. Bakl 
ghaufer. 8. 5 Kar. 
Die Organifafion des Boltsfhulunterrichts. Eine Ten 
ſchtift der Migierung des Kantons: Zürich, eicht von da 


Schulfynode. ih, Dee; Fuͤßli u. Coup. Vr.8. Mir 


Seh, € . (Ireumund Belp), Über: den Einfuf ie 
FJabriken und Manufacturen in Sclefien. ter und 4ter Bad: 
Die Handwerker auf dem Lande und Blicke auf den uf) 
unferer Gewerbe. Eins, —— Muſeum. 8. UI. 
Pohlmann, 3. H., Münz « Zuftände der Stadt dihel 
Lübel, v. Rebden. &r. 8. ı Nur. 
Redenbader, W-, Du Bichtfreundtgum, dem lies 
—— Mo Jeu⸗ Teen fchafelich and. Licht geftellt. Dreck, 


‚Redalob, 6. M Der Schöpfungs - Apolog 1. Bach 
Mose 2, 4—3, 2; ausführlich erläutert und kritisch gepräf 
Zugleich als ein exegetischen Bedesken in der Symbelnge 
Hamburg, : Meissner. Gr. 8. 25. Ngr 

.„ Richter, J., Des Aeschylos Öresteia herausgegebta 
von J. Franz und die. Berliner Societät für wissenscaft- 
che Berlin ‚ Schroeder. Gr. 8. 5 Ngr 

eypau, v., Drei lattdeutjche Ofkerpredigen 
Braunfigieig, Leibrock. Gr. 8 Er Rr- 

Schleswig : Holftein : Bauenburg. er „offene” Brief ih 
Königd von Dänemark und Pröteftation der Herzogihümer de 
gegen. N Glück. W/ xg. 

Ein wichtiges Zeugniß von Karl Feune 
in eek — die Nichtswuͤrdigkeit des heimlichen deub 
fhen Gerichts. Belle:-Bue, Verlagsbuchhandlung. 16. IX 

Stiebel, ©. F., Straf: Methoden find eine Steuf-& 
fleme. Zwei Vorträge . in ber. — —— 5 
Brankfurs a. M. in den Jahren 1841 und 1843. ZFrankier 

‚, Sauerländer. &r.8. 108% 

Pier L. BB; — 3 niſſe für das Rad 
Gottes. Stimme aus der Mitte eine 9 tediger = Vereins in 
Broöpergogthum Sachfen- Weimar. Jena, Frommann. &. ? 


Nur. 

Das Treiben ded Pfarrers Haag in Offingen. Datgt 
ſtellt von X. Y. Z3. Belle⸗Vue, Verlagsbuchbandfung. 16. 2Xzr 
.  Borfläge zur Reform der Medicinalverfaffung Preuß, 
insbefondere die Pharmacie und die Viſitation der AÄpotheke— 
betzefienb, von einem „upeinpreußtfähen Apotheker. » Darmkıt 
Pabfl. Br. 8. 21, Nor. 
—8* der Ruasinen in Gallizieu. Ein Wort zw 
Von. einem Russinen. Leipzig, Keil u. Comp. Gr.X 


Oeinurich Brockhana. — — —— Drock hans in Beipig 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Dienfe g, 


— RT. 335. — 


t. December 1846, 





Zur Rogridt. J 


Son diefer eitkcrift 
Buchhandlungen in und aufer 


erfigeint täglt eine Rummer und ber Preis beträgt für den Jahrgang 18 Tr. Ale 
Deuntſchlanb nehmen Weitellungen darauf an; ebenfo 


ale Poſtaͤmter, die ſtch an bie 


Königt. faͤchſiſche Zeitungsezpebttion in Eeipzig werben. Die Verſenbung findet in Wochenlleferungen un 
in Monaksheften ſtatt. 





Zur Geſchichte des thieriſchen Magnetismus 
Geſchichte des ——— Magnetismus. Bon Joſeph Enne⸗ 


moſer. —* | wngearbeitete Aufl Erſter Theil. 
Dr u.d.% dem — *2 Bei, Brodhans. 
1848. &r. 8. ri 


Kaum kann * ver oem unferes Tage fremder | 


beim Eintritt in das Duntrt eined ameritaniichen Ur⸗ 
waldes, in der Mitte feiner mrulcheisten Bewohrer, füh- 


len als in dem fhaurigen und unheimlichen Gebiete, in 


weiches uns der Verf 
fhaft übernommen hat. 


Berf. einzuführen das mühevolle Ge⸗ 
6 ift ein Bebiet, das, ver⸗ 


glichen mit der jegigen Wels, fh verhält wie ein grauer, | 


nerdifcher Rebeltag zu einem hellen, ſonnigen Meinrorgen. 


Man gewahrt bei diefer Bergleihung eben auch wie in 


- fo vielen andern Dingen, daß ber Menſch wie die ihn 


unmgebende Natur, im Laufe der Zeiten ein ganz andever 


geworben iſt, daß feine geiftige Natur eine Umwandlung 
erlitten bat, und daß gewiffe Seiten feimes geifligen We 


ſens in den Vordergrund getreten find, während andere 


zurücktraten und nur noch als Rudimente bier unb da 


| —* werden. Waͤhrend ber Menſch der Jetzeweit im 


der Negion bes Verſtandes ſich bis über die Wolken ver⸗ 


fliegen hat, mit Hülſe dieſes Seelenwermögens Alles zer⸗ 
legt und zergliedert, Probleme löſt und —— zu 
Wirkungen 


Tage fördert, welche die Vorwelt für diabo⸗ 
tiſcher Gewalten gehalten haben würde, ja waͤhrend er 
in eitler Selb ſtũbe hãhung ſogat ein hachſte⸗ Weſen zu 
—* waͤhnt oder ſich gar ſelbſt an die Stelle der 
GSottheit ſetzt, lebte ber Menſch der Vorzeit in dunkeln 
Sefühten und Ahnungen, unter dem Einfluß vermeint⸗ 
lich übernatäriicher Kräfte und Einwirkungen, im feſten 
Hauben an einen Gott oder mehrs Götter, aber auch 

an feindliche Sewalten und an Kräfte und Ehnftäffe der 
Außenwelt, an deren Griftenz bie heutige Welt nicht 
mehr glaubt und fie als Erzeugniſſe einer erceffiven Ein- 
bildungstraft belächelt und verfpottet. Ja, bie heutige 





Miemenſchen 


Verſtandeswelt hat ſich fo daran gewöhnt, ben Schlüſſel 


zu allen Erſcheinungen in deu von ihr als wahr erkann⸗ 


ten Matuzgejegen zu finden, baf fie Das, was nicht mit 
diefen Geſetzen zu vereisbaren ift, lieber geradehin leugnet 
ale noch einen neuen Schlüffek dazu ſucht. 

Es verlohnt ſich wei kaum ber Mühe, die Frage auf- 
zuwerfen, weiche Zeit ben Vorzug verbiene, ob die jegige 
ober die frichere? Den Laaaem irgend eines neckenden 


‚ Gottes oder Zauberers preisgegeben zu fein, feine Hand» 
lungen dem Vögelfluge uwterordnen zu müſſen, ſich 
| ven unabwenbbaren Ausſpruch eines Orakels ängfligen, 


durch 


oder ſich von neckenben Gnomen und Kebolden plagen 

zu laffen, der Rachfucht einer böewilligen Heye zu ver⸗ 
Falten ober wol gar ſelbſt der Hexerei ober Zauberei an⸗ 
geklagt zu werben, find Vorftellungen, bie uns eben nicht 
büfder machen können, ums in bie Zeiten zusüdzufehnen 
im denen fie eine Rolle ſpielten. Gott Lob vielmehr, 
daß folche Zeiten biwter und liegen. Der heutige Menſch 
bat an feiner eigenen Dual und am ber bie ihm feine 
verurfechen genug, ale daß es nicht jener 

ihen durch die Ginbitbungskraft gefchaffenen entrathen 
könnte. Freilich if mit dem Hang zum uber 
auch der Blaube bei einem geafen Theis der Denen 
verfoven gegangen, umb bie gemüthläcke Stimmung, bie 
neben des Zucht und dem Haß auch —— unb 
Liebe in bh aufzunehmen * war, hat nur zu haͤufig 
Play gemadit. In reif 


cupirt, baf Das was ihm nicht bis zur 
Eoibenz klar gemacht werden kamn, für ihn auch niche 
vorhanden iR, und baf jene wunderbaren ungen, 
die in dene Gefühbsieben ihre Wurzeln haben, bei Dem 
geößen Theil Der Menfchen gar kein Organ mehr = 
den. Die Wachefeite ber Fee ba hen | Denen 
b werben en, gehört i in 

bi bee Nehmen ber Schwärmesei un be&. Kher⸗ 


1838 


glaubens, und fie dunken fih im Befüg ihrer Zages- 
weisheit viel zu erhaben, um davon nur irgend Notiz 
zu nehmen. Dazu kommt, daß jene Erſcheinungen felbft 
nur noch in folcher Zurüdgezogenheit fortleben, beim 
Lichte des Tageslebens fo leicht verbleihen, und nur in 
der Stille gedeihen, ſodaß man fie nur mit Mühe in 
ihrer Verborgenheit auffuchen muß und fie daher auch 
‚ nicht vor aller Welt Augen ausftellen kann. Sie ver- 
fhwinden wie das Leuchten des Glühwurms am Tages—⸗ 
lichte. Gerade aber Dies ift ed, was fie dem Verftande 
verbächtig macht. 
greifen, unter die Loupe bringen und dem Eprperiment 
unterftellen kann, hat keine Berechtigung auf Wahrheit, 
iſt blauer Dunft. 

Und doh muß Ref. mit dem Verf. diefes Buches 
einväumen: es gibt dergleichen aus der Nachtfeite der Na⸗ 
tur ftammende Erfcheinungen, wunderbare Sympathien 
und Antipathien, Kräfte und Geelenäußerungen, die ei⸗ 
nem eigenen, bis jegt noch unerforfchten Gebiete der Na- 
tur. angehören und weder aus phyſikaliſchen Gefegen noch 
aus den gewöhnlichen Operationen der Seelenthätigkeiten 
begriffen und erklärt werben können. Namentlich find 
hierher die Erfcheinungen des thierifchen Magnetismus zu 
zählen, diefes lange verfannten und verfpotteten Kindes, 
welches mie das Gefchöpf einer fernen Märchenmwelt in un- 
fere Zeit hereintritt und fi immer nur noch fehüchtern 
und verftohlen in gebildeter Gefellfchaft fehen laſſen darf. 
Ihm find wir es hauptſaͤchlich ſchuldig, daß verwandte 
und längft vergefiene Erfcheinungen wieder aus dem 
Duntel heroorgefucht worden find und man dem Faden 
wieder nachgegangen ift, der ſich durch alle Zeiten und 
Bölker hindurchzieht und diefe Exfcheinungen zu einem 
Ganzen zufammentnüpft. Die Glaubwürdigkeit dieſer 
Erfcheinungen unb was daran wahr ift findet größten- 
theild nur in ihm feine Begründung, mit ihm ftehen 
oder fallen fie. . 

Aber wenn nun auch die den thierifchen Magnetis⸗ 
mus flügenden Thatſachen falfch find? Dagegen läßt ſich 
durchaus Richts fagen als: Sehet und prüfet, und wollt 
ihr Andern den Glauben daran abfprechen, fo zählt Die 
Häupter Derjenigen, die fich für die Wahrheit jener That⸗ 
fachen verbürgt Haben und noch verbürgen, die doch nicht 
Ale Schwärmer, Betrogene und Betrüger fein können, 
mb erwägt, daß alle Beobachtungen, wie fie bis jetzt 
aus allen europäifhen Staaten vorliegen, ben gleichen 
Topus an fi fragen und immer nur zu gleichen Re⸗ 
fultaten geführt Haben, was doch wol für eine innere, 
nicht von Zufälligkeiten ober von erträumten Ginfällen 
abhängende Übereinflimmung zeugt. Daß ihr mit euern 
bisherigen Erfahrungen und mit euern als wahr aner- 
Bannten Gefegen bed organifchen Lebens die Sache nicht 
deuten könnt und 3. B. nicht zu erklären wißt, wie eine 
Somnambule mit der Magengrube leſen könne, da ja 
nur das Auge mit den zum Sehen geeigneten Organen 
ausgerüftet fei, geht uns Nichte an. Genug, das Fac⸗ 
tum iſt da und nunmehr wol zum hunbertfien male 
beftätige. Es iſt ja noch gar. nicht ausgemacht, ob jenes 


Alles was er nicht betaften und be⸗ 


Sehen ein wirkliches Sehen und nicht ein Wahrnehmen 
äußerer Öbjecte, ob es von anderer WBeife ift als diejenige 
durch welche das Auge percipirt. Überhaupt if mit di. 
len Erklärungen der magnetifchen Erfcheinungen bis jgt 
Wenig oder Nichts gethan. Daß die Nervengeflehte det 
Unterleibes für das Gehirn vicariiren, daß die Lehm 
fraft zur Seele erwache und dergleichen Deutungen mehr, 
machen die Sache nicht um ein Haar begreiflidher un 
laffen das Wunder unverrüdt auf feiner alten Ste. 
Um eine Erklärung ift es aber auch eigentlich nik 
zu thun, denn der legte Grund jeber andern Natına- 
fiheinung ift ebenfo wenig aufzufinden, und wir konnen 
> DB. das Schen des Auges mittels bes auf der Re 
tina fi) abfpiegelnden Gefichtsbildes ebenfo wenig a: 
Mären als das Schen in der Magengegend; aber bi 
fih die Phänomene des thierifchen Magnetismus jo me 
nig an andere bekannte Naturerfcheinungen anreihen la 
fen, daß fih in ihnen nichts Analoges findet und fr 
ganz ifolirt daftehen, Das ift es, was uns genirt m 
in Verlegenheit fegt. Weder die organifchen Kräfte ned 
die rein geiftigen bieten eine Seite dar, an bie fie angt: 
knüpft werben könnten. Es bleibt daher immer nur dk 
Conftatirung der Facta übrig, an die wir und zu halt 
haben; fie allein find es, die wir auffuchen und fe 
ftellen müflen, fo lange bis ed dem menfchlichen Get 
gelingt, den Schlüffel zur Erklärung zu finden. Einmal 
ift die Bahn gebrochen, und bereits fäuge man aud in 
England an dem Gegenftande feine Aufmerkſamkeit w 
zuwenden, ein Umftand, der ihm jedenfalls gedeihlicher 
Erfolge verfpricht als ihm von Seite ber zwar fir ab 


les Neue. empfänglichen, aber leicht die Grenzen der m 


bigen Forſchung überfchreitenben und zur Verzerrung gt 
neigten Franzoſen zu Theil werden koͤnnte. 
. In Hinfiht auf die genauere Ergründung dei & 
genftandes hat der Verf. dadurch der Wiſſenſchaft einer 
großen Dienft erwiefen, daß er fich der unfaglichen Nik 
unterzogen bat, Alles was auf den thierifchen Mayer 
tismus Bezug hat und mit ihm in näherm ober mt 
fernterm Berband fteht, aus dem Bücher - und An 
flaub vergangener Zeiten an das Licht zu ziehen. © 
bat mit bewundernswürdigem Fleiße alle jene ungewehr 
lihen Erſcheinungen gefammelt und zufanmengeftelt, de 
man früher magifche, jegt magnetifche nennt, und ik 
gefchichtlichen Spuren durch alle Zeiten und Völker dc 
folge. Man ftaunt in der That, was ein einziger, M 
gutem Willen für die Sache und Beharrlichkeit audır 
räfteter Mann zu leiften im Stande ift, und faum darft 
die neuere Zeit ein Document deutfchen Fleißes und dm 
ſcher Grünblichkeit aufzumweifen haben, das feinem 
an die Seite zu ſtellen wäre. Kaum dürfte aber a 
ein Anderer in einem Grade zu einem ſolchen befäbie 
gewefen fein ale der Verf., da er nicht allein bes bike 
ſchen Stoffs vollkommen mächtig, ſondern auch durch gez 
vielfältige Erfahrungen mit den wunderbaren Phänomen! 
des thierifchen Magnetismus hinreichend vertraut iſi 
(Die Sortfegung folgt.) 


1088 
* 


Ein ehrengerichtiicher Proceß von F. Anneke. Leipzig, 
O. Wigand. 1846. Br: 8. 15 Nor. 


Wie bereits ſchon in verſchiedenen Blättern erwähnt wor 
den, geb eine zu Preußifh- Minden an öffentlichen Orten durch 
den Lieutenant I. erzählte fcandalöfe Unelöote die Beranlaf 
fung, daß der Werlobte einer dadurch fehr compromittirten 
Dame, Hr. W., früher ebenfalls preußifcher Offizier, ein an 
Lieutenant I. gerichtetes Schreiben feinem Freunde dem Lieute⸗ 
nant Anneke offen mit der Bitte zufendete, foldyes an feine Adreſſe 
weiter zu befördern. Hr. W. bezeichnete in diefem Schreiben 
die von I. erzählte Anekdote als eine niedrige Lüge und Ber 
leumdung, warnte Diefen diefelbe weiter zu verbreiten und fügte 
ſchließlich noch Hinzu:. „Sollten Sie durch Vorſtehendes ſich 
vielleicht beleidigt fühlen, ſo bemerke ich Ihnen, um Ihnen un⸗ 
noͤthige Mühe zu erſparen, daß ich mich auf Duellkindereien 
nicht einlaſſe.“ 

Trotz dieſer ungentlemaniſchen Außerung nahm Lieutenant 
Anneke aber doch keinen Anſtand, dieſes Schreiben zu couver⸗ 
tiren und dem Lieutenant J. zuzuſenden. Als nun Lieute⸗ 
nant J. Anneke deshalb zur Rede ſtellte und ihm bemerkte, 
daß weil W. zum voraus jede übliche Senugthuung mit den 
Waffen verweigere, er fich Diefelbe von ihm (Anneke) ald dem mit 
dem beleidigenden Inhalte jenes Briefes bekannten Weiterbeförde: 
rer Deflelben erbitten müfle, entgegnete Anneke: „Dieſes fällt 
mir nicht ein, ich wüßte nicht wie ich auf diefe Idee kommen 
folte.” In Folge deffen brachte Lieutenant 3. diefen Vorfall 
zur Unzeige, worauf nad Maßgabe der im preußifchen Heere 
beftehenden Beflimmungen ein Ehrengericht zufammenberufen 
ward. Da jedoch in erfler Inſtanz fich nicht die zur Faſſung 
eines gültigen, freifprechenden oder verurtbeilenden Erkennt 
nifje® erfoderlichen zwei Drittbeile der Stimmen ergaben, fo fiel 
die Entfheidung einem nur aus Stabsoffizieren zuſammenge⸗ 
fegten Ehrengerichte zweiter Inftanz anheim. Diefed verur: 
theilte nun den Lieutenant Anneke beinahe einflimmig 1) we: 
gen Der dem Lieutenant I. verweigerten Genugthuung und fei: 
ner verfchiedentlih an den Tag gelegten, mit feiner Stellung 
als Dffizier unvereinbaren Anſicht über das Duell, fowie 
2) wegen feiner dem Gommunismus und Socialiſsmus zuge: 
wendeten politifchen Meinung zur Dienftentlaffung, welche auch 
alebald die Höhere Beftätigung fand, wodurch aber der Lieutes 
nant Unneke fi angeregt fand, in vorliegender Brofüre eine 
Darlegung aller auf jene Angelegenheit mehr oder minder Be: 
zug Babenden Berhältnifle, fowie feine vor jenem Ehrengerichte 
führte Vertheidigung und den Ausſpruch deffelben nebft Ent- 
ſcheidungsgründen der SOffentlichkeit zu übergeben, vefpective an 
dieſe zu appelliren. 

In dem hierzu vorangefendeten Borworte bemerft Hr. An⸗ 
teke zuvörderft: Daß, fo viel auch in Preußen von der Einig⸗ 
eit Des Heeres und Volkes geredet werde, Diefed doch keines⸗ 
vegs fo ganz der Fall fei, fondern vielmehr aus Beranlaffung 
ver Stellung des Offizier zu den übrigen Ständen und na» 
nentlich in Zolge des in "einzelnen Dffigiercorps vorherrſchen⸗ 
ven Kaſtengeiſtes, Dünkels und Hochmuths vielfältig zwiſchen 
Rilitaicr und Civil eine gegenfeitige Abneigung ftattfände. 
Meiftentheile würde dagegen aber wieder dad Militair vom 
Sivif zu hart beurtheilt und Haug dem Einzelnen die Schuld 
eigemeflen, die doch nur in den Berhältniffen und dem Sans 
en, in der Erziehung und in der eigenthümlichen Stellung 
er Dffiziere begründet fei. Solche Urtheile, denen man ben 
Jaß, die Erbitterung und gänzliche Unkenntniß der Verhältniffe 
nſehe, müßten nun aber nothwendigenur wieder Erbitterung 
rzeugen, und fo würde denn jene Kluft zwifchen Soldat und 
Zurger ſtets nur noch mehr vergrößert. 

Inwiefern nun dieſes Alles mehr oder weniger begründet 
in möchte oder nicht, muß Ref. dahingeftellt fein laſſen. 
Yarin dürfte jedoch Hr. Anneke jedenfalls vollfommen Recht 
aben, daß die Preſſe bisher, trog der hohen Wichtigkeit der 
zache, fih noch fehr wenig um die Buftände des Heeres und 


amentlih um jene des Dffigierftandes befümmert babe, oder ! 


wenn Diefes —* ſei, es in der Regel in einer durchaus 
ungeeigneten ſtattgefunden habe. Wenn Hr. ner 
Diefem jedoch noch weiter binzufünt, daß er durch die Ber: 
offentlichung Diefes ehrengerichtlichen Procefies vielen feiner 
ehemaligen Kameraden einen Dienft zu erweiſen glaube, ob⸗ 
fon die nervenſchwache berliner , Militair-Literatur-Beitung ” 
nicht ermangeln werde darüber einen Sammerfchrei auszufloßen, 
o muß Ref. Dieſes doch fehr in Bweifel ziehen ; ja er muß ofe 
en gefteben, daß er, obgleich er Nichts weniger als ein An⸗ 
hänger der fo häufig in der berliner „Militair-Piteratur«Beitung‘‘ 
breitgetvetenen Grundfäge ift und auch nicht an ſchwachen Ner⸗ 
ven leidet, denn deg durch die in vorliegender Brofchüre 
zu Sage gebrachten Enthüllungen fo mander im preußifcyen 
Heere flattfindenden Zuftände ſich nicht nur auf das ſchmerz⸗ 
lichfte berührt fand, fondern daß er in mancher Beziehung des 
von fogar wahrhaft erfchüttert ward. Freilich finden fi) auch 
noch in mehren andern @rfcheinungen der neuern Militair-Lite: 
ratur vielfache und leider nur allzu fehr übereinftimmende 
Kart, ‚die darauf hindeuten, als wenn im preufifchen 

eere von einer gewiflen Coterie dem unbebingteften Servi⸗ 
lismus der Denk: und Handlungsweiſe nicht nur das Wort 
geredet, fontern als wenn folcher felbft durch die ertremften 
Mittel propagirt, als wenn Meinungsunabhängigkeit aud in 
außerordentlichen Berhältniffen übel vermerkt, ja auf alle Weile 
verfolgt, mit Einem Worte, ald wenn der fchrofffte Ultracismus 
gehegt und gepflegt würde. 

Db Dieſes wirklich in vollem Maße der Fall ift, kann 
Ref. als Nichtpreuße zwar nicht hinlänglich beurtheilen, indefs 
fen gab es doch die Veranlaſſung, daß er ſich Durch die in 
ber vorliegenden Brofchüre hierüber mitgetheilten anderweitigen 
Beilpiele nicht allzu fehr befremdet fand. Defto ſchmerzlicher 
mußte ed ihn aber überrafchen, aus benfelben zu entnehmen, 
daß eine von ihm — freilich auch ſchon lange — gehegte Beforg: 
niß anderer Urt nicht minder als bewahrheitet Fr darftelle, 
nämlich daß der jenem Ultratreiben abholde und in feinen Ge⸗ 
finnungen unabhängige und freimüthige Iheil des preußifchen 
Offiziercorps ſich ebenfalls — von dem Wege der wahren Mitte 
zu entfernen beginne. Man braucht nämlich noch lange nicht 
zu der Claſſe der militairifchen Erclufiven zu gehören, fondern 
nur ganz ſchlicht und einfach die Anfichten eines bürgerlichen 
Gentleman zu begen, um wahrzunehmen wie wenig gentlemanis» 
ſche Gefinnung aus dem Schreiben des Hrn. W. an Lieute: 
nant 3. hervorleuchtet. WE faft noch ungentlemanifcher aber 
muß es vollends bezeichnet werden, ein Schreiben folder Art 
nad) I ringe Kenntniß des Inhalts an einen Kameraden 
zu befördern und trotz der hierdurch nothwendig entftehenden 
©olidarität der Verantwortung dieſe dennoch fo zurüdzumeifen 
wie Hr. Anneke es gethan bat. Da nun aber ein Offizier 
vor Allem Gentleman par excellence fein fo *), fo kann Ref. 
auch nur das von dem (Ehrengerichte zweiter Inftanz gegen 
Sen. Unnebe in diefer Beziehung gefällte Urtheil als völlig 
begründet und durchaus angemeſſen erachten. 

Dagegen muß es aber freilih um fo mehr Erftaunen er- 
regen, daß ein Mann wie Hr. Anneke fih in diefer Beziehung 
in fo bedauerliher Weife zu verirren vermochte, zumal ihm 
felbft feine Ankläger das Zeugniß ehrenhaften und fittenftrengen 
Lebenswandels und Charakters ertheilen und fogar das verur: 
theilende Erkenntniß ausdrüdlich bevorwortet, daß von ihm 


*, Wenn mande Ausdruͤcke wie z. B. Liberaler, liberale Bes 
finnung u. f. w. ſchon Sängft ihrer eigentliden Wortbebeutung vers 
luſtig gegangen find, fo fcheint es nadgerade auch mit dem eigent⸗ 
lien Begriffe von Ritterlichkeit, Nitterfinn u. f. w. ebenfo ergeben 
zu wollen; und ed mag in Diefer Beziehung hin und wieber bereits 
dahin grlommen fein, daB z. B. der Auddrud „ritterlihes Weſen“ 
kaum noch eine andere Vorſtellung als die von einem jungen Mens 
fen mit engen, prallen Hoſen, mit einem mädtigen Hahnenſteiße 
auf dem Hute bervorruft. Ref. glaubte daher in biefer bedauer⸗ 
lchen Golamität zu den Auöbräden Gentleman und gentiemanifh 
greifen zu müſſen. 





Verirrung aber wirklich fogar fo weit on * 
Se kan. Fi voller Beben kan dea —— 


‚fin taflens ebenfo ob bie ſolcher 2** 
ten hielefelder Freunde des Hru. Un 
&omwmuniften oder nicht vielmehr als bloße bkealiberake zu 
bezeichnes fein mächten. Die Begriffsbeftinumung hierüber iſt 
um fo ſchwieriger. als unter Unberm ein co —— 
neral in einer aus Anlaß jenes ehrengerichtlichen uch an 
dis Dfiziene und einjährigen ** en ſeiner Dioifion ge 
richteten Ermahnung dem Begriff von Gommunismus und Ge 
cdoliägus babin definirt haben: fol: Socialiſt oder Sommunift 
zw fein heiße den erhabenen Intentionen Gr. Mai bed Königs 
Deu Müden wenden.‘ Hiernach müßten benn freifich unter 
Underm auch die gegen dad neue Ghefiheibungsgefeh — 
venden Mitglieder des königlichen Kammergerichts zu Berlin 
ader die gegen die Ausbildung der Inſtitution der Reichsſtaͤnde 
votirenden Mitglieder des Steatsratpes cheufalts. ald Commu⸗ 
eig oder Gerialiften bezeichnet werben. Dagegen dürfte aber 
dem Unbefangenen, weſſen Standes er auch fet, aus bee 
Dorfelung des fraglichen ehrengerichtlichen Moreſſes in über 
zeugender WBeife Mar vor Augen treten, daß, fo ſehr auch im- 
merbin dad Duell als ein darbariiches Vorurtheil verſchrien 
und fo oft ch fich als Kinderei erweiſen mag, daſſelbe aber doch 
trog alle Dem im Vergleiche mit dem durch dieſes ehrenge⸗ 
richtliche Verfahren verunlaßten Seandale ats ein wahres Mir 
nimum eines Übelftandes erſcheint. 
Ber Allem miderivärtig iſt Der Eindruch der durch bie 
Proceßform noch —— hervorgehsbenen dialektiſchen und 
afuiftifchen Spigfindigksiten in ber Vertheidigungeſchrift As 
neke'ſs; beffagenswerth das Drehen und Wenden, der vollkom⸗ 
mene Mangel an Aufrichtigkeit im den Ausfagen und Erklü⸗ 
rungen faßt fünnmtlidger Berheiligten ; grauenhaft, daß bei die⸗ 
fer fer Gelegenheit ar Ausdrücke als „‚binter die Dhren ſchla⸗ 
gen’, „Schweinehund“ u ſ. w. zur Pratokollirung kamen. 
Wie ganz anders würde fih aber * dieſe Angelegenheit ger 
ſtaltet haben, wenn die Beſtimmung nicht beſtanden hätte, wor 
nad jedem Duche ein ehrengerichtliches Verfahren berauägchen 
muß? Aller Wahrſcheinlichkeit nuch würde namlich Hr. Anneke 
alöbann dem Lieutenant I. Die gefoberte Genugthuung nicht 
verweigert haben und es würde mithin zwiſchen Beiden um 
Duch gekemmen fen, worin möglicherweife und alsdann a 
binge auch fehr bebauerliherweife der Sine eder ber Andere 
den Zod oder Verfiimmlung hätte finden Bönnen, was. aker 
hoͤchſtwahrſcheinlich Damit gaendet haben würde, daß ber Eine 
De der Andere eine tüchtige Schramme davongetragen Ba: 
ben. dürfte, mit beren Heilung zugleich bie ganze Sache ver» 
narbt und abgethan geweien fein würde, während bie ſtattge⸗ 
fundene ehrengerichtliche Abmachung der fraglichen Angelenen- 
beit leider nur allzu ſehr die Symptome einer Kabmeifchen & 
von Dracdenzähnen an ſich trägt. Sollte aber vollends 8 
bei BER ehrengerichtlichen Wburtpeitung ein Berfabren ftatt: 
geh nden haben wie dieſes ©. und 72 der vorliegenden 
ofhüre mit vielem Anſcheine der Begründung behauptet 
wird, dann dürfte hierdurch bie Inftitution der Ehrengerichte 
in ihren Grundfeſten erfchüttert worden fein. Jedenfalls würbe 
ein ng fortgefeptes Verfahren jener Inftitution alle und 
jede Wirkſamkeit und alle und jede moralifche Geltung vauben, 
indem hierdurch nothwendig bie Verwirklichung ber Idee bed 
Rechtſprechens gänzlich beifeite gefegt und bie theitnchmmenden 
ichter ſyſtematiſch demoralifivt werben würden. Gin nicht 


| det wirb. Kr: 
Einwir! 


faßten, Anhoriamen über Krieg, 





icht, ae d 
aa: r3 * als 


er mordet den 





werden ,‚ wenn man einen Berein von *2 melde 
nad) dem Mosrtlaute der beizeffenden gef 
ammenber werben, um ald Epvenmänne ID 


[et 
Hp 
3 
2 
fi 
| 
a 
x; 


ein Charakter , um um A mehr wird und muß fi ein ſolhe 
auch Durch foldye Anmuthungen, weiche bie vollkommen ſie Aein 
gegen © alles. ritterliche er unterftellen, verlegt, ja im tie 
daß gesade ein en ieh —— Kind m 
—R erregt, über das wahre Recht verbiendet w F 


einem Richter zu einem Anwalte des 


werden düsfte, daß n Anneke nicht ſchon glei 
verurtheilt wurde. 


—— —— bezeichnea " 
Hoffnu 


M. von Sitfurtb. 


*) Man vergleiche den Abſchnitt Monarchifches Unraweien 
in den dem Vernehmen nad von einem preußifihen Geste @ 
i g usb Kriegertend 
(Leipzig 1844);, ſowie daren Veuttheilung in Ne. 286 d. wi. f. M 





 Kiterarifhe Anzeige. 


In meinem Verlage eniheint foeben und iſt in allen Buchkark 


lungen zu erhalten: 


Beridte 


über die erfte evang 


Seteral node Preupen 


tm ahre 
Mit einem. Anhauge der widtigfien Artenfüdt 
berausgsgeben von 
Gusta» Krüger, 
Pfarrer zu Schenkenberg, Mitglieb ber Generalfynode. 
Gr. 8. Geh. 1 The. 15 Nor. 
Reiysig, im December 1846. 

Æ A. Brockhaus 





Berantwortlicher Herausgeber: Geinrich Brockpauns. — Druck und Verlag von F. X. Vrockpaus in Lripjig 


Blätter 


für 


littrariſche Unterhaltung. 





Mittwoch, 


Zur Geſchichte des thieriſchen Magnetismus. 


(Bortfegung aus der. 2.) 


As ein Axchip für alle mis dem chieriſchen Mogra 
tismus verwandten Griheinungen ift Das Bud unfhäg- 
bar, und nicht zu Ieuguen iſt es, daß ſich diefe Erſchei⸗ 
mungen wie der rothe Faden durch alle Zeiten und Wäl- 
ter hinduxchzichen. Aber mas an ihnen wahr und mas 
Täufhung, . Spiel der ——— iſt, bleibt 
sine ſehr ſchwer zu loſende Aufgabe. Wir mücten fa- 
‚gen, ber Himmel bemapre uns, daß alles Das wahr fei, 
was ung hier berichtet wird, ja, wir möchten kaum eine 
einzige von ben vielen aus alter Zeit und überfpmmenen 
magifchen Thatſachen zugehen, bevor ſie nicht durch neuere 
Erfahrungen und durch glaubwüůrdige Zeugen beſtaͤtigt if. 
Bir müffen bedenken, daß die ältere Zeit für alles Bu 
berbare, Dämonifhe offenen Sinn hatte und Raturer⸗ 
ſcheinungen, für die fih in ber ſpätern Zeit gar oft ber 
natürliche Schluͤſſel fand, auf magiſche und fahelhafte 
Weiſe ausſchmückte. Hüten wir uns daher wohl, ſoichen 
Gegenftänten ein Pförthen zu öffnen, wenn ſich nit 


aller alte Aberglaube und alfer Heren · und Zeufelsfpuf | 


mit feinem Gefolge wieder pereindrängen fall. Der Verf. 


ſcheint Dies wohl gefühlt zu haben, wenn er in her | 


Vorrede fagt: . 

Wenn manche Dinge, die darin verhandelt werden, Hi 
immer den vollen Stempel der 'unfehlbaren Wahrheit Pa 
der auch mande Grundfäge, auf die fie geftellt merden, nicht 
ie fefteften fein mögen: fo wird man auch nicht leicht fagen 
binnen, Daß fie erlogen, oder DaB Llles nur Krug fei. 
2 aber wirkiich wären, wie ‚denn in der viele fol 
je hier vorkommen, fo wird man wenigftens hin und wieder 
eranlaſſung finden, weiter und allgemeiner darüber nadzu: 
enken und den Rugen ihrer Anwendung zu prüfen, um viel: 
icht einmal dahin zu Commen, auch hinter den feltenern Wir- 
ingen comfante Ktüfte zu emtdesden; mande ten 
egzuräumen, welche ‚die gemeinen 
x menfchlichen Thaͤtigkeit ein vielfeitigeres Zelb ber Wirkfom: 
it zu eröffnen, und enbli das erhahene Ziel ber Geiltes: 
flimmung in der Berne zu finden. 

Den Tegtgenannten wiffenfchaftlihen Nugen ‚müffen 
r unbebingt zugeben, dennoch aber find wir der Mei- 
ng, daß der Verf. fih nicht felten zu weit von dem 
‚genftande habe hintsißgn Iaffen, und nicht immer bie- 
ige Kritik geübt Habe, hie in dergleichen Dingen un— 








Wäflenfchaften nicht 54 


3. December 1848. 





fein muß. Er Hält Dinge für 
wenigſtens die Mühe fie in den 
reinigen einzuräihen,, bie wir 
entroeder geradezu Pe etrug ‚oder für Selbfttäufhung 
erklären müffen. Der Verf. dürfte uns zwar einmenden, 
daß, wenn fir bie eigenthümlichen und bie jegt noch nicht 
‚zu erflärenden Erfcheinungen des hieriſchen Bagnetie- 
ms zugeben, wir ja mit gleichem Rechie auch jene ver · 
wandten Erſcheinungen zugeben müffen, dent “aud fie 
fönnen ja ebenfo gut wahr fein ale es jene find; allein 
wenn wir bedenken, in welde dunkle Zeiten die Teptern 
faßen, mit wie vielen Anfihten und Meinungen fie ge» 
paart find, die wir jegt als irrthümlich, als Trugichläffe 
des Verſtandes und als Berbiendungen ber Phantafie 
erfennen müffen, und aus welchen ven Quellen zum 
Theil die fie flügenden Thatſachen fließen: "fo bleibt es 
feinem Zweifel unterworfen, daß ſich die Kritik hier mit 
doppelter Strenge zeigen müffe, um nicht Falſches ſtatt 
Wahres einzutauſchen und flatt die Naturwiſſenſchaft zu 
bereichern, dem alten Aberglauben die Zügel in bie 
au geben. Der Exnft des Begenftanbeß fobert Dies, und 
die Sache des thieriſchen Magnetismus, die noch ein gro- 
Her Theil felbft erleuchteter und denkender Zeitgenoffen 
zu den Träumereien zählt, würde es büßen müffen, wenn 
wir uns in der Abwägung von Thatſachen und krſchei - 
nungen zu nachgiebig und rang zeigen wollten, die 
deshalb weil fie erzäpft und von Denen bie fie erzäh- 
len für wahr gehalten wurden, noch lange nicht wür- 
dig find als Zeugmiffe für eine an ſich wahre Sache 





erlaßliche Bebingun; 
wahr, oder gibt fi 
Kreif magnetifcher 


Bern | zu dienen. 


Der bedeutende Umfang des Werkes geftattet uns 
nit, in eine ausführlihere Darftellun 
einzugehen; nur den Weg, welchen der 
Unterfuung nimmt, wollen wir in der | 

In der Einfeitung ſucht Derſelbe 1 
thieriſchen Magnetismus zu entwideln, fe 
Bufammenhang mit andern Erfheinunger 
netiſch zu zeigen, ſowie die Nichtigkeit fe 
au den ‚übrigen Wiſſenſchaften darzuthun 
Regode und den Gang & bezeichnen, n 
riſche Darftellung feiner Entwidelung um 
folgt. Der Verf. peift nad, daß, gleicht 
dern das Höhere enshalten und heide 


1342 


Stufen eines Banzen find, ſich auch diefelben Fähigkeiten 
des Menfchen nach jeder Nichtung ſchon in der Kind⸗ 
heit des Denfchengefchlehts in Hinſicht der magnetifchen 
Erfcheinungen zeigten, fowie wir fie jest, Fünftlich hervor- 
gebracht, als ganz natürliche Zuftände zu würdigen wiflen. 
Der Unterſchied ift aber vorzüglich 
der Kindheit das Schlafleben und weniger felbftbewußte 
Traumleben überwiegt, und wie bei jeder Entwidelung 
nur allmälig aus dem Niedern das Höhere emporfleigt 
— in der alten Zeit das ſomnambule Schlafleben auch 
allgemeiner war und weniger auffiel als in fpätern Epo- 
den der Geſchichte, wo das wiſſenſchaftliche Erwachen 
die mit jenen fomnambulen Zuftänden verwebten unme: 
fentlihen Nachtgebilde einer fehwärmerifchen Phantaſie 
immer mehr. zu verfcheuchen begann, leider aber damit 
häufig dahin gerieth, auch das Wahre mit dem Falſchen 
zu verwerfen. War der allgemeiner verbreitete Magie- 
mus der alten Zeit weniger feinem Wefen nach erkannt 
und nicht zum klaren Bemwußtfein erhoben, mehr Sache 
des dunkeln Gemüths, aus deffen Tiefe oft plöglich das 
klare Bild wie der Blig aufleuchtete mit dem Eindrude 
der unmittelbaren Gewißheit: fo war wol Nichts näher 
ald anzunehmen, die Erfheinung flamme nicht aus der 
eigenen Tiefe, fondern fie komme von aufen und fei 
wirklich objectiver Art. War das Gedankenbild von gro⸗ 
fer Deutlichkeit, und wiederholten fich die Erfcheinungen 
öfter in derfelben Lebhaftigkeit, fo offenbarten fie fich in 
Geberden und mit ungewohnter Sprachweife oft jn er- 
greifenden Reden auch den Umftehenden, und fo erfchien 
ihnen das geifterhaft Dämonifche ale ein göttliche We⸗ 
fen, das die Begeifterten erfüllte. Aus ſolchen Anfchau- 
ungen, Erregungen und Dandlungen entfland der weit- 
ſchichtige Bau der Naturreligion. So entftand, möchten 
wir hinzufügen, aber auch Taͤuſchung und Betrug. Df- 
fenbar war das DBermögen der magifchen Wirkfamkeit, 
des Schauen, der Weiffagung in jenen Zeiten ebenfo 
wenig ein Gemeingut der Menfchen ale es jegt ein fol- 
es iſt; die damit Begabten und Bevorzugten konnten 
es daher wol zu Nebenzweden zu benugen fuchen, um 
fih Anfehen zu verfchaffen u. f. m. 

Im erſten Adfchnitt handelt der Verf. „Won der 
Mogie und ihren Theilen im Allgemeinen‘ und zeigt, 
daß fi) die Magie bis in die älteften Zeiten der Bor- 
welt und in bie entfernteften &egenden bes Orients, In⸗ 
dien, Perfien, Ehaldäa und Agypten, verliere. Nament⸗ 
lid) enthalten nach neuern Forſchungen die Zendbücher, 
Manu’ Gefege und bie jüdifhen Zraditionen in ber 
Kabbala die äfteften Urkunden. In der legtern finden 
fi) die Grundlehren der fpätern Magie vorgebildet, 
und namentlich ift das Hexenweſen ganz in effigie 
abgebildet. 

In der erſten Abtheilung wird gezeigt, daß „Die Vi⸗ 
fionen” nicht immer blos Wirkung eines rein phyfiologi- 
fhen Proceſſes der Phantaſie und der Sinnesorgane, 
fondern oft von hyperphyſiſchen Einflüffen bedingt find, 
und zwar von folchen, welche gan; und gar außerhalb 
des Bereiche der Phantaſie und der Sinnesorgane liegen. 


ber Art, daß, wie in. 


Man kann fie in folche ſchlechthin, in die Ekſtaſe un 
in die höhere Begeifterung abtheilen. Zu den Bifisun 
niederer Art gehören die flüchtigen Bilder und vorihe: 
ſchwebenden traumartigen Erfcheinungen, die nicht haftın 
und aus der Erinnerung verſchwinden wie fie weine 
ſich eingeftellt Haben. Einen höhern Brad bildet die Br 
zudung, Efftafe, wozu vorzüglich contemplative und rd 
giös geflimmte Gemüther geneigt find, wenn fie in m 
diefer Anlage entfprechendes Verhaͤltniß der Umftändeg: 
fegt find. Hierin fleigern fich die Thätigkeiten der Exck, 
insbefondere der Borftellungen und der Phantafe, ef 
zu einer wunderbaren Höhe, daß man leicht verſucht 
wird, in dem Verzückten eine völlige Verwandlung de 
Derfönlichkeit oder das Einfprehen und Beſißnehme 
fremder Weſen In derfelben anzunehmen. Dieſe Au 
fpielt die Hauptrolle durch die ganze Geſchichte der Rr 
gie von den älteften Völkern ber, und fie ift es amd, 
welche bei den magnetifchen Erfcheinungen jegt noch du 
größte Auffehen erregt. Endlich eine noch höhere Einf | 
ift das Hellfehen und Die echte Begeifterung. Scan 
auf den beiden vorgenannten Stufen zeigt der Maik, 
wie mit feiner aufrechten Stellung ein Emporragen in 
eine über die Erde gelegene Region und eine Zähigke, 
Mehr zu fehen und wahrzunehmen als mas die fenft 
Schärfe der thierifhen Sinne erreihen ann, ihm gr 
geben if. Wir fehen an. ihm ein Bewegen des Grit 
mit einer Gefchwindigkeit, der die Schnelligkeit Ki 
Sturmminbes, ja der Blig des Lichts nicht nachkomm 
Aber die wahre Selbftändigkeit und bie hoͤchſte, in de 
überfinnliche Welt eingreifende Freiheit des menfhlige 
Beiftes beurkunder erft das wahre Hellfehen und die chtt 
Begeifterung. Das Schauen und Wirken der reigim 
Begeifterung insbefondere ift das hoͤchſte Selbfihmet: 
fein, ohne bie ſchwankenden Wechfel und ohne die nd 
weifen Unterbrechungen, welche auf den unten Enfe 
noch flattfinden. Wie der Iweck über alles Irdiſhe 
hinaus ein göttlicher ift, fo bekommt in der Begeifteruy 
der an fich oft fehr ſchwache Leib eine übermenſchlik 
Kraft, und die Naturdinge in ihrer Schwere und Ir 
heit dienen dem Begeiſterten wie ein leichtes, ſelbſt 
wegliches Spielzeug. Die flammelnde Zunge wird m 
feuriges Sprachorgan von dem Heiligen Geifte bewen 
mit Worten des Leben®, und der innern Demut m 
Selbftaufopferung folgen äußere Liebeswerke und 38 
gendhandlungen. 

Bon mannichfachem Intereffe find in der zweiten Ü 
theilung des Derf. Bemerkungen über „Die Träume”. 
Die Traumbilder find zuweilen fo lebhaft, daß fie bw 
Erwachen bie aͤußern Begenflände überfcheinen und 9X 
nicht verfhwinden. Die Sinnesbilder der Träumen 
find nicht immer bekannte und leicht verftändlihe Er 
fheinungen, häufig find es überrafchende Symbole, dem 


Bedeutung erſt mit Mühe in die Worte der Umganyt 


fprache zu überfegen ift, die der Träumende ſelbſt mt 
nicht zu enträthfeln weiß. Es ift aber urfprünglih d 
Sprache der Poeſie und der Propheten überhaupt 8 
bolifch, d.i. Bild und Sache find Eins, und es [het 








1343 


daß die wahre Angeborene Gprade und die 3283 
Gottes zu den Menſchen eine ſymboliſche Bilderſprache 
war. Die Sprache des Traums iſt bei den verſchieden⸗ 
ſten Menſchen und Völkern dieſelbe; die Propheten und 
Seher, der wahre Dichter, der magnetiſche Hellſeher 
und der prophetiſche Traumgenius haben die magiſche 
Sprache ſaͤmmtlich häufiger als die gewöhnliche Um⸗ 
gangsſprache. Es liege in fener eine Fülle von Bedeu⸗ 
tungen und Gombinationen, von Sachen und Zeiten, daf 
fie die weitläufigfte Profa nicht auseinanderzulegen im 
Stande ifl. Einige allegoriſche Träume mögen auch hier 
eine Stelle finden. Dr. &., ein Freund des Univerfitäts- 
lehrers Sachs in Erlangen, eines Albino, hatte in ber 
Racht nach einem Abend, den er in naturmwiffenfchaft- 
lihen Geſprächen mit Diefem, feinem Lehrer, zugebracht 
hatte, folgenden Traum: 

Ic beftieg einen Berg, auf dem ein Tempel ſich befand. 
Ws ich fein Inneres betrat, ſah ich in einem ſchwarz behange: 
nen Gaal ringsum Freimaurer figen. Ich hörte einen herr: 
lichen, ergreifenden Zrauergefang. Auf meine Frage: Wem der 
Sefang geltet erhielt ich die Antwort: Dem Bruder Sachs. 
Ein Bierteljahe darauf, als ich die Univerfität verlaſſen hatte, 
erbielt ich die Rachricht von Sachs Tode, der fi) bei Beſtei⸗ 
gung eines Berges eine tödtlidhde Krankheit zugezogen hatte. 
Ein halbes Jahr nachher wohnte ich in einer Loge zu R. der 
Zodtenfeier bei, die dem Bruder Sachs gehalten wurde. 

We im 3. 1831 in Berlin die Cholera ausbrach, 
war man in Brandenburg voll Angft. Der Schuliehrer 
K. aber fagte: 

Ih fah im Traum ein Ungeheuer von Often fommen bis 
in die Nähe von Brandenburg. Da machte ed einen großen 
Sprung links und rechts. Brandenburg wird frei bleiben. 


So traf es pünktlich ein. 


In der dritten Abtheilung: „Das Wahrfagen”, wer- 
den die verfchiedenen Arten dieſer Grfcheinungen befpro- 
hen. Mertwürdig ift auch hier, daß Vorbebeutungen und 
Ahnungen, wovon fich in der neuern Zeit noch fo viele 
Beifpiele vorfinden, bereitd den Alten befannt waren. 
&o bekamen die Lacedämonier furz vor der Schlacht 
von Leuktra eine wichtige Vorbedeutung. In dem Tem⸗ 
pel des Hercules fingen die Waffen von felbft an zu 
Hingen und das Bild des Hercules von vielem Schweiß 
zu triefen. Zu bderfelben Zeit fprangen, wie Kalliſthenes 
erzähle, auch zu heben die Schlöffer und Riegel in dem 
Tempel des Hercules auf, und fielen die Waffen, welche 
feft an den Wänden hingen, auf ben Boden. Ferner 
werden hierher gezählt: das Wahrfagen im Schlafe und 
im Traume, fur, vor bem Tode, das Nachtwandeln, das 
zweite Geſicht (second sight), wovon aufer den befann- 
ten Beifpielen auf den fchottifchen Infeln auch noch an- 
dere aus andern Gegenden vorfommen, die Viſionen in 
Krankheiten u. f. w. Befreunden fönnen wir une aber 
nicht mit der Anſicht des Berf., daß die niebere magi⸗ 
Ihe Ekſtaſe und die Infptration der heiligen Seher und 
Propheten weſentlich verſchiedene Zuftände feien. Gern 
geben wir zwar zu, daß die Motive bei beiden nicht ein 
und diefelben find, aber das Grundvermögen, aus bem 


beide ihre Wurzel haben, ift hoͤchſtwahrſcheinlich daffelbe. 


In beiden Fallen iſt es eine innere und mächtige Begei⸗ 


fterung, welche zum Schauen und zum Wahrſagen treibt, 
mögen auch die diefer Begeifterung zum Grunde liegen. 
ben Motive fein welche fie wollen, und wenn ber Verf. 
meint, die Ekſtaſe der wahren Heiligen gebe Zeugnig 
von einer höhern unfichtbaren Ordnung ber Dinge, bie 
herüberwirten in die natürliche Welt des Menfchen, fo 
fegt Dies eine unmittelbare göttliche Gingebung und Ein⸗ 
wirkung voraus, an die wir, vom Stande des Prote⸗ 
ſtantismus aus, wenigftens nicht glauben können. Der 
Annahme einer folchen unmittelbaren Einwirkung bedarf 
es auch gar nit, wenn wir nur einräumen, daß ber 
Menſch durch religiöfe Betrachtungen und durch from- 
men Wandel einer höhern Entwidelung jener in ihm 
liegenden magifhen Kräfte fähig werde. Eben deshalb 
fönnen wir aber auch bei den Entzüdungen einer heili- 
gen Katharina von Giena nicht mit dem Derf. aus- 
rufen: „Hier ift göttliche Erfcheinung und Heiligkeit und 
Wunder !" noch weniger aber an die von betrügerifchen: 
oder leichtgläubigen Pfaffen verbreiteten Erzählungen von 
der Nonne A. 8. Emmerich in Dülmen, oder der noch 
lebenden Maria v. Mörl zu Kaltern und der gleichfalls 
noch lebenden Müllersſstochter Domenica Lazari zu Ca⸗ 
priana in Zirol und ber an ihren Leibern fichtbaren 
Kreuze und Wundmale glauben. Wenn dergleichen Zei- 
den in Folge der Einbildungstraft, der fie der Verf. 
zufchreibt, wirklich hervortreten tönnten, was für Ge⸗ 
mälde müßten da an ben Leibern mandyer Hypochondri⸗ 
ften und Wahnfinnigen zu ſchauen fein, bei denen bie 
Trugbilder der Phantafie doch gewiß nicht weniger le⸗ 
bendig find als dort? 

In der vierten Abtheilung werden die „Theoretiſchen 
Anfichten der Alten über das Weſen des Magismus iı® 
Allgemeinen” betrachtet. 

(Die Bortfegung folgt. ) 








Uranus und Neptun vor dem Gerichtshofe 
der Sternfundigen. 


Das „Athenaeum‘ enthält in einer der legten Rummern 
unter der ilberfchrift „Astronomical police report” folgende 
launige Darftellung ber Wuffindung des neuen Planeten. Gin 
Individuum von fchlechtem Ausſehen (an ill-looking kind of 
body), weldyes durchaus feinen Ramen nit angeben wollte, 
wurde vor die Akademie der Wiflenfchaften gebracht unter der 
Anflage, einen Herrn mit Ramen Uranus auf offener Heer 
ſtraße angefallen zu haben. Der Kläger war eine ziemlid) 
jungenhaft ausfehende Perſon, die fi in zwei bis drei Möde 
eingelnüpft hatte; auch hätte ſich wol nicht leicht eine froftigere 
Geſtalt denken laſſen, wenn nicht der Angeklagte daneben geftan» 
den, der die ganze Zeit über wahrhaft mit den Zähnen Mapperte. 

Der Scharwächter Le Berrier fagte aus, daß er Klägern 
längs des gepflafterten Wegs hinwandeln, — aber bann und 
warn zur Weite torkeln, zuweilen auch an das Geländer bes 
Buͤrgerſteigs anrennen und ganz feltfame Sprünge machen fah. 
Beuge ſchloß daraus, daß ihn Jemand beim Node zupfen oder 
anderweitig Hand an ihn legen müfle.. Es war fo finfter, daß 
Beuge Nichts ſehen konnte; aber er glaubte, wenn er auf die 
Richtung Acht gäbe, in weldyer die nachfte ungebührlihe Bewe⸗ 
gung erfolge, Fonne es ihm vielleicht gelingen, Etwas heraus: 
zußriegen. US der Augenblick gekommen war, trug er einem 











ab verumſtvolche 


F wosd Brunmo aufgerufen und er beflätigte in Be 


Pierau 
ayf die Verhaftung die Ausſage feines Kameraden. 
de [ Ara * Bar Kläger nüchtern? 


e Berrier. Ja, Ew. Gnaden. Rimmerrichr wird Se: | 


mand, bes aud) nur einen Schluck im Leibe hat, ſo Fuoliig 


wie ar. 
Aragp. Baht Ihr, wie her Anfall ſtattfand? 
e Berrier. Ih kann gerade nicht behaupten, A 
ger 


on fah, aber ich gab Brunow genaue Weiſung, wo 
Aiedergeſtaucht werden wrde — wie 48 8 — 
Sr. Axago (gu Brummen). Weit arm Anteil? 
Brunow. Hein, Ev. Mnaden; aber ich +srwilrhte Dem 


Be Berrier. Jch ſchloß, daß es nicht auders fein Nante, 
| i eitkome Hin: und Hertaumeln auf Dem 


Hr. Arago. Ihr fulgertet und rechnetet! Nun, Ihr wollt 
mir doc wol nicht weismachen, dag ihr Rachtwaͤchter zu Haufe 
gen und mitteld des Rechenbuchs Alles herauskriegen Ponat, 
wood auf der Straße vorgeht? Habt Ihr je vor mich einen 
Zall wie hen gegenwaͤrtigen gebracht? 

Le Berrier. Run, halten zu GBnaden, Herr Richter, 
die Scharwacht wird eben von Tag zu Tag finfer. Wir fon- 
nen nicht wohl ander — es kommt eben über une. 

Hr. Arago. Ihr ſeid mir wahrlich Thon zu geſchoit. 
Mas weiß Kläger von der Wache! 

Klöger fagt aus, was er Davon wiſſe, fei, daß er ‚zu wie⸗ 
derholten malen von Iemandem hinten am Rocke gezupft wor: 
den. Auf weiteres Befragen eftand Kläger, daß er Beklag⸗ 
‚ten oft gefehen, daß er jedoch feinen Namen nicht kenne, aud) 


micht wiſſe, auf melde Weiſe er feinen Bebensunterhait ge⸗ 


winne; in der legten Beit babe er freilinh vernommen, daß ‚or 
Reptun beiße. Er, Kläger, felbft hingegen babe ſchon eine 
hübſche Reihe Jahre Steuern und Abgaben bezahlt; auch be: 
fige er eine Familie von Sechfen, wovon Zwei bereits ihr eige⸗ 
nes Hauswefen gegründet. 

er Angeklagte erflärte, zu feiner Bertheidigung aufge: 
rufen, es fei eine gewöhnliche Rauferei gewefen. Er babe 
KRlöägern Eins verfept und Dieler den Stoß zuxückgegeben. Sie 


Teig * —— Cie 
AB, CHE Di 

auf der Gerrkrahe quinskg 
uf, das ! 







ee 


rſchen zu Gaben wi 
—— wol no für lange Zeit eine folde grau Bau 
htigung gm Plage fein Be und Kläge in diefer Hinkft 
nicht um ein Haar befier erfcheine %. 


ine. 


Riterarifche Notizen aus Frankreiq. 


| Beitrag zur Goeſchichte Aliens im EI. Sahrhuaden 


hätten einander ſchon geraume Beit gekannt mad wären Hat . 


an Zwiſt gelegen; er wiſſe eigentlich nicht weshalb. Er ven 
muthe, es Liege einmal in ihrem Meilen. Werner ſagt Unge: 
Magter aus, Kläger habe über fich ſelbſt Falſchos vorgebracht 
se reiche unter verſchiedenen KRamen herum: zuweilen neune 
man ihn Uranus, zumeilen Herichel und dann und warn Geor- 
gium sidus; auch flände er in feiner Rachbarſchaft eben nicht 
im Rufe ordentlien Lebenswandels. Wirklich werde er au: 
weilen plöglich auf lange Beit unſichtbar. 

Auf Befragen gab Kläger nad kurzem Zögern zu, dab 
er Umgeflagten auch geſtoßen und gezupft habe. Aus dem 
Wortwechſel, welcher hierüber ſich erhob, ließ fich Doch kaum 
errathen, welcher von Beiden angefangen haben mochte; auch 


fehienen die ehrenwerthen Richter dem Blauben Raum zu fihen: 


fen, daß Beide zugleich mit dem Streit begonnen hätten. 

Hr. Arago. Angeklagter, habt Ihr Familie? 

Ungrflogter fand ſich nicht veranlaßt, auf eine folortige 
Beantwortung ber Frage einzugehen. Er meinte, die Sicher: 
heitswache Pönne, ob er deren babe oder nicht, doch ebenſo 
licht auskundſchaften wie das Andere. 

Hr. Arago erflärte, ex fei ſelbſt micht ſehr veriegichemer 


Verantwortlier Herausgeber: Geinrich Brockdans. — Drud und Verlag von F. . Wrodhans in Reipzig- 


Wur :felten dringt eine Runde pen ben faihern Bahik 
augen des fernen Aßens zu und. Mean auch die Qua 6 
ntlich nicht ſpaͤrli Richen, jo find fie, ungeadtet des 14 
tungs, welchen die orientafifhen Studien feit einigen Jar 
zebnden genommen haben, doch immer noch nicht in dem RR 
ich, daß man von einer wirklichen Seſchichte der aiat: 
Meige ceden könnte. Einen intereſſanten Beitag x 
nähern Kenntniß jener Buflände erhelten wir durch die Br 
mühungen des Drientaliften Theodor Pavie. Diefer rühalh 
bekannte Selehrte, Defien Schilderungen amt Indien in iu 
„Revue des deux snandes‘‘ eine iebhafte Auffaffung an $ 
f Darfkellung bethaͤtigen, gibt um unter dem Kill. 
„Tarik-I Asham. Racit de l'axpédition de Mir-Djuid 
ps “die Beſchreibung einer Expedition we 
Jahre 16601. Diefelbe wurde auf Wexanftaltung dei Sud 
der Wroßmongolei unternommen, der ſchon feit laͤngeru it 
feine eroberungsluftigen Blicke auf Affam gerichtet hatte. Ir 
Beſchreibung dieſer Unternehmung wurde von einem Yu- 
zeugen Wali Ahmed : Schahäb » Uddin-Taliſh abgefaht, = 
dem wir fie hier — aber auf Grundlage einer hindoſtanite 
Bearbeitung von Mir: Hugaini — erhalten. So glidiid ie 
kriegeriſche Einfall anfangs war, eine fo unfelige Wendc 
nahm er in der Folge. Schon hatte man fi der Haupik* 
bemädtigt und die Unterwerfung des ganzen Landes I 
vollendet, als bie Regenzeit eintrat und Unglüdsfälle allge It 
fi wit verderblichen klimatiſchen Einflüffen zu verbinten * 
nen, um die ganze Expedition ſcheitern zu laſſen. Br 
nen bier nicht auf einzelne Büge eingeben, von denen un E 
nige ein lebendiges Biid der damaligen Zuftände liefern. Ds 
winſchen, daß der Herausgeber fortfahren anöge, uns die I 
mittel gu einer genaueren Kenntniß Des Drients in fen # 
—*RX Vergangenheit zugänglich zu machen. 


Berfificiete Reiſebeſchreibung. 

Bir erhalten gegenmwärtig unter dem Zitel: „Un tour 
en Algerie, par le deoteur Prosper Vire‘, eine Reifebeit 
bung In Werfen. Vielleicht Hat dem Verf. das bekannte Bed 
von Lebrun über Griechenland vorgeſchwebt; aber wen 
hier zwar das Deferiptive überwiegt, fo gibt es denn Wü 
einer Schilderung der Hiftorifhen Monumente Gricheni:” 
ganz andere Anregung als bei einer flüchtigen Rundreik # 
dee Küfte von Rorbafeite. Lebrun wird vom Gchiwung: c 
phiſhelleniſchen Begeiſterung getragen, welche feinen Bew 
zum Theil ſelbſt da, wo fie in eine nackte Beichreibun # 

uarten drohen, noch einen poetifhen Anflug verleipt, v® 
iro durchaus fih nur auf dem Boden der Profa bewegt. 
deferiptive Genre iſt bekanntlich überhaupt bedeutend im 
geſunken und es bürfte im Ußgemeinen wenig Radfrax ® 
nah fein; aber wenn bie verfificiste Beſchreibung jo weni :® 
Hauche der Poeñe durchdrungen ift wie bier, fo darf ne # 
no irgend einen Anſpruch auf poetifche Geltung 1? 
Wir koͤnnten Hier als Beleg für unfere kritifche Net Eu 
anführen, welche mit leichten Veränderungen in die nu: 
Moſa verwandelt werden koͤnnen 1. 





Blätter 


für 


literariſche unterhaltung. 





Donnerstag, 


ö—— Nr. 337. AT 


3. December 1846. 





Zur Gefchichte des thierifchen Magnetismus. 
(Zortfegung aus Nr. 336,) . 

Der zweite Abfchnitt befpricht den „Magnetismus 
bei den alten Völkern, insbefondere bei den Drientafen, 
gyptern und Iſraeliten“. Es zeigt füch bier in ben 
drei Hauptperioden ber orientalifchen, griechifchen und 
germanifchen Magie im Wefentlihen überall. berfelbe 
Grundcharakter der Phantafiefhöpfungen ; aber es ift 
such hier, wie in allen Rebensrichtungen, eine gewiffe 
Verſchiedenh eit und Eigenthümlichkeit fichtbar, wie Diefes 
fih auh in der Romantik der Völker und Zeiten aus- 
fpriht. Man bat daher, um zu einem richtigen Urtheil 
über die noch fo fehr in Zweifel gezogenen Erfcheinungen 
zu gelangen, auf die Eigenthümlichleit des Volkes und 
ber Zeit überhaupt zu ſehen; auf das Naturel und, ben 
Charakter des Geiſtes; wie biefer durch religiöfe Über- 
lieferung, Erbtheil der Sitten, des Glaubens und ber 
Beihäftigung durch die Sinne und Handlungen einen 
Nationalbeftand angenommen hat; wie bie Mobificationen, 
Veränderungen und Verwandtſchaften von dem Lande, 
Klima, der Nahrung und Beichäftigung, von ber Be⸗ 
Ihaffenheit der äußern Zeiteinwirfungen und den Mi- 
[dungen mit andern Völkern abhängig find. Im Orient 
geftaltete fich der Geiſt ber Menfchheit auf eine ganz ei- 
genthümliche Weiſe fchon von feinem erften Auftreten auf 
dem Schauplag der Geſchichte an, und er blieb gemiffer- 
maßen ftationnair bis auf. den heutigen Tag. Das ma- 
jifche Weſen bat fi) demnach auch feit der älteſten Zeit 
nicht wefentlich verändert, während die Kormen ber grie- 
bifh-römifchen Magie beinahe ganz verſchwunden find, 
nd felbft in ber germanifchen Zeit fih ſchon mehrfach 
erändert haben. Die Einförmigkeit des Lebens und bie 
hroffe Sonderung von ber occidentaliſchen Welt; die Be- 
arrlichkeit an Ort und Sitte; die alte Lehre der Väter 
ber Bott und Welt geftattete keinen Wechfel der An⸗ 
chten und feine freie Beweglichkeit, wie wir Diefes in 
er Mannichfaltigkeit der Formen und Richtungen des 
ebene bei den finnigen und beweglichen Griechen unb 
:i den Welteroberern, den Römern, fehen, bei denen eine 
hr vielfeitige Empfänglichkeit und Thätigkeit, der Trieb 
8 Sucens und Wanbderne eine reichere und tiefere 
aturanlage verräth, eine vielfeitigere Bildung bed Gei⸗ 


+‘ 


ſtes zuläßt und daher auch eine mannichfaltigere Ver⸗ 
wandlung der Phantafieprobucte herbeiführen mußte. 
Der germanifche Genius bat Etwas von dem orientali- 
[hen Ernfte und von der occidentalifchen Beweglichkeit, 
und in ber Magie des Mittelalters kamen auch wieder 
bie orientalifchen Geiſter mit den griechifchen Ideen zu- 
fammen ; fie übernahm von beiden bie Grundelemente 
und ftellt baher bei dem eigenthümlichen, noch zwiſchen 
Roheit und Sitte ſchwankenden Standpunkte der Civili- 
fation ein Gemälde der fonderbarften, oft verzerrteften 
Art in Riffen und Zeichnungen dar, das erft im Kaufe 
der Zeit richtiger begrenzt, gefchieden, fehattirt und har- 
monifh ausgefüllt zu werden beflimmt war. 

Als fefte Anhaltspunkte der Beleuchtung und zur 
richtigen Einſicht in die magifchen Erfcheinungen bei den 
verfchiebenen alten Voͤlkern ſchickt ber Verf. folgende 
Mefultate voraus: 1) Das fomnambule Element liegt in 
der Anlage bes menfchlichen Geiftes als eine inftinctive 
Eigenfhaft verborgen und erfcheint nur unter gewiffen 
Bedingungen jezumeilen. 2) Diefe Bedingungen find 
entweder allgemein und normal, Träume, Ahnungen, 
mehr oder weniger ſtark hervortretende ſubjective Pro- 
buctionen bes innern Sinnes und der Phantafie; ober 
fpeciell und abnorm, Hallueinationen, Vifionen von Gei⸗ 
fteen, Somnambulismus, efftatiihes und magnetifches 
Hellfehen. 3) Die fubjectiven Bilder der Phantafie find 
oft in der Vorftellung fo deutlich und lebendig, daß fie 
fih nicht nur unter die objectiven Wirklichkeiten ftellen, 
fondern Diefelben ganz verdrängen, wodurch ber ausge. 
bildete Wahnfinn entfteht, indem fogar das Gefühl ber 
eigenen Perfönlichkeit untergeht, und das Bild an bie 
Stelle deffelben tritt, was das bämonifche Beſeſſenſein 
harakterifirt. 4) Die Begriffe von ben überfinnlichen 
(übermateriellen) Dingen und ber religiöfe Glaube geben 
die Farben und die Scenerien zu ben Gebilben ber 
Phantafie, die nie als eine abfolute Schöpferin ſelbſt Et- 
was macht, fondern nur das fchon Vorhandene und Lber- 
lieferte nach einer fubjectiven Gefegmäßigfeit verbindet 
und nach einer gewiffen Methode umgeftaltet und zwar 
oft in den. abenteuerlichften Spiegelungen und Aufzuͤgen. 
5) Das in jedem Menfchen fchlummernde fomnambule 
Element kann fehr lange, befonders bei einer ſehr nad 


“ 
| 


3 


der äußern Welt gerichteten Ginnesbefhäftigung ganz 
unthätig ſchlummern, latent bleiben, und bei Individuen, 
außer den Träumen (wie bei Völkern), gar nicht zum 
Borfchein kommen. Auf einmal kann es aber unver- 


ſehens in die Erſcheinung treten, und nun bichtet der 


löglich exwachte Poet in feiner Weile und ſteckt wie 
A Lichtfunteruc) Teine Umgebung oft in welten Krei- 
fen und auf Jahrhunderte an. 6) Die Veranlaſſung 
zu den häufigern ober feltenern Dffenbarungen ber ma- 
gifchen Zuftände liegen theils in der erblichen Dispofition, 
theils in äußern Urfachen, welche auf das fübjective in- 
nere Element erregend einwirken; biefe find Die pſychiſche 
traditionnelle Mittheilung und phyſiſchen geographiſchen 
Drtsverhäftniffe, forte die Lebensart, Die efeigung 
und die Nahrungsmittel. 7) Das magifche Wirken auf 
Yndere und in die Kerne iſt ber active Pol der Seele 
und Lebenskraft, wie das inſtinctive Gemwahrmwerden in der 
Binnesanfhauung der paffive Pol derfelden ift. 8) Die⸗ 
ſes Factum zeigt, daß die Lebensſphaͤre in ber gegenfei- 
figen Wechſelwirkung der Kräfte überhaupt und ber ein- 
zelnen Lebendigen insbefondere befteht; daß alfo ein al⸗ 
gemeiner Rapport und eine durchgreifende Sympathie 
attfindet, die weder räumliche noch zeitliche Grenzen hat. 
) Hiernach ſcheint zugleich hervorzugehen, daß Seele 
und Lebenskraft auch bei den Individuen nicht zweierlel, 
wenigſtens nicht getrennt find, weil die Seele nie mehr 
eine Wirfung bei erloſchener Lebenskraft äußert, u 
weil nur das (organifch) Lebendige befeelt iſt. Ebenfo 
#t nun aber auch begreiflich, wie zwiſchen zwei lebendi⸗ 
gen Individuen em eigenthümficher Wechſelverkehr mög- 
Vic ft, wie die pfychiſche Seelenwirkung des Einen auf 
die Lebenskraft des Adern ſympathiſch wirken und wie 
die modificirten Lebendkräfte auf die Seele zurückwirken 
koͤnnen, und — nicht nur unmittelbar in der Raͤhe, 
ndern unter Umflätden gleichfam atmofphärif in bie 
erne, was bie Erfcheinungen be Magnetiimus in der 
neuen, und jene des Magiemus in ber alten Zeit be⸗ 
weiſen. 19) Wenn auch fiberfinnliches, Übermateriches 
auf die befeelte Rebensfraft aus ungemeffener Berne her- 
einſcheint (imagmatio passiva), alfo Wirkumgen ftafffin- 
den zwiſchen Seiſtigem und Leiblichem, wobei aber bie 
dunkelempfindende Seele keine klar bewußte Erkenntniß 
bet, fo iſt die ummittefhare geifige Gemeinſchaft und 
nwirkung nicht zu Tengnen; denn auch was geiſtig ft, 
iſt nicht feparat geiftig, und alle Wunder ber Geiſter⸗ 
welt loͤſen fih am Ende im Wunder unfers eigenen 
Geiſtes. Db aber Geifter am fich abfolut uͤbernatuͤrlich, 
übermateriell ſind ober nicht, woher fie wirken und ob 
mittelbar durch Kyäfte, oder unmittelbar ſeibſt pofarervegend 
anf die Phantafie oder Lebenskraft, It ſich gar nicht 
befiimmen, und ebenſo wenig abweiſen als beweifen. 
Aus obigen Punkten wird nun gefolgert: 1) Daß 
es in der Natur alferdings einen algemeinen Zuſammen⸗ 
Yang und ein gegenfeitiges Weihfelverhäftnfß nach fom- 
pathiſchen und antipathiſchen Begenfägen gebe, was aber 
nicht mit den wachen Sinnen begriffen werben kamn, daß 
es jedenfalls Etwas gibt wofür die Ginne Tein unmit- 


telbares Zeugniß ablegen. 2) Daß die Welt kein mr 
chaniſches Uhrwerk fei, das nur nad einer zmedicn 
Nothwendigkeit abläuft und fich felbft blind wieder auf: 
zieht; daß die Welt auch nicht eine entgeifterte Rain 
jei. 3) Daß man aber auch von einem abſoluten Ge 
fterreich gußer ber Natur gar Nichts wiſſe. 4) Das ik 
lebendige Seele in einem fompathifchen Verhäftniffe nik 
nur mit ihrem Leibe, fondern auch mit ben Natur: 
litäten außer demfelben ftehe, zwiſchen welchen die Faͤben 
oder das ausgefpannte Neg der Anziehungen und %: 
ftogungen unfthtbar find, deren Grenzen keine Mathe— 
matif zu meffen vermag. 5) Daß ein geifliger Vebfd, 
verkehr wie zwifchen Menfh und Menſch, fo aud ii 
fen Menſch und übermateriellen Potenzen nicht me 
leugnen fei, weil in aller Gefchichte ein ſolcher Verkch 
nicht nur geahnt, fondern dunkel empfunden ober gar 
zur fubjectiven Überzeugung erhoben wurde. 6) Daß i6 
die Propaganda ber Vernunftaufllärung umfonft anf 
und fiher nie im Stande fein wird, den in ſolchen % 
nungen, Empfindungen und Überzeugungen feflgemund: 
ten Glauben oder Aberglauben mit Seumpf und Std 
auszurotten, und alte Schlöffer und Thüren der Vurze 
und Klöfler fo zu versiegeln, daß nidyt nach wie vor I 
Gefpenfter, Revenants, zu ihren Rendezvous ſich wire 
änftellten. 7) Daß aber auch der Tranıatifihe Glauk 
ebenfo wenig im &tande fein wird, alle Geſpenſter dm 
den Eroreismus zu vertreiben und die böfen Gaife u 
bannen, welche als Biftonen bie Köpfe verwirn ua 
fih in den Binden der r verfleden. 8) E# 
lich, daß im ber deutſchen Wiffenfchaft über Natur un 
Geiſt, über Seele und Leib, über bie Möglichkeit m 
Wirblichkeit der gegenfeitigen Wirkungen u. f. w. ned m 
Richts fixirt iſt. 


Wenn man num auch über alles Andere mi wu 


Berf. einverſtanden if, fo Tann man es doch widt m 
Nr. 6 und 7 fen. Wie veime fih Damit Nr. 5} Bi 
der darauf Folgende Ausſpruch: „Die wahre Magie it 
in den geheimſten innerften Kräften unfers Geiflei“! 
Sind wir berechtigt einen Wechſelverkehr mit übermet 
riellen Potenzen da anzunchmen, wo wir in bad Due 
kel geroiffer Erſcheinungen nicht einzubringen vermögm! 
Doch wol nicht jener Rendezvous von Berpenflen u 
Nevenants wegen, bie gewöhnlich wur ba ihre Um 
treiben, wo es in den Köpfen noch fo Finfler au 
wie an ben Orten die fie zum GSchauplag ihrer riet 
nung ermählt haben? Und gefegt, ſie ſeien gefehen wer 


wir nit fürchten, daß, wenn wir ihnen Yon Seite M 
Siſſenſchaft eine Zafiuchtſtaͤtte einräumen, ſich 
und Teufel wieber einſinden Wir uirfers Theil m 
birgen uns, was den men Aberglauben uud fi 
erneute Einbürgerung beirifft, Für Nichte aber wir ie 





1301 


gen auch dad Vertraren * der menſchtichen Bern, 
daß fie dem Lichte der Wahrheit treu bleiben und der⸗ 
grihen Ausmüchien, wo fie ſich auch noch verborgen halten 
migen, mit ber Zeit vollends den Garaus machen werde. 
Hunden fih wur aller Orten, wo man noch an Geſpenſter 
glaubt, Männer wie Bier, F. Speer, Thomafius, fie 
würden bald friedlich in ihren Gräbern fhlummern. 

Der Verf. geht nunmehr zur Magie der einzelnen 
Möller über, bei deren Betrachtung er einen reichen Schat 
der intexeffänteften Thatſachen vor uns ausbreitet. 

Erſte Abtheilung: „Die Magie der Drientalen.” 
©. 314 gebenkt ber Verf. des befonders in Indien fehr 
mächtigen Einfluffes der Sonne und ded Mondes auf 
Manke und führt beſonders aus eigener Erfahrung einen 
merkwürdigen Fall von dem mohlthätigen Einfluß des letz⸗ 
tern auf eine Somnambule an, dem Ref. einen ähnlichen 
Fall an die Seite fielen Tann, wo die Frühlingsſonne, 
fo oft fie aus den Wollen bervortrat, amtipathifch Die 
Krankheitszufälle verfchlimmerte, ohne daß aufer diefem 
ein anderer ſchaͤdlicher Einfluß aufgefunden werden fonnte. 
8. 325 finden fich einige merkwuͤrdige Beispiele von der 
Echergabe ber Brahmanen aus Jones Forbes‘ „Orien- 
tal memoirs'‘ (London 1813), , 

Zweite Abtheilung: „Die Magie bei den Agyptern.“ 
&6 wird insbefondere gezeigt, daß die Behandlung der 
Kranken und die Erfcheinungen bei den Orakeln in den 
Zenzpeln volllommen unferm maguetifchen Somnanıbu- 
liemus entſprechen. Mehre bei Montfaucon abgebildete 
bronzene Hände mit mehren Figuren ſind Worrebtider, 
die durch magnetiſche Behandlung geheilte Perſonen der 

Iße und dem Serapis geweiht haben. Auch ganze Sce⸗ 
nen des Magnetismus finden ſich dargeſtellt. Huf eines 
Mumienhülle bei Montfaucon flieht vor emem auf einem 
Bette oder Tiſch liegenden Kranken mit einem braunen 
Habit und mit offenen Augen eine Perfon mit der 
Hundkopfsmaske des Anubis. Das Gefiht berfelben ift 
gegen den Kranken gewendet. Die linke Hand legt fie 
auf Die Bruſt und die rechte hebt fie über den Kopf 
bes Kranken empor, ganz in der Stellung rines Mag⸗ 
netifeurs. Un den beiden Enden des Bettes ſtehen zwei 
weibliche Figuren, bie eine mit aufgehobener Te die 
sudere mit aufgehubener linken Hand. Unter bem Bette 
wdlich befinden fich ter Ranopen, welche den Iſtekopf, dem 
Sperberfopf, den Hundskopf und einen menfihfihen Kopf, 
jie Symbole der vier heilenden Wottheiten, der Iſis, des 
Iſiris, des Anubis und des Horus, tragen. Ahnliche, die 
naguetifche Behandtung churakterificende Vorſtellungen 
ommen auch in Denonis „Reife nach Kgypten“ vor. 
Dritte Abtheilung: „Die Magie bei den Iſraellten.“ 


Beiche reiche Ausbeute hier dem Verf. die heiligen Schrif⸗ 


m bes Aleen Xeftamtent dargeboten haben, läßt ſich 
tcht ermieffen. Wenn der Berf. das mugifthe Hellſehen 
n der prophetiſchen Begeiflering wirterfchelbet, fo koͤn⸗ 
m wis darin nicht mit ihm überelsiftimmen. Wenn 
sch beibe einer verſchiedenen Form unterliegen und der 
med eis verſchiedener fein mag, fo meinen wir bach, 
iß ihnen eine gemeinfchaftliche Urfache, ein und daffeibe, 


j und 


zwar menſchliche Bermogen zum Grunde liege, ein 
Vermögen, das in dem Propheten nur höher potenzitt 
erſheini als in dem Magier und in dem Somnambulen. 
Einen beſonbern, göttlichen, über die Schranken der bene 
Menfchen von Anbeginn eimvohnenden natürlichen See 
(em = und Körperkräfte hinausreichenden Beruf können 
wir auch bei dem erſtern nicht annehmen, wenngleich wir 
bamit wicht ableugnen, daß es gottliche Führungen find, 
durch welche die Wirkungen jenes Bermogens zum Se⸗ 
gen der Menfchheit werben. So wie dem alten, fb 
widmet der Verf. auch dem neuen Bunde und bem 
Chriſtenthume eine befondere Unterabtheilung. 





Felix Fiſtel, ein Künftter und Virtuoſe unferer Zeit. 
Ein mufitalifcher Dohlfpiegel von Morig Hane- 
mans. Berlin, Nicolai. 1846. Er. 8. 15 Non. 


„ „Die Schrift fGildert die Schidfale eines Wirtuofen und 
die Stellung eines ſolchen in der Gegenwart, insbefondere dem 
Publicum gegenüber. 

Felix Fiſtel, der Sohn eines Muficus in einer Heinen 
Stadt, erhält von Diefem feine erfte gründliche mufifalifche 
Bildung und wird, nachdem er die nöthige Reffe erlangt bat, 
na Berlin gefendet, um fich dort eine fefte Stellung zu er- 
werben. Alle Verſuche indeß ſchlagen fehl. Es gelingt ihm 
trog feiner ZTüchtigfeit nicht, im Opernhauſe zu einem öffent⸗ 
lichen Auftreten zu gelangen. Nachdem er Monate lang ge: 
wartet, erhält er von der Direction ein abfchlägliches Schreiben. 
Auch in andern Verhältniſſen ift ihm das Glück nicht Hold. 
Bald nad feiner Ankunft wird er von dem Director eindB 
Gartenconcerts erfucht, an die Stelle eines erkrankten Celliſten 
ve treten und ein Solo zu übernehmen. Kaum jebod hat das 

utti davon begonnen, als die Gefelfhaft bis auf wentge Ver: 
fonen den Saal verläßt. Indignirt unterbricht der junge Kuͤnſtler 
fein Spiel; er Tann fih um fo weniger bie Schuld beimeifen, 
als daß Yublicum noch Feinen Zon von ihm gehört hatte. Bald 
indes Hört fi das feltfame Ereigniß auf. Man hatte in ber 

Kühe einen Euftballon Feigen laſſen, und um diefem Schaufpiel 
beizuwohnen, hatten fi die Meiften entferrit. Wiftel verläßt 
Berlin, durchwandert Deutfchland, ſieht fi indeß übern! nur 
durch die kaͤrglichſten Einnahmen belohnt. Etwas beifer ge: 
ſtalten fich feine Verhäftniffe in Rußland. Im Begriff jedoch 
fit) von dort wieder zu entfernen, wird ihm alles orbene 

eftöhlen. &o muß er fort und fort mit den widrigflen Lebens» 
ſhickfalen Fämpfen. Endlich trägt fi ihm der Geſchäftsführer 
eines italienifhen Virtuofen, deffen Gontract mit Diefem zu 

Ende ging, in berfelben Cigenfihaft an. ben bei einer Orga⸗ 
niftenpräfung, obſchon der Tüchtigfte unter feinen Mifbewerbern, 
burchgefallen und verſtimmt, vertraut er ſich der Leitung diefes 
Monned, und jeg nehmen feine Verhaͤltniſſe plögli eine an⸗ 
dere Wendung. Der Gefchäftsführer Fragt ſogleich nach allen 
Runftfertigfeiten ſeines Protege, fo, ob er nicht drei Töne auf 
dem Horne zugleich blafen koͤnne — Anſpielung auf den Bor: 
niſten Vwier, welcher im Tegten Winter De iſchland bereifte, 
und durch diefe Charlatanerien fein Gluͤck machte —, und Fiftel 
erwibert, daß er fih ſolcher Kinderelen aus feinen Knabenjahren 
erinnere. Das Alles wird Hervorgefinht. Der Geſchäftsführer 
(örettt Zeitungsberichte und Brofhüren, beſtellt Ratmufifen, 

czahtt Leute, welche bei dem Rachbauſefahren aus dem Bon: 
cert dein Künſtler die Pferde ausfpannen u. f. mw. und das 

Stoͤck feines Herin iſt gemacht. As Diefer endlich ein dem 

Gufikow'ſchen aͤhnliches tur weit größeres Inftrument erh 
welches er, darauf tanzend, mit den en Pielt, Fominit Cu 





1848 


Für, und in Spanien namentlich t der Enthußasmus 
bis auf den hoͤchſten Punkt. Als reicher Mann zieht er fi 
ins Privatleben zuruͤck u. f.w. 

. Dee Berf. ift Kammermuſicus in Berlin, und hatte dem- 
nach Gelegenheit das kuͤnſtleriſche Areiben näher kennen zu ler⸗ 
nen. Seine Schrift enthält manche hübſche, aus dem Leben 
egriffene Bemerkung und Anfpielung, und Tann daher Mufik- 
Redpabern zu beiterer Unterhaltung empfohlen werden. Auch 
eine Betrachtung ernfterer Art — über Gewerbefreiheit in ber 
Mufit und die Auflöfung des Inftituts der Stadtmuſiker — 
det fi, die uns richtig und beherzigenswerth erſchienen ift. 
eues, im höhern Sinne, fanden wir niht. Was bie er äblen: 
den Schilderungen betrifft, fo find darin zuweilen bie Farben 
etwas ftart aufgetragen; auch in ber Wahl der Namen für 
feine Perfonen ift der Verf. nicht glüdlih, und Manches ge: 
ftoitet fi gar zu fragmentarifh. Indeß muß man, um bie 
Schrift richtig zu beurtheilen, einen befondern Geſichtspunkt 
geltend machen. Wollte man fo nach ben firengen Foderungen, 
welche man an eine gute Erzählung auf dem Gebiete der Bir 
teratur zu machen berechtigt iſt, prüfen, fo würde Biel zu wuͤn⸗ 
fen übrig bleiben. In Bezug auf Muſik ift Das anders; es 
erfcheint fo Wenig in dieſer Urt auf mufifalifchem Gebiet, und 
bei alle Dem verdient die Sache fo viel Aufmunterung, daß 
man nacfichtiger verfahren muß. Daß insbefondere der Verf. 
als praktifcher Muſiker fi einer ſolchen Aufgabe unferzon, fin 
den wir vorzugsweiſe anerlennenswerth. 11. 





Literarifehe Notizen aus Frankreich. 
Sur Charakteriſtik Eobden’s. 


Eines der großartigften Creigniffe der neueften Zeit ijt 


wol der vollftändige Sieg, welchen der unerfchütterliche Cobden 
nach einem fiebenjährigen Kampfe über die verjährten Worur: 
theile und über den gefchloffenen Widerftand der erften Staats: 
männer feiner Ration davongetragen hat. Nichts ift geeigneter 
die Macht des Worts und die Allgewalt der im Lichte der 
Dffentlichkeit fich entfaltenden Aflociation in ihrem ganzen Um⸗ 
fange Eund zu thun. @in einfacher, fchlichter Mann tritt hier 
mit vernünftigen Grundfägen aufs feine erften Yußerungen 
werben mit Hohn begrüßt, Feindfetigfeiten gegen ihn gefponnen, 

inderniffe ihm in den Weg gelegt; aber ruhig und mit feftem 

hritte geht er feinen Weg. Die Zahl Derer, welche fih um 
fein Panier feharen, wird immer größer, bis wir endlich fehen, 
daß das ganze Gebäude der Misbräuchk unter feinen Streichen 
ufammengefunten ift und er ruhmbedeckt und felbft von feinen 
ribern egnern anerkannt und gefeiert am Siele feiner Lauf: 
bahn fteht. Freilich kann eine ſolche Erfcheinung wol eigentlich 
nur in England ans Licht treten und zur Geltung kommen. 
Die deutſchen Verhältniffe find für eine folche —A— zu 
eini und beſchraͤnkt, und' felbit in Frankreich würde ein 


Charakter wie Eobden ſich nicht vollftändig entwickeln koͤnnen. 


Man begnügt ſich in Deutfchland wie auf der andern Seite 
des Rheins, den Helden des Tages, jegt da er feinen Kampf 
durchgefochten hat, anzuftaunen, ihm Bewunderung zu zollen 
und feinen Namen zu verherrlihen, während noch vor nicht 
langer Zeit unfere Xageöblätter, welche fih im Gegenfag zu 
ben franzöfifchen Blättern fo gern ihrer größern Vollſtaͤndigkeit 
rühmen, von bem großartigen Zreiben diefes Mannes nur auf 
eine fehr oberflächliche ir Notiz nahmen. Freilich befüm: 
merte man fi in Frankreich um bie ganze Angelegenheit, de: 
ren Folgen noch gar nicht zu berechnen find, viel weniger, kaum 
daß der Name Cobden's genannt oder die Anti-corn-law-Ligue 
im Porcretgezer erwähnt wurde. Rur wenige Publiciſten 
wußten die wahre Bedeutung dieſer großartigen Vereinigung zu 
wüuͤrdigen. Zu dieſen rechnen wir Fred. Baſtiat, welcher ſchon 
Monate lang vor dem endlichen Triumphe Cobden's den Aus⸗ 
gang des Kampfes mit Sicherheit vorausſagte und in einer 


eigenen Schrift: „Cobden et la ligue, ou l’agitation anglaise 


pour la Hberté da commeroe”, den gengen Stand der Di 
mit Klarheit auseinanderfegte. Wir erhalten hier ein int 
fantes Gemälde der verfchiedenen Phafen, welche die Agitation 
durchlaufen bat. Der Berf. Hat feine Schilderung belebt burg 
eine paffende Auswahl aus ben zahlreichen Reden, durch wege 
Cobden den Grundbfägen einer gefunden Rationalölonomie bei 
feiner Ration Eingang zu verfhaffen gefuht hat. Dieſe Ar: 
den erfcheinen um fo bedeutender, als Cobden eigentlich in dr 
Regel, den Prunk der Schönrebnerei verſchmähend, fid mit fei 
ner einfachen aber gedrängten Argumentation an den hlichten 
Menfchenverftand -richtet, und nur felten ſich vom Schwurte 
des Gedankens zur Leidenfchaftlichkeit des Ausdrucks hinein 
läßt. Im Allgemeinen verdient die Schrift Baſtiat's ale Beah 
fung und wir galten ed felbft jetzt noch nicht für überflüfig, 
darauf Binzumweifen, obgleich ber Verein, um deſſen Thaͤt 
es fich hier Handelt, weil er fein Biel erreicht hat, gegenmartg 
aufgelöft if. Was die politifche Anfiht des Bet ſelber be 
teifft, fo bekennt er ſich offen zu den Anhängern bes dFie 
handels und hat bereitd früber in andern Schriften, ;. B. i 
feinen ‚„‚Sophismes &conomiques‘‘, in denen er bie kehren der 
Schutzzoͤllner in ihrer Erbaͤrinlichkeit aufdeckt, ähnliche Gr 
füge verfochten. 


Moralifirender Roman. 

Die fehlgefchlagenen Verbindungen, das Unheil verfärt 
ner ehelicher Berhältniffe, die traurigen Folgen häuslicher de: 
rüttungen, bie Bereinigung von Derfonen welche ſich nidt ze 
genfeitig befriedigen, kurz, die Zaufend Zerrbilder Defien ws 
man moderne Ehen heißt, — alles Das ift fo unzählige mak 
Gegenſtand der romanbaften Erfindung geworben, daß did 
Thema faft gänzlich erichöpft feheint. Und doch wird diele wih 
tige Frage in allen dieſen Darftellungen niemals unter da) 
volle Licht der Wahrheit geftellt. Statt den wahren Gr 
diefer ehelichen Zerriſſenheit aufzudedten, wird ber Zwiefpalt mi 
einem flimmernden Phrafenfpiel übertuͤncht, und ftatt die He 
tgeeit wieder in ihren vollen Glanz treten zu laſſen, lala 
alle diefe wuͤhleriſchen Dichtungen auf eine Verflachung u 
unmürdige Auffaflung berfelben hinaus. Wie manches ür 
ſpannte Gemuͤth bat nicht aus ber unfeligen , vergifteten ir 
ture jener Romane, welche, ftatt den Ernſt der einmal 
[Btoffenen Verbindungen zu fhildern, ein verzerrtes Dil sn 

er Aufgabe des Lebens vorhalten, einen gefährlicgen Gi * 
den freiwillig eingegangenen Banden gefogen. Wie nüdum 
und profaifch erſcheint dann nicht das wirPliche Leben rt 
Selen, welche fi im trügerifhen Wahne für „unbegrife' 
halten, der prunkenden, innerlich ebenfo hohlen und faul“ 
Poefie gegenüber, wie fie uns in den unwahren Gefaltust 
deö Momanlebens geboten wird. Rur felten hat fich ein Schuß 
fteller,, der im Leben Mehr als cine Romanlüge fieht, dr? 
dankbaren Aufgabe, den Unfinn der „emancipirten Weiber" m 
der „femmes incomprises” aufzudeden, unterzogen. Und EM 
es geſchehen ift, fo hat gewöhnlich der gute Wille dem Erik 
nicht entſprochen, noch im Talente die nöthige Unterfupe 
gefunden. Wir freuen und baher, endlich einmal ein 
anzeigen zu Tönnen, in dem die heilige Yufgabe der Eh * 
einer Seite dargeftellt wird, welche von der gewoͤhnlichen Ir 
faffung , auf weiche ſich unfere Romantifer geworfen habt 
bimmelweit abweicht. Dazu kommt, daß die Dichtung „Let 
piation, ou l’esquisse d’une vie de femme’ Zeugniß tr 
nicht blos für die würdigen Sefinnungen, fondern cberi 7 
das unverfennbare Talent des ungenannten Verf. Pie r-} 
Tendenz, welcher das Werk gewibmet ift, geht gegen bie Ebeide 
dung, deren Übelftände und felbft fündhaften Elemente hit F 
überzeugenden Gründen nachgewiefen werben. Es wird hie: 
einer Verkettung innerlich nothwendiger Ereigniſſe en 
wie entfittlichend fchon die biofe Möglichkeit einer Auf: 
auf das ganze eheliche Verhaͤltniß einwirken muß, und * 
durch diefelbe mit der Religion zugleich alled moraliſche St 
verlegt wird. I. 


Berantwortlicher Heraudgeber: Heinzih Wrodpans. — Drud und Verlag von F. E. Drockhansg in Leipzig. 





a- — — ev. _ - 


m — — — we — 


Blaͤtter 


fuͤr 


littrariſche Unterhaltung. 





Freitag, 


Zur Geſchichte des thieriſchen Magnetismus. 
(Beſchlcſ aus Nr. 38T.) 

Dritter Abſchnitt: „Die Magie bei den Griechen und 
Röomern.“ Erſte Abtheilung: „Die Magie der Grie- 
chen.“ Es eroͤffnet ſich bei dieſem Volke von ſolcher 
poetiſchen Ratur eine reiche Fundgrube für magifche Ge⸗ 
genſtaͤnde. Das ganze Griechenthum iſt dem Verf. eine 
lebendige Magie. Beſonders ausführlich iſt er über die 
„Drakel“, bei deren Zeichnung ſeinem forſchenden Auge 
nichts Weſentliches entgangen zu ſein ſcheint. 

Zweite Abtheilung: „Die Magie bei den Römern.“ 
Hier nehmen die Sibyllen eine bedeutende Stelle ein. 
Meberrafchend für den Unkundigen find die bier nach dem 
heiligen Auguſtin („De civitate Dei‘, lib. XVII, e. 23) 
itirten 27, die Ankunft Chriſti und feine Leiden vor- 
ausfagenden Verſe der erythraiſchen Sibylle: 

In die feindlichen Hände der Untreuen wird ex gerathen; 
mit giftigem Gpeichel werden fie ihn befpeien, ihn auf den 
eiligen Rüden ſchlagen; fie werden ihn mit einer Dornenkrone 

nen, und zur Speiſe werden jie ihm Balle, zum Trank Eſſig 
eben. Der Borbang im Zempel wird reißen und mitten am 

ge wird eine Finfterniß fein drei Stunden lang; und er 
wird fterben, drei Tage im Schlafe ruhen und dann im freu. 
digen Lichte als der Erſte wiederfommen. 

Aber nad) allen darüber angeftellten Unterfuchungen 
geht als Endrefultat hervor, daß die Sibylliniſchen Bücher 
überhaupt viel fpätern Urfpeunge find und von mehren 
Berfaffern berrühren, welche meift im Zeitalter Habri- 
an’s und der Antonine lebten. Merkwürdig ift es, 
wie Mar ſchon Jamblichus die Erfcheinungen bes Hell⸗ 
fehens aufgefaßt hatte. Es heißt bei ihm unter Anderm 
(„Jamblichi Chalcidensis ex Coelesyria de mysteriis 
Aegyptiorum‘): 

Bei der Unnäherung einer folchen göttlihen Wahrfagung 
im Zraume fängt fih an das Haupt zu neigen, und bie Aus 
en ſchließen fih unwillkürlich; es ift gleihfam ein Mittelzu: 

nd zwifchen Schlafen und Wachen. In den gewöhnlichen 





Traͤumen ſchlafen wir feft und volllommen; wir koͤnnen nicht 


genau unterfcheiden, was ſich unferer Einbildung barftelt. U: 
lein wenn der Traum von Gott fommt, dann ſchlafen wir 
nicht, wir erkennen genau alle Gegenftände und noch niel deut: 
licher, als felbft im Wachen. Und in diefer Art von räumen 
ift das Wahrfagen gegründet. Das Leben unferer Seele ift 
doppelt; ein Theil hängt dem Körper an, ein Theil kann fi 
davon trennen und ifk goͤttlicher Ratur (altera corpori an- 
nexa, altera divina et separabilis)., Im Wachen gebrauchen 








4. December 1846; 








wir faſt immer nur die koͤrperliche Seele; im Schlafe 
werden wir gleichſam von jenen Banden des —* * 
und bedienen uns jener freien, vom Koͤrper etrennten Se 
und dann erwacht dieſer geiſtige oder 28 CTheil alſob 
in und und handelt nach feiner eigenen Ratur. Weil nur das 
Gemüth die Wefen betrachtet und die Seele den Grund aller 
Ergeugnifie ſchon in fich enthält, fo ift es Fein Wunder, wenn 
aus einer allgemeinen Urſache auch die Bukunft vorhergefehen 
wird. Wenn aber die Seele ihre doppelte Ratur mit dem all» 
gemeinen Geiſt, aus dem fie genommen ift, d. i. das Leben des 
rpers und Werftandes, vereinigt, dann wird fie ein viel voll⸗ 
Eommeneres Wahrfagen erlangen ; dann wird fie mit aller MBif: 
ſenſchaft des Allgemeinen erfüllt, ſodaß fie auch erfährt, was 
in den obern Welten gefchieht u. f. w. 

Es gibt aber verſchiedene Arten diefer göttlichen Einge⸗ 
bungen; daher find auch die Erſcheinungen verfhieden. Ent: 
weder wohnt Gott in uns felbft, oder wir weiben uns ihm 

anz. Zuweilen werden wir der hoͤchſten, mittlern oder unter⸗ 
göttlichen Wacht theilhaftig, zuweilen ift Gott in feiner 
bloßen Gegenwart vor uns, zumeilen ift es eine Bemeinfchaft 
duch @ingebungen. Wieder nimmt nur die Seele an ben 
Bingebungen Iheil, oder der Körper h leih mit und fo der 
ange Menſch (totum animal). Rad der Berfchiedenheit & 
den die verſchiedenen Beigen an den Wegeifterten hervor: Ei⸗ 
nige nämlich werben am ganzen Leibe bewegt, Einige an 
wiſſen Gliedern, Undere hingegen bleiben völlig in Ruhe. Zu⸗ 
weilen wird eine wohlgeordgete Harmonie vernommen, ein 
Tanz, oder ein übereinftimmerlder Geſang, zuweilen von diefen 
daB Gegentheil. Zuweilen fcheint ihr Körper in die Höhe zu 
wachfen, zuweilen in die Breite; zuweilen fiheint er in der 
Luft zu ſchweben. Buweilen vernehmen fie eine gleiche wohl- 
Elingende Stimme; wiederum die allergrößte Verſchiedenheit 
durch Swifchenräume, durch Höhere oder tiefere Zöne u. f. w. 

Eine ber intereffanteften Partien des Werkes find 
bes Verf. Forſchungen über Magie in ber Mythologie. 
Es wird bier unter Anderm auf eine fehr einleuchtenbe 
Weiſe datgedar ‚ daß der urfprünglich weſentliche In⸗ 
halt der Diythologie ein naturwiſſenſchaftlicher fei, daß 
die Magie ſchon vor ber hiftorifchen Zeit in ben Myſte⸗ 
rien enthalten fei, deren Inhalt, Naturwiffenfchaft und 
Religion vorzüglich als Stoff zu der nachfolgenden Ho⸗ 
merifhen Diythologie diente; daß, forte Naturmwiffenfchaft, 
Poefie und Religion in der Urzeit ihrem innerften We⸗ 
fen nach genau verbunden waren, fo bie älteften ges 
ſchichtlichen Überlieferungen alle drei miteinander ver- 
einen, insbefondere aber die Arzneimiffenfchaft mit Poeſie 
und Theologie; daß man durch Vergleihung der neuen 
magnetifchen Erfahrungen mit den alten mythifchen Sym- 
bolen an mehre in dem hoͤchſten Altertbum geltende 





1850 


Saͤte von der allgemeinen Wirkſamkeit der Naturelemente 
gemahnt werde; daß die Naturpoefie die phyfiologifchen 
und pneumatifchen Wunder perfonificirte, woraus bie 
Mythen hervorgingen, die eine phyſikaliſche Grundlage 
haben. Das Chaos, die Naht, das Wafler, bie Luft, 
Das Feuer und das Licht, Elektricität und Magnetismus, 
in den Bildern der Zwillingsfühne Kaftor und Pollur 
verfinnlicht, der Magnetismus und die Hercules⸗Mythe, 
die zu dem Herculifhen Mythenkreiſe gehörenden Dakty⸗ 
len und Bätylien, andere damit zufammenhängende my- 
thologifche Gegenftände und Symbole des Feuers: das 
Feuer der Veftalin, des Hermes, der Cybele, des Pan, 
das elektrifche Zeuer und die famothrazifchen Ringe, als 
magnetifch-elektrifche Baquete und Leitungsmittel u. ſ. w., 
werben in diefer Beziehung einer befondern Betrachtung 
unterworfen. 

Vierter Abfchnitt: „Die Magie bei den Germanen.” 
Wir fehen bier, in ber britten und legten Periode der 
Gefchichte, die Magie in einem etwas andern Gewande, 
nämlich dem religiöfen chriftlihen. Auch die Lehre des 
Chriſtenthums unterliegt dem allgemeinen Gefege der fich 
fortbildenden Entwidelung, und das germanifche Bolt 
ſcheint beftimmt, der vorzüglichfte Träger jener Entwide: 
lung und Verbreitung zu fein, nachdem ſich der mytho⸗ 
logifhe Proceß bei den Griechen gefchloffen hatte. Der 
Zauberglaube behielt jedoch auch im Chriftenthume feine 
Macht, und obgleich Chriſtus ber Schlange ben Kopf 
zertrat, fo lebte fie doch nach und nad, wieder auf und 
erlangte namentlih im Mittelalter jene furchtbare, bis⸗ 
ber unerhörte Macht. 

Nachdem der Verf. in der erſten Abtheilung die 
„Magie bei den alten Deutfchen und bei den nordifchen 
Bölkern” einer nähern Betrachtung unterworfen hat, 
führt er uns in der zweiten Abtheilung in das Gebiet 
der „Magie des Mittelalters”, der Zauberei, des Hegen- 
weſens, der Herenproceffe, des Befeffenfeins und der epi- 
demifchen Krämpfe: magiſche Zuftände, bie leider auch 
in unferer Zeit ihren alten Klang noch nicht ganz ver- 
foren haben, und ale Auswüchſe einer an ſich wahren 
und nicht abzuleugnenden Reihe von Erfcheinungen erft 
mit dem weitern Kortfchreiten der Naturwiffenfchaften 
ihre Deutung und Erledigung finden werden. Auffal« 
lend ift es, daß, fowie in der heidnifchen Zeit, fo im Mit: 
telalter bauptfächlich Frauen, aber in einer andern Be- 
deutung des Wortes als derjenigen, in welcher fie es 
jegt noch find, als Zauberinnen angefehen wurden. 
Frauen, nicht Männern, war das Auslefen und Kochen 
Träftiger Heilmittel angewiefen, wie die Bereitung ber 
Speife ihnen oblag; Salbe fertigen, Linnen meben, 
Wunden heilen mochte ihre Linde meiche Hand am be- 
fien verfichen. Weibern verliehen Erfahrung und behag- 
liche Muße alle Befähigung zu heimlicher Zauberei. 
Frauen waren Priefterinnen, Wahrfagerinnen ; je nad 
Berfchiedenheit der Volksmeinung berühren ſich Nornen 
und Volven, Valkyrien und Schwanjungfrauen mit gött- 
lien Wefen oder Zauberinnen. 

Eine merfwürdige, bis jegt noch nicht erflärte Er- 


ſcheinung iſt die Unempfinblichleit gegen bie flärkfien äu- 
fern Reize, wie fie zuweilen beim Starrkrampf, im 
Bahnfinn und in der Entzüudung, aber auch bei magne⸗ 
tiſch Hellfehenden vorfommt. In Paris bat vor cim- 
gen Jahren eine Hellfehende das Abnehmen einer ver 
bärteten Bruft fi felbft im Schlafe verorbnet, und als 
diefe auch nachher im Schlafe weggenommen wurde, war 
fie fehr verwundert darüber, denn fie hatte bie Operation 
nicht empfunden. Ahnliches hat auch der Verf. beob- 
achtet, und Ref. bat wenigftens mehre male Somnan- 
bulen gefehen, welche ſich Aderläffe verordneten, und alt 
diefe vorgenommen worden waren, davon im wachen 3u- 
ftande Nichts wußten. Das auffallendfte Beifpiel de 
Art aber begegnete ihm jüngft in einer Fleinen englifchen 
Schrift, deren Titel feinem Gedaͤchtniß entſchwunden ik. 
Der Berichterftatter erzählt, daß einem Manne, in Ge 
genwart mehrer glaubmwürbigen Zeugen, im magnetifcden 
Schlafe ein Bein abgenommen worden fei, ohne nur ei 
nen Schmerzendlaut ausgeftoßen, und ohne im wachen 
Zuftande auch nur eine Spur von Rüderinnerung a 
die Operation gehabt zu haben. Die Beobachtung wurde 
dem Collegium ber Ärzte in London vorgelegt, aber ik 
die Aufnahme in ihre Annalen einftimmig verfagt. Di 
Herren hielten die Sache für ein Märchen, weil — ſie 
mit wiffenfchaftlichen Principien nicht zu vereinigen war! 
Zu den Zeiten bes Herenwefend nannte man eine fold: 
Unempfindlichkeit den Teufelsſchlaf. Intereffant find die 
analogen und mit Zauberei Nichts zu thun habender 
Bälle, welche der Verf. aus der neuern Zeit aufakt 
und welde wohl geeignet find, bie Aufmerkſamkeit da 
Ungläubigen unter ben Arzten und Phyſiologen auf fh 
zu ziehen. So erzählt Horft in feiner „Zauberbibliotket“ 
(V, 395), daß ein Kaufmann Löhnig aus Schleften za 
ter Kaiſer Paul’s Regierung zu 175 Knutenhieben ver 
urtheilt worden fei. Zugleich erhielt ein Zweiter 30, em 
Dritter 50 Hiebe, wovon Löhnig den Erſtern vor fh 
fierben, den Andern mit den Füßen wegftoßen fah. Um 
als die Reihe endlich an ihn kam, verlor Löhnig von ke 
ſem Augenblid an unter den Streichen der Knute db 
Bewußtfein und alle Empfindung Er erhielt die vnekk 
Zahl der Hiebe, es wurden ihm beide Naſenlscher sr 
geriffen und die Stirn gebrandmarkt, und Löhnig kazı 
von dieſem Allen nad feiner Verfiherung Nichts m 
pfunden. Auch Heim erzählt (Horn's „Archiv für pro 
tifhe Medicin und Klinik“, Bd. 6, Nr. 3) von tem 
rairem Verluſte des Bewußtſeins und der Empfindum 
bei fonft gefunden Individuen. Unter Anderm beisz 
ein Soldat von zwei Unteroffizieren 50 Prügel, de e 
aushielt, ohne ein Zeichen von Schmerz von fich zu ac 
ben und ohne fich zu rühren. Nach dem Aufhören fs 
der Mishandelte zu dem commanbdirenden Offizier: „Is 
bitte um Verzeihung, daß ich in Ihrer Gegenwart ar- 
geſchlafen bin.” 

In der dritten und legten Abtheilung gibt der Pr. 
„Moftifche Anfichten und Verſuche der philofophifchen U: 
klaͤrung über die Magie im Mittelalter”, wobei befende! 
Theophraftus Paracelfus’, Baptifta van Helmont's, Her 


ıssı 


rich Cornel Agrippa von Netteshehm’s, Hobert Fludd's, 
M. Marwell's, Athanaſius Kircher's, Tenzel Wirdig's, 
Samuel Swebenborg's, Jakob Böhme’s u. U. Lehren in 
Auszügen vorgeführt und zum Theil beleuchtet werben. 
Es ift nicht zu leugnen, daß fi darin mande Wahr- 
beiten und manche tiefe Blicke in das Gebiet der magi- 
fhen Srfcheinungen finden, aber das Meifte ift doch ber- 
geftalt in die Nebelwolten der Schwärmerei verſenkt unb 
trägt fo das dunkle Colorit der Zeit der es entſtammt, 
daß man felbft in einem gewiffen Grade von der Schwär- 
merei angeftedt fein muß, um es genießbar zu finden. 
SR. Bohnbaum. 





Zur Zagesliteratur. 


uhr ie Berfaffungsfrage ift folgende Schrift 


. Über Gegenwart und Zukunft der preußifchen Derfaflung 
von Konftantin Frans. SHalberfladt, Frang. . 
&r. 8. 20 Nor. 

In den Anfangspunkten flimme ich mit dem Berf. voll» 
kommen überein. Der preußifche Staat ift etwas Befonderes, 
was befonder& zu erkennen, wenn man über feine Gegenwart 
und Zukunft richtig urtheilen wid. Er ift vorzugsweife des: 
halb befonders, wert ihn nicht eine Ration, fondern die Regie 
rung gebildet bat. Er ift reiner Staat, d. h. regierte Geſell⸗ 
haft. Daher flimme ich auch in dem Ausgangspunkte mit 
dem Verf. überein, daß der preußifche Staat das Politifche 
und Sociale in fich vereinigen und Demokratie (freie Bervegung 
der Meinungen) mit Seiftesariftofratie (wahrer Beamtenberr: 
[haft der Erfahrung) unter einem ſtarken Königthume darſtel⸗ 
Ien werde. ber in Bezug auf den Weg vom Unfange zum 
Ausgange vermag ich nur in zwei Punkten mit dem Verf. zu⸗ 
fammenzugeben, nämlich darin, daß die conflitutionnelle Repraͤ⸗ 
fentation nicht der Hebel des Fortfchritts ift, und darin, daß 
das zu Eonfervirende in Preußen die Gewalt der Regierung 
it, damit fie progreffid wirke. Des Verf. Syſtem dev Beru⸗ 
fung, um die „politifche. Quinteſſenz“ des Geiſtes des Bolkes 
zu erhalten für den Dienft der Regierung, ift eben ſolche — 
als der Verf. den Liberalen vorzuwerfen an vielen Stellen eif⸗ 
tig genug iſt. Wäre es ein ſicheres Mittel, fo hätte der Verf. 
nicht Roth gehabt gegen feine Yusartung das moralifche Ge⸗ 
wicht der fländifgen Repräfentation berbeizurufen, abgefeben, 
dag in unferm trug» und gewaltvollen Leben die gewünfchte 
Wirkung von folder Urfache nicht ausgehen, und auch abge: 
fehen davon, daß die Regierung in jedem einzelnen Falle ihre 
Berufung zu rechtfertigen im Stande fein wird. Ich gebe 
dem Berf. das Princip der Stände zu, wiewol er confequent 
es für Preußen verwerfen müßte; denn es läßt fich nicht zu⸗ 
fammenreimen, daß in Preußen Feine Nation fein folle und 
Doch von Ständen emphatiſch bewundert ift, wie fie das Re: 
fultat einer taufendiährigen Rationalentwidelung wären. Doch 
der Verf. iſt nicht zu felten enragirt für preußifche Eonferva- 

tion ; mag es bei diefem Yatriotismus fein Bewenden behalten. 

ch gebe auch zu, daß die ftändifche Repräfentation ber Inter: 
eſſen eine ganz vernünftige Sache feis wiewol bier der Berf. 
von der preußiihen Staatöbewegung nit ganz genau unter» 
richtet ift oder fein will. Die ftändifche Repräfentation gehört 
nach den Reformideen aus den Jahren 1 fg. zu den 

Provinzial» Hegierungsbehörden, damit durch fie, wie die Ber: 

jrdnung vom 26. Dec. 1308 fih ausdrückte, die öffentliche Abs 

riniftration mit der Ration in nähere Verbindung geſetzt, der 

Befchäftsbetrieb mehr belebt und durch Pearl von Sady-, 

Drt8 = und Perfonendenntniß möglichft vereinfacht würde. Daß 

ie Provinziallandtage der Stände diefem naturgemäßen Wege 


vom drtlicden Geſellfchaftswillen zum örtlichen ierungshan- 
dein entriffen und in eine fdhiefe, Handlung Fe 
fühige Stellung zur Gentralregierung gebracht find, verdanken 
wir leider dem Hiſtoriſchen, wie der Verf. auch einftimmen 
möchte. Uber das iſt Alles noch nicht der Weg bes Staats. 
Der Verf. fagt felbft, der Staat fcheide fi in Re ierung 
und Unterthanen, nicht in Regierung und Stände. Die Staats: 
—8 als Unterthanen find alſo nicht bios Standesgenoſſen, 
ondern auch Menfchen. Jeder Menſch ift nun nad feinem 
Willen einzeln für ſich. Er hat feine Meinungen. Was aber 
die Menſchen in einer Gegenwart oder in einem Staate wols 
len, ift gefchichtlihes, ihnen angeborenes Product. Und nun 
Kann ber Berf. die Thatfache des politifchen Willens und der 
politifden Meinungen der preußifhen Unterthanen hinwe leug: 
nen? Wenn man alfo hier eine Thatſache zugeftehen muß und 
wenn daß allgemeine Wohl Princip der preußifchen Staats: 
vegierung ift, wie in aller Welt kann Denen wohl fein, deren 
zur Seit natürliches geiftiges Bedürfniß in feinen Trieben un- 
terdruͤkt und gehemmt ift? Das Syftem der Berufung von 
Beamten, die Fein anderes Amt haben ald was ihnen vorge: 
ſchrieben iſt, die auch felbft als Berufene und Erleuchtete Richts 
felbft thun dürfen, Bann jenem Streben nicht genügen. Und 
bier ift mein erfter Mr A anderer Weg. Sollen die 
Beamten eine wahre geiftige Herrfchaft ihrer Erfahrung haben, 
nicht blos den Zwang ihres Amts anlegend, fo müffen fie auch 
frei in dem Urtheile ihrer Erfahrung feinz frei von jeder Mei⸗ 
nung ber Regierung. Der zweite nothiwendige andere Weg ift, 
daß, wenn die gegenwärtige Repräfentation Nichts tauge, dar 
aus nicht zugleich folgt, daB der neben der Erfahrung noth⸗ 
wendige Inhalt des Staats, die Meinung, die an den Unter⸗ 
thanen, um das Wort des Verf. beizubehalten, zu Tage gebt, 
gar nicht mitwirken folle. Der Verf. felbft ift für Demokratie, 
d. d. nach heutiger Bedeutung des Worts für freie Bewegung 
der Meinungen, unter einem ſtarken Königthume. Ganz gut. 
Beides, Demokratie und ſtarkes Königthum, haben in Preußen 
Unknüpfungspuntte. Iene darin, daB Jedermann in Preußen 
Freiheit hat, feine Meinung dem Staatsoberhaupte zu fagen. 
Diefe Freiheit iſt nur nad Rechtsformen zu regeln. Das ift 
aber gewiß, und dem Berf. beizuftimmen, daß nicht vorzugs⸗ 
weife opponirend und controlirend jene Freiheit wirke, fondern 
mit der Liebe Herzen, helfend und förbernd. Das ift driftlicher 
Wille. Wenn dazu, ald zur Quelle des Heiligen Geiftes der 
Liebe, der Staat an den Buſen der Kirche gelegt wird, habe 
id gegen den Verf. Nichts einzuwenden; wenn er aber wie 
derum an einer andern Stelle von der Rothwendigkeit eines 
Staubensbetenntniffes für den preußifchen Staat fpricht, fo tft 
Das gewiß auch nur eine Phrafe, an denen, wie der Berf. wohl 
weiß, die Seit fo reich if. Das A; vom 22. Mai 1815 iſt 
in feiner Bedeutung vom Berf. ganz falſch beurtheilt. Es iſt 
nicht nur nicht ganz gleichgültig für die Beurtheilung der 
preußifchen Berfoftunss age, fondern fogar fehr wichtig; nicht 
war wegen der verfprochenen Nepräfentation, fondern der in 
iefem Verſprechen liegenden Anerkenntniſſe auch des Staats⸗ 
oberhaupts in Betreff ſeiner Pflicht, die Regierung fortan nur 
mit Hülfe der Unterthanen zu führen. Es iſt von dem Berf 
an vielen Stellen fehr treffend darauf aufmerffam gemacht, 
daß es Wille der preußifchen Negenten von jeher geweien, ihre 
Hflichten nicht zu bemänteln, und wenn der Berf. das Gefet 
über die Meinungsfreiheit der preußifchen Untertbanen näher 
anfehen wollte, fo wird er finden, daß dafelbft den Vorgeſetzten 
der Departements die Pflicht auferlegt ift, die Anzeigen und 
Foderungen der Unterthanen zu beachten, dem Könige aber 
nicht; und eben auß der Anerkenntniß auch, diefer Hit iſt 
die Verordnung des Jahres 1815 entfprungen. So iſt diefe 
eine durch die Gefchichte bewirkte Ergänzung der beftehenben 
preußifchen Landesverfaflung dahin, dag die Meinungsfreiheit, 
nad dem Willen des Königs, auch gegen ihn zur Boderungs» 
freiheit werden fol; und die Verwirklichung ibres Sinneb ift 
alfo noch heute ein Object gerechter Foderungen. 








1888 


Einen Uct der. preußiſchen Gitantörsgierung beusipeift: 
%, Über das Berbot ganzer Verlagsfirmen von Heinri 


Bernhard Oppenheim. Karksrube, Eroos. 1846. 
&r. 8. 6 Nur. 
und zwar erftend nach der privatrechtlichen Seite. Hier fol 
das Berlagsverbot das Eigenthum an den betroffenen Büchern 


gänzlich aufheben. Das iſt unrichtig. Es wird ber Rugen 
eſchmaͤlert, infoweit ihn der Berleger Hr. Julius Froͤbel und 
Eon. in Zürich aus dem Verkaufe feiner Artikel in Preußen 
etwa mehr ziehen Fönnte. Auch das fogenannte geiftige Eigen: 
thum des Schriftfiellers, unter welcher Bezeichnung ich nur 
verftehen Tann, daß der Schriftfteller Freiheit habe, ſolche gei- 
flige Wirfungen zu verbreiten, von denen fein geiftiges @igen- 
thum die Urfache ift, wird nicht aufgehoben; feine Wirkungen 
werden eben nur für Preußen behindert. Hat nun freilich der 
Autor ein Necht, feine Freiheit zu gebrauchen, d. b. fein ge 
es Gigenthum wirken zu laſſen, was aus der Wiſſenſchaftlich⸗ 
it feines Geiftes zu erkennen fein wird, fo tft das Verbot 
feiner Sirtung fuͤr die im Umkreiſe eines Staats lebenden 
Menſchen ein Unrecht an deren Geiſte und am Geiſte ſelbſt, 
inſofern er durch einen Schriftſteller wirkt und wiſſenſchaftlich 
zu wirken gerechte Freiheit ſeines Weſens iſt. Doch Dieſes 
auszuführen hat der Verf. nicht angetreten. Er iſt nur der 
Meinung , daß diejenigen Schriftfteller, welche wiffenfchaftliche 
Werke im Verlage von Froͤbel hätten, diefelben jegt bei einem 
preußifhen Buchhändler unterzubringen denken könnten; und 
warum? um bavon zu leben? Uber wie felten lebt der Schrift: 
fisller vom Verlage Feiner Werke; mit dem Honorar ift er für 
eine Auflage abgefunden. Er würde nur die Ausfiht auf ei: 
nen Gewinn aus einer zweiten Auflage verlieren, weil eben 
der Debit des Werkes behindert worden. Unmittelbaren Scha⸗ 
den alfo fcheinen auch die Uutoren nicht gelitten zu haben, die 
auf Sonorarbedingung der Froͤbel ſchen Buchhandlung ihre Werke 
übergeben haben, infofern jene Bedingung von dieſer vollftän« 
dig erfüllt oder, auch nach dem preußifchen Verbote, zu erfül- 
fen von der Buchhandlung nicht geweigert worden ifl. rei 
lich wol ift es von dem Verf. richtig hervorgehoben, daß die 
Buchhandlung nicht ſchuldig ift; fie Gatte feine Verpflichtung 
fih die Kenntniß der preußifchen Sefege zu verihaffen. Aber 
der ganze Fall liegt nicht in der Arena des Privat» oder be: 
fondern Strafrechts; er iſt nur bedeutend für Unterdrüdung 
erechter geiftiger Wirkungen dur das Mittel des Kröbel’- 
figen Verlags, welche Seite aber vom Verf., wie ſchon ange: 
hrt, viel zu wenig hervorgehoben ift, und als Frage des 
iedlichen Verkehrs. Der Berf. redet dabei von einem inter 
nationalen Privatrechte, einen ganz unverftändlichen Ausdrud 
ebrauchend. Das Privatrecht if nie international. Uber es 
ß mit dieſem Modeausdrucke fo, wie Plutarch von den Geo⸗ 
grapben feiner Zeit erzählt; wenn fie die Bewohner einer Ge: 
nd nicht Eannten, gaben fie ihnen frifchweg den Namen 
cythen. &o redet auch der Verf. unrichtig von einer Belei⸗ 
bigung des Staats Zürich, ald wenn deffen öffentliher Wille 
mit dem Privatwillen des Buchhändlers, der. vorzugsweiſe nur 
feine Kaffe im Auge gehabt hat, etwas gemein oder ihn ge» 
billigt oder autorifirt hätte. Es ift Nichts weiter als die Hand» 
lung aus ber Vorſtellung der Regierung, daB direct feindfelige 
Tendenzen gegen fie durch bie Preſſe verübt werden. Aus 
dem Srunde find Zeitungen verboten, wenn fie au) neben 
allerlei unfchuldigen Dingen ſolche Artikel enthielten, die auf 
jene Vorſtellung beziehen zu müflen die Regierung geglaubt 
hatte. Wollte alfo der Verf. Etwas thun, fo müßte er die Un⸗ 
richtigkeit dieſer Borftellung bekämpfen. Das wichtige Object 
alfo, das der Verf. fich gewählt, ift überall nur mit ſchwachen 
Kräften angegriffen worden. Man braucht zu ſolchen Dingen 
nicht bios guten und warmen Willen, der uͤberall gezeigt iſt, 
fondern auch beißende Zähne, Berftand, welcher fehlt. 


(Der Beſchluß folgt.) 


Friedrich Leopold Graf zu Stolberg 


Die „Bhätter für literariſche Unterhaftung‘ enthichten in 
Rx. 315 u. 316 eine Ungeige meiner unter obigem itel arfhine 
Schrift. Zur Rbürbigung foot jener Anzeige als der Schrift jch 
mögen folgende wenige Worte dienen. Dem Kenner der Ekl, 
berg'ſchen Werke wird der Name meines feligen Vaters brlumt 
fein; er wird wiffen, daß Diefer den Grafen nad Italim ie 
leitete und daß er bis an feinen Tod der immigſt freu gellie 
Fr ber Sto ilie blieb, — wu 
ih Dies in meiner „Denkſchrift auf G. 1 2. Nicoloviud” a 
ber dargeftellt Habe. Unter ſolchen Berhältniffen ik es vel 
natürlich, daß mein Herz den Ramen bes in Mede ſtehender 
Mannes von früher Jugend an mit Hochachtung umfafte, u 
fo waren denn auch die einzigen Quellen meiner Schrift ron: 
haändige Zeugniſſe und, mit Steffens zu ſprechen, was ih m 
lebte. Die in der erwähnten Unzeige aus dem Xerte geriſt 
nen Worte, welche mich dem Hohngelaͤchter preisgeben —* 
find die eigenen Worte des Grafen. Ich habe die Schrift mi 
der Mußerung begonnen, daß meiner Anfict nad cin 
Lebensbefhreibung in dem nämlichen Grade fih 
der Bolllommenheit nähere, in weldem fie der 
Charakter einer Selbfifhilderung gewinnt, m 
die gefammte Familie des feligen Grafen F. 2. zu Stolbetz 
bat mir die durchaus richtige Auffaflung Deffelben bezeugt. 
Sıfeed Ricolovine. 





Literarifhe Anzeige. 


In meinem Verlage ift neu erfchienen und dur alle veh 
handlungen zu beziehen: 


Weltgefdidte 


Umriffen und Ausführungen 


von 
I W. Eoebell. 
Erster Band. 
Gr. 8. (39 Bogen) Geh. 2 Thlr. 





Eine Weltgefchichte in erzählender Form, von einem Uni 
der zwiſchen compenbdiarifcher Kürze und erfchöpfender Is 
führlichkeit die Mitte hält, wie fie der dem größern Fk 
cum durch die mehrmalige Herausgabe der Becker ſchen BE 
geſchichte bereits befannte Verfaſſer dieſes Werkes dur‘ Nr 
felbe zu geben beabfichtigt, ift nicht allein für den Gekht 
ten von Fach, fondern überhaupt fur alle Diejenigen Bei 

niß geworden, welche nicht in ben Vorhallen ber Gefhiie 
ftehen bleiben, fonbern die Ergebniſſe der heutigen Winenkeet 
Bennen lernen wollen. Wie die Begebenheiten , die Zuftnkt 
alle Erſcheinungen in ber Geſchichte eines Volkes einander ke 
dingen; wie fie mit dem Kreife feiner Anſchauungen und & 
danken sufammenhängen ; wie fie eine fortgebende, auf: m 
abfteigende Entwickelungsreihe ausmachen ; welche Bebruii 
die Eigenthümlichkeit des Volkes und feiner Eultur in Sm 
Beziehungen zur Geiftesbildung anderer Völker, zur Beltwit 
haben: — das Ulles, infofern es ermittelt ift, wird burb M 
BVerfaffee von der Schulfprache entBleidet vorgeführt, fort de 
gweck des Werkes auch bei denjenigen Kefern nicht verfehlt me 

den wird, die Beine gelehrten Borkenntnifle befigen. 


Eeipzig, im December 1846. 
F. A. Brockhaus. 


Berantwortlicher Herauſsgeber: Heine Brokhans. — Druck und Vorlag von J. ST. Axrockhanus in Beipyig 





Blatter 


für 


literarifche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


. —— X, 339, —— 


d. December 1846. 


TI I 


Kälb und Berghaus. 


I, Länder: und Völkerkunde in Biographien von Ph. Hedw. 
Külb. Gifte bis achte eieferung. Berlin, Dunder und 
Humblot. 1845—46. Gr. 8. 2 TIhlr. 

2. Die Völker des Erdballs, nach ihrer Eigenthuͤmlichkeit in 
Regierungsform, Beligion, Sitte und Tracht. Gefchildert 
von Heinrih Berghaus. Mit 150 colorirten Abbil- 
dungen. Erfe bis neungehnte Lieferung. 
quardt. 184546. Ler.-8. 6 Thlr. 10 Nor. 

Zwei vortreffliche literarifche Unternehmungen, auf 
welhe man faum anders als mit ungetheiltem Beifall 
bliden kann. Ref. hat auf die allmälige Entwidelung 
diefer Werke ein fehr aufmerkfames Auge gerichtet und 
z muß geftehen, daß ihm dadurch ein großer, durch 
Nichtd getrübter Genuß zu Theil geworden ifl. Beide 
liegen eine reiche Fülle von allgemein bildender, allge- 
nein interefficender Belehrung in fi und geben Alles 
nit fo richtigem Takte, auf fo anziehende Weife, daß 
'e die gebildete ganze LZefewelt recht warm für ſich ber 
seunden werben. Populair zu fein ift beider Zweck, 
ber ihre Volksfaßlichkeit befigt eine eble Höhe, zu der 
ch die gelehrteften Lefer gern berablaffen mögen, zu ber 
h das gebildete große Publicum ebenfo gern hinauf- 
bren laßt. Gehören nun auch beide mit in die Claſſe 
e leichten, unterhaltenden WBeltreifelecture, vermeiden 
ch Beide mit ſtreng durchgeführter Abficht allen Ernſt 
ſſen ſchaftlicher Forſchungen, fo erfennen wir darin Nichts 
niger als eine Schwäche, fondern fogar eine in vieler 
nficHt wichtige flarfe Seite, welche nicht dringend ge- 
3 ber forgfältigften Beachtung und Nachahmung zu 
ofehlen if. Durch Werke von fo unverborbenem, 
ıgefunden Geifte wird es allein nur möglich, ben 
ecklichen Folgen ber unreinen Flut ber neueften in- 
diſchen und ausländifchen fogenannten fchönen Litera- 

einen fchügenden Damm entgegenzufegen; durch 
ye Werke kann die in unferer Zeit fo ſtark mis- 
ıchte, überfpannte und überfättigte Leſewelt ſich wie- 

Fräftigen und in einen erquidlichen geiftigen Cultur⸗ 

and, bis zur einfachen Natur zurückkehren. Bor 30, 40 

ren fühlte man überall, aber vorzugsweife in Frank— 

‚ daß es an der Zeit fei, der damals Alles beherr- 

den Sentimentalität, der weichlichen, überfüßen, em- 

elnden Schreibweife entgegenzuarbeiten; — man legte 
ilig Dand an, ben Geſchmack wieber an derbere Koft 


Brüffel, Mu: 
gr : 


zu gewöhnen, gerieth aber dabei gar bald fo ſtark in 
Eifer, daß des Guten viel zu Viel geſchah. So wurden 
auf der Direct entgegengefegten Seite immer vafchere, 
fühnere Schritte vorwärts gethan und man kam aus ber 
Charybdis in die Scylla. Die jegt waltende Schreibart 
bilbete zu der vorherermähnten einen nody viel ſchaͤdlichern 
Gegenſatz. Die vom großen Yublicum beachtete Lecture 
ift ein wunderliches Gemiſch von affectirter Kraft und 
unwahrer, unnatürlich feiner Gemüthstiefe, von wider⸗ 
natürlicher Roheit und nadter bitterer Wirklichkeit — 
ein wildes Losftürmen auf Alles was früher zum guten 
Sefhmade gehörte —, sine Nervenerfchütterungsmanie. 
Der alte Mafftab des Schönen wird verhöhnt, mit Füßen 
getreten, einen neuen hält man für überflüflig. Das 
ift ein gefährliches anderes Ertrem. Es ift hohe Zeit, 
bag man wieder umkehre, um zur goldenen Mitte, zur 
einfahen und wahren Natür und Kunft zurückzukommen. 
Und weil nun unfere Werke diefem ernften Wunfch nicht 
entgegenftehen, weil fie den Blick auf den Menſchen der 
Erde richten, wie berfelbe in feiner einfachften Natur 
angetroffen wird, und lebhaft dafür zu intereſſiren wiffen, 
fo begrüßen wir fie mit inniger Freude und hoffen von 
ihren Einflüffen das Beſte. | 

Der Titel „Ränder- und Bölkerlunde in Biogra⸗ 
phien”, wie ihn unfer erſtes Werk an ber Stirn trägt, 
ift allerdings ein ganz richtiger, aber nicht gerade ein 
ſtark anziehender, weil er zu fehr den Klang ber Nach⸗ 
ahmung an fih bat. Daher mag es mehre Lefer geben, 
welhe wie der Ref. mit einem gewiſſen Vorurtheil fi 
an das Buch machen, aber dann gar bald fehr ange- 
nehm enttäufcht und dauernd gefeffelt werden. Man 
fühlt, der Verf. tritt ganz felbftändig auf, ift weit 
entfernt von bloßer Nahahmung. Auch darf man dem 
Gegenftande nur einiges Nachdenken ſchenken und es 
fpringt Mar vor die Seele, dag eime Länder: und Böl- 
fertunde fich fat noch beffer zu einer biographifchen Be- 
handlungsart eignet ald die Weltgeſchichee. — 

Alles was wir von unferer Erde und ihren Bewoh⸗ 
nern wiffen ift urfprünglich an die Gigenfchaften, Schid- 
fale und Thaten einzelner hervorragender Menſchen ge⸗ 
knüpft. Daher ruht bas allgemein wahrgenommene 
Intereffe des gebildeten großen Publicums für Welt- 
gefhichte in Biographien auf einem fehr naturgemäßen 





fihern Grunde, und die Exd- und Völkerkunde, mag 
fie der Weltgefihichte über - oder untergeordnet auftreten 
follen, gerinnt ihre allgemein anziehenden und wahrhaft 
bildenden Momente ganz ficher item ef le 

N eseichneten biographiſchen Felde. ie 
—353— Pi eines Bredow, Ka Schwarz 
—28 der biographiſchen Weltgeſchichte ſchließen ſich 
die Verſuche von Bürck, Hermes, Külb in Hinſicht der 
biographifchen Ethnographie würdig an. Diefe Behand- 
Iungsweife beider Wiffenfchaften ſcheint für ben erften 
Augenblick gang neu zu fein, aber fie iſt es nur im 
Vergleich zu den von dem Mittelalter bis auf unfere 
Beit eingefehlagenen Wegen: — Herobet, Strabo, Caͤ⸗ 
far, Facitus gegenüber ift fie es aber gar nicht. 

Der Begriff ber Biographie wird jegt gar oft zu 
eng nur auf das Leben eines einzelnen Menſchen bejo- 

n, und daher kommt es, dag man den Titel des Külb’- 
chen Werkes auch ebenfo beſchraͤnkt deutet. Die Bio⸗ 
graphie kann aber recht gut auc zur Lebensbeſchreibung 
eines ganzen Btaats, zu einer Entwickelungẽgeſchichte, 
zur Charatkteriſtik ganzer Länder und öfter erweitert 
werben, und es iſt dann der Befrhiclichkeit des Blogra- 
phen anheim gegeben, zur rechten Zeit das Thema rich- 
tig zu nehmen, ſodaß daſſelbe ſich bald nur auf die Er- 
Ibn! e eines alleinftehenden Denfchen, bald auf bie 
—52 — und Eigenthümlichkeiten ganzer Völker und 
Staaten bezieht. Und in dieſem Punkte iſt unſers 
Verf. Leiſtung ungemein zu loben. Das Indivldualiſi⸗ 
ven jſt einer jeden Biographie vornehmfter Zweck, aber 
nicht weniger auch das möglich] allfeitige richtige Ken- 
uenlernen des Individuums. Da nun ein Menſch, Volk, 
Staat, Land nie allein fteht, fonbern immer in Bezie- 
ung auf ähnliche, benachbarte, Iembtihe freundfchaft- 
he, inte andere Menfhen, Völker, Staaten, 
Länder, ſo verſteht es fich von felbft, daß in ben richtig 
angelegten und durchgeführten —* nicht blos 
pa? oaraphifihe nbject, fondern aud alle fein Han- 
ein, Leben und Sein hehingenden Dbjecte forgfältig mit 
in Pie Betrachtung gezogen werden mäffen. Aus den 
Diogrgpbien der Welteroberer, der Begründer der Staa⸗ 
ten, Künfte, Wilfenfhaften und Kirchen, der Urheber 
und Senfer großer Volksbewegungen ift das Gebäude 

Weltgefhihte aufammengefegt, und aus ben Biogra⸗ 
nhlen der Weltrelſenden, der Entdecker und Defchreiber 
neuer Länder und Milfer auf Erden ift nach und nad) 
die Erdkunde entflanden. Will man alfo. die Erdkunde 
genetifch begründen, fo muß man mit Hülfe von Bin- 
Kara bet Epoche machenden Weltreifenden ben erften 
Grund legen. Und in biefem Sinne gibt ung Külb ein 
ganz vortreffliches Material. 

In dem naturgemäßen Gedankengange eines jeden 
gebildeten Gelbſtdenkers liegt es unverkennbar tief be- 
gründet, daß er bei dem geiſtigen Blicke auf ein Rand 
und feine Bewohner nach der Geſchichte des alfmäligen 
Bekanntwerdens fragt. Er will nicht blos Auffchiuß 
haben über den unmittelbar vorliegenden Stand "ber 
Dinge, fondern er will auch erfahren, wie Mes zw 


Zeit der erſten Entbedung war und wie es nah m 
nad zur gegenwärtigen Höhe emtporgefliegen, oder durch 
welche Vorgänge und Urfachen es vielleicht geſunken, za— 
fplittert, vernichtet worden if. ine folde Geſchithee 
der Länder und Völker iſt a8, wofür fich Jeder inter: 
firt, der die bewohnte Erde denkend ins Auge fait, ir 
darin Mehr fieht und fehen will als eine beiläufige Be- 
anlaffung zur angenehm unterhaltenden Tagespolitit un 
Handelöfpeculation. Daß nun Hr. Külb fi haupläd 
lich hat angelegen fein laffen, diefen denkenden Freunden 
der Erdkunde einen befriebigenden Auſſchluß übe ılı 
diefe und damit verwandte Fragen zu geben, Das win 
a zu einem geſchätzten Lieblinge des Publicun 
machen. 

Ein warmes Intereffe für diefe Biographien mocht 
wol fo leicht Niemandem fehlen, ber ſich Die Mühe gik 
fie zur Hand zu nehmen; — dadurch iſt aber ſchon cn 
Großes gewonnen für die Liebe zur Erdkunde, dena ra 
ſolches Intereſſe kann ohne einen geographiichen Unte: 
bau und Ausbau nicht gut beſtehen. Es macht hl 
Etudium der Erdkunde nothwendig, und eine folde Rott 
wendigkeit ift durchaus Feine drüdende Laſt, nein, es iñ 
ein unwilfkürlich fehr gern gethanes Geſchäft. 

Dat Buch hat auf feinem Titel den gar oft mir 
brauchten Zufag „für Schule und Haus“ nicht, man der 
aber feinem Inhalte nur einige Aufmerkfamkeit ſchenlen 
fo iſt der gerechte Anfpruch auf dieſe zwiefach praktiik 
Eigenfchaft ganz unverkennbar. Für das Haus if d. 
febald darin ein folider Sinn fir geiflige Anregung, fü 
altgemein delehrende, verebeinde Lecture noch die gefunt 
Dberhand behalten hat, fobald Bater und Butter, Sen 
und Tochter, überhaupt die gebilbeten Erwachſenen k 
noch nicht verfüttert find mit dem mobernen franzöflen 
Wucherwuchſe und der nachahmenden beutfchen junge ft: 
der, welche leider am, fchöpferifihften zu walten verfich 
in dem leichtfertigen Überfegunghandrberfe seichtferige 
Romane und Luftfpiele. Unſers Verf. Werk if im 
in einem ehrlich deutſchen Kopfe gereifte gute Fruit 
an deren Genuß fih ber gefumde Seſchmad gefumd e 
hält und der vermeichlichte, kraͤnkelnde wieder erflarte 
und genefen kam. Barum iſt Külb gut für ds 

aus. ber er ift auch gut für bie Schule, beſonden 

r ben Lehrer, und Dies nicht bfos für die firchime 
üngern, welche in dem genialen Witten den Grinke 
unferer heutigen Erbfunde bewundern und ihm Schr: 
für Schritt nachfolgen, fondern auch für die ber lm 
oͤder vermittelnden Schule, welche von der jungen 
fenfchaftfichkeit nach nicht den fegensreichen Erfelg © 
kannt zu haben behauptet, Külb ſteht neutral ıE 
befteundend zwiſchen allen Methoden der Erdkunde; f 
erkennt in jeder das Gute an und gibe dhr in unbejm 
gener Bereitwilligkeit bie trefflichſten Mittel umd Ber 
zum Beſſerwerden. Auch für ben Schülker befipt d 
Buch feine guten Seiten, aber wol nicht in ber Eh 
ats Schulbuch, fondern zu Haufe ald intereffantes Le 
Such. Und als folches iſt 66 ebenſo in erdkundlicher mt 
In flfiftifcher Hinficht belehrend, anregend und hebert 


1386 


1 beige ganz die Babe ih ven Bhtplinn zum Perunde 

machen und in seber Beziehung wohlthaͤcig Für bie 
* und Ausblldung des jugendlichen Geiſtes 
zu forgen elbſt für Beichrte, für Geographen, Hiſto⸗ 
siter, Natur, Sprach⸗ uad Alterthums forſchet von Fach 
geist es anerkenn e gruͤndliche Studien und Mi 
anz dazu gefchaffen noch Manchen von ihnen mit hin⸗ 

er zu nehmen auf bie von ihm bertetene fruchtbare 
Bahn. Das wäre fehr wünſchenewerth, denn «8 fehlt 
bier nicht an gutem Boden, aber noch fehr an geſchick⸗ 
en caltivirenden Händen md Köpfen. 

Die Biographien unfere Werkes folgen fi gen 
ii) genau In chronologiſcher Dibnung. Der erfte Dand 
zerfälle in drei Bücher, wovon dad exfle das Alter⸗ 
dam ind Ange faßt und, fo weit es der Mangel an 

Mechrichten über die Individualität der Entdecker geftat- 
tet, von den hervorragenden Weiltreifenden der Mhöntier 
Barthager, Griechen und Nömer handelt. Der Verf. 
nimmt gerade in diefem Buche die Nachficht feiner Leſer 
In Auſpruch. Er fagt feibft: 

Kein einziges F nn in nicht geringer Anzahl vorhan⸗ 
denen Zagebücher oenhtfer, griehifcher und roͤmiſcher Rei 
fenden ift in feiner urfprüngfi Seflait auf unfere Zeit ge 
fommen und fogar die Echtheit der wenigen Bruchſtücke, die 
fi in fpätern Überarbeitungen erhalten haben, wirb bezweifelt 
@8 blieb deshalb Bein anderer Ausweg, als die in geſchichtli⸗ 
* en Werken niedergelegten Berichte, welche aus unmittefbarer 
ntniß Ber gefdhiderten Länder und Völker floflen, an die 


aufubringenben fpärlihden Notizen über die Lebenever⸗ 
e der Berfaffer anzufnüpfen und in einen merägftene 


[Beinbartn Bufammenbang zu bringen: denn manche Lüde wär 
der That ſchwer auszufüllen, manche Muum zu verdeden. 
mandhe Kluft hätte zwar eine kecke Brücke von gelehrten 


—** geſchlagen werden fönnen, der wahrheitließende 2r- 
ſer mag es diefer ſchlichten Darftiltung ader Dank mwiffen, daß 
je vorzog, den gefammelten Stoff Iteber in feiner Duͤrftig· 
zu zeigen als —** rch fremdartige Bufäge zu bereichern 
oder vielmehr zu — *2* 
(Die Vortſetzung folgt. ) 





Bur Zagedliteratur. 
(Wehhiuh aus Mir. 32P.) 


Mit SGachkenntniß und gefundem Urthelle ik geſchtieben: 
3. Die Juſtitiarien, Bu a von ER. M— dh. Char: 

lottenburg, Bauer. &r. 8. 230 Kor. 

Die wahre Schattenſeite der —— daß fie micht als 
unmittelbare Staatsdiener betrachtet wurden, "anf St aatöpenken 
für en pr ihre Witwen keine Kupficht hätten, von Kuͤndi⸗ 

ngen, WR treffend hervorgehoben worden. Der 
ae auf das eine Foderung des Verf. ift aiſmerkſa zu machen, 
— geleraite Landgrrichte zu bifden feies. Dechin 
wird die —— —— des —* Verfahrens im Civilyro⸗ 
ceſſe führen. Der de Eivilri wird dem inqui⸗ 
rixenden —XXO inſofern zur Geite zu ſtehen kommen, 
6 er nur die Tpatfaden für dad Ustheil eines Eollegiums, 
bas uͤberall ale der wahre ichter zu fein feine Bnkun pas, 
zu fammmeln haben wird. 

Der Berfaffer von 

4. Demolvatie oder VBureaukratie Preßfrechett oder — 
gwei en, beantwortet won einem Saatobdien 
Nordhzaufen, drſtemann 1846. u. 8; 6 Ren 
it für Bureaufratie, weit ber Beamtenftand in der Fachan⸗ 


Ir Bezüglich der Gthatsuerweitung und 
—— Wh gemeinen ercellire. >= 
u eine Lüge, und ſolche wafle, daß darüber 
verlieren. hrung iſt 
— Wo iſt die in der Bureaußfübie 
gu finden? Man gebe erft diefe dem Urtheile 
Demos die Freiheit feiner Meinungen, 
' wie fie ‚die Meinun vecht gu 
d zu teiten im Stande fein. Der Bert. it andy 
eit fie die gemeine Gefahr ads einer anrichtigen 
oder ungefchietten Anwendung der Raturkraft der Prefie ver⸗ 
yüte und die feeie Prefle nur im Dienfte der Parteien ſiche. 
ketteres iſt je kein Unglück, weil es auch Regierungspar- 
teten —N gibt. Was aber die Berhätung der gemeineh 
Gefahe amlangt, fo ift der gegenwärtigen Grfa Brumg nad ge 
wiß, daß die Cenſur nar vermocht bat die Worte von den Ge 
Gen zu verfüßen, aber nicht dieſe ſelbſt dahin zu führen wie 
gewünfdt wird. Die Cenſur ift ein Mittel mehr zur “üge, 
Kr. großen Krankheit und Gottheit unferer Zage. If der 
erf, wie 28 ſcheint, ein preußiſcher Staatsdiener, fo epallirt 
er wenigftend gewiß nicht in der Erfahrung der Geſehe. 
müßte willen, daß es Jedermann in Preußen freiftcht, Pc 
Meinung in Staatsangelegenheiten dem StaatSoberhaupte dor: 
ar Bis en ift Diefes nur Kaeifetich moͤglich gewefen. 
alſo in Preußen jedes Buch ald dem Könige gehörig 
—e Soll Der nun aber delogen und durch abſichtü ide 
Wirkung feiner eigenen, ihm zur Zreue verpflichteten Beam» 
ten über die W tichkeit der Sachen in Unkenntniß gehalten 
werden ? 
Dos fehr wigige Schriftchen 
5. Mir naht Sur Medieinaltefsrm. Bon Den apius. Kre 
feld, Funde und Müller. 1846, Gr. 8. 10 Wor. 
zeigt uns unter der Hülle eines Tächerlichen medlcinifäjeh eil⸗ 
—2 die eiherti feit des Beginnens der Staats-⸗-Heil⸗ 
Fünffler. „Wer das Licht will, * auch den Schatten ſich 
efallen täffen ; weg mit aller will rlichen Befchränkung der 
Bess" Self-government zeigt und die Hand auf dem Li⸗ 
telblatte 


6. Über die Frrifinnigkeit inneryalb des es. Bon le 
rander Jung. Kiel, Bimfow. 3815. Gr. 8. Ty, Re. 
At Die Autorität des Geſetzes als den Buben, das Band BES 
eiſtes dar, innerhalb deſſen ter ir teß der eiftigen Kaͤmp 
ch entroidtein mäffe.. „Vie nni are halb des 
eges iR der An der nacchies die einfeitige, unter 
beungehr, unfebtbar fi) dünkende Autorität innerhalb des Be» 
N ver Wanatismus der Despotie.” I nun aber jene 
utorität das Beſtehende ober das zu Bildende? Man tr 
uf diefe oe be aus dem Buche zu wenig Antwort. Es i 
vn ‚dab im Geiſte, als dem menſchlichen 
— de, d. i. den Staat, Nichts beſteht, ſondern Alles —* 
da a fgeinbar * nur ein Moment eines Sa Bildenden if. Für 
tadt befteht Peine Autorität. bas gegebene Geſe 
be nt damit aͤußerhalb Des Geſetzes zu —* und kommt au 


F 
53 


gi 
= 





Er 
PL, 
weht 


— 
85 


HE 
4 


nicht zu ihm. Wie will man Diefes von ber Meinung verlan⸗ 
gen? Unders if es in Ber Kirche. Da IM das von Bett Gr: 
geberre ewiges Gefeg. Die Zukunft fieht ver uns da wie Die 


inter uns. Zwiſchen diefen beiden 


Bergangenpeit der Ratur 
taate auf und nieder, fortjchreitend 


Angeln ſchweben wir im 
wie die auf einer Stelle aufs und aitdarſchwingende Woge des 
Meers; das ift unfere Bewegung. a8 der Staat heute ift, 
war er vor Zaufenden won Sahren. Das zu Bildende erreicht er 

wie. Der Geiſt kommt nur durch die Kirche jene zu frinem 
Biele, zu ſich. Nichts Arm diefe Anſtcht von dem traͤ | 
Fertſchwingen des Staats, von der keihheit der Gogenwart 
befier en als die hen uar fogenannte fociale Ber 
wegung, w ſchen im roͤmiſchen und diem geitchiſchen Staa⸗ 
vorr eine Fe war. Hebimg der arbeitenden GClaſſe IR 


1356 


von jeher Object der Handlungen freifinniger Staatsmaͤnner 
gewefen und zwar durch die Mittel des Beftged und der peliti- 
ſchen Rechte; und noch heute, trog Ehriftenthum und Revolu⸗ 
tionen, nachdem fo viel Liebe und fo viel Blut in den Staat 

efloſſen, iſt man gerade auf derfelben Stelle wie zur Zeit ber 
Srachhen in Rom. Der Despotismus römifcher Kaifer ift noch 
heute nicht unmöglid. Was uns binzieht und länger leben 
läßt old die antifen Republiken, ift unfere langweilige Bähig- 
Zeit und Feigheit. Wo der Römer mit der Hand raſch zugriff 
und mit Leib und Seele dabei war, fragen wir erſt nah Prin⸗ 
apien. Die Principien thun Alles; Die Individuen freilich 
werden dann Richts thun; da fie es aber follen, fo fchleppen 
wir uns eben langweilig an unfern Principien : Krüden wie 
bettelnde Arme und mühfelig im Kreife fort und herum. Aber 
nicht genug unferd Grabens in den Stollen der Principien; 
über unfern Häuptern fehweben unzählige Stimmen aus dem 
a bier im finnverwirrenden Tongemenge. &o haben wir 
auch bier 


7. Stimmen aus dem Auslande über fociale Zußände. I. W. E. 


Ehanning's Vorlefungen über die Hebung der arbeitenden 


Claſſe der Staatsbürger. Aus dem Gnglifchen überjept 
A a. C. Dit. Preiberg, Engelhardt. 1846. Gr. 8. 
gr. 
- Der Berf. ift der Meinung, daB die gegenwärtige Civil 
fation den Principien des Chriffentbums zuwider fei, daß fie 
fo nicht auf die Länge beftehen koͤnne; daß fie aber nicht wie 
die Givilifation des alten Roms in Blut erfäuft zu werden 
verdammt fei, daß vielmehr durch ſtufenweiſes Wortfchreiten und 
Verbeſſern der gegenwärtigen Buftände eine erfreulichere Zeit 
Tommen werde; unter den Verbefferungen fei eine der vorzüg⸗ 
lichſten die intellectuelle und moralifche Berbeflerung der arbei: 
tenden Claſſen. Aber wie nun, wenn die Arbeiter auch fo 
weit inteflectuel gebeffert find, wie das Beifpiel in England 
zeigt, daß fie ihrer Menſchenrechte, d. b. ihrer Meinungs⸗ und 
Foderungsfreiheit im Staate fih bewußt find und fie heben 
wollen?! Soll nun die moralifhe Befferung die fein, daß fie 
den Mund halten, allenfalls Hoffen und warten, bis die ge 
bratenen Zauben auch zu ihnen kaͤnen? Meoralität ift Wil- 
lenskraft. Blut fol. nicht fließen. Uber der fehr intelli» 
nte und fehr moralifche Arbeiter bleibt unzufrieden, wenn er 
im Staate nicht mitwirken kann. Das ift die Hebung, die er 
will. &taatdeinrichtungen müffen vorhanden fein, nach denen 
biefes Wirken in gerechter und freier Weiſe vor ſich gehen 
Bann, und da die Regierungen einen chriftlihden Staat wollen, 
fo find fie zuerft aufzufodern, Hand ans Werk zu legen und 
ihre Meinungsfreiheit der Liebe zu unterwerfen, daß fie achte 
auf die Meinung ihrer Unterthanen, die gewöhnlich die oͤffent⸗ 
liche genannt wird. Mit veredelnden Phrafen lodt man nicht 
den Hund hinterm Dfen hervor. j 


j Ebenfalls als ein Beitrag für unfern angeblichen Fort⸗ 

ſchritt kann gelten 

8: Das Duell, als Emancipation der Ehre, oder Beleuchtung 
des Duells vom gefchichtlihen, moralifchen und politifchen 
Standpunkte. Freiburg, Herder. 1846. Gr. 8. 20 Ner. 

eine in jeder Beziehung vortrefflihe Schrift, der nur Wirkung 

zu wünfden wäre. 3 Marquard. 





Bibliographie. 


Ambach, €, v., „Gott über uns! oder ohne Jugend 
und Glaube Fein Heil. Zeit: und Seelengemälde. Ifter Band: 
gotteriefpiel und Aberglaube oder des Sünders Ruͤckkehr zu 
Sott durch ein Zeichen der Vorſehung. Regensburg, Puſtet. 
8 12%, Nor. 

Beta, Phyfiologie Berlins. Mit Federzeichnungen von 
B. Scholz Iſtes Heft. Berlin, Weinholz. Kl.8. TY, Nor. 


Berantwortliger Heraußgeber: Heinrich Brockzans. — Drud und Verlag von F. WE. Brockhans in Leipzig. 


der Metropolitankirche von Paris während der Faſtenzeit! 


Bluntſchli, Ge des Bundeittin 
von den erſten ewigen 2 bi⸗ Per die Gegenwart. 3i: 
ih, Meyer u. Zeller. Gr. 8. 21 Nor. 

Bürger, K., Liebedbriefe ohne Liebe. Leipzig, D. Wi 
gand. 12. 30 Rue 

Derblich, W., Über den Werth und die Bedeutung 
der Himmelskunde und deren Einfluss auf die menschliche 
Gesellschaft. Breslau, Kern. Gr. 8. 2, Ngr. 

Dumas, A., Joſeph Balſamo oder Memoiren eines Ay. 
tes. Deutſch von H. Bourbdin. Be bis Iter Bond. Leij 
gig, Berger. 1847. Br. 18. RI . 

@uler's, 2, Briefe an eine deutf ingeffin über ve: 
fchiedene Gegenftände der Phyfid und Phitofopbie. Aufs Ku 
nah dem Franzoͤſiſchen bearbeitet. Mit einem Gupplımmtı, 
die neueften Ergebnifle und Bereicherungen der Phyfil in Brid 
forın bebandelnd von 3. Müller. In drei Xheilen. Ihn 
Theil. Stuttgart, Müller. 1847. 8. 15 Ngr. 

Förfter, F., Preußens Helden im Krieg und Frida 
Eine Geſchichte Preußens I dem großen Kurfürften bis jus 
Ende der vie Biographien feiner groben Dur: 
ner. Ifte Lieferung. Berlin, Hempel. Ler.:8, 9 Ror. 
Freuler, B., Die Helminen. Tragoͤdie. Glarus. Er. 
1 Thir. 15 Nor. 

Fröhlich, A. E., Der junge Deut Dice Ste Id 
t. 


lage. Zuͤrich, Meyer und Zeller. Kl. 8. 
Gottſchalck, F., Genealogiſches —** für dei} 
1847. 1Tter Jahrgang. Dresden, Gottſchalck 16. 1 2 


Hülfen, C. Graf v., Gedichte. Altenburg, Helbig. IM 
18 Ror. 


Kalidasa, Urwasi, der Preis der Tapferkeit. 5 
Drama in 5 Akten. Herausgegeben, übersetzt und erir 
tert von F. Boliensen. St.- Petersburg, Gräff'; En 
Lex.-8. 5 Thlr. | 

Kinkel, ©., Otto der Schüg. Eine rheiniſche Geſchice 
in 12 Abenteuern. @tuttgart, Cotta. 16. 15 Rat. 

Kurts, 8. G. &., Denkwürdigkeiten aus der Gcdahe 
ber gende, und Standesherrihaft Wartenberg. Wartıaks; 

.. 2 Rgr. 

eingard's, J., Geſchichte von England feit dem ecke 
Einfalle der Römer. 15ter Band. — U. u. d. J.: Pina 
Geſchichte don England. Won 1688 bis auf unfere Zayı rt 
gefegt von de Marles. Aus dem Wranzöfifchen vem Ma 
7 Steck. iſter Band. Tuͤbingen, Laupp. 1847. 6! 

Thlr. 22%, Nor. 

Lohner, ©., Die Münzen der Republik Bern. Zird 
Meyer und Zeller. Gr. 8. 2 Thlr. 

Mager,' Die Encyklopädie oder die Philosophie &# 
Wissenschaften als Propädeutik und Hodegetik für abgebe® 
Schüler der gelehrten und Bürger-Gymnasien und 
Studirende auf Hoch- und Fachschulen, so wie für as 
Liebhaber wissenschaftlicher Bildung. Iste Lieferung. # 
rich, Meyer und Zeller. Schm. 4. I Tbir. 21 Neger. 

Mommfen, Th., Racträge zu-den oskiſchen Etiw 
Berlin, Nicolai. Gr. 8. 25 

Muchar, U. v., Geſchichte des Her gthum⸗ Stra 
Iter Theil. Graͤtz, Damian u. Sorge. Br. 8. 1 Ltr. DW 

Polignac, Fürft 3. v., Hiftorifche, politifche unt 
ralifhe Studien über den Zuftand der eurepäifchen Geſe 
um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Bon dem Berfahn 
nehmigte und vermehrte Originalausgabe aus dem Fri 
fen. Zwei Bände. Regensburg, Manz. 8. .®° 

Prat, J. M., Geſchichte des heiligen Irenäus, | 
lehrers, Martyrs und II. Biſchofs von Lyon. Aus deu kt 
aöfifden von 3. R. Difhinger. Megensburg, Rei 
& gr. 


Ravigneau, X. v., ©. 3., Conferenzen. Geha 











Eingeleitet, erflärt und überfept von J. U. M. Bruͤbl 
bingen, Laupp. 1847. 8. I11Y, Ror. 


— 


Blätter 


für 


tterarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 





(Bortfegung «us Nr. 33.) 


Das zweite Buch ift dem Mittelalter gewidmet. Hier 
nd fchon mehr fichere und reichere Anhaltspunkte. Befon- 
6 gilt Diefes von ben höchft wichtigen Berichten arabifcher 
‚öifenden, welche erft in der neueften Zeit bie Aufmerk⸗ 
mfeit der Gelehrten erregt haben, und das Külb'ſche Wert 
bt die intereffanteften Proben hiervon und laͤßt deut- 
5 fühlen, wie groß bier der Gewinn für die Länder- 
ıd Völkerkunde werden kann. Auch die Entdeckungen 
re Normannen, weldye durch die Thätigfeit der König- 
yen Geſellſchaft für norbifche Alterthumskunde zu Kor 
nhagen fo fchön wieder ind Leben gebracht worden 
d, läßt der Verf. nicht unbenutzt. Er ſchließt fich 
ihelmi und Hermes an. Dann blidt er mit Wohl: 
allen auf die tüchtige Bearbeitung des Marco Polo 
1 9. Bürd und wünfdt, daß recht bald in ähnlicher 
eife andere Reifeberichte in unfere Gegenwart gerüdt 
den möchten. Er fagt: 

Befonderd wäre Diefes dem bis jegt wenig beacdhteten 
feberichte unſers deutſchen Landsmannes Hans Schildtberger 
wünfchen, der gewiß in der Gefchichte der Erdkunde eine 
t größere Berühmtheit erlangt hätte, wenn er Fein 
utfher wäre. 

Das dritte Buch bezieht ſich ausſchließlich auf 
ika unb Aſien und zwar auf den Zeitraum von 1415 
550. Hier mußte I. de Barros, der portugiefifche 
us, hauptfählicd ald Duelle dienen. 

Sedem Bude ift eine Vorbemerkung und eine Schluß⸗ 
ficht, fowie jeber Biographie ein einleitender Anfang, 
vergleichende Beziehung zu den verwandten andern 

u Dem gegenwärtigen Standpunkte der LZänder- 

Völkerkunde beigegeben. Dadurch wird Alles fo 
ats möglic zu einem im fich abgefchloffenen Ganzen. 
Kir wollen nun zum genauern Befanntwerden mit 
Inhalte des Buches einige Abfchnitte zur Mitthei- 

bringen und wählen dazu den mit „Abu Seid” 
chriebenen Artikel. 

Sin glücklicher Zufall hat uns eine ausführliche im Jahre 
von einem Unbefannten verfaßte und von Abu Seid el 
ı Sirafi um das Jahr 880 berichtigte und erweiterte Be⸗ 
yung Diefer Reiferoute (nach Ehina) erhalten und uns in 
> gefegt, den Arabern auf ihren Fahrten nach Dften zu 
. Die meiften Ghinafahrten, fagt der Bericht, liegen zu 


Siraf, wo fie die Waaren, die von Basra und Dman dahin 
gebracht werden, laden, denn weiter in den perfifchen Golf und 
in dad Rotbe Meer fegeln fie nit der Untiefen und ber haͤu⸗ 
fiden Stürme wegen. Haben fie ihre volle Fracht, fo Reucm 
fie nah Maskate (an der arabifhen Küfte), wo fie Waſſer 
und Lebensmittel einnehmen, und von da nach Indien, wo fie, 
wenn ber Wind günftig if, nah Verlauf eines Monats zu 
Kaufammeli (Gulan) landen. Hier verfehen fie fi aus den 
Brunnen mit frifhem Trinkwaſſer, wofür fie eine Abgabe ent». 
richten“ müflen und fegen nad kurzer Raft ihre Reife fort 
nad dem Herkendmeere (zwiſchen Indien und Ceylan), in 
welchem die Infeln Robaihat (die Malediven), 1900 an ber 
Zahl, liegen. Sie find eine bis vier Meilen boneinander ent 
fernt, ſaͤmmtlich bewohnt, und werden von einer Königin be: 
berrfcht. Die Eingeborenen find ihres Kunftfleißes wegen be 
rühmt und verfertigen aus den Faſern der Cocospalme, bie 
bier di gut gedeiht, ein Außerft feines Gewebe, welches faft 
der Seide gleich Fommt. Aus Cocosholz bauen fie auch ihre 
Häufer und Schiffe Ihre Münze beftcht in kleinen Mufcheln 
(Kauris), welche bei unruhigem Meere auf der Oberfläche des 
Waſſers erfcheinen und mit Palmzweigen, an die fie ſich feſt⸗ 
hängen, gefammelt werden. Man findet auf diefen Infeln auch 
den grauen Ambra, fomwol in gewöhnlich großen Stuͤcken als 
au in Beinen, welche ausgeriffenen Pflanzen gleichen. Er 
währt auf dem Meereögrund; hier wird er von heftigen Stuͤr⸗ 
men loögeriffen und ans Ufer geworfen, wo man ihn in Ge 
ftalt von Schwämmen und Zrüffeln findet... Man bat lange 
diefe Anficht über die Entftehung des Ambra getheilt, jegt be⸗ 
trachten ihn die meiften Raturforfcher als Gallenfteine des Ka⸗ 
helots ... Senfeit der Robaihat liegt Serendib (Geylan), die 
größte der indifchen Infeln, welche von zwei Konigen beberrfcht 
wird. In der Mitte derfelben erhebt ber Berg Rahun 
(Adam's Pi), auf man einen 20 Ellen langen Fuß⸗ 
ftapfen fieht, der von Adam berrühren fol, welcher mit dem 
einen Fuße auf diefem Berge und mit dem andern im Meere 
ftand. Am Fuße diefes Berges findet man viele Edelfteine, 
Aubine, Opale und Amethufte, welche meift durch Regengüſſe 
aus den Schluchten und Spalten bervorgefpült, felten durch 
Rachgraben gewonnen werben; Töniglige Beamten beobadten 
forgfaltig die Leute, welche zum Ginfammeln derfelben angefteüt 
find. Die Infel ift auch reich an ——— Gold, Perlen, die 
man an den Küften fiſcht, und ſehr großen Muſcheln, deren man 
fi als Trompeten bedient... Die Religionsiehrer und Geſetz⸗ 
kundige diefer Infel find die berühmt in gang Indien, und 
von allen Seiten firömen ihnen Schuler zu, um ihren Unters 
richt zu genießen. Auf die Zempel werben bedeutende Sum» 
men verwendet und in einem derfelben fteht ein großes Bögen: 
bild von feinem Golde. Übrigens findet man bier fehr viele 
Juden und Anhänger anderer Selten, denen der König unbe: 
ſchraͤnkte Religionsfreiheit geftattet ... Wenn ein König flirbt 

fo legt man ihn rüdlings auf einen Wagen, fodaß der Kop 

binten herabhängt und die Haare im Etaube nachgezogen werden. 
Eine Frau folgt ihm und fegt fortwährend mit einem Befen Staub 


3 [ 


auf den Kopf des Zodten, während Undere-mit Sauter Stimme 
rufen: ‚Leute, feht euern König, der seen noch euer Gebieter 
war, jegt ift feine Herrſchaft über euch dahin. Rechnet nicht 
auf die unfihere Hoffnung des Lebens!” Drei Tage zieht man 
mit dem Wagen umber, dann hüllt man den Körper in koſt⸗ 
bare Stoffe und Wohlgerüche, verbrennt ihn‘ und ſtreut die 
Aſche in alle Winde. Häufig flürzen ſich auch die Weiber des 
Königs in bie Flammen und verbrennen fi) mit ihm; doch 
find fie nit verbunden Dies zu thun ... Die Bewohner von 
Serendib find ungewöhnlich ausfchweifend und liederlich, ohne 
fih Dieſes als Schande anzurechnen, weshalb auch die moham⸗ 
mebdanifchen Lehrer den jungen Leuten fireng verbieten, biefe 
Inſel zu befuhen. Mit unbezähmbarer Leidenfchaft find fie 
dem Damfpiele und der Luft der Hahnenkämpfe ergeben. Die 
Hähne find in diefem Lande fehr ſtark und haben ungewöhn- 
lich große Sporen, die man noch mit eifernen Spigen verfieht. 
Man vermwettet auf den Ausgang biefer Kämpfe beträchtliche 
Summen Gold und Silber, Ländereien und andere Befigthü- 
mer. Roc unbegreiflicher ift ihre Wuth im Damfpiel, denn 
nicht felten wagen liederliche Leute, wenn ihre ganze Habe 
vergeubet ift, um nur fpielen zu Fönnen, die Fingerfpigen, und 
man kann ihrem gefährlichen Treiben nicht ohne ein ängftliches 
Gefühl zuſehen. eben ihnen fteht auf einem Feuer ein Gefäß mit 
Ruß: oder Sefamöl und zwiſchen ihnen liegt ein kleines fear: 
fes Beil. Der Verlierende legt fogleich feine Hand auf einen 
Stein, der Gemwinnende nimmt dad Beil und baut ihm mit 
der größten Gleichgültigkeit die Fingerſpitzen ab. Ebenſo ru: 
big ſteckt darauf der Andere den verſtümmelten Finger in das 
fiedende DI, damit die Wunde verharfche, und fegt hartnädig 
das Spiel fort, welches oft nicht eher aufhört, als bis einer 
der Spieler fämmtlihe Fingerfpigen verloren bat. Um aber 
doch ferner feiner Leidenfhaft fröhnen zu Fönnen, greift er zu 
einem andern Mittel und legt, ftatt mit Bingerfpigen zu be: 
zahlen, ein in DI getauchte® und angezündetes Stud Dot 
auf irgend einen Theil feines Körpers und läßt e8 verbrennen. 
Während die Mitfpielenden fi an dem Beruche des verbrann- 
ten Fleiſches ergögen, verräth er auf. Beine Weiſe irgend ein 
Gefühl von Schmerz. 

Indem wir hier die Befprechung des Külb’fchen Werkes 
fließen, blicken wir zugleich mit froher Erwartung auf 
eine möglichft baldige Fortfegung und Pollendung des 
Ganzen. Möge die günftige Aufnahme des erften Ban- 
des dem Berf. ein fördernder Sporn zum Weiterarbei- 
ten fein! 


Wenden wir nun unfere Aufmerkſamkeit dem Berg: 
haus ſchen Werke zu, fo finden wir zunächft nicht blos eine 
nahe Verwandefchaft zwifchen feinem Inhalte und dem 
bes vorigen, fondern es ſteht dazu in einem fo innigen 
Derhältnig wie Fortfegung und Schluß zu Anfang und 
vorauegehende Begründung. Wenn Külb hauptfächlich 
das Hiftorifche der Ethnographie ins Auge faßte, wenn 
er feine Lefer Theil nehmen ließ an dem allmäligen Be- 
kanntwerden der Länder und Völker unfere Erdballs, fo 
will Berghaus das Hiftorifche auch nicht gerade un« 
berückſichtigt laſſen, aber er will baffelbe nicht als 
Hauptfache herausheben: ihm ift darum zu thun, ein 
möglihft fertiges Gemaͤlde von unferm gegenwärtigen 
Wiſſen über das Leben und Wirken ber Erbvölker vor 
bie Seele zu führen. Der Eine macht feine Entwide- 
lung von ber Zeit und dem glüdlichen Zufalle der Ent- 
deckung abhängig, der Andere nimmt die in der Natur 
begründete Verwandtſchaft zur Richtfhnur. Behandelt 
ber Eine das Was und Wie von-dem Bekannten, Vor- 


‚ Sorgfalt zu verbedien fucht. 


138 


handenen, fo fucht ber Andere nachzuweiſen, wie mi 
wodurd jenes und als ſolches geworben if. Du 
eine Verſchiedenheit, welche keines der Werke zum va 
zuge berechtigen Tann, welche der freie Gang wiſen 
Ihaftliher Beflrebungen nun einmal fo mit fih hin 
Übrigens iſt das Berghaus'ſche Werk auch mit derſella 
fahverftändigen, leichtverftändlichen, intereffanten Jar 
geſchrieben wie das Külb’fche; es ruht wie diefeb af 
einem hoͤchſt fruchtbaren populairen Boden, und unter: 
ſcheidet fih nur zumeilen in Meinen Excurfionen dam, 
wo es dann etwas dichter an ber Gelehrtenfphäre vn 
überftreift; er läßt fich zuweilen in fprachlice un w. 
turwiſſenſchaftliche Erörterungen ein, beruft fih auf Ir 
torfchaften und Quellen, wovon bei Külb Nichts m. 
fommt. Aber dennoch wird von beiden Werfen berfecik 
Grad ber Bildung ihrer Lefer vorausgefept und das cm 
erwähnte Höhere der gelegentlich gefpannten Saite It 
genau betrachtet doch immer noch auf ber populairen 
Oberfläche, tiefe Gelehrſamkeit wird nirgend zur Shu 
getragen. Das eine nimmt nur einen Anſtand Du 
fehen zu laffen, was das andere mit der mögliäfe 
Und wenn mun ud 
Berghaus in einzelnen Punkten wirklich etwas gelhre 
auftreten follte als Külb, fo wird Dies durch anden 
wieder ausgeglichen, welche noch populairer baflckn. 
Berghaus unterftügte feine Schilderungen der Kill 
nod mit ungemein anfprechenden, colorirten Zluftraie 
nen, während Külb fich überall nur mit Wortfarben ınl 
Wortbildern begnügen mußte. In eben berührter dir 
fiht ift fogar Berghaus’ Werk als eine zweckmaͤßige Gr 
gänzung des Külb’fchen anzufehen. 
(Der Beſchluß folgt.) 





Rinaldo ardito di Lodovico Ariosto, frammenti inet 
pubblicati sul manoscritto originale da J. Gianpien 
e G. Ajassi. Florenz 1846. 


 , Beler Freund der italienifhen Literatur und des Arich 
insbefondere hätte nicht mit freudigem Grflaunen tie Ra 
vie vernommen, es habe ſich ein nicht unbebeutentes Brei 
ftül eines bisher unbefannt gebliebenen Heldengedichts da 
Ariofto unter feinen Papieren gefunden, und nicht fo ſchat 
als möglich dafür geforgt diefen Schag mit eigenen Augen # 
fehen. So ift es auch Def. ergangen, obgleich fi ſchen I 
der erften Rachricht und noch mehr während der ziemlih lu 
gen Beit, bie da immer vergeht ehe man neue Werke and 3& 
lien erhält, mancherlei Bedenken und Zweifel ihm aufdrängkz 
Wenn, fo mußte er ſich fragen, ein foldyes Werk von Arc 
dorhanden geweſen, wie kommt es, daß wir bisher fo gat Fi 
gar Beine Nachricht davon erhalten haben? Denn die Kıtı 
des halbverrüdten Doni, es habe Ariofto nach Bollendung dei 
„Orlando furioso” ein neues Heldengedicht „Rinaldo arditw“ E 
zwölf Gefängen ausgearbeitet, womit er am Ende nur die „Cisge 
canti” Fann gemeint haben, welche erſt 12 Jahre nad im 
ode des Ariofto erſchienen, das war doch eigentlich Add = 
man je von der Sache gehört hatte, und die fleißigiten Lit 
biftoriker Up. Zeno, Magzuchelli, Ziraboscht und ber grich 
liche Biograph des Ariofto, Barotti, — dieſe Außerung id 
Doni entweder ganz unbeachtet gelaflen, ober mit der ger 
venden Verachtung behandelt. Indeß, fagen die Herauigcha. 








1859 


ein Lügner kann auch einmal bie Wahrheit fagen. Sugegeben, 


aber wie kommt ed, daß der Bruder des Uriofto, Babriello, daß 
‚fein Sohn Birginio, welche mit der größten Pietät den Xach⸗ 
laß des Dichters gefammelt, Einiges noch ungedrudte heraus: 
gegeben, Einiges fogar erft vervollfländigt haben, dieſes Ge⸗ 
dicht in zwölf Gefängen nicht gefunden haben follten, und daß 
Ah auch unter den Notizen bes Birginio über das Leben fei- 
ned Baters nicht die geringfie Spur davon findet? Wann 
follte Uriofto dies Gedicht gefchrieben Haben, da er bis an fei- 
nen Tod mit der Verbefierung des „Orlando furioso” beſchaͤftigt 
geweien und feine legten Sabre auf eine neue, unvollendet geblie- 
ne Dichtung, die „Cinque canti”, verwendet hattet Wann 
ollte er Luft und Muße zu einem fo bedeutenden Werke ge: 
nden haben? Doch man mußte das Opus felbft erwarten. 
Es kam, und ſchon der erfte fluͤchtige Bli auf einige Stan- 

en Eonnte den Gedanken gar nicht auffommen laflen, DaB man 
Bier ein Werd des Ariofto vor fih babe. Um fo neugieriger 
griff man nun zur Vorrede, worin die Herausgeber doch ohne 
Zweifel die Authenticität des Werks mit unumftößlichen Grün: 
den mußten dargetban haben. Was fagt nun die Worrede? 
Erſtlich was wir Alle längft wußten, daß Niemand früher eine 
Ahndung von der Eriftenz des Werks gehabt, bis auf Die No: 
tiz des Doni; daß diefes Werk in die legten Sabre des Dich: 
ters fallen müfle, da die Schlacht von Pavia darin erwähnt 
werde, was ganz richtig iſt; daß Lanzoni (geft. 1730) das Ma⸗ 
nufcript befeflen, aber freilich nie davon geredet habe; die Her: 
audgeber hätten ed von einem Kanonikus PBincenzio Kauftini 
erhalten, der es von feinem Water geerbt babe, und daß es 
Daflelbe fei, von welchem Baruffaldi der Züngere (im vorigen 
Jahrhundert) in feinem Leben des Artofto fage, daB es ſich in 
den Händen Lanzoni's befunden habe. Daß diefe Beweife ber 
Echtheit nicht eben allzu ſtark feien, fühlen die Herausgeber wol 
ſelbſt, aber was fie fonft noch zur Beftätigung ihrer Behaup⸗ 
tung aufftellen,, 3. B. daß das Manufcript genau ſolche Waf- 
ſer⸗ und Stodiflede habe wie die übrigen Manufcripte der ech⸗ 
ten Werke des Ariofto in der Bibliothek zu Ferrara, was da 
beweife, daß es mit diefen zufammen, an dem nämlicden Drte 
aufbewahrt worden fei (was aber nach den Heraußgebern felbft 
doch nicht der Fall geweſen ift), dieſen Beweis möchten wol 
nur die Herausgeber allein für enticheidenb halten. Etwas 
mehr würde e8 noch allenfalls bedeuten, wenn fie ſich bie Mühe 
gegeben hätten daB Papier genauer zu unterfuchen und etwa 
aus dem Waflerzeichen, wenn es dergleichen bat, die Identität 
mit dem Papier der echten Manufcripte hätten nachweiſen Eön- 
nen. Aber fie haben freilich auch einen beſſern Beweis beiges 
bracht. Der Borfteher nämlich der Bibliothek in Ferrara hat 
ein bier abgedrudtes Zeugniß ausgeftellt, von vier Perſonen 
mit unterzeichnet, daß die Handfchrift ded Manufcriptd genau 
übereinftimme mit den auf der Bibliothek befindlichen echten 
Dandfchriften des Ariofto. Allerdings ein fcheinbar fehr wichti- 
ed Zeugniß. Allein wenn man weiß, daß noch bis auf den 
—* en Tag über die Echtheit der Handſchrift des Petrarca 
im ®irgil der „Ambrosiana” geftritten wird; daß die Hand» 
Schriften der frühern Zahrhunderte eine fo große Familienaͤhn⸗ 
Lichkeit haben, daß es überaus fchwer ift die Handſchrift der 
einzelnen Perfonen zu unterfcheiden, wie e6 und (Europäern 
fchwer wird die einzelnen Individuen der Mongolen oder Ne 
gerrace zu unterfcheiden, wird man doch nicht fo ganz gewiß 
fein diefem Beugniß unbedingten Glauben zu fihenten, um fo 
mebr, als fümmtlihd Mitunterzeichnete devote Bibliotheksbeamte 
find, die es wol kaum wagen durften der Anſicht bed Herrn 
Dberbibliothefar zu widerfprechen, und ber einzige nicht in die: 
fem Falle Befindlidde, wenn er nicht eben auch als Abſchreiber 
bei der Bibliothek angeftellt ift, ein Schreibmeifter, wol ein 
trefflicher Kalligraph, aber mwahrfcheinlich doch Fein fonderlicher 
Palaͤograph fein wird. Auch geftehen die Herausgeber in ei» 
ner bitterböfen Rote zu dieſem Seugniß, daß es Leute gebe, 
welche mit unbegreiflicher Hartnädigkeit und Verblendung die: 
fen überzeugenden Beweis der Echtheit des von ihnen gefun- 


denen Schatzes wicht fo ganz wollen gelten laſſen. Das iſt 
Alles was die Herausgeber an äußern Gründen für bie Echt⸗· 
heit ihres Yunds vorzubringen wiflen, und Jedermann wird 
geftehen müflen, daß, Die Waſſerflecke abgerechnet, die Sache 
des armen Wriofto auf ſchwachen Füßen ſtehe, wenn er fie 
et felbft beffer zu führen weiß. Gehen wir alfo das Merk 
elbſt an. 

Es follen Bruchftüde eines „Rinaldo ardito” fein. Run 
kommt allerdings Rinalto, oder vielmehr, wie er bier ſtets in 
baͤuriſcher Form genannt wird, Ranaldo, in den Bruchflüden 
vor, aber Nichts in der Welt läßt ahnden, daß er der Haupt 
held fei; vielmehr ift vom Zerraguto und befonders vom De: 
lando minbeftens ebenfo viel die Rede ald von ihm. Doch Das 
koͤnnte bie Birkung eines tüdifhen Zufalls ſein; denn wir 

aben hier an nur Bruchſtücke von Bruchſtücken. Die 

eraudgeber haben fie zwar in fünf Geſaͤnge getheilt, wobei 
aber auf den erften nur 10, auf den zweiten 110, auf den 
dritten 34, auf den vierten 98 und auf den fünften 30 Stans 
zen fommen, und jeder ift wieder noch von Luͤcken unterbro- 
hen und das Ganze fo incohärent, daß man Baum weiß was 
Anfang ober Ende fein möchte, und bie Herausgeber felbft ge» 
nöthigt gewefen find bie Blätter des Manuferipts anders zu 
ordnen als fie fie gefunden. Doc das Alles würde Wenig fa- 
gen und Pönnte auch dem edelſten Gedichte widerfahren fein, 
wenn nur ber Inhalt, der Ton, der Stil, die Poefie und die 
Sprache einigermaßen an den großen Meifter Lobovico erin- 
nerten. Uber, o Himmel, in weldhe Welt finden wir uns ver- 
fegt! Alles was Italien im 16. Jahrhundert an geiftlofen Pro: 
bucten der Urt dugendweife hervorgebracht, wird von biefer 
Pocfie weit überboten. Wir Tennen von den in jener Zeit 
wie bie Pilze aufgefchoffenen Ritterromanen freilich nur einige 
wenige, und ed mag wol in Stalien felbft fchwer fein, das 
Meifte dieſer längft vergeflenen Dinge aufzufinden; aber wir 
kennen die „Spagna“, wir kennen den unglüdlichen Fortſetzer 
des Bojardo, Niccold degli Agoſtini, wir kennen die Le- 
andra“ und Mehres der Urt, aber das Alles iſt Gold, reines 
edles Gold gegen dies unerträgliche Blei; welches uns hier als 
das Werk des größten romantifchen Dichters Italiens geboten 
wird. Es läßt fi gar nicht fagen, wie roh, wie platt, wie 
eiſtlos, wie plump und abgefchmadt hier jedes Wort‘, jede 

endung ift, wie jammervoll Lürftig und geiftlos die Ein⸗ 
nänge der Geſaͤnge, wie ungeſchickt die alle Augenblidde eintre- 
tenden Unterbrechungen der Gefchichte, wie hoͤlzern bie ganze 
Erzählung ift. Die mehrmals abgebrochene Beichreibung einer 
Schlacht zwifhen Sarazenen und Ehriften zieht ſich durch das 
Ganze, ohne daß man zu errathen im Stande wäre, wer denn 
nun die Dauptanführer, woher der ganze Streit. Ein Aufzug 
ber Frau Venus wird und vorgeführt von einer Alles über: 
bietenden Plattheit, wie denn unter Underm, da die Verirrun⸗ 
en der finnlichen Liebe bier fyftematifch vom leichtern bis zum 
Ohwerften Vergeben aufgeführt werden, als das Allerfchlimmfte, 
nach Erwähnung der Päbderaftie und Beftialität, die Verbin. 
dung von Chriften mit Befchnittenen aufgezählt wird. Und 
nun endfih die Spradhe! Da finden wir: ciambra und me- 
sona für stanza; scio, scia, sciai für so, sai, sa; Accarecciar 
für accaregzare; gargione für garzone. Die Verbalformen 
andon für vanno; odea, odiate für udea, udiate; avioro für 
aviarono; serai und serrai für sarai; arai für avrai. Stets 
cum, nuoi, vuoi für con, noi, voi; ricce, vacce für ricche, 
vacche; qual durchaus für il quale. Die durchaus verwerf 
lichen Berflümmelungen: col., don., ferr., carr., torr., fal, 
parol. für collo, donna, ferro, carro, torre, fallo, parola und 
unzählige andere, wovon ſich auch nicht eine Spur in der durch⸗ 


aus reinen und gebildeten Sprache des Ariofto findet. Und doch 


find Das nur die allerauffalendften Mängel, denn die Gemein⸗ 
heit und Plattheit des Ausdruds, auch wo Feine Sprachrohei⸗ 
ten fich finden, läßt fih nicht wohl im Ginzelnen nachweiſen. 
Bur Erbauung Derer die ben Arioſto Pennen, nur bie eine 
Stang (V, 10): 


1988 


Fra gente tants o 
La eausa di tal cosa = un negen chinde, 
Qual le rispose «he volsan krugierie, 


Soffrir mon puote e la visera abbasse, 
La iassa arrosia e contra al cape panag. 

Bean wir nun unfere Meinung über dieſes geiftiofe Product 
aueſprechen foliten, fo wären wir geneigt ed einem ber unzaͤh⸗ 
Yen obſcuren Romanſchreiber der bamaligen Beit (Anfang des 
18. Sahrhunderts) zuzuſchreiben, welcher vermuthlich in Per 
xrara gelebt, da die Sprache mit der des echten Bojardo aller: 
Sings einige Ähnlichkeit zeigt, aber freilich ebenfo wie das 
Glas mit dem Diamant, und Defien verunglüdte Werk viel- 
sicht felbft damals ſchon zu ſchlecht erfchien, um einen Ber: 
beger zu finden; wenn es nicht gar, was durchaus nicht un: 
moͤglich wäre, nur ein Bruchſtuͤck aus der Handfchrift eines 
jener unzähligen auch gedruckten, jetzt kaum mehr aufzufinden: 
den Romane if, wovon man die unendliche Lifte bei den ita- 
lienifchen Literarhiftorifern findet. 

AS Zugabe zu diefem troftlofen Opus wird und hier ber 
Abdruck einer ebenfalls angeblich dem Ariofto gehörenden Can» 
zone geboten, welche von Rezzi zuerft (Mom 1838) bei Gele: 
genheit einer Hochzeit, wie ed in Italien gebräuchlich ift, her⸗ 
ausgegeben worben und deren Handſchrift jich in der Barbe- 
riniana befinden fol. &8 ift. begreiflicherweife ſehr ſchwer, wo 
wicht unmoͤglich, uͤber die Echtheit eines folchen ganz vereinzelt 
daſtehenden Gedichts zu urtheilen. Für die Authenticität ſpricht 
allerdings der Umftand, daß Ariofto eine Geliebte Namens Gi: 
nevra gehabt, deren Abreiſe nach Frankreich wie es fcheint er 
nun bier unter dem Bilde eines in ein ungünftiges Klima 
verſegten Ginebro (beſſer freilih Ginepro) in zehn Stanzen 
befingt; wie auch die Sprache allenfalls die feinige fein koͤnnte. 
Gegen diefe Bermuthung aber fcheint, nach unferm Gefühl, die 
Mattigbeit des Ganzen, die ewige Wiederholung des nämlichen 
Bildes, welches geradezu todt gehegt wird, und auch der Um: 
fand zu fprechen, daß die tanzen jede eine andere Form ha⸗ 
ben, worin die Rimalmezzo ungebührlidh oft vorkommt. Wir 
gefteben, daß wir, ohne gerade die Möglichkeit zu Teugnen, daß 
auch Ariofto einmal ein fo fehwaches Product gedichtet babe, 
wenigftens überzeugt find, daß er es unter die Rime rifiutate 

eworfen und mit dem Eifer der dies Gedicht zum Drud be: 
Feder: ſchwerlich fehr zufrieden gewefen fein möchte. 

Nach Dem was wir über beide Stüde gefagt, müflen wir 
«6 uns nun freilich gefallen Laflen, von den Herausgebern in 
Die Sahl der ignoranti, maligni, da bassa invidia mosei, und 
wie fie weiter beißen, geworfen zu werden, deren mente storta 
e coontrafatta nicht im Stande ift die Trefflichkeit der bier ge- 
botenen Gaben zu erfennen. 63. 





Riterarifhe Notizen aus England. 


Die Stuarts auf der Bühne. 

Ein englifcher Geiſtlicher, James White, hat mit der Her: 
ausgabe zweier Zrauerfpiele: „The Earl of Gowrie” und „The 
king of the commons’’ (London), feinem dem Iegtern beige: 

ebenen Borworte zufolge eine Reihe Zrauer:, Schau» und 
Buftfpiete aus der Gefchichte der Föniglihen Stuarts von Schott: 
land eröffnet, will alfo für diefe von Robert II. bis mit Ja⸗ 
kob VI. Das fein, was Shakſpeare für die Häufer von York 
und Lancafter und Raupach für die Hobenftaufen gewefen find. 
Das Unternehmen muß von vornherein Iedem, der, die frag: 
liche Gefchichte einigermaßen kennt, ein gewagtes erſcheinen; 
es iſt unſtreitig keck und kuͤhn, einen Stoff für die Bühne be: 
handeln zu wollen, der fo hoffnungslos und unfügfam, fo leer 
an dramatifchem Interefie und dramatiſchen Erfoderniffen ift wie 


ab: 





die e ber Stuarts. Deshalb hängt Biel von der Zr 


geleiftet, wie die zwei Prebeftüude fra 


Ink: 
gebotenen Unrfirtee 
Lob für den Dikte 

r 


Maßſtabe eingeführt wurden und ber Ka 
tum und Reformation ſich vorbereitete — Das im 
Elemente, aus welchen Tüchtiges hervorgerufen werben fm, 


während der Charakter Jakob's VI. bei aller Ungeleuligki 
immer noch fo viele Unomalien darbietet, daß er entwerer fir 


fi allein oder mittels Eontraftes als wirkſamer Hebel in me 


dramatifchen Gombination zu ben if. Daß der Takte 
Died wie Jenes gethan, begründet fein Lob. Beide Iragiıin 


haben ein gewifles Gepraͤge geiftiger Kraft und originalcrde 


handlung. Sie find Leine Nachahmungen des ältern Prem, 
wo moderne Gefühle, Anfichten und Motive umter der Maik 
veralteter Phrafen und im Schaugepränge vergangener Zeite 
auftraten. Rod ähneln fie trog ihrer hiſtoriſchen Geftalt de 
franzöfifcgen Tableaur, die jich fo ſchnell und wohlfeil berüßet 
gemacht haben. Sie fireben nad einem höhern, einem legit 
men Biele, wollen nicht fragmentarifchde Skizzen und eines 
bingeworfene Büge, ſondern voliftändig ausgeführte Geuit 
liefeen, Gemälde der Zeit in welcher die Handlung fi bewegt, 
und der Menfchen die ihre Träger find. Das hat der Didi 


zwiſchen Park 





nad Möglichkeit gethan, und wenn defienungeachtet feine DE 


tungen mangelhaft geblieben, fo it Das eben nur bie Ede 
feiner Wohl, nicht feines Talents. 


Bunſens Werk über Ägypten. 


In einer langen und gediegenen Anzeige des te 
hen Werkes von Bunfen: „Agyptens Stelle in der Bit 
geſchichte“, Bd. 1— 3, Hamburg 1845, im Aprilhefte te 
„Kainburgh review”, äußert ſich der Verf. folgendermiie 
„Bert Bunfen ift der Erfte, der es kuͤhn unternommen }& 
die gefammten 30 Dynaftien zu bewältigen g und bat d = 
einem Erfolge gethan, der, wenn nicht erſchoͤpfend, doch ze 
die Erwartungen felbft feiner wärmften Freunde weit übern 
Iſt er nicht im Stande gewefen, der furchtbaren Hybra ie 
einzelne Haupt abzufchneiden, hat er fie mindeftens kampfe 
fähig, hat ed ihr unmögli gemacht, ferner den Anban te 
Wildniß zu bindern wo fie bisher gehaufl. Gr betrai IS 
Kampffeld ausgerüftet mit allen Hulfsmitteln einer in ı%& 
Richtungen gehenden Gelchrfamkeit, einem unermüdeten Fik 
und dem Vollbeſitze jener anfchaulihen Combination, mer.r 
die deutfche Schule der Hiftorifchen Kritik ſich vor allen = 
bern auszeichnet — der Sinn dafür in ihm gefchärft und # 
reift durch frühen und häufigen Umgang mit dem ygrikt: 
Meifter derfelben, feinem bochftehenden Freunde und (Sirae 
Niebuhr. Müffen wir hinzufegen, daß wir uns genöthigt ſche 
werden, in Betreff einiger Hauptpunkte feines Syſtems de 
Wort wider ihn zu ergreifen, fo wird uns Das ſchon dei? 
nicht für Parteilichkeit gedeutet werden fönnen, weil wu“ 
vornherein zugeben, da fein Syftem als Syſtem tabelle 4 
er der Erfie und Alleinige einen feften Kern beglaubter & 
fchichte in der ganzen Reihe Manethonifcher Dynaftien nah 
wiefen bat — einen Kern, der feit der Kindheit ber ee 
lichen Gefelfchaft mehre Zaufend Jahre umfaßt vor dem -! 
fprung unferer heutigen Eivilifation.” 16. 


Verantwortlicher Heraudgeber : Heinrich Wrodpaus. — Drud und Verlag von F. ME. Brockhaus in Leipzig. 








- 


- . 
0 I. u. > " 
1 l 6 T@ 4 t i @ 





Külb und Berghaus, 
( Beichluß aus Nr. M6.). .. 
’ Berghaus' Name hat in Allem was zur Erd⸗ und 
: Bölterfunde gehört einen längft bemährten fehr guten 
Hang. Aus: feiner fleifigen Feder ift ſchon viel Ge- 
ditgenes 'gefloffen, durch feine gefchiefte Hand find ſchon 
. viele getreue Abbildungen der Erde ins Reben gerufen, 
weiche das Bepräge der neueften wiffenfchaftlichen Gründ- 
lichkeit fo offen auf der Stirn tragen, daß feine Meifter- 


ſchaft ald Geograph für jegt und alle folgenden Zeiten 
feſt begründet ift. nn 
Alerander v. Humboldt und Karl Ritter, dieſe gro⸗ 


. fen Schöpfer unſerer heutigen, von der ganzen gebildeten: 
Welt angeftaunten Erdkunde, haben viele Herzen mächtig, 
bezäubert, viele Talente ins Leben gerufen und zu fich em⸗ 
Rorgezogen. -. Und in der glänzenden Reihe biefer Talente 
ſteht Berghaus als einer der Erſten. Sein Geſchick und 
feine Zhätigfeit im Mitbegründen, im Fort: und Ausbau 
des durch jene: beiden Heroen begonnenen großen Werkes 
it ebenfo gewichtvoll mie unermüdlich, und babei ift ihm 
Die feitene Babe wahrhaft populair zu fchreiben im. 
vollſten Maße au Theil geworden, welde. er. nie und. 
ganz befonders in dem: vorliegenden Werke nicht unbe⸗ 
nugt gelaſſen hat. Wo Berghaus auftritt iſt er popu⸗ 
lair und das immer für alle gebildeten Denker. Hierzu 
rechnen wir von bem großen Kreiſe des Geſammt⸗ 
volkes weder das enge Centrum der Studirten noch 

den weiten Umfang der Gewerbtreibenden allein, ſondern 


das ganze Areal, welches beide miteinander verbindet, 


iu einem innigen Ganzen macht. Diefe für. die Fort⸗ 


bildung bes Gefamminoltes paflende Popularität bes 
Das vorliegende Werk‘ 
Man darf .nur ei⸗ 
en Bil hineinthun, fo bezaubern die brillanten Far⸗ 
ven und Die natur⸗ und kunſtgetreue Zeichnung der Rex. 
wäfententen. der Völker unferer Erde jedes Auge; ſo 


herrſcht Berghaus. meifterhaft. 
yibt eine glänzende Probe bavon. 


ichen die Eharakter- und Sittengemälde. in den ſchön 
ewählten und wit Eleganz verbraudten Wortfarben 
sächtig an; ſo zeigt bad Buch durchweg nur Echön- 


eit und Nuͤtz lichkeit, athmet es überall frifh und kraͤf⸗ 
mit. vorwuütheilsfreier. Bruſt in. jede Sphäre bes 


8 
lkerlebens; ſieht es mit immer warmer Menſchenliebe 


nd kerngeſundem Urtheile klar und ſcharf in’ das un⸗ 
dlich mannichfaltige Treiben, Sein und. Glauben der 


Blaͤtt 


ur « 
’ . 
R . 
. a 24 
uͤr 
.. . nr ‘ 
. .4 der . 129 uno 


>. . . RF 
« - ⸗ ⸗ 
... .v | ⁊ — 
Ge Pa ur . on 
.. Pa a u .. "Y 
‘a ’ 0 ®. 
> n v . & „ 
on : " B « ‘ . j . [7 4% 
j . ee. . . . . 
’ 
" N 
R . “.. . . f 


‘ . 


⸗ 
1 “or. or . “ 
" . .. r 







Menſchen auf Erden; fo entwickelt es eine Fülle. von 
Gigenfchaften, wofür fih Mann und Frau, "Jung und 
Alt in den Paläften wie in den Hütten glei ſtark 
intereffiren. " nr a 0 

Das vorliegende Buch beginnt mit einer ganz allge: 
mein gehaltenen einleitenden Betrachtung über den Men- 


ſchen überhaupt. Die Anſicht, daß die Natur nur Eine 


Menfchengattung erfchaffen habe, ift ihm weder ganz un⸗ 
umftögtich noch ganz unbedingt bewiefen; man fei zu 


| diefer Annahme gekommen durdy den einfachen Grundſatz, 


daß nie mehr Urfachen angenommen werden als zur Er⸗ 


klärung eines Phänomen erfoderlich find. - Er fagt felbft: 


... Wenn nun der Einfluß des Klima und der Lebensweiſe 
binreicht, um das Entſtehen der. verfchiedenen Menfchenvarietä= 
ten genügend: zu, erflären, fo feheint ed nicht nur uͤberflüſſig, 
fondern auch unnöthig, mehre Schöpfungen und verfchiedene 
Gattungen angunehmen. - Anvei volllommen gleiche Geftalten 
find in der Natur. nirgend zu finden, und. wie groß aud der. 


Abſtand zwifchen einem Euxppärr und Mongolen, und zwifchen, 


Diefem und dem Neger von Buinea, ift, fo verſchwimmen den⸗ 
noch alle Varietäten unmerklich ineinander und- bilden jene. ge⸗ 
beimnißvolle Kette, durch welche die Ratur alle Menfchen, vom, 
phyfisiogifchen Standpunkte betrachtet, zu Einer Familie ver: 

bunden bat. , .° .'ın J 
Man erkennt aus Dieſem zur Genüge, daß der 
Verf. ſich zu der jetzt herrſchenden Anſicht, welche vor ei⸗ 
niger Zeit von Weerth („Die Entwickelung der Menſchen⸗ 
racen“) ebenfo umfaſſend wie befriedigend ‚behandelt wor⸗ 
den iſt, bekennt. Er zerlegt das Menfchengeſchlecht in drei, 
‚ Hauptflämme: }) in ben kaukaſiſchen ober weißen, 2) im: 
den mongolifchen oder gelben, und 3) in den äthiopifchen- 
oder Schwarzen Menſchenſtamm. Danach zerfällt fein 
Werk auch in drei Haupttheile, wovon. der vorliegende 
ben Völkern bes mongalifchen Menfchenfiammes gewid⸗ 
met ift. Seine Rundſchau der Völker bes‘ Erdballs er⸗ 
‚öffnet er mit dem djinefifhen Nolte und verweilt da⸗ 
‚bei verhäftnigmäßig am längften... Auch mir wollen ges. 
rade hiervon bes. allgemeinen Intereffed wegen und zur 
nähern Kenntniß des Buches einige Mitrheilungen machen: 
Der Ehinefe bat eine fanfte und müde, eine biegfame "und. 


| - feütfelige Gemütbhsdrt.. In feinem Benehmen und in ſeinen 


Geberden zeigt fich, felbft ünter dem gemeinen Mann, niemals 
das Rohe, Wilde und Unbändige,. weiches. bei den gefitteten. 
Kationen - Europas nicht felten. zum Vorſchein kommt. Ein 
beftiges und auffahrendes Weſen ift ihm verhaßt, nicht weil 
es ihm am Lebhaftigkeit und Feüer mangelf, fondern weil er 
von’ frühefter Kindheit an Gelbitbeierefihung gewöhnt wird. 
Ein eürspäifcher Neifender traf em Mal auf einer Strafe mit 


1862 


mehren Wagen zuſammen, die fih entgegenfamen und bei der 
Schmalheit des Weges nicht gut einander ausmeichen Ponnten. 
Wie wunderte er fi, als er ſah, daß die Fuhrleüte anftatt 
gegenfeitig in Schimpfeeden auszubredhen oder gar mit den 
Peltfpen aufeinander loßzufchlagen, wie das in den gefitteten 
Ländern Eüropas zur Regel zu gehören pflegte, — fi fo 
freundlich grüßten, als wären fie die-älteften Freünde, und fo 
gleich Hülfreiche Hand anlegten, um Plag zu machen. Beſchei⸗ 
denheit ziert einen jeden Ehinefen vom höchften bid zum niedrig: 
ften, vom gelebrteften biß zum unmiffenden. _ 

In ähnlicher Weife fährt er noch lange fort das 
Sharaktergemälde des Chineſen auszumalen. Dann geht 
er über auf die Befchreibung der Sitten diefes merfwür- 
digen Volkes und weiß nun feine Xefer ganz vorzugs⸗ 
weife angenehm zu unterhalten. So ift z. B. die Be- 
chreibung eines hinefifchen Baftmahls von einem europäi- 
hen Augenzeugen, dem berühmten Naturforfcher Meyen, 
mitgetheilt fo außerordentlich ihterejfant, daß wir es uns 
nicht verfagen koͤnnen Einiges davon mitzutheilen: 

Dos Mittagsmahl begann, indem und ber Wirth zum Zu⸗ 
fangen von den feinen Auffägen nöthigte, wobei er beftändig 
auf den Wohlgeſchmack oder auf die Seltenheit diefed oder je: 
ned Segenitandes aufmerffam machte, und man aß, indem man 
die Speifen mit den.zwei Stäbchen fo zu fagen aus der Schüf 
fel (denn ein Meiner Rapf war das größte Gefäß, welches wäh: 
vend des ganzen Eſſens auf den Zifh Fam) in den Mund 
führte. Da die Ehinefen auf Ihre Tiſche Feine Bücher legen, 

haben fie dafür eine hochſt nachahmungswerthe Sitte einge: 
ührt; fie haben große Platten, welche fie auf den Tiſch legen 
und, fobald der Gang abgegefien ift, wieder mit Allem, mas 
darauf fteht, abnehmen laſſen, worauf ſogleich eine neüe Platte, 
mit neuen Sachen befegt, aufgetragen wird. Es war dieſe Vorrich⸗ 
tung außerordentlich bequem, befonders da die chineſiſchen Tiſche 
nur von drei Seiten befegt werden. Die Zafel fand unter at 
tender Muft und Geſang ftatt, die im Nebenzimmer aufge: 
führt wurde und zuweilen fo rauſchend war, daß man nicht 
ohne Verdruß zuhören Fonnte. Befonders zeichneten ſich die 
Saͤnger aus, welche mit ihrer Fiſtelſtimme ein gewaltiges Ge: 
fehrei machten, wobei dann die großen Metallgloden, der Bong: 
ng, kräftig ertönten. Sobald der erſte Gang der Speiſen 
abgetragen war, wurde zu jedem Gedecke noch eine kleinere 
Kaffe geftellt und diefe zum Trinken des heißen Samtſchus ge: 
braucht, welcher bei der chineſiſchen Zafel die Stelle unfers 
Weines vertritt, aber an. Stärte dem Arak gleicht. Cs ift 
der Samtfihu ein gegorened Getraͤnk von Reis, welches ftet6 
kochend aufgetragen wird. WBebienten gehen mit großen fülber: 
nen Kannen herum und. gießen überall dieſen Rektar ein, der 
auch befönders darch feine Hige fehr- bald zu wirken anfängt. 
Die Ehinefen beobachten bei dem Trinken befielben beinahe 
diefelbe Regel wie die Engländer beim Weintrintens fie fo- 
dern’zum Trinken auf; halten dann die Kaffe mit beiden Haͤn⸗ 
den und indem fie fi) gegenfeltig Gluck wuͤnſchen, trinken fie 
mit einem Zuge aus, worauf fie die innere ‚Seite der Taſſe 
bem Gegner zubebuen und zeigen, baß fie jeden. Tropfen aus: 
getrunfen haben. Als wir einmal eine Taſſe nicht austrinken 
wollten, hielt uns ber Ehineje die feinige beftändig vor und 
nickte fo Lange, bis auch wir die unferige ausgetrunken hatten. 
Die Gpeifen, beändin, in Beinen Obertaſſen aufgetragen, 
wurben jedesmal den Gäften vorgefent, wenigftens fand dieſes 
in den erften 20 Gaͤngen ſtatt. Die Zahl der Speifen war 
unglaublih, doch war der Geſchmack nicht jo vielfach verſchie⸗ 
den; alle Fleiſchſpeiſen waren. ganz Bein gefchnitten und kamen 
immer in ‚Zorm, von. Ragous6 auf ben Zifh, wozu die Brühen 
flets mit, Schwalbenneftern, und Zrepang, mit Haiſiſchfinnen 
und allen jenen fonderbaren indiſchen Leckerbiffen -gubereitet 
waren. Sobald der. erſte Abfchnitt des Mittagsmahls, welches 
vieleicht aus GO Gerichten nd, vorũber war, kamen bie 


‚mehr ſuppenartigen Speiſen zum Vorſchein; fie wurden in feinen 


Raͤpfen in die Mitte des KTiſches geſetzt, und Hier af denn Je— 
der mit feinem Beinen Porgellanlöffel auß der Schüffel. Ben die: 
fen Sachen wurden gewöhnlich vier, fünf bis ſechs verihietm: 
Schalen aufgetragen, und dazwiſchen wurden noch in Hein 
Taſſen den Gaͤſten verfiedene andere Sachen aufzeiek, 
worunter mannichfaltig zubereitete Pafteten, Confectſachen af 
tige a und ei FH —5 der 8 votka 
men. In der Hüuͤhnerbruͤhe iſt das Fleiſch ganz fein gr 
und die. Brühe felbit_ außerordentlich Kälte Pay 
verfchiedenen großen Wbtheilungen des Mittagsmahld murk 
Thee gereicht und Taback geraucht, wobei man ſich eimas aut: 
eupen konnte, 3 aiedann Kuh neüem mit en Kran ur 
ortfegung zu fohreiten. Nachdem eini ilungen we: 
dertſeders wurden vor dem —— ae 10 Fünf 
Meine Zifche geftellt, welche mit gebratenen , Schweinen ın 
mit Geflügel aller Art ganz bededt wurden. Hierauf traten 
ehn Köche in den Saal, welche ganz gleichmäßig und Ich: 
bb. gekleidet waren, und ‚begannen die Braten zu zerlezer 
Es ftchten fih vor jeden Tiſch zwei Mann, und mit (ange 
Meffeen fingen fie an die hartgebratene Haut aller dieler Br: 
ten zu zerklopfen, was durchaus taktmaͤßig geſchah unt nid 
wenig uͤberraſchte. Andere Diener, welche vor den Ziige 
ftanden, legten die kleinen Stückchen, in welche alle dieſe Br: 
ten zerlegt wurden, auf Pleine Zeller und. fegten dieſe aldtum 
in bie Mitte unferer Tiſche. Zu Ende ded ganzen Bahr 
famen noch die Köche in den Saal und mußten fi für tk 
Ehre bedanken, weldye ihnen dadurch zu Theil geworden, du 
fie für die hohe Gefelfchaft Hätten kochen dürfen. 

. Die Holzfchnitte. find zum Theil wahre Meifterfiüdt 
und mit einer Sauberkeit ‚und einem feinen Gefhmadt 
colorirt, daß das Auge darauf mit dem.größten Bell 
gefallen ruht. Als ganz vorzugsmeife ausgezeichnet nen 
nen: wir den Bewohner bes Libanon, bie apart 
im Galalleide, ben chineſiſchen Mandarin vom Bivl 
ſtande, das junge chineſiſche Mäbchen. Die hl: 
dungen richten fi) nicht nach dem Terte, welchen ſe 
beigegeben, dagegen beobachtet der Text doch immer bit 
Regel, daß er fih nie auf Abbildungen bezieht, mei 
in den bereit6 ausgegebenen Lieferungen nicht ſchon ver 
gelommen wären. Auch wird in dem Proſpecte darf 
aufmerffam gemacht, daß ein alphabetifches Regiſter it 
Ramen aller Völker, nebft Angeben ber Pagina, ıf 
welcher im Buche. felbft die Beſchreibung zu finden % 
am Schluffe des Werkes nachgeliefert werden fol, me 
duch das Ganze auch als ethnographifches Bambmörtt: 
buch mit Nugen anzumenden iſt. 

Man überzeugt ſich von der Wahrheit, daß Verfeſn 
und Verleger Alles aufgeboten haben, um ein nuglide 
und intereffantes Werk in fchöner, vollendeter Form zur 
zuführen. Möge nun die Fortſetzung dieſem hemlice 
Anfange ganz ebenbürtig zur Seite geftellt werben !> 
nen! Diefer Wunſch ift nicht ohne Grund, denn id 
befannt genug, daß Berghaus in einigen feiner popalaia 
Thätigkeiten nicht gerade eine fehr rühmenswerthe I 
dauer beiiefen bat, daß er viel mehr gelungen: um 
volltommen ‚befriedigende Anfänge als Fortfegung um 
legte Vollendung geliefert hat. Indeß ift «6 dod N 
auch wahr, daß der Verf. gerade in bem chen ©: 
wähnten Punkte fehr bittere Erfahrung: gemacht hat, I 
ihn zum Beſſermachen, zum Wiebergitm * 
ſpornen möge. Das alte . Klagelieb.: wird 


wiederlehren. Mag: ifb Die ſchoͤnſze Hoffnung . auch in 
der Hinfiche zu faffen, daß fich der Verf. hier cin Thema 
gewählt hat, woran er mit ungetheilter ſtarker Liebe fein 
ganzes Leben hindurch gehangen, welches einzeln behan- 
beit in allen feinen Schriften bie fchönften Glanzpunkte 
feiner geographifchen Thätigkeit ausgemacht hat. Auch 
deutet der Verleger zur Beruhigung der vielleicht be⸗ 
forgten Subferibenten noch darauf hin, daß diefe Volker 
des Erdballs in vierzehntägigen Lieferungen ohne Un- 
terbrehung erfoheinen würden, da bereit6 alle dazu 
erfoderlihen Holzſchnitte gravirt feien. *) 
. $. Birubaum. 





Romanlitreratur: 


‚ Der Yrairie:Bogel. Scenen aus den Wildniffen des weft: 
lichen Nordamerika. Bon Karl Auguf Murray. Nach 
dem Englifhen von Wilhelm Korte. Zwei Xheile. 
Zerbſt, Kummer. 1846. Gr. 8. 3 Thlr. 


Diefer Roman ift ganz in der Cooper'ſchen Manier ge: 
fhrieben, wenigftend wird man durd die Bleichheit des Schau- 
plages, der Indianerfceneh und der Abenteuer an dieſe erinnert. 
Dem mit den Gooper'fhen Romanen noch unbelannten Lefer 
muß das vorliegende Werk viel Genuß und Belehrung gewäh- 
en durch die Eigenthümlichkeit des amerifanifchen Lebens, wel- 
bed lebendig geichilbert wirds Neues wird indeß nicht ge⸗ 
wacht und das Alte nicht in neuer Geftalt. Für den Roman 
eibft fpricht nur wenig Erfindungsgabe. Des jungen Ethelftone 
Briebniffe in Deutſchland und England erhöhen nicht das In» 
erefte des Romans, fondern flören deffien Einheit; man meint 
lles Mögliche fei zufammengetragen, um zwei Theile zu ſchrei⸗ 
en, und der Lefer ift undankbar gegen die einzelnen fo leben- 
igen, oft bumoriftifchen Schilderungen, die ihn vom Hauptweg 
bführen. Eduard Ethelftone und Reginald Brandon find die 
elden des Buchesı Beide find die Söhne von Anfiedlern. 
he Altern des Erftern erliegen dem Unglüd; ihre Befigungen 
erden von Indianern vermwuüftet, ihre Beine Zochter wird ent⸗ 
hrt. Sie fterben und Eduard Ethelftone wird mit Brandon, von 
a Bater bes Leptern aufgenommen, erzogen‘, fpäter nad 
ngland zu einer Caricatur von einem englifhen Edelmann 
ferde⸗ und Jagdliebhaber) geſchickt. Er macht einen Feldzug in 
eutfchland mit, kehrt dann nad Amerika zurüd, wo er feine 
Hwefter wiederfindet, unter dem Ramen bed Prairie-Wogels 
: den Snoianern, wo fie als Priefterin verehrt wird, Kranke 
It, Wunden verbindet, lehrt und wohltgut und von mehren 
uptlingen gefiebt wird, welche vergebens fih um ihre Rei 
ag bewerben. Bon einem Berhaßten wird fie entführt, bie 
dern verfolgen fie und ſuchen fie zu befreien. Daß es bei 
fer Gelegenheit nicht an fpannenden und bewegenden Scenen 
t, wobei fowol die Sitten und Gebräuche der Wilden als 
y die Raturerfheinungen und Eigenthümlichkeiten jenes Lan⸗ 

vorkommen, verſteht fih von ſelbſt. Der Prairie-Bogel 
t Reginald Brandon -und heitathet ihn, nachdem fie von 
. tyrannifden Liebhaber befreit worden. Brandon’& Brief 
Schluß des zweiten Theils verfihert, daß fie ſowol als 
. Die andern Helden und Heldinnen des Romans glücklich 
Eins ber anziehendften Eapitel ift unftreitig da6 von ber 
:ath Des Dberft Brandon und von den Folgen derfelben. Ob⸗ 
h diefe Epifode auch nicht zur Entwidelung der Geſchichte 
rt, fo if fie doc rührend und feffelnd dargeſtellt. Die 





, Das Werghaud'fhe Werk ift feit der Abfaffung des vorfichen: 
Kuffage® bis jur 38. Lieferung, das Kuͤlb'ſche bis zur 13. Liefe⸗ 
vorgeſch ritten. D. Red. 


Schwachen des vorliegenden Verkes hat der Verf. ſchon ſalbſt 
in feiner Vorrede angedeutet, indem ex dem Leſer die Möglich: 
Beit des Langweile zugefteht. „Sollten“, fagt er, „Sie bios 
Unterhaltung verlangen, fo werden Sie fih wahrſcheinlich ger 
täufcht fehen; benn ed war. zugleich mein Zweck, Ihnen Bela 
genheit zu geben, fi) genau über Sitten, Lage und Charakter 
ber norbameritanifchen Indianer zu unterrichten, fowie au 
über Diejenigen, welche an das Gebiet jener Völker grenzen. 
Ih habe auch verſchiedene Vorfälle in die Erzählang verfloch⸗ 
ten, die auf wirklichen @reigniffen beruhen; einige Davon, fo: 
wie auch manche ber Charaktere find nach perfönlichen Beob⸗ 
achtungen flizzirt.”’ Der Berf. hat bei den Pawnee ˖ Indianern 
gewohnt. Sein Buch if eine Urt von Potpourri und beſteht 
aus Bemerkungen, Anekdoten und Beobachtungen, die in feiner 


nordamerikaniſchen Meife nicht Play fanden. 


2. Der warnende Hausgeiſt. Eine ſchwediſche Predigerib 
von en Schwarz (Melas). Reipzig, Kein, 1546, 
« r. 


Ob die Ehen weldye die Kiebe fchließt oder die von der 


| Vernunft geſchtoſſenen die glücklichen find? Das tft die im 


vorliegenden Werkchen aufgemworfene und durchgearbeitete Streit⸗ 
frage. Der warnende Hausgeiſt ift ein Geiſt ber Liebe, der 


' überall eingreift wo die Balte Bernunft ihr Reich auffchlagen 


will, wo bei irgend einem Streit die Liebe fi) zurückzuziehen 
droht. Er wird gebannt durch die Heirath der Urenkel:Nichte, 
welche ihrem Herzen folgt und einen jungen Geiftlidhen heira- 
thet, den fie liebt, nachdem jie andern Bewerbern und felbft 
dem vernünftigen Zureden des Vaters wiberftanden bat. Die 
Erzählung ift einfah, Lie Ereigniffe find unbedeutend, die 
Charaktere wenig heraustretend und bas werdienß des Buͤch⸗ 
leins beruht groͤßtentheils in den Geſpraͤchen der hochwuͤrdigen 
Herren Geiſtlichen und ‚anderer Perſonen, wobei die heilig⸗ 
ſten Angelegenheiten der Menſchheit und das Für und Wider 
ber aufgeſtellten Sage mit Umſicht, Verſtandesſchaͤrfe und 
in heiliger chriftliher Anſchauungsweiſe verhandelt werden. 
Für gewoͤhnliche Leſer, welche nur Unterhaltung des Augen- 
bis fuchen, ift das Büchlein freilich nicht, wer aber gern 
in der Werkftätte der Gedanken arbeitet, wer nach Klarheit 
ftrebt, nach Wahrheit forfcht, der wirb manches Wort für ein 
unbewußtes Gefühl finden, auf manchen Anhaltepunkt für das 
Weiter — denken ftoßen. 


3. Mittheilungen aus den Papieren eines wiener Arztes. Ser: 
ausgegeben von Guſtav von Frand. Leipzig, D. Wi- 
gand. 1846. Er. 8. 1 Ahlr. 15 Nor. 


. Die erften drei Mittheilungen, geben nur wenig Bedeuten⸗ 
ded; umablige Novellen erzählen Sönliches auf intereflantere 
Weiſe. Das Verdienft der Wahrheit, wenn es wirklich eriftirt, 
verfhwindet, indem dem Leſer Dad was wahr fein Pönnte 
ebenfo viel werth if. Man vermißt Charufterentwidelungen, 
die Begebenheiten find fo Leicht hin ſtizzirt, dag fie nicht zu 
intereffiren vermögen. Sie find wie ein gemalter Vorhang, 
hinter welchem die Handlung vor fi) gehen foll, man vermu: 
thet das Leben dahinter; doch wird der Vorhang nicht aufge: 
zogen, der Kefer muß ſich mit den Skizzen begnügen. Der 
englifhe Berf. der „Denkwürdigkeiten eines Arztes’, welche 
vor mehren Jahren in der Überfegung erfihienen, verftand es 
viel befier, obgleich er Bein Arzt war, feinen Mittheilungen 
den ärztlichen Charakter zu geben und durch die Schilderungen 
der Krankenmyſterien zu fefjeln und zu bewegen. Anziehender 
find die Neifeblätter, welche frifh und treu empfangene Ein: 
druͤcke wiedergeben. Die Mitteilungen über Hydres und def: 
fen Elimatifege Einflüffe auf die Geſundheit find für Beuft- 
und Nervenkranke welde nad warmen Bonen geſchickt werben, 
und für die Arzte des Rordens welche ſolche Schickſals ſprüche 
über ihre Kranken thun, von Bedeutung „Gin Beſuch beim 
Bladifa von Montenegro‘, „Ein Ausflug nad Algier’ gibt wenn 
nicht gerade Neues, doch einzelne unterpaltenbe Momente, die 


1384 


man gern noch ein mal an ſich vorübstführen läßt. „Die Ca 


fonfcenen” find zwar unbedeutend an und für ſich felbft, doch 


wit Humor und Wig gewürzt. ‚Die Dampfrede über ben 
Dampf, gehalten in einem wiener Salon”, hat mandye brillante 
Stelle, obwol auch manchen gemachten und an den Haaren her⸗ 
beigegogenen BE 


4. Dos roſenrothe Bud, Märchen. und Grzählungen ‚von 
Friedrich Oskar. Grlangen, Heyder. 1846. 8. 10 Nor. 

Umſchlag und Inhalt dieſes Büchleins find aufrofenvothee 
Papier gedrudt, die kurze grüne Vorrede aber auf grünem 
Papier. Diefeb zur Rachricht, Damit nicht etwa ber Lefer Die 
harakteriftiſche Farbung in dem Inhalt fuche. Ob dieſes Büch⸗ 
lein wol für Kinder iſt? Der Titel gibt Solches nicht genau 
an; aber fhreibt man im 19. Jahrhundert noch für Kinder 
Sefpenftergefhichten, die fi nicht aufklären? Schreibt man 
für Kinder wol Befchichten, wo die Kinderwärterin ihren Lieb⸗ 

er erwartet, wenn die- Altern nicht zu Daufe find? Rein, 
ar Kinder koͤnnen diefe Märchen und Gefchichten nicht ge: 
ſchrieben fein. Alfo für Erwachſene? Solche müßten fih al» 
— ſehr kindlich erhalten haben, wenn fie an dieſen Roſa⸗ 
lättern mit den ganz gewöhnlichen Erzählungen ohne Inter: 
effe, den ſchlechten Gedichten, den der Poefie und Anmuth er- 
mangelnden Märchen nur einen Augenblick Gefallen und Zeit 
vertreib finden könnten. 46. 





Literariſche Notizen aus Frankreich. 


Franzoöͤſiſche Suſtände. 

Ein ſehr trauriges Bild von den religiöfen Zuſtaͤnden in 
Branfreid erhalten wir in folgender Schrift: „De l’etat et 
es besoins religieux et moraux des populations en France.” 
Diefes Document muß in feiner Bedeutung um fo ernfter und 
wegen feiner Folgerungen gewichtiger erfcheinen, als der Verf., 
3. Bonnetat, felbft dem geiftlihen Stande angehört, und er 
in feiner Eigenfchaft als Abbe in Betreff der Kirchlichkeit nicht 
leicht mit Behauptungen bervortreten dürfte welche der Be: 
gründung ermangelten.. Man kann fi des Staunens nicht 
erwehren, wenn man die Schilderungen welche uns bier vor 
Augen geftellt werden mit der häufig wiederholten Behaup: 
tung, der kirchliche Sinn fei in Kranfreich auf eine erfreuliche 
Beife im Steigen, zufammenbringt. Bonnetat verfiddert mit 
nadten Worten, daß der zehnte Theil unter den Männern fi 
des Slaubens an Gott vollftändig entäußert hätte, während 
von den übrigen neun Zehnteln mehr als die Hälfte die An: 
nahme von der Unfterblichleit der Seele zurüdwiefen. Das 
Verhaͤltniß geftaltet fich noch trauriger, wenn man in Anfchlag 
bringt, daß — wie hier behauptet wird — der beimweitem größte 
heil der Übrigen der barften Sndiffereng und Gleichgültigkeit 
im Religionsſachen verfallen ift. Daher kommt es denn, daß 
das göttliche Wort den Zugang zu den heilbedürftigen Herzen 
verloren bat und die religiöfen DVerrichtungen entweder ganz 
ohne Zheilnahme bleiben, oder ohne einen nachhaltigen Ein: 
drud in den Gemüthern zurüdzulafien vorübergeben. Der Verf. 
bat fich aber mit der Bezeichnung der allgemeinen Krankheit 
nicht begmügt, fondern gleih das Gegengift und die Mittel 
angegeben, durch welche dem Übel entgegengewirft werden 
fann. Er behauptet, man habe den Priefterftand, um ihn fei- 
nes Einfluffes zu berauben, aus dem Zufammenhange mit dem 
Volke geriffen und ihn vorzüglich der Einwirkung auf daffelbe 
mittels des Poftbaren Werkzeugs, welches der öffentliche Unter- 
richt bietet, beraubt. Aber find Dies nicht die nämlichen fo: 
phiſtiſchen Befhuldigungen, welche jüngft noch mit fo geoßer 
Dreiftigkeit gegen die Einrichtungen und Beftimmungen des 
Staats erhoben find? Von Seiten Derer, welche die Regie: 
rung in Händen haben, follen die Priefter ja nicht von dem 


Unterrichte verdrängt und .zurüdgehalten werden: denn die Ye 
Bingungen und Boderungen, welche man ihnen auferlegt, fat 
Kid als die gemeinſchaftliche Garantie der Züdgtigkeit un 
Befähigung , weldde der Staat nicht allein berechtet, fonkım 
jeoar verpflichtet ıft von Zedem zu fodern, ber fi dem nid: 
tigen Gefchäfte der Volkserziehung wibmen will. Was für an 
Zdeal aber dem Verf. und ſeiner Partei vorfchwebt, reist 
man recht deutlich daraus, daß er meint, das Bolf müf ce 
mal in einer fteten Bevormundung erhalten. und .auf die &r 
Benntniß der eigenen Unfähigfeit, ſich ‚ein felbftändiges Urtki 
iu bilden, Hingewiefen werden. Nur ‘auf dieſt Weiſe Fönnte 
8 vor ‚den Gefahren- der Wufflärung und Überbildung gr 
fügt und gefichert hleiben...Man kennt die ſchoͤnen Redass 
arten Schon und weiß, was eigentlich ‚„„ded Pudels Kern“ iß 
Mit großem Rachdruck fodert Bonnetat auch ferner di Er 
neuung des bekannten &Gefeges vom 18. Ros. 1814, wilgd 
war — fo viel wir wiffen — nicht durch eine formliche Bu: 
aung abgefhafft, abes doch allmaͤlig außer Gebrauch, geken 
men iſt. In dieſer geſetzlichen Beſtimmung wird a eine 
Prengere und umfaffendere Feier des Sonntags gedrunzn. 

er Verf. Hofft, daß, wenn der bürgerlichen Gewerbthätigknt 
und den: geraͤuſchvollen Zerftreuungen, welche an den Som: 
tagen mehr und 'mehr wieder überband genommen haben, at 
Einhalt gethan fein wird, das müßige, ber Langweile priu 

gebene Volk ſich allmälig wieder dem BotteBdienfte und in 
irchlichen Verrichtungen mit wachſendem Intereffe zumenda 
würde... Wie er meint, würde fi) aus der Langweile die &: 
wohnbeit, und aus der Gewohnheit dad Bebürfnig entwiden 
Ein größerer Einfluß der Priefter auf Das @rzichungsmcke 
und Line firengere Beier des Sonntags. find alſo die Hunt 
foberungen, welche bier geflellt werden, umd mit deren Erf 
kung der Verf. eine Belebung des. Yeligiöfen Gefühls bemika 
zu tönnen glaubt, Daß aber an dem Verfall der Religiontät d 
an der Entfittlihung der Nation auch der Prieſterſtand kibt 
einen Xheil der Schuld trägt- — daven fdheint ihm kein I 
nung in feine Seele gefchlichen zu fein, und Doch will cd un 
hedünfen, als hätte der Klerus, ftatt von der Einwirkung af 
das Volk zurüdgedrängt zu werden, in Misachtung feiner U: 
gabe ſich dieſer heiligen. Pflicht felbft entzogen. 


Überfegung ruffiſcher Homilien. 


Die homiletiſche Literatur der griechiſchen Kirche iſt rit 
eben ſehr reich, wenigſtens iſt es eine ſeltene Erſcheinung, mer 
ſich ein Erzeugniß derſelben in unſere Gegenden verſche 
Wir erhalten gegenwaͤrtig eine Lebensaͤußerung der mer“ 
laͤndiſchen Kirche, weldje wir als eine fchöne, reife Frucht a 
Baumes begrüßen müffen, den wir faft verſucht geweſen mu“ 
für abgeftorbenanzufehen. Es ift Dies die Überjegung der X 
milien von Innoceng, welche ein Alexandre Stourdia — ?" 
wifien nicht, 0b es der giftige Anklaͤger gegen das Ku 
Univerjitätsmwefen ift — unter dem Titel „Homelies & lust 
de ceux qui se preöparent & la penitence et a la sam 
communion, prononodes & Kiew par le recteur R. P. ir 
cent, aujourd’hui archeväque de Chareov” einer weitern = 
breitung übergibt. Die Reden, welche und bier geboten == 
den, zeugen von einem frifchen, wahrhaft religiöß-innigen Sr 
weicher fern von der leeren, giftigen Tagespofemiß in der Ente # 
fung der ewigen Sotteswahrheiten feine vollſte Befriedigung fir!" 
Nur Hier und da fann man eb aus einzelnen Zeichen abnchatt, 
daß ein griechifcher Priefter zu und redet; im Allgemeinen ı* 
uns das rein chriſtliche Element als der eigentliche Kern kt” 
Lehre ungetrübt und ohne allen äußerlichen Beifag entari“ 
Es wäre zu wunſchen, DAB -diefe Meden — aber aus bt 7 
ſprache ſelbſt und nicht erft aus zweiter Hand nad disk Fi” 
zöfifchen Bearbeitung, fo anſprechend diefelbe aud if — 
ins Deutfche überfegt würden. l 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockzauns. — Druck und Verlag von F. E. Drockhaus in Leipzig. 


Blatter 


m 0 eu 


Dienftag, 


| Zeitgedidte. 
1, Beitgedigte von Richard Morning. Leipzig, Gebauer. 
re Rn sr vketpus- 
3. Bedftimme eines Deutſchen, zur allgemeinen Belebung des 
deutfchen Volkes. Erlangen, Palm. 1846. 16. 15 Rgr. 
3. Neujahr. Ein Drama ober ein Gedicht, wie man es will. 


Bon Kari Schäffer. Darmftadt, Dümeiler. 1846. 

Sr. 8. 8 Nor. 

J. Bir hätten gemeint, Alles was fich fagen läßt 
von einem Dichter, der mit der Gegenwart. unzufrieden 
iſt und auf bie Morgenröthe einer andern Zeit hofft, 
fei nun ausgeſprochen, und kraͤftiger, poetifcher, wigiger 
ald Dies von A. Grün, Herwegh, dem Rachtwächter, 
Prug, Hoffmann von Fallersleben, Freiligrath gefchehen, 
laffe fih die Misftimmung nicht in Verſe hauchen. 
Aber da erfcheint ein neuer Dichter, den wir bisher 
mr als befonnenen Mann und Gchriftfteller gekannt, 
nd fingt Lieder, die in ihrer Kedheit und ihrem zer- 
hneidenden Wig dem Kedften und Wigigften von dem 
isher Dagemwefenen die Spige bieten und in harmoni⸗ 
hem Wohllaut ber Verſe Mehre der genannten Dich: 
tr noch übertreffen. Seiner Kühnheit gibt er felbft 
n Geleitsbrief durch die Dithyrambe (S. 30): 

Zadle mir Keiner den Übermuth, 

Der wie des Sturmwinds reißender Fittig 

Über Des Hochwalds firebende Kronen, 

Über der Alp ftolz ragende Zinnen 

Leicht wie auf Schienen von dannen fauft; 

Der wie ein Dämon auf Menfhenhäuptern 

Und ihres Strebſinns Fühnften Entwürfen 

Zeft fchreitet einher, daß nie ein Schwindel 

Den Lelhinwandelnden Fuß ergreift, 

Der, wenn des Schickſals eiferne Kauft 

Mächtig ihn packt und hinab ihn ſchleudert, 

Selbft no im Sturze zum Wiederaufſchwung 

Die Schwingen prüft und, wie tief er falle, 

Doch nie erhiegt! 
fem Ubermuth bat er denn auf 183 Seiten gehul« 
‚ und es hält fchwer zu fagen nad welcher Seite 
m keckſten ausfhlägt und wohin der Wurf ihm am 
n geglüde if. So viel vorausgefchidt; es ift nicht 
entlicher ig, der biefen Dichter flachelt, es ift nicht 
Mismuth böfer Laune, der einmal heraus muß, 
Unmutb ift zu einem Syſtem geworden, und aus 
ollen Kraft der Befinnung, nach einem wohlgeorb- 


Batteriefalven. 


fur 


literariſche unterhaltung. 











neten Kriegséplane ſchleudert er ihn heraus in vollen 
Er greift nicht ale ein nedifcher Par⸗ 
teigänger ſchwache, lächerliche, zufällig heraustretende Sei⸗ 
ten des Feindes an, er verfificirt nicht Zeitungsartikel 
und Zeitfragen, er kennt feinen Zeind, wie er zur Kennt» 
niß feiner felbft und feiner Kraft gefommen ift, und be» 
ginnt nun einen Vernichtungekampf. So voraus und 
wohlgerüftet muß man fein, wenn man in ſolchem har⸗ 
monifchen Wohllaut, in fo volltlingenden Verſen feine 
Sache in einem ganzen Buche verfiht. Daß unter fo vie- 
len Gedichten nicht alle gleich gut, gelungen und treffend 
fein können, verſteht fih von felbft; aber die Mehrzahl 
find Treffer, womit nicht gefagt fein foll, daß er ber 
Erſte fei der auf den Gegenftand gezielt und getroffen 
bat. Ebenfo wenig geben wir um diefes Lobes willen, 
das hier vorläufig nur dem Kampfgeſchick des Streiters 
und feinen Waffen gilt, unfere unbebingte Zuftimmung 
zu feinem Denten, Thun und Treiben. Aber es bleibt 
immer ein merkwürbdiges Zeichen, wenn nad den vielen 
Dichtern, die ihm vorausgingen, weldhe den Gegenſtand 
bie auf die Hefen umgemwühlt und erfchöpft zu haben 
fheinen, und theild im Unmuth bie Sache wieder ver- 
ließen, weil fie ihre Arbeit für fruchtlos hielten, theils 
verdroffen oder gewonnen geradezu umkehrten oder ganz 
muthlos ſchwiegen, noch ein neuer Ötreiter, in derjelben 
Arena auftreten konnte, der mit folhem vollen Selbft- 
bewußtfein und folcher Sicherheit den alten Feind von neuem 
angreift, und daß diefer Streiter kein Süngling, fonbern 
ein Mann ift, der fi in andern Lebensverhältniffen 
vielfach umgefehen hat. Das find Symbole eines Wet⸗ 
terumfchlags, den alle Declamationen ber Pertheidiger 
des temporis acti fo wenig fortdemonftriren werden ale 
in dem Gedichte „Der fihlafende König“ der Rath 
des vierten Rathes: 

kuͤhnlich zu verbreiten, 

Das Murren habe gat Nichts zu bedeuten; . 

Bon Aufregung fei Feine Spur zu finden 

Als im Gehirn von ein Paar jungen Leuten, 
mehr Glauben anderswo in der Welt findet als bei De- 
nen, welchen nicht gerathen fein will, Diefes Gedicht 
ift überhaupt in allen feinen Theilen das fchärfite, aus- 
druckvollſte und aud in feiner Form vollendet zu. nen» 
nen. Wird man an der Gefinnung zweifeln: 


1866 


Doch wolle nur — fo ift es ſchon beftanden! 
Ein fühner Sprung — und fieh, du haft gefiegt‘ 
Doc wer da meint, allmälig aus den Banden 
eis zu befrei'n — der kaͤmpft n nur und — erliegt! 


fe auf und Hör’ auf unfre re Syahu 
Ki t * bie Rärgen ber Zaufend und eine Raktı 
” Längft iſt es Tag — dad Werk ſchreit nach Vollendung! 
Schmach bir, — —, wird's ohne dich vollbracht. 
Sage man nicht, daß der Deutfche nicht unermüdlich im 
Hoffen und Vertrauen ift! Aber Wen follte auch bie 
Trompete von Jericho erweden, der unter dem Sturze 
feiner Bauern noch träumen kann, daß fie feft ſtünden! 
einen erften Rang unter den politifhen Zeitgedichten be- 
anfprucht, fleht Bas andere: „Die Entwickelung ber. Kirche.⸗ 
Bilplicher, anfchaulicher, wigiger und zugleich gemüthht- 
her konnte bie große Zeitfrage Dex protsftantifchen Welt 
fhmerlich ausgebrückt werben. Wäre es zu wünſchen 
daß ber Gegenanb zum Thema der Schenken und. Gaſ⸗ 
ſen würde — nich, gegen ben wir indeß eruſt⸗ 
haft —— = —, fa töunte dieſes Pic. cine Boͤnkel⸗ 
fangerballade werden, die fi. im Werth mit jeder dar 
Urt meffen dürfte. Die protsftantifche Kirche ein. Wickel⸗ 
ind! Ihr Fchutzherr ruft zu Deuen, melche has drei⸗ 
hundertjaͤhrige Schutzkind aus deu Windeln losmachen 


malen: kmmarſt bu Kindlein dich 
ums 
zu mir hab! erzogen? ' 
geht meine Kindsmagd ap, 
— das in muß Millen? 
ui fie auch thut und hat gethan, 
that's auf. meinen Wilten! 
IT o gebot ihr @id es ihr — 
d vum anzufchwaͤrzen — 
‚Im. Übrigen liegt wiz wie bie 
—* Wohl am — 


laͤßed 8* * 
* ar — “pie 8 
Ch aus ſt eatwickehn.“ 

Er ſprachs Im Ei u 


Ste neu n Windel 





Damit, werden, Biel — ſein, qb aher ebenſo 

Viehe wit der Stelle im dem mehr witziq eleganten als 

zur übeneusuns — Gedichte en und, Ag/: 
gilt, was Rot pur ut, 


Und th uß du * ET dich, maß 
Denn Bor nur ift der &eift jedweder Beit t, 
Und jede Zeit nur Gottes wechfelnd Asia. 


Bir meinen, fohs Vice, Die. das Kind aus allen Win⸗ 
bein und Wickeln befreit wimfchen mit: dem Dichter, mö- 

gen doc, den —* ſich vicht nehmen taſſen, daß Der 
den keine Namen nennen mehr iſt als „der Geiſt jedwe⸗ 
her Zeit. In diefem Sinne ift audy das Gedicht „Der 
erfte Kreibeitähelb”, im Zone mit Heine ſchen Unklängen. 
Der erſte zeihettsheld ft Adam, ber genen Abſolutis⸗ 
mus und ötie Peoteft erhoben und bechalb aus dem 
Paradiefe gejagt wurde. Die Stimme ſchalite im nach: 


Gedichte, welches, wir wiederholen es, 


——— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 


Im Schweiß des 
Sut eu euer Brot, ſonſt kriegt ns 


Adam erklärte: Wir wollen und ſchon allein Etwas fude, 
und wanderte mit Eva aus, um fich ein eigenes Hast 
zu gründen: 

Es fehlt‘ ihm nicht an Serg' und Noth, 

Es ging ums Leben und liebe Brot. 

Indeß bei aller Roth und Sorge 

Ließ er fich wachlen Fein graues Haar, 

Und aß und trank und lebt’ und liebte 

Und ward neunhundertunddreifig Jahr'. 
Dez Ernfi, wo es ihm felbft ernft ift, ſieht dem Die 
ter beffer al6 das Frivole. 

Nicht alfe Gedichte reichen an den Schaft jener be 
ben oben befprockenen, Salz ıft in gllen, bittere in ve 
len, 3. B. die Ballade „Klag' ihn nur an!“ Bau 
aber bie, wenngleich geiftwolle, Paraphraſe der Banık 
phrafen gegen „Die Hochgeborenen"? Gleich bittere An: 
ſchauungen enthalten die Epigramme „1813— 1813" 
und „An das hoffende Jahrhundert“. Su den Vera: 

Du befteft dich mie eine Klette 
An fein Verſprechen. Aber wie? 
Wenn er nun fi — hatte — 
08 gibt dis das fie Garantiert 
liegt eine dem Dichter unberoußt entſchlipfte Sch: 
rückwaͤrts gehen Kämpfer in femen Reihen, die imm 
auf das Berfprechen zuruüͤckkehren, flatt an bie Roten 
digkeit zu appelliren. Daran veihen ſich die trefffich we 
fifieirten Berſprechungen“. Weshafb aber mußte rm 
Dichter, der den Dingen eine fo neue pfaftifde Er 
auung zu geben wußte, das laͤngſt Abgetretene m 
ochene noch ein mal der Muͤhe werth adıka, d 
im alten Schub und Kleide, nur Etwas verbrämt, der 
großen Publieum aufgutifihen? — der Lefer I 
die er durchgeführten Gedichte: „Der Genius wi 
um Ontendecofefte”; eine ernſie Wahrheit: fpriht ed 

r Zungen Rache“ aus, das anhebt: 

" Beriwundert euch, ihr duͤrſten, nicht, A fich dir Xe⸗ 
fi 


In euern wohlumhaͤgten yarks wicht. | —2 gefalın 


1 dert / son Sabgefinga 
Eu men N Mine nid ur 


Dagegen hätten, wir. dieſem Dichter, gern das „Webelit' 
erlaffen. Der Kommunismus. hat feine eigenen Port 
ſchwerlich aber Wiek für fh asuführen, was * 


— Beide werden in kurzer Zeit 
Hofraͤth' und — — 
tiber mehr wahr, und wirklich alg neu und ame 
Daſſelbe gilt vom „Liede für nen der im 
8 füge”. An. Beibe fließt ſtch die Bußpredigt me 
Vater Noah au, mit den exbaulichen Ruganmentun: 
D t2 % 
St Bei mia kan 35 rrie 
r glaubt gar nicht, , 
en ihr, Wie il zu Recke gi “ 





1367 


Ein eigenthumliches Bild hat ber Dichter für das Ver⸗ 
hältnif von Dänemark zu Deutſchland gefunden: 

Das el dumm, 

Und olftein ift mit: &ehlesreig 

Und obenauf der Ye — 

Kein Dansmard, dev Bweng!: 
Bird. 4 dem Aflein glückend ruft er und antwort: 
Rent Wahrſcheinlich nicht um: beswilien,, weil. der 
hehe: Bhmnbeötag. feine höfliche Waffung ausgebrüde hat; 
daß Seine Majeftät der König von Bancmark nicht fa 

fein werde der Agneaten ihr Erbrecht 

fein zu befchranfen, ſondern or auf dor 

Sei Deutſchland auch ein dummes, 


Geduldiges Kameel — 
Wenn's ihm erſt in das Fleiſch geht, 
daͤhrrt'k ikea auch in bie Geel 


Es laͤßt ſich drüden, zwicken 
u relang- 


nd: hänfeln jahrelang; 
Es laͤßt ſich lauſen, zaufen, 
Und ſagt noch ſchöͤnen Dank — 
Doch treibt man's immer weiter, 
Und macht man's gar zu ſchlimm: 
Dann Web’ dem armen Schaͤcher, 
Den packt's im feinem Grimm! 
Wohinaus geht des Dichters Anſicht? Hofft ex oder 
verzweifelt er über die Zukunft? Er- läßt une darüber ae 


Schluß in Zweifeh; denn wiewol er feine Meitgedichte | 


mit. der Reveille einfügt: 

Wacht auf, wacht auf, und: feab bereit! 

's iſt an ben. Zeit 
fo ſchließt er doch mit: zwei ſich fprechenben: Bes 
dichten. Bas eine „Deutſchlands Betjünguug“ heit an: 

Deutfchland, Deutſchland, freue dich! 

Deine Kraft ernenet ſich! 

Aller Orten, aller Enden 

Denkt man dein mit Harz und Händen! 
und nach einem langen Tabularium des ſchen Geſchehe— 
nen ſchließt er: wie: deu Zufickerung: Der Sieg: ift: bein, 
wogegen er gleich darauf: in dem „Baufälliger Berzen“ 


rusruft: 
Ich wollte, daß ich, ſtürbe! 
Was thu' ich, auf: der; Welt? 
Mein Herz. morſch und mürbe 
Mich wunderks wie es haͤlt. 
Eber;_ wenn er Klage führe, würde die Oberbaubchörd 
och meinen: Es haͤlt wol noch | 
Die DOberbaubehärbe 
at. einen tiefen BE! 
rum — nichts mehr von Beſchwexrde — 
Sch. lebe noch ein Stud. 
Nach anders: Jahren, wenn bie-Rämpfe und Fragen 
in heut einer ruhenden Bergen ? angehõren; wenn 
efe gelöft, jene, hoffentlich. in Frieden, ausgeglichen find; 
ıd man in.dben literariſchen Zeughäuſern bie Waffen, 
it denen dazumal gelämpft.wierke, gelegentlich ald: an⸗ 
nıarifche: Raritäten muftert, wiok: man ſich geliehen, 
# die Vorfahren mit einen grofen Mifwande vor 


eift, Witz und Talent geftzitten haben. Wird. man. |. 





fi aber nicht wundern, daß faft Die ganze poetiſche 


Kraft der Ratten Seiten der einem Partei fambP 
Wird man nice fragen: Woher kam es, daß die Ver⸗ 
theidiger des Alten fo gut wie gar krine Stimmen für 
ih hatten, während es doch gerade bie Poeſie war 


welche in Deutfchland fo. gern auf Schutt. und Trüme 


mern weilte, und man ihr es am liebſten verzeiht wenn fie 
als Lobrebnerin untergegangener Herrlichkeiten ihre Stimme 
erhebt? Die Antwort liegt nahe. Nicht, daß unter dem 
Untergehenden Nichts geweſen wäre, was die Dichtung 
zu betrauern, zu erheben, zu preifen, nach Kraͤften zu erhal. 
ten fih angeregt fühlte, aber — es fehfte die freie Luft! 
Barum hat das Alte in unferer Seitunigspreffe fo 


ſchlechte Vertheibiger, mo. es doch nicht an Aufmunte⸗ 
rung und Lohn fehle für die Talente, welche ihre Feder 
| dem weihen wollten? Warum find biefe Vertheidi- 


ger in England und Frankreich fo geſchickt, Fräftig, zahl⸗ 


reiht — Es iſt Die freie Luft. 


2. Die zweite Gebichtfammlung: „Weckſtimme eines 


| Deutfchen, zur allgemeinen Belebung: des deutſchen Volkes“ 


geſchrieben, ſteht polariſch der vorigen gegenüber. 
er will fein Volt wecken: 
Ein Deutſcher bin: ic: und ein Chriſt! 
Mein Bol: mir lieb und theuer er ß 
Mar: fell os nicht in Feſſein ſchlagen, 
Dafür will ich: mein Leben wagen, 
Es fol nieht: ſelber ſich verknechten, 
Zür Ehre und für Freiheit fechten 
et will ich es und gluͤcktich feh’n, 
foll. zum Leben auferffeh'n. 
Wer etwa fhläft, der ſoil erwachen, 
unb pe ed Rat iff foll’ ed tagen: 
Yı. Eintrags jeden Feind bezwingen. 
Es foll. in Hütten und. auf Thronen 
Gerechtigkeit und Xiebe wohnen, 
aber nur. 
Im Glauben treu, im’ Herzen rein, 
Sy wird: mein: Boll’ ein freies fein. 
4: if: ein. gun, altgläubigen, evangeliſcher Cheiſt, doch 
fein. Fanatiker; bare. Nur. fefihalten: folk bee Ducſche 
am alten. Glauben. ben: 
De Bien 
M ibm der Väter Glaube, 


&r gibt es nicht zum Raube: 
din Keinvd ifl’E für ihn; 
MH ifen: der Shmel: beut,. 
Das. ihm. der Tod nicht nimmt, 
Ber ewig ihn erfreut; 
dann, wird er glücklich und frei; fein und Alles erlangen, 
wonach er billigermaßen: trachten. kann. Ben. cipa⸗ 
tionsgedanken iſt er abhold, denn Gott. hat. Jeden. dahin 
geſtellt wo er ſtehen ſoll, und ebenſo wenig kaun er die 
verſchiedenen Verrine billigen: in: der. Vereinbtrmkenheit 
vergeſſo man ein Chriſt zu: ſein. Aus: dem Landtagen 
kommt Wenig heraus, weil: Stände’ und Repiexung ſich 
ſelten einen: 
Weil nur die Wenigflen: es treu. und redlich meinen. 
Die Meiften. find auf. eig'nen Vortheil nur ‚bedacht, 
Und diefe bilden eine ftarfe Gegenmacht. 


Auch 


1308 - 
w . 


Die Schule fol fi nicht über ober neben der Kirche 
erheben wollen, fondern ihr fuborbinirt bleiben: 
Die Mutter in der Kirche ehr‘ 
Du, Schule, Pränke fie nicht mehr, 
Die Tochter in der Schule fich, 
- Die Lieb’ ihr, Küche, nicht entzieh. 
Am allerwenigften kann er es billigen, daß man bie Kirche 
änfeinde. Was habe fie denn gethan? 
Ihr trennt eu von der Kirche los; 
Trug fie eu nicht im Mutterfchons ? 
Ihr wollet feine Kirche mehr: 
Was laftet denn auf ihr jo ſchwer? 
Ihr ſprecht von Drud und Sklaverei: 
Wer als die Kirche macht euch frei? 
Ihr wollet Wahrheit, Recht und Lit: 
: Gibt ſolches euch die Kirche nicht? 
Ihr wünfchet euch ein gutes heil: 
Wil nicht die Kirche euer Heil? — 
Wollt ihr euch nicht im Lichte ſteh n, 
Laßt ab die Kirche zu verſchmaͤh'n, 
Wollt ihr nicht gehn auf falſcher Bahn, 
Richt feindet mehr die Kirche an! 
Bolt ihr entgeh'n dem Suͤndenjoch, 
So haltet’s mit der Kirche doch! 
Und wollt ihr nicht verloren fein, 
Geht durch die rechte Thuͤre ein! 
Die Kirche kann nicht untergeh’n, 
Auf feftem Grund ſeht ihr fie fteh'n. 
Die Hölle jelbft, wie Chriſtus ſpricht, 
Wird überwältigen fie nicht! 
Bon euch died Wort vergefien ift, 
Ihr fegend cine kurze Friſt. 
Man fieht, daß die Wedftimme eines Deutfchen keine 
eben neuen Borftellungen und Gedanken bringt, aber 
man hört, auch von der Seite gegenüber, vielleicht nicht 
ungern diefe Stimme in ihrer fohlichten, arglofen und 
unbefangenen Ratürlichkeit. in folder Glaube verfegt 
nicht Berge, aber der Glaube muß fo angethan fein, der 
fih in den Stürmen und Strömungen der Zeit von ih- 
nen unberührt an feinem Ylede erhalten will. Die 
Weckſtimme könnte ein gutes Volksbuch werben. 


3. Neujahr iſt längft vorüber und bis diefe Anzeige 
gedruckt ift, könnte das neue Neujahr eingetreten fein; 
wir müffen daher kurz weggehen über einen luſtigen 
Faſtnachtsſchwank, der nach Mufter Goethe’fcher Vorbil- 
der über allerhand Krankheiten der Zeit bie Geißel 
fhwingt, am ftärkften zulegt gegen das Zreiben der Je- 
fuiten. Ohne FZauft und Mephiftopheles können derzeit 
folhe Unterfuhungen und Spazierzüge durch den Markt 
der Thorheiten nicht unternommen werden. Die Jefui- 
ten finden zu ihrer höchften Überrafcyung in Mephiſtophe⸗ 
les ihren Herrn und Meiſter, der ihnen eine furchtbare 
Strafpredigt über ihr ungeſchicktes Thun und Treiben 
in letzter Zeit halt: 
Wer hieß euch auch es anzuſchuͤren, 

Mit Ablaßloffeln in dem Brei zu rühren? 

Steht er im Weg uns nicht ſchon felbft genug ? 

Er ift der Geiſt, der vorwärts gebt, 

Wie der, der fumpfig trübe ſteht, 

Wo die Großmutter einft geftanden 

Mit allen ihren Anverwandten; 

Und ihr, die Klugen, feid fo wenig Plug, 


Berantwortlicher Heraudgeber : 


Und kramt vor bed Jahrhunderts Rafen 

Noch eure Siebenfadhen aus, 

Als ihr noch hattet ſchweigen müffen, 

Und habt die Mäuler aufgerifien. 

Das Feuer, dad uns nım verzehrt, 

Ihr habt es vorgeblafen, 

Als es ſchon gluͤcklich am Erloͤſchen Eohlte! 

Ihr waͤret werth, daß euch der Zeufel Bette, 

Wenn ihre nicht fhon des Zeufeld wär't. 
Amen! — Die Knittelverfe find markig und ſchwunz 
reich, und erinnern nicht zu ihrem Nachtheil an den 
Meifter, ohne den „Kauft“ noch heute vielleicht den Im 
pentheatern angehörte. 


Bibliographie. 


t, H., Zheater und Kirche in ihrem gegenfeitigen Ba: 





CH Hiftorifch dargeftelt. Berlin, Plahn. Gr. 8. 3 Mu 

gr. 

5 wgraphien falzburgifcher Tonkuͤnſtler. Salzburg. 186 
Nor 


Gonfcience, % Geſchichte von Belgien. Aus dım Fi: 


milden von ©. 2. B. Wolff. Leipzig, Lord. I184i. N 
r. 

Dahl, F. aus bet ‚earift! Geiſtliche Lieder. Wltom:, 
Hammerich. 16. 


Foe, D. de, Pen Crufoe'6 Abenteuer und She 
während feines 28jährigen Aufenthalts auf einer unbemohntr: 
Infel bis zu feiner Befreiung. Aus dem Engliſchen. #: 
Juftrationen von a oille. Stuttgart, Erhard. IN 
&.8 1 Thlr. 5 
.. „Koechly, H., Zur Gymassialreform. Theoretisch“ 
und Praktisches. Dresden, Arnold. Gr. 8. 15 Ngr. 

Bieder in der Mundart des Salzburger Klachladbes, ®ı: 
burg. 1845. 8. 8 Nor. 

Nittershaufen, D., Die Wünſche. Meorgenläntik: 
Gryählun m und Brährgen. Berlin, Krüger. 12. 15% 

er, 3. B., Rundſchau in kirchlichen Lebentzt 
bieten Deut lands, ebetiens, Frankreichs und Belze: 
Regensburg, Manz. . 108 Kor. 

Sauter's, ©. F., des alten Dorfidulmeifters, weiß: 
anfänglich in Fiehingen, dann in Baifenhaufen war und :* 
Denfionatr wieder in Flehingen wohnt, fämmtlidhe —* 

it zwei Abbildungen. Karlsruhe. 1845. Kl. 8. 1 Ih 

Schmidt von Lübed, Lieder. Jte vermehrte und verde 
ferte Auflage. Altona, Hammerich. 1847. 12. 1 Ihlr. DR; 

Schnezler, A., Gedichte. te vermehrte Ausg: 
Karlsruhe. 12. I Zhir. 21 Ror. 

— — Badiſches Sagen-Budh. Eine Sammlung ber 1$ 
ften Sagen, Geſchichten, Märchen und Legenden des 
Landes. Ifte Abtbeilung. Dom ga openfee bi6 zur Orte 
Karlerue. Er. 8. 1 Thlr. 15 Nor. 

Soulie, F., Der —5 von Guiſe. Roman. Tat 
von 8* gameth. Drei Bände. Leipzig, Berger. &.‘ 

Taſchenbuch für die beuefche Zugend, gueraußgegeit ee 
B. Hoffmann. Zahrgang 1847. Mit 8 Bildern. 8 
gart, Schmidt und Chting, 8 22%, Nur. 

Vernaleken, F. Th., Das deutsche Volksepos. Nıd 
Wesen, Inhalt und Geschichte, mit einer erläuterten 42 
wahl aus den Nibelungen und der Gudrun. Zürich, Mer 
und Zeller. Br. 8. 21 Negr. 

Veteranen-Huldigung ober Erinnerungen an die Fei-: 
jahre 1813, 14 und 15. Bon einem alten Unterofficiere :7 


Fönigl. bayer. Armee. Münden. Br. 8. 8 Nor. 
Wintergrün. Taſchenbuch auf 1847. Begründet von 9 
ko op Dei herausgegeben von deſſen Wittwe. Hamburg, dr” 
Thlr. 10 Nor 


Heiurih Brockzans. — Drud und Verlag von F. E. Wreodhans in Reipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch, 


Moderne Rechts- und Staatsphiloſophie in 
Frankreich. 


Eine gedrängte Darſtellung der neueſten Entwicke⸗ 
lung der Rechtsphiloſophie in Frankreich hat außer dem 
Intereſſe, welches aus der Univerfalität der deutſchen 
Wiffenfchaftlichkeit von ſelbſt folgt, auch noch dasjenige, 
das theils zu einer fehr erfprießlichen Vergleichung der 
deutichen ftaatsphilofophifchen Ideen mit ben franzöfifchen 
auffodert, theild aber den unmittelbaren Zufammenhang 
ber Theorie mit dem Leben nachweilt und fo das Leben 
der Gegenwart deutlicher erkennen, die Erwartungen 
von der Zukunft aber ficherer beurtheilen läßt. Es ift 
indeß, um in diefer Hinficht wirklich einige Andeu⸗ 
tungen geden zu fönnen, nicht möglich, fi) blos auf 
eine Charakteriſtik derjenigen Disciplin der Rechtswiſſen⸗ 
haft zu befchränten, welche in Deutfchland und Franf- 
ch früherhin unter dem Namen des Naturrechtd ge- 
ehrt wurde. Was die Rechtsſchulen in Frankreich für 
iefe Doctrin geleiftet haben, ift fo unbedeutend, daß 
ir e6 gleich von vornherein auszufcheiden gedenken. 
Inter Napoleon hatte bekanntlich nur das Pofitive und 
Fracte Geltung und von Naturredht und Philofophie 
berhaupt durfte feine Rede fein. Im J. 1819 wur: 
en zwar Lehrftühle für Naturrecht, Rechtsgeſchichte und 
roit administratif in Paris errichtet, allein ſchon 1822 
ob man fie auf und fegte Völkerrecht und Pandekten 
n die Stelle des droit administratif und des Natur: 
ht. Seitdem ift zwar das Naturrecht hin und wieder 
trieben worden; die Juriften haben indeß nur die Tendenz 
habt, bie Jugend für die Examina zu präpariren, und 
ı das Naturreht im Studienkreife fehlte, fo ift dafür 
ın Seiten der Rechtsſchule Nichts gefchehen. Es ift 
is übelfte Zeichen, dag man die Bücher von Burla- 
aqui und Felice neu gedrudt und Schriften wie Cotelle's 
\brege du cours elementaire du droit de la nature‘ 
nugt bat. Erfolgreicher ald an ber Univerfität warb 
ı College de France gewirkt, wo Lerminier und Jouf⸗ 
y zu rechtsphilofophifhen Vorlefungen berufen wurden. 

Es wird daher nöthig fein den Ausgangspunft ge- 
yezu von ber Gatwidelung der franzöſiſchen Philofo- 
ie überhaupt zu nehmen. Die Geftaltung des allge- 


inen wiſſenſchaftlichen Bewußtſeins hängt mit ben 


IT Kr. 343, m 


9. December 1846, 


— — — 


rechts⸗ und ſtaatsphiloſophiſchen Ideen fo nahe zuſam⸗ 
men, daß das Eine nur aus dem Andern zu verftehen 
iſt. Frankreich bat dabei das Schickſal, daß fich feine 
techtephilofophifchen Doctrinen keineswegs auf ähnliche 
Weife wie neuerdings in Deutfchland jedesmal an be- 
flimmte philoſophiſche Syſteme anfchließen: die allge- 
meine Weltanſicht ift noch fo wenig einem Abfchluffe 
angenähert, daß die Rechtsphilofophie nicht als nothwen⸗ 
diges Stud eines beflimmten Syſtems, durch bdeffen 
Sinn und Organismus fie ihrerſeits beftimmt wird, erfcheint, 
fondern nad befondern Anfichten und Neigungen con- 
firuirt wird und nur in gewiſſen Grundzugen die Spu- 
ren eines allgemeinern Glaubensbefenntniffes zeigt. So 
ift denn natürlich für Frankreich die Grenze zwifchen 
praßtifcher Politit und Nechtsphilofophie — bie es, frei⸗ 
lih aus einem ganz andern Grunde, auch in Deutfch- 
land nicht geben follte — durchaus nicht feſtzuhalten, 
und wir werden Manches als Philofophie gelten Taffen 
müffen, was in Deutfchland für bloßes Reflectiren an- 


gefehen werden würde. Außerdem ift aber zu bemerken, . 


daß die franzöfifchen Rechts- und Staatsdoctrinen feit 
der legten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit dem 
Leben in eine fo unmittelbare Beziehung getreten find, 
daß ihnen gewiffe Parteien, die bei der ganzen Staats⸗ 
action eine thätige Rolle fpielen, entfprechen, und die 
politifhe Geſchichte auch die Befchichte der Principien, 
der politifche Kampf ein Kampf der Principien iſt. In 
Deutfchland ift man jegt ebenfalls faft unmerklich dahin ge- 
fommen, daß man fi) für Das, was angeorbnet wird, 
Principien unterfchieben läßt und einen Streit um Prin- 
cipien acceptirt, den man nach Napoleon’s Vorgange — 
welcher von Ideologen und Principien, die im Grunde 
gegen Intereffen gefämpft hätten, Nichts wiffen wollte — 
ganz decliniren koöͤnnte. Diefes unmillfürliche Einlaffen 
auf Principienftreite verdanken wir dem Beifpiele Frank⸗ 


reiche: bier ift das Verhaͤltniß jegt fo klar ausgebrüdt, 


daß eine Geſchichte der ftantsphilofophifchen Lehren nicht 
blos eine Riteraturgefchichte, fondern auch Gefchichte der 
Ereigniffe ift. 

Der aus dem vorigen Jahrhunderte herübergebrachte 
Senfualismus hatte einen dauernden Einfluß auf die 
Rechts - und Staatsphilofophie nicht haben fönnen. 
Schon unter ber Napoleon’fhen Herrſchaft fegte ihm 


1870 


Noyer-Collard die fehottifhe Philofophie entgegen, und 
damit wurden die Verfuche von St.-Lambert und Vol—⸗ 
ney, bie fenfualiftifhen Rechts- und Moralprincipien 
allgemein zur Geltung zu bringen, ber Vergeſſenheit 
übengeben. Gined bedeutenden Anſchens erfreuten fich 
dagegen in Frankreich bie fenfualiftifpen Lehren Bent- 
bam’s; allein wir bürfen ſchon hier bemerken, daß dieſes 
Anſehen nur ein vorübergehendes war. Xerminier, Comte 


und zuletzt und am gruͤndlichſten Jouffroy haben dieſe 


Lehren, die man in Deutſchland keiner Widerlegung 
werth gehalten zu haben ſcheint, geprüft und zu leicht 
gefunden, und die Ausſicht auf einen bemerklichen Ein- 
fluß derfelben in Frankreich möchte damit für die Zu⸗ 
Zunft verloren fein. Wielleicht täufchen wir uns indeß 
nicht, wenn wir die empirifch «mechanifche Richtung der 
franzöfifchen Jurisprudenz, welche allerdings zu dem 
philofophifchen Geiſte, aus welchem bie ganze neuere Re 
gislatur hervorging, in einem erheblichen Contrafte ſteht, 
gerade den Einflüffen der fenfualiftifchen Lehren zufchreiben. 

Senfualismus, Eklekticismus und fhottifhe Philo- 
fophie konnten fomit bie aus dem vorigen Jahrhunderte 
überfommenen verfchiedenartigen Staatsanfichten durch 
feine neue und durchgreifende Staatslegre erfegen. Es 
blieb alfo auf der einen Seite die alte Lehre vom gött- 
lichen Rechte, welche fi anftatt auf Philofophie auf 
Theologie ftügte, auf der andern Seite aber die ganze 
Reihe der vom Republifanismus bie zum Conftitutio- 
nalismus abgeftuften liberalen Staatstheorien befichen, 
deren Anhänger in den philofophifchen Anfichten zu denen 
fie fich befannten auch Stügpuntte für ihre politiſchen Glau⸗ 
bensbefenntniffe fanden. Die Unvereinbarkeit beider Lehren 
kam unter der Reftauration zur deutlichen Erfcheinung. Das 
Königthum gründete ſich auf das göttliche Recht, auf bie 
Lehre, daß bie Gewalt ale ein Beſitzthum der Dynaſtie 
diefer nur um ihrer felbft willen, nur aus eigenem 
Rechte zuftehe, daß ihre Verwendung für das Beſte des 
Bolkes nur eine Pflicht gegen Gott, nicht gegen das 
Bolt, und in Anfehung bdiefes legtern eine Gnade fei. 
Diefe Greundfäge ſprechen fih in der Einleitung zur 
Derfaffung vom 4. Juni 1814 aus. Im Wibderfpruche 
damit war aber boh eine Verfaffung gegeben und 
fomit die Nation als berechtigte Subject anerfannt, fo- 
wie der conflitutionnell»liberalen Partei ein loyaler An- 
haltspunkt gewährt. So lag in den öffentlichen Zu⸗ 
fländen der Reftaurationsepoche eine innere Unmahrheit: 
das Königehum non Gottes Gnaben mußte fich doch nod) 
für höher als die von ihm octroyirte und beliebig zu 
revocirende DVerfaffung halten und nnofifce Intereſſen 
den Volksintereſſen vorziehen; die Nation aber ſah im 
Königthume eine verfaffungsmäßige Function und fein 
wohlerworbenes Befisthum einer Familie. Range Zeit 
lie ſich dieſe principielle Werfchiedenheit von beiden 
Seiten verdbeden, indem man auf der einen Seite nur 
von aufrichtigem Streben für Volkswohl, auf der an- 
dern von unbedingter Ergebenheit und Devotion ſprach; 
in der That war aber der Gegenſatz fo ſchneidend, daß 
es endlich, zum Bruche kommen mußte, und diefer Bruch 


- wart zu verzichten. 


fprach fih offen aus, als die Adreffe der 221 mit den 
dürrfien Worten erflärte, daß die Staatsanfıht der Re 
gierung von der der Nation verfchieden und an bie Eich 
einer Ubereinftimmung Beider ein durchgängige Ri: 
trauen getreten ſei. Nach her Julinewolution genam 
alsdann die Liberale conftituionnelle Partei die Ober: 
hand, das göttliche Recht verlor feine officielle Beltung, 
und das bisherige Element der Oppofition, welches die 
Doctrinaires und Eklektiker dargeſtellt Hatten, ward ıw 
der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten berufen un 
damit zum confervativen Elemente gemacht. 

Es würde zu weit führen, wenn wir die Ge— 
(dichte der ſämmtlichen ſtaatsphiloſophiſchen Der: 
nen, ber theologifirenden, der rationaliflifchen, der f- 
genannten forialen unb endlich -der myſtiſchen Lehre, 
mit ihren verfchiedenen Ruancirungen feit 1830 zu ſcil— 
dern verfuchten. Wir müflen uns Darauf befchränten, die 
neueften Entwidelungen zu bezeichnen, die Haupte 
hen aus ber vorhergehenden neuern Zeit aber alE ie 
fannt vorauszufegen, und nur auf Einzelheiten, meld 
in Deutfchland noch nicht die verdiente Aufmerkjumtet 
gefunden haben, binzumeifen. 

Nah der Zulirevolution kam die befannte Part 
der Doctrinaires, in welcher fi Guizot, Villemain un 
Coufin auszeichnen, zur Geltung. Coufin repräfentirt di 
eigentlich philofophifche Seite des Doctrinairismus, fer 
Richtung ift weſentlich confervirend, ohne indeß auf wm 
gewiffee Maß von Freiheit und Autonomie der Gew 
Seine Lehre bilder bis jegt den Im 
und Mittelpuntt des ganzen, fo ſtreng centralifirten Ir 
terrichtsweſens, und er hat als Profeffor, Minifter, Ri 
glied des Univerfitätsrathes und Mitglied der Pairktım 
mer Gelegenheit genug gefunden, ihr eine faft ofnad 
zu nennende Gültigkeit zu verfchaffen, indem von BE 
z. B. der Studienplan und das Regifter der wir 
nugenden Lehrbücher entworfen ift. | 

Couſin's Syſtem, den Eklekticismus zu kitite 
würde bier nicht der rechte Drt fein. Man fun is 
bes Gedankens nicht exwehren, daß Koufin die Pit 
phie etwa ebenfo wie eine exacte Wiffenfchaft and 
die man lernt. La philosophie n’est pas ä faire, & 
est faite, fagt Coufin, und glaubt daher, man habe ze 
alle vorhandene Philofophie zu beobachten, um zur Ba 
heit u fommen. Er findet in der ganzen Gehiit 
vier Arten von Philofophie, Materialismus, Spin 
lismus, Myſticismus und Skepticismus, die eben, DW 
fie nach der Befchaffenheit des menfchlichen Geiſtes ned 
wendig find, auch Wahrheit und Berechtigung hie 
ſodaß fich die wahre Philofophie in der Geſchichte bet 
Syſteme offenbart. Die Methode ift alfo die Bat: 
tung; ſowie Goufin fie auf die Gefchichte der Phie: 
pbie anwendet, fo muß auch jede einzelne Philoſerke 
diefelbe zum Ausgangspunfte nehmen: La pbilosopte 
ne se distmgue de la physique qne par la nature c 
phenomenes à observer. In dem Tegehin erihmm 
vierten Bande feiner Borlefungen nimmt Goufin * 
drei Haupteichtungen der Philoſophie an: Genfurhten 





1871 


Eyiritukeums und Myſticiemus. Der Skeptieismus 
5 ſich nicht recht in ſeiner Sammlung gebrauchen. 
Dar Umſtand, daß keine diefer Richtungen allein zur 
Wahrheit führt, Teitet denn zum Eklekticismus hin. 
Couſin fagt: 

Diefes ift Beine künſtliche und gemachte Combination, ſon⸗ 
dern dad einzige Mittel, um nit mit ben gewiſſeſten That⸗ 
ſachen, mit unfern beflimmteften Überzeugungen in Conflict zu 
fommen. Es ift nicht unfere Schuld, wenn Gott die menſch⸗ 
liche Seele größer gemacht hat als alle Syſteme. Sie if eine 
bewundernswürdig organifirte Mafchine, deren Leben gerade im 
der harmonifchen Wirkung ihrer verfihiedenen Beftandtheile liegt. 
Es gibt hier wol einen Hauptbeftandtheil, ein Hauptſtück, und das 
iſt Ir und die Vernunft. Wenn man indeß nur dieſe betrachtet 
und auf die übrigen Gtüde Beine Rüdficht nimmt, fo zerftört 
mon auch die Vernunft, denn allein kann die Vernunft gar 
nicht oder nur in ungeordneter Weite ſich bewegen. So iſt 
kin Spſtem, auch das befte nicht, an fich die Wahrheit, und 
man Bann die Wahrheit nur in allen finden. 

Bol ift hiermit das Bedürfniß eines Fortſchritts, 
eines neuen Suftems, welches die bisherige Einſeitigkei⸗ 
ten durch ein höheres harmonifches Princip vereinigt und 
in welhem Vernunft, Glaube oder Gefühl und finnliche 
Erfahrung — deren die Vernunft allerdings nicht entbehren 
kann — ihre Berechtigung finden, angedeutet. Couſin hat 
aber eben die Nothwendigkeit dieſes Fortſchritts nur an- 

gedeutet, ftate bes höhern Principe bietet er eine Com⸗ 
bination der verfchiedenen empirifch vorhandenen Syfteme, 
und flatt eines Syſtems die bloße Bemerkung über die 
Nothwendigkeit eines folhen; denn Das mas bei ihm 
Syſtem fein fol, ift im Grunde nur eine rationaliftifche 
Combination anderer Syſteme, alfo nichts Höheres, fon- 
dern, wenn es einmal Syſtem fein full, ein äuferft 
magerer Rationalismus. Was Coufin dann nocd über 
Pſychologie und Ontologie geſchrieben hat, ift unbedeu- 
ad und beraubt, wo es auf deutfche Philofophie an⸗ 
kommt, auf Misverftändniffen. Schon hiernach leuchtet 
in, daf von Eigenthuͤmlichkeiten der Couſin'ſchen Phi⸗ 
ofophie nicht Die Rebe fein kann: man lehrt an der 
Iniverfität die Philofophie von Ariftoteles, Platon, Bam 
efius, Leibniz, Boffuet umd Senden, und das ganze 
Btudium bleibt fo wefenttich hiftorifch, daß von einem 
eſtimmten Syſteme ald dem herrſchenden gar nicht bie 
tede iſt. Couſin felbft hat fich in dieſer Hinſicht in 
et Pairskammer in der Sigung vom 22. April 1844 

endermagen geäußert: 
on macht * —* philoſophiſchen Unterrichte die aller⸗ 
iſcheſte Vorſtellung. Man glaubt, daß die Univerfität nach 
r Mode des Tages in ihren Schulen bald dieſes, bald jenes 
yſtem lehren läßt, bald Platon oder Ariftoteles, Cartefius oder 
Be, Reid oder Kant, Zaromiguiere oder Royer - Sollard, und 
fondera Goufin, wern Goufin eben im Eonfeil iſt. Die Uni: 
efität bat aber eine andere Anſicht. Sie bevorzugt oder ver 
tet von den vernünftigen Syſtemen feines, weil fie die Phi⸗ 
ophie weniger an ſich ſelbſt als in ihrer iehung zu der 
eüfchaft auffaßt. Die Geſthichte der Syſteme und Das 
—— — und Bedenklichere bleibt dann dem hoͤhern Unter⸗ 
te, das Gewiſſe und zur moraliſchen und intellectuellen 
iftigung des Seiſtes Dienende dem Secundairunterrichte in 
;, Colleges überlaffen. _ | 

So fehwere Vorwürfe man nun auch einer ſolchen 


iHofophie in wolflenfchaftiicher Hinfiche mochen fa, 


fo iſt «6 doch wicht zu verkennen, daß fle gerade für 
Frankreich und gerade in ber gegenmärtigen —* etwas 
Verdienſtliches hat. Der philoſophiſch ſchoͤpferiſche Geiſt 
iſt in Frankreich ausgegangen, und bei dem Wahne der 
Franzoſen, daß ihr Vaterland an der Spitze der euro⸗ 
paiſchen Civiliſation ſtehe, bei ihrer Unbekanntſchaft mit 
den Tiefen der deutſchen Philoſophie iſt ein hiſtorifches 
und poſitives Studium der vorhandenen Syſteme, zu 
welchem Couſin anleitet, noch das Erſprießlichſte mas 
ihnen zu Theil werden kann. Man behauptet nicht zu 
viel, wenn man annimmt, daß ohne Couſin die Franıo- 
fen jeder vernünftigen Geiftesfreiheit entfagen und der 
von einem flupiden und fanatifchen Klerus ausgehenden 
Berfinfterung verfallen oder ſich in pantheiftifhe und 
atheiftifche Syſteme verlieren würden, die fie ganz un⸗ 
vermerft wieder in den Materialismus des vorigen Jahr» 
hunderts zurücdführen müßten. Die Bekanntſchaft mit 
deutfcher Philofophie, wozu eben auch Couſin den erften 
Anftoß gegeben hat, mag dann am Ende den Franzofen 
eine beflimmtere Nichtung in der Philoſophie geben. 
Das Coufin cs bei alle Diefem dennoch mit den beiden 
ertremen Parteien verborben bat, Täßt ſich leicht erklaͤ⸗ 
ven. Die dem Klerus bat er ed verborben, weil mit 
dem Katholicismus Feine Philofophie verträglich ift; mit 
den über das juste-milien hinausgehenden Liberalen aber, 
weil feine Philofophie feine beftinnmte politifche Conſe⸗ 
quenz enthält, fendern nur im Allgemeinen confervativ 
iſt und das jegt geltende Syſtem unterftügt. Eine be- 
flimmte Rechts- und Staatslehre hat Koufin nicht ge» 
liefert, fondern nur einzelne Punkte gelegentlicy berührt, 
3. B. die Lehre vom Eigenthum in der „Philosophie 
morale” (&. 15), wol aber folgt aus bem Geiſte feines 
Syſtems die combinatorifche Politik des Docteinairismus: 
eine Berbindung von Monarchie, Yriftofratie und De- 
mofratie, eine Scheu vor dem Gelten der vollen Eonfe- 
quenzen zugelaffener Principien und Fluges Accommodi⸗ 
vn und Bermitteln. 
(Die Bortfegung felgt.) 


u m anne m u 


Hiſtoriſch⸗artiſtiſche Briefe, gefchrieben während einer Reife 
nad Rom von Wilhelm von Löw zu Steinfurth. 
Darmftadt, Leske. 1846. Gr. 8. I he. 5 Ngr. 





@iner der unnügeften Beiträge zu der italienifchen Reiſe⸗ 
literatur, die fihon fo viel Unnüges probucirt bat. Der Berf., 
welcher uns berichtet, wie ſchon in der Kinberftube Italien das 


Land feiner „Bewunderung und forfchluftigen Gedanken‘ ge: 
wefen, reift über Mailand, Genua, Livorno, Eivitavechia nad 
Rom, das ihm, als er an Porta Eavallegieri hält, ein „„Neft” 
feint, und gibt feine naiven Bemerkungen über dieſe ganz 
neue Zour mit einem Heroismus zum Beſten, ber wahrlid 
inerfennung verdient. Bie ed mit dem „hiſtoriſchen“ Iheil 
des Buches ficht, möge man daraus ermeſſen, daß Karl der. 
Große im Lengobarbenreich ‚Die Ordnung wiedexhergeſtellt“, 
Karl VI. von Frankreich den Gian Galeaſſo Bisconti zum 
Herzog von Mailand gemacht haben fell, mas König Wenzel 
that; daß das Öftreichifche Regierungsſyſtem in der Lombardei 
mit dem Ausprud „vormumdfihaftliche Beſchraͤnkungen und vor: 
ſorgliche Maßregen“” charakterifirt wird, wodurth dem „am 
deunnch⸗ der Kallaͤnder Binhalt gethan werden ſoll; daß der 





1872 


Berf. die „fehle und humane Regierung” in Mailand daran 
erkennt, daß fie, „„erhaben über kleinliche Müdfichten, dem be 
weglichen Charakter des Italiener den UAnbli von Rapoleon’s 
Biüdniß, von Caricaturen und Darftellungen der fchändlichften 
Seenen aus der franzöfifchen Revolution , ja fogar jene der Hin» 
richtung des unglüdlichen Königs geftattet” (!!); Daß Die 
Schlacht von Marignano in daB Jahr 1522 verfegt, die Leiche 
Heinrich's VII. von Clemens V. „geaͤchtet“, bei der heiligen 
Katharina von Siena das „Heiligen: Leriton, Köln 1719” und 
bei einem matländer Klofter der „Hiſtoriſch⸗politiſch geographifche 
Atlas, Leipzig 1747° citiet wird, Niccolo und Francesco Pic 
einino al& ‚‚zrvei mailändifcdhe Feldherren von niederer Herkunft’ 
bezeichnet werden und was folher Dinge mehr ifl. Dazu paßt 
denn der Stil des Buches mit feinen Sprachfehlern und Ge: 
ſchmackloſigkeiten, die Befchreibung der Dampfbootfahrt von 
Senua nad) Livorno, welche dem Berf. Staunen, Beben, be: 
Hommenen them, ftarrenden Bli und große Angft über 
feine „Berwegenheit‘ verurfacht, der fchlimme Eindruck, wel: 
chen Civitavecchia auf ihn macht, wo er nicht einem einzigen 
nur einigermaßen reinlich oder gutgekleideten Menfchen begegnet 
fein will, die Befchreibung der römifchen Landleute, „von 
fhreddenerregendem Yußern, Teufen ähnlicher als Menfchen”. 
Man follte ſich billig fchämen, ſolches Zeug druden zu laflen. 
Daß der Name „Sadpari Vicecomiti“ frifhweg ald Nominativ 
gebraudt wird, die Latinifirungen Homodeus, Puteus (bel 
Pozzo) u. M. neben modernen Ramen vorkommen, weil der 
Berf. fie auf Grabfteinen las, mag nur nebenhin bemerft werden. 
Daß der „artiſtiſche“ Theil des Buches von gleichem Ealibre 
ift, wird man mir unfchwer glauben. Wozu fol es nügen, 
daß ein trodener, unkritiſcher Katalog der Brera:-Sammlung ge» 
eben, oder dad Maß jeder Säule im mailänder Dom ange: 
—* wird? Von Stil und Kunſtgeſchichte überhaupt weiß der 
Verf. offenbar Nichts. Das Atrium von S.⸗Ambrogio iſt ihm 
„neugriehifher Stil mit wenig technifcher Wertigkeit‘, der 
Dom zu Genua „in verdorbenem neugriechiſchen Stil”, S.⸗ 
Francesco bi Gaftelletto dafelbit „in gemifhtem neugriechiichen 
und deutfchen Stil”, Dom und Thurm von Pifa wieder neu: 
griehifh. Die Bemerdungen über Bafiliten zeugen von gänz 
fiher Unkunde der neuern Forſchungenz; von der mailänder 
Domfacade heißt es, die Berzierungen in den Einzelheiten 
feien „in der Thadt unbeſchreiblich“, von der Kanzel im pifaner 
Baptifterium: fie fei „ein bewundernswürdig reiches Werk aus 
felteneım Granit und Marmor, von dem berühmteften Künftler 
des Mittelalters”. Über S.:Lorenzo in Mailand ftehen acht 
Zeilen im Buche; von den Kirchen des 16. Jahrhunderts heißt 
es, fie feien im „vermifchten neuitalienifhen Stil”. Beim 
pifaner Dom wird Nagler's Künftlerleriton als Quelle citirt. 
(Ich will die Brauchbarkeit des fleifigen Buches hiermit kei⸗ 
neswegd anfechten!) Diefe wenigen Proben werben hin: 
reichen, die fogenannten ,„SHiftorifch » artiftifchen Briefe“ zu 
charakteriſiren. Es ift noch als ein Gluͤck zu betrachten, daß 
fie mit der Ankunft in Rom, wo ed dem Gafthof des Herrn 
Franz (auf welchen das Sprüchwort Tedesco italianizzato 
Diavolo incarnato angewandt wird) übel ergeht, abbrechen, 
um hoffentlich nie fortgefegt zu werden. 101. 





— — — — — — 2 — — — — — — —— — — ——— — — 


Literariſche Notizen aus England. 


Polydor Bergil's Geſchichtswerk. 

Bon des Italieners Polydor Vergil, eines Zeitgenofſen 
Heinrichſs VII. und Cardinal Wolſely's,„FKHietory of 

land‘ find kürzlich auf Koſten der London Society 
auch die erften acht Bücher, die Geſchichte Englands bie 
zu Wilhelm dem &roberer umfaflend, von Hrn. Eis her: 
ausgegeben worden, nachdem früher ſchon auf ‚gleiche Weife 
die drei legten Bücher dieſes Werks, die Gefchichte der Re 
glerungen der drei Heinriche, VI. — VIII, enthaltend, veröffense 
ticht worden waren. Die gefchichtliche Ausbeute, welche der 


jet herausgegebene heil dieſes hiſtoriſchen Werks 
ift der Ratur der Sache. nach weit geringer als bie 
eröffentlidung, worin der Verf., wenn auch gleichſam di 
Hofhiftoriograph, doch gemwiffermaßen als Zeitgenoffe berichtet 
Doch gewährt auch diefe Gefchichte infofern Interefle, alt ma 
daraus erfieht, wie ein geiftreicher und geehrter Mann jera 
Zeit, der fein Leben an Höfen zugebracht, die geihichtligen 
Begebenheiten betrachtet. Das Anziehendſte des jept Beröfet. 
lichten ift wol die Einleitung, worin er eine Schilderunz iu 
Suftandes bes britifhen Reichs zu feiner Zeit entwirft m 
eine Menge Eharakterzüge der Nation mittheilt, die fih nd 
heute unverändert darin vorfinden. Merkwürdigerweiſe finzt 
das ehrenvolle Zeugniß, welches ein Italiener vor virthl 
hundert Jahren dem Charakter der Engländer ausftelt, weint: 
ih mit Dem überein, was, wie jüngft in d. BI. gemelde 
wurde, kürzlich der Franzofe Riofrey Darüber Ruͤhmliches erräftt 
An einzelnen merkwuͤrdigen Ihatfachen ift auch biefe Abthen 
lung feiner Geſchichte nicht arm. So erfährt man unter Antere, 
daß zu feiner Zeit die Römermaucr im Norden Gnglands fd 
noch in ziemlich wohlerhaltenem Buftande befunden und dei 
felbft Die Meinen umfchanzten Ihürme, welche in tegelmifign 
Swilhenräumen daran angebracht waren, noch zu jehen wart 
Auch wird von ihm eines Kometen Erwähnung gethan, „ind 
glänzenden Geftirnd von wunderfamer Größe‘, der zur & 
der Schlacht von Haftings, „worin die ganze engliſche Rd 
und Herrichaft zum Untergang kam’, mehre Tage am Himmd 
erfchienen war. Wie fententiös tie Schreibart des alten Sk 
rikers ift, mag aus einer Stelle erbellen, wo er fd in & 
trachtungen über das legterwähnte für die Geſchichte Enylan‘ 
fo Telnemreice Ereigniß ergeht. „Und fo‘, bemerkt er, „tr 
und fluten alle menfchlihe Dinge hin und ber, ſedaß Rier 
fo gewiß als die Ungewißheit felbft und der befländige Bei 
fei e8 zum Beffern, fei e8 zum Schlimmern.“ 





Eine nordamerikaniſche politifche Parteiſchrift 
find trog ihres Titels als Hiftorifcher Urkunden die „Mensin 
on the administrations of Washington and John Adızs. 
welde Hr. Gibbs nach den Papieren des einftigen Send: 
des Schages in den Vereinigten Staaten, Dliver WBalcett, fr 
auögegeben hat. Es herrfcht darin ein fo Hartnädiger und wy 
ftümer Parteigeift, daß trog ber amtlichen Quelle, aus we 
die Mittheilungen fließen, man ohne die Gegenſeite zu beim 
nicht wol ein richtiges Urtheil über die darin dargeftelter = 
fachen der Entftehung und der Fortfchritte der demokratie- 
Partei in den Vereinigten Staaten wird fällen Können. 2: 
Werk ift fehr umfangreich und enthält eine Maſſe von Br 
und Staatsſchriften, die fich ihrerfeits auch wieder größten 
durch Weitfchweifgkeit und ſchwuͤlſtige Redensarten auszeichet 
Auch der Commentar des Herausgebers theilt dieſe Kin: 
Er ſcheint alfo nicht bei dem General Rough and Ready, ® 
bie Amerikaner ihren Zaylor nennen, in die Schule gear 
zu fein, Deflen Kriegs: und Siegsberichte als Mufter ririche 
und würdiger Darftelung gelten können. 1 





Literarifche Anzeige. 
Durch alle Buchhandlungen ift von BP. SE. Mrodfaut : 
zu beziehen: 

Büleborn (F. R.), Das reine Ehpriftentjus 
und die We freligion, Gr. 8. un gr 
— — —, Zwei Abhandlungen: ı) X 
Einheitstrieb als die organiſche Quelle der Kräfte da: 
tur. 2) Das Pofitive der von dem Kirchenglauben ger" 
berten chriftlichen Religion, duch die Ginheitdlchte = 
fchaulicher gemacht. Nebſt einer die Einheitslehre al ®: 
fenfchaft begründeten Einleitung. Gr. 8. Geh. | = 


Verantwortlicher Yeraußgeber : Heinrich WBroddans, — Drud und Berlag von V. WE. Wrodpans in Beipgig. j 


Blätter 


für 


literariſche unterhaltung. 





Donnerstag, 


10. December 1846, 





Moderne Rechts» und Staatöphilofophie in 
Frankreich. 


(Bortfegung aus Nr. M3.) 


Ehe wir diefe mehr in die praktiſche Politik hinein⸗ 
führende Conſequenz des Couſin'ſchen Eklekticismus nä- 
ber verfolgen, haben wir eines fpeciellen Werkes über 
Rehtsphilofophie von einem Schüler Eoufin’s zu er- 
wähnen, den „Cours de droit naturel” von Jouffroy, 
von welchem 1842 ber dritte Band und im December 
1844 eine neue Auflage ber erften beiden Bände er- 
khienen ift. Leider befigen wir in diefem Werke nur 
die Prolegomena zu einer umfaffenden Darftellung bes 
Naturrechts, welche fich noch ganz innerhalb der Sphäre 
der Moralität im Gegenfage gegen das eigentliche Recht⸗ 
liche halten. Jouffroy nimmt den Ausdruck Naturrecht 
in feiner weiteften Bedeutung und verfieht die Gefammt- 
beit der Regeln für das Verhalten des Menfchen in al- 
fen Beziehungen darunter. Er findet, daß der Menſch 
in vier Beziehungen flieht, zu Gott, zu fich feibft, zu 
ben gefchaffenen Dingen und zu feinen Mitmenfchen. 
Hieraus folgen die vier Abtheilungen der religion na- 
turelle, der morale personnelle, des droit reel und des 
droit maturel im engern Sinne, und legteres um⸗ 
chließt die Pflichten des Menſchen gegen feines Glei⸗ 
hen überhaupt, gegen feine Familie, und fobald das Le- 
en in der Geſellſchaft binzutritt, das Privat» und öf- 
entlihe Recht. Die Organifation der Gefellfchaft, bie 
Sorge für ihren Wohlftand ſchließt Jouffroy ganz vom 
Raturreht aus und überweift Beides ber Politik und 
tationalöfonomie. Als fünfter Theil des Naturrechts 
itt dann noch das natürliche Völkerrecht hinzu. In 
m Folgenden fept Jouffroy die legten Begriffe von 
zut und Übel auseinander; er zeigt vortrefflich, dag das 
jute nicht in der Erfüllung befonderer Zwecke, fondern 
einer allgemeinen Weltordnung beftehe, und findet 
nächft drei Michtungen, in melden der Menfh nad) 
m Guten firebt: eine natürliche, unmittelbare, eine re⸗ 
ectirte, egoiftifche und die auf Erkennen jener höhern 
rdnung beruhende moralifhe. Hierbei wirken dann 
rt Principien: inflinctive und primitive Neigungen, 
ihigkeiten, welche gleichſam bie executive Macht dar⸗ 
lien, die Freiheit über dieſe Fähigkeiten zu disponiren, 
d endlich die Vernunft. Wie folgt nun aber aus 


Alle dieſe Syſteme reichen nun 
nicht aus, die unklare Idee des Guten, die uns leitet, 
zur Klarheit zu bringen: ſie treffen die Sache ſelbſt 
nicht, ſondern geben nur Regeln zur Benutzung in den 
einzelnen Faͤllen. Jouffroy finder den Begriff des Gu⸗ 
ten in der aus feiner Natur erkennbaren Beftimmung 
des Menichen, deren Zufammenhang mit der Beftim- 
mung der Menfchheit näher unterfucht wird. Aus dem 
Begriff des abfolut Guten, der Beftimmung der ganzen 
Welt, folgt dann, dba der Menfch frei und vernunft- 
begabt ift, der Begriff der Verpflichtung. Jouffroy lie» 
fert hierzu eine beachtenswerthe logiſche und pſychologi⸗ 
[he Entwidelung, und findet die Beftimmung des Dien- 
fhen mit Hülfe der Pſychologie in der Befriedigung 
feiner natürlihen und rein menfhlichen Inſtincte, Ten⸗ 
denzen, Neigungen, denen jedesmal gemiffe Fähigkeiten 
(wie dem Wiffenstriebe die Intelligenz u. f. w.) entfpre- 
hen und auf vernünftige und freie eile dienen follen. 
Wegen des Nähern verweift Jouffroy auf frühere Vor⸗ 
lefungen: wir fönnen für Diejenigen, welchen die Sache 
eines tiefern Studiums werth ſcheint, hinzufügen, daß 
fi) der Inhalt diefer frühern WVorlefungen in der „Re- 
vue encyclopedique” von Leroux und Sarnot von 1832 
Ganuar, März und April) mitgetheilt findet, und bemer- 
fen nur noch, daß Jouffroy bier drei Brundtendenzen, 
den Wiffenstrieb, Tchätigkeitötrieb und Cinigungstrieb, 
curiosite, ambition und syınpathie, unterfcheidet. Es 
folgt aber weiter, daB dieſe Beftimmung des Menfchen 
fi auf der Erde nur unvolllommen erfüllen kann. Die 
Schuld liege nicht an der Organifation ber Gefellfchaft, 
und deshalb helfen auch Socialſyſteme Nichte, durch 
welche wol die Zahl Derer, die ihre Beſtimmung ver- 
fehlen müffen, vermindert, nicht aber eine völlige Har« 
monie herbeigeführt werden kann. Das Hinderniß liegt 
in der Beſchaffenheit ber irdifhen Dinge, wo Eines 
das Andere einfchräntt, Eines nur auf Koften des An⸗ 
dern feine Beſtimmung erfüllt, und menſchliche Klugheit 
hilft hier Nichte. Es ift aber nothwendig, da ohne daſ⸗ 
felbe keine Tugend, kein wahres Glück möglich wären, 
welche beibe die Befiegung von Schwierigkeiten zur we⸗ 


1874 


, 
tlichen Borausfegung haben, und fo ber Kampf erſt 
* — wahrer Perſonlichkeit des Menſchen 
führt. Es leuchtet hiernach ein, daß Jouffroy da, wo 
er Beſtimmung des — das abſolut Gute, 
ologiſch deducirt, auf Abwege geraͤth; nur ein 
ir (it, 199) ſchimmert ein höherer —E 
vielleicht ein Anklang der durch Ahrens in Frankreich 
bekannt gewordenen Krauſe'ſchen Philoſophie, durch. Da- 
bei iſt feiner ganzen Philoſophie gleichſam die Spitze 
abgebrochen; denn ungeachtet feine Begründung dee 
Buten und Sittlichen als eines Abfoluten und Gelbft- 
berechtigten, im .Begenfage des Senſualismus und ber 
daran knüpfenden agriftifchen Syfteme, alle Anerkennung 
verbient, fo macht doch feine Scheu vor allen durchgrei- 
fendern praftifchen Gonfequenzen, feine Averftion gegen 
jede Berührung politifcher und focialer Lehren einen ei⸗ 
genen Eindrud. Die Organifation der Geſellſchaft fchei- 
Jouffroy als etwas Bedeutungslofes aus: Jeder fol 
für ſich dem Guten nachſtreben, bie Hinderniffe, die in 
der actuellen Organifation der Gefellfchaft liegen, als 
Katurnothwendigkeiten hinnehmen und glauben, daß im 
Grunde der Wilde ebenfo weit kommen fönne als der 
Mitbürger eines ciolfifirten Staats, Hier liegt aber 
eben bie Schwierigkeit: wird dem Dienfchen feine Be- 
ſtimmung gezeigt, fo folgt die weitere Frage, wie er ſich 
gegen die ihm entgegenftehenden Hinderniſſe zu verhal- 
tm hat? Und hier liefert Jouffroy Nichts, was in dem 
Begormenen Streite des Beftehenden mit neuen forialen 
Syſtemen einem heilfamen Refultate näher führen konnte. 
&ine ferner bier zu nennende Erſcheinung find die 
„Essais de philosophie” von Charles de Remuſat (Pa- 
ris 1843). Der Verfaſſer gehörte ſchon unter ber Re⸗ 
ſtauration zu den Freunden Guizor’s und trat mit Die- 
fen und den übrigen Dortrinaires 1837 zur Oppofition 
über. Im Thiers'ſchen Minifteriam führte er das Por- 
tefenille des Innern und ſcheint nach Auflöfung dieſes 
Minifteriums mit großem Ernſte philofopdifhen Stu⸗ 
Bien obdgelegen zu haben. Die vorbemerften „Essais de 
philosophie” enthalten, außer Erpofitionen verfchiebenter 
Poitafenhtfäer Sufteme, infonderheit eine fehr leſenswer⸗ 
e Deduction üder den Werth und die Wichtigkeit ber 
iloſophie überhaupt, die er gegen bie Geringfchägung 
der Liebhaber eracter Wilfenfchaften und bes bios Nüg« 
Mchen in Schug nimmt. Der Berf. zeigt fehr eindring- 
Ach, wie die praftifche Politik der Philoſophie nicht ent 
ehren koͤnne, und Beffagt fi) über eine Richtung der 
Seht auf das blos Nügliche, welche aͤußerft verfländig 
und weiſe aufteiet, aber im Grunde ohne Geift und 
Gemuͤth if. Seine Bemerkungen berichtigen die Kla⸗ 
en tiber bie materielle Tendenz, der Zeit auf fo treffende 
md bezeichnen des Verf. feige Stellung zu ben 
Docttinatres ſo beutlich, daß wir eine Probe davon ger 
Ben mräffen. Er fogt: m j 
idt zwar igennügigbeit und Edeinuth, aber 
dea chen Pag Kane ve —— ver hereiqh eaden 
——sã——— 
ein Zuviel im Guten (ie Im Boͤfen und jedes Dpfer ſowle je 


— i— 


der Misbrauch unterſagt iſt. Selbſt wo ſich Aufopferung 
zeigt, verdeckt fie ſich doch mit dem Anſcheine von Berechnung 
md macht glauben, daß ihre Werke erſprießlich angelegt find 
und dabei die Vorausficht der Folgen nicht gefehlt Hat. Staats 

ewalt, öffentliche Meinung und Literatur find nur bemüht die 

flichte ng nuͤtllich zu machen und die Tugend zu intereſ 
ren. Sich eine Sage gu fchaffen oder ſeine Lage zu derbeſſern 
ift jezt Lebenszweck der Menſchen, und da die moralifcdh guten 
Mittel die fiherften find, fo wird die Tugend zu einem ein: 
trägliden Capital und die Moral einem Abſchnitte der 
Rationalöfonomie. Geht diefe Unficht in das allgemeine Be: 
wußtſein noch tiefer ein, fo geräth die Geſellſchaft in Befakr, 
fobald diefelbe durch irgend eine Beranlaffung erfchüttert wirt. 
Man weiß am Ende nicht was das Bolf eigentlich glaub, 
denn man weiß nicht was man felbft glauben fell. Ti 
Snterefien werden ihrerſeits darüber beforgt, daB fir ais 
Schutzwache nur andere Intereflen haben. Und was follte man 
aud für einen andern Schug haben? Die Zradition? Sir er. 
ftirt nicht mehr. Die Religion? Man will fie im Großen it 
Mittel zur Ordnung, ihre Einzelheiten, ihre Lehren, verlacht mar. 
Die Philofophie? Damit wiflen Künfte und Gewerbe Nichts anı. 
fangen. Und fo läßt man e8 denn vor der Sand bei der Porcei 
bewenden ... Was wird denn aber aus der Elite der Geſel 
ſchaft, aus der Wriftofratie, welche duch Reichtum und Gr 
ziehung überall über bie Menges erhoben wird? Sie iſt augen 
ſcheinlich intelligent und aufgeBlärt, fie kennt ihr Intereſſe und 
ficht den Nutzen regelmäßigen Lebens und guter Aufführunz. 
Sie wird gewiß immer vernünftig fein und überall die geb: 
rige Mäßigung geigen. &ie wird Starfgläubigkeit, Leidenſchaft 
lichkeit, Strenge und Umbefonnenbeit vermeiden, niemals fans: 
tifch werden, fich niemals bis zu einer Unordnung ober einer 
Selbftaufopferung für edle Zwecke vergefin. Ihre Sin 
werden fanft, ihre inpfinbungen gemäßigt, ihre Gewohnheite: 
regelmäßig fein. Sie wird Kits glauben, aus Furcht fi 
zu irren, fie wird Wenig denen, um fich nicht untfonft zu be 
müben, fie wird Ideen —* Syſteme und den Glauben für Fo 
natismus erklaäͤren, ſie wird Alles was fie beunrubtat 
Thorheit, Alles was fie bedroht Berbrechen nennen und tem 
Wolfe Shlaffpeit und Lauheit als die wahre Vernunft anpre- 
fen. Ihre Deviſe ift nichts Überflüffined, und Alles was it 
Beforgniß einflößt gilt ihr als überflüſſiges. Dennoch abe 
bleibt mitten in einer ſolchen Geſellſchaft doch bie Meniches 
natur unverloren, es gibt immer noch Einbildungsfraft um: 
Leidenfchaften. Glaubt ihr alfe, daß diefe fcheinbar verfläntigr 
Ruhe dauern wird? Wiflet, daß es Geiſter gibt, die ein ſelchet 
Zuftand gründlich langweilt. 

Es laͤßt fich nicht leugnen, daß mit diefer Schilde 
rung einer nüchternen —— das Syſtem de 
Doctrinaires getroffen wirb. Die polltifche Lehre dich 
Sekte iſt eine eklektifche; ihr Recept ift na Kerour 
„Prenez une dose de monarchie, une dose d’aristoer- 
tie et une dose de democratie, vous aurez la restan- 
ration ci le juste-milieu, et ce sera l'éclectisme“, ur! 
diefe politifche Seite wird — fowie die philefophifdx 
von Couſin, die fiterarffhe Seite von Villemain — ver 
Guizot vepräfentirt. Guizot's Syſtem tft bekanntlich der 
nach engliſchen Ideen zurechtgemachte Conſtitutiouaii⸗ 
mus, ber ſich durch bie vielleicht ebenfalls nach engſ 
ſchen Muſtern copirte Anhaͤnglichkett an das Beftebent: 
and das Preiſen von our happy constitation weſentt 
conſervitend geſtaltet. Du aber in Frankteich die Ber 
faffung und die Staatsanſichten nichts Altes und Par; 
begründetes find, vielmehr nach der Negation des gättir 
hen Rechts das Recht des Volkes erfhien, nm 3:4 


| Bott worerft mir bie Bourgeoiſte fi) geltend madhte, * 


umste das Eonfernieen n von vornherein bei Yen 
Peoceſſe des Werdens zu Hülfe genommen werden, und 


iR, fo fange diefer Proceß dauert, mehr ein Reprimisen 


a ein Conſerviren. Der Zortfchritt der in diefem Sy⸗ 
fıme gegen die Bergangenheit liegt, ift die Aufhebung 
des Bendaliemus, der Pfaffenwirthſchaft, der Adelsbe⸗ 
drüdungen und die Begründung einer Reihe von Inſti⸗ 
tationen, durch welche der moderne Staat zum Bewußt⸗ 
fein (wir bitten aus dieſem Ausdruck keine Confequanz 
zu ziehen) des Menfchen konmmt. Damit foll nad) dem 
systeme conservateur, wie jegt der Boctrinairiemus ge 
nannt wird, ein abfoluter Gewinn für die Gegenwart 
gemacht fein, bei dem fich diefe au beruhigen und ben 
Fertſchritt zu größerer Zreiheit, namentlich zur Theil⸗ 
nahme des Volkes an den für die Mittelclaffen errun- 
genen Bortheilen, ber Zukunft überlaffen fol. Der 
weitere Fortſchritt wird alfo nicht als ausgefchloffen be- 
trachtet, fondern nur entfernten Zeiten vorbehalten, wo⸗ 
mit denn der Übelftand eintritt, daß die Eiftigen und 
Unruhigen glauben, fie feien damit ad calendas graecas 
verwiefen, und die Frage: ob es Zeit zum weitern Fort⸗ 
ſchritt fei, praktiſch löfen wollen, unb daß alfo eine theo- 
wide Trage der Debatte zwifhen Emeute und Policei 
verfällt. 
So aufridtig wir nun auch Guizot's Gelehrſamkeit 
und die Sincerität feines Charakters fchägen, fo dürfen 
wir doch das Urtheil nicht zurüdhalten, daf das systeme 
eonservateur in dem jegigen Kampfe der Ideen und Ten 
denzen nur ein Palliativ iftz daß es fich gegen Krone 
und Volk in einer falfchen Lage befindet. Die Zalfıh- 
beit bdiefer Rage folgt aus der Verbindung zweier incom- 
patibler Säge: der Negation des göttlichen Rechts und 
ver Beſchraͤnkung ber damit Ratuirten Volksvechte auf 
jewi ſſe Elaffen, auf die Ariftofratie des Reichthums. 
Bas die Krone betrifft, fo fällt mit dem göttlichen 
Redyte Viel von dem Glanze der bloßen Perfönlichkeit 
inweg, und bie Neigungen des Volkes werden mehr 
uf Das Abſtractum der Verfaffung geleitet, ſodaß bloße 
Jerfonalien und Zamilienangelegenheiten nicht mehr bie 
Jebeutung haben fönnen, die fie unter dem alten Re 
ime hatten. Man weiß, welche Mühe fi) die Juli 
maftie gibt, gerade anf ihre Mitglieder allgemeine 
ympathien zu concenfriren: allein es iſt nicht zu leug⸗ 
1, daß der Erfolg zmeifelhafe iſt, weil ſich die Ab- 
htlichkeit mauder Mafregela nicht verbergen läßt. Die 
otationsfrägen liefern hierzu dem beften Beleg. Guizot 
d fein College Duchätel konnten nicht umhin gegen 
: 2egitimiften im Ian. 1844 in der Kammer bie 
„iEsfouverainetät geltend zu machen, und Guizot hat 
» ganz ähnlich wie früher bei andern Gelegenheiten 
iußert: 

On a parld & agi au nom d'un draft qui ve prtend 
Ydrienr A tous las droits, a nom d’um droit qui pretemd 
nsurer entier, impreseriptible, invielsbie, quand teus les 
res droits sont vields, su nom d’un pouveir qui n’se 
ce aucune Hmite, aucun contröle compiet er defmitif; 
nom d’um pouvoir qui ne peut pas se pordre hei - meme, 
que insenss, et qualuue incapable qui) suis! de qui km 


propies, qmei qui fasse, doivent teut suppester! C'est Ih 
de qu’on &p ia iögitimite. Vollk ie principe de Bel. 
grave-Square — — je suis profonddment monarchique, }& 
suis convaincu que la monarchie est le salut de ce pays, 
et qu’en sei best un excellent gouvernement; et ia mohar- 
ehle, je le sais, c’est P’ier6dit6 du tröne oonsacr« par le 
temps: cette lägitimitt-Ih je l’appreuve — mais toutes och 
hörsdites de race royale ont commence, elles ont commence 
un sertain jour, et il y en a qui ons fini. La nötre com- 
mence, la vötre Anit. 

Gewiß find dieſe Außerungen nit zu ſtark. Gelb 
nad Boſſuet, dem Erfinder des göttlichen Rechts, ift 
der Sturz der Dynaſtien zumeilen nöthig, und der ganze 
Unterſchied zwiſchen der Lehre Bofſuet's und ber der 
heutigen Minifter befteht blos darin, daß nach Diefen 
das Volk den Umflurz vollzieht, nach Jenem aber eine 
unmittelbare göttlihe Fügung, welde die Perverfität 
der Menſchen ſtraft. Da diefe Fügung fi immer 
menſchlicher Werkzeuge bedient, fo iſt der Unterfchied 
am Ende nicht groß. Dennoch aber find jene minifte 
tiellen Außerungen am Hofe mit Ungunft aufgenommen, 
zumal fie einen Zufag in der Adreffe der Kammer ver 
anlaft hatten, der die Nationalfouverainetät entfchiedener 
als je ausfpricht, und wenn man über den Hergang und 
die Entftehung der Dotationsfragen genauer unterrichtet 
wäre, fo würde man den Gegenfag zwiſchen Guizot's 
Staatsanfichten und den Anfichten des Hofes fchärfer 
beflimmen können. Gene Anfichten find theoretifche Uber 
zeugumgen, diefe find theilmeife Wünfche und Intereffew. 

(Die Fortfehung folgt. ) 





Die Annehmlichkeiten des Ausmwanderers in 
Auftralien. 

Die Sehnſucht, den Heimifchen Buftänden zu entflichen, 
hat in Deutſchland den Bid der Quropamüden auch auf Au— 
frealien gerichtet. Tacitus bemerkt im Eingange feiner ‚„„Ger- 
mania‘, daß nur die große Vaterlandsliebe der Deutſchen 8 
erftären lafle, daß fie ein fo umwirthliches Gebiet ſich zum 
Bohnfig auserſehen. Freilich bat fi in diefen beinahe 2000 
Jahren in befagter Dinfiht Alle umgeandert: ſchon Petrarca 
wnd Macchiavelli vor Jahrhunderten wiffen wicht Rühnens ge 
nag von der Annehmlichkeit Deutſchlands, insbefondere der 
Rheingegenden, su machen; aber — feltfame Ironie des Schich 
fals!"— aus eben dieſen gefegneten Rheingegenden fieht man 
heute ſcharenweiſe unfere Landsleute mit Hab und But auf: 
brechen und auf gut Glück einem ungewiſſen Schickſal entge⸗ 
gengehen, um Über dem Meere ſich eine andere beſſerr Hei⸗ 
mat a ſuchen. Man bat gut ſagen, die dem Deutſchen ange 
borrne Wanderluft frei Die Urſache dieſer neuen Völdermanderung. 
Ale Erfahrung fpricht Dagegen: es find feine ktiegeriſchen Se 
feite wie vor Alters, die daheim ohne Matbeſchaͤftigung mit 
dem Gchaverse neue Reiche gründen und das Gefek und bie 
ſtaatliche Drvaumg der alten in bie neue Heimat tragen. Dieſe 
‚neitgefchichtliche Beftimmung‘ ift den Unterthanen des Deut 
ſchen Bundes aus den Händen gefallen; fie gehört den zur 
Mommeskraft herungereiften germaniſchen Stämmen, ben Eng⸗ 
kändern, Nordamerikanern — ja ſelbſt Helländer und Franzefen 
nehmen Theil daran —, während ber Deutfihe überall, wo er nicht 
durtch die äußerſte NRoth zum Gegenteil gedrängt wird, Det 
Geßhafte bleibe, welcher dem Hange zur Behatrlichkeit am 
MWohnfg Alles, Alles upfert — die Freiheit des Bewegung 
wicht nur — nein, auch die Freiheit des Gedankens, des Glau 
bens und der Epecnlation, feine vigenfle Domaine won alten 


1876 


Beiten ber. Und trotdem die Shatfadhe der fleigenden Aus⸗ 
wanderung, dieſer Auswanderung ohne äußern Anlaß, ohne 
Unregung und Unterflügung von oben — biefer unwiderſteh⸗ 
liche Sporn für den neudeutſchen Charakter —, ohne Bürg: 
fchaft und Sicherftelung ihres Erfolgs: — wahrlid, diefe Er: 
fheinung ift eine bitterere und fchneidendere Kritik unferer Zus 
Rände als fie irgend ein Mann der ſchlechten Prefle liefern könnte. 

Wie gelagt, haben ſich feit geraumer Zeit die Blicke unfe- 
rer Auswanderer, namentlid Derer, welchen wegen Glaubens» 
swang die Heimat zum Kerker wurde, auch nad dem fernen 
Südfeecontinente, nach Reuholland, gewandt. Ganze deutfche 
NRiederlaffungen find dort entftanden, die mit ihrem Mutter: 
ande in feiner andern Verbindung ſtehen als daß dann und 
wann in den deutſchen Zeitungen ein Privatfchreiben von dort 
an einen Anverwandten in Deutfchland veröffentlicht wird, worin 

rößtentheild die Lage jener Auswanderer fo gefchildert wird, 
# Andere auch dahin verlodt werden. Lieft man jedoch die 
Befchreibungen unbefangener Reifenden über die Zuftände und 
die Ratur jenes Landes, fo wird man verfucht, eine ähnliche 
Frage wie Zacitus fie an feine Landsleute in Bezug auf das 
alte Germanien richtete, unfern Auswanderern hinſichtlich Po⸗ 
Ignefiens zu ftellen und ihnen zuzurufen: „Wer follte die deut: 
fchen Gauen verlaffen und auf langer und gefährlicher Secfahrt 
nach Auftralien wandern, es fei denn der Engländer, der auf 
jenen Küften wie in allen englifchen Rieberlaffungen fein Ba- 
terland wiederfindet!“ Welche Annehmlichkeiten den Auswan⸗ 
derer dort erwarten, erhellt auß einem jüngft erfchienenen eng- 
liſchen Werke: „Reminiscences of Australia, with hints on 
the Squatter’s life”, von C. 9. Hodafon. 

Der Verf. entwirft ein ſchreckliches Gemälde der Gefahren, 
weichen die Pflanzer befonders in Sübauftralien ausgefegt find. 
Giftiges Ungeziefer aller Axt, furchtbare Stürme und uͤberſchwem⸗ 
mungen und bie Angriffe der zu thierifcher Wildheit herabgeſunke⸗ 
nen Eingeborenen bilden das fürdhterliche Kleeblatt diefer Übel. 
Wir führen aus dem Buche als Beijpiel hier die Stelle an, wo der 
Berf. von den giftigen Schlangen fpricht, auf die man überall 
im Lande ftößt. Der Biß vieler derfelben tödtet augenblicklich. 
„Es find mir ſelbſt“, erzählt Hodgfon, „zu wiederholten malen 
deren aufgeftoßen und ıch bin Zeuge manches wunderfamen 
Entgehens aus Zodesgefahr geweſen. Einer meiner Breunde, 
der auf der Jagd gewefen, Fam nad einigen Stunden ermüdet 
su Haufe und war im Begriff, chne Ahnung irgendwelder 
Gefahr, ſich auf eine Pritfche zur Ruhe zu legen, als er von 
einem Anwefenden, welcher cine große braune Schlange, die auf 
der Dede zufammengeringelt lag, bemerkt hatte, fchnell zurück: 
geriffen wurde. Er war tödtlich erfchroden, aber wie durch 
die Vorfehung gerettet. Mit der Schlange wurde man freilich 
bald fertig.‘ Ein anderer Freund gebrauchte auf einem Aus: 
Auge feinen Sattel wie üblich als Kopfkiſſen wahrend der Nacht, 
und als er am Morgen die Satteldeddel aufbob, fand er eine 
große Blindfchleiche Darunter liegen. Er ließ fogleich den Sat: 
tel fallen und erfchlug das Gekreuch. Als wir eines Tages 
unfere Pferde tränkten, ſah mein Gefchwifterlind eine ſchwarze 
Schlange halb und halb außer dem Waflers er erfchoß fie und 
legte fie auf einen Ameifenhaufen, um zu fehen mas Die Amei- 
fen damit anfangen würden. Während wir damit befchäftigt 
waren, kam das Weibchen auf uns zu und fchlängelte ſich ın 

roßem Zorn über meinen Buß; es wurde gleichfalls mit ber 
Flinte erlegt. Als wir weiter reiften, ſahen wir eine Blind⸗ 
[ieihe au eine arme Wachtel zufchießen,. die wie durch Zau⸗ 
er feftnebannt fih an den Boden fihmiegtes wir ließen den 
armen Vogel als Opfer fallen und fuchten dann die Ratter zu 
erlegen. Der geführte Streich erreichte den Zweck nicht, das 
Ungeziefer fprang drei Zuß weit auf meinen Freund zu, der 
jedoch unverlegt entkam; fpäter gelang es uns daffeibe zu 
toͤdten. Als wie eines Zaged am Main⸗Range lagerten, um 
Borke zu ſchneiden, mußte ich zu einer Meinen Lache hinunter» 
Reigen, um Waſſer gem Theekochen zu holen. Als ich mich 
zu diefem Zwecke bdüchte, Bam eime große ſchwatze Schlange zi⸗ 


ſchend und geifeend auf mid, zugefcheffens ehe ih mih ng 
von meinem Schredden erholen Eonnte, war fie uber meinen Ya 
inweg auf die entgegengefehte Seite des Waſſers gekrochen 

dh war d erfhroden, um auf fie ſchießen zu können, ohmd 
ih das Gemehr bei mir hatte. Roch zwei Beifpiele werde 
genügen. Das Töchterlein eined meiner Freunde, das im Ark 
nen fpielte, war im Begriff Etwas aufzuheben, was fe ſu 
ein buntes Stüd Holz hielt, fo gerad und unbeweglich lag d 
dba, ald der Bater das Kind zurüdrief. Die Schlange — den 
ale folche erwies ſich das anſcheinende Stuͤck Hol; — wik 
fih fonnte, war eine große Diamantfchlange gegen neun Kaf 
lang. Ginft faß ih mit meiner Schwefter, nachdem die Kin 
der zu Bett waren, no auf und wir waren nicht weniz u 
Furcht, da wir vernommen hatten, daß während des Zayi 
im Haufe eine Schlange gefehen worten war. Während wi 
im tiefen Geſpraͤch begriffen dafaßen, hörten wir aufden Che 
dein und dem Sparrwerk des Daches ein feltfames Ziſchen u 
faben zu unferm reden eine fcheußliche gelbe Schlange gt 
rade über unfern Haͤuptern hängen, als fände fie im Beanf 
auf uns berabzufpringen. Entfegt fuhren wir auf, ſchnel mır 
ein Gewehr berbeigeholt und das Ungethüm erlegt: id fat 
zwei Mäufe in feinen @ingeweihten, um derentwillen eb m 
ohne Zweifel feinen Beſuch abgeftattet hatte.” Ban den Ku 
men, welche fortwährend in dem Lande der Sehnſucht via 
unferer Yuswanderer haufen, erzählt Hodgfon Folgendes: „34 
babe ganze Waldungen ihres Laubes beraubt und fo kahl jr 
macht gefeben, wie die Korfte in England im Winter da 
ich habe das Gras fo zufammengefehmettert gefunden, daß ad 
nicht ein Halm aufrecht fland und die Erde ausfah als wur 
eine Schafheerde darübergejagt. Dies hatte im Speak 
durch ein Hagelwetter ftattgefunden. Ich fah wie ein Ch 
hirt halbtodt zu Haufe Fam, vom Kopf zu Fuß vol Auetigar 
gen und Blut, während 40 Stück feiner Heerde auf der Et 
todt geblieben waren. Ich habe eine Ebene 16 engliſche Ber 
len lang zum See umgewandelt gefehen, fodaß das Waſſer mer 
nem Pferde oft bis zum Halfe ging und mein Hund ya 
weite Strecken weit ſchwimmen mußte. Dies ann einen S 
griff von unfern Regengüffen geben.” Diefe Thatſachen fltn 
unfere Auswanderer doch warnen, in ein Rand zu gehen, n 
fie im beften Falle die Kothſaſſen der Engländer werden 





Literariſche Notiz. 


Cooper's neusfter Roman. | 

Schon Paulus hat es geſagt, daß Alles feine Zeit bt 
Auch die Leiftungen des Schriftftellers. Er geht bergauf ft - 
bergab. Wenigen gewiß, wenn Einem, war es befcjieden, ze 
lang zu fehreiben gleich frifch, gleich elaftifch, gleich ii 
Und doppelt bemerkbar macht fi) Das an Denen, die ſich 9 
abgefchloflenes Fach gewählt. Wlfo Fein Wunder, mem D 
faft allgemeines Schickſal auch Fenimore Cooper erreiht, U 
der von jeher nur in feinen Hinterwälbern und unter Jedu 
nern beimifch war und in einer cigenen Claſſe von AbentexD 
fi zwanglos bewegte. Glüdlicher als Andere, die, nachdes ſe 
lange und Viel geſchrieben, in Charakteren, Intriguen un ® 
eigniffen fich wiederholen, wechfelte er Scenen und Fer 
war neu und fchien umerfchöpflich inmitten früherer Stibe 
rungen. Auch fein jüngfter Roman: „Raveu's nest; or. 
Red Skins’ (3 Bde., London), ift noch Beine Wiederholung, #% 
das Neue, welches er hineingelegt, verräth zu fichtbar den Bat 
neu zu fein, und die ermangelnde Kraft ed wirkfam im 
konnen. Er fpeift die Lefer mit politifhen Betrachtung I 
und ber Novellenlefer, der politiiche Betrachtungen überidi 
beweift dadurch am ſchlagendſten, daß fie in der Novak @ 
unrechten Drte find. Gange damit angefüllte Gapitel rer? 
das Fortfchreiten der Gefchichte, die ohnedies von dürftige 
findung iſt. Sie dehnt und dehnt ſich bis der GSeduldfarten 9 
Befers reißt und Cooper nicht mehr fein Liebling ik. | 


Berantwortlicher Heraußgeber : Geiurich Brockzans. — Drud und Verlag von B. X. Brockbaus in Leipzig. 








u Bla 


tter 


für 


literarifbe Unterhaltung. 





Breitag, 


Moderne Rechts: und Staatöphilofophie in 
Frankreich. 


(Bortfegung aus Nr. 34.) 


Gegen das Bolt ift die Stellung der Doctrine eine 

nicht minder falfche. Diefes laͤßt ſich ſchon aus der 

Heftigkeit der Angriffe abnehmen, welche feit 14 Jah⸗ 

sen gegen biefelbe gerichtet find. Iſt mit der Vernei⸗ 

nung des göttlichen Rechts bes Throne ein Mecht des 

Volkes anerkannt, fo wird fit) nun aud das Volk def. 

felben bemeiftern wollen. Zunächſt läßt man daher, um 

Drbnung zu bewahren, nur diejenigen Volksclaſſen zu, 

bei denen man Intereffen für die Ordnung vorausfept, 

und zieht, was fi noch aus der erfien Revolution her- 

fhreibt, die Grenze durch den Wahlcenfus. Die weitere 

Entwidelung des einmal gegebenen Principe ift dann 
die Erweiterung diefer Grenze, und mo vom „Fortſchritte“ 
in den Einrächtungen die Rede ift, denkt man an Ber: 
minderung des Genfus und Zulaffung der Capacitäten. 
Der Doctrinairismus hält an dem jegigen Mittelzuftande 
feft, ohne über die Gründe dieſes Zefthaltens Mar zu 
fein. In Bezug auf den Cenſus fagt Guizot (1. März 
1843): „Das Cabinet glaubt nicht, daß folche Werände- 
zung jegt an der Zeit fei, es hält nicht aus fuflemati- 
ſcher Feindſchaft gegen den Fortfchritt, fondern im In⸗ 
tereffe des Landes, im Intereffe der öffentlichen Freiheiten 
den Augenblid dazu noch nicht für geeignet.” Und in 
Bezug auf die Capacitätenfrage fagt Guizot (15. Febr. 
1812), dag nad) Yuflöfung der alten Stände die ganze 
Nation eine moralifhe Einheit bilde, und daß von po- 
itifhen Rechten Niemand ausgefchloffen fei, indem der 
Jöher Befteuerte und Reichere immer den Armern re: 
räfentire : „il ne l'exclut pas, il le represente, il le 
yrotege, il Jefend les memes interets.” Wir können 
ner nicht tiefer in das Syſtem Guizot’s eingehen, und 
vollen dieſe Gelegenheit nur benugen, auf ein Buch von 
Segoffin, in welchem dieſes Syſtem mit Gewandtheit 
ertheidigt wird („Du systeme conservateur, examen de 
ı politique de M. Guizot et du ministere du 29 
ct. 1840, par un homme d’etat”, Paris 1343), auf: 
erffam zu machen. Ebenſo wenig würde hier der Drt 
in, die ſich vom syst&me conservateur an bis zum 
epublikanisſsmus bin abfiufenden verfchiedenen conflitu- 


— Nr, 345, — 


11. December 1846. 


tionnell «liberalen Parteien zu ſchildern: es würde faft 
gar nicht von wiffenfchaftlichen Leiftungen die Rede fein 
fonnen. Die Angriffspunfte, welche das systeme con- 
servateur bietet, find fämmtlich benugt. Als zwei be- 
fonders bemerkenswerthe Angreifer wollen wir nur Thiers 
und Ramartine nennen, Thiers macht bei den Adreß⸗ 
bebatten von 1844 geltend, daß man fomwol dem con- - 
fervativen Element als den Fortfchritt Eonceffionen ma- 
hen und beide vermitteln, nicht aber nur conferviren 
müffe. Er fucht alfo eben die Stellung einzunehmen, 
welche die Doctrinaires früher eingenommen hatten, und 
weldye, wenn er wieber Minifter würde, die Oppofition 
gegen ihn einnähme. Kamartine hat in feinem Blatte 
„le bien public”, und in feiner Schrift „L’etat, V’eglise 
et l’ens:igneiment’ befonders die Inconfequenz und Halb- 
heit des systeme conservateur angegriffen. Won den 
beiden Principien einer Unterordnung des Staats unter 
Privatintereffen und dem der Herrfchaft der allgemeinen 
Intereffen habe legteres gefiegt, und aus diefem Grunde 
fei die Politik, welche das Alte noch confervire und bie 
Folgen diefes Siege reprimire, falfh. Hieraus folge 
Wahlreform, Abfhaffung der Pairskammer u. f.w., und 
unter Anderm auch eine durchgängige Trennung der 
Kirche vom Staate. Ramartine bleibt dabei auf dem 
eigentlich politifchen Felde und hält fi von focialifli- 
fhen Tendenzen fern. Seltener find dagegen — von 
einigen firengen Legitimiften abgefehen — die Angriffe 
auf das Princip des onftitutionalismus ſelbſt. Wir 
tönnen hier nur Henri Fonfrede nennen, Deffen nad» 
gelaffene Schriften jetzt herauskommen. Fonfrede hat 
einen Berührungspunkt mit Stahl in der Entgegen» 
fegung des Willens der Einzelnen und einer höhern 
Macht, die im Staate herrfchen fol, nur daß er nicht, 
wie Stahl, dennoch eine Repräfentativverfaffung die 
ernſtlich gemeint wäre für moͤglich hält. 

Den Politikern, die unfere Regierungdmafchine organifir 
ten — fagt er — fehlte ed an Kenntniß der Ratur ded Men: 
fhen. Sie glaubten im menſchlichen Willen die Quelle des 
Geſetzes und in der Wahl die Quelle der Gewalt zu finden. 
Erfteres ift unfinnig, Letzteres widerſinnig: zwifchen dem Wil» 
ten und dem Gefege eriftirt Feine Beziehung, Feine Analogie 
(Stahl fpricht Hier von freier Aneignung, der Unterwerfung 
unter Gefege die man felbft gebilligt, und findet fo eine Be⸗ 
ziehung), zwifchen der Wahl und der Gewalt aber Herrfcht un- 

ı verföhnliche Antipathie. Die Wahl fchafft Feine Gewalt, fon- 


1378 


dern zerftört fie, jede gewählte Gewalt Hört durch das Factum 
der Wahl felbft auf eine Gewalt zu fein und ift alfo zum. 
Negieren unfähig. 

"Wenden wir uns nun von biefen praßtifch politifchen 
Richtungen zu den — Freilich in Frankreich wicht Scharf 
davon abzugrenzentien — mehr thsoretich und ſpeculativ 
gehaltenen Leiftungen, fo find bie Arbeiten von Lermi⸗ 
nier, Matter, Alleg und Schügenberger, auf bie wir, 
als nicht der ganz neueften Zeit angehörig, bier nicht 
eingehen koͤnnen, nocd nicht übertroffen. Eines bebeu- 
tenden Einfluffes erfreuen fi) noch immer Lerminier's 
Schriften. Lerminier wollte duch genaue Analyfe der 
werhandenen Gefege unb Berückſichtigung ber Geſchichte 
und Philoſophie Das werden, was Montesquieu war: 
feiber ift er indeß zu deelamatoriſch und zu oberflächlich, 
um fich diefem Ziele bemerkbar anzundhern, und biefe 
Mängel fiheinen zu fehr in der ganzen Zeitrichtung zu 
liegen, als daß wir von neuen Schriftſtellern ein er 
folgreicheres Arbeiten hoffen bürften. Bei Montesquieu 
findet man nach Deffen Marime: „I faut dclairer les lois 
par l’histoire et.l’histoire par les lois, umfaffende Detail- 
ſtudien und freifich etwas enge, aber doch fcharfe und präcife 
allgemeine Geſichtspunkte. Jetzt geht man in Frankreich, 
fobald man fpeculirt, dem Detail der Dinge gar nicht 
mehr fo nahe, fondern hält ſich in der MWogelperfpective 
und fucht nach recht allgemeinen Kategorien. Mit eini- 
gen Glaffificationen und allgemeinen Anſchauungen ſtellt 
man ſich über die Gefchichte der Menfchheit und den 
ganzen Wirrwar der politifchen und religiöfen Ideen. 
An der Religion verblaßt und verſchwimmt baher Allee 
zu pantheiſtiſchen Apperceptionen und phllanthropifchen 
Empfmdungen, in Recht und Politik verliert man Fa⸗ 
milte, Gemeinde, Staat und alle concreten Einzelheiten, 
und richtet fich an die Dienfchheit ober bie Gefellfihaft — ein 
unbeſtimmtes vom Staate abftrabirendes Ding —, wo⸗ 
für man nad) Geſchmack, Empfindung und Symmetrie 
wene Organifationen aufbaut. Wir müffen dieſe Rich⸗ 
sung des franzöfifchen Speculirens fcharf ins Auge faf- 
fen, um zu erfenmen, wie unbegründet ber in Deutſch⸗ 
band gegen Hegel ausgefprochene Vorwurf iſt, als ver- 
nachläffige Derſelbe das conerete Detail und verfahre 
dabei willkürlich und oberflählid. Meift zührt dieſer 
jest fo oft nachgebetete Vorwurf von Solchen her, die 
ſich entweder durch Angriffe auf Hegel Gunſt verdienen 
wollen, ober feine Werke nie flubirt haben und meinen, 
durch Anfeindungen eines einzelnen Detailpunfts ihn 
beurtheilen und ſich aber ihn flellen zu können. Haben 
wir aber jenen Vorwurf gegen die Franzofen ausfpre- 
hen müffen, fo fell damit nicht geſagt fein, daß wir in 
Deutfdland viel Grund hätten, uns beshalb über fie 
au erheben. Zumächft ift es nicht zu beftreiten, daß feit 
Kraufe und Hegel für Rehts- und Staatsphilofophie 
in Deutfchland nichts Bebeutendes gefchehen if. Dann 
mangelt den Frauzoſen freilich eine Dauptfache, ein ſo⸗ 
Ines philofophiſches Syſtem; Aber auch in Deutſchland 
füngt man jegt an, bei Rechts- und Staatstheorien die 
philoſophiſche Baſis zu -vernachläffigen, ‚und dabei bleibt 


der Unterfchieb, daß die Franzofen immer mit Geil und 
Gewandtheit über bier einfhlagende Gegenftände fihrei- 
ben und braudbare Geſichtspunkte liefern können, wäh 
rend die deutfchen Polifiter, welche kein philoſophiſchet 
Syſtem Haben, Nichts als breite Excurſe aachen, in be 
nen fie fi) mit den dürftigſſen Kategorien und Rent 
arten begnügen, ſodaß der Lefer am Ende fo Hug if 
wie am Anfange. Das Rotteck-Welcker'ſche ,, Staatt- 
lexikon“ enthält Hierzu eine Beifpielfammlung. 
(Die Zortfegung folgt.) 





Zur Erklärung der „Divina commedia” 
des Dante. 


Nuovo esperimento sulla principele allegoria della Divins 
commedia di Dante Allighieri fatto da Marco Giovenıi 
Ponta. Rom 1843. 


Die Werbe des Genius enthalten den Keim eines ewigen 
BWerdens; fie wachen fort in der Zeit und tragen für jede Ge: 
neration neue Wunderblüten. Keine Periode vermag die Er 
kenntniß ihrer Schönheiten zu erfchöpfen; jebe entdeckt neue, bi 
dahin verborgene und ahnt die, deren Gathüllung einer po 
tern Zeit vorbehalten ift. 

Diefe Räthfel in den Echöpfungen des Genius, Die er cf 
unbewußt in fie legt, dieſe ewig neuen DOffenbarungen, u 
die fie fih für jeden neuen Forſcher verwandeln fönnen, bil 
den wol vor Allem das heilige Myfterium, das bem Literar; 
fchen Eultus zum Grunde liegt wie jedem andern; denn kei 
irdiiher ruht blos auf dem Erkannten, dem Bar Gefchauten, 
fondern auf tem Gefühle der wunderbaren Geheimniffe, welche 
die heilige Scheu und das fehnfüchtige Streben des Rabers 
und Erkennens wecken. 

So iſt denn jene Sehnſucht, immer neuen Sinn in be 
erhabenen Worten des Dichters zu finden, immer neue Rüt 
fel zu entdedten und zu enthüllen, auch die Seele des Dum:- 
Eultus. Sie zieht die Verehrer tiefer in den heiligen Raum 
des hoben Werkes. Das umgibt fie wie ein gothifcher Tem 
mit gebeimnißusiien Schatten und feierlicher But. Doch Deu 
nur der lange bier weilt, der fein eigenes Selbſt vergist u 
fih ganz verfenkt in die erhabene Umgebung, wird ihre were 
Bedeutung klarer; er nur empfindet Hol das Geiſtige, dus bir 
ter der Erſcheinung verborgen liegt, den Bimmelsodem de 
um ihn in bohen Formen verkörpert ift. 

Nicht jeder Dante Forſcher dringt fo felbftvergefferi Hingebeab 
in das große Werl. Das eigene Ich fpiendt ſich baue = 
den Erklärungen, häufig enthüllen die Commentatoren mes 
den eigenen Geiſt als den des Dichtere. 

Ob auch Ponta, Verfaſſer des obengenannten Bertes 
Died gethan, vermag Ref. nicht zu entſcheiden. Icpenfalt 
muß bas beſchauliche geiftliche Leben das er führt, jemes r» 
bige, innige Sindringen in den fremden Geift ümfligen, x 
denfalls fcheint fein Streben, Dante durch Dante felbk zu 
klaͤren, fich in allen zweifelhaften Punkten an Deflen eigene =r: 
derwaͤrts außgefprochene deutende Worte zu wenden, Die tzr 
Bein Stellen durch Bergleichung mit Deffen. Grundanfichten. die 
in den verfchiebenen. Schriften ſich ausſprechen, zu erbellen, der 
Weg zu bezeichnen, auf dem man am freieften von dem Felle. 
eigener Phantafie und eigenen Vorurtheild die wahre Rear; 
des Dichters erforfchen koͤnne; und jedenfalis kann eine folk: 
Grölärungsweife nur das Ergebniß einer langen Befdphfrigsres 
einer inntgen Belanntiaft mit den Werfen bes Dichters icz, 
ſodaß man denn mol dies Feine Buch wie Die abgeriffieme Bi 
eines Baumes betraihten mag, der Jange Jahre des sh 
thums bedurfte um eine ſolche zu tragen. 

Wie -erwähnt, iſt es nicht der Zweck diefer Zeilen, em I 
theil süber die objertive WiuyEheit: ber Eugebnäffe iener !ikarın 








41899 


autzuſprechen, ſondern der allein, die für bie Kritik befähigten 
Donte: Kenner zur Beachtung ded Werkes anzuregen. Zu dem 
Ende wollen wir in Kürze deffen Inhalt ffizziren. 

In der Sinteitung berührt Ponta die verfchiedenen Be- 
frebungen feiner Vorgaͤnger und nennt unter Diefen insbefon- 
dere Foscolo und Rofetti ald Solche, die vermöge ihrer Alles 
negirenden ultrarevolutionnairen Geſinnung unbefähigt feien, 
ben Dichter zu erklären, der Religion und Monardie, die er 
tindlih verehrte, in feinem Werke, dus, wie Petrareca fagt, 
eine Eingebung des spirito santo war, verberrlidhen wollte. 
So deutet er zugleich den politifch » religiöfen Standpunkt an, 
von weichem aus allein er ein Eingehen in Dante's Geift für 
möglich Halt. Darauf erwähnt er die verfchiedenen Allegorien, 
weiche die Grblärer der ‚Divina commedia” in ihr voraus: 
fehten: zuerſt Die ältefic, Die den selva oscura für das lafter: 
bafte Leben des Dichters, in das er fich verirrte, die drei wil⸗ 
den Zhiere für die Sinnbilder feiner Hauptlafter anfeben und 
unter dem leuchtenden Berge, che & cagion di tutta gioja, 
die Zugend und natürliche Gluͤckſeligkeit verftehen läßt und Be⸗ 
flätigung fucht in den Worten des Dichters: Fuori della retta 
via era amarrita und andern, in feinem Wunſche: di risanare 
della sua.cecitä, — di ritornare & casa per questa nuova 
strada, in dem ‚Staunen Beatricens bei ber erften Begegnung 
des Freundes darüber, daß er es wage, dem Berge zu nahen, 
dore è l’unmo felice (alfo wo nad Dante's Grundfägen ber 
Zugendhafte lebte), in den Abfchietsworten an feine Wohlthaͤ⸗ 
terin (Parad.,c. 31): Si che l’anima mia che fatta hai sana, 
iacente a te dal corpo si disnodi. Darauf die zweite, bie 

in dem Walde das Elend des Erils, in den drei wilden Thie— 
ren die drei Mächte Florenz, Frankreich und Rom, die fi 
Dante’ Rückkehr in die Heimat widerfegen, und im „Veltro‘ 
den Can grande, von welchem Dante Hülfe für feine Partei 
erwartet, verfteht und die Entftehung des Gedichte aus dem 
WBunfdye, Durch den mit demjelben erworbenen Ruhm die Ruͤck⸗ 
berufung aus der Berbannung zu erlangen, herleitet. Die 
dritte endlich, die unter dem Walde ebenfalls das Exil des 
Dichter, doch unter den drei wilden Zhieren die Lafter von 
Florenz, Lie ehrgeizigen Abfichten Frankreichs, die unrechtmä⸗ 
ßige Habſucht und Herrſchſucht Roms verfteht und dem Did: 
ter einen höhern Zweck unterlegt, den: durch fein Werk eine 
religiös : moralifche Reftauration unter feinem Volke zu bewir- 
en, ſowie er eine politifhe von ber Erfcheinung des Can 
erande hofft. 

Zudem Ponta dann darlegt, daß Peine diefer Allegorien 
wirklich ausfchließlih im Gedicht gefunden werden koͤnne, tadelt 
tr an der erften, daß fie ſich nur auf die Perfon des Dichters 
beziehe, auf Deflen eigenes lafterhaftes Keben, während er wie 
erholt Die Lafter der Gejellfchaft, der ganzen Welt geißle, die 
Befchrung Der erranti anſchaue a pro del mondo errante 
Purg., c. 32, v. 103; c. 33, v. 54) und fih über zu viel 
ehren und Anweiſungen, ald die zu feiner eigenen Bekeh⸗ 
ung nötbigen, verbreite; ferner daß fie unter den drei wilden 
bieren Dante's Haurtlafter verftehe, während er doch ſchon 
us dem Walde det Irrthums entfloben, alſo feine Bekaͤm⸗ 
fung deſſelben — für ſich — mehr nöthig fei. 

Bon der zweiten Allegorie fagt er, daß fie dem Gedicht 
nen zu geringen Zweck unterlege, der auch durch ein anderes 
6 dies heilige Werk erreicht werben Sonnte, in welchem übri» 
nd die Wlorentiner fo ſcharf gegeißelt find, daß es ihm eher 
n ewiges als ein verkürztes Eril gewinnen mußte. 

An ber britten Auslegung endlich, die dem Gedicht die 
thergenannte Allegorie, aber einen andern Bwed: bie mora⸗ 
he und politiſche Reſtauration der verführten Geſellſchaft, 
terlegt, tadelt er, daß fie, während die vorigen ſich nur auf 
ante'sẽ Perfönlicgleit bezögen, ganz von biefer abfähen, und 
ch gehöre Dante mit zu jenen Berführten; er befand ſich mit 
en im Walde verirrt, um feinetwillen verließ Beatrice den 
mmet, für feine Rettung bemübten ſich die drei göttlichen 


auen. Der Beſuch der drei Reiche mußte zuerft in ihm eine 


moralifche Reſtauration und ‚dann fein Beiſpie e Erzaͤh⸗ 
lung des Geſchauten auf die Gefellfchaft Tale nr 4 
beit er an ihnen, daß nach ihnen Dante eine politifche Beflow 
ration durch Can grande erwartet ‚babe, während der Haye 
Geift des Dichters zu ihrer Bewirtung einen Mädhtigesn, einen 
Kaifer erwarten mußte. Von der zweiten und dritten Allege 
rie aber fagt Ponta: „Sollte der Wald das Elend des GErils 
bedeuten, wie war Dante noch elend, da er ihm entflob? Wie 


paßt zu der Annahme Beatrice's frenger Zadel? Warum 98 


fteht er weinend, daß er neun Jahre lang in jenem Weide 
umbergeirrt ſei? Warum führt ihn, den Meuigen, Mathilde 
zum Lethe, damit er die Erinnerung jeder Schuld verliere? 
(Purg., c. 30.) Wie Eonnte er im Himmel verfichern, daß 
er „vom Menſchlichen zum Böttlihen, von Florenz zu dem 
gerechten und gefunden Volke gekommen ſei“ (Parad., c. 3, 
v. 86), wenn er nur dem Elend bed Exils entflohen wart 
Wozu Die Abſchiedsworte Virgil's ? (Purg., c. 27, v. 149.) 
Barum jagt Dante, aus dem Fegefeuer emporfteigend: Io 
ritornai disposto a salire alle stelle? Wozu endlich der 
Schluß des Gedichte: All’ alta fantasia etc. Danbelt et 
nicht allein von der Vergöttlihung des Wunſches und Willens 
des Dichters, von ſeiner geiſtigen Vervollkommnung ohne Be⸗ 
—A feiner Verbannung aus der Heimat?” „So⸗, fährt 
Ponta fort, „Bann uns zwar feine der Allegorien für den ex 
babenen Stoff ded Werkes genügen, dennoch jede uns einen ber 
Baden reihen, aus denen fein geheimnißvolles Gewebe befteht." 

Ehe er nun aber die von ihm felbft aufgefundene, durch 
Dante's eigene, in allen feinen Schriften dargelegte Gruntfähe 
angedeutete und beflätigte Allegorie darftelt, nennt er diefe 
Grundfäge Dante's, auf denen, wie alle feine Werke, auch bie 
„Divina commedia‘ ruht. &ie find nad Ponta folgende: 

Gott gründete auf Erden zum Wohle der Menfchen eine 
Ordnung, der glei, durch die er die ganze Welt regiert 
(Monarchia, lib. I, cap. 6, 7 u. 8). Wie er die Bewegun⸗ 
gen der Himmel durch Vermittelung von Kräften (intelligenze) 
leitet, fo mittels feiner Stellvertreter die der Erde, der Ge⸗ 
ſellſchaft. Zweierlei Gluͤck kann der Menfch erreichen, das 
zeitliche und ewige, zweierlei Stellvertreter Gottes follen 
ihn zu diefem führen (Mon., lib. 3 Ende). 

.Alſo gibt es gweierlei Monarchien auf Erden: 1) die zeit⸗ 
liche, unfere Wohlfahrt im bürgerlichen Leben umfaffend, für 
bie Gott einen Stellvertreter beftimmte, den wir Kaifer nen: 
nen, den hoͤchſten Richter der menfchlichen Gefelifchaft und Al⸗ 
ler die fie in feinem Namen bilden (Mon., lib. 1, cap. 10, 11; 
Conv., trat. 4,cap. 4). 2) Die geiftliche, die unfere himm⸗ 
liſche Seligkeit bezwedit und über die des Kaifers erhaben iſt. 
Hier iſt Gottes Stellvertreter der Papſt, der mittels ihm un» 
tergeorbneter Führer — Bifchöfe, Priefter — den geiftlichen 
DBerband der Menfchen, die Kirche, zur Gewinnung geiftlichen 
Gluͤcks leitet (Mon., lib. 3). 

Die Kirche, ob fie zwar geiftiger Natur und ihr Reid 
nicht von Diefer Welt iſt, bedarf doch, zur Erhaltung ihres 
Sultus, zur Uusübung von Liebeswerken eine eigenen Staa⸗ 
tes, wo ihr Haupt als kaiſerlicher Bicar herrſcht. So ift 
diefer weltliche Befig Fein ungeredhter. „„Venerunt bene..... 
quia bene data‘ (Mon., lib. >, cap. 10, 13) 

Die päpftlichen Kirchengefege, Decretalien, verehrt er, 
doch nicht fo wie die Heilige Schrift, Die allgemeinen Concilien 
und die Heiligen Väter. 

In Allem ehrt er die Kirche, den Begriff des Yapfts 
thums, und richtet feinen Zorn nur gegen die Individuen, 
bie ihr heiliges Amt beflediten, und obgleich er allenthalben in 
der „Monarchia ” die irdifche Unabhängigkeit des Kaifers vom 
Papfte beweift, ftellt er Doch durch den Vergleich bes Papftes 
mit der Sonne und den bes Kaifers mit dem Monde (Mon., 
Ende) die päpftlihe Würde viel höher. 

Rom ift nach göttlicher Beftimmung ber Sitz bed Pap⸗ 
ſtes und des Kaifers (Mon., lib. 2; Inf., c. 2, v. H9—AL24; 
Parad., c. 16, v. 1035110). 








1880 


- x erkennt an, daß der Weg zur irdiſchen, natürlichen 
Stücfeligkeit den Menſchen durch die Philoſophie und ihren 
Meiſter Ariftoteles gezeigt iſtz doch muß auch fie mit Anerken⸗ 
nung der kaiſerlichen Autorität verbunden fein, um den Men- 
fchen nicht gefährlich zu werden, wie wiederum der Kaifer an 
fie fih Halten muß, daß feine Macht nicht übergreife (Conv., 
trat. 4, cap. Conv., cap. 6). 

Ebenfo muß die Philofopbie alle einzelnen Fürften leiten, 
damit fie innerhalb ihrer Grenzen und dem Kaifer unterthan 
bleiben (Conv., trat. 4, cap. 4 

Die beiden Slüdfeligkeiten nennt er: die eine das irdi: 
fe, die andere das himmliſche Paradies. Zur erften 
gelangt man durch menfchliche Vernunft, durch eigene Tugend 
mittels philofophifchen Unterrichts; zur andern nur durch geiſt⸗ 
Uche Belehrung , göttliche Offenbarung. Beide Wege zu beiden 
Beligkeiten zu ſuchen und zu verfolgen bedürfen wir der Fuͤh⸗ 
ger, die uns anfpornen und zügeln, bedürfen wir einerfeits des 
Kaifers, andererfeitd des Papſtes (Mon., lib. 3). 

Die Tugend alfo geht nah Dante nur dur philofophis 
ſches Studium, durch Wiflenfchaft der Moral hervor. Wer 
Be Tugend ausübt, ift zeitlich glüdlich (Conv., trat. 

‚cap. 14). 


Der Jüngling, um einzugehen nella cittä dei ben vivere, 
muß geborfam fein. Darum würde er den Weg aus dem 
Walde bes Irrthums nicht finden, wenn er ihm nidht von Hö—⸗ 
been gezeigt würde, wenn er ihrem Befehle nicht gehorchte 
(Conv., trat. 4, cap. 7, 14). 

Der ift todt (gelangt nie zur Stadt des Lebens), der fi 
nicht zum Schüler macht. Menſchlich leben wir nur, indem 
wir die Vernunft gebrauchen; fie verwerfend hören wir auf 
Meni un fein, werden Thiere in Menfchengeftalt (Conv., trat. 

‚cap. |). 

Freiheit ift der freie, fchnelle Gehorfam den Gefegen, 
der freie Zug des Willens das Geſetz zu befolgen. Das Ur: 
theil ift frei, wenn durch daſſelbe erft die Begierde, die Rei: 
gung erregt wird, doch es ift Save, wenn die Begierde es 
veranlaßt. 

Weisheit und Philofophie find gleichbedeutend, denn 
die legtere ift nur die liebevolle Anwendung der erftern. Das 
Sanze der Philofophie begreift alle Wiflenfehaften (Conv., 
trat. 3, cap. 45). 

Die Anwendung der Weisheit gibt Zufriedenheit; ihre 
Schönheit leitet, feflelt die Begierde, läßt fie allen natürlichen 
angewöhnten Laftern entfagen und veranlaßt jene Glüdfeligkeit, 
die Ariftotele8 operazione seconda virtü in vita perfetta nennt. 
Sie ift das Ziel des philoſophiſchen Studiums. 

Der Philoſoph ift Freund der Philofophie. Sie liebt 
kr ihm und laͤßt Eeinen feiner Gedanken auf Anderes ge- 
richtet. 

Dante denkt ſich die Philofophie als eine donna gentile, 
vol Barmherzigkeit, Sanftmuth, Lieblichleit, ſodaß man fie 
ewig anfchauen möchte (Conv., trat. 2, cap. 13). Er nennt 
fie Schweiter, Tochter, Gemahlin ded Kaiferd der Welt, ewige 
Kaiferin. Ihre Liebe „rettet vom Tode der Unmifienheit”. 
Mit ihr [Huf Gott Die Welt. Che der Menſch wurde, liebte 
fie ihn; als er erſchaffen war, erfchien fie, ihn ſich gleichaus 
machen (Conv., trat. 3 Ende; trat. 2 Ende; trat. 4 Ende). 
So gleicht diefer Preis der Weisheit Dem, was die Kirche auf 
das ewige Wort (das Fleiſch ward) und auf die Jungfrau Ma: 
ria anwenden Pönnte, welche aud) Dante die regina del cielo 
nennt (Parad., cap. 32). 

Wie die menſchliche Vernunft und der Strahl göttlicher 
Dffenbarung nothwendig fi vereinen müflen, die Wahrheit 
einer Idee darzulegen, zu beleben, fo müflen auch hier Erde 
und Himmel vereint wirten (Mon., lib. 2, cap. 1). 


— — — 


Rachdem Ponta fo die Hauptgrundfäge des Dichters aus 
feinen riften erforſcht hat, acht er r zum Leitfaden au 





R 


machen, um in den Sinn des poetifchen Gebaͤudes zu drisn. 
@r fagt unter Anderm: „Einen vierfahen Sinn mibäk 
das Gediht, den allegoriſchen, moralifhen, myfi: 
ſchen und buchſtäblichen“; den legtern verftchen al Be 
wunderer der „Divina commedia” in gleicher Weiſe, über die drä 
erften herrfcht Zwieſpalt. Diefe hinter dem buchſtäblichen uf 
zufinden, gleichfam die zweite Schönheit feiner Pochen zu mt: 
deden, bat Dante felbft den Weg gezeigt, vor Allem in im 
Commentar zu feinen @anzonen. ort fagt er und, daf der 
buchſtaͤbliche und allegorifhe Sinn der hauptfächlichfte fei, de 
myftifhe und moralifhe nur hin und wieder verfomme, wi 
er denn 3.B. den Spruch der erftien Canzone erft buchſtibih 
dann allegoriſch erklärt und erft bei der dritten Strophe, ba 
den Worten „L’anima piange, si ancor len duole......” 
die moralifhe Bedeutung beifügt (Conv., trat. 2, cap. 16} 
Rach diefer einen gibt er Peine andere moraliſche Erfläru; 
im „Convito”, ebenfo wenig irgend eine myſtiſche, ſonden 
hält fi) nur an den allegorifhen Sinn. Diefer, ter, wire 
uns fagt, fi) sotto il manto di bella menzogna verbirgt, Ki 
jen Auffindungsweife er uns lehrt im Conv., trat. 2, ap. |, 
wo er über die Orpheus Fabel und die allegorifche Bedeuts 
der Ihiere, Steine, Bäume u. f. w. fpricht, von dem, wir m 
fagt, die Theologen einen andern Begriff haben als die Poein. 
deren Unficht er folgen wolle, diefen müſſen wir vor Al 








als die zweite Schönheit feines großen Gedichts betrachten, k | 
Tonnen nad Dante auch den myſtiſchen und moraliſchen na 


wiſſem Sinne allegorifdy nennen und fo alle, außer den but 
ftäblihen, unter einem Namen vereinen. | 
Daß aber nicht blos die Kabel, fondern auch die Geihiär 


diefen allegorifchen Sinn enthalten kann, zeigt uns Dan u 


der Erklärung des Pſalms: In exitu Israel de Aegypi ei 
wo der Buchftabe eben nur ein geſchichtliches Ereigniß Idiltet 
(Conv., trat. 2, cap. 7; Epist. a Can grande, $. 6); fm 
im Conv., trat. 4, cap. 28, wo er fügt, daß Cato, in da 
auf Erden alle moralifhen und intellectuellen Zugenden tab 
teten, im #egefeuer den Geift bedeute, der die der Sflanm 
des Fleifches und der Sünde entflobenen Seelen empfängt 


Ald den Hauptgegenftand der Allegorie der „Divina ce 
media’ nennt uns Ponta darauf: die Bekehrung Dantee 
BuelfentHum zur Monardhie durdy die Phileferhie, dr 
er aus Liebe zu Beatrice fludirte, die Erkennung der Ei 
heit aus Virgil's Schriften: daß das Kaiſerthum, unit 
aus den Kehren der Zheologie: daß das Papftthbum nt 
wendig zum Wohle der Menfchen fei. 

Solche Belehrung und Erkenntniß fehen wir in der 1% 

orie an Dante bewirkt durdy die wahre Weisheit (die Se: 

bau Maria), die ihr Licht (die heilige Lucia) Beatrice, de 
Freundin Dante's, der Kührerin zu den theologiſchen Ts" 
den, mittheilt, welche es wiederum in Virgil, dem Gin 
des römifchen Kaifertyums, dem Ratur- und Moralphilefir? 
abfpiegelt. 

Als unmittelbaren Imed des Gedicht alfo nennt F* 
den: alle Welt zum Studium der Moralphilofophie unt = 
Sheologie, die, während Papft- und Kaiferthum unbeiek: 
feien, allein zu ewiger und zeitlicher Glückſeligkeit führen fe" 
ten, zu ermahnen (Purg. 16; Parad., c. 27, v. 22). 

Als mittelbaren Zweck nennt er den Prieden Italient 
Europaß, eben durch die Erkenntniß gewonnen, dal yol 
und Kaifer unabhängig voneinander, nothiwendig für SE 
der Geſellſchaft find. 

„Philofophie und Theologie, heilige und Profangridi“ 
Mythologie und Bolkstradition, menſchliche Vernunft, gottck 
Autorität, Alles Liefert davon die Beweife. So if dd m# 
daß «Erd’ und Himmel Hand an dies Gedicht Icgten»" (Mr 
ib. 2, cap, 1). 

(Die Yortfegung folgt. ) 


Berantwortliher Herausgeber: Seinrich Brodtans. — Drud und Verlag von F. E., Brodbans in Beiniiz 


Blätter 


fir 


literariſche Arterhaltung 





Sonnabend, 


12. December 1846, 





Moderne Rechts » und Staatöphilofophie. in 
Frankreich. 
(ZFortſeung ans Pr. 345.) 

Was nun das Einzelne betrifft, fo enthält Paul 
Fleury's, Foasai sur les caracteres de Aa verite dans 
les diverses series d’etudes auxquelles s’applique l’esprit 
bumain“ (Paris 1843) einen Verſuch, die religiöfe und 
politifhe Wahrheit näher zu beftimmen. In einer noch 
allgemeinern Sphäre bält ſich Charles Lemaire's „Initia- 
tion à la philosophie de la liberte” (Paris 1844). 
Der Verf. fucht das legte metaphufifche Gefeg, ia cause 
universelle; zu beftimmen und leitet aus deſſen Compli⸗ 
cationen die Gefege für die menfchliche Geſellſchaft ab. 
Die Formel des Geſetzes, unter dem die Menfchheit 
fteht, ift ihm: amanr, science, liberte. Beſonders ber: 
vorgehoben zu werben verdient dann noch Joſeph Aus 
gufte Rey’s „Theorie et pratique Jde la science sociale, 
ou expose des principes de morale, d’economie publi- 
que et de politique”’ (Paris 1842), ein Buch, welches 
neben manchen Bizarterien dennoch mandes eigenthüm- 
liche Verdienft hat. Um den Plan des Berf. im All. 
zemeinen zu bezeichnen, bemerken wir nit, daß Derfelbe 
yavon ausgeht, die Wahrheit müffe aus einer Combina⸗ 
ion der nothmenbigen und unmandelbaren Gefege und 
‚er Beobachtung des Zufälligen und empiriſch Vorhan⸗ 
enen gefunden werden. Hier ift denn feine Methode 
ene ganz eigenthümliche: er erforfcht zundächfi die Grund- 
:hren der Philofophie und der politifchen Okonomie 
nd findet — worin man ihm freilich nicht fchlechthin 
eiflimmen wird — als höchſtes Moralgefep das interet 
ien entendu, als ökonomiſches Princip, ale Quell alles 
teichthums aber die Arbeit. Im erſten Abſchnitt ift 
gleich mit Hülfe der Lehren von Gall und Reid ein 
isführliches Schema der menſchlichen Neigungen und 
sidenfchaften confimirt. Um nun mit jenen allgemei- 
n Principien zu praßtifchen Resultaten zu gelangen, 
trachtet der Verf. die Menfchheit in ſechs verjchiedenen 
uftänden, die fi vom Beſſern zum Schlechtern abftu- 
n. Im erflen Zuftande fingiet er, daß alle Menſchen 
ir gute Neigungen hätten und daß bie ſchlimmen Ten: 
nzen bis auf Null beprimirt wären; im zweiten fin- 
et er dieſelbe Gefellfchaft, in welcher indeß ſchon Be⸗ 
emlichkeitsliebe und Traͤgheit eingebrungen find. Bei 


iden, dem dtat utopique und deutopique, ſchildert er. 


nn Die Verhlin ſp wie ſie ſich nach den gegebenen 


Boransfegungen und jenen hoͤchſten Geſetzen geſtalten 
müſſen. Wirkliche Menſchen werden erſt in den folgen⸗ 
den Abſchnitten betrachtet. Der dritte ſeht eine Geſell. 
ſchaft (etat social modele) voraus, mit Menſchen wie 
fie wirklich leben, aber durch eine eigene, vom Verf. im 
erſten Theile geſchilderte Erziehung gebildet, und der 
legte ſchildert dann ben jegigen Zuftand, deffen Hinüber- 
bildung in‘ den etat social modele der Verf. für mög- 
lid) hält, und als unmittelbar anzuwendende Maßregeln 
ein befonberes Banken⸗ und Hypothekenſyſtem, ſowie die 
Verwendung ber fiehenden Deere zu proburtiven Arbei- 
ten empfiehlt. Eigenthum gibt es nach dem Verf. be- 
reits im etat modele, wo Das; was man unter orga: 
nisation du travail verfteht, durch ein Bankenſyſtem 
vermittelt werden fol. So wunderlich der ganze Plan 
des Merf. auch erfcheint, fo findet man doch bei ihm 
eine Menge lehrreicher und intereffanter Erörterungen. - 


Diefe Schrift von Rey führt uns auf ein Gebiet, 
auf welches man gerade in Frankreich ein fehr fcharfes 
Licht hat fallen laffen, auf die Verhältniffe der Geſell⸗ 
ſchaft felbft, ohne Rüdfiht auf das Staatliche und Po⸗ 
litiſche. Die Rechts und Staatsphilofophie ift zu eng 
geworden: fie bat ſich blos mit politifhen Organiſatio⸗ 
nen befaßt, und dieſe geben für bie große Mehrzahl, 
deren äufere Lage fie davon ausfchließt, gar feine Re- 
fultate. Diefer Mehrzahl kann für jegt das Politiſche 
gleichgültig fein, und fie bat flatt deffen eine Organiſa⸗ 
tion der Gefellfchaft überhaupt zu fuchen, in welcher ihr 
erſt wohl werden fann. In der Julirevolution hatte die 


.Bourgeoiſie geſiegt und auf der einen Seite das goͤtt⸗ 


liche Recht aufgehoben, auf der andern Beſitz und, Ei⸗ 
genthum zur Bedingung politifcher Rechte gemacht. Da«- 
mit ward die ganze Rage der Geſellſchaft in mehrfacher 
Hinſicht eine falſche. Sollte das göttliche Recht confer 
quent negirt fein, fo mußte auch bie Erblichkeit bee 
Thrones ſchwinden. Da man aber das Privateigen⸗ 
thum nicht negiren, es vielmehr zur Baſis politiſcher 
Rechte machen wollte, fo ließ man das wichtigſte Stud 
des göttlichen Rechts, die Exblichkeit, beftehen, hob blog 
die Regitimität und die Herrfchaft von Abel und Klerus 
auf und machte damit den Thron zu einem unklaren‘ 
Mitteldinge zwifhen Amt und Befigtäum. Iſt es ein- 
Amt, fo Sany es nicht erblih fein: ein — 
erbliches Amt wird ſogleich zum Familienbeſitzthum 

es letzteres, ſo muß man an ber Legitimitaͤt feſthalten, 


[4 
1882 
’ 


‚denn wohlerworbene Privatrechte find heilig, und bie 
Lehre ber Doctrinaires, daß bie Geſellſchaft, d. i. die 
Bourgeoifie, bei gewiffen großen Gelegenheiten, unter 
befondern Verhältniffen — wie Guizot bei den Verhand⸗ 
lungen über das Regentfchaftögefeg die Gache darſtellte — 
die Dynaſtie entſetzen konne, tft eine Inconſequenz. Auf 
der einen Seite war alfo der Maffe des Volkes die Lehre 
gegeben, daß Privatrechte im gefchichtlichen Fortſchritte 
fallen und im JIntereſſe der Gefellfchaft geopfert werben 
können, auf der andern war der Thron feines Praͤſti⸗ 
giums entkleidet und zu einem bloßen Befigthum, ei- 
wem irdifchen Vortheile, ohne göttliches Recht und göft- 
liche Mifftoen gemacht. Gemwonnen hatte man Nichts, 
ale dag die Krone der Vertreter des Eigenthums ge- 
worden, daß ihr und den Beligenden ein gemeinſames 
Intereſſe, aber auch ein gemeinfamer Feind gegeben 
war. Diefe Factoren riefen unter den Richtungen, 
welche Arbeit und Induftrie nahmen, den Socialismus 
und Kommunismus hervor. Beherrſcht und richtig ge- 
leitet hat man diefe Richtungen nicht: Doctrinaires und 
"Bourgeoifie waren and mit ihren nationalökonomiſchen 
Anfihten in einer falfchen Lage. Das laissez passer, 
laissez faire der alten Nationalöfonomie galt und galt 
auch wieder nit. Es galt, infofern es die Induſtrie 
nicht organifirte, den Individualismus und Egoismus 
ftabilirte und dem natürlichen Gefege, nach welchem die 
größern Gapitalien am Ende Alles abforbiren, feinen 
Lauf ließ. Es galt nicht, fofern es auf die Vortheile 
ber Befipenden ankam, und diefe wandten ihre politifche 
Berechtigung dazu an, pofitive Mafregeln zur Hebung 
der Induftrie in diefem Sinne, alfo Schugzölle, Prä- 
mien u. f. w., zu erlangen. ine vortreffliche Satire 
auf bie nationalöfonomifchen Anfichten der Bourgeoifie 
het Neybaud im „Jeröme Patarot’’ geliefert. Jerome 
Paturot ift Induſtrieller und: fabrieirt baummollene 
Mügen und ähnliche Dinge. Er kennt nur zwei Arten 
von Nattonalölonomie: eine thörichte und fosmopolitifche, 
welche dem Auslande eine Concurrenz — natürlich nur 


in feinen Artileln, alle anderen möchte er felbft gern billig 


kaufen — geflattet, und eine nationale und patriotifche, 
weiche baummollene Mügen und Handfchuhe im Zoll 
tarif als prohibes bezeichwet. Es erklaͤrt ſich nach alle 
Diefem, daß das Geld Ziel und Zweck aller Beſtrebun⸗ 
gen, und die ganze Geſellſchaft von einer ftebeshaften 
Haft bes Erwerbens ergriffen ift, dag das Höhere und 
Ediere in ben: Hintergrund titt, und anſtatt gchter 
moraliſcher Zriebfedern nur jene nügliche, intereffirte 
Wohlgezogenheit und Verſtaͤndigkeit, welche politifchen 
Esiefien bios deshalb abhold ift, weil babei die Ge⸗ 
fhäfte ftoden, welche dem Throne bios deshalb anhängt, 
weil die jegige Politik für Ruhe forge, ſodaß die Ge 
ſchaͤfte gut gehen, als die geiftige Seite der herrſchenden 
Elaffe erfcheint, dieſer herrſchenden Claſſe aber eine nicht 
herrſchende gegenüberficht und beim Mangel moralifches 
Kräfte nur duch die executive Gewalt im Zaume ge⸗ 
halten wird. 

Die Bedeutung biefer Spaltung, fowie bie wiſſen⸗ 
ſchaftliche Seite: des Soeialismus und: Communismus 


iſt in’ dem bekannten Buche vom Stein wortrefflih us 
einandergefegt, fobaß wir uns bier auf daſſelbe beziehen 
und nur eine Nachlefe aus ber neueften Zeit Ticfen 
wollen. Zunächft zeigt uns der im Der. 1843 vor dem 
Zuchtpoliteigerichte verhandelte Commtmiſtenproceß, vl 
die Gaͤhrung noch immer fortdauert. Mach den bein 
gewordenen Schriften und Reden der Angeſchuldigte 


‚müffen die Grundlagen des ganzen focialen Übelftandes bi 


ihnen zu einem Paten Bewußtſein, zu einer fanatifte- 
den Überzeugung gekommen fein. In der That ſchein 


die ganze Richtung immer weiter um fi) zu greifen 


| und ber Fourierismus, der ſich mer an die wiſſenſchaß⸗ 


liche Erkenntniß wendet, immer mehr Anhänger zu ge 
winnen, da Lamartine. in feiner befannten Re« u 
Mason fo dringend auf die Gefahren communifkice 
Lehren hinmeift. Das Hauptorgan ber ganzen Par 


iſt jegt die an die Stelle der „Phalange“ getretene ud 
von Victor Conjiderant redigirte „Democratie pacifigue. 


Seit feinem Eintritte in dad Munisipalconfeil von Pi 
ris fol Sonfiderant indeß den Fourierismus meniger ju 
Schau tragen. Abgefallen ift er aber dem Fourimk 
mus nicht: er hat fich vielmehr im Herbſt 1845 — we 


es indeß feheint, ohne Erfolg — bemüht, demfelben duh 
mündlihe WBorträge in Brüffel Anhänger zu web 
Eine neue literarifche Production über den zeunte 


fen. 
riömu® ift: „Charles Fourier, sa vie et sa ter 
rie“, von Zellarin (Paris 1843). ine befondere Ir- 
ertennung verdient ed dabei, daß man in Frankreich di 
blos negative und kritiſche Seite immer mehr zu m 
laffen und nach dem Pofitiven zu ftreben beginnt. Ti: 
ſes Pofitive ift die Organifation ber Arbeit. Die «% 
Revolution hatte die alte Organifation in gefihlehe 
Innungen, Monopole und Privilegien zerftört, de 


laissez faire begann zu berrfchen und aus dem bunt 


gegebenen Atomismus entwickelte fi) das Leiden ii 


Plutokratie und der Pauperismus, ein Zufland, in mer 


chem ber Gewinn der Arbeit nicht biefer, fordern de 
Gapitalien zufäle. Es kommt alfo auf eine neue Lv 
ganifation an. Die doctrinaire Partei ift hier im Gar 


zen allen Planen zu einer Umgeftaltung der Geieliät 


ober des jegt herrſchenden Syſtems ber freien Gone 


renz entgegen. Die nennenswerthefte Arbeit ift hier de 
noyer’6 Schrift „De la liberte du travail‘ (Paris 134) 
Gleichwol fehlt es nicht an ſolchen Umgeſtaltunge 











planen. Gine Reihe von Vorſchlägen, von Ik 


Buret, d’Efterno, Simonde Sismendi. u. A. müſſen m. 
fowie den Golonifetioneplan von Louis Bonapartı uhr 


gehen, um nur das Wichtigfte zu nennen. Abgeldm 


von den DVorfchlägen, die ſtehende Armee zu indufin 


len Imeden zu verwenden, bei Reg in ber obgebahtn 


Schrift, Durand (‚Des tendances pacifiques de bi 
ciete ewropedenne et du röle des armees dans le 


nir“) und Michel Chevalier (im ‚Cours d’economıe pr 


litique” von 1842 — 43), ift zunächft Belir de dir 
tele („Plan de l’organisation disci 
dustrie‘‘) zu nennen, | 
zeitgemäße Herſtellung der Bünfte. Es werben für 
des Gewerbe commungutés gegründet, Unter · Syndicxu 


inaire de le 


Lafarelle's Han geht ft 





Ir 4 


4383 


Dann bekommt das Inſtitut ber Pradhommes eine 
größere Ausdehnung und an der Spige fteht ein Bu- 
reau central du commerce, des manufäctures, des arts 
et metiers. Im Einzelnen wird hierdurch Alles poli⸗ 
eeilih organiftet und geordnet und dieſe Ordnung ſcheint 
dann die Frage von der Theilung des Gewinns befeiti- 
gen ju ſollen. Im Grunde möchte damit die Frage 
umgangen fein. Wie Lafarelle von ben Zünften, In 
erwartet Jobarb (‚Nouvelle &conomie sociale en mo- 
notaupole industriel, artistique, commercial et Iitteraire”, 
(Paris 1845) von Verleihungen ewigdauernder Privilegien 
für ale neuen Erfindungen, alfo von einer Ausdehnung 
des jegt fchon beftchenden Patent- und Privilegienwefens, 
die Löfung jener Frage. Tiefer laͤßt fich der Plan von Louis 
Dlänc („Organisation du travail”) barauf ein. Es fol: 
lien auf Staatöfoften ateliers sociaux ‚eröffnet werden, 
in welhe jeder rechtliche Arbeiter aufgenommen wird. 
Für das erfte Jahr beſtimmt die Regierung die Hierars 
hie der Functionen, nachher tritt Wahl ein. Der Netto: 
gewinn wird im drei Theile getheil. Ein Theil wird 
nad) der Kopfzahl unter die Arbeiter getheilt, der zweite 
für Kranke und Alte beftimmt, fowie für Nothfälle und 
Stodungen, der dritte für Werkzeuge, Verbeſſerungen 
des Atelier m. f. w. Der Lohn tft zundchft ungleich, 
wird aber mit der Zeit gleih. apitaliften können fid) 
bei den Ateliers betheiligen, befommen aber blos Zinfen, 
die ihnen der Staat garantirt, und feine Arbeitserträge. 
Louis Blanc hofft, daß die ateliers sociaux die Privat- 
induftrie ganz abforbiren und fomit die große Frage 
(öfen würden. Michel Chevalier, den wir zulegt nennen, 
bat fi befanntlih von den focialiftifchen Ideen ganz 
losgeſagt und den Saint Simontsmus, dem er früher 
anhing, aufgegeben. Er hält im neueften Bande feines 
„ Cours d’economie politique“ im @egentheil die Con⸗ 
cu rrenz für nothwendig, empfiehlt verfchiedene policeiliche 
Einrichtungen, Sparkaſſen und Rentenkaſſen und hält 
dafür, daß alle weitergehenden Organifationspläne der 
Freiheit verdetblich fein würden. Die Haupffrage von 
der Zheilung des Gewinns fei nur auf fittlihem Wege, 
urch chriftliche Gefinnungen des Herrn und des Arbei- 
ers, zu löfen, bie gewiß mit der Zeit immer mehr Wohl- 
vollen und Sympathien füreinander faffen würden. Dieſe 
Hoffnung halten wir freilich für ebenfo utopifch als manche 
Srganifationspläne der Socialiften, glauben aber body, 
aß dieſe Legten in einer Einſeitigkeit befangen find, wenn 
ie die Sorge für materielle Bedärfniffe und Induſtrie 
nd Gewerbe für die legte und einzige Sphäre, in der 
ch die Menfchheit bewegen folle, halten. Die Menfc- 
eit ift Pein großes Fabrikvolk und bie Erde kein bloßes 
(telier, und von der Verwirklichung der focialiftifchen 
Häne wäre eine Roheit und Brutalität vorauszufehen, 
blimmer als die Folgen ber Verwirklichung ber Pläne 
Jerer, welche auf ebenfo einfeitige Weife das Heil der 
Renfchheit von politifhen Meformen erwarten. Don 
den Arten apriorifh und willkürlich raiſonnirender 
Hilofophen und ihrer Reformirungspläne möchten mir 
‚abelats’ Worte geltend machen: „Veu que les lois sont 


istirpees du mylieu de philssojfhie. morale et naturelle, 


comnient l’entendront ces folz, qui ont par dieu moins 
estudi€ en philosophie que ma mulle?” J 
(Die Jartſetung folgt. ) 





Zur Erklärung der „Divina commedia” 
des Dante. 
(Bortfegung aus Nr. 345.) 

So geht nun endlich) Ponta zur Erpofition der Alle: 
Bette über .und fagt in der Hauptſache: And und Kai 
er (in der rechten Werbörperung der Idee) fehlen der Geſell⸗ 
fchaft, die, ihrer Führer beraubt, in zwei Parteien zerfiel: bie 
der Guelfen und 'ber Bhibellinen, jede gleich im Irrthum, 
gleich bedacht, diefe. dem var iene dem Kaifer das Überge⸗ 
wicht zu gewinnen. So verfehlt fie den rechten Weg zur ir⸗ 
diichen und himmlifchen Seligkeit. &o ift die Erde gleich einem 
dunkeln Walde angefült von Stolzen, Reidifhen, Kafterhaften, 
unter die auch Dante fi zählt (Parad., c. 6, v. 6). Diefer 
ſucht fi zu retten durch das Studium der Philofophen Cicero, 
Senera, Ariftoteles und Anderer, und, der niedrigen Unwiffen- 
bi entflohen, gelangt er an den Berg der bürgerlichen Glück: 
eligkeit, deſſen Gipfel — cagion di tutta gioja — Die Phi⸗ 
loſophie, fymbolifirt durch die Sonne, erleuchtet (Inf., c. 13 
Conv., trat. 1, FJ 1). Roller Hoffnung, auch feine Mit: 
bürger zu diefem Gipfel zu leiten, ſucht er fie durch philofor 
phiſche Ermahnungen auf den Weg zu führen. Aber Wider⸗ 
facher ftellen fich feinem Streben entgegen; die Laſter der dere 
fhiedenen Lebensalter, fo die der Jugend angehörende ſinnliche 
Begierde (der Panther), der Stolz des männlihen Alters (der 
Löwe), die Habfucht des Sreifenalterd (die Wölfin), dem bei 
fonder& die Geiftlichkeit angehört.’ 

So entmuthigt hält es der guelfiſche Neformator für un: 
moͤglich, feine Zeit zu verbeffern, dernachlaͤſſigt fih und Andere‘ 
Conv., trat. 4, cap. 6). " 

Da ericheint Birgit (wenig befannt der unmiffenden Seit, 
doch von Dante geliebt und fludirt) und fodert Dielen auf, erſt 
ſich felbft zu reformiren, ehe er an die Reformation der Geſell⸗ 
haft denke, deren drei Hauptlafter zu verfilgen die Erſchei⸗ 
nung eines Mächtigern (der Windhund) nöthig fei, der vor 
Allem die Habfucht (lupa) bis in die Tiefe der Hölle treibe. 

So gibt ih Dante ganz dem Virgil hin und beginnt die 
eigene Reformation durch die Reife durch Hölle und Fegefeuer, 
um das Schredliche der ewigen Verdammniß und die Hoffnun 
Derer Eennen zu lernen, „Lie vor ber legten Stunde bereuen”. 
So unter Führung der Moralphilofophic dringt er aufwärts‘ 
bis zum irdifchen Paradies (Purg., c. 28 ier endigt der 
helfende Einfluß der Moralphilofophie, und weiter zur ewigen’ 
Scligfeit, zum himmliſchen Yaradies, führen nur Die Leh⸗ 
ren der Theologie, die Ausübung ihrer Tugenden. 

Ehe Dante die Reife antritt, zweifelt er, daß fie ihm 
möglich fei, da vor ihm nur Zwei, Aneas, der Gründer Noms, 
und St.⸗Paulus, der Berbreiter ded Glaubens, der Erſte au 
das Kaiferthbum, der Zweite auf das Papſtthum deutend, fie ges 
macht haben und Eeins ihrer Verdienfte in ihm fei (Tof., 2, 
v.20). Virgil antwortet ihn ermuthigend, daß drei Frauen im 
Himmel feine Rettung bejchloffen hätten: Maria, Gt.» Lucia 
und Beatrice, die aus Liebe zu ihm den Himmel verlaflen und 
ihn felbft aufgefodert haben, den Dichter bis zum irdiſchen Pa- 
radies zu leiten, von wo fie ihn felbft zum himmliſchen führen 
werden (Inf., c. 1, v. . 

Da die Infpirationen, welche die liebende Beatrice dem 
verirrten Dichter im Traume und ander gefandt, Nichts für 
feine Ummwandelung geholfen, ift dad einzige Mittel zu feiner 
Rettung, das Reich der Untergegangenen und das ber ſich Rei⸗ 
nigenden zu ſchauen, um fo die Urſache aller Übel in der Ge 
elfchaft und die Möglichteit ber Erlöfung von ihnen zu er- 
ennen und endlich im Anblick der Seligen zu empfinden, was 
Die erwartet, die bier Gott und feinen trdifehen Stellvertre⸗ 
tern Kaifer und Papft freu waren. . 

Durch diefe Neife wird ex jeder beſondern petitiichen Par⸗ 


tet enteffen und erkennt die gegenfeitige Unabhängigkeit: jener 
beiden Herrſcher und die Beflimmung von Rom als Haupt: 
ſtadt der Ghriftenheit. 

Da dies Gedicht alle Irrenden zum Gipfel der Seligkeit 
führen fol, fo ift es nicht in Lafein, fondern in „gemeiner” 


Sprache gefchrieben. . 


Dorauf befpricht dee Erklaͤrer die Einzelheiten der darge: 
Rellten Allegorie, zuerſt die Bedeutung ber drei wilden 
Khiere, in denen er nicht mit den neueren Commentatoren 
bie drei politifchem Mächte, fondern mit den äftern die brei 
Hauptlafter der Geſellſchaft erblickt, von Dante felbft, der die 
moralifhe Reform ber Gefelifchaft als Zweck feined Gedichts 
nennt (3. B. Purg., c. 14, v.39, zu diefer Meinung geleitet, 
während er für die entgegengefegte, für die Meinung, daß jene 
drei politifchen Mächte Dante verfolgten und ihn zur Flucht 
Bi bis in die Hölle zwangen, Leine Beftätigung im ganzen 

erke findet. 
Er zeigt, wie die von Dante gewählten Bilder vällig mit 
der in ihnen verborgenen Idee übereinftinnmen; fo der raub- 
gierige behende Panther mit der gajetta pelle, die dem Dich: 
ter die Hoffnung zur Bekämpfung des Unthiers gibt, wie e8 
Ddie ora dei tempo und la dolce stagione thut, ba fie ihm 
Beichen.der Jugend, der Alters-Tages-Jahredzeit find, wo alle 
‚guten Einflüffe die meiſte Gewalt haben. Der Löwe mit dem 
flolgen Haupt paßt wohl zu dem Hochmuth des männlichen Als 
‘fer, den Dante an verſchiedenen Perfonen fchiltert Purg. 
ec. 11, 24, 26. v. 8); _ ebenfo ber abgemagerte gierige Wolf 
u dem Begriffe des Geizes, deſſen Save dad ner 
% häufig if. Daß Dante häufig vom Wolf mit befonderer 
Anwendung auf Rem fpricht, kann Fein Einwand fein; er wen- 
‘det den Namen lupi ebenfo oft auf die Alorentiner und Die 
‚Bewohner anderer Städte wie auf Rom an, ja die Stelle im 


Purg., c. 44, v. 50: Tanto piò trova di can farsi lupi, 
die — jedenfalls auf die Florentiner bezieht, koͤnnte wol den 


"Namen lupa- generatrice di lupi für Florenz im Ganzen zu: 
Jaffen, wie er diefe Stadt denn auch in der Canzone: O pa- 
tria degna Jupa rapace nennt. Daher möchte man, 
wolte man einmal nur die Idee einer Partei unter lupa ver: 
ftehen, ebenfo wol die yuelfifche wie die ghibellinifche darunter 
denten. Doch eben die Gleichgültigkeit, mit welcher Dante 
bald den Papft, bald Klorenz, bald Priefter, bald Kaien, ja 
Pluto felbft (Inf., c. 7, v. 8) Iupo nennt, bezeugt, daß Die: 
fer das Bild der Habfucht, wie fie allerwärts, in allen ver 
Ichiedenen Geftalten erfcheint und vom Dichter gegeißelt wird, 
darftellt, alſo nur generell, ohne befondere außfchließende Ber 
ziehung Die Habfucht bedeute. 


Rrun auf den Veltro (den Windhund) übergehend, fagt 
Ponta ungefähr: 

Iſt die Wölfin das Bild des Geizes generell, fo muß der 
Windhund, der fie verfolgt, Einer fein, deffen Macht fich weit, 
“in der Welt erſtreckt; alſo Bann er Feinen der Heinen Herren 
Staliens (wie Can grande della Scala), fondern muß einen hohen 
Herrfcher bedeuten. Die Hauptcharakterzüge des Veltro find: 

fberä ne terra ne peltro, verlangt alfo weder stati ne 
ricchezze, aber virtü, sapienza ed amore, welche Per: 
bindung für Dante die Dreieinigkeit, die Offenbarung, die 

heilige Theologie bedeutet (Inf., c. 3, v. 5 6); 

sua nazion sara tra Feltro e Feltro (nazion bier in der 

Bedeutung von Geburtsort); 

Ba salute dell’ umile Italia, worunter der römifche Staat 

verftanden ift (Inf., c. T, v. 106). 

Daraus wird gefoigert: Wird ein weltliher Herrſcher 
Land und Reichthum verfhmähen? Sagt ja Dante 
ſelbſt vom Weltherrfcher,, daß Alpen, Meere und Wälder fein 
(Mon., lib. 1, cap. 2). 

Kann man fagen, der Katfer mache die Heilige Theologie 
zu feiner Speife?, (Dante gibt dem Kaifer die Moralphilofo: 


1884 


® 
phie, jene nur dem Papſte zur Miffenfchaft Mon., ih. 3, 
letztes Cap.) \ 

Der Geburtsort zwifchen Feltro und Feltro paßt nik 
für den Kaifer, da die Karfer meift Deutfche waren und arh 
Donte ihn aus Deutfchland erwartet (Mon., lb. 3, lette Gun); 
ebenfo wenig der Ausdrud Heil des umile Italis, du der Ri 
fer ja Weltherrfcher, nicht Italiens Herrſcher fein folte 

Alle jene Charakterzüge aber, die nicht auf den welt: 
Ligen Herrfcher .paffen, finden fi in dem geiftliden, ja 
der Ausdrud tra Feltro e Feltro Eännte auf eine befi 
Perſonlichkeit, auf den Yapfk Benedict XI. (gewählt 18-9) 
deuten, auf feinen Geburtsort in der Trevifanermard, wo Feltre 
liegt, oder auf fein weltliches zwifchen den beiden Feltn m. 
geichloffenes Lehen. *) 

So ſieht Ponte, entgegen den neuern, aber annühm 
den älteften Erflärern, welche im Veltro Chriſtus verſtanden 
in ihm zwar nicht Diefen ſelbſt, doch einen an feiner Stat 
Gefandten, einen maͤchtigen frommen Papſt, der, die geiftlide 

rrſchaft über die Welt ausdehnend, Der ir diſchen entaz, 

aͤſar gäbe was Eäfar’s ift, Die Habſucht von Stadt zu Ext 
vertreibe. Dante's Hoffnung, daß folh eine Berwantm 
mittels Chriftus bewirkt werde, fieht Ponta in vielen Stel 
ausgefprodhen (Purg., c. 6, v. 118; c. 20, vw. 113); mc 
male in „Paradiso, befonders c. 18 u.a., wo er dan & 
fand anruft, der Entweihbung der Kirche, der Habfudt ie 
Beiftlichkeit, ihrem Übergreifen in die Rechte des Kaiſers tur 
die Sendung eined würdigen Hirten abzuhelfen, bar Kt 
und dem Kaifer das Recht gabe. Die Meinung Mander, I: 
Abhilfe, ſolche Einſchraͤnkung geiftlicher Übergriffe wüf m 
teld der Sendung eined Kaiferd bewirkt werden, erkennt Fat: 
als Dante's Grundfägen gänzlich zwvider, der da fügt, da 
Niemand in ein einem Andern von Gott verliebenet An u. 
greifen folle und’ z. B. bie auf dem Wagen ſchwankende Fir 
deslade il carro per cui si teme uffizio non comesso (Put 
c. 10, v. 56) nennt, der Die, welche die paͤpſtliche Bart: 


(nicht die Yäpfte als Individuen) angriffen, wie Zarinatı IF 


tavio Ubaldini, Friedrich II. und Andere, in der Hölle verde 
fieht, während er Kaifer, Könige und Andere, die geredt > 
fromm waren, ihre Pflichten gegen Staat umd Kirde all 
ten, unter den Seligen erblickt (Parad., c. IP, v. dic & 
v. 115). Die ganze Bedeutung, die Dante dem pio zit F 
veritehen, muß man, fagt Ponta, lefen, was er in Mon. be 
cap. 3 von fih fagt: Illa reverentia ..... etc. 


(Die Fortfesung folgt.) 


‚Die Anficht, daß ber Winbhund, der weder von Grx ım 
von Erz fih nährt, den Papfl Benedict XI., Deffen habe Icante 
die ſchoͤnſften Doffnungen der ganzen Chriſtenheit erregten, EN-- 
ſprachen auch De Ceſare und Prof. Betti aus. Ja, der Ledtttrt 9 
in einem intereifanten Heinen Aufſatze bar, wie gerade dieſe 1X 
erkläre, warum der Wiederherſteller Italiens ber Wintha: 2! 
feine Geburt als zwiſchen Feltro und Feltre genannt weru. 3# 
dem er einige Stellen angeführt bat, in welchen Dante iu 1’ 


nen feined Gedichts nad ihrem Wappen ober vielmedt #7 


Wahlfprud bezeichnet, wie bie Im cant. 27 be& Iuf., m: :’ 
brauche verdi fagt, um die Familie DOrdelaffi zu beseiiae € 


eine weitere, wo er vom lioncel dal mido bianco fpriht. "X # | 


fon des Mainarbo Pagani bamit anbeutend, geigt er, wie za" 
wenn er in prophetiſch geheimnißvollen Worten die Ankunft al! 


minicaners Benebict XI. anfündigte, möglicherweifs fer 7°" 


voll die Benennung Veltro auf ihn anwandte, ba ja bad Ef 
ober Wappen bed’ Dominicanerorbend ein Winbbunt si «7 
Fackel im Maule il. Dem Ausdruck tra Feliro e Fein en f 
Prof. Betti beziehendlih auf Benedict bie Erklärung, dat I 4 “ | 
nazione (feine Geburt, fein Urfpzung), wie bie Bart v '% 
erſten Vätern ber Sprache beißt, zwiſchen Feltre e Feltrs. jet" 
Filz und Filz, fattgefunden habe, wie denn Wewebict ald ct m® 
Hirten, der dad niedere Wollenkleid trug, der Welt geboren wet 
Kirche aber, als er dad härene Gewand bed Dominicanerortent i®! 


VBerautwortlicher Herausgaber: beiurich Srockbaus. — Drud und Verlag von J. X. Deockhans in Reinsie 





Blätter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Sonntag, 





Moderne Rechts: und Staatsphiloſophie in 
Frankreich. 
(Bortfegung aus Nr. 216.) 


Wenden wir uns jegt zu ben Anhängern der reaction- 
nairen Doctrinen des göttlichen Rechts, des Legitimie- 
mus und des Bundes zwifchen Thron und Altar, fo 
müffen wir zunächſt auf den Unterfchied aufmerkſam 
machen, der zwifchen diefen Doctrinen in Frankreich und 
Demjenigen, was ihnen in Deutſchland entfprechen könnte, 
ftattfindet. Ein Verhältuiß, wie es in der mittelalter- 
lichen Cäfaropapie vorlag, war in Frankreich nad ben 
Ergebniffen bes Nationalconcii® von 1681, daß ber 
Papſt in der Kirche nur in ber Beſchraͤnkung durch 
Concilien, daß die Kirche nur in geiftlichen Dingen Ge— 
walt babe, daß bie Rechte und Gewohnheiten der fran- 
zöfiſchen Kitche beftehen und die Entfcheidungen des 
Papſtes felbft in Glaubensſachen ber Genehmigung ber 
Kirche bedürften, nicht mehr möglich, vielmehr ward die 
Kirche von ber Gewalt bes Königs ganz unterjodht und 
bequemte fi zu einer Servilität, wie man fie bisher 
!aum erlebt hatte. Wir wollen nur an die Gefchichte 
erinnern, die Madame de Sevignéè erzählt: „Les mini- 
mes de votre province ont .dedie une these au roi, 
ar ils le comparent a Dieu, mais d’une maniere qu’on 
oit clairement que Dieu n’est que la copie, etc.” Die 
eligiöfen Publiciſten leiteten bie föniglihe Macht nicht 
wur aus göftlicher Verleihung ab, fondern parallelijirten 
uch diefelbe mit der göttlichen Macht. Hieraus folgte 
unächſt und für das Außerlihe, dag man alles vom 
könige Ausgehende als Ucte befonderer Gnade aufnahm, 
ie unbedeutendften Dinge aus feinem Privatleben mit 
thrfurcht und Andacht betrachtete, fie höchſt wichtig 
ind und im einer bdiefen Empfindungen entfprechenden 
Sprache erzählte. Kür das Verhältniß ſelbſt folgte aber 
us der göttlichen Natur der Königsgewalt, daß fie kein 
Int, fondern ein Befisthum und zwar ein unverlier- 
ares war, und daß fie nicht um des Volkes willen und 
ir deſſen Zwecke, fondern blos um des Befiger6 willen 
iftirte. Demgemäß verbündeten fi mit dem Throne 
vei von dem Volke geſchiedene Stände, die Geiſtlichkeit 
nd der Adel. Die Geiftlichfeit war eine Stüge bes 
hrones, weil ſich diefer auf religiöfe Lehren ftügte, und 


13. December 1846. 





wer die tiefere Bedeutung des Bundes von tröne und 
autel nicht einfah, mochte glauben, baf ed dabei weni⸗ 
ger auf tiefe Wahrheiten ald auf Interefien ankomme, 
und ſich von Voltaire’ Erklärung dieſes Bundes („Le 
roi disait au pretre: Tiens, voila de l’or, mais il faut 
que tu aflermisses mon pouvoir, etc.) beftimmen laffen. 
Der Abel hielt fih für eine außer und über der Ge⸗ 
feufchaft ftehende Claſſe, die, als zu einem angeflamm: 
ten Rechte, zu allem Beſſern und Angenehmern berufen 
fäi. „Il est faux”, fchreibt der Graf Bougainvilliere in 
feiner « Dissertation sur la noblesse frangaise », „que nous 
soyons nobles pour un autre imleret que pour notre 
interet propre. Nous sommes sinon les descendantg 
en ligne directe, du moins les representants immediats 
de la race des conquerants des Guules; sa succession 
nous appartient: la terre des Gaules est a nous. Diefe 
Vorftellung hat wirklich im franzöfifchen Adel geherrſcht, 
und es ift Leine bloße Nebefigur, wenn bei Beranger 
der Marquis de Garabas die Leute en peuple conquis 
behandelt. Die Zolgen davon find dann Mar; Mol 
und Land haben weder Rechte noch vernünftige eigene 
Zwecke, dergleichen hat blos Königthum und Adel. Alles 
Andere ift dazu da, den ganz perfönlichen und fubjecti« 
ven Zwecken diefer beiden Größen zu dienen. Der frans 
söfifche Adel fprach noch unter der Reflauration ganz 
Ear die Meinung aus, daß er nur dem Könige und 
Deffen Familie perfönlich, ohne Rüdficht auf die po» 
litifche und verfaffungsmäßige Stellung der Dynaſtie, 
treu und ergeben fei, alfo nicht in ber öffentlichen Stel 
lung eines Unterthanen, fondern in ber privaten beg 
Dieners oder Domeſtiken einer Kamilie ſich befinde, und 
die Dynaſtie verfchaffte dafür dem Adel auf bie, ber 
kannte Weife ein anftändiges und meift Iupuriöfes Lehen 
aus den Mitteln bes für Privatzwecke vorhandenen Staats, 

Diefes ift in der Kürze der eigentliche Kern der auf 
göttliche Recht zurudzuführenden Lehren der Legitimis 
fien, Theoßraten, Leute des Bundes von tröne und au- 
tel und des parti-prätre. In der Literatur find Diefel« 
ben noch immer burd die Werke von de Bonald, de 
Maiftre und Montlofier vertreten: die neuefte Zeit, mit 
welcher wir es bier zu thun haben, hat, abgefehen von 
dem ſchwachen Verſuche des Abbe Clement, die öffent 
lichen Einrichtungen auf Kehren ber Bibel zurüdzuführen 


Ir 





(„Philosophie sociale de la Bible”, Paris 1843), nur in 
einer Reihe von Zeitfchriften Organe dafür gegründet. 
Was zunächft die Legitimiftenpartei betrifft, fo eifert 
zwar die „Gazette de France” noch immer gegen les 
detestables doctrines, qui ont trois fois perdu la mon- 


‚ archie frangaise: die ernfllihen Demonftrationen, welche 


von dieſer Seite in den erften Jahren der Julirevolu- 
tion vorfamen, find indeß zu leeren Spielereien entartet. 
Zunähft muß man beachten, daß die Partei in ſich zer- 
fpalten ift: es gibt Kegitimiften des 18. Jahrhunderts 
vom ancien regime und andere von 1789, alfo reine 
und halbconftitutionnelle, Tories mit engliſchen Anfichten 
und Anhänger der alten états generaux, endlich auch 
die graine der alten Hofvaletaille, die Nichts als Do- 


meftitentroß des Königs fein will und der das Politi« 


he gleichgültig if. Die Wallfahrt der Legitimiften 
nach, Belgrave + Square war denn auch Nichts als eine 
ſolche Spielerei: man machte damit gegen die jegige 
bürgerliche Regierung eine kränkende Demonftration und 
hatte, was bei Vielen die Hauptſache gewefen ift, Ge⸗ 
legenheit in den Salons von feiner Theilnahme an ei- 
ner zur Modefache gewordenen Tagesgefchichte mitzu- 
fprechen. Ein beftimmteres Hervortreten der Tegitimifti- 
fen Doctrinen hat das Ganze nicht zur Folge gehabt; 
Berryer, das parlamentarifche Organ der Partei, hat 
in der Sigung vom 15. Jan. 1844 die Sache auch ale 
eine unfchuldige, confequenzlofe Zerftreuung bdargeftellt, 
und ebenfo hat fi die „Gazette de France‘ geäußert. 
In literariſcher Hinficht verdient nur bie Meine Schrift: 
„Du pelerinage à Belgrave - Square” als durch diefen 
Vorfall veranlaßt bemerkt zu werden, in welcher die Un- 
verträglichleit der Tegitimiftifhen Tendenzen mit dem 
fegigen Zuftande der Dinge und dem geleifteten Eide 
Mar nachgewiefen wird. Die legitimiftifche Jugend be- 
Mage ſich, daß unter den jegigen Verhältniffen, wo man 
fie nicht ihrer Geburt wegen vorzieht, feine Gelegenheit 
da fei, fich müglich zu machen, fie hält die Concurrenz 
mit bürgerlichen Talenten nicht aus, oder verfucht es 
gar nicht einmal fie zu beftehen; fie treibt fi in Sa— 
lons und in Privatcirkeln umher, coquettirt mit gewiſſen 
politifchen Rielingsideen, fpielt mit Büften und Mebail- 
len Heinrich's V., ſchmollt mit den jegigen Machthabern 
umb geht fo einer gewiffen Verfumpfung entgegen. Cha⸗ 
rafteriftifch für dieſes Weſen ift das legte Erzeugniß der 
legitimiftifchen Literatur: „Esquisses et pertraits par 
M. de la Rochefoucauld, duc de Doudeauville” (Pa- 
ris 1844), ein’ unendlich fabes Buch, deffen Verf. in 
der Weife feines berühmten Ahnheren und Labruyere's 
geiftreich fein will, aber von’Natur zu mittelmäßig fein 
muß, um mehr al& manierirt und gefpreizt zu werden. 
Wir wiffen fein treffenderes Gegenftüd zu gewiffen, 
leicht zu errathenden Erzeugniffen unferer deutichen arifto- 
Pratifthen Literatur und Ihrer fihern und oberflächlich 
abfprechenden Weife, und würden das Buch gar nicht 
riennen, wenn es nicht das einzige mioderne Erzeugniß 
bes Regitimismus wäre, wenn der Verf. nicht felbft be- 
hauptete, que sous des ſormes légères son ouvrage a 


plus de portee politique, que beaucoup de lourds u- 
octavo, und wenn er nicht die legitimiftiihen San 
bensartitel, Vorliebe für das droit divin, Perahtuy 


gegen das Bürgerthum, Zärtlichkeit für die Jeſuiten un | 


Haß gegen die Univerfität fehr deutlich ausſpraäche. Che 
teaubriand glauben wir, nach den im feinen neue 
Schriften, den „Etudes historiques” und den Brud- 


ſtücken feiner Memoiren, abgegebenen Erklärungen, nid 


zur Regitimiftenpartei rechnen zu konnen. 
{Die Fortfegung folgt.) 


Zur Erflärung der „Divina commedi. 
des Dante. 
(Eortfegung aus Nr. 346.) 





Run hören wir von der allegoriſchen Bedeutu; | 


der Sonne, die nad Ponta bei Dante die Philoſerhie 
ift, welche gleichwie die Sonne erleuchtet und erwärut, mr: 
fhönt und befruchtet, die Erfenntniß der Tugend un ir 
Berke wirkt (Conv., trat. 3, legte Cap.). Der Berg te 
Fegefeuers, defien Gipfel jene Sonne erleuchtet, if alt de 
Bez zum durch die Philofophie gewonnenen focialen Glüt 
Rur bei Zag — nur wenn diefe Sonne ihn erlıad: 
tet — ift der Berg zu erfleigen (Purg., c. 7, v. 414). Die 
das Licht der Philoſophie kann der Menfch innerlich nicht krt: 
freiten, er muß ftillftehen ober zurückgehen. &o mundat 
Dante durch die Hölle ohne die Sonne, von beren Licht ir. 
nie die Rede iſt. Dies Hinabfteigen zeigte ihm nur das Be 
glück Derer, die nicht den Weg zur Vollkommenheit juden, 
aber erſt als er wieder aus dem Berge auffteigt a riveder k 
stelle, ald er auf Cato's Geheiß zum lido hinabſteigt, me !ı 
„Morgenröthe die Welle färbt’, findet und betritt er den Bez 
„den die Sonne il quale omai sorgeva, gli avrebbe most 
(Purg., c. 1). 

Die erften beiden male, da Dante auf den Kiiypa der 
Heiligen Berges entichlummert, ermacht er, der da nod tw 
in der philofophifchen Wiffenfchaft, erft als die Sonne en die 

iA piü di due ore (Purg., c. 19, v. 44 u. 37); aber vm 
dritten male, nahe der Vollendung der Reiſe, erhebt ei 
al primo fuggire delle tenebre (Parad.,:c. 27, v. 113}. 

Die Sonne theilt ihr Licht mehr oder weniger den dw 
nen mit. Wie man fie wegen ihres Widerfpiegelns ſelbſt & 
nen nennen mag, fo nennt aud Dante Die, welche in I= 
Handlungen das Licht der Philofophie gleichſam widerſpiez 
Sonnen, wie er 3. B. Virgil anredet: „O sel che sani em 
vista turbata” (Inf., c. 2, v. 91). 


Kun folgt die alegorifche Bedeutung des Mondet. A 
Fonta beim Dichter das Bild der menſchlichen Vernitn 
welche die Philoſophie erleuchten muß, gleichwie des Rt 
kicht von der Sonne abhängig iſt. Der volle Mont fd 
dad Bild der vollfommen von der Philofophie erleuchteten Fr 
nunft. Mit den Worten: E gia jer notte fu la Iuna tel 
(Inf., c. 20, v. 124) fagt daher Dante woͤrtlich: Der "= 
Mond führte Dante aus dem dunkeln Walde, — allegertd 
die durch das Studium der Philoſophie erleuchtete Bere‘ 
zeigte ihm den Weg aus dem Irrthum des Laftert. 

In den auf la luna fich beziebenden Worten: la des 
che regge nell’ inferno (Inf., c. 10, v. 80), ‚folgt Ft ? 
wörtliden Sinne der Mythologie, welche Die Luma (I: 
Hekate, Proferpina) als Göttin der Zodten dort herrſchen I) 
im wörtlidyen aber betradhtet er ihn ald — la ragione umıHl 
welche — nicht die Philofopbie — im inferne herriht (b*- 
c. 1, v. 9 u. 99. 


Darauf befpricht Ponta die fünf vorzüglichſten Fi 
fonen, die fi um Dante's Rettung bemühten und sik 


1387 


Dieſer und) daB ganze Gedicht als 
dilder ſchon auf Erden lebten, deren .alfo-jebe 
bat: den perfönlichen, auf der Erde getragenen, und den pro 
un erhaltenen, auf die Rettung des Dichters fich bezie⸗ 

nden. 
So ſpricht Virgil, der (proviforifch) fein Führer aus dem 
Balde der Unwiffenheit ift: Del suo corpo talto a Bramlisio ' 
e sepolto a Napoli. ' 

So fpriht Beatrice, (ihrer irdifhen Perſoͤnlichkeit 

nad die Jugendfreumdin des Dichters, allegoriſch feine 


Solche ſchildert, Deren Bex- 


Güprerin in der Ausübung theologiſcher Tugenden, myſtiſch den dreieinigen Gott, die erlöjende Liebe 


das liebende Wirken des Heiligen Geiſtes, der allein die Zu: 
gendkraft gibt [Conr., trat. 4, cap. 21)) von.der wachfenden 
Schönheit: Quanda passo. da carne a .spirito. . ’ 
Der heilige. Bernhard (allegorifch die Contemplation des 
‚Heiligften, deſſen Leitung Beatrice den Dichter im Hofe des 
regno giustissimo überläßt, da wo nicht mehr das Dandeln, 
foudern die Betrachtung der himmliſchen Dinge gilt) ift Der: 
felbe che quagiü godette contemplando della celeste pace. 
Bon Luia — nemica di cdiascun crudele (orudele 
nad Brumtto Ratini für vizioso); wörtlih: Die Befchügerin 
der Slaubenstreuen (or a bisogno il tuo fedele di te; Inf., 
c. 2, v. 98); myftifch-allegorifch : der ımmittelbare Lichtftraht ' 
der ewigen Weisheit, der, Dante's Geiſt erleuchtend, das Licht 
ber Zheologie und Moralphiloſophie überfttahlt — wird gefagt: 
Che siede nella candida rosa di contro all’ antico padre, 
gleich den andern Heiligen, welche auf Erden sotto l’incarep 
della came di Adamo lebten. | 


Die donna gentile ift perfönlich, wärtlid die Sungfrau | - 


Maria, wie Dies die Benennungen, bie ihr Dante gibt: gen- 
üle, glei mit leggiadro, nobile, augusta, regina del cielo 
e del mondo bezeugen; ſowie feine Berfiderungen, daß fie 
Dem, der fie anflehe, non pure soccorre, fondern oft libera- 
mente al dimandar precorre (Parad., c. 33, v. 18), daß fie 
fo mächtig fei, di frangere il duro giudicio lassıı u. f w. 
Im allegorifch« myftifchen Sinne erkennt Dante in ihr Die 

ewige Wahrheit, welche er in feinem „Convito’ die Philos 
ſophie oder vielmehr den liebenden Gebrauch der Philoſophie 
sennt. Die Hauptbeftätigung diefer Anſicht findet Ponta in 
ver allegorijchen Auslegung des Gebetd des heiligen Bernhard 
n die Jungfrau Maria, weiches im wahren Sinne an die 
‚öttlihe Philofophie gerichtet iſt. Died unzweifelhaft zu 
sachen, bemerkt er, daß Dante diefe göttliche" Philofophie im 
Convito‘‘ figlia, suorn, sposa di Dio, daß er fie in Bott feiend 
ennt quasi per eterno matrimonio, ja daß er in ihr das 
de goͤttliche Weſen, den Begriff der heiligen Dreieinigkeit 
det; denn drei Dinge nennt er im „Convito“ als ihre Haupt: 
ftandtheile: Erfennen, Lieben und Erkanntes, wie er 
affelbe denn ausdrüdt im Parad., c. 33, v. 124: 

© luce eterna che vola in te widi 

Sola te istendi, c da te intelletta ' 

Ed intendeute te ami ed arridi — 


3» Parad., c. 13, v. 99: 
Quelia viva luce ehe si mea 
Del suo Iuceute, che nun si dienna 
Da lui, e dali’ amor che in ler s’Ihtren, f 
velcher Zerzine Ponta in hıce die Bedeutung des Sohnes, 
lucente die des Baterb, in amor die ded Heiligen 
fies, in jenen SHauptbeflandtheilen der Philoſophie alfo 
Die Theile Der heiligen Dreieinigkeit findet, ſodaß er fehließt: 
Philoſop hie ift das ewige Berftändniß, die höchfte Weis: 
unendlich liebend, cder in Einem Worte: jie ift der 
einige Gott. . 
Iſt run die Philofophie göttliher Natur, if fie sposa di 
fo ift fie auh Mutter ded Sohnes Gottes, doch da 
Sohn Eins mit dem Vater ift, ift fie als figlia di Dio 
dre auch figlia di Dio il figlio; fo erklaͤrt fich die Anrede 
3ernharb’s: O figlia del $uo figlie. 


Andere Stellen qus Diefem Gebete gleich bezüglich auf die 


zwei Charaktere | Jungfrau Maria wie auf die Philoſophie führt Ponte an; fo: 


Tu se’ colei che Pamena natare 
Nobilitesti ei, che I suo fattore 
Non disdegnd di farsi sus fatturs, 


welche ſich auf die unendliche gottaͤhnlichmachende Veredelung 
der menfchlihen Natur durd die Philofophie bezicht.. Kerner 
die Nel ventre tuo si raccese l’amore etc., welche fagt, 
daß die Philofophie nicht nur die Menfchen fähig macht, das 
Heil zu empfangen, fondern daß auch aus ihr felbft, Eins mit 
hervorging; und 
fo andere mehr bis zum Ende des Gebete. 7 

Dieſer Schluß und die Deutung die wir ihm geben, ſagt 
Ponta, ſtimmt vollkommen mit allem dem Gebete Vorangegan⸗ 
genen überein. Auf der Reife trafen die Strublen der Philos 


‚topbie Dante nie direct, fondern fie brechen ſich erft im Geiſte 


Birgil's, der fie wieder mittel Beatrice'8 empfängt. Später 
empfängt fie Dante von Beatrice felbit, endlich von St.⸗Bern⸗ 
hard; zulegt erbittet Diefer für ihn den direrten Empfany von 
der danna gentile, wie es die Worte fagen: Perche tu ogni 
nube gli disleghi ... . etc. 

: Ra dem inbrünftigen Gebet wird Dante Glied des himm⸗ 


Auge fich breche: er felbft, venendo sincera la sua vista, 


Ma gia volgea il mio desio e velle i 
Ze Biceome ruota che egaalmente & mouse 
Lumor che muove il sule e le altre stelle. 


Run folgt die Erklärung der fieben Leuchter, fieben 
Sterne, fieben Lichter und fieben Nymphen, welche 
alle das Gleiche: die vier moralifchen und die drei theo: 
logifhen Zugenden bedeuten, wie denn die Rymphen 5.2. 
agen: Noi sem qui ninfe, nel ciel sem stelle, (Purg., 
c. di, v. 106), Ebenſo fagt Dante vom Septentrion (Kleiner 
Bär mit fieben Sternen) des erften Himmel, daß er dort 
faceva accorto del suo dovere la gente verace, glei dei 
an unferm Erdenhimmel, che fa qui accorti i marinari che 
vanno a porto (unten führen uns die moralifthen, oben bie 
a silnen Zugenden in den Hafen des Glücks, Purg,, 
C. 


In weiterer Erklaͤrung dieſer Allegorie ſagt Ponta: „Das 
Licht der vier Sterne (moraliſche Tugenden) erleuchtete Cato, 
der fie alle auf Erden ausübte, in der Dunkelheit; am Abend 
verfhwinden diefe vier und es erheben fi) die drei andern 
Sterne (theologifhe Tugenden) gleichivie wenn die Xhätigkeit 
des bürgerlichen Lebens ruht, das 
ginnt.” (Purg., c.8, v. 8. 

Die gefärbte Luft, die hinter den heiligen Lichtern zu- 
rüdbleibt, bebeutet die guten Werke, durch weiche die Tu⸗ 
gend ihren Weg bezeichnet. Diefer farbige Lufthimmel ift nur 
sehn Schritte breit, zu zeigen, daß die Ausübung diefer Tu⸗ 
‚genden ſich auf die der Zehn Gebote befchräntt. 

Aus zwei Abtheilungen befteht die Begleitung des Greifen: 
den vorausgehenden und den begleitenden und fol» 
genden Büchern des Alten und Neuen Zeftament, alle unter 
der erleuchteten Luft der Zugenden, da dieſe wie jene ihre Aus⸗ 
übung befehlen, diefe im Glauben an den fommenden, jene 
in dem an den gelommenen Ehriftus, wie denn aud beide 
Abtheilungen den Greif, das Sinnbild des Meſſias, anfchauen. 

Die Lichter geben zuerft voraus, dann in die Hände 
der Rymphen uber, weil, ehe der Meſſias Fam, die Zu: 


‚contemplative religiöfe bes 











genden in ihrem Urquell, dem breieinigen Gott, wohnten und 
:aur ihren Abylanz vorausſchickten — in den Patriarchen und 
Propheten —, dann ‚aber mit dem Meſſias in Perſon erſchie⸗ 
nen, nad) feinem Auferftehen noch zurüdblieben, in ihren Haͤn⸗ 
den die Lichter als Zeichen des thätigen Wirkens baltend, und 
fo die Kirche, die Wächterin der Theologie, begleiteten. 

Auch die Kränze find bedeutungsvol. Die Seligen des 
Alten Zeftaments tragen Lilien (der Glaube an den kommen: 
den Ehriftus), Die des Reuen dem Greif näcften Lorber 

nung auf den gefommenen Chriſtus), die da folgen No: 
In Ai Liebe bedeuten, das Erfennungszeichen der Rachfolger 

rifti. 

Die Purpurkleidung der moralifhen Zugenden bat 
Beziehung auf die Zarbe der Kaiſergewaͤnder. 


Der Baum des Lebens im irdifchen Paradies ift nad) 

Ponta (auch nach Perez und Undern) das Sinnbild der Mon: 
ardhie, die, wie jener weithin feinen Schatten breitet, ihre 
Macht erfiredt über alle einzelnen Gewalten der Erde. Ein 
Gebot in Bezug auf ihn (di non gustare del frutto dell’ al- 
bero dei bene e del male) war das Erfte, dem fi die Men- 
ſchen unterwerfen mußten; fo ift Gehorfam gegen die Monar⸗ 
die das erfte Gebot, von defien Erfüllung das Wohl oder 
Wehe der Geſellſchaft abhängt. 
&o befanden fih ſchon unſere Urältern unter der geheim: 
nißvollen Autorität der Monarchie. Den Zuftand ihres Ge⸗ 
horſams jtellt das ir diſche Paradies dar, in welchem Ma⸗ 
tHilde, Blumen auf Blumen, Zugenden auf Zugenden pflückend, 
das Sinnbild der Ausübung der moralifhen Tugenden iſt. Als 
aber Eva den Baum beraubte, wurde er vedova di fiori e di 
frondi und befchattete nicht mehr die Erde. So entftand aus 
dem Ungehorfam gegen die Autorität der Monarchie oder weil 
Eva der Tugend fi nicht bingeben wollte, che vuol freno a 
suo prode (Parad., c. 7, v.25), alle Unglüd des Menſchen⸗ 
geſchlechts. Hier begann il torcersi dalla via di verita e da 
sua vita (Parad., c. 7, v. 36). - 

In Erinnerung diefer Berfündigung Adam's gegen den 
Lebensbaum fingt daß Geleite des Streifen nicht, als es ihm 
fi) nähert, fondern tutti mormoravano: Adamo! 

Der Greif, als Thier mit zwei Raturen, einer Him- 
meld: und Erdnatur, das Bild des Gottmenfchen, bindet das 
Holz der Deidhfel an den Stamm des Baums (Purg., 
c. 32, v. 91) als Zeichen der Verbindung des Papſt⸗ und Kir 
chenthums (duch den Wagen und die Deichiel dargeftellt) mit 
dem Kaiſerreich und ihrer Abhangigkeit auf Erden von dem: 
felben. Weil Chriftus während feines Lebens die Faiferliche 
Autorität anerkannte, kaum geboren in die Regifter der römi: 
fhen Monarchie eingefchrieben wurde, lehrte, Caͤſar zu geben 
was Caͤſars fei, dem Urtheil eines kaiſerlichen Stellvertreters 
fi) unterwarf — fo die Berfündigung der Menfchen gegen die 
Monarchie fühnend —, fingt das Gefolge des Sreifen den Baum 
mit den Worten an (Purg., c. 32, v. 43): 

Beato se’ grifon, che non diseindi 

Col becco desto legno dolce al gusto etc. 

Die Rothwendigkeit der Bereinigung zwiſchen Papſt⸗ und 
Kaiferthum und die Beftimmung von Rom zu beider Gig ſpricht 
Dante aus in der Vereinigung ded Baums und Karrend auf 
derfelben terra verra (Purg., c. 32, v.94); das irdifche Gluͤck, 
das diefe Bereinigung herbeiführt, in der plöglicden Bekleidung 
des Baums mit Blüten und Zweigen bei der Ankunft des 
Karrens. — — 


Darauf geht Ponta noch genauer in die allegorifche Be⸗ 
deutung des Greifenwagens ein, der, wie gefagt, die Kirche 
darftellt. Die beiden Räder bedeuten die heilige Lehre 
und die Armuth, die beiden Erundfteine, auf denen die Kirche 
ruht, welche Erklärung uns Dante ſelbſt reicht, indem er, als 
im Himmel des Franciscus Armuth und des Dominicus Lehre 





Verantwortlicher Herausgeber: Heiuri Brockkans. — Dirud und Verlag von J. X. Brodhans in Leipiig. 


gelsht wird, verſichert, diefe feien le due ruote da Criste lascıtı 
alin chiesa onde vinca ia sua civil briga (Parad,, c. 13, v1), 

Der Adler, der den Baum entblättert, der den Bahn 
bed Karrend und bie beiden Räder (Armuth x.) mit feinem 
Gefieder bedeckt, bedeutet den Kaiſer (Konfbantin), der deh 


"die Berleihungen von irdifchen Gütern an den Yapft zurf 


Geiz und Herrſchſucht in ber Kirche erweckte und fo ihre he 
tigkeit verwandelte. Der Drache, der mit giftigem Sad 
den Boden des Karrens ſchlaͤgt, iſt Lucifer, der erſte Reit, 
invidia prima, der durch die @rregung jener Begierden de 
Macht der Kirche zerftoren will. Die Begierde nad Hi. 
ſcher Herrſchaft ſelbſt ift fymebolifirt Durch die dormna scika, 
‚die fid aus dem mit den fieben gehörnten Köpfen (m 
fieben SHauptfünden) gefrönten Karren erhebt. Der Kirk 
endlich aus dem Geſchlechte, das den Kampf mit Gott begane 
aus dem Goliath entfproß, ftellt nach dem Dichter felbh vu 
auelfifche Partei dar (Epist. ad Henricum VII.), die #6 
der Gewalt die Gott dem Raifer gab, widerfegte, angehlid 
im Interefle des Papftes, den fie an ſich feffelte, in Vahrhet 
nur um ibrer eigenen Unabhängigkeit willen (Mo, Mb. }. 
cap. 3; Epist. ad Henr. VIL, par. 9). 

„So, fährt Ponta fort, „iſt leicht zu errathen, Bar 
ner cinque cento diece e cinque messe di Die (Purg.c il 
v. 43) fein wird. Kein Anderer als der Erbe des AUdleri, de 
Kaifer, ber fi allein im Kampfe mit dem Miefen wir 
die pabfugt der Kirche tödten, fie in ihre Grenzen guriäint 
fen Bann.” 

Diefe Erklärung fcheint uns ber von der Bedeutunz Ki 
Veltro, in welchem Ponta nicht einen mächtigen Kailer, i- 
dern einen frommen Papft fah, zu widerſprechen. 

Gegen andere Gommentatoren, die im Draden Redes 
med fehen, fagt Ponta: daß er ja aus der Erde, wo 
Menichen wohnen, fondern Lurifer, emporftieg, daß auch B 
hammed eher eine Beraubung als eine Berführung der 
durch weltliche Gaben, wie es die Adlerfedern bedeuten, a 
fuchte; daß ferner au Dante’ Sohn Pietro feiner Erkliras 
ſich nähere, da er im Draden den Antichrift, der ja doh Find 
mit Lucifer ift, erblickt. 

Ebenſo fagt Ponta gegen Die, die im Riefen ma # 
nig, etwa den von Frankreich, ſehen, daß ein foldyer, da M 
immer (in Bibel und Mythologie) als eine Abnormiit K 
Katur, als das Sinnbild von der Auflehnung ungcherus 
Kräfte gegen rechtmäßige Autorität betrachtete, unmöglih @3 
rechtmäßigen Herrſcher, wol aber eine große Partei, hi 
Kräfte umfaffend, der weltlichen Herrfhaft den Gehorium # 
fagend, bedeuten könne. Die Bergleihung des wmorſtis 
Individuums im 19. Gefang des „Inferno“, das alle ride 
Mächte umfaßt, beftätigt dieſe Auslegung. 


Roc hören wir Einiges über die beiden Laifertt 

Höfe, welche, nahdem durch Ehrifti Kreuzigung 
nicht mehr die priefterliche und Pönigliche Stadt des ml 
ten Volkes fein Eonnte, nach Rom verlegt wurden. & rı* 
Rom Stadt des Weltalls, das Bild der himmliſchen Ger⸗ 
ftadt; ihre Namen, Würden, Umter find nur Bhutan c 
Namen, Würden und Umter in der Himmlifchen. & 158 
denn der ewige Kaifer im feiner Stadt, im Empireum, 
teilbar; in den andern neun Himmeln mittelbar durd ti td 
vertretenden, von ihm beperrfäiten Intelligehgen ; iri nen IP. 
ma impera (Inf., c. I, v. 324). 

‚ Die Engel und Seligen jind gleihfam Würdentrigt W 
himmlifhen Roms. Durch foldye Vergleichung der utrcs 
mit den himmliſchen Römern erklären ſich munde | 
gen der Legtern, 3. B. cittadino romano etc., ferner U ® 





'men von aacerdote und abate del oollegio (Purg., © 


v. 132), welche Dante Ehrifto, von senatore celeste, SA 

er im Conv., trat.2, cap. 6, dem Heiligen Geiſte, von recc 

douns augusta und gentile, welche er der Deutter Gottes A 
(Der Beſchluß folgt.) 





Starter 


für: 


literarifde Unterhaltung. 





Montag, 


— A, 318, — 


14 December 1846. 





Moderne Rechts- und Staatöphilofophie in 
Frankreich. 
(Hortfegung aus Ar. 1.) 
Hinfihtlich der klerikaliſchen, ultramontanen Partei 


haben wir zunaͤchſt eine innere Spaltung wahrzuneh⸗ 
men. Die firengften und confequenteften Anhaͤnger die⸗ 


fer Lehre, wie Lamenndis, find Feinde des Sallkanis- 
mus, meil diefer dem Papfte zum Bellen der Staats: 


madıt Schranken zieht. "Bon bdiefer Seite kommen ba- 


her noch immer Angriffe auf die frangöfifche National- - 


firche vor. Die Übrigen halten fih an das göttliche 
Recht wie es Boffuet lehrt, und meinen es mit dem 
Bunde zwifhen Thron und Altar aufrichtiger. Bedeu⸗ 
tenndere literarifche Leiftungen diefer Partei haben wir 
bier nicht zu nennen: ihre Wirkfamkeit har ſich mehr 
in der praftifchen Politik geäußert. She wir diefe Wirk⸗ 
famteit näher bezeichnen, müffen wir indeß zuvor nod) 
der neueften Schriften Lamennais', gewiß des geiftvollften 
aller Hierher gehörigen Autoren, gedenken. Lamennais ift 
bekanntlich von ber Theokratie zur Demokratie überge- 


gangen und befindet fi feit 1836 unter ben Rabicalen.. 


Seine neueften Schriften „Amschaspands et Darvands”’ 
vom 3. 1843 und „Une voix de prison‘ vom J. 1844 
enthalten womöglid eine Übertreibung biefer Richtung. 
Ihr Inhalt if ein durchaus negativer: wir erhalten: 
Nichts ale die Tebendigften Ausmalungen des Verderb⸗ 
niffes unferer politifchen und gefelligen Zuftände, bei 
melden ber fo berebte Autor der „Paroles d’un croyant“ 
ie volle leidenfchaftlihe Blut feines Stils aufwenbet. 
Für Diejenigen welche Lamennais' frühere Schriften fen- 
ıen ift hiermit auch der Inhalt ber jegt vorliegenden 
ezeichnet, wir können uns daher des Anführens befon- 
ers prägnanter Stellen, die fich zahlreich genug barbie- 
m, enthalten. Diefer Verfall an den ingrimmigften 
tadicalismus ſcheint Manchen bei einem wirklich gelehr- 
n und firenggläubigen Menfchen unerklärtid : wir 
öchten darin einen fehr fchlagenden Beweis. finden, 
aß Glaubenseifer und Drthodorie dem Ra— 
icalismus näher liegt als man in Deutfd- 
ınd, wo man Beides als Garantien politifcher 
ngefährligfeit betrachtet, irgend zu ahnen 
heint, und vieleiht aufrihtige unb tief vom 
lauben erfaßte Gemüther am allerleichteften dazu hin- 
Hrt. Lamennais tft ein frommer Skeptiker: gleich an- 


:and 65 Bifchöfen. 


fange hat er fih im Zweifel Rn ber Vernunft bem 


Glauben in die Arme geworfen. Er ift indeß zu geift- 
voll und von zu zegem Intereſſe füs. die Menſchheit er⸗ 
füllt, sum. mit, jenez bekannten nüchternen Gemüthlich⸗ 
keit — mit welcher man etwa protefiantifche Theologen 
die Todesfirafe versheibigen hört — Alles mas «inmal 
ift auch vortrefflich zu finden, und. zu; gefi unungsboll, 
um feine Orthodoxie zur Grundlage eines ganz gewoͤhn⸗ 
lichen Sonfernativismus zu misbrauchen. Er ſieht alfo, 
dag die menſchlichen Dinge wirklich noch weit von ber 
Volllommenpeit entfernt find, und Charakter -und Schid- 
fale bringen ihn hier zu einer fo- verzweiflungsvollen 
Anſchauung, daß ihm Alles Perverſität wird, und eine 
indolente, durch Gewohnheit und langen Druck abge⸗ 
ſtumpfte Mehrzahl ihm als das Opfer einer ſchlauen 
und habſüchtigen Minderzahl erfcheint. Sein Eifer für 
das Wohl der Menfchen ift aber nichts Pofitives, ſon⸗ 
been ganz einfach Erbitterung gegen das Übel welchem 
die Menfchheit verfallen ift, unb in diefer negativen 
Richtung bemerkt er nicht, wie auf dem jegigen Stand⸗ 
punkte der Geſchichte den weiter Vorgebrungenen Vieles 
als ein Reiden der Geſammtheit erfheint, was nur ein 


ſolcheg vodre, wenn: fie die Geſammtheit bildeten, jetzt 


aber feines fein kann, da die Sefammtheit Diejenigen 
ſtraft oder im Stiche läßt, melde ihr das Abſchuͤtteln 
jenes imaginairen Joches anrathen. 

Für die Tendenzen der rieritaliſchen Partei kommt 
nun zunächſt die Stellung des franzöſiſchen Klerus in 
Betracht. Derſelbe beſteht jetzt aus 15 Erzbiſchöfen 
Bon den 15 Erzbiſchöfen find nur 
noch 3 aus der Zeit der Reflaurstion, 12 verbanten 
ihren Zitel der Tuliregierung; ‚von ben 65 Bifchöfen 
datirt noch einer (dev: Bifchof von Arras, Kardinal La⸗ 
tour d'Auvergne) aus dem Gonfulate, 17 find von Der 
Revolution und 47 von ber Reftauration esnannt. Be⸗ 
fanntlid, wird der Klerus vom Staate befolder und «6 
ift ihm die Leitung des Unterrichtsmwefens, welche ber Uni- 
verfität anvertraut ift, entzogen. Es erklärt fich baber, 
dag er mit dem jegigen Zuftande nicht zufrieden ift: 
mande Mitglieder find rein ultramontan und verab- 
ſcheuen den Gallicanismus, 40 Bifchöfe follen.. offene 
und erklaͤrte Gegner ber Aulitegierung und nur etwa 
15 ihre: zuverläffigen Freunde fein. Wie weit der Kle⸗ 
rus den Legitimismus treibt, iſt aus einem Buche des 
Biſchofs von Mans: „ Institutignes. philosophicae ad 








1390 


usum collegiorum et seminariorum”, weldes zum Un- 
terrichte in ben Seminaren dient, erfihtlih. In Be⸗ 
zug auf die Ufurpation des Throns heißt es darin, daß 
die Unterthanen nicht blos dem legitimen Fürften in allen 
öffentlichen Dingen Gehorfam leiſten mÄffen, ſondern auch 
den illegitimen Fürften privatim tanquam publicum male- 
factorem occidere, si legitimus princeps id expresse jubeat. 

Der Papſt felbft befindet ſich gegen die gallicanifche 
Kirche in einem eigenen Verhältniffe: er muß im Grunde 
den jegigen Zuftand ber Dinge in Frankreich für eine 
‚Ufurpation und Beeinträchtigung feiner Rechte halten, 
und da er nie eine Conceflion macht, fo ift feine Aner- 
kennung auch nur eine halbe, indem er fich theils hütet, 
Mar und deutlih Etwas zuzugeftehen, theild aber jebe 
Richtung des Ultramontanismus, welche dem Staate allzu 
feindlic, ift, anzuerkennen. So hat der vorige Papſt 1832 
Lamennais’ Lehren verdammt und fpäter bei dem Gtreite 
wegen des Breviariums, wo mehre Bifchöfe die Ein- 
führung des römifchen Breviariums verlangten, für die 
gallicanifche Kirche, alfo gegen die ultramontane Rich⸗ 
tung entſchieden. Die zahlreichen Erlaffe der Bifchöfe 
in ber Unterrichtsangelegenheit neigen fich daher — wie- 
wol die Fatholifche Politik ein Bares Ausfprechen ver- 
meidet und immer tergiverfirt — theilweife im Aus- 
drude und ganz unverkennbar in ihren Reſultaten die- 
fer Richtung zu. Am bezeichnendften ift die Rede des 
Cardinal Pacca vor der Akademie der Fatholifchen Re- 
ligion zu Rom im 3. 1843, welche den Stand der 
römischen Kirche und ihr Feſthalten an allen ihren 
alten Anfprüchen deutlich zeigt und auf welche ‚man 
allgemeiner hätte aufmerffam fein follen. Der Theil 
derfelben, welcher Frankreich betrifft, legt den Stand- 
punkt des dortigen -Klerus-unummunden bar. In Frank⸗ 
reich, heißt es, habe der Glanz und das Anfehen ber 
"Kirche 1682 eine ſchwere Beeinträchtigung erlitten; allein 
der Klerus habe feinen loöblichen Eifer für die Kirche 
bewahrt. Nachher fei Frankreih ein Sündenpfuhl voll 
pbilofophifcher und gottlofer Kehren geworden, und zu 
den wüthendften Feinden des Glaubens gefelle fich dort 
die Univerfität. Dem Klerus, der dagegen rostro et 
ungulis fireite, werden dann die größten Lobeserhebun⸗ 
gen gemadt, und die am Schluſſe der ganzen Rebe 
ausgefprochene Hoffnung, daß gute und fromme Fürften 
bem ſchweren Leiden ber Kirche abhelfen würden, läßt 
fih auf Alles, auf die Artikel vom 3. 1682, die An- 
griffe einer falfchen Politik, einer philofophifchen Impie⸗ 
: tät und auf die Functionen der Univerfität beziehen. 
(Die Bortfegung folgt.) 








— — — — 


„Zur Erklärung der „Divina commedia” 


des Dante. 
(Beſchluß aus Nr. HT.) 


Darauf: befpricht Yonta die in das Gedicht verwebten ſym⸗ 
boliſchen Figuren, um durch fie die von ihm gegebene Haupt: 


aAllegorie zu: betätigen. So iſt ihm der Koloß von Kreta 
ein Eoloffales Bild der Monarchie. Er fteht auf Kreta, 
der Infel, die inmitten der drei Theile der Welt liegt, wo Sa⸗ 
turn, der erfle König aller Menſchen, durch feine weile Regie: 


rung das goldene Zeitalter herbeiführte (Parad,, c 21, v.N), 
welches für Dante gleichbebeutend iſt mit gorerno imperik, 
monarchia univereale, wo ber Ida fich erhebt, auf dem di 
Adler, das Attribut der Monarchie, niften. Dieſer Kelch 

leicht eingm Breife, denn das Alter vereint Dante mit Ki. 
beit und Gerechtigkeit (Mon., trat. 4, cap. '2). Die au rır 
fhiedenen Metallen gebildeten Koͤrpertheile bedeuten die 
Berfhiedenheit der Regierung en; je ungeeigneterdik 
für das Glück der Kationen, je gemeinet find die Metall, x 
mehr Tropfen — Xhränen der Bürger — emtquellen ihm. 
Das goldene Haupt, dem keine Thraͤnen entquellen, fılt 
die Monarkhie dar, die volllommenfte Regierungsferm. De 
rechte Fuß, auf den die Statue vorzüglicy fich flüpt, if wa 
gebrannter Erde; er bedeutet -das aus foldem Rateru 
gebaute Haus, das Symbol der Familie, den run 
aller menſchlichen Staatseinrichtungen. Der Greis [haut ia 
an wie feinen Spiegel, alfo mit Wohlgefallen, und kehrt Yin 
feinen Rüden zu. Das bedeutet, daß der Dften der Urfprmy 
der Monardie ift, die von Kreta nad) Troja, ven da dad 
Aneas nah Alba und endfih nach Rom kam, das ihr Grik 
nen erfehnt — die Witwe, welche Zag und Nadt rief: ( 
sare mio, perche non m’accompagni! 

Bom Thierkreis und Aquator fagt Yonta, dab 
erfte den Kaifer, der zweite den Papſſt bedeute, daß fe m 
an zwei Punkten, wo fie beginnen und endigen, ſich berübtn. 
weil Bott beider Anfang und Ende ift (Parad., c. IN). & 
die Ordnung in der Welt ſich nur erhält, wenn beide in dm 
vorgefchriebenen Gleiſen bleiben, fo ift ed das Gleiche mie 
fertyum und Papftthum. 

Die Kabel vom Phaeton, eine. von denen, wii ® 
weifen, wie Amter die Gott dem Einen verliehen kan: 
derer ſtraflos ausüben Fann, wird dem Kaifer Konftantin = 
Allen, die unredhtmäßig die Grenzen ihrer Macht zu überiätt 
ten fuchen, eine Lehre (Purg., c. 29, v. 149). 

Wie jene Fabel mehr eine Warnung für die wetlde 
Herrſcher ift, fo ift Dza’s Bild, die, weil fie unberufer 
Bundeslade berührte, erfchlagen ward, eine Warnung fir zit 
liche Herrfcher, die ihre Macht überfchreiten (Purg., c. Wr.) 

Die demüthige Unterwerfung, die ſeloſt hoͤchſte mt 
Herrſcher Gott geigen müflen, deutet Dante im Lobe Eat} 
an, der, des koͤniglichen Schmucks ſich entäußernd, antah} 
vor der Bundeslade — Bid der Kirche — tanzt. 


Auch über die häufig als profanicend getadelte Inner? 
des Namens Jupiter auf Chriftus ſpricht Ponta und ite 
voraus, daß Dante felbft fagt, wie er unter. dem Mntd ? 
Kabel, nad Freiheit der Dichter, hohe Wahsheit be: 
Dann erwähnt er die Vielen fo verabfcheuungswürdige 8 
im Purg., c. 8, v. 118: Sommo Giove,. che fosti in #" 
per me crocifisso , und fagt zu ihrer Berichtigung, rg 
Zenophon der Name Giove erfigeborenen Sohn des ai! 
ben Königs, Städtegründers ıc. bedeute, es aiſo nicht wur 
bar fei, wenn ein Dichter des 13. Jahrhunderts, der zurf® 
der eigenen Sprache der Kunft der alten Poeten naht 
die Benennung, welche jene alten Poeten, Gefhigtit-” 
Völker ihrer höchften himmliſchen Geftalt gaben, auf eine" 
liche anwandte, die eine ähnliche Idee umfchloß und fe mi ® 
nem Ramen Daffelbe that, was Die Priefter mit alten heikas 
Monumenten gethan, die fie nach Rom bringen ließen un M 
dem chriftlichen Eultus weihten. So weihte denn aud 2 
Poefie jenen heidnifchen Namen zu einem heiligen, und ©" 
nem Munde bedeutet Jupiter nicht mehr den Räuber u® 
ropa, fonbern den Eingeborenen Gotteb. ak 

Auch den Planeten Jupiter erwähnt Dante hu + 
Parad., c. 18: O dolce stella etc. Diefe Zerzine zu 
ben, müffen wir uns Dante's Anficht von den neun PIRF 
vergegenwärtigen, welche die himmiiſchen Intelligenzen er, 
Diefe theilen fih in drei Scharen, die erfte dem Butt 
zweite dem ohne, die dritte dem Heiligen Geifte zugerthe 


1391 


die erſten bemegen den Krythall⸗ und Sitetnenhimmel unk den 
Gaturnus, die zweiten die bed Impiter, Mars und der Eanne, 
die dritten Die bed Mereur, ber Benus und Des Mondes. 
Darum fagen die im Monde lebenden Geligen: 

Li neutri affetti, che solo Infiammati 

Son nel placor delle spirfte santo etc. 


&o ift es Mar, daß hier la dolce stella di Giove feine 
Bevegung und feine Kraft im Geiſte des ewigen Sohnes be: 
deutet, daß die Worte (Parad., c. 18, v. 115): 
che nostra giutizja 
Effetto via del ciel che tu isgemme 


ſich beziehen auf unfere Rechtfertigung durch Den, in bem 
und durch den jener Himmel ſich bewegt, der für uns die Strafe 
der Auflehnung gegen die hoͤchſte Autorität exlitt und mit ben 
Worten: „Gebet Bott was Gottes, dem Kaifer mas des Kai⸗ 
ſers iſt“ die Idee der weltlichen und geiftlicden Autorität wie 
derherftellte. — — 


Auch die Richtſchnur, welcher Dante im Beſtrafen 
und Belohnen folgt, gibt Ponta eine Beſtätigung der Alle⸗ 
gorie. Drei Arten von Suͤndern nimmt Dante an: die welche 
gegen Gott unmittelbar, andere welche gegen den Kaiſer und 
die bürgerliche Geſellſchaft, und ſolche welche ſich gegen den 
Papſt und die Religion vergingen. Zu den erflern gehört Lu: 
cifer mit den gefallenen Engeln, der Gott gleich fein, beide 
Autoritäten ufurpiren wollte. Darum find ihm, dem Herrſcher 
im doloroso regno, die Sünder aller Art unterworfen, deren 
drei ſchrecklichſte er aus jedem Munde feiner drei Gefichter fpie: 
Judas, der in Chrifti Berrathung gegen das Hoheprieſterthum 
fündigte, Brutus und Caffius, Die in der Ermordung von Ju: 
lius Caͤſar gegen das Kaiferthum fündigten (Inf., c. 34. 36). 
Im Gedicht alfo fehen wir Alle, die ſich irgendwie gegen Papſt 
und Kaifer vergingen, Buelfen wie Ghibellinen, zu den Ber: 
dammten gezählt. Da der Uranfang des eöncifgen Staats, des 
Hauptmittelpundts des Weltreihs, Durch den Trojaner Ancas 
gegründet ward, fo werden Die welche fih gegen Zroja auf: 
gelehnt haben gleichwie Jene beftraft, fo Achill, Diomed, 
Ddyffeus u.f.w. Ale im Gegentheil, welche im vollfommenen 
Gehorſam yegen die doppelte Monarchie lebten, find zu Den 
Seligen gezählt. Die aber, welche, obfhen fih nicht der 
Monarchie widerfegend, doch gleichgültig gegen fie waren und 
nit an daß allgemeine, nur an ihr eigenes Wohl 1 di 


—— — — 


dürfen weder ins himmliſche Reich, noch koͤnnen ſie in die Hoͤlle 
aufgenommen werden; fo erhalten fie einen beſondern Aufent⸗ 
baltsort ohne Farbe, ohne Ramen — die Vorhoͤlle. 


Diefe Gerechtigkeit Dante’6 gegen Guelfen und Ghibelli⸗ 


nen, feine Berdammung ber Yäpfte, welche das Paiferliche Recht 
(Rikolaus III.), und der Kaifer, weiche das päpftliche Recht 
angriffen CFriedrich 11.), beweift, daß Dante felbft Feiner 
Yartei anbing, über jede erhaben mar und unter das Panier 
ber wahren Monarchie fich geflüchtet hatte. Erſt nad) und nad) 
aber fehen wir ihn (nad Ponta) im Gedicht zu diefer Höhe 
der Befinnung gelangen. Er begann es ald Guelfe, als Feind 
eines Theils der Monarchie; als folcher ſpricht er zum Ghi⸗ 
bellinen Zarinata (Inf., c. IV, v. 41): Guardomi un poco etc. 
Ws folder ſchilt er den Berrätber der Guelfen, den Bocca degli 
Abati (Inf., c. 32,.v. 109). 

‚Unficher in feiner Gefinnung ift er noch, als er Purg., c. 17, 
Marius über den Urfprung des Unglücks in-Italien befragt. 

Bom 30. — 33. Gefang des „Purgatorio“ fieht und hört er 
Dinge, die ihn immer mehr von der Nothwendigfeit des Kai: 
fer- und Papſtthums überzeugen, er bereut feinen frühern Irr⸗ 
thum, piange come un fanciullo battuto e cadde come 
morto da dolore.. Er ift bekehrt, doch noch Reophit, noch 
der Lehren bebürftig. Sie gibt ihm im 6. Geſang des „Para- 
diso“ Raifer Iuftinian, der ihm fagt, che il santo segno del 
mondo e de, suoi duci — der Adler — Feiner einzelnen Par⸗ 


tei venkichen ſei. Dante, fühlend, wie feine neue Befinzung 
beide Parteien gleich gegen ihn erslienes müfle, fragt im Pa- 

‚c. 17, v. 106, den Gocciagutba, ob er fie frei bekennen 
fole: Ben veggio, padre milo.... Seinem Rathe folgend 
zaubert er nicht mehr, feine Belehrung zu verkünden (Parad., 
c. 2 Con altra voce omai, con altro vello ritornero 
poeta jagt er und meint damit: Mit anderm Parteinamen, 
weder guelfiih noch ghibellinifh, mit neuem Glauben kehre ich 
zurüd, endige das Gedicht, a cui posero mano e cielo e terra 
(Theologie und Philoſophie) zum Ruhme des Krummftabes und 
des Schwertes (del pastorale e della spada), zum Frieden 
und Troſte des unglücklichen Italiens. 

Auf die oft gethbane Frage, warum Dante mehr von ber 
Vertheidigung ded Schwertes als des Krummſtabes gefpro- 
chen habe, antwortet Ponta, daß zu jener Zeit des Streits 
zwiſchen Kaiſer und Papſt der Letztere im Beſitz des loco 
santo war (Inf., c. I, v. 22— 24), während ber Kaiſer erſt 
fein gleiches Recht auf den Befig erringen follte; dies ihm 
zu erlangen, mußte alfo gefchrieben und gefprochen werden. 


Noch Ipricht Ponta über die Länge der Zeit, die Dante 
im Walde verirrt zubracdte, und nimmt fie — durch Bes 
weife, die ihm allerhand Stellen im „Purgatorio” (c. 31; c. 32, 
v.2; c. 23, v. 115 u. v. 75), die ihm die Zeit von Beatrice’s 
Tod und Dante's neue in der „Vita nuova“ erwähnte Liebe 
geben, auf neun Jahre von 1291 —1300 an. 

Von der Zeit, wo Dante dad Gedicht begann, fagt er: 
„Dante erwähnt im «Convito» (trat. 2, cap. 13), daß er, fi 
über Beatrice 8 Tod zu tröften, dem Studium der Philofophie 
fih ergeben babe und in weniger als 30 Monaten weit in ihr 
gekommen fei. Dies war denn wol, da Beatrice um 1290 
ftarb, um 1295. Da alfo wahrſcheinlich, und nicht erft 1300 
oder 1307, begann er ſchon fein Gedicht, obgleich die traurige 
Berbannung deſſen Vollendung verzögerte. Richt blos Dante $ 
heiße Liebe zu Beatrice, die ihn zur fchnellften Erfüllung des 
ihrem Andenken gegebenen Verſprechens (‚Vita nuova”, Ende) 
treiben mußte, fondern noch Anderes beftätigt Ponta in feiner 
Annahme: Graf Balbo fagt in der „Vita di Dante”, daß die erfte 
Idee zum Gedicht in feinem 25. Jahre entftand, daß fie in 
feinem 28. lebendiger ward, daß er die erften fieben Gefänge 
Lateiniſch fehrieb und fie dann ins Italienifche übertrug: . Auch 
Boccaccio fagt in feinem Werke über Dante, daß er lange über 
das Gedicht gedacht und ſchon vor der Verbannung aus Florenz 
die erften fieben Geſaͤnge (in lateinifcher Sprade) vollendet 
babe. Dachte nun Dante lange über das Gedicht, fo bedurfte 
er auch langer Zeit Dazu und er mußte, waren um 13U0 fon 
die erſten Gefänge gefchrieben, ſich mehre Jahre vorher damit 
befchäftigt haben. Auch war gerade das Jahr 1300 für Dante 
fo voller polisifcher Beichäftigungen, daß wir in ihm unmöglich 
den Beginn des aus tiefem, ftilem Studium hervorgehenden 
Gedichts und denken können. So denkt fi denn Ponta die 
Idee des Gedichts erftehen im 3.124, im, 20, Jahre Dante's, 
im dritten feiner Verirrung, im erften feiner aufrichtigen Ruͤck⸗ 
Behr zur Liebe für Beatrice. 


Die legte Beflätigung der von ihm dargelegten Wllegorie 
ſucht Yonta in einer Parallele, die er zwifchen Dem ‚Con- 
vito‘ und der „Divina commedia’” madt, zu geben. Er 
fagt, daB im „Convito” Dante ſich entfloben nenne aus 
dem Glend Derer, che cibano in commune colle pecore, 
und daß er Mitleid mit Zenen babe, die fih gleih Thieren 
nährten, während er zu Füßen jener Weiſen meile, die beim 
gefegneten Mahle jigen, und ſich von Dem nähre, was abfällt 
von der Engelsfpeife, wovon er gern Jenen auch mittheilen 
möchte. &o ruft er denn die Menfchen zu einem allgenteinen 
Gaſtmahle. Der Speifen, fagt er, werden vierzehn fein, viers 
zehn Sanzonen der Liebe und Zugend (unter Liebe verfteht Dante 
wie befannt das Studium der Philoſophie, Die er la donna 


' della aus mente nennt). Im trat. 4., cap. 1, ſchildert er den 


Gufelg feiner:-Bebe 11::,,I3, der⸗det Zraund- biefer denne ge 
worden: war, begann:zu haflen und zu Heben nad ihrem Haß- 
und ihrer Liebe, begann zu Aieben die Nachfolger der Tugend, 
zu haſſen die des Jrrthums u. fm. oo ir 

Bier tft affo die gleiche Idee mit der im erſten Gefang. 
der „Commedia” : die Flucht aus dem Elend des selva selvaggia,; 
die Ankunft auf der oͤden Ebene, wo er den Berg erblidt, da 
das Mahl der Weisheit gehalten wird u. f. iv. Auch nennt 
er im „Convito’ den Zweck deflelben gleih mit dem in der 
„Commedia “: d’inducere gli uomini alla scienza’ ed alla 
virtü, :di gridare alla gente che per mal’ cammino an- 
davano, accioch& per dritto 'calle si dirizzassero. Dieſem 
Zwecke fetzen fih die Lafterhaften'aller Menfchenalter entgegen, 
die ee im „Inferno in den drei wilden Thieren perfoniftcirt 
und gegen die er auch im „Convito” fpricht oder fprechen will, 
wie er denn trat. 14 eine Rede gegen den Geiz, fpäter eine 
gegen die Begierde verheißt. &o gebt durch beide Werke vom 
Anfang bis zum Ende diefelbe Idee; der einzige Unterfchied 
it in der Ausführung, in der Berfchiedenheit der Karben, der 
größern oder geringern Vollkoinmenheit, in der Verkoͤrperung 
des urfprünglichen Grundgedanfens. Diefer, die Menſchen zur 
wahren Monarchie zu bekehren, tritt denn auch am Ende des 
heiligen Gedichts noch einmal hervor. Er wendet fh im „Pa- 
radiso“, c. 30, gegen jene drei allegoriſchen wilden Ihiere, in de: 
nen er eben ſich Bürger denkt, welche der heiligen Speiſe be⸗ 
dürftig find, und ruft, da die Länge der Zeit wol feinen Zorn 
gegen biefe feine Verfolger gemildert, ihm aber nicht den im 
„Convito“ ausgefprocdyenen Wunfc genommen bat,. ihnen zu: 
u La cicca cupidigia che v'ammalia 

Simili fatti v’ba al fantolin» 
Che muor di famc e caccia via ls balia. 


Die, welche er im Anfang ald drei wilde Thiere, die ihn 
feindlich anfallen, darftellt, jchildert er jegt als blind, Franken, 
bungernden Kindern gleih. So enthalten drei Verſe ganz voll 
Liebe diefelben Gedanken, wie die zornigen firengen Worte 
des erften Geſangs. 


Einen intereffanten Anhang des Werkes bilden außer der 
koſsmographiſchen Tafel, welche Dante’ poetifche Auffaffung 
der abftrufeiten Wiffenfchaften zeigt, und der von Ponta fo 
fcharffinnig erfundenen und erflärten Uhr, welche und erkennen 
!äßt, nach wie ftrenger Regel Dante die Flüge feiner Phanta⸗ 
fie leitete und zügelte, die Erklärung einiger ſchwer verftänd: 
lichen Verszeilen des Gedichts, zuerft der: perche io te sopra 
te corona e mitrio am Ende des 27. Gefangs bed „Purgato- 
rio”. Ponta findet in diefen Worten corona e mitrio nicht 
wie die meiften Eommentatoren die Benennung des Böniglichen 
wie des bifhöflichen Schmuckes, fondern bezieht beide nur auf 
den erften, was er denn ſehr fcharffinnig auseinanderfegt. 
Birgil, der beidnifche Philofoph, der, weil er die drei theolo⸗ 
giſchen Zugenden nicht übte, für ewig an den Limbus gebannt 
war, konnte mol der Kührer Dante'8 in den natürlihen, in 
den Moralwiffenfchaften fein, konnte ihm den Weg zur irdi⸗ 
fchen Glückſeligkeit zeigen bis dahin, wo er Feines Führers 
mebr bedurfte, fein eigener Kaifer (Repräfentant dieſes Füh⸗ 
rers zur irdifchen Gluͤckſeligkeit) ſein könne, konnte ihn aber 
nit bis zur himmlischen Seligkeit führen; dazu bedarf es 
Mehr ats der menſchlichen Vernunft: einer höhern Offenbarung. 
Diele erfcheint in Beatrice, der Verkörperung aller Lehren der 
heiligen Apoftel. Sie erft führt ihn dahin, wo er die Krone 
Sanct⸗Peter's empfangen Pann, wie er bier die des Kaifers 
von Birgil empfängt mit den Worten: Perch’ io te sopra te 
corona e mitrio; denn mehr — ein Symbol der Erreichung 
göttliche Wiſſenſchaften — hier zu erbliden, wäre Dante's 
vielbefprocdyenen Srunbfägen gänzlich zuwider. So bleibt allein 
die Frage, wie beide Worte corona e mitrio ohne Pleonab: 
mus die einzige’ Idee der Kaiferdrone umfaflen koͤnne. Diefe 
beantwortet Ponta dadurch, daß er den zweiten rund erhabe- 


nen, Reif, : den Die Kaiſerkeone dufier Dem. einfachen Gh 
der königlichen hat, mitra nennt unb’ biefen Ramen vafieh 
rechtfertigt, fo dadurch, Daß die lateiniſchen Schriftſteler da 
ſelben jedem Kopfſchmuck vecſchiedener Bolker und Stände ge 
ben, daß fie tem Paris und Wacdus ſelbſa und den tanzerie 
Choͤren Mitren. auf Haupt fegten (Garolus Pafalis, „Ce 
ronae”, Marcus Antonius Mazzeronus, „De trikus core”) 
daß Paſchalis in demfelben Werke ſage, Antonius habe crfün, 
‚feine Söhne follen nicht nur Könige, fondern Könige der 8 
nige fein, eine doppelte, eine Kaiferkrone tragen; ferner dur 
die Befchreibung der Kaiferfrönung Otto's im 3. 1 (in tem 
„Ordo romanus"), wo der Papſt dem Inienden Kailr de 
'mitra und: auf dieſe Die Kaiferkrone aufs - Haupt feht. de 
von einem raffinirteen Gefchmad in eine Form vereinten Air 
nen find alfo die corona mitritata, von welcher Dante dank 
Birgil's Mund ſpricht, ihr fo eine tiefe. Bedeutung gebe, & 
dem er auf das zweifache Amt Defien, der fie trägt, das An 
‚im Krieg und im Frieden, beutet.- 

-Die andere zweifelhafte Verszeile, weldye Ponte ran, 
ift die 48. im 6. Gefange des „Paradiso‘: „Ebber la fs 
ch’io volentier mirro.“ Diefes mirro findet Ponta meter, de 
es einige Sommentatoren thun, gleichbedeutend mit inbalnee 
conservo, noch leitet er es, ein r weglaffend, von mirare % 
wundern) ab, fondern läßt e8 fo viel fagen wie ...chie tn 
lentier onero con mirra (dem zu Ehren ih gern lade 
einer Gottheit Myrrhen verbrennen wollte). &o wird mim 
fononym mit incensare, wie es dies mit venerare il. X 
wie man Die Handlung des Weihrauchverbrennens inc 
nennt, fo mag man wol das Verbrennen der Myrrhe tırd @ 
Verbum mirrare bezeichnen; haben ja auch die Römer, ecr 
nit das Verbum myrrhare felbft, doch feine YPırtura 
myrrhatus und murrhatus. ' 

Daß diefe Erklärung Dante's und des Kaiſers, itr 
fih die Stelle bezieht, würdiger fei als jene, die unter ’@ 
mirro die niedere Handlung des @inbalfamirens (des Eirk& 
mirens eined Ruhmes, che dura e durerä quanto il are 
lontana) verfteht, ift wol einleuchtend. Diefe Erklärung it 
Ponta zu rechtfertigen, indem se aus Juvenal, Plinius, Aal 
aus den Schriften des Alten Teſtament Stellen anfitt I 
vom Gebrauche der Alten, Myrrhe zu Ehren berühmtr IT 
und lebender Perfonen, ja zu Ehren der Gottheit zu :* 
nen, reden und fo eine Verbrennung der Myrrhe za Ext 
des Heldenruhms annehmbar erfcheinen Iaffen. Seid em?“ 
tung ift denn auch Dante's Gefinnung über ſolchen Ruh r= 
zuwider; denn wie er ihn verehrt, fpricht er vielfach =‘? 
Briefen an die Florentiner, an den König Italiens, &'° 
„Monarchia” (lib. 2, cap. 8), im ‚„Convito’ (trat. 4,ap" 
u. f. w. aus: 


Mag nun Ponta manches von deutfchen Dante fe 
fhon Gefundene und Erklaͤrte bringen, mag er hier O4 
der bekannten Reigung.der Italiener zum Wilegorifiren u @ 
nachgegeben, ſich vieleicht zu tief in die fcholaftifd-phärk“? 
ſche Richtung der Beit des Dante verfenkt haben: jedenfoli * 
Buch ein neues Seugniß, daß der große Dichter feinen 3 
Bein Todter ift, da audy bie jüngern Geſchlechter Stalins W 
mit Verehrung und Innigkeit dem Studium feines hebs # 
dichtd widmen, wie Dies denn in den legten Jahren =* 
Ponta's, Betti's, De Ceſare's und Underer Schriitce > 
Schriften, auch des V. Giambattifta Siuliani 1344 » t 
mit einem Kupferflich erfchienene, im eleganteften ItEt: 

geſchriebene Beofchüre beweift, in welcher er auf Beranl’-- 
des in Italien fo frewdig aufgenommenen Dante: Bildes t«t 77 
von Vogelftein, welches fi jest im Palaſt Pitti zu F-” 
befindet, .ald wahrer Kenner. des Gedichts defſen Haupti= -" 
ihre Verförperung in Farben befpricht und mit großer = 
fenbeit faft alle Diejenigen erwähnt, welche vom Bey 
ſes Jahrhunderts außerhalb Italiens über die „Divim # 
media” gefchrieben Haben. Il: 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Wrodfans. — Drud und Werlag von FJ. X. Brockhbaus in Leipzig 


Blätter 


für 


Iiterarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 


—— 8, 349, 


15. December 1846, 











Moderne Rechts- und Staatsphilofophie in 
Frankreich. 
(dortſezung aus Nr. 38.) 


Die Juliregierung befindet ſich dem Klerus und in 
gleicher Weife den Legitimiften gegenüber wo nicht ge- 
radezu in einer ſchiefen, doch in einer nicht durchaus 
Haren Stellung. Die Abfolutifien und Theokraten find 
FSeinde der Mevolution und ber Aufllärung, und bie 

Juliregierung ift nur infoweit Freundin bdiefer Dinge, 
als einmal vollendete Thatfachen vorliegen; fie unter- 

ſcheidet ſich alſo im Grunde von jenen reactionmaiten 
Parteien nur dadurch, daß dieſe legtern auch das bereits 
vorliegende biftorifche Refultat der Revolution und Auf- 
Plärung aufgehoben wiffen wollen. Die Suliregierung 
hat daher doch noch immer einige geheime Velleitäten für 
Die Reaction, denen fie freilich nicht durchaus nachgeben 
Fann, ohne ſich felbfi zu opfern, die aber immer fo viel 
wirken, bag man gegen Anfeindungen bes jegigen Ver⸗ 
faffungszuftandes verfchieden verfährt, je nachdem fie von 
Dem legitimiftifchen Adel und dem Klerus, oder je nad)- 
dem fie von den Rabicalen ausgehen. Im legten Falle 
if} man foharf und ftrenge, im erften nicht, weil man 
irm erfien noch einige geheime Sympathien für die Prin⸗ 
cĩ pien hegt, aus denen die Anfeindungen herfließen. 
Mehberg fagt in feiner Schrift über den deutfchen Abel: 
„Unruhige Köpfe von geringer Abkunft follten die Strafe 
des Hochverraths auf dem Schaffot leiden: Hochverrä- 
ther von vornehmer Geburt. wurden damit entjchuldigt, 
Jaß fie nur politifche Bewegungen zur Wiederherftellung 
ıIter echte verfucht hätten.” Diefes Misverhältnig ift 
nuch in Frankreich nicht zu leugnen; das minifterielle „Jour- 
‚al des debats” ging bei Gelegenheit der Legitimiften- 
ımtriebe im Winter 1843—44 fo weit zu äußern: wenn 
in Trupp einfältiger misleiteter Bauern die weiße Fahne 
chöbe, fo fchiege man fie nieder: was dagegen den ade- 
gen Legitimiften geſchehe? Ahnlich verhält es fi mit 
em Klerus. Man weiß, mit welcher Heftigkeit derfelbe 
egen die liniverfität und gegen das neue Unterrichts⸗ 
eſetz reagirt und wie er ganz offen Anſichten ausge- 
rohen hat, bie mit dem gefeglihen Zuſtande nicht ver- 
äglich find. Im Sanuar 1844 hatten fogar der Erz⸗ 
ſchof von Paris und vier Suffraganbifchöfe dem Kö⸗ 


nige ein Memoire übergeben, welches die bekannten 
Prätenfionen des Klerus fammt ganz offenen Drohun- 
gen ausfprach, und ſchon deshalb wicht in ber Ordnung 
war, weil Berfammlungen und Berathungen der Bifchöfe 
ohne Genehmigung der Regierung nicht flattfinden follen. 
Es erfolgte indes Nichts als eine fanfte Misbilligung, 
und der mitbetheiligte Bifchof von Berfailles ward fo- 
gar zum Erzbifchof von Rouen erhoben. Als die Sache 
am 19. Mär; in der Deputirtenlammer zur Sprade 
fam, bemühte fih der Cultusminifter vergebens, den 
Borwurf der Schwäche und Inconfequenz abzulehnen, 
und wußte in feiner Verlegenheit kaum den Schein ei- 
ned Grundes anzugeben, ſodaß wir wahrſcheinlich wieder 
ein Beifpiel haben, wie das jegige Minifterium ein un- 
mittelbares Eingreifen des Königs leichter duldet ale 
irgend ein früheres. Was namentlich den Klerus be» 
trifft, fo ift in Frankreich unter der liberalen Partei die 
Anficht Herrfchend, daß feit drei Fahren die Regierung 
durch ihre mit einer geheimen Sympathie für göttliche® 
Recht verwandte Schwäche gegen denfelben feine jegt 
fo laut gewordene Reaction hervorgerufen habe. Auf 
die allerzartefte Weife ift diefer Ubelftand von Thiers 
in dem Berichte über das Unterrichtögefeg mit folgen- 
den Worten angedeutet: „S’il s’agit de l’administration 
interieure, qu’on nous cite un jour, un seul jour, oü 
le gonvernement actuel, s’obstinant dans un de ces 
choix, ait voulu imposer au Vatican l’institution d’un 
ev@que. A en juger méême, il faut le dire, par ce 
gui se passe, ce ne sont pas des ennemis de l’Eglise 
qu’il a choisis pour se choisir des amis à lui-m&me”, 
die denn in der Kammer „sourires et chuchotements ” 
hervorriefen. 

Man könnte unter diefen Umftänden verfucht fein, 
eine ganz neue Gombination für möglich zu Halten. 
Tocqueville hat am 15. Ian. 1844 alles Ernſtes in 
ber Kammer darauf bingewiefen, daß die Kleriker zu 
Perwaltungsbeamten begradirt und Religion und Unter- 
richt in das große Centraliſationsſchema der modernen 
Politik einrangitt würden. Wenn alfo der König ein’ 
Minifterium fände, welches die Philofophie nicht be 
fügte, fondern fie für negativ und verderblic und den 
Glauben für bie einzige wahre Philoſophie erklärte, fo 
koͤnnte bei jener Allgewalt der Regierung in Unterrichtt: 


1894 


fachen die Philofophie ganz verdrängt und ber Glaube 
und die Frömmigkeit an ihre Stelle gefegt werden. Es 
handelte fih dann blos darum, eine Wendung zu fin- 
den, diefe Dinge als die wahre Philofophie geltend zu 
machen. Möglich wäre. auf bieferWeife ein Sieg des 
Heralifchen Obfcurgntismus; wahrfcheinlich, ift rer indeß 
nicht... Theils kann man in’ einem aufgeflärten Lande 
mit freiern Verfaffungsformen die Vernunft und Auf: 
Märung- von Seiten der Regierung nicht entbehren und 
müßte von ihrer Bekämpfung ſchwere Reactionen befor- 
gen, theils weiß man,. daß religiöfer Fanatismus poli⸗ 
tiſch gefährlicher ift als Aufklärung, und dag in ran 


reich der Obfcurantismus nicht bloß ein beliebig zu be⸗ 


nugendes calmirendes Mittel, fondern der Quell einer 
religioͤſen Exaltation fein würde. 

Wars. nun. .die neuern Reactionen 
Partei ‚betrifft, fo. können wir die franzöfifsye Kirchen» 


verfaffung, ‚in welcher ber. Grund zu dieſen Neactionen. 


liegt, nicht näher erörtern, ſondern müſſen auf. die neue⸗ 
ſten fpeciellern Werke dazüber von Vuillefroh und Dupin 
vermeifen. Die hauptfächlichite Beſchwerde beſtand in 
der Leitung des Unterrichtöwefene durch die Univerfität, 
modurch der. Geiſtlichkeit ihr Einfluß darauf theilmeife 
genommen und dem. blinden Wusoritätenglauben: durch 
Dhilofophie und Aufklärung entgegengearbeitet wird. Es 
iſt alſo ganz die alte und überall gemachte Praätenſion 
der Theolggen, nicht blos auf Theologie und Religion 
beſchränkt zu fein, fonbern allgemein eine Policeiaufficht 
über die Wiſſenſchaft zu führen, damit diefe die Leute 
nicht für. die Froömmigkeit untauglich mare, : Die neuer 
ſten Angriffe in Frankreich beginnen im -3.. 1843 
zunaͤchſt mit, den bekannten . Drohungen. der Bifchöfe, 
aus. den Sphulen, ‚in welchen Aufklaͤrung herrſche, Die 
Alsnofeniere fartzurufen, dann aber knüpfen fie. fih an 
das. den Kammern vorgelegte Geſetz über: den Secun- 
dairunterricht. Liber: den erſten Punkt gibt eine Schrift 
des Profeſſors Genin in Strasburg: „Les Jesuites: et, 
Vuniversite'' (Paris 1844), genauern. Aufſchluß, und bie 
Verhandlungen über das Unterrichtsgeſez müffen wir 
bier als bekannt vorgusfegen. Der Geſetzentwurf er: 
kennt den Familien das Recht zu, : ihre ‚Kinder. unters 
richten ‚zu laſſen wo fie. wollen, ftellt aber den Unter- 
richt ſelbſt unter ſtrenge Auffiht des Staats, Wer 
eine Privatunterrichtsanftalt gründen will, muß ver- 
fihsen,. daß er Feiner ‚verbotenen Congregation angehörte, 
und über feine Befähigung Univerfitätsdiplome fowie 
obrigkeitliche Sittlicgkeitszeugniffe beibringen. - Die. geift- 
lien: Serunbairfchulen, . bias zur Bildung, bes: Klerus 
beſtimmt und alfo auf 20,000 Schüler beſchränkt, welche 
für die. untern Claſſen Profeſſoren mit dem (Grade vom 
bacheliers - esrlettres und für die obern Claſſen Profef- 
foren mit,dem Grade. yon licencids - &s- sciences haben, 
mezben mit den Colleges und ben Privatgelehrtenſchulen 
gleichgeſtellt. Ihre -Zöglinge ſollen, ohne: hie Univerfität 
zu. befuchen, und ſelbſt wenn..fie nicht wirklich in ‚den 
geiftlihen Stand cintreten, zu ben. Prüfungen für: das 
Baccqlauregt -zugstaffen. werden... Sind ihre Profeſſoren 


der klerikaliſchen 


nicht graduirt, fo können fie nur die Hälfte Ihrer dig: 
Iinge zum Baccalaureate praͤſentiren. Natürlih ke. 
ſchwerte fi der Klerus darüber, daß theils die Unie- 
fität und nicht der Klerus das Recht habe, die zur & 
dingung gemachten gelehrten Grabe zuy extheien, baf 
man die Bongregationen bon ‚ber Leitung des Unteriätt 
ausſchloß, und dag man ſich bei Geiftlichen, welche m 
Schule leiten wollten, nicht blos mit bifchöflichen Zeuz 
niffen begnügte. 

Die Streitigkeiten, welche ſich bier anknüpfen, han 
ein um fo größeres Intereffe, als dabei die Lehren hi 
theofogtfirenden und ultramontanen ſowie undererfeits ki 
rationaliftifchen Staatsrechts nicht blos der Wiffenfhrt 
wegen, fondern in Bezug auf eine praktiſch zu entſher 
dende Frage geltend gemacht wurben.. - Der Mem 
kämpfte theils durdy feine Fournale, das „Univers", u 
„Revue catholique”, theils durch die von den Bilhafe 
in den Journalen veröffentlichten Erklärungen, til 
durch eine Meihe .von Vrafchüren. Einex der eifrgfn 
Borfechter des Klerus, ſowol in ber, Pairskammur u 
auf dem :literarifchen Felde, ift der Graf von Mentıa 
beit. Die  Bertheidigung gegen biefe Angriffe mit 
dann hauptfächlich in. den Händen ber: Dostrinaires, Comp, 
Villemain und Guizot. Es würde. zu ‚weit führen is 
alle Einzelheiten einzugehen: unſerm Zwecke kann joa 
durch ‚einige wenige, nur auf. das wiſſenſchaftlich Eche 
liche berechnete Notizen: entſprochen werden. 

on ‚ (Der Beſchluß folgt ... -. 





Charles Xyell und die Amerikaner. 
Derſelbe Charles eyell, der, 1797 geboren, feit 188 fr 
fefior der Geologie am King’s-College zu London iſt = = 
mentlich durch feine „Principles of geology” (3. Bde Ra 
1830 — 33; deutſch von. Hartmann, Quediinburg ISU-A, 
fich dem Auslande bekannt gemacht hak, bereifte IS41-1: € 
nen großen Theil der Vereinigten Staaten,’ Canada md Ir: 
Schottland, wovon die Ergebniffe in feinem unter felzerde 

Zitel eriihienenen Werke ‚vorliegen: 

Travels in North. America; with, geological obsersatues # 
the United States, Cansda and Nova Scotia. By (ir 
‚teg Lyell. Zwei Bände. London 1849. . 

Hauptzweck des Berf. waren allerdings die auf te & 

tel ‚genannten geologifchen Beobachtungen. Weil dieft &3 

mehr der Bitenfgant 8 -ber allgemeinen literariſchen Kir 

haltung zufoßlen, ber Verf, zugleich Seitenblicke auf du &* 

ten ;und. Gewohnheiten der Amexikaner geworfen und db !E 

pelt intereffant ift,- einen leben Mann über den fpcialen &% 

raßter der jungen Republik fprehen zu hören, einen Ka. 

der über Alles nachdenkt was er ſieht und Nichts ſchreibt md 

er.nicht. genau gepruͤft, dadurch abes vom dem bloßen fi: 

wie von: dem faſhiongheln Kouriſten ſich weſentlich unteze 
det: ſo mögen jene Beobachtungen andern Blättern verblern 
und folen. Bier nur einige der Seitenblide aufgefangen u® 

Der Berf. vertieß am 20. Juͤli 1841 Liverpocd und = 
nach zwölftägiger Fahrt in Boſton. „Wenn ich mich erinnit 

beißt es, „wie fehr „bei .meiner .erfien Fahrt über den Kanıl i@ 

Doyes, alles Franzöfifhe in, meinen Augen abſtach, fo mi # 

mich wol wundern, daß, nach. einer Fahrt. .über den weiten DE* 

Ales was ich bier fehe und höre den Dingen in meinet 

mat gleicht. Dhne diejenigen heile von Wales, Scher* 

und Irland zu meinen, wo eine eigene Sprache geredet mE 
babe. ich auf .unferen Imfrl. fo oft: Propingialtinlehte far °C 





1385 


koͤnnen, daß ih Hier erſtaune, die Menſchen fo reis 
engliſch zu ſinden. Iſt daher die Metropole von Neu⸗England 
ber Typus eines großen Theils der Bereinigten Staaten, fo 
weiß ich nicht was höhere Anerkennung verdient, ob der Fleiß, 
mit weichem Sam Sid und Andere 5 viele luſtige Amerika: 
niömen und fo viel -originelles Kauderwelſch zuſammengebracht 
haben, oder ihre Schöpferkraft.” Nah einigen Ausflugen in 
die Umgegend von Bofton begab fi der Reifende nah Rem: 
baven in Bonnecticut und legte die erfien LUUV (enagliſche) Meie 
len auf einem herrlichen Schienenwege in drei und. einer hal⸗ 
ben Stunde für drei Dollars zurüd. In Newhaven, ciner 
Stadt mit 21,000 Einwohnern und einer Univerfität, wohnte 
ber Berf. dem presbpterianifchen Gottesdienſte bei und hatte 
deshalb um fo mehr Mühe fich zu überzeugen, daß er nicht 
länger in jeinem heimatlichen Schottland fe. Sobald er feine 
eologifehen Forſchungen beendigt, dampfte er nach Neuyork, 
Meilen in ſechs Stunden, und von da den. Hudfon hinauf 
nach Albany. Im Befig Des beiten Empfehlungsfdreibens, 
eined berühmten Namens, erfuhr er von den amerifanifchen 
Geologen immer willige Aufmerkſamkeiten, die feine wiflen: 
ſchaftlichen Zwecke bedeutend forderten. Bon Albany wendete 
er fih nah Riagara, um die Fälle und die Ablagerungen an 
den Seen Erie und Ontario zu unterfuhen. Auf diefem Wege 
kam er durch eine Menge neuer und blühender Städte, deren 
KRomenclatur fait im höchſten Grade lächerlich iſt. „Im Laufe 
Burger vier Wochen”, erzählt der Verf., „waren wir in Syra⸗ 
Bus, Utica, Nom und Parma, gingen von Buffalo nah Bas 
tavia, frübftüdten in &t.:Helena und mittagten in Elba. Wir 
fammelten Mineralien in Moſkau und en nach Havana. 
Über Auburn nad Albany zurückgekehrt, führte man mich nad 
Troja, einer Stadt mit 20,000 Ginwohnern, wo ich einen 
merfwürdigen Bergflip fehen follte,. indem "gerabe damals die 
weftliche Seite des Olymps ſammt einem anftoßenden Stüd 
des Berges Ida in den Hudfon binabgeftürgt war. Glüdlicher: 
weife baben. doch einige indianifhe Namen ji. erhalten; fo 
Mohawk, Ontario, Dneida, Canandaigua und. Niagara. Ge: 
feggebende Einmifhung in Sachen des guten Geſchmacks taugt 
freilich Nichts. Uber aus Rüdjicht auf die Foftverwaltung 
ſollte der Congreß fi dareinlegen und die Vergebung beffel: 
ben Namens on Dörfer, Städte, Grafſchaften und Weichbilde 
für die Zukunft hindern. Daß mehr ald hundert Drte af: 
fington heißen, iſt ein unerträglihes Ungebuͤhrniß.“ 
Bei aller Lächerlichkeit ihrer Namen ift es eine. erfreuliche, 
offnungsreiche Ihatfache, daB es jegt blühende Städte mit 
voo Einwohnern gibt, wo vor 23 Jahren der erfte Eolonift 
feine Dolz;Hütte baute. „Das. mächtige Kortfchreiten Einer Ge: 
neration im fo kurzer Friſt iſt eine natürliche Deranlaffung, 
den fernern Gang des Wachsthums und der Berbeflerungen 
zu überfheigen. Sieht aber der Reiſende fo viel Wohlftand, 
ko gar Nichts von Mangel und Armutb, fo viel Schulen und 
Kirchen inmitten der Wälder, fo viel Begehr nad) Unterricht, 
und fagt er fich zugleich, daB darüber hinaus ein großes Feſt⸗ 
Iond liegt, welches noch die Befignahme erwartet, fo muͤſſen 
feine Gedanken fröhlih, feine Hoffnungen fanguinifh fein. 
Möglich, daß er auch an den Echatten des Gemäldes denkt, 
daß er fich fagt, wo jo glänzende Erfolge errungen und Eolof: 
fale Vermögen erworben worden, koͤnnen raſche Speculationen 
und .bittere Kaͤuſchungen nicht auöbleiben. Aber im Borüber: 
reifen drängt fh ihm Nichts der. Art auf. Die gediegenen 
Früchte des Siegs umringen ihn und er vergißt, daß man: 
her wadkere-Kämpe im vosderften Gliede beim Sturmlauf ge- 
fallen ift. - Much müßte Der ein fiſchblutiger Menſch fein,, der 
feine Sympathie empfände für. ein imges, friſches, hoffnungs« 
volles Land, der hier fühlen Fönnte was manche Männer füh: 


len, die über die Sluͤtenzeit ihres Lebens hinaus find, wenn | 


fie in Gefellfchaft mit-jungen Leuten vol Gefundheit und frohen 
Muth, voll Glauben und Vertrauen in die Zukunft fich befinden.” 

HRach Befichtigung ber Wiggara» Falle und der bereits ges 
nannten Seen kehrte dep Verf. nach Neuyork zuruͤck, um nad 
kurzem Verweilen nad Hhiladelphia zu geben. Auf diefer 





Reife traf er mit allerhand Leuten zuſammen und bat ⸗ 
treffliche Gelegenheiten, den Katinnaliarafter kennen . ie 
nen. Was in folher Beziehung die Zrollope und Andere fu 
langen Eapiteln ausgelponnen. haben würden, fertigt er in fol 
genden Zeilen ‚ab. Ich bat den Gaſtwirth in Corning, der 
fih gegen feine Säfte ſehr aufmerffam bezeigte, mir meinen 
Kutfcher zu rufen. Sogleich rief er in die Schenkftube hinein: 
«Wo ift der Herr, der den Mann bier gebracht hat!» We: 
nige Sage vorher hatte ein Pachter in Neuyork meine Frau 
«das Weib» titulirt, obſchon er feine eigenen Züchter Damen 
nannte und, wie ich feſt verſichert Bin, ihre Zofe ebenfo ge: 
nannt haben würde. Ic ließ mir erzählen, daß bei einer neu: 
lichen Unterfuhungsfadhe in Bofton ein Zeuge ausgefagt: «er 
und ein anderer Herr hätten eben den Gaſfenkoth zufammen- 
gefchaufelt» u. ſ. w. fodaß es wirklich ſcheint, als habe der Geift 
geſellſchaftlicher Steichheit den Ausdrüden Herr und Dame nut 
bie Bedeutung gelaflen: männliches und weibliches Individuum.” 
Dagegen“, ährt der Verf. fort, „beſteht eine der erſten, dem 
Ausländer in ben Bereinigten Staaten auffallenden Eigen 
thümlichkeiten in der dem weiblichen Gefchlechte rücjichtlich feis 
ner Stellung allgemein erwiefenen Hochachtung. Mit weniger 
Gefahr, in unangenehme Berührung zu kommen oder gemeine, 
verlegende Geſpraͤche anhören zu muflen, koͤnnen Frauen ganz 
allein in Landkutſchen, auf Dampfſchiffen und Eifenbahnen veis 
fen — mit weniger Gefahr al& in irgend einem Lande, das ich 
beſucht. In dieſer Hinſicht ift der Gontraft zwifchen Amerikas 
nern und Franzoſen febr bemerflih. Unter Erftern berrfcht 
ein Geiſt echter Ritterlichkeit... Unfere Gefährten waren meift 
Krämer und Handwerker mir ihren Familien, insgefammt. gut 
A und. foweit wir mit ihnen verkehrten, artig und ges 
ällig. Wiele machten Peine Bergnügungsreifen, worauf fie 
gern ihre Sparpfennige verwenden. Ein oder zwei mal in den 
jungft angebauten Diftricten von Neuyork wurde uns zu vers 
itehen gegeben, daß wir mit unferm Kutfcher, gewöhnlich dem 
Sohne oder Bruder des Gutsbefigers welchem das Fuhrwerk 
gehörte zu Mittag effen möchten. Wir thaten e8 und wurden 
durch das ſchickliche Benehmen, ein Ausdrud von Selbftarhtung, 
ohne vorlaut zu werden, wahrhaft überrafcht.... In biefem 
wie in jedem andern Lande müffen Reifende es fich gefallen 
laffen, dann und warn Menfchen zu begegnen, die es fich Be: 
quem machen. Ich muß indeß geftehen, daß bie zwei ſchla⸗ 
gendften Beifpiele gemeiner Vertraulichkeit, die wit erlebt har 
ben, von Männern audgingen, welche erft vor zehn Jahren 
von jenfeit des Atlantifhen Meers gefoinmen waren und auß 
niederm Stanbe fi ſchnell emporgefhmungen hatten. Was 
die hiefige Mittelclaffe an guter Lebenkart befißt, ift gewiß Fein 
ihr zuneführtes ausländifches Product, und wenn. namentlidy 


‚ Sohn Bull zu mancen amerifanifchen Sitten den Kopf ſchüt⸗ 


telt, fo thut er es oft nicht mwiffend, daß er fein eigenes Spie⸗ 


"gelbitd erblickt oder daß er eine Geſellſchaftsclaſſe in den Ber 


einigten Staaten mit einer andern in feinem Paterlande vers 
gleicht, die, weil fie mehr Geld und mehr Muße hat, auch 
mebr Bildung und Berftand baben follte.” BE 
Machte Ichon gute Lebensart dem Verf. das Reifen ange: 
nehm, fo fand er eine weitere Annehmlichkeit darin, daß er 
nirgend Bettler traf, nirgend Seihen von Mangel erblidte, 
überall urizweideutige Beweiſe von Wohlhabenheit und von 
rafhen Fortfchritten im Aderbau, Handel und großen Staats—⸗ 
bauten. Übrigens ſucht er den Grund jener Wohlhabenheit 
weder in der republitanifhen Verfaflung, noch in’ der abfolu- 
ten Gleichheit religisfer Sekten und am weriigften in dem all» 


| gemeinen Wahlrechte, fondern in der Fülle unbefeffener Län» 


dereien und in einem offenen Abzugskanale für den Überfchuß‘ 
einer arbeitfamen Bevölkerung. . 

Won Philadelphia begab ſich der Verf. in den Kalkviſtrict 
von Reujerfey, dann weftlih nach Penniylvanien und beim 
Nahen des Winters wieder nad) Philadelphia, wo er den 12: 


' Det. "mit dem Lärm einer allgemeinen Wahl zufamnientraf. 


Aufzüge, Muſik, Bahnen und fonftige” zweckdienliche Parapher⸗ 
Han drängten fi in den Straßen und vom Stadthauſe laͤu⸗ 





1396 


tete den ganzen Tag die große Slocke, die Wähler an ihre 
Pflichten zu erinnern. ‚pieram knüpft der Verf. eine Reihe 
politifcher und flaatsrechtlicher Betrachtungen, die zwar in er: 
ſter Inſtanz auf England abzielen, bei weldden man I 
auch in Deutfchland fih an der Rafe zupfen kann und die Ref. 
verfchweigt, unter Anderm mit Einem Worte aus Eenfurgrün: 
den. Bon Philadelphia nach Bofton zurüdgefehrt, verbrachte 
der Berf. Hier einen Iheil des Winters und hielt a 
über Qeotogir. Die Zahl feiner Buhörer berechnet ex au , 
aus allen Ständen, von den Reichſten und Angeſehenſten in 
allen gelebrten Wächern bis herab auf den niebrigften Hand» 
werker, ſaͤmmtlich gut gekleidet und ſich auf das anftändigfte 
benehmend. Der Befuh öffentlicher Vorleſungen fcheint ein 
emeinfamer Zug in den Gewohnheiten der Neu⸗Engländer zu 
fin. „Waͤhrend ich in einer Pleinen Stadt“, erzählt der Bert, 
„in der Schentftube des Gaſthofs mid nad Etwas erfundigte, 
kam ein Zimmermann berein, friſch von beendigter Arbeit, und 
fragte, worüber des Abends gelefen werden wurde. Herr M. 
über die Aftronomie des Mittelalters, war die Antwort. Darau 
wollte er wiflen ob gratis. Nein, bieß ed, @intrittöpreis 2 
Cents (IV Ror.). Da meinte er: er werde kommen, und 
ging nah Haufe, fi umzukleiden.“ Es eriftiren aber zum 
—3— öffentlicher Gratis⸗Vorleſungen eine Menge reiche Ber: 
maͤchtniſſe. So im Staate Maffachufetts, wo die im Laufe der 
legten 3D Jahre zu religiöfen, milden und literarifhen Zwecken 
legirten Summen an ſechs Millionen Dollars, über fieben Mils 
lionen Thaler, betragen. 

Boſton, anſcheinend eine der aufgeklaͤrteſten und reichſten 
Staͤdte der Union, behagte dem Bert ungemein. Inftitutio: 
nen wie Gefelfchaft waren ganz nad feinem Gefchmade und 
er und feine Gattin „äußerten oft: in wie vielen Theilen Eng: 
lands fie fid minder heimifch fühlen würden”. Nicht bloß 
Engländer, auch Deutſche und Franzoſen, die in Amerika ge: 
reift find, haben in den Amerikanern unangenehme Menſchen 
gefunden. Darauf bemerkt der Berf.: „Es wäre gewiß wun: 

erbar, wenn gebildete Menfchen, die, ohne ekel zu fein, auf 

Reifen geben, um das Leben kennen zu lernen, und deshalb 
zum Behuf des Charakterftudiums fich verpflichtet achten, mit 
allerhand Leuten zu verkehren, Ieden zu befuchen der fie ein: 
(odet, und ihre Gefellfchaft zu wählen ohne Rüdfiht auf Gleich⸗ 
heit des Geſchmacks, des Berufs, der Sitten und Meinungen, 
wenn ſolche Menſchen nicht auch in ihrem eigenen oder in je 
dem andern Lande den Verkehr unerträglich fänden.” Und 
Wer möhte Dem widerſprechen? Sicher Niemand, der mit Ref. 
überzeugt ift, daß man nicht einmal die Stadt in welcher 
man wohnt zu verlaflen braucht, um hoͤchſt unangenehmen, 
unausſtehlichen „Priſen“ zu begegnen. 

Sm December brach der Verf. nach den füdlichen Staaten 
auf und hatte dort zu feinen geologifchen Forſchungen das 
fchönfte Wetter, während die Leutchen in Bofton, Lowell — der 
huͤbſchen Fabrikmaͤdchen nicht zu vergefien — und andern noͤrd⸗ 
lien Städten in ihren luſtig aufgepugten Schlitten über den 
gefrorenen Schnee carriolten. Der jüdlichfte Punkt welchen 
er erreichte war Savannah in Georgien, und fomit fam er 
durch die dicht bevoͤlkerten Sklavendifteicte. denen er einen be: 
trächtlichen Theil feiner Aufmerkſamkeit widmete. Nichts we: 
niger als ein Freund. des Sklaventhums fpricht er doch von 
dem Aujtande der dortigen Sklaven eher günftig als nicht. 
„Nah Allem was ich über die Leiden der Sklaven gelefen”, 
fagt er, „war es für mich eine erfreuliche Überrafchung, fie im 
Allgemeinen merkwürdig heiter und guter Dinge zu finden. 
Allerdings Habe ich Feine Trupps unter ihren Zuchtmeiftern 
auf den Audecplangungen arbeiten fehen. Allein von den 
dritthalb Millionen Sklaven in den Bereinigten Staaten wer: 
den die Meiften fo befchäftigt wie ich fie in Georgien und 
Süd-Rarolina verwendet fah: beim Aderbau und im Hauswe⸗ 
fen. Tagelang bin ich mit Negern zufammengeimefen, die mir 
zu Yührern dienten, und immer fhwagten und plauderten fie 
gleich Kindern, brüfteten ſich gewöhnlich mit dem Reichthume 


ihre Herrn und mit ihren eigenen Borzügen. In cinm Geb 
aufe Fa ‚fragte ie Se a für wie vie Det 
ars ich wol glaube, daß ihr Herr fie aufs Jahr derwiche 
dabe- Ich nannte abfihtlih eine Beine Summe. Da Wi 
br die Freude aus den Augen als fie mir fügte, daß id md 
ſtark ehrt: der Wirth jährlich SO Dollars oder 10 u 
neen für ihre Dienfte zahle. In einem andern Gaſthefe de— 
felben Staats fäumte ein luſtiger Kellner nicht mir zu Im 
Een, daß fein Herr jährlich 30 Pf. St. für ihn erhalt. Di 
farbige Aufwärterin am Bord eines Dampfihift nahn & 
legenheit, uns ihren Werth wiflen zu laſſen und wie fie zu da 
Ramen Königin Victoria gefommen. Erwägen wir nun, If 
die Dollars nicht den Sklaven gehören, fo Tonnen mir ka 
umhin, die kindliche Einfalt zu belächeln, womit fie ihre Irak 
über den hohen auf fie gefeßten Preis ausbrüden. Glige 
ift diefer Preis eine richtige Probe ihres geiftigen und fittlde 
Werthes. Sie haben Urſache darauf flolz zu fein, und ik 
Stolz ift wenigftens frei von allen ſchmuzigen und feilm d 
benrüdiihten. Ich möchte fogar behaupten, daß die Rat 
ihrer Arbeit böber fteht als bei den Weißen: — da d 
eigennuglofe Beſtreben fei ihre Schuldigkeit zu thun. Da 
weiß ich recht gut, daß über Liefe eigenthümliche und hihi 
Schauftellung der Eitelkeit fih philofophiren läßt, bi ana 
ihr das Merkzeichen äußerfter gefelfchaftlicher Exniedrigun; a: 
deckt. Aber ich weiß auch, daß mein erfter empfangene Er 
druc ein höchft verföhnender, daß es mir unmöglich war, Ra: 
ſchen tief zu bemitleiden, die mit ſich und ihrer Lage fe tet 
auß zufrieden ſchienen.“ 

Trotz alle Dem ijt der Verf. weit entfernt das Syſten ii 
Sflavenhandeld vertheidigen zu wollen. Er räumt ei, 
e8 eine Ungerechtigkeit hinſichtlich der Neger, daß ed vol 8 
fahr für die an Zahl geringern Weißen und daß es die Irak 
der vertheuerten Arbeit und vieler Nachtheile if. Kr e 
es ihm wie andern Philanthropiften, er weiß kein zur Sek 
aushelfendes Mittel. Unverzügliche Abfchaffung würde bir fr: 
ftenz der Weißen gefährden und die unverforgten und Indiir 
nigen Schwarzen ins Verderben fürgen, Letzteres hen N 
halb, weil fie gegen die Mugen und unternehmenden Imrir 
ner nimmermehr auflommen önnten. Sein Rath Mir ® 
her kuͤrzlich darin, daß die Pflanzer in ihrem eigenen un 
ohne Zeitverluft anfangen follen, die Reger zur Freihei ha 
zubilden und Privat : Manumiffion zu befördern, um 
allgemeine Emancipation vorzubereiten. 

Aus dem Süden 308 der Verf. wieder norbmwärtt, 7 
brachte den Frühling 1842 in den großen Kohlentiftite ® 
Dbio, befuchte nochmals Niagara und ging über 
Queendton, Montreal und Quebec nad Reu« Schottlan, 
wo er fi) im Auguft nad England einfdiffte. Sch 
wie feine Aufnahme in den englifchen Eolonien für ih Et 
lobt er auch Diejenigen die fie ihm erwiefen. In Zru: 
er zwei Tage nacheinander an jedem zwei Paar Pfr # 
braucht, und als er dem Poflmeifter daB Geld dafür uf. 
weigerte ſich Diefer e8 anzunehmen. „Rein, fagte ı. 
ich höre unterfuchen &ie das Land auf Ihre eigenen Kl? 
So erlauben Sie mir, zu wilfenfchaftlichen, das alzm® 
Befte bezweckenden Forſchungen mein erflein beigutragt 
Alſo — gehet Hin und thuet Dedgleichen. 


Literarifhe Anzeige. 
Reu erfchien focben im Berlage von F. SE. Bendhan" 
Leipzig und ift durch alle Buchhandlungen zu erhalte 


Allgemeine 


Kirch engefchichte 


on 
€. W. niedner. 
®r. 8. 3 Thlr. 24 Nor. 


Berantwortliger Herausgeber: Heinrich Srockdans. — Drud und Werlag von J. X. Vrockhaus in Beipzig. 





Blatter 


für 


literarifde Unterhaltung. 





Mittwoch, 





Moderne Rechts: und Staatsphilofophie in 
Frankreich. 
(Beſchluß aus Nr. 3.) 


Der Klerus geht im Sinne der Patholifchen Kirche 
bavon aus, daß er verlegt fei, fo lange ihm nicht alle 
Macht und aller Einfluß die er fich wünfcht gegeben 
ein. Es ift die auh wol in andern Verhälmiffen 
vefolgte Zaktit, einen Anfpruch nicht durch Gründe aus 
er Sache felbft zu unterflügen, fondern ihn als gar 
iicht zweifelhaft hinzuftellen und, fo lange er nicht be- 
riebigt ift, von vornherein über Beraubung und Ber- 
sung zu klagen. Auf diefe Weife erlangt man leicht 
Itwas, weil die Ungerechtigkeit einer Beraubung leicht 
u bdeduciren iſt. So findet man au in allen Deduc- 
onen des Klerus Feine Gründe für feinen Anfprud) 
uf befondere Berückſichtigung beim Unterrichtömefen. 
er Graf von Montalembert hat in feinen Reben in 
r Pairskammer und in feiner Schrift („Du devoir 
23 catheliques dans la question de la liberte de 
:nseignement”, Paris 1844) die Sache ganz offen fo 
faßt, als hätten die übrigen Stände alles Vorhandene 

Beſchlag genommen, und thäten fehr Unrecht bem 
lerus fein Recht auf den Unterricht zu beeinträchtigen. 
inft, ſagt er in feiner Schrift, erfannten Politik, Ju⸗ 
prudenz, Wiffenfchaft und Kunft bie Oberhoheit der 
rche an und erhielten von ihr Befruchtung und Weihe. 
le diefe edeln Vaſallen find dem heilfamen Einfluffe 
: Kirche entriffen. Jetzt kommt die Reihe aud an 
ı Unterricht. Hierbei tritt flatt innerer Begründung 
r eine biftorifhe Reminiscenz hervor, und es wird 
erfehen, daß in einer Geſellſchaft, deren Elemente ſich 
einander getrennt und befreit haben, ben Theologen 
: eben ber Eultus, und auf den öffentlihen Unterricht 
> die MWiffenfchaft ebenfo wenig als den Juriften oder 
sten ein beſonderes Vorrecht zuftehen kann. Das 
itere ift dann, baf bie klerikaliſche Partei die Philo- 
hie der Univerfität und den philofophifhen Unterricht 
verabfcheut, daß fie fih gar nicht auf Gründe ein- 
„ fondern von vornherein alle Philofophie für Gott⸗ 
keit und bie von der Univerfität abhängigen Schu⸗ 
für ecoles de pestilence erflärt. Diefer obfcure 
ıatismus führt, wo er über bloßes Eifern hinaus 


— tr. 





und auf die Sachen felbft eingeht, zu Lächerlichkeiten. 
So behauptet der Bifhof von Ehartres, die Profeflo- 
ten der Univerfität vechtfertigten den Mord, den Dieb- 
ſtahl und jedes andere Verbrechen. Er beweift Diefes 
duch folgenden Sag aus Zouffroy’s Werten: „II est 
evident que si l’on peut parvenir à resoudre cette 
question (la question de savvir de quelle maniere on 
peut prouver la spiritualitE de l’äme humaine), la 
science des faits de conscience- est la route, mais 
il n’est pas moins &vident que, dans l’etat actuel de 
cette science, cette question est prematurde”, indem er 
fließt: wenn Jemand frage, ob er ftehlen, morden 
dürfe u. f. w., fo werde der Profeffor es mit den Wor- 
ten: „Cette question est prematuree”, geftatten. Dabei 
ift es nur auffallend, dag in den Seminaren bed Kle- 
rus die Lehrbücher über Moral, welche von Jeſuiten ver- 
faßt find, gebraucht werden, in denen man bie beilloje- 
fien Lehren findet. Man lehrt geradezu den Probabilis- 
mus, nad) welchem eine Handlung, für bie ſich nur ein 
guter Grund, wäre es auch nur bie Autorität eines 
einzelnen Theologen, auftreiben läßt, gerechtfertigt iſt; 
z. DB. heißt es in dem „Compendium theologiae mora- 
Is“ von Moullet: „Si quis delectatur de copula cum 
muliere nupta, non quia nupta, sed quia pulchra est, 
abstrahendo scilicet a circumstantia matrimonii, juxta 
plures autores haec delectatio non habet malitiam 
adulterii, sed simplicis fornicationis.” Nach Pater 
Liguori ift dieſe Entſcheidung fehr probabel. Nun ift 
aber die klerikaliſche Partei weit entfernt den Jeſuitis⸗ 
mus zu verleugnen: fie umfaßt ihn vielmehr mit ber 
größten Zärtlichkeit, verdammt aufs neue Pascal ale 
einen irteligiöfen Schriftfteller, und der Biſchof von 
Chalons erflärt in einer Yublication aus bem Monat 
Jan. 1844 ganz offen, daß er wie jeber rechtgläubige 
Katholit dem Jefuitismus anhänge. 

Bei der Intenfität dieſer ultramontanen Tendenzen 
ift dann ein Abfall vom Gallicanismus unausbleiblich, 
und Montalembert hat mit diefem Abfalle nicht nur 
feine individuelle Anficht, fondern die Lehre feiner Par- 
tei in Rede und Schrift offen erklärt. Die Bifchöfe 
follten nicht blos Staatsbeamte fein, nicht blo6 die Leute 
politifh ruhig und gehorfam machen, Geburts: und To⸗ 
desfälle in der königlichen Familie mit kirchlichem Pompe 





feiern, und deren Mitglieder öffentlich haranguiren: fie 
würden vom Könige angeftellt, aber doch hätten fie ihre 
Macht von Bott und zu höhern Imeden. Dem Throne 
feindlich feien die Biſchoͤfe nicht, aber die katholiſche 
Kivche habe fh auch nicht geändent, fie fei unter Gre⸗ 
gor XVI. diefeibe, die fie ımter Gregor VII. geweien; 
wäre Dem nicht fo, fo hätte fie fich felbft verleugnet. 
Die Freiheiten der Gallicanifchen Kirche feien unprafti- 
ſche Erfindungen ber Juriften, die vier Artikel von 1682 
feien vom Papſte nicht anerfannt und gelten aljo nicht. 
Man berufe fi) auf jene Zeiten und habe doch durch 
die Julirevolution felbft den erften dieſer Artikel, der 
das göttliche Recht der Könige audfpreihe, verlegt. Das 
Concordat von 1801 gelte zwar, aber es fei ein Ver—⸗ 
trag, und wenn ber Staat jegt fireng gegen den Kle⸗ 
rus verfahre und ihm feine Einkünfte ſchmaͤlere, fü werde 
ber Klerus auch das Concordat nicht refpectiten. Die 
Hrganifchen Artikel von 1802 gelten endlich nicht, weil 
fie der Papſt nicht anerkannt. 

Die heftigften Schriften find dann noch Desgarets' 
„Le monopole wniversitaire”; Ravignan's „De l’existence 
de linstitut des Jesuites”’, eine gemäßigte aber fehr 
ſchwache Apologie der Jefuiten, die 3. B. Ihre Moral 
damit entfchuldigt, daß ſchon vor den Jefuiten andere 
Theologen Ähnliches gelehrt hätten; Vedrine's „Simple 
coup d’oeil sur les douleurs et les esperances de 
l’Eglise aux prises avec les tyrans des consciences et 
les vices du 19me siecle”, ein Bud), welched an biin- 
dem Fanatismus alles Glaubliche überfleigt; und befon- 
ders die Schrift des Abbe Eombalot „Meémoire adresse 
aux eveques de France et aux pres de famille sur la 
guerre faite à l’Eglise et & la societe par le monopole 
universitaire ”. Gombalot, der nur in einer etwas 
herbern Form genau Daffelbe gefagt hatte was der Erz⸗ 
bifhof von Paris in dem oben erwähnten ‚„Me&meire” 
gleichfalls ausgeſprochen, ward zu 4000 Franıd Geld 
ftrafe und vierzehntägigem Gefängniſſe verurtbeilt, dafür 
denn aber öffentlich von feiner Partei als Märtyrer der 
guten Sache gepriefen. Als Mufter von Stupidität und 
frommem Haffe gegen Wiffenfchaft, Aufklärung und mo- 
derne Zeit kann auch das Buch von St.-Eheron, „La poli- 
tique de Satan au 19me sieche”, genannt werden. 

Bon der entgegengefeten Seite find bann außer ben 
bekannten Schriften von Michelet, Quinet und Genin 
und einer im Mär; 1845 im „Journal des debats” 
erfchienenen genauen Erörterung des ganzen Streits und 
Mufterung der einfchlagenden Literatur von bem Prinzen: 
erzieher Cuvillier⸗Fleury über ben Iefuitismus befonbers 
Coufin, Billemain und Guizot zu erwähnen. Alle Drei 
haben in den Kammerverhandlungen die richtigen Grund- 
fäpe über Unterrichtsfreiheit auf fehr beachtenswerthe 
Weiſe dargelegt und Couſin Hat feine Anſichten in ei- 
ner befondern Schrift „Defense de l’universit” nöch 
näher begründet. Am kürzeften und fehlagendflen fpricht 
auch hier Guizot: 

Es ift unfere — nicht der Univerfität, fondern der Regie⸗ 
rung — Pflicht, Die Yundamentalintereffen unferer Zeit zu vertbel 


feeeit in die Welt eingeführt u 


digen, die Zreiheit des Gewiſſens und des Gedankent die sk 
unferer Freiheiten, durch welche wir die übrigen errungen ho⸗ 
ben. Dan muß ed ausfprecdhen, daß Gewiſſens⸗ und Sera: 
Eenfreiheit nit durch Einflüffe der Religion erworben fin, 
binden durch weltlige Einflüſſe, weltliche Ideen, welt 
ädhte. Im Nemen der büsgerli Eeſellſchaſt iſt dih 
nur welllichee Ch 
ann fie behaupten. Es ıft falfh, dag der Staat arhefti 
fei; er ift aber ein Laie und weltlih und Das muß er zm 
Heil unferer Preiheiten bleiben. Seine Unabhängigkeit mı 
Souverainetät ift das erſte Princip des öffentlichen Kecht— 
und um dieſes zu behaupten, müflen wir unfere Inftitutionen, de 
feinen weltlichen Charakter feftftelen, vor griffen fen. 
Außerdem ift noch eine Schrift von Troplong, dem 
Sefaunten Juriſten („Du pouveir de l’etat sur l’enseigu- 
ment d’apres l’ancien droit public frangais‘‘), in welke 
die Unterrichtöfreiheit, wie fie der Klerus fobert, a 
hiftorifh unbegründet dargeſtellt wird, und Dupmi 
„Manuel du droit public ecclesiastique frangais”, we 
che im Geifte der alten Jurisprudenz und des Gala 
nismus den heutigen Uitramontanismus bekämpft, vu 
Dapfte aber auf ben Index gefegt ward, bemerken 
Als Reaction gegen die von Seiten bes Kleruge 
gen die Univerfitaͤt und die Philoſophie gerichteten Ir 
ariffe trat ferner eine befondere Thaͤtigkeit auf da 
Gebiete der Philoſophie hervor. Die Schriften im 
Philoſophen find in wohlfeilen Ausgaben nen gend 
und vorbereitet, und aufer ber Förderung der Hautk 
gabe von Jouffroy's nachgelaſſenen Schriften hat #8 
Couſin an die Spige eines Unternehmens geſtellt, wel! 
von großer Wirkung fein kann. Es iſt das bei Hude 
erfheinende „Dictionnaire des sciences philosopigıe' 
zu welchem die ausgezeichnetften Mitglieder des Jutta 
und der Univerfität Beiträge liefern. Die wiffenätt 
tiche und ernft moraliſche Haltung der bis jept mit 
nenen Lieferungen liefert die befte Widerlegung der 
lofen Vetleumdungen des Klerus. | 
Cine andere, vieleicht nicht minder wichtige Nrect 
möchte in der Wiedererweckung ber Aufmerkfamteit ı 
Voltaire und die Encyhklopaͤdiſten Iiegen. Wir haben ha 
über befonders auf einen Aufſaß von Saiſſet, Gi! 
Schüler, in der „Revue des deux mondes” (Yan. IM. 
„De la renaissance da Voltafrianistne”, Hinzuweifen. Ba 
erinnert ſich, daß auf diefe Weife den theokratiſchen w 
Herikalifchen Tendenzen unter der Reftaurasion nidt de 
Erfolg entgegengearbeitet Jetzt laͤßt ſich bewiti @ 
Symptom einer ähnlichen Reaction bemerken. Die = 
demie francaise hatte eine Chartaktrriſtik Woltairt © 
Preisaufgabe gemacht, und Billemaln nahm bei 
Sreiöverkhellung am 99. Ang. 1844 Gelegenheit, | 
von Voltaire ausgehenden Aufklärung eine fehr at 
deufige Lobrede zu halten. Das „Jourmal des dar 
bat dann Überhaupt den noch Tange nicht erloſchenen Bet 
iairianismus aufs neur als das wichtigſte Moment F 


‚Ratlonalcuftur, als daB befte Palladium der Kreibei 


priefen und dringend auf bie Rothwendigkeit eines E* 
dium® feiner Schriften hingewiefen. In der That u 
es fih auch nicht leugnen, daß ber Abdruck eimdk 


1399 


Stüde aus Voltaire, z. B. des „Pere Nicodeme“, mehr 
wirten wärbe als was bisher die liberale Preffe gegen 
Iefuitismus ımd Obfeurantismus vorzubringen gewaßt 
hat. . 





Romanliteratur. 


1. Gcheiften von Eduard Boas. Erſter und zweiter Band. 

Leipzig, B. Zaudnig 1846. Gr. 8. 2 Ihr. 

Bon den zwölf Bänden, welche von diefen Schriften jegt 
erſcheinen felen, liegen die zwei erſten uns vor. Der erſte, 
„Heitere Novellen“ betitelt, enthält drei Der angekündigten, 
und Referent muß gefteben, daß er lange nicht fo heitere, an⸗ 
muthige Erzählungen gelefen Hat. Der Werf. weiß bie ver- 
jhiedenen Buftände der Geſellſchaft auf fehr originelle Weiſe 
aufzufaffen, freilich oft von der komiſchen Seite, wodurch er 
nicht ermangelt, dem Leſer dann und wann ein Lächeln abzu⸗ 
gewinnen. Die Novelle „Der Buchbinder” bringt die Ber: 
haͤltniſſe dee Handwerker, althergebrachte Geſellengebraͤuche 
und Zunftgefege, die, dem Mittelalter entiehnt, nur langiam 
der Eultus weichen. Lieder und Comment der Handwerker, 
ihre Bereinigungen und ihren Stolz weiß der Berf. jehr gut 
wiederzugeben, auch die Charaktere der Helden; der Bud: 
binder Bims ift fehr gut durchgeführt, von dem anſpruchsloſen 
fhwärmenden Gefellen bi8 zum plöglich reich gewordenen Par⸗ 
venu. Die zweite Novelle, „Benno's Jugendleben“, be» 
ginnt mit Schülerſchwaͤnken, die fehr Humoriftifch in dem Ton 
der Schuljugend gehalten find; nicht allzu vortheilhaft find bie 
Lehrer dabei behandelt, während die wilde Jugend einen nad): 
ſichtigen WBeurtheiler findet. Weniger gelungen ijt die Schil⸗ 
derung der Studentenzeits fie if allzu gemein gehalten, um 
poetifch zu fein. Auch in den fernern Begebenheiten in Ben» 
no's Leben tritt die Sucht nach komiſchen Scenen oft zu grell 
auf, die detſchiedenen Eharaltere werden Caricaturen, unter 
welchen es dem Helden nicht ſchwet wird. ſich vortheilhaft an- 
zureihen; doc es muß auch fosche Genrebilder geben, und man 
fann Die vorliegenden wnter die gelungenften züblen. Die 
dritte Erzählung, „Die biftorifche Rovelle”, ein Schwant, ifl 
lebendig und geiftreih. Drei fchriftftellerifche Freunde beſpre⸗ 
chen fi in der Weinhalle einer deutſchen Univerfität über die 
Schwierigkeit, biftorifhe Novellen zu ſchreiben. in vierter 
Freund wettet mit ihnen, daß fie deren ſchreiben würden, läßt 
fie bei einem Spaziergang von feinen Reuten, weldye ale Räuber 
verkleidet find, überfallen, führt Me auf fem Schloß und 
ebietet ihnen eine hiſtoriſche Novelle zu ſchreiben; Jeder hat 
3 Stunden im einfamen Gemache Beit dazu. Das gef@icht, 
die Rovellen werben fertig nd ver ſich entlarvende Freund 
erflärt fie „nicht um ein Hast ſchlechter als hundert andere 
ihrer Gattung, die man in Almanachen mit Goldſchnitt und 
Stahiftichen dem Yublieum reicht” — und wahrlich, er bat 
Recht. Der zweite Zheil der Schriften von Eduard Boas Heißt 
„Die Ztalienerinnen‘‘, Romanzidyllen. Der ganze die Band, 
fünf Romanz idyllen enthaltend, ift in Verſen (Ztochäen) ge: 
ſehrieben, da durch ermübend und von unnötgiger Breite: Die 
anmutbigen,, heitern und tragifchen Ereigniſſe, welche in biefet 
auffallenden Form mitgetheilt werden, würden in Yrofa dem 
gefer viel mehr Genuß gewähren. 


i n den Strom. Roman von Emil Althaus. 
u —— komeig, Rademacher. 1846. 8. 1 Thlr. IV Rgr. 

Wundram, ein Maler, hat ein ſchoͤnes Meib; ein 
Prinz liebt fie und wii fie verführen, fein Secretair Berger 
wis fie ihm verſchaffen. Er beihuldige Wundram eines Dieb» 
ſtahls und bringt felbft das Taſchentuch des Prinzen in fein 
Zimmer. Wundram fobert den Fuͤrſten, nachdem er ihm 
viele GBrobheiten gefagt, zum Duell ohne Zeugen. Der Prinz 
fett fich ein, do im Augenblid, ale Wundram die Piſtole 
zum Schießen bereitet, wird er von hinten mit Anüppeln übers 


fallen. Bundtam wehrt ſich, indem er mit dem Piſtolenkolben 
um fih ſchlaͤgt; die Lakaien Taufen biutend davon, während ' 
der Prinz in allen lebenden und todten Sprachen Der Welt‘ 
ſchimpft und flucht. „Zeugen biefer Scene erfcheinen unter 
den Bäumen ‘3 Ddiefen ruft Wundram zu: „Wer kein unge 
riſcher Ochs if, der komm mir nicht zu nah”, und ftürzt aͤch 
fo auf den Prinzen. Er fchleppt Letztern nach der Raſenbank, 
rafft die ſchlanke Gerte einer Hagebuche vom Boden auf und 
reitpeitfht ihn damit verdientermaßen im Angeficht der 
Männer und Lafaien. Nachdem ber Act vorüber, zerbricht 
er. das @recutionswerkgeug , wirft e8 dem Prinzen vor die 
Füße und geht in Ruhe feinen Weg. — Berlangt der Lefer 
noch andere Scenen aus dem vorliegenden Roman? Ber: 
longt er noch Kritik deſſelben? oüte der Zitel „Ge⸗ 
gen den Strom’ ſchon darauf vorbereiten, daß alle Zu« 
ftände der Gegenwart unberüdfihtigt bleiben %_ Der Maler 
muß von einem Drt zum andern, um den fürfllihden Ver⸗ 
folgungen zu entgehen. Er ift in Hamburg, in Kurhaven 
nicht ſicher, endlich reift er nach Amerika und läßt feine Frau 
urüd, auf einem Leuchtthburm wohnend. Abermals entdedt 
e bier Berger. Um fle Deffen Verfolgung zu entziehen, 14ßt 
fi ein origineller Engländer mit ihr trauen! — mit der ver: 
heiratheten Frau!! Der Lefer meint vielleicht, der Roman 
fpiele vor einigen hundert Jahren, wo die Heimatögefege noch 
nicht beftanden. Gott bewahre, man converfirt von Madame 


Dalkeith Holms, welche im Jahre 1840 zu Pferd Frankreich 


durchreifte, und Madame Zamefon, welche 1842 die amerika⸗ 
nifhen Seen befuhr. Cine Menge burlester und grotesker 
Scenen und ®erfonen find in diefen Roman eingewebt, welche 
durchaus nicht dazu gehören, durchaus nicht hineinpaffen. Die 
Sprache ift roh und ungefeilt. Das Wort Kerl kommt häufig 
vor und ſcheint mit einer gewiſſen Vorliebe behandelt, da der 
Autor es oft wirklich mit den alfo bezeichneten Individuen gut 
meint. Dad Ende berichtet den Ted unſers vielgeprüfgen 
und verfolgten Helden; der durchgepeitſchte Prinz Heinrich kommt 
aber zur Regierung und ernennt feinen fihuftigen Gecretair 
zum Geheimrath, indem er ihn mit dem Gomthurkfreuz des 
Hausordens decorirt. Sollte diefe Bufammenftellung des Uns 
glanblichen, Unbegreiftichen, Heterogenen und Unfinnigen viel- 
leicht für geiftreidy gelten wollen? 


3. Skizzen aus dem häuslichen Leben. Aus dem Schwe⸗ 

difchen. Zwei heile. Leipzig, Brockhaus. 1846. 12. 

1 CThir. 15 Rgr. 

Die gemüthlichen Schilderungen bes ſchwediſchen Familien⸗ 
lebens find in frommer und humaner Richtung beſchrieben; fie 
find nicht ſowol umterhaltend als vielmehr belchrend und er- 
bauend. @reigniffe und Begebenheiten find Rebenfadge, in dem 
—— — Verkeht zweier Familien, der des Propfles 
und der des Richters, werden die ernſteſten und heiligſten Mo⸗ 
tive des Lebens angeregt und beſprochen. Die in ſich beglüͤckten 
Familien denken auch an anderes fie errichten Schulen auf dem 
Lande und machen ſich den Rebenmenfhen nützlich Streng or: 
thodor und bibelregt ift die religiöfe KAichtung, die Augsburgi⸗ 
ſche Eonfeffion wird bei allen Gelegenheiten vertreten. 46. 





Bibliegraphie. 
Anderfen, 8 C., Gedichte. Deutich von H. Beife. 
Kiel, Raed. 12. 18%, Kgr. 
ed, F. A., Das Rithfpiel Feldkirchen am Rhein. Reu: 
wied, Lichffere. 8. Nor. 
erger, J. B. Gedichte. Coblenz, Blum. 16. U Nr. 
Der Branntwein. Sein großer Nutzen und feine vielen 


Verdienfte um die Menſchheit. Gin Humoriftifhes Gedicht ıc. 


Mit 1 celorirten Zitellupfer von 2. Hofemann. Leipzig, 
Jadopig. 8. 5 Rgr. . . 

Bürger, K., Liebeöbriefe ohne Liebe. Leipzig, DO. Wir 
gand, 12, 2U Nur. 


1400 


Butler’s, S., Hudibras, ein schalkhaftes Heldenge- 
dicht. Im Versmasse des Originals frei verdeutschet von 
J. Eiselein. Freiburg, Lippe. 8. 1 Thir. 

Didens, C., Bilder aus Italien. Ins Deutfche über: 
tragen von U. Kretzſchmar. Grinma, Verlags : Somptoir. 
16. 15 Ror. 

Der 
Bon E. Sreif. 1846. Ifter und 3ter Band. Grimma, Ber: 
Tags-Eomptoir. 8. à 1 Ihr. 10 Nor. 

Fiſcher, 3.U., Die vereinigte Kirche oder Stimmen für 
den Ausbau einer deutfchen vereinigten chriſtlichen Kirche. Eine 
Beitfehrift ıc. After Band, Iftes Heft. Mannheim, Hoff. 
&r. 8 15 Rar. 

Frantz, A., Das Glaubens: Bekenntniß. Grundzüge zur 
omatiſchen gudeolsgie. ‚ Magdeburg, Falckenberg und Comp. 

r. 8. gt. 
Fritze, E., Die Wollenweber von Stendal im I. 1530. 
@in Volksbuch. Magdeburg, Falckenberg u. Comp. 16. 24 Rgr. 

Gervinus, ©. &., Die proteftantifche Geiftlichfeit und 

die Deutfch » Katholiten. Mit Bezug auf zwei Streitfchriften 


Dr. Schenkel’. 2ter Abdruck. Heidelberg, Winter. 8. 5 Ngr.- 


— — Die Miffton der Deutfch:Katholifen. Ite Ausgabe. 
Beigefügt des Berfaflerd Antwort an Dr. Schenkel. Heidel- 
berg, Winter. 8 ZUR 

Gollenperger, Nadicale Lieder. Leipzig, Gebhardt und 
Keisland. 1847. 16. 20 Nor. 

Groß:-Hoffinger, A. g. Wien wie e8 ift. Iſtes Heft: 
Spaziergang durch Wien. Iluftrirt von T. Hofemann. 
Reipjig, Iadowig. 1847. 8. 71%, Rear. 

Sumpof ch, V. P., Allgemeine Literaturgefhichte der 
Deutichen. Leitfaden zu akademiſchen Borlefungen. Ifte Abs 
theilung. Augsburg, Rieger. Gr. 8. 1 Thlr. 3%, Nor. 

Serloßfohn, C., Weihnactöbilder. Eine geligone. 
Mit I Stahiſiich. Leipzig, Baumgärtner. 1847. 8. 24 Nor. 

Heyne, ©. J., Geſchichte Rapoleon’d von der Wiege bis 
um Grabe in Wort und Bild. Bearbeitet nach den anerkannt 
beften Quellen der deutfhen und franzöfifchen Literatur. Reue 
Ausgabe mit 22 feinen Stahlftihen. After Band. (Ifte und 
3te Lieferung.) Braunſchweig, Weftermann. 16. & 4 Rgr. 

Körner, 3., Die franzöfifhe Revolution. Dargeftellt für 
ben Bürger und Landmann. Zwei heile. Schneeberg. Gr. 8. 

Thlr. 

eumma her, 8: W., Reue Predigten. Ifter Band. — 
A. u. d. J.: Das Adventsbuch. Bielefeld, Velhagen u. Kla⸗ 
fing. 1847. Gr. 8. I Thlr. 15 Nor. 

Leber, F. v., Wien's kaiserliches Zeughaus zum er- 
sten Male aus historisch-kritischem Gesichtspunkte betrach- 
tet, für Alterthumsfreunde und Waffenkenner beschrieben. 
Zwei Theile. Mit 2 Titelbildern. Leipzig, Köhler. Gr.8. 
3 Thir. 10 Ngr. 

Maimonides, M., Jad hachaſakah oder Miſchna Tho⸗ 
rah. iſtes Buch. Maddah, oder: Bon der Erkenntniß. Zum 
erſten Male herausgegeben von E. Sol oweicz yk. (Iſtes Heft.) 
Königsberg. Berlin, Heymann. 8. 15 Rgr. 

Mensch, F. A. de, Munuel pratique du Consulat. 
Ouvrage consacre sp6cialement aux Consuls de Prusse et 
des autres 6tats, formant le Zollverein, ou l’association de 
Douanes et de commerce allemande. Suivi d’un Tableau des 
Consulats qu’ont les &tats de cette union Al’&tranger. Leip- 
zig, Brockhaus. Gr. 8. I Thlr. 15 Nor. 

More, Hanna, Ein hriftliches Lebensbild nad) Roberts 
und Thompfon. Mit ihrem Bildniß und einem biographifchen 
Megifter der vorfommenden Perfonen. Stuttgart, I. F. Stein- 
Eopf. Gr. 8. 1 Thlr. TY, Rgr. 

Newton, J., Kardiphonie oder Herzensergießungen in 
einem wirklich gepflogenen Briefwechfel mit vertrauten Freun⸗ 
den gefchrieben. Aus dem Engliſchen von K. Lütle Mit 
Vorwort von X. Tholud. 2ter Band. Magdeburg, Falcken⸗ 
berg u. Comp. Gr. 8. 22%, Nor. 


VBerantwortliher Deraudgeber: Heinrih Brodhans. — Drud und Verlag von FJ. X. Wrodpane in Leipzig. 


zabler oder dad Buch für lange Winterabenbe.. 


goiet intereffante Rovellen. Breslau, Kühn. 184. 16. 
r 


8 . 

Paſig, I. 2., Evangeliſcher Hausſegen. Bibliſche ve 
trachtungen auf alle Tage des Jahres, aus Dr. R. Luthe 
Zvbiten ausgewählt. Iftes Heft. Grimma, Gebhatdt. &1. 

gr. 

Reithmeier, W., Leben des Heiligen Kranz Zavır, in 
ftels om Indien und Japan. Gchaffhaufen, Hurter. 8.8 


Ir r. 
e önmwälder, A., Geſchichtliche Ortsnachrichten m 
Brieg und feinen Umgebungen. Ifter Theil. Brieg. 8. Iifg. 
taats⸗ und Erbrecht bes Herzogthums Schleswig. Mn 
tif des Commiſſionsbedenkens über die Succeffionsverhiltek 
des Herzogthums Schleswig von NR. Fald, M. Zönlır. 
E. Herrmann, I. Ehriftianfen, C. D. Madai, 34 
Droyfen, G. Waitz, 3. C. Ravit, 2. Stein. Hann, 
Perthed:Befler und Mauke. Br. 8. 18 Rear. 
Stelsbamer, F., Gedichte in obderennd'fher Bab 
mundart. II. Zheil. — A. u. d. A.: Reue Gedichte. Key 
burg, Manz. 8. 1 Thlr. 4 Ner. 
Souvenir. Ein Damen:Kalender für 1847. Bern, & 
mion. 16. 20 Kor. 
Tanner, K. R., Heimathliche Bilder und Lieder. It 
gabe legter Hand, vermehrt und vermindert. Zürich, Am 
und Seller. 8. 1 Ihlr. 
Therefe, Paris und die Ulpenwelt. Leipzig, Brodi= 


Gr. * 1 hir. Fi Nor. on Za 
enedey, 3., Bierzehn e Heimathluft. Leipiy # 
any. 1847. 8. 1 Xhle. 15 Kar. 


Volks:Ralender für 1847. Herausgegeben von K. &t: 
fens. Berlin, Simion. 8. 12, Rar. 
Weber, ©. F., Geſchichte der ſtaͤdtiſchen Gelehrimik 
zu Caſſel. Caſſel, Fiſcher. Br. 8. 2 Thlr. 
Wigolais, Der Ritter mit dem Rade. ine unit 
tende und abenteuerliche Hiftorie. Mit fehönen Figurm %* 
Reu erzählt von D. H. F. Schoͤnhuth. Reutlingen, Art 
bauer und Spohn. 8. 4 Nor. 
Der Zeitrüppel. Ein Wiener-Roman von dem Art 
des Tony und der Wdalay. Herausgegeben von K. A.n.inli 
Zwei Bände. Zürich, Meyer und Zeller. 3. 2 Ihe FR. 


Zagesliteratur. 


Kürnberger Adreſſe an die Schleswig. Holfteiner, mi * 
terfchriften. Rürnberg, Korn. Bol. I Ror. 
Gonverfationg » Leriton der jüngften egenmwart uꝛd * 
Zukunft. Charlottenburg, Bauer. Kl. 8. 9 Rgr. 
Erwiederung Rothſchild's I., Königs der Juden, % w 
von „Satan an ihn gerichtete Pamphlet. Rad dem * 
figen. Me Auflage. Berlin, Weyl u. Comp. 1817. Kl 
gr 


Gilbert, R. D., Eins ift Roth. Polemifche Fir 
gegen verderbliche Richtungen unferer Zeit. Rebſt aa 
polemifchen Anhange. Leipzig, Schwickert. Gr. 8. M 

Graul, 8., Die Unterſcheidungslehren der derjſchetes 
chriſtlichen Bekenntniſſe im Lichte göttlichen Worts u. u 
Dörfflin. 8. 14 Rgr. \ 

Hagenbadh, K. R., Über die Bedeutung des Ks 
unterrichtes an höhern Bildungsanftalten. Schulrede. Zi 
Meyer und Zeller. Nor. | 

Hopf, A., Spidaal au der Berliner ——— 
im Sabre 1846. Genrebild. Mit 1 colorirten 
Charlottenburg, Bauer. 81.8. 71, Nor. i 

Reihel, 8. J., Dagon das Söpenbin unferer 3 
dargeftellt in 6 Zaftenpredigten im 3. 1845. Gräg, LM 
und Sorge. Gr. 8. 12%, Nor. 

Des Pfarrers Sohn oder die allein ſeligmachende 
Herausgegeben nach vorgefundenen Papieren von einem ° 
der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche. Breslau, Kern. Gr. 8. 8 













Blätter 


literariſche 


Donnerstag, 


mr Kr, 351, A 


für 


Unterhaltung. 


17. December 1846. 





Die neuefte Literatur über Rußland. 
Dritter und legter Artikel. ®) 


Man follte glauben, bas Thema über Rußlands in- 
nere Zuftände fei nun beinahe erfchöpft; allein fchreib- 
felige Federn laſſen nicht leicht von einem fo mannich⸗ 
faltig fchilleenden Gegenftande ab, und der Verf. des 
zunächft uns darüber vorliegenden Werkes „fürchtet nicht 
langweilig zu werden, obfchon er bereits acht Bände 
über einen und denfelben Gegenſtand gefchrieben; denn 
der gewählte Stoff”, fagt er, „ift ein fo umfaffen- 
der und mannichfaltiger, dag Hundert Bände faum 
binreichen würden, um dem wißbegierigen Publicum Al⸗ 
les mitzutheilen was es von einem Reiche wiſſen follte, 
das faft die Hälfte des europäifchen Sontinents einnimmt 
und deſſen Thätigkeit in dem gegenwärtigen Schidfale 
fo vieler benachbarten Völker fi) fo deutlich ausfpricht 
und mit dem künftigen Geſchicke berfelben fo unauflös- 
bar verknüpft ifl.” Wir können nun aber nicht fagen, 
dag mir in den uns bekannten acht Bänden bes Verf. 
0 viel Neues gefunden hätten, das fich nicht füglich in 
wei mäßigen Bänben hätte darlegen laffen, und glau- 
ven, wenn es nicht an thätigen Federn, ed doch an lang. 
nüthigen Lefern fehlen dürfte, fi) das Nämliche hun⸗ 
ert mal wiederholen zu laffen. Darum werden wir 
ns bei unfern Lefern, bie wol jegt mit Dem, was fi 
enn nicht von, fo do über den allerdings reich- 
altigen, vielfeitigen und wichtigen Gegenftand im All⸗ 
meinen fagen läßt und nach den verfchiedenften natio⸗ 
len Anfichten gejagt worden ift, ziemtich bekannt find, 
wauf befchränten, nur die Hauptpunkte in den vor 
16 liegenden Schriften zu berühren, theild zur Beur⸗ 
eilung ihres Werthes und ihrer Tendenz, theild zur 
efeuchtung der über Rußland gefällten mannichfachen 


theile. Zu politifhen Prophbezeiungen fühlen wir 
86 nicht berufen. Die Schriften, die vor uns lie 
1, find: 


Das öftlihe Europa und Kaifer Rikolaus. Vom KBerfafler 

des „Enthuͤllten Rußland” und der „Weißen Sklaverei”. 

Aus dem Engliſchen von U. Kretzſchmar. Erſter und 

en Band. Grimma, Berlagscomptoir. 1846. Gr. 8. 
r. 


) Wergi. den erſten und zweiten Arlikel in Nr. Ma — 21 u. 320 
DS D. Bi. ” ’ \ D. eb. 





Ni. Rußland im Jahre 1844. Ein Nachtrag zu dem „Ent 
hüllten Rußland oder Kaifer Nikolaus und fein Reich”, 
bearbeitet von Adolf Heller. Grimma, Verlags⸗ 
comptoir. 1845. 8. 15 Rear. 

13. Ruffifche Intriguen. Hiftorifcher Roman aus der Gegen- 
wart von Fr. Luboia ar. Drei Theile. Grimma, 
Verlagseomptoir. 1844—45. 8. 4 Ihr. 15 Ror. 
Der unfern Lefeen bereits aus den frühern Anzeigen 

feiner Schriften über Rußland bekannte Verfaffer von 

Nr. 10: „Das öftliche Europa und Kaifer Nikolaus”, 

beſchenkt uns oder zunäcft England bier wieder mit ei« 

ner auf brei Bande berechneten, bis jest uns aber 
nur in zwei Bänden vorliegenden Schrift, um (ing- 
lands Politit dem ganzen Europa gegenüber ben rech⸗ 
ten Weg zu zeigen. Der Zweck, den er im Auge 
jet ift nah der Vorrede (S. v) ein dreifacher. 
r beabfihtige 1) den ſchrecklichen Zuftand ber au 
gedehnteften Sklaverei in der Welt und die unmittel- 
bare und thätige Theilnahme des ruffifhen Gabinete 
an berfelben deutlich vorzuführen; 2) durch Beifpiele 
aus der neuern Zeit zu zeigen, daß ber furchtbare 

Zuftand der Dinge, ſowol in Rußland als in Polen, 

welcher kürzlich aus fo vielen Quellen zur allgemeinen 

Kenntniß gelommen ift, keineswegs der GBefchichte der 

Bergangenheit angehört, fondern fich täglich und ſtünd⸗ 

lich wiederholt, und 3) die Aufmerkſamkeit auf die .un- 

geheuern politifchen Veränderungen zu leiten, welche in 
nicht allzu entfernter Zeit das ganze öflliche Europa zu 
durchzuden drohen. 

Es ift faft unmoͤglich — fagt der Engländer —, daß wir 

im alle eines großen Kampfes nicht direct oder indirert ver» 

anlaßt werden ſollten uns auf diefe oder jene, jegt allerdings 

noch nicht vorherzufehende Weiſe darein zu mifchen, da unfere 

Verbindungen mit der ganzen Welt jept fo ausgedehnt find, 

Daß jede entfernte Schwankung, gleich ber welche die äußern 

Spigen eined Spitingewebes in Bewegung fegt, in dem Mit: 

telpunkte fühlbar werden muß. . 
Der Kaifer Nikolaus erfcheint dem Verf. ale d 

Träger jenes ſchrecklichen Zuſtandes, auf den er faft bie 

gänzliche Schuld der Übelftände wirft und Deffen Verhalten 

und Handlungsweife ins hellſte Licht zu fegen er ſich 
zur Aufgabe gemacht hat. Sein Hauptaugenmerk ift 
daher auf die 85 — 100 Millionen zählende flawilche 

Nation gerichtet, die unter vier unbefchränkte Monarchien: 

Preußen, Oſtreich, Naßland und bie Türkei, vertheilt iſt 





1802 


und mit der die Finnen, Magyaren, Italiener, Griechen 
(die Zonifche Republik läßt der Verf. beifeite liegen) und 
Albaneſen unter dem gleihen Joche feufzen, bie aber 
nun angefangen bat zum —x ihrer Lage zu er⸗ 
wachen, und die Mittel, lche daher aufs a 
ten haben, reichen dicht mehr hin die ſortſchreitende 
wegung zu hemmen. Sr hat (nad ©. vır) mit der 
zwiefachen Tendenz begonnen — einmal das Syſtem zu 
verdraͤngen, durch welches zahlreiche Voͤlkerſchaften in 
Erniedrigung und Unterwuͤrfigkeit gehalten worden find, 
und dann als Gegner gegen bie germaniſche Race auf: 
zutreten, welche fie als den Mitſchuldigen ihrer Unter⸗ 
brũcker betrachtet und die in Wahrheit das Werkzeug 
berfelben geweſen ift”, und droht Rußland, Oſtreich, der 
Zürkei und Preußen gleichen Untergang, wenn nicht die 
Gefahr abgemwendet wird. Oſtreich kann fie abwenden, 
wenn es feine italienifhen und deutfchen Provinzen ab- 
ſchuͤttelt und fich um Ungarn wie um feinen Kern fchart und 
ganz ſlawiſch wird, wie fon Joſeph II, in Uber⸗ 
legung nahm!!! Preußen kann fie abwenden, wenn 
es feine ſlawiſchen Provinzen fahren läßt, feine Liberalität 
nicht bios iv Mumbe führt, alle Deutfchen vereinigt und 
ihnen eine Gonfkitution gibt. D Himmel! Wenn diefe 
beiden großen monarchiſchen Staaten Dach nur bald zm 
der Einficht gelangten, daß ohne diefe fo leichte Dpera- 
tion ihr Untergang unnermeidlich ift; denn (©. ıx): 
die deutſche Gei eßetbidung, 215 einſt der ſlawiſchen Unwiſ⸗ 
ſenheit imponirte, hat ihren Einfluß darauf verloren, weil jegt 
die fortfchreitende Aufklärung. dic Slawen gelehrt hat, über 
Deutfchland Hinaus nad) Frankreich und @ngland zu bliden 
und von dorther die Begeifterung der Givilifation zu erwarten. 
Wunbererfeite. wird das deuffche Wolf; felbfk (nach. dem Vexf. ein 
gaakand der naeh für alle übrigen Pölfer, wie wir 
von deutſchen Patrioten aus Paris ſchon oft haben hören 
muͤſſen) altaͤglich ein unfichereres Werkzeug, das ſich weniger den 
Händen Derer anfchmiegt die fich zeitder feiner bedient haben. 

Was Rußland betrifft, fo dürfte es am wenigften 
u retten fein; denn (S. x): 

 zuftftgen Seice bedroht jene größere Hälfte der polnifchen 
r fein Scepter gebracht hat, gleich einem 
—— de, biefen Syebsihaden den, Kpiaden, einem 

ubernolfe, und Durch deſſen Ber —* auch dem, moskoꝛ 
tiſchen Rene ber Despotie mi iBeilen. Der Adel und die 
eibuͤrger Polend nahmen Has übern Aufftänden entweder 
35*— oder hauptſaͤchlich Antheil an dem Kampfe fir 
die Unabhängigkeit, ber Nation (?nein, ihrer eigen Willfür); 
jegt aber hat die Reli ionäper olgung auch die, Rampfluß jedeß 
Ini Bauern. aufgereizt und Pen Haß gegen. die rufe 
* ehorden mit feinem xeligiöien Glauben identificirt. Die 
Back der polnischen. Nation, welche jetzt zu Preußen 
gebören, nd ganz von denfelben Unfihten und. 
— —— wie ihre Brüder unter der, Herrſchaft Ru 

‚ und werden daher diefe drei Staaten einem gemeinfe: 
men Schickſale weihen, 

Der legte Sag fcheint uns doch, was bas Volk be- 
teifft, nad) Dem was fh in Galizien gegen den Adel 
ergeben hat und fi) in Preußen ohne die Wachſamkeit 
der Regierung auch, würde ergeben haben, etwas proble- 
matifch. Der Verf. fieht voraus, 
dag die ſcheinbare Kühnheit der Meinung, welche fi) über 
fotche, nach allgemeinen Bafüchalten fo. gigantiſche Staaten 
auf Dirfe Weile auklprußt, auf aa, erſten Anblic gemogt. und 





1 


— — — — — — — — ee —— EEE — — — 


auffällig erſcheinen wird. Rußlands koloſſaler Dedyatikunl — 
die 37 Millionen des Kaiferreiche UÖftreich, die 15 Milis 
des militairifhen Königreih® Preußen — ale fheinm, na 
man fie in einer Sache zufammenftellt, eine —e 
Macht zu bilden, vor welcher alle Hoffnung für die Fi 
ſcheint ve vefopreinben zu müßen, denen die Politzk bier Et 
ten die Wohlthat der Aufflärung und Giollifation wrmthik 
(Welchem Volke verfagt denn Preußens Politik die Vohl 
that der Aufklärung und Kivilifation ?) 


Der Verf. vermeift auf die Karte, um zu erkennen 
daß Nichts künſtlicher ift ale die Macht diefer impofa- 


ten Weiche. 


Sie haben zwiſchen fi ein Volk getheilt, wel In 
Zahl. nach das zweite auf Grden ifk — oder fie haben zup 
Nationen unter ihrem Scepter vereinigt und dabei hürig m 
und baffelbe old. durch eine nur gedachte Grenze geizean 
und dagegen andere blos auf den Grund gewiſſer Kertrig 
und Qugeftändniffe unter ein gemeinfames Regiment geil 
Es würde, mit Ausnahme umbebeutender Provinzen did % 
mens, Fein Dftreih und Fein Preußen übrig bleiben, wıra d 
den Herrfchern diefer Staaten morgen einfallen foßte, I 
binzugelommenen Beftandtheite mit einigen Federſtrichen de 

Vamens zu berauben (daS iſt uns nicht ganz verikintig: 
aber Feine menſchliche Macht kann Polen, Ungarn und Cm 
nien aud dem Dafein vertilgen, ebenfo wenig als Enz, 
Frankreich, Italien und Schweden. (Yder Deutfeglant!) ) Rs 
jener Vertilgungsproceß, welcher wahrfcheinlich nie arg 
ſehr —* Volk ausgeführt worden iſt, kam dake : 

Maſſen und Millionen berühren, weldye, praktiſch * 


fich zu Gegneyn vergängliger Staaten und Königreide a 


ben, die durch, die Unterfhriften eines Tractacts vermi 
werden koͤnnen, und melde vor einem Hauche der ſiatken m: 
einmütigen. Willensfraft ausernander flieben tmüffen wie Sr 
vor dem Winde. 


Und wenn. der Sturm einbricht, fell nur Gun 
ſich hüten * der — anqunehumen. 


—* (2) verlangt, 
ne ten der. uffden —*— 
ſchieht «6 t aus dem trüg den_ Grunde den ma f 
— anfũ et, daß fie an, a Be ih einige Madt IR 
um das Borrüden der kaiſerlichen fee aufzuhalten, Kt” 
weil, da fie gegen ihre flawifchen Untertkanen verhältufe: 
gerechter, milder und unn fangtner (N) gende * 
na ie nn 8 Gen tale 
achten, ſich nach dem Vorgange ce ei, Der 
und Serbiens (wohl zu bemerken alle unter, — — * 
zu Foͤderativſtaaten umzubilden und banın ann cine o tige det 
unter ottomaniſcher Ob it außz 


(Die. Mara Por 





Givilifation und Muſik. Bon Theodor Hagen !u 
zig, Surany. 1846. 8. ua Nor, . 
Der. Berf., bekannt a Schriftſteller ubit 
fr —— die in uch: We acknn —— Fan 
ol£äliedertafel in dem eliegen) 
führlihen Betrachtung und geht Dem Amelie bie ve 
denen Kreife der —— ni — ——— wo um = 


tey, mel Bes: 
& Bo rt akt wi iffen Mu * Re, SE 


1008 


deh Volkes zu hohen und zu verbeſſera, inte ax fie alt geei 
net betrachtet, die ungeheuern Unterfchisbe ber Bildung bei ben 
verfchiedenen Ständen auszugleichen. 

„Die Muſik läutert und erhebt, und dachalb erſetzt fis 
bei allen Denen die Erziehung, weldhen unfere Geſellſchaft bios 
vergönnt zu arbeiten und zu ſchlafen. Millionen Menſchen 
find fo geftellt, daß fie vom zarteſten Kindesalter an Beine Zeit 
haben, die nothwendigſten Bedinguiffe einer geiftigen Bildung 
zu erfüllen Bei Diefen muß die Mufit allen Geiſt erfegen 
und fie kann es auch, wenn ihr nur biefe Stelle zuertheilt wird.‘ 

Der Verf. betrasptet diefe Vermittelung, dieſe Verallgs⸗ 
meinerung der Bildung, woran auch die Gegenwart ſchon feit 
einer Reihe von Jahren arbeitet, als eine Hauptaufgabe der 
Zeit, nur mit dem linterfchiede, daß. ex die Volksclaſſen dem 
böhern Unterricht no für unzugänglich hält unb an deſſen 
Stelle die Mufſik gefegt fehen will. 

„Wenn der Arbeiter fein Tagewerk vollbracht bat, jo bann 
ex nur noch genießen. Bon einer Thätigkeit feiner gei: 
fligen Bunctionen kann nicht die Rede fein. Man muß dem 
nach der ihm gebliebenen Function des Genießens eine Richtung 
geben, die ihn erhebt flatt erniedrigt, die feine Sede Eräftigt 
und feinen Geift dem Wiflen zugänglich macht. Diefe Mi 
tung kann nur eine muſikaliſche fein.” 

In der Ihat, die Muſik iſt die maͤchtigſto und beliebtefte 
Kunft der Neuzeit, die der Gegenwart am meiften entfprechende, 
und würde fchon darum unter allen das bereitwilligfte Entge 
genkommen finden: fie iſt zugleich diejenige, welche am meiften 
mit dem Leben fi) zu verſchmelzen und Menfchen der verſchie⸗ 
denften Bildungsfufen Theilnahme und Zutritt zu geftatten 
vermag. Nicht allein aber, daB fo die Zonfunft bildend und 
fördernd auf das Leben in weitern Kreifen einwirken koͤnnte, 
fie würde felbfk dadurch die erſprießlichſte Ruͤkwirkung erfahren. 

AAIch weiß ch, eb gibt Menſchen, die jedesmal: die Raſe 
rümpfen, wenn man in Pünflerifgen Dingen vom Volke fpricht, 
&ie pflegen die große Zahl des Halbgebildeten, des ſoge⸗ 
nannten Theaterpublicums, mit dem Volke zu varwechſein. 
Allerdings ift das Urtheil der Halbgebildeten, Derer Die. in- 
der Regel alle Auswüchle. der Givilifation zur Schau tragen, 
der. freien Gntwidelung der Kunſt ſehr gefährlich; aber mas 
bat denn der Kern des Volkes mit dieſen — Halbmenſchen au 
tbun? Der Kern des Volkes — das find. die Laim, die zwar 
den Zuß der Eivilifation auf ihrem Naden fühlen, die. ſich aber 
dennoch die Raivetät der Empfindung, die Urfprüng- 
lichkeit im Genießen bewahrt: haben und auf deren Bes 
deutung man nicht genug aufmerffam machen kann 
‚unfere muſikaliſchen Großmeifter fie zu Richtern gehabt, fo 
würden ihre Werke auf einen weit fruchtbarern Boden gefallen 
fein; wir würden muſikaliſche Nonutaritäten aufzuweiſen haben, 
wir würden ſchon lange Das unfer nennen, was uns noch be 
vorfteht, nämlich die muſikaliſche Volksſprache.“ 

Unter bdiefen Sefichtovunkten beiprigt dee Verf. ausführ: 
li die verfhiedenen Gattungen der. Tonkunſt, welche mis den 
Maflen in Berüßrung kommen: Straßen-, Tanz⸗ und Mili- 
tairmuſik, endlich Kirchenmuſik und Oper, und zeigt, wie nicht 


einmal jene erftgenannten, welche unmittelbar praßtifchen Ber 


den dienen, überalb; das Ziel, Außdruch des Volksgeiſtes zu 
fein, erreicht haben, geſchweige die den höhern Stufen ange: 
börigen Scöpfungen, wo die Kunft ala folheraufteitt. 

Dies find die Grundgedanken der Schrift; daB diefelben 
im Wefentlichen burchque treffend und wahr find, et faft 
Peiner Bemerkung. olite die Art, wie der Verf: diefelben 
entwidtelt, namentlich für Lefer welche itm noch nicht kennen 
bin und wieder befremdend. erfcheinen, fo erinnern wir. daran, 
daß Derfelbe einen nicht unmwichtigen Theil feiner Bildung in, 


Paris erhalten hat und darum in, feinen. Anfıyauungen über- 
franzöfifhem Boden fih bewegt. Unter. diefer: 


wiegend auf 
Borausfegung werden manche &throffheiten und Wunderlich 
eiten der Anfiht im Einzelnen, wird ein-burdaus irriges Lr⸗ 
theil üben: Davids ‚„Wüfle”, wird in&befondere die franzöfifche 


Hötten- 


ge i Seichtipleik, meit: welcher Derhelbe feine Meformen an die Gitulte 


des Beſtahenden ſetzen koͤnnen glaubt, minder befremden. 
deankreich fehlt die tie Anſchauung ber Geſchichte, des te 
bens, ber gefellſchaftlichen Imftitutionen, welche Deutſchland 
eseungen bat, und ed ifk darum fihneller zur Unzufriedenheit 
geneigt, fehneller geneigt Manches auszufchelden, was uns 
lieb und werth iſt; zugleich aber auch hängt es in Folge davon 
meniger feſt an Weraltetem und fchreitei mit neuen Ideen oft 
mald erfindend und voran. Was bie Behandlung in der 
vorliegenden Schrift im Allgemeinen betrifft, fo mäffen wir 
bem Berf. volles Lob fpenden; abgefchen von der gervandten, 
meifterligen Darftelung bringt Derfelbe eine Fülle geiftzeicher 
Bemerkungen; insbefondere werben Die näher mit der Tenkunft 
Bertrauten ſich für die zum heil wirklich audgezeichneten Ab⸗ 
ſchnitte über Kirchenmuſik und Oper intereffiren. 

Rec. empfiehlt das Werk nicht allein allen Denen weilche 
ſich für Muſik intereffiven, es gilt Allen welche an den Korte 
ſchritten des Lebens und der Bildung überhaupt Untheil neh 
men, und kann in&befondeze dazu beitragen, die Kluft zu über 
baum, welche die Zonkunft biöber von ber Wiffenfhaft und 
Literatug fchied, von der Betrachtung des allgemeinen geiftigen 
Lebens gang ausſchloß. Dies iſt ein Punkt von größter Wide 
tigfeit. Die Gelehrten und Geſchichtſchreiber, die Literarhiſto⸗ 
tiger, und überhaupt Alle welche ihre Blicke auf den geiftigen 
Entwickelungsgang der Völker gerichtet halten, haben bis jegt 
zu wenig Notiz von der Kunſt der Zöne genommen und ni 
genug beachtet, Daß das große Ganze nur dann vollffändig ber 
Betrachtung ſich erfchließen kann, wenn auch die Muſik in Aprer 
Bebeufung und allgememen Weltftellung erfaßt iſt. 111 





Leiterariſche Notizen aus Frankreich. 
Laeretelle'8 Geſchichte der Kaiferzeit. 

Die beiden erften Bände der ‚Histoire du Consulat et 
de l’Empire‘‘, von Eh. de Lacretelle, find zwar in d. Bl. ber 
reits erwähnt worden”); aber es ſcheint um fo angemeffener dar 
auf noch ein mal zurückzukommen, als fie in Deutſchiand, wo 
man das Erfcheinen bes Thiers ſchen Werkes anfangs wenig: 
ftend mit fo lürmenden Tronwetenſtoßen begrüßt bat, bis jet 
10 ziemlich unbeachtet geblleben find. Und doch ift Dies eine 
Arbeit, weldye ſich ſchen von: der überficnißten Leere jenes vieß 

chenen Werkes duvch Reichthum des Inhalts und Reife des 
unbeſtochenen Urtheils weſentlich unterfcheidet. Schon der Rame 
Barretelle'8, dev in. Frankreich einen guten Klang bat, folte 
auch in Deutſchland, das ſich fe gern feiner literariſchen Un« 
parteilichkeit ruͤhmt, eine größtre Anerkennung finden. Larres- 
tolle Hat Werke ieben, welche, wie feine ‚„‚Efistoire de la ré 
votutien frangaise”‘, „Histoire des guerres de religion‘, „His- 
toire de Wranoe pendant le ISme sidch”, gewichtige 
Erzeugnifſe auf dem Gebiete der hiſtoriſchen Literatur gelten 
Tonnen: Überall zeigt ſich bei ihm treue Gewiſſenhaftigkeit, und 
dieſe Gigenfcheft ifb unter den franzoͤſtſchen Hiſtorikern, weiche 
nam zu leicht ihren Stoff wach perfiden Parteianfichten modem‘ 
und arrangiten, nit allzu häufig. Wenn man feine neuefte 
Sehrift mit dem Werde von Ahiers vergleicht — und die Paral⸗ 
lele liegt fehr nahe, da Lacretelle die Vergleichung durdy die 
Wahl des gleichen Ziteld gewiffermaßen herausfodert —, fo find 
fo ziemlich alle Vorzüge auf Seite Lurretelle’d. Zwar ift die 
Darftellung Thiers vielleicht 'glängender und flimmernder, aber 
nar ein ehe: oberffüchliches Auge Läße: fi Durch: den Pot‘ 
dieſer Paradehiſtoviographie beftschen, deren innere Haltlofigktit 
bald ir ar auf Sein früßeres: iorifgne Rent war mit- 
jugendlicher. Glut aufs‘ Papier geworfen, und die Begeiſterung⸗ 
in der ed: contipirt war übertrug, ſich auch auf die Lofer. Jegto 
iſſ bei ihm daB frühere Fruer durch die Kälte einer lähgem: 
igkeit geduͤnpft; er hat in derſelben Biel gelernt und 

die erworhenen Meſultate kommen ſeinem neum: Merkfe in vielfacher 


*) SUpngl.. Mr. 11m, Bu D. Are. 











1404 


vieleicht zu gute. Aber wenn er jetzt in der Unordnung 
der achen um Vieles gefchicdter geworden ift, fo hat er 
dabei die frühere Unmittelbarkeit, durch die er vorzüglich wirkte, 
verloren, und felbft wo vielleicht mancher ungeubte Blick bie 
Sprache der Begeifterung zu fehen glaubt, ftört uns die auf 
Zaufhhung der Menge angelegte Berechnung. Dazu kommt, 
daß er noch das koſtbarſte But des Geſchichtſchreibers, die Auf: 
richtigkeit, eingebüßt hat. Was hilft alles biendende Talent, 
der fharfe Blick und leichte, gefälige Geftaltung, wenn man 
es überall herausfühlt, daß er ſich Durch den bekannten jefuiti: 
[hen Srundfag Talleyrand's: das Wort fei dem Renſchen zur 
Berbergung feiner Gedanken verliehen, leiten läßt? Ganz an: 
ders ift die Gefinnungstüchtigkeit Lacretelle's, der nie fein Ur: 
teil nach wankelmüthigen Rüdfichten beflimmen läßt, nirgenb 
das Licht der Wahrheit wiffentlih trübt, oder durch eine ge 
ſchickte Auslaffung fih eine Verlegenheit erfpart. Wenn wir 
bier die Bewandtheit Thiers' der Gewiſſenhaftigkeit Lacretelle's 
entgegenftellen,, fo wollen wir keineswegs etwa dem Glauben 
Raum geben, als leide das Werk des Leptern an Schwerfällig- 
keit der Darftellung oder ald vermiffe man irgendwie die Abrun: 
dung wie fie Die gikorit erfodert. Im Gegentheil, auch was 
die Außerlihen Vorzuͤge anfangt, fielen wir Lacretelle höher 
als feinen berühmtern Eoncurrenten. Das flimmernde Phraſen⸗ 
fiel des Legtern durchfchaut "man bald an feiner Richtigkeit, 
während die Gediegenheit des Erſtern, welche wahre Kunft durch» 
dringt, dauernder feſſelt. Dan hat in neuerer Seit die Frage 
nach der Berechtigung des Hiftorikers, die Ereigniſſe melde 
er felbft erlebt bat zu fchildern, dahin entfchieden, daß eine 
wahrhaft biftorifhe Behandlung der Zeitereignifle für den Aus 
enzeugen und Zeitgenofien zu den fchwirrigften Aufgaben ge: 
öre. Dies mag wol fein, aber gerade bei der Darftellung der 
Zeiten, von denen Larretelle und Thiers handeln, erfcheint es 
uns ein eigenthümlicher Vorzug, wenn ber Hiftorißer fich die 
Borgänge vor feinen Augen felbft entwideln ſah. Nicht etwa 
als glaubten wir, der Witere Tonne eine größere Maſſe unbe: 
kannter Rotizen und ein reicheres Material zufammenfchaffen, 
oder al& legten wir überhaupt hierauf ein überwiegendes Ge: 
wicht; aber wie es und fiheint, kann Derjenige, welcher 3. B. 
» die glänzenden Geftaltungen der Kaiferzeit mit eigenen Augen 
betrachtet hat, diefen ruhmreichen Zeitabfchnitt ruhiger betrachten 
als Der, welcher aus den einzelnen Zügen das ganze Bild in feiner 
Phantaſie fchaffen muß. Die Sache fcheint ſich auf den erften 
Blick Freilich gerade umgelehrt zu verhalten. Die wunderbare 
Erſcheinung Napoleon's ift aber von der Art, daß man bei 
Betrachtung feiner Großthaten fich leicht, wie ed Thiers ger 
tban bat, in eine außfchließliche Bewunderung reißen läßt, 
welche nirgend ein Gegengewicht hat. Wer wie Lacretelle den 
Greignifien, welche aus der Kerne gefehen oft noch großartiger 
feinen, nahe geftanden, und ſich dabei einen Haren, unbefan- 
genen Blick gefihert hat, kann viel leichter Das was Andern 
in phantaftifher Größe entgegentritt auf fein richtigeres Maß 
urüdführen. So finden wir denn auch überall das Urtheil 
welches Lacretelle über die Helden feiner Zeit fallt viel gefunder 
und fdhlagender als die Art und Weife, wie Thiers feine Per: 
fonen oft nah einem Schlagwort oder auf Grundlage verein: 
zelter frappanter Züge conftruirt. 


Poeſie der Reſtaurationszeit. 

Es iſt wirklich erſtaunlich, wie ſchnell in unſern Tagen 
ſelbſt gefeierte Namen der Vergeſſenheit anheimfallen und in 
wie kurzer Zeit oft der glaͤnzendſte literariſche Ruf vergeht. 
Beſonders conſumirt die Bühne unzählige Kräfte, und Die 
Dichter, deren Ramen heute noch verberrlicht werden, haben 
morgen fon nicht das geringfte Interefie mehr für und. Ein 
zecht ſchlagendes Beifpiel diefer erfchredlichen Vergaͤnglichkeit 
literarifchen Glanzes wird uns in der Perſon bes Dichters De 
la Ville de Mirmont, der vor kurzem feine Dramatifchen Poe⸗ 
fien in vier Bänden gefammelt bat, vor Augen geführt: @s 
war etwa gegen Ende des Kaiferreichs, als er zum erften mals 


, taxerce” genannt wurde. 


in ber literariſchen Melt ats Werfaffer eines Zrauerfpies „Ar- 

Diefes Stück, bei deſſen Unfafı; 
dem Dichter ein Werk von Metaftafio vorgeſchwebt haben moct, 
Tonnte nicht einmal den Anfprud auf den Werth einer Dris 
naldichtung erheben; aber fo wenig es eigentlich aud über ii 
Linie des Mittelmäßigen binausragte, fo wurde dem Bl, 
doch durch den bedeutenden Erfolg den es auf der Bühe 
—8 die dramatiſche Laufbahn eröffnet. Zwar wurde a m: 
angs buch feine adminiftrative Stellung der literarijſchen Yı- 
duction entzogen, aber bald wandte er fich, als fich ihm großer 
Muße bot, mit erneuerter Thaͤtigkeit der dramatifchen Yark 
wieder zu, deren Lorber ihm in reichlichem Maße zu Iki 
wurde. &o erwarb fi) das Luftfpiel „ Folliculaire”, meld 
auf dem Theätre francais zur Aufführung Bam, den unge: 
teften Beifall, und feine Zragödie „Charles VI” wurde har 
den Glanz, welchen der Rame Talma's diefer Dichtung verlich 
zu einem Lieblingsftüde. Die Herrſchaft welche der Dichn 
auf der Bühne ausübte währte etwa bis ins Jahr 183. Ya 
diefe Zeit war der Sieg der romantifchen Schule vollendet, zt 
bie faubern, gefeilten Productionen Mirmont's wurden von da 


- üppig wuchernden Dichtungen der Romantiker in chatten sr 


und verzichtete deshalb freiwillig auf den Ruhm, von den Ber 
tern herab durch fein Wort auf die Menge zu wirken. Ich 
nun, nachdem er fern von dem literarifchen Getümmel I 
Gegenwart mehre Jahre hindurch ſich der ſchriftſtelleriſchen äh 


ftelt. Er war ei genug, ben Umſchwung der Zeit zu fühle, 





tigkeit enthalten bat, tritt er mit einer Sammlung ſeinet dꝛ 


matifchen Dichtungen auf, Durch die er gegemmärtig, da de 
literarifhe Strömung bereitd wieder einen ruhigen Lauf 
nommen bat, feinen frübern Ruf einigermaßen wieder a 

frifchen hofft. Wir glauben indeflen nicht, daß ihm Dis je 
derlich gelingen wird; denn die Babe der Poefie ift ihm mw 
im kaͤrglichen Maße zuertheilt, und ber denen 
ner Zeit gefunden bat läßt fi) mehr aus dem übermirgte 
Gefchmack erklären, den man damals an einer gewiſſen I 
malen Vollendung an den Tag legte. Aber felbft im bier Be 
ziehung genügen feine Schö Fangen den erhöhten Yederaa 
der heutigen Kritik nicht mehr; denn theils ift der Inhal it 
diefe Form bietet gar zu leer und nüchtern, theils leida de 
Sprache an unerträglider Monotonie, dieſem Grbfehle !C 
Seit in welcher Mirmont die meiften feiner Stüde geiänke 
bat. Rur fein „Charles VI” bat wahrhaft poetifhe Menet:. 
und von den Luftipielen, welche in jenen vier diden Bine 
enthalten jind, verbient allein „Le roman” auch jegt nd! 
nige Bedeutung. li. 





Literarifche Anzeige. 
Lyriſche und dramatifche 
Dihtungen 
ecuin Beinboib. 


&. 12. Geh. 1 The. 


Das traurige Schickſal des Dichters, der fein Leben ©: 
lor bei dem Verſuche, einem verunglüditen Urbeiter dat ir 
zu retten (vergl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 13. 8: 
veranlaßt mid, biefe Dichtungen aufs neue Der Theilnahme * 
A wa zu empfehlen. 3Q bemerkte dabei, daß der Ertl 

ed Berkoufe der in bebräntgten Umftänden Binterlafie 
Witwe Neinbold's zu Theil werben wich. 
Reipgig, im December 1846. 

SF. A. Brockhaus 





AMerantwortlicher Heranbgeber: Heiurich Wrokhant. — Pink und Berlag von FJ. X. Weoihans in Beipzig. 


Blätter 


fir 


literarifbe Unterhaltung. 





Sreitag, — Nr, 352, — 


18. December 1846. 





Die neuefte Literatur über Rußland. 
Dritter und letter Artikel. 
(Zortfegung aus Nr. 251.) 

Wir glauben mit dem Geſagten den Geiſt und die 
Zendenz der vorliegenden Schrift hinlänglich bezeichnet 
zu haben und wenden uns von ber in der Vorrede nie- 
bergelegten politifhen Weisheit des Verf. zu ihrem In⸗ 
halte ſelbſt. Die drei erſten Gapitel find überfchrieben; 
„Der Kaifer Nikolaus und die flamifche Bevölkerung. * 
Der Berf., der in feinem „Enthüllten Rußland” geftrebt 
bat zu beweifen, daß die Macht des ruflifchen Selbſt⸗ 
herrſchers beimeitem nicht fo furdebar fei ale fie 
fcheine, und zwar befonder6 durch das allgemeine Raub- 
und Beftehungsfoftem der Gewalthaber vom Geringften 
bis zum Höchſten, fucht hier nachzuweiſen, daß noch an« 
dere Berhältniffe ftattfinden, dieſt Macht zu fchmäden, 
und wenbet feinen Blick zunächft auf die Befchaffenheit 
der flawifchen Bevölkerung, d. h. auf die 45 Millionen 
welche feit Jahrhunderten dem xuffifhen Scepter unter 
worfen find. Bon diefen bilden 35 Millionen Mosko⸗ 
witer den Kern mit einem frieblihen Charakter, fern 
von Rampfluft und Ehrgeiz: eine Nation blos zu fried- 
lihen &efchäften geeignet, zum Aderbau (dem fie abge 
neigt) und zum Handel (dem fie fehr zugeneigt ift), de⸗ 
nen fie gemwaltfam entzogen wird, um zum unwillfüclichen 
Werkzeuge des Ehrgeizes und ber Eroberungsſucht zu 
jienen. Es iſt vergebens biefe für politifche Pläne be- 
jeiftern zu wollen; nur religiäfe Vorurtheile können fie 
wffiacheln. Dagegen find die übrigen 10 Millionen, 
ie Kleinruffen (Ruthenen) und die Kofaden, ein ganz 
inderer Schlag. Die Erftern, früher mit Polen verbun- 
en, von denen religiöfe und politiſche Bedrückungen fie 
etrennt und gezwungen baden muter dem ruflifchen 
Scepter Schug zu fuchen, übertreffen die Moskowiter 
n Geiſt und Charakter (Nußlands tüchtigfte Gelehrte 
sd Geſchaͤftomaͤnner gehören ihnen an) und find libe- 
alen Ideen zugänglich; die Kegtern befigen einen unbe 
mwinglichen Unabhängigfeitsfinn. Beiden hat Rußland 
orzüglic, feine Größe zu banken; allein in Beiden regt 
ch bie Begierde das Joch mit dem fie beiafet und 
drängt find abzufgktteln, und bei den Erſtern erwacht die 
te Wahlverwandtſchaft mit den Polen, denen fie weit 
ynlicher find als ben Moslowisen Die geräpnte und 


wirklich ſtattfindende blinde Unterrvürfigkeit und 

lichkeit gegen ben Zaren findet nur bei den Moskowi⸗ 
ven flatt, die ihren Veherrſcher für den Herrn ber Welt 
halten, und zwar keine Anhänglichkeit an bie Perfom, 
fonbern an das Zarenthum, und noch mehr unter 
ben Privatſtlaven als unter benen der Krone unb 
dem ihnen verbaßten Heerdienſte, und am menigften 
unter dem eigentlich bens Autokraten frinblihen Adel. 
Se wenig nun auch ber Moskowiter an ſich ge 
neigt ift fein Joch gemaltfem zu zerbrechen (denn bie 
nicht feltenen Sklavenaufflände find nur immer local 
aus individueller Mache), fo möchte es doch nach bem 
Derf. eine Trage fein, wie fie wol handeln würden, 
wenn eine Ginwirkung von aufen fie fügte, die mäd- 
tig genug wäre ihren Blauben an die zeitliche Allmacht 
ihres Zaren zu vernichten. Nach dem Betragen der 
Reibeigenen bei dem Aufſtande Pugazew's unter Ka⸗ 
tborina Il. und ber franzöfifgen Invaſion unter Alexan⸗ 
der darf der ruſſiſche Herrſcher ſich auf die blinde Er⸗ 
gebenheit feiner Moskowiter nicht zu viel verlaffen. 
Pugazew erfchütterte den Glauben an die zariſche 
Allmacht, der er mit Gluͤck tropte, und bie Leibeigenen 
fhloßen fi) an ihn an, wodurch der Aufſtand befonders 
gefährlih wurde. (Sie hielten ihn für ihren rechtmaͤßi⸗ 
gen Zaren, ben feinen Mördern entflohenen Peter II, 
Dies beweilt alfe Nichte.) Vom Kaifer Napoleon hoff- 
ten fie die Löfung ihrer Ketten und waren geneigt (Wer 
ber weiß der Verf. Das?) ihn als ihren Befreier aufzu- 
nehmen, bie er ihnen ale Zerſtoͤrer ihrer Städte unb 
Dörfer und ihrer religiöfen Heiligthümer erfchien und 
dadurch fich ihren bitterflen Haß zuzog und alle Inter 
eſſen gegen fich vereinigte. Sie find alfo äußern Ein- 
drücken nicht unzugänglich, und das Beiſpiel ber Polen 
wird die Ruthenen und durch diefe die Moskowiter an⸗ 
fieden, (Dies Beifpiel möchte wol nicht fo anſteckend 
fein.) Dies find Die leitenden Ideen, die ber Verf. durch⸗ 
zuführen und von welchen er vorzüglich England zu 
durchdringen ſucht, weil denn doch dieſes genoͤthigt fein 
werde einzugreifen und er es vor bem Misgriff bewah⸗ 
ven möchte, die Regierungen gegen bie Wölfer zu un- 
terftugen. Das Ganze aber if eine Parteifchrift des 


- Yanflarismus — nicht unter Rußland, denn das muf 


untergehen, fondeum wie «6 ſcheint umser tüͤrkiſcher Ober⸗ 


oo. 1406 | 


aft, die England zu feinem Zwecke erhalten und 
alfo auch natürlich beherrfhen wird. Da nun biefen 
großen Plänen die Deutſchen hinderlich feinen möd)- 
ten, fo ftrebt der Verf. (dev kein Bedenken trägt Na- 


tionen und Ginzelne auf das frechſte zu verleumden, 


wenn es in feinen Kram paßt), einmal die Engländer 
von dem Wahne zu heilen, daß fie mit den Deutfihen 
näher: verwandt feien: die fogenannten Sachſen feien 
wahrfcheinlich felbft "Standinavier geweſen und beren 
Blut fließe in den: englifchen Adern, nicht deutfches (eine 
Anficht, die auch ſchon in einer Anmerkung in ber 
ABelen Sklaverei” aufgeftellt ift), und dann, nicht bios 
etwa bie deutfchen Regierungen, fondern die Nation felbft 
als feiner befondern Berückſichtigung in Hinſicht des 
Panſlawismus werth darzuftellen, da fie nidt allein 
numerifch den Slawen um zwei Drittel faft (30 Milio- 
nen, fo viel will er uns nur zugefichen, gegen 35 —100 
Millionen) nachftehen, fondern auch, den Polen wenig- 
ſtens, geiftig: — eine Entdedung, bie den aufgeklärten 
Slawen felbft neu fein dürfte Um dem flawifchen 
Geifte Anerkennung zu verfchaffen, widmet er mehre gar 
nicht unintereffante Capitel ihrer Poefie, wo denn der 
Panſlawiſt Mickiewicz natürlich im höchften Glanze 
firahlt. In dem neunten Gapitel des zweiten Bandes 
(S. 156): „Die flawifchen und beutfchen VBölkerftämme”, 
macht es der Verf. aber fo arg, daß ber Überfeger ſich 
zu der Anmerkung bewogen fah: „Ohne uns auf bie in 
diefem Capitel in Bezug auf Deutfchland vorkommenden 
Entftellungen und Abgefchmadtheiten weiter einzulaffen, 
da der gebildete Leſer fie felbft wird zu würdigen wiſſen, 
theilen wir biefes mitunter ergögliche Euriofum englifcher 
Arroganz wortgetreu mit” — und wir begnügen und 
mit der bloßen Hindeutung. Außer diefen lächerlichen 
politifchen Ertravaganzen ift dem Derf. gefunder Men- 
ſchenverſtand, Scharffinn und Beobachtungsgabe und fei- 
ner Schrift mannichfaltiges Interefje nicht abzufprechen, 
und daß er auf Manches aufmerffam gemacht bat das 
wol Beachtung verdient. Wir vermeifen nur auf die 
Gefchichte der franzoͤſiſchen Invafion, wo er aber die 
abſichtliche Einäfherung Moskaus dur Roſtopſchin in 
Abrede ftellt, die doch nun wol conftatirt genug fl. 
Warum Roſtopſchin felbft fie öffentlich geleugnet hat, 
läßt fich Leicht aus feinem Verhältniffe zu feinem Herr⸗ 
fher, Deſſen Vollmacht er willkürlich angewendet hatte, 
und zu feinem Volke, dem Mosſskau bie heilige Stadt 
ift, erflären. Wir gehen über auf das fünfte Eapitel: „Die 
Polen in ihrem Verhältniffe zu Rußland”, wo eine inter- 
effante Parallele zwiſchen beiden Völkern in Hinſicht des 
Banges ihrer Bildung fich findet; auf das fechste Ca⸗ 
pitel: „Die polnifche Auswanderung”, wo von ben ver- 
fhiedenen Parteien in welche diefe ſich theilt und von 
ihren Gabalen die Rede iſt; auf das fiebente Capitel: 
„Attentate der Emigranten in den Jahren 1833 und 
1836”, in wel legterm Jahre eine Fleine Geſellſchaft 
Emigranten — 40 meint der Verf. — eine neue In⸗ 
furrection verfuchte, wobei fih uns aber die Bemer⸗ 
fung aufdrängt: warum fand diefe damals im ruffifchen 


‘ | 
Polen beim Volke folhen Eingang, und warum nk 
1846 in Galizien und Preußen, mo das Bett ſich gr 
gen fie erhob? Die Löfung liegt doch wol in der ve: 
fhiedenen Behandlung, welche bas Volk unter rufllhen 
und unter öftreichifcehem und befonders unter preußiſchen 
Scepter erfahren hat. 

Die Herrfcher Rußlands herabzufepen verichmäht de 
Derf. fein Mittel; merkwürdig aber, daß er im Anhang 
zum zweiten Bande zmei gewinnende Züge vom Kılı 
Nikolaus mittheilt: eine Handlung der Gerechtigkeit & 
gen die Schmefter des unglüdlichen dorpatſchen Ir 
feffors Ambos aus Zmweibruden, der unfchuldig nıd 
Sibirien in die Bergwerke gefandt war und dem ie 
Schwefter dort die Befreiung, bie fie, hart abgmire 
von allen Miniftern und Behörden, unmittelbar vom 
Kaifer bewirkt hatte, überbringen wollte, ihn aber mid 
mehr lebend fand; und das Verfahren des Kai x 
gen einen 107 Jahre alten zu Katharina's II. Jam 
durch Potemkin aus Eiferfucht wegen der ſchönen Ir 
zeffin Zoumowski nad Sibirien verbannten Major, m 
dort erſt unlängft zufällig aufgefunden, nad Peter 
berufett und auf das humanfte und ehrenvollſte bin 
delt wurde. | 











(Die Bortfekung folgt.) 





Schriftſtelleriſche Erftlinge. 
1. Refignation oder Befriedigung? Eine moderne Rovek mı 

Frig Farine dure. Malchin, Pieper. 1846. 3.12% 
. Zudenlieder. Von Auguft Janßen. Didenburg, CE 
1846. ®r. 8. 20 Nor. 

. Lyriſche und dramatifche Dichtungen. Bon Alwin Feis- 

bold. Leipzig, Brodhaus. 1816. 12. 1 ht. 

. Bilde Rofen. Zwölf Gedichte von Luife After Ir: 
lin, Moefer und Kühn. 1846. 8. 10 Ror. 

Wenn irgend ein Beruf in den innerften, tiefften Bude 
des geiftigen Lebens feinen Urfprung und fein Fundament b 
ben muß, fo ift es der Beruf bes Schriftflellers und Didur 
Schon die Alten wußten Das und jagten deshalb: ein uät 
Schriftfteller und Dichter fei dei plenus, gotterfült. Lre 
Ausdruck fpricht in feiner treffenden Kürze die Wahre 3 
daß der Dichter felbft nicht angeben kann, woher ihr 
kommt was er mittheilt, und wie er Das madht mt 
ſchafft; jenes Woher und dieſes Wie, Beides ift dem DE 
ſeibſt unerklaͤrbar; es ift etwas unbegreiflih Große, © 
darum mag man es etwas Goͤttliches nennen. 

Für diefen transcendentalen Urfprung aller Yocie I" 
Biele gar keinen Sinn; in Bellen wo nur die materiche * 
tereffen, die Indufteie, der tradiene Realismus herrfät, =? 
das Wefen der Poefie nicht verſtanden. Gegen eine ſolche A% 
ternheit der Zeit hatte bie romantiſche Schule hart je IE 
pfen: Ziel und Arnim haben fie ſcharf genug perfflirt, ‘= 
poefielofen Proſaiſten, dieſe ausgedörrten irNidpkeitsneid® 
aber ihre Zahl ift immer die Mehrzahl geblieben. DSF 
ein Zetergefchrei erhoben dieſe praktiihen Leute, als I 
Rovalis, Schlegel und Andere fagten, die Poeñie fei rn Ft 
licher Wahnſinn; ja noch vor einigen Jahren fand mar. ” 
die damals vielgelefenen „Halliſchen Jahrbücher“ dirk 
ähnliche Außfprüche-der Romantiker über Poeſie umd port 
Schaffen bekaͤmpften — nein, nicht befämpften, ſonden = 
unfinnig und belachenswerth nannten und die albernſtes ©“ 
fequenzen daraus zogen. Doch abgefehen davon, fo niit: 
wi dag in Deutſchland die Zahl der Werke welche and ==" 
haft poetifcher Begeifterung hervorgegangen iſt gering 30°” 


u Be > 





1407 


werden muß. Die gründliche Unfähigkeit gu poetifiher Pro⸗ 
dustion veranlaßte um 1830 eine Anzahl von jungen Leuten, 
die fogenannte Zendenzpoefie in Mode bringen zu wollen; nun, 
die jungen deutfchen Zendenzpoeten find feit lange gerichtet. 
Mit gleicher Infolenz behaupteten einige Jünglinge, die Iyrifche 
Poefie, fo wie wir fie bis jept gefannt haben, fei inhaltlos; 
fie muͤſſe durch Gedanken bereichert werden, und zwar durch 
politifhe. Auf diefe Weiſe entftand die politifche Eyrif, das 
Erzeugniß einer gänzlichen poetiſchen Unproductivität, wenn 
man nicht firenger fein will und fagen, eines gänzlihen Wan» 
geld an Sinn für Poeſie. Doc würde es eine große Unge⸗ 
rechtigkeit fein, wenn man beftreiten wollte, daß in den legten 
Jahren manche poetifh werthvolle Sachen erſchienen feien, 
wenngleich der große poetiſche Meſſias, auf den man ſeit 1830 
mehrmals neugierig gemacht ift, ſich bis jetzt noch nicht hin» 
länglich legitimirt hat. 

Wir wollen jegt verfuchen, den Werth: der vier oben an: 
gezeigten fehriftftellerifchen Erftlinge zu beflimmen. 

Es geichieht fehr oft und ich finde es begreiflih, daß Je: 
mand das Intereffe welches er an poetifhen Werken nimmt, 
mit der Fähigkeit felbft dergleichen zu ſchaffen verwechſelt. 
&o leicht Das gefchehen mag, fo bedauerlih muß es genannt 
werden: es gibt feine miferablere Ereatur als einen fchlechten, 
fogenannten Dichter; unfer Derennium ift an ſolchen Unglück⸗ 
lichen reih. Es herrfcht die Zeit der Selbſtuͤberſchaͤgung; Lehr⸗ 
jahre will felten Jemand beftehen, Studien will felten Jemand 
machen; Erfahrung, meint man, fei entbehrlich ; es ift Die Zeit 
des Dilettantismus: Jeder will Alles verfuchen, Icder will im 
Borüberfohren Alles erkennen. In diefem Dilettantismus fo 
wie in jener Selbftüberfchägung liegt der Grund, daß man jept 
fo oft Individuen trifft, welde weder an Das was fie 
fagen und lehren noch an Das was fie wollen und ausführen 
glauben; aber Derjenige dem dieſer &laube fehlt ift eigent⸗ 
fi) nur eine Scheineriftenz, ein Schemen; ein Autor der an 
ſich felbft und an Das was er darftellt nicht glaubt wird nie 
mald von Denen die Sinn dafür haben für einen Dichter 
gehalten werden. 

Es gibt nun zwar Fein genaues fuftematifches Signale: 
ment für Das was man poetifches Zalent nennt; aber es läßt 
fi) doch aus gewiſſen allgemeinen Anzeichen beurtheilen, ob 
wir ein Zalent vor uns haben oder nicht. Ref. hat darüber 
folgende Anſicht: 

Das Talent Bann nicht erfannt werden an der phyfiſchen 
und matbhematifchen Größe und Wichtigkeit des Gegenftandes 
den ed behandelt; bei Werken der Kunft fommt es überall 
nicht auf den Stoff an; aus jedem Stoffe — wenn er nur 
nicht ein geradezu wibderftrebender ift — bildet der echte Künſt⸗ 
fer ein Kunſtwerk; das Hauptkennzeichen eines Kunftiwerkes ift 
der Geift und die Form. Allein wer ein Talent für die Kunft 
bat, der vergreift fi auch im Stoffe nicht, der weiß den red» 
ten Stoff ſich zu wählen. &o wird, um ein Beifpiel zu geben, 
der talentreiche Lyriker auf die Lyrik nicht Politik pfropfen 
wollen; fo wird der talentvolle dramatifche Dichter niemals ei» 
nen vorherrſchend lyriſchen oder einen vorherrſchend epifchen 
Stoff dramatiſch bearbeiten. Gluͤcklich ift Hr. Janßen in ber 
Wahl feines Stoffes „Judenlieder“ gerefen ; Hr. Reinbold 
dagegen vergreift ſich bisweilen in feinen Stoffen; er behan⸗ 
delt, um nur Eins zu nennen, einen durch und durch epiſchen 
Stoff, „Die Verſtoßene“, dramatiſch. 

Ferner läßt jich dad Zalent erkennen an der Freiheit mit 
der e8 feinen Gegenftand behandelt. Reue poetiſche Formen 
erfinden, Tas ift nur ſelten einem Genie vergoͤnnt; aber die 
vorhandenen Bormen geiftreih anwenden, Das ift ein Zeichen 
des Talents. Es ift Fein gutes Beugniß für die Tuͤchtigkeit 
eines Autors, wenn die Form ihm zu mädtig ift, wenn jie 
unter feiner Hand und vor dem Hauche feines Beiftes ſtarr 
bleibt, wenn er fie nicht bewältigen kann. In dieſer Berle: 
genheit feheint Hr. Farine dure zu fein: die Form feiner Er: 


zählung iſt hoͤchſt unſicher, ganz ſchwankend; der Verf. wußte 


nicht, ob er ganz ſachlich referiren ober ob er ſchildern wollte; 

er wußte nicht, ob er feine Erzählung ganz fubjectiv oder ob 

er fie objectiv halten folltes er wußte Das nicht, behaupte ich, 

weil er aus einer Manier in die andere fällt. Auch Hr. Rein: 

bold ift mit der Form noch oftmals und bedeutend im Kampf. 

Ih will hier nidht von der Form einzelner Verſe ſprechen; ich 

erwähne e8 nicht, daß es ganz ungrammatif ift zu fagen: 
uber 

Kömmten noch im Walde weilen 

Mit der Rache wild Verlangen, “ 


ftatt mit dem wilden Berlangen der Rache;z aber ich m 
von der Form fprecdhen, die dr. Reinboid dem Drama gibt. 
Was der alte Mriftoteles über die Rothwendigkeit der drei 
Einheiten des Drama gefagt hat, Das ift noch bis auf dieſe 
Stunde nicht umgeftoßen; es bleibt eine von den Kennzeichen 
eines dramatiſchen Stoffes, daß derfelbe in diefe Einheiten ſich 
fügt: Es mag eine Pedanterie von Laube fein, wenn er fich 
Etwas darauf u gute thut, daß fein „Struenſee“ in demfelben 
Sacle fließt in welchem er anfängt: allein fo wie uns Hr. 
Reinbold in feiner „Verſtoßenen“ aus einer Localität in die an- 
dere binüberreißt, Das ift zu arg und erfcheint außerdem noch 
als Mangel an Geſchick im Gruppiren von Scenen. 

Kerner läßt fi das Talent erkennen an der Natürlichkeit. 
Das Talent ift nicht erworben, es ift angeboren, es ift eine 
Gabe der Ratur; fo muß auch das Werk, welches das Talent 
fchafft, natürlich fein, d. h. frei von Künftelei, alfo von Schwer: 
fälligkeit, von beläftigender Zuthat und von flörendem Beiwerk. 

Ferner noch läßt fi das Talent erkennen an der Stetig- 
Peit mit welcher fein Werk fortfchreitet. Diefe Sicherheit, 
Ruhe und Gtetigkeit des Fortſchritts findet ſich ſchon in Goe⸗ 
the's Zugendwerken; ſehr nachweisbar ift fie in „Werther's Lei: 
den”; diefe Stetigkeit ift ein ſicheres Kennzeichen poetifcher 
Größe. Die Novelle des Hrn. Farine dure und Hrn. Rein⸗ 
bold's Dramen zeigen wenig Spur davon. 

Nach diefer Furgaefaßten Einleitung will Ref. noch über 
jedes Buch im Einzelnen Einiges mittheilen. 

Hr. Farine dure wollte eine Rovelle fohreiben. Eine Ro: 
velle ift, wie Ref. es zu bezeichnen pflegt, eine kleine Reuig⸗ 
Beit oder eine neue Kleinigkeitz aber was für faubere, elegante 
Kunftwerke Haben Spanier, Italiener und Deutſche im Gebiete 
der Roveliftif aufzumeifen? Was für Cffecte bewirken ſpa⸗ 
nifche, italienifhe und deutſche Novelliſten durch die Natuͤrlich⸗ 
keit des Gedankens, dur Angemeflenheit der Form, durch 
Neuheit und Wahrheit der Situation, durch Schönheit der 
Sprache! Bon allen diefen VBorgügen findet fi in der. Rovelle 
des Hrn. Farine dure nicht die Spur. Motivirt ift in der 
ganzen Erzählung gar Nichts; die Verhältniffe werden nur 
durch den Zufall herbeigeführt; der Begriff einer moralifcyen 
Weltordnung fehlt in der Anordnung der Begebenheiten durchs 
aus. Werner ftört ch den Lefer, daß die Lehrfäge einer ganz 
byperortbodoren Theologie in die Rovelle eingemifcht find; c# 
bleibe die graffe Orthodorie für fih, mit der Novelliftif kann 
fie nicht wohl in Verbindung gebracht werden. Ref. hielt ei: 
nen Augenblid lang den Bert reinen feharfen Sronifer, als 
er las, daß ein junger Mann einen andern von der Liebe, von 
der glühenden Leidenfchaft zu einem fchönen Weibe curiren will 
durch den Glauben an Jeſum Chriſtum; Ref. hat die Anficht, 
daß ein Student, welcher eine große Liebhaberei für Beefſteak 
und rüdeshpeimer Wein, ferner für die, Erforfhung galanter 
Abenteuer, dabei aber ſtets den Glauben an unfern Herrn Se: 
fum Ghriftum im Munde bat, Beine angenehme Erſcheinung 
in einer Rovelle ift, in welcher die Nothwendigkeit einer foldyen 
Perſoͤnlichkeit durchaus nicht gerechtfertigt wird. Der eigent: 
fihe Held der Gefchichte, ein Gutsverwalter, ift ein jämmer: 
licher Held, wie die Jugend heutzutage oft gefunden wird, voll 
hoher Anſprüche und kraftlos ein verzagter Egoift, eine un: 
intereffante Perſonlichkeit. Wahrfcheinlih wird dieſer Gutsver⸗ 
walter die Modernität repräfentiren ſollen; der Berf. nennt 
naͤmlich feine Rovelle „eine ‚moderne Rovelle“. , Der Lefer ei: 





nen ſolchen Novelle vergibt dem Bert. alte Fehler; einern vech⸗ 
ten Roman» und Novellenleſer iſt es ganz ar ob der 
Berf. richtig Deutfch ſchreibt oder falſch, im ee Beziehung 
M zu rügen wäre; aber einen Pchler, den vergibt 
Bein Lefer, nämlich: wenn das Buch nicht inteveffant if. 
Nef. glaubt, des Berf. wird nicht viele Rovellen mehr ſchrei⸗ 
ben; in der beiprocdgenen liegen Peine Keime gu neuen. 

Veröffentlichung diefes Bücheldens war offenbar eine Übereilung, 
welche vielleicht die Dame verfchuldet hat der daſſclbe debicirt 
it. In fpätern Jahren, wenn ber Berf. in feinem theologi- 

Syfteme noch fefter fteht, wird es ihm ergeben mie bem 

ariad Werner, welcher feine „Weihe der Kraft” unter feine 
Jugendfünden rechnete. 

Wir wenden uns zu den „Judenliedern“ des Hrn. Unguft 
Saufen. Derfelbe bekundet einen richtigen Takt für das Wahre 
dadurch, daß er die fogenannte Zudenfrage auf das Gebiet der 

efie hinuüͤberwirſt. Dahin gehört-fie recht eigentlih: in Iyri- 
cher Form mögen die einzelnen Partien derfelben behandelt 
werden; der Menfchenfteund, der Sentimentale, der Demagog, 
ber Judenfreund möge auf dem Gebiete der Poefie feinen Sym⸗ 
yathien buldigen; aber in der Praris des Staatslebens follte 
man nicht vergeffen, - daß Fein Staat, alfo auch der chriftliche 
nicht, feinen Zodfeind in den eigenen Schoos aufnehmen wird. 
Jede Religion ift ihrem Weſen nad ercdufios fie fchließt die 
Fremden, weil fie feindlih find, aus. So müffen auch in un⸗ 
fern Staaten, wenn fie chriftliche fein wollen, die Juden, als 
Richkchriſten, ausgefchlofien bleiben. Es ift eine Sophifterei, 
wenn man fagt, das Chriſtenthum müfle tolerant fein, fobald 
man diefe Zoleranz fo weit ausdehnen will, daß der Feind des 
Chriſtenthums in den chriftliden Staat aufgenommen werben 
fol. Ich begründe meine Behauptung noch von einer andern 
Seite. Wenn man behauptet, der Begriff „chriſtlicher Staat” 
laſſe fih in praxi gar nicht confequent fefthalten, man müffe 
fih in der Politik auf den philoſophiſchen Standpunkt ſtellen, 
und vom philofophifchen Standpunkte erfcheine es als Hecht, 
die Juden als Gleihberechtigte in unfern Staat aufzunch⸗ 
men; — wenn man Das behauptet, fage ich, fo müſſen auch 
die Juden ſich auf den philoſophiſchen Standpunkt ſtellen und 
ihre veligiöfen Gebräuche und Sagungen aufgeben, kurz, fie 
müſſen nicht Juden und mit uns gleichberedhtigte Staatsbür: 
ger fein wollen, fondern ihr Zudenthum aufgeben für das ver: 
langte Staatsbürgerthum. 

Der Berf. der „‚Iudenlieder‘ Hat poetiſches Talent. Der 
Reim macht ihm bisweilen Schwierigkeit; in dem hübſchen 
Liede ©. 38 --40 fallen auf das Wort Auge durchweg die fal: 
fen Reime „tauche”, „Hauche“, „Rauche”, „ Strauche”. &. 70 
finden jich die Verſe: 

Als ich ind Auge wieder fah dem Kater, 

Ih ſchweigend fland — nit minder ſchweigen that er, 
wo man außer dem verfehlten Reime „Bater” und „that er” 
noch den undeutſchen Ausdrud zu rügen bat: „er that ſchwei⸗ 
gen”. &. 21 wird auf „Redht” gereimt „geächt”, was doch 
eine burpaus falfhe Form für „geächtet‘ ifl. Werner lieft 
man ©. 1A: 

Was kaum Berwegenheit gewagt zu hoffen — 

Herz ſchlaͤgt an Der; — der Himmel thut fib offen — ; 
den grammatifchen Gefegen zufolge muß man aber fagen: „ber 
Himmel thut fi auf. Ebenfo ungrammatifch ift es zu fagen: 

Beim König faß ein Rath, ein Bauer, 
Sin Bürger, Diener, Bettelmann; 
es müßte beißen: „ein Bürger, ein Diener und ein Bettel- 
mann”. Gin falſches Bid iſt in „Es ift eine Schande” 
(&. 62— 64); nämlich der Begriff „die Weltgeſchichte“ Leidet 
nicht gut eine fo ſcharfe Perfonifcation, daB man von dem 
iehen der Weltgefhichte, von ihrem flaunenden, zürnen- 
den Geſichte, von den Adern auf der Stirn der Weltgeichichte, 


Verantwortlicher Herauögeber: Oetuvich Wertttans. — 


die vor Dorn glühen, ſprechen kann; Das iR eint dirk 
verkehlte Yerfonifization. 

Als ſehr fehun ne Gedichte beze wir: Sebelu 
Ben Bad’ (S. IT); —* „Des dchens Kla di (6.8; 
M Rehnungsabfhluß” ®&. 6); „Der Rabbi und fi Ge” 
(S.81--95). Namentlich durch diefe legtgenannten Yorke ij 
in Mef. der Wunfch erregt, der Di möge bald wieder 66 
legenheit finden, einige von feinen Liedern zu veröffentüces 

(Der Beſchlß feigt.) 


Literariſche Notizen aus England. 


Das Denkmal Sriftofore Golombei. 

Die Genueſer fegen bekanntlich ihrem großen Lanbimmm 
Colombo ein Denkmal. Der GBrundftein dazu ward währe 
der legten Berfammlung der italienifchen rten m & 
nua im vergangenen Monat September gelegt. In ber Kufı 
und Gemäldeausftellung, die zu derſelben Zeit im Genus kat 
fand, fah man auch den Entwurf diefes Denkmals. Ci me 
in der Mitte der Piazza dei Aqua Berde nahe am Eine 
in die Strada Balbi aufgeftellt. Der Form nad vieredig mit 
e6 der Länge nad auf jeder Seite 12 Metres meſſen U 
drei Stufen fell ein Sockel zu kiegen kommen, auf deſſen Be 
temvänden brongene Infchriften angebracht werben. La I 
&den werden vier Piedeſtale ebenjo viel finnbildliche Geſtahn 
tragen, welche die Wiflenfchaft, die Frömmigkeit, die Basket 
und die Beftändigfeit vorſtellen. Zwiſchen dieſen Gtandikm 
an den vier Façaden werben ebenfo viel Basreliefs mikig 
Begebenbeiten aus der Geſchichte des genuefer Gelben darik 
ien, und zwar: Golombo vor dem Rathe von Soalamm 
beim Aufpflanzen des Kreuzes auf dem neuentdeditm Glan: 
feine Einſchiffung nah Europa in Feſſeln; fein Erſcheinen core 
nem Souverain zu Barcelona, Bon der obern Flaͤche dei Sid 
wird fidh ein hohes Fegelförmiges und reich verziertes Piedeſtal = 
bebeh, welches eine Gruppe zu tragen beſtinmt iſt, die Gelee 
in dem Augenblide wo er Amerika entdeckt darftellen ſel de 
Beichnung des Denkmals ift von Profeflor Michele Gase ie 
Ausführung der legterwähnten Hauptgruppe bat Bartol ie: 
nommen; Uriftodemo Gaftoli wird das "Standbild der Bude 
und das Basrelief, welches Golombo beim Yufpfluya de 
Kreuzes barftellt, Auigi Pampaloni das Standbild dr fit 


migleit und die Scene zu Salamanca vollenden, währe @ 


Senueſe Guiſeppe Gagaini, Profeſſor der Bildhaurrei m !s 
koͤniglichen Akademie zu Zurin, die Geftalt der Bi 
und die Vorftelung des Colombo bei dem ſpaniſchen Ku⸗ 
hen zu Barcelona ausführen wird; endlich ift Emil Suaish 
die Darſtellung der Beſtändigkeit und Salvatore Reli W 
Ausführung des Basreliefs, Golembo in Ketten nad Fam 
ſich * zugedacht worden. 


a man 


Die Magna Charta. 


Unter den englifhen Aiterthumsforſchern und Pe 


Bern war feit lange Streit darüber, auf welche Weiſe de » 
kunden ber alten ſaͤchſiſchen Verfaſſungen, befonders ab: ? 
Magna Charta ind Britifhe Mufeum gefommen. Lang 


alt die Sage, unter der Regierung Zakob's I. habe % 


ekannte Sir Mobert Cotton ben Händen eines Schneidets 2 
riſſen, der fie zu Streifen zum Maßnehmen zu serfänehe 3 
abe der 


Begriff geitanden ‚hätte. Durch die He 
Serie der ‚Original letters ilustrative of föngiah hisarı, 


including numerous royal letters from autographe a 3 
British Museum, the State Paper office” u. |. in wirt = 


Ungegränbete diefer @rzählung dargethan, indem dar M 
Brief Sir Edward Dering’s an erwähnten Sir Robert E41 
enthalten if, worin Jener Diefem meldet, daB ſich die ER 
König Johann's wie die fädfifchen Charters in feinen IA 


Befänden, und er ihm bdiefefben Dei erfter Selegenheit en ' 


nen ſſthern Boten zufenden wolle. 
Deut und Buuisg von V. WE, Mundpauä in: Seinbis- 





Blatter 


fir 


literarifche Unterhaltung. 





Sonnabend, 





Die neueſte Literatur aber Rußland. 
Dritter and lehter Artikel. 
Fortſezung aus Nr. 388.) 

Ob Ar. 11: „Rußland im Jahre 1844, von dem 
nämfihen Berf. ded „ Enthüllten Rußland” iſt? Es If 
mei im nämlichen Gelfte gefthrieben, aber doch mit mehr 
Mäfigung und Anerkenntniß Dentſchlands, und in der 
Einleitung beit ee: 

Meine langen Dienfle, eine viefjährige Staatspraxis und 
das Studiums der rufflſchen Einrichtungen haben mich, obſchon 
von Geburt ein Audtaͤnder, befähigt ihren Bufland und ihren 
Bereich zu ergründen. Die Grgebenheit gegen die Intereſſen 
des Raifers und des Staats haben mich einzig bei Abfaflung 
dieſes Werkes geleitet und zugleich berechtigt haffelbe der Offertt- 
lichteit zu übergeben. 

Nein, das Ift ein Anderer und bev Tird „Nachtrag" 
rührt wei von dem Bearbtiter Hrn. Heller der. Det 
Tre „Rußland im Jahre 1844 iſt aber ein bloßes 
Aushaͤngeſchild, denn von dieſem Jahre ift gar nicht die 
Rebe in diefem Schriftchen, fondern es enthält eine Über- 
icht der rufſiſchen Rechtopfleg 
Uen Departements, und das Reſultat iſt, daß fie alle 
Rihts faugen: wide etwa bios wegen ihrer Be 
mten, ſondern in fi fAblt, da fie durchaus dazu 
efchaffen fehrinen, Gefchäfte und Koſten um bie 
Hdifte und barüber zu vermehren und Alles au verwir⸗ 
m ſtatt zu orbnen. Inwiefern Die Vorſchlaͤge des Vetf. 
re Abhülfe, die auch nur fehr im Allgemeinen hinge⸗ 
orfen find, zweckmaͤßfig und ausführbar fen mögen, 
äffen wir dahingeſtellt fein laſſen. Beſonders trifft 
eJuſtizpflege, das Finanz⸗ und das Militairſyſtem 
r größere Theil der Ausſtellungen, und fe viel geht 
ol aus Allen hervor, daß in diefen Zweigen befonbers 
ne Radiralreform dringend nothwendig ſei, der aber 
: Aufhebung bw —— vorausgehen muͤßte, 
d die Aufhebung der Nang⸗ ſtatt der Verdienſtver⸗ 
ltniſſe, und — bie mamittelbare ——— bed Kai⸗ 
s in bie Rechtepflege, die gewiß das Rechte beabſich⸗ 
t, aber jeden Rechtegang unmöglich macht. Die Ge⸗ 
ft der Minifter iſt ganz ungemeſſen und das eine 


ſtitut fchehnt nmer beſtimme die Wirkung des andern 


zuheben. Bon einer Bilbang für diefe Inſtitute If 
„e bie Mede mb da Heißt es int eigentlichen Sinne: 
u Beet Ein Um gibe, dem gibt er auch ben Ver⸗ 


ſtanb dazu. Dieſem Übelſtande wollte ber Kaiſer Paul 


e, der Verwaltungen von 








——— 





durch die Junkerſchulen Bei den Miniſterien abhelfen, 
und in Hinſicht der Nechtoͤpflege durch bie Rechtbſchule Feb 
Bringen Peter von Oldenburg, deren wit Aber nirgend 
erwaͤhnt finden. 


12. „Ruffiſche Intrignen“ wäre ald Roman leicht 
mit Schillee charakterifiet: „Wann ſich das Paper et» 
bricht, [mt ſich die Tugend zu Tiſch.“ Der Fürſt 
Schaſchlbansw, der in Paris an ber Spitze der Ders 
ſchworung ſtand, die Alexander's letzte Tage trübte 
und am Thronbeſteigungsſtage bed Kaiſers Nikolaus ſo 
topflos ausbtach, mußte fich bei dem Kaifer geltend zu 
machen, als fei er mit ber hoͤchſten Lohalitaͤt in bie Wet 
ſchwoͤrung eingegangen, um fie zu bernichteit, indem vr 
ale Theilnehmer unb ihre Pläne vertieth, Unſchulbige 
bie er fütchtete zu Veerraͤthern fiempelte ober meuchel⸗ 
mordete, durch den Kammerdienet bed bekannten Fürſten 


Trubetzkoi, den er für feinen Dienſt gewonnen hatte, bie 


Papiere und Briefichaften des Fürften flehlen ließ und 
fo Alles mas gegen Ihn zetigen konnte beiſeite fchaffee; 
warum nicht vernichtete, witb bee Berf. am beften wif⸗ 
fen, wahrſcheimich heil dann diefet Homan nicht füge 
lich hätte geſchrieben werden Könnten. Er iſt ein Traum 
kenbold, ein roher Wollũſtling, ein ſchlechter Gatte, ber 
ſeinet hochherzigen Gemahlin durch Mishandlungen aller 
Art das Leben verbittert und iht, der Mutter feines 
einzigen Sohnes, um den er ſich nicht Befüninterk, zum 
Abſcheu wird, ſodaß fie, die Fretindin der bekannten Fran 
von Narifchlin, der zärtlihen Liaiſon Kaiſer Aleganber’e, 
ber Liebe eines Höchft Tiebenswürbigen fremden Prinzen, 
der am petersburger Hofe verweilt, Gehör gibt. Wie 
Bas eigentlich zugegangen, erfährt man nicht; allein man 
findet den Zirften von Bent Degen des Prinzen durch⸗ 
bohrt am Saume des Waldes unfern Ber Narifchkim⸗ 
fhen Alla, auf welter der Geburtstag ber fehöneh 
Wirthin met einem $enerwerf gefeiert wird. wirb 
auf Befehl des Kaifers, der zufällig dazu kotnmt, fo 
heimlich als möglich in feinen Wagen und in fein Pas 
lais gebtacht, bie Fürflin ifl in Verzweiflung, der Pelz 
muß war called Aufſehen zw vermeiden Peterſburg ver» 
ren Dee Würfe, der vön feines ſchweren Wunde ge: 
net, finder es nicht für ſich convenabri, fich dort feine 


% 


\ 


fie heimlich, entbunden wird, übergibt er einem Leibeige⸗ 
nen es zu tödten. Diefer findet ed vortheilhafter dad 
Kind an einen Seiltänzer zu verkaufen, der es zu ſei⸗ 
nem Gewerbe erzieht. In ihrem funfjehnten Jahre ent⸗ 
flieht die Unglückliche und wir finden fie im höchften 
Elende bei fehneibendem Froft dem Hungertode nahe auf 
den Marmorftufen des Schaſchibanow'ſchen Palaftes, an 
dem ihre Mutter, die Fürftin, eben mit ihrer verhofften 
Schwiegertochter, der Prinzeflin Eudoxia, anfährt, aber 
fie als der Hefe des Volkes angehörig nicht beachtet. 
Die Prinzeffin aber jammert das junge Leben und fie 
gibt einem herzugefommenen Budotſchnick (Straßenwaͤch⸗ 
ter) ein Goidſtück mit dem. Befehl ſich der Unglücklichen 
anzunehmen. Da drängt fich ein gemeines Weib durch 
die umbherftehende müfig gaffende Menge, fihließt fie 
fchreiend und meinend in ihre Arme als ihre blödfinnige, 
aus Hunger ihr entlaufene Zochter, die fie ſchon den 
ganzen Tag gefuht habe, und rührt fo das Herz der 
Prinzeffin, daß Diefe ihr die volle Börfe zumirft. Das Weib 
ladet ihre Beute auf und eilt davon der eisſtarren Nema 
zu, an deren jenfeitigem Ufer fie wohnte, war aber eben 
im Begriff das Mädchen in einem der Eislöcher zu er 
fäufen, ale ein Mann, der den Betrug gemittert hatte 
und ihr gefolgt war, fie daran verhinderte. Er hatte 
ben feinen Zügen des Mädchens es angefehen, daß 
biefes Weib ihre Mutter nicht fein könne, und erkannte, 
ein Spion der Policei, in dem Weibe die unter dem 
Namen „die moskauiſche Kage” berüchtigte Diebin, die 
fchen oft in ben Händen der Policei gewefen war. 
Durch Furcht und Geld vermochte er fie nad einem 
heftigen Kampfe, der ihm felbft beinahe das Leben ge: 
koſtet hätte, das erfiarrte Mädchen mit fich zu nehmen 
und wohl zu verpflegen, bis er es gegen eine Zahlung 
von 100 Rubel von ihr abholen würde. Diefer Mann 
war ein reicher Wechsler am Boftinoi -Dwor (Bazar), 
der in feiner früheften Jugend von feinem vermeintlichen 
Bater zum Hämmling verflümmelt worden und durch 
diefe Mishandlung erbittert nur darauf dachte, bie 
Menfhen zu verderben. Wolluft ſchien ihm dazu das 
befte Mittel und er rettete das wohlgebildete Mädchen, 
um es der Vorſteherin eines Freudenhauſes für Vor—⸗ 
nehme und Reiche, deren Lieferant er in diefem Artikel 
war, zu überliefern. 

Wir erbliden uns hier, bis auf die nur rangſtolze, 
fonft edle Fürftin und befonders die höchft liebenswür- 
dige, beitere, menfchenfreunbdliche Prinzeffin Eubdoria, in 
der verworfenften Gefellfhaft von ber Welt, und es tre- 
ten noch wol ein Dugend Geftalten ähnlichen Gelichters 
auf; allein als Gegenbild des FKürften erfcheint ein Fürſt 
Zermetjew, ein Opfer der Ranke des Fürften, der feinen 
Sohn in Paris meuchlerifch erfchoffen und ihn felbft fo 
in den Verſchwörungsproceß verwidelt hat, daß er nad 
Eibirien transportirt wurde. Der hochgefinnte Ver⸗ 
bannte bat Mittel gefunden aus Sibirien zu entfliehen 
und ift heimlich nach Petersburg gelommen, um den 
Fürſten zu entlarven und ſich zu rechtfertigen. 


Die, 


En . 1410 


Gemahlin zu trennen; allein das Mädchen, von welchem 


Beweismittel feiner Unfeguld find aber in ben Haͤndu 
bes Waters jenes Wechsler, eines nieberträctign 
Geizhalſes, den er von der Leibeigenfchaft freigdkf: 
fen und mit Wohlthaten überhäuft, der fich aber feine 
Papiere und eines Theile feiner Koftbarkeiten bemäntig 
hat und nun fürchtet, dag feine Schandthaten an da 
Tag kommen und er von dem geftohlenen Reicthum 
werbe herausgeben müſſen und daher die Papiere fe: 
nes vormaligen Gebieters nicht ausliefern will. Auje 
dem Fürften Termetjew befindet ſich aber, ohne daj fe 
voneinander wiffen, noc eine Marquife St.-Amand, de 
ren erfter Gemahl eben der meuchlerifch erfchoffene jung 
Fürft Termetjew gewefen, mit einem Zeugen des Ds 
des, einem Grafen St. » Prieft, in gleicher Abſicht te 
Mörder ihres Gemahls zu entlarven, in Petersburg ma 
am Hofe, und im Palaſt des Fürften Schafhibaner 
felbft eine polnifche Gräfin Malachowska mit ihrem Er. 
tel, Deſſen Vater nach Sibirien transportirt war, ax 
gluhende Patriotin, die felbft unter Koscinszko mig- 
fämpft. 


war, daß der Fürft es fei der ihren Sohn verrue 
habe, und ſchwur ihm die tödtlichfte Rache. Sie erm 
die Demüthigung, im Palaft ihres Todfeindes das On 
denbrot zu genießen, nur um auf eine Gelegenheit u 
harren, gewiffer Papiere, welche der Fürſtin in die Disk 
gefallen waren und womit Diefe ihren Gemahl in Re 
fpect gegen fich hält, die alfo wichtige Zeugniſſe me 
ihn enthalten mußten, habhaft zu werden, um Kit 
zu feinem Sturze in ihrer "Gewalt zu haben. 

Eine liebliche Erſcheinung ift aber eine arme Kür 
rin Natafcha mit ihrer treuen Wärterin aus dm fr 
delhauſe, in welchem’ fie erzogen ift, und ihre reine m: 
fhuldige Liebe zu dem jungen Fürften Schafdibmr. 
der fie in der Kirche gefehen und in gleich reiner ir 
für fie entbranne ift, den fie aber nur als einen juna 
Maler aus der PVorzellanfabrit kennt. Mit Inn 
ift diefe anmuthige Idylle durchgeführt bie zu dem Fr 
genblide, wo der junge polnifche Graf, der Batrzı 
ihres Geliebten, ihr in ber Abficht, fie für fein: Zt 
zu gewinnen, das Geheimniß enthüllt, umd daß der mw 
Sürft eben feine Verlobung mit der Prinzeffin Cut 
feiere. Fürſt Termetjew, der auf der benachbarten Dr 
ſcha (Willa) eines Freundes unter der Maske als Ku 
gärtner fi) verborgen und die liebenswürbige fintik 
Nachbarin fehr liebgewonnen hat, findet fie in der he 
ſten Entrüftung und Verzweiflung. Auch er bunte 
die Zreulofigkeit des jungen Zürften, den er ald ri 
lanmaler und Nataſcha's Bräutigam bei ihr fennu e 
lernt und liebgemonnen hat, und um der Sache af !e 
Grund zu fommen, führt er die Verzweifelnde ger? 
in den Palaſt Schaſchibanow, mo wirklich der mt 
Fürſt feiner Mutter und feiner Geburt feine Ric # 
Opfer bringen wollte. Als Nataſcha den Geliehen 
ben ber fchönen als Braut geſchmückten Prinfa ? 


Sie hatte ſich zum Fürften, einem vertruue 
Freunde ihres Sohnes, geflüchtet, um ihren Snu 
befreien, und erfuhr bier von einem vom Fürſten mer 
deten Leibeigenen, von Deffen Tode fie zufällig jur 


1411 


blickt, ann fie ſich nicht bes Angſtrufs Saſcha (Mieran- 
der) erwehren. Der Ton bringt zu feinem Herzen, er 
fpringt auf, eilt zur Thüre, wohin ber Fürſt Termetjew 
die Arme gezogen bat, flürzt zu ihren Füßen und er- 
Mare fie zum Schredien der Mutter, aber nicht gerade 
der Prinzeffin, die fchon Längft den Zwieſpalt in feinem 
Herzen geahnt hatte, für feine Liebe, der er einzig angehören 
wolle. Er beftürmt Nataſcha mit Kragen und als er ben 
ſchändlichen Verrath des jungen Grafen vernimmt, ge- 
zith er in Wuth und ftößt ihn, der zufällig eintritt, 
nieder. Alles ift in der höchften Beftürzung, allein Fürft 
Termetjew erfucht die Fürſtin, den im Hochzeitſaale an⸗ 
wefenden Grafen Bentendorf (Policeiminifter) und ihren 
Gemahl in ein Nebenzinnmer rufen zu laffen. Er gibt 
fihh dem Grafen zu erkennen und verlangt arretirt zu 
werden, aber auch die Arreftation des Fürften Schaſchi⸗ 
banow als eines Hochverräthere. 

Das ift der Anfang vom Ende Es find die inein- 
ander laufenden und ſich verftridenden Baden genügend 
für das Netz, das über den Böfewicht unentrinnbar nie- 
derfällt. Er ift verloren. Alles Übrige gleicht fich auf 
ziemlich gewöhnliche Romanmeife, wir wollen nicht verrathen 
wie, gütlic) aus; nur daß der Verf. den meuchelmörderifchen 
Schurken noch zulegt durch Natafcha befehren läßt, ift 
pſychologiſch und aͤſthetiſch unverzeihlich und trivial. Un⸗ 
fere Leſer werden vielleicht zweifeln, ob es denn der 
Mühe lohne nad diefem Romane zu greifen. Als 
Kunſtwerk können wir ihn freilich nicht anpreifen. Es 
fehlt oft die nöthige Motivirung, der Unmahrfcheinlich- 
feiten gibt es mehre, die Perfonen fprechen zuweilen fo, 
wie fie in ihrer Lage fehwerlich würden gefprochen haben, 
und der bdocirende Ton tritt manchmal flörend hervor; 
und doc wird Der welcher das erfte Capitel gelefen 
hat den Roman ſchwerlich ungelefen aus der Hand legen. 
Die unzähligen Fäden der Intrigue find geſchickt aus- 
einander gehalten, daß fie fich nicht verwirren; die Cha- 
rakterzeichnung, befonders der Perfonen aus dem Wolke, 
ft mit großer pfochologifcher Wahrheit und Feinheit 
urchgeführt; die Situationen find größtentheils inter- 
ſſant und fpannend; wir werden duch alle Sphären 
er Gefelfhaft geführt, von der niedrigften Mörder: 
öbhle bis zu den Prunkzimmern der hoͤchſten Herrfchaf- 
en, und find Zeugen der verfchiedenen Familienkreife, die 
er Verf. unverkennbar aus unmittelbarer Anfchauung 
mnt. Un geiftreihen Natur» und Sittenſchilderungen 
Hit es nicht, und duch die Localfärbung gewinnt bie 
Yarftellung an Lebendigkeit und Wahrheit, was aller- 
ings nur ganz von Dem empfunden werden Tann, der 
mit aus eigerrer Anfchauung bekannt ift. 

Iſt der Roman beftimmt uns ein treues Bild des 
irklichen Lebens zu geben, fo erfüllt er feine Aufgabe, 
enn auch zumeilen mit zu greller Färbung und Der 
ichtung: aber freilich weiches Lebens! Uns dünft aber 
fer Roman befonders der Beachtung wert als eine 
timme aus dem Innern, und zwar nicht wie in ber 
Veißen Sklaverei” des Haffes, fondern mehr der Liebe. 
t der Name des Verf. pfeudonym? ft dies eine Über- 


fegung? Wir werben barüber nicht belehrt. Zwei Druck⸗ 

fehler haben uns befonbers amuftet: ſtatt Sarafan, ein 

ruffifches weibliches Kleidungsſtück, lefen wir hier Safran, 

und flatt Hochverräther Hochverächter. ' 
(Der Beſchluß folgt.) 





Schriftftellerifhe Erftlinge. 
(Beſchluß aus Nr. 352.) 


Wir gehen zu Hrn. Reinbold's Gedichten über. Ein rech⸗ 
ter Autor hat Refpect vor dem Yublicum, d.h. er meint nicht, 
jedes noch fo flüchtig hingeworfene Product einer müßigen Bier« 
telftunde verdiene gedruckt zu werden; ein rechter Autor hat Mer 
fpect vor dem Yublicum, und ſolche Nullitäten wie „Die Opfer‘‘, 
ein Zrauerfpiel, follte Niemand publiciren ; ein rechter Autor 
leugnet e6 nicht, daß fogar ein Genie Zleiß anwenden muß, 
wie Goethe mit Recht behauptet; ein echted Kunſtwerk muß 
mit Fleiß gearbeitet und überarbeitet fein: „die lebte Feile an: 
legen, das ift ein Ausdrud, der von dem Wolfe herruͤhrt, 
defien Kunftwerke noch immer als claſſiſche bewundert werden. 
Was die Gedichte des Verf. betrifft, jo bat Derfelbe Stoff aus 
der niederländifchen Befchichte, eine böhmifche Volksſage und 

nliches in Berfe gebracht; fogar eine „unüberwindliche Flotte” 

bat er. Neben dem vielen Bortrefflidhen, was namentlich in 
der poetifchen Erzählung unfere deutfche Literatur aufzumeiien 
bat, verlieren fich Meine Keiftungen ganz; Eigenthuͤmliches, 
Vortreffliches, Muſterhaftes haben wir in den vorliegenden 
nicht gefunden. Daſſelbe muß auch von’ den Iyrifchen Gedichten 
bes Hrn. Reinbold gefagt werden, fo lange nicht Zemand beweiſt, 
daß Stellen wie die nachfolgende unfer Urtheil umftoßen: 

Lillafarb'ne 

Silberwoͤlkchen 

Tanzen hell auf 

Purpurgrunde, 

Und Aurora 

Schuͤttet gold'ne 

Strahlen aus dem 

Roſenmunde. 

Ref. will noch ein paar Worte über das Drama’ „Die 
Berftoßene” fagen. Er geht von der Behauptung aus, daß ein 
rechter Künftler mit geringen Mitteln Großes erreicht; der 
Anfänger haͤuft Großes auf Großes, und was er zu Stande 
bringt Das ift oft weniger als gering. Hr. Neinbold ger 
braucht für fein Drama eine ganz opernhafte Zurüftung, de 
fang und Wechſelchoͤre; er Läßt.einen Sturm auf der See ſehen, 
ein untergehendes großes Schiff, ein rettendes Boot. Er 
bat, wie der felige Raimund wol that, die Bühne in zwei 
Stockwerke getheilt und in beiden wird zugleich gefpielt. Dex 
Berf. hat Sconen die an Franz Moor erinnern und noch 
verftärkt find dadurch, daß die Holtengeifter, von denen Franz 
blos redet, bier in figura erfcheinen, ald Rache, Eiferfucht, 
Haß, Misgunft. Er Hat endlich eine Scene, die fogar an das 
Sretchen im „Fauſt“ erinnert — und doch ift der Totaleffect 
ganz matt. Ja, es ift ganz unbegreiflih, wie der Verf. ſich 
auf eine fo auffallende Weife in feinem eigenen Werke bat 
verlieren Fünnen. Raͤmlich im dritten Act wird der Heldin 
des Stüdes, Untonie, ihr Kind geftoblen von einem Bauer: 
weibe, Deren Erftgeborenes gerade eben in demfelben nahen 
Zeiche ertrunfen ıft, in welchem Antonie das ihrige erfäufen 
wollte, weil fie fih vor der Schande fürchtet. Im vierten Act 
it nun Antonie im Kerker, weil fie ihr Kind getödtet haben 
fol; die Affifen Halten Sigung. Diefe ganze Situation muß 
entweder peinlich wirken oder lächerlich werden. Schon der Ein- . 
gang ift nicht geſchickt angelegt, daB nämlih cin Bauerweib, 
Deren Kind eben ins Waffer gefallen ift, heulend auf die Bühne 
fommt, daſelbſt im Grafe ein Rind findet — nämlich Anto⸗ 
niens Kind, die gerade abjeite gegangen ift und ihr Alei⸗ 
nes hat im Graſe liegen laffen — und mit dem fremden Kind 


1412 


forttäuft und es fir das ihrige au 
va ma Haufe kommen fell, nicht gan; wüthenb daruͤber 
werde, daB fie ihr Kind er n laſſen. Da am das 
Yublicum die Scene im dritten Uct gefehen bat, wo das Kind 
geftohlen wurde, fo Bann in dem Zufchauer gar Beine Riklei⸗ 
denfchaft für den vierten Act, worin Antonie peinlich angeklagt 
wird, erregt werben: denn in Feiner Kreuzerkemoͤdie würde 
man fich es gefallen laffen, daß Jemand, defien Unſchuld fo ganz 
notorifch ift, zum Tode gebracht werde, nota bene fo rein um 
RihtE ‚ al8 damit der Ehemann eines Bauerweibes nicht böfe 
wird. 


Bei der Lecture diefes Neinbolv’ihen Buches wurde Ref. 
lebhaft an die Schweſter des Berf., Adelheid, welche unter dem 
Kamen Franz Berthold fchrieb, erinnert."") ef. iſt ſtets ein leb⸗ 
hafter Verehrer der Novellen von Franz Berthold gewefen: mit 
den einfachften Mitteln erreichte Adelheid das Größte; wie einfach 
und wie gemäthaufregend und wahr ift 3. B. the „Irewifg: 
Krige”; wie fiher, wie ruhig und fletig iſt dev F tt in 
alten ihren Arbeiten, eine Gtetigkeit, waburch Goethe 6 Werke 
fo groß find. Mit Adelheid Neinbolb'8 Tode ift Deutſchland 
um eine Hoffnung ärmer geworden; ich glaube diefes Wort if 
die ſchoͤnſte Blume, die id auf ihr Grab legen koͤnnte. 

Bir wenden uns nun zu den „Wilden Rofen‘ von Luife Aſton. 
Der Rame der Madame Afton ift in diefen Monaten mehrmals in 
Beitungen und Sournalen genannt worden. Ref. fchrieb vor ein paar 
Sahren an Bettina: „Ich theile die Weiber in brei Elaffen ein, ex» 
ſtens: Weiber, das ift die gewöhnliche Sorte, von denen breizehn 
auf ein Dugend geben; zweitens: heroifihe Weiber; drittens: alte 
Weiber: nota bene, in diefe Claſſe gehören nur Männer.” 

Mef. findet es begreiflih, daB, weil die Claſſe der alten 
Weiber, trop aller Schnur: und Badenbärte, trot aller Dr: 
bensbdecorationen und Militairuniformen, fo groß ift, in heroi⸗ 
fen Weibern — und Madame Ufton hat einen Zug vom be» 
roifhen Weibe — der Gedanke der Prauenemancipation ent» 
ftehen und um fich greifen kann. Indeß das Reglement der 
Policei ift für die heroiſchen Weiber daflelbe wie für die Du» 
gendweiber. Die Grundfäge der Madame Luife Afton über 
daB Recht und die Grenzen der Ehe müflen, ihrem hoͤhern 
&inne nach, der berliner Policei unverftändlih gewefen fein; 
die Behörde hält fi nur an Wort und Shat; man bat der 
Madame Afton ihre Kinder abgenommen und ihr den Rath er- 
theilt, Berlin zu verlaffen. 

Die zwoͤlf Bedichte, „Wilde Mofen” betitelt, haben zum 
Gegenftande die großen und für alle Lebensalter und Indivi⸗ 
duen wichtigen Intereffen bes menfchlidden Herzens: der Liebe 
Jreiheit und Sklaverei, der Liebe Sehnſucht, der Liebe Schmerz, 
der Liebe Slut, der Liebe Kraft, — ein reiches Thema, von 
der Dichterin reich varüirt. Jedes Gedicht macht den @indrud 
eined reellen Erlebnifſes; die Gemuͤthszuſtaͤnde, die entweder 
gemalt oder als vorhanden vorausgeſetzt werden, find Beine er- 
fünftelten, Peine phantaftifchen, fondern fie find rein menſchlich; 
alle Herzen von tiefeem Gemüutbswogenfihlag werden Das be 
reifen. Die Gprache gibt burdweg den Eindruck der Wahr: 

eit, der Ausdruck ift einfach, ungekünftelt, der Versbau nicht 
ſchlecht. Als eine Probe greifen wir heraus: 
Eebensmotto. 
Sromme Seelen, fromme Herzen, 
Himmeldfehnenb, lebensſatt; 


*, Des firengen Urtheild ungeachtet das bier über Alwin Reins 
bold’6 Dichtungen gefällt wird verbient ber Verfafſer bie allgemeinfle 
Iheltschme , da derfelbe Eur; nad dem Erſcheinen feiner Arbeiten 
bei einem Verſuche, einem verunglädien Arbeiter dab Leben zu reiten, 
daB feinige verlor. Wir verweilen in biefer Wegiehung auf eine in 
Ne. MI d. Bi. abgebrudte literariſche Anzeige. 

”), Gefammelte Rovelien von Franz Bertholb. Heraudgegeben 
von Ludwig Tieck. Zwei Theile. Leipzig, Drodhaus. 1018. 
Gse. 12. 3 Tulr. 


— · 


t, damit ide Damm, ber | 


Berantwortliger Herausgeber: GHeinrich Brockdans. — Druck und Berlag von F. W. Weodans in Leidiis. 


Eu i cingb ein Thel ber Bpmergen, 
Sie finfi'e Seplbeikatt. 

Weg in fhredienden Gefihten 

Beng vor mir das Schickſal fich’n, 
Nie fol mi der Schmerz; vernichten, 
Nie zerkatrſcht mb reuig feh'n! 


Leben — Meer, dab enblod raufcherd 
Mich auf weiten Fluren trägt; 
Deinen Tiefen eudig lauſchenb 
GSteh' ich finnenb., Karmbewegt 
Jauchzend fich ind Meer hinein, 
Schau' ich in dem Flammenbilde 
Meines Lebens Wiberſchein. 
Seelen Beben, freiem Sieden 
Bin ich imunex treu geblichen. 


Siehe — von der Weit geächtet, 
Bon bem blinden Wahn verbannt, 
Dft gemartert, oft geknechtet, 

Ohne Recht und Baterland; 
VTeſter Bund von flolzen Geelen, 
Den des Lebend Gut gebar, 
Greter Herzen ſreiet Wählen 
Der der Schöpfung Hoceltar. 
Freiem Leben, freiem Lieben 
Bin ih immer treu geblieben! 


Und fo lang’ bie Yulfe beben, 
Bis zum lepten Athemjug, 
Weih' der Liebe ich dies Leben, 
Ihrem Segen, ihrem Fluch! 
Schoͤne Welt. bu bluͤhend Ehen, 
Deiner Freuden velher Schat 
Gibt für alle Schickſalsfehben 
Bolten, koͤſtlichen Erſat. 
Freiem Leben, freiem Leben 
Hab' Ih ewig mich edgeben. A 





Literarifche Notiz aus Frankreib. 


Moralifirender Roman. 


Wir haben vor kurzem in d. BL. einen neuen mer? 
den Roman, der umter dem Zitel „Expiation” ohne TR 
des Verfafers- erfchienen ift, mit einigen allgemeinen 348 
gewäzbigt.*), Gine ander Erjäßlung: „Laclie ou a ba 

la le”, von U. Monod., von der uns neuerking 
dritte Auflage in bie Dane gekommen if, ruft uns jend Bi 
mit dem es dem Geifte nah in dem es abgefaft if ' 
wandt fdheint, dag wir beide Productionen einem une ? 
ben Autor zufchreiben würden, wenn nicht Gründe der & 
Sompofition diefer Annahme entgegenfländen , ins 
zurüd. Das Thema, deſſen Behandlung die Dichtung "73 
nod gewibmet ift, Bann als eine Apologie der Heil 
die natürlich an und für fih deren gar nicht bedarf, bt 
werden. Der Verf. beabfichtigt offenbar die Bibel in " 
Keeifen wieder zu en, wo man nur felten a 
leichtfertigen reiben des gefelifchaftlichen Lebens zu us 

Betrachtung flüchtet. Hieraus erklaͤrt es ſich, weh 
gerade diefe Form gewählt hat, welde er übrigent mi 
wandtheit handhabt. Im Allgemeinen fommt es bei Ar? 
mane biefer Urt weniger auf die Behandlung und die Fi 
der Darfielung an; aber wir müflen dem Werf. u 
De Far Partien feined Werkes wahrhaft hinreißend; — 
en find. j 


) Bergf. Nr. 7 dv. BI. 










D. U 


Blätter 
für 


literariſche Unterbhaltung. 





Die neuneſte Literatur uber Rußland. 
Dritter und legter Artikel. 
( Beſchlus aus Mr. 288.) 
Rach dem Schluſſe dieſes Artkkels erhalten wir noch 
zur Anzeige: 
13. Baltiſche Briefe. Zwei Theile. Leipzig, B 6. 1846, 
20 — — Briefe Pe Theile. Leipzig, Brodhau 


Eine einzelne, nicht unintereffante Gruppe aus dem 
großen Panorama des unermeßlichen Reiches, in welcher 
Deutſchthum und Ruffenthun zufammenfliefen auf einem 
beiden fremden Rationafboden. Der Titel ließ uns aber 
Mehr erwarten als uns bier geboten wird. Er ſchien 
uns die Öftfeeprovinzen Rußlands überhaupt zu umfaf- 
fen unb es ift nur von den beiben Bouvernements Pe- 
tereburg und Reval die Rede und zwar mehr noch von 
ihren beiden Hauptfläbten als von dem Lande überhaupt. 
Es find 25 Briefe einer englifhen Ariſtokratin, bie aus 
den fondouer Salons der baute volée fih nah Neval 
wagt zum Beſuche einer geliebten bier verheiratheten 
Schweſter. Welch eine neue Welt für fie! Doc faßt 
fie diefelbe mit ziemlich nüchternem Blide auf und ganz 
fremb ift fie ihr nit; denn es iſt eine flodariftofrati- 
ſche, deren Salonsformen überall faft bie nämlichen find, 
und ein Salonleben findet fie auch Hier und zwar nicht 
blos in ber Eaiferlichen Reſidenz, fondern felbft in Reval. 
Andere Sphären haben fie auch nicht beſonders intereflirt, 
es wäre ihr denn ein Landmädchen oder ein Landburſche 
in einem Nationalgufjuge aufgefallen, die ihrem Crayon 
eine Skizze barboten. Der deutſche Bearbeiter des eng- 
lifhen Driginals, dem diefe Skizzen zu Geficht gekom⸗ 
men find, fielt in dem Vorworte, das vom Refen des 
Werkes eher abfchreden als anzeigen tönnte, da es fo- 
gar fehr ungalans und ungerecht von Bornirtheit fpricht, 
folgenden aͤſthetiſchen Say auf: 

Die zeihnende Kunft hat cd mit dem Zuftänblichen zu 
thun fe ann die hoͤchſten Dffenbarungen über den eifü. 
gen Wert oder Unwerth des von ihr ‚Dargefteiten ewaͤhren, 
ohne daß ihr ſelbſt auch nur ein dämmerndes Be» 
wußtfein von demfelben aufgegangen wäre; fe 
hängt lediglich an der dorm, gibt nur biefe wieder; fic tzeu 
und glücklich aufgefaßt, fie gr wirbergegeben zu haben, if 
ihr sa Derbi]; ber geißtreihen Auffaſſung (des Be 
ſchauers e) bleibt es Überlaffen, den Geiſt des Gelieferten zu 
deuten. 


— 


Und er wendet biefe Theorie zum Nachtheil ber Berf. 
an. Mir geſtehen, uns ift nicht leicht ein ſchielenderes 
Parabasan aufgefloßen, wenn wir auch ben vagen Aus 
drud Zuftändlih in Begenftändtich umdolmetſchen. 
Wir glauben, daß die geiftreiche Auffaffung des Künfl- 


lers, bei dem wir die Technik vorausſeßzen, die Haupt⸗ 
ſache ift und ohne biefe eine geiſtreiche Deutung eines 
Bildes nicht moͤglich iſt. Abgeſchen davon, daß der Vor⸗ 
redner den Künſtler blos als Copiſten aufgefaßt zu haben 
ſcheint, ſo verlangen wir ſelbſt vom Portraitmaler, daß 
er den Geiſt zur Anſchauung bringe: bie bloße Ahnlich⸗ 
keit genügt uns nicht und verliert ſelbſt, wenn dem 
Künftler nicht die geiftige Auffoffung zu Bebote fand, 
bie nicht aus einem blos Dämmernden ober gar ohne alles 
Dervuftfein hervorgehen kann. Dies fcheint doch unſerm 
Aſthetiker auch, ibm unbewuft, gebämmert zu haben, 


wenn ex von dem Künſtler verlangt, er foll die Form 


nicht bios treu, fondern auch glücklich auffaffen und 
wiedergeben; und ift Das etwa blos dem Zufall zu über- - 
lafien, ohne alles Bewußtfein des geiftigen Werthes oder 
Unwerthes des Gegenflandes, ſodaß ber Künſtler eigent⸗ 
lich gar keinen Geiſt zu haben braucht? Dies auf un⸗ 
ſere Briefſchreiberin angewendet, fo find wir überzeugt, 
daß die höchſt lebendige und anſchauliche Schilderung 
des Sturmes, der die Reiſende überfiel, nicht ohne vol⸗ 
les geiſtiges Bewußtfein entſtanden iſt und ſie alſo den 
Werth oder Unwerth der ſich ihr darbietenden Zuſtaͤnd⸗ 
lichkeit gar wohl zu denten wußte, ſowie wir denn über⸗ 
haupt nicht in der Verf. das Talent der Deutung ger 
gen Dad ber Darfiellung zurückſezen möchten. enn 
freilihy damit hat bezeichnet werden follen, daß nicht 
Alles was fie mittheilt von gleicher Bedeutung fei, fo 
müſſen wir ibm zugeben, ba sin unterhaltendes weib⸗ 
liches Salongeplauder in ihrer Darftell überwiegend 
it; doch wird es Niemand bereuen, ber ſich ihm in ei. 
nem müßfigen Stünbchen hingibt in ber im Ganzen 
fließenden Überfegung ober Bearbeitung, wie ber Vor⸗ 
vebner feing Arbeit bezeichnet, unb ein zeeller Gewinn 
wird ihm auch nicht entgehen. Die Reiſende berührte 
zuerſt Kopenhagen. Sie erreichte es fpät Nachmittag. 
Betrachtet man feine Lage an der See und feine koͤnigli⸗ 
hen Befiger, fo bietet Kopenhagen Beinen impofanten Anblick 
dar, wogegen die frudgkbaren Wieſen und die reiche Belaubung 
vingöwmher hen ein Anſehen ven Fricden ame Beankge geben; 











1414| 


Es if etwas fehr Wohlthuendes um den Eintritt in einen 
ganz neuen Drt, wo man eine beflimmte Stellung weder ein» 
nimmt noch zurüdläßt; wo man um fich gaffen und hinter fi 
ſchauen, und kurz von all den Beinen Ziemlichkeiten ſich freige: 
fprocdyen glauben mag, die man während der Kindheit mit ent: 


fgiedenem Widerfträuben erlernt zu haben noch fo deutlich ein-- 


geben? if. Wir wurden von einem Herten in Empfang ge: 
nommen und umbergeführt, an den wir Briefe hatten und der 
bis zum Übermaß gefällig war; allein unglüdlicherweife fchien 
er von den vielen praden, die er theilweiſe kannte, fich Peine 
beftimmte für feinen befondern Gebraudy ausgeſucht zu haben. 
Unfere Unterhaltung war daher in hohem Grade vielzungig, 
von’ einer wahren Verſchwendung an pantomimiſchem Lächeln 
begleitet, das bei einigen jüngern Gliedern unferer Geſellſchaft 
nabe daran war in etwas beimeitem nicht fo Berbindlicyes 
überzugeben; und fo wandelten wir durch die Straßen in ei: 
nem fehr aufgelegten (?) Zuge, bis der Einbruch der Nacht 
uns wieder an Bord rief. 

Dies ein Pröbchen von der BDarftellung und dem 
Raifonnement der Reifenden. Am andern Morgen be 
fuchte fie dann die Stadt wieder und nun heißt ee: 

Kopenhagen fieht fehr wohl aus wenn man darin ift. Breite, 

erade Straßen, fowie enge, gefrümmte und altmobifche mit 

ebäuden von demfelben abwechfelnden Charakter, ſammt Ras 
nölen mit Schiffen befegt, bilden ein malerifhes und gefalliges 
Ganzes. Die Häufer find meift artig und wohlgebaut; fie er: 
innern an die von Rotterdam, mit dem Vorzug vor Diefen letz⸗ 
tern, daß fie alle eine wirklich ſenkrechte Haltung haben. 

Unfere Reifende befuchte die nach dem Brande von 1794 
neu aufgebaute Reſidenz Chriftiansburg, die aber nicht 
von der königlichen Familie bewohnt wird, doch manches 
GSehenswürdige an Kunſtwerken darbietet: damals noch die 
Niederlage der großen Schöpfungen Thormwaldfen’s für 
fein Mufeum beftimmt; dann die berühmte Frauenkirche, 
das eigenfte Denkmal des gewaltigen Genius mit feinem 
Chriſtus und den zwölf Apofteln, melde die Englände- 
rin andächtig bewunderte. Der Aufenthalt in ber dä- 
nifchen Königsftadt mwährte nur fo lange, bis das im 
Sturme beſchädigte Dampffhiff ausgebeffert war, und 
nun ging es nach Kronſtadt und von dort nach Peters- 
Burg unter den Mauthmwiderwärtigkeiten, die unfern Le 
fern ſchon befannt find und welche die Neifende mit vieler 
Laune fchildert. 

Die Schilderung Petersburgs ift beimeitem belchren- 
der und unparteiifcher als bei Euftine und es ift nicht 
leicht irgend ein Punkt von Bedeutung übergangen. 
Die Empfehlung die fie an den kaiſerlichen Adjutanten 
und Platzmajor Baron von ©. hatte, der fie mit ber 
aftlichften Aufmerkſamkeit behandelte und fie überall 
—* herumführte, eröffnete ihr alle Thüren, und als 
fie an einem Fieber erkrankte, fand fie im Haufe des 
Barons die forgfamfte Pflege; und doch als der Winter 
bereinbrach und fie Petersburg verlaffen muß, um noch 
ſo lange die Wege offen find Reval zu erreichen, über- 
fälle fie dee Spieen und fie behauptet: Je deteste PE- 
tersbourg fei der undanktbare Ausſpruch, den man aus 
jedem Munde höre. Dem wibderfpricht die Erfahrung, 
die vielmehr lehrt, daß ber Ausländer der das Leben 
in Petersburg genoffen hat ſich ſchwerlich anderswo ge- 
fallen wird, und wenn er es verläßt, um feinen Wohn- 
ort zu vertaufchen, gemeiniglich bald wieder dahin zurüd- 


ehrt. Wenigftens war Dies unter Katharina I. de 
Fall und zwar, was Manchem unglaublich fcheinen wir, 
wegen ber Zwangloſigkeit und Leichtigkeit des damaligen 
bortigen Lebens. Die Abenteuer der Verf. auf diefer hırm 
Meife find höchſt amufant dargeftellt, ja der Borrena 
findet darunter einen Zug, bes ihm das bei Frauen fh 
tene Zalent des Komifhen und fogar des Hodhtemi: 
fhen beurkundet, nämlich daß die Verf. fagt: „Nik 
verlangte (in Narwa, wo bie Ankunft einer vornchme 
Engländerin die ganze Gefellfchaft des Stadtchens um 
fie beläftigend verfammelte) nach Schlaf und ih fa 
mich aufrecht auf einen harten Stuhl gepflanıt, der 
gerade da conver war, wo er hätte <oncan ftiı 
müffen.” Die Verf. felbft muß an diefer Bemertuy 
Gefallen gefunden haben, benn fie kommt mehrmals dar 
auf zurück. Endlich fuhr fie in Reval ein und cm 
ſteilen Abhang hinauf, wo bie Pferde vor einem Hark 
hielten, an einem Plage oben; fie eilte die Treppe bin 
und aus ber Thüre rat ihr die geliebte Schwefter mi 
gegen. Wenige Tage nach ihrer Ankunft gingen i 
aufs Land: | 

eine Zagereife Durch eine reichbewaldete Landſchaft und kıma 
um bie Abendzeit vor einem großartigen, weitausgedehnten &e: 
bäude an, daß in Lage und Geſtalt und an die vieler 
Zerraflen von Regentspark erinnerte... Wenn das 
fhon viel Schönes verſprach, fo übertraf das Innere alle & 
wartungen weit, und ih brauche mein Auge blos für rin & 
wiffe Roheit und Unfertigkeit zw verfchließen, um mid ir i 
nem Koͤnigsfitze zu wähnen. 

Die Schilderung einer eſthniſch adeligen Wirthfäf 
gibt uns ein treues ausführliches Bild derfelbm. © 
findet große Einfachheit in der Fülle ftatt, die anheimda 
würde, wenn fie nicht von allem höhern Geiftigen entf 
wäre. Unfere Reifende fand felbft am Winter Behagm ml 
an Waldpartien, trog der Gefahr einer nicht chen hm 
fofen Begegnung mit Wölfen, die in großer Shirt 
ben Wäldern umberftreifen und deren Fährte ſich ükı] 
im blendenden Schnee durchkreuzt. Große Hund: k 
gleiten die herrfchaftlichen Spaziergänger und laffen « 
ihr Leben zu deren Schuge, ſodaß von ihnen Nichtt ur 
bleibt als wenig Zotteln blutigen Haares. Der fie 
[he Adel Lebt meiftentheils, mit einem zahlteide 
männlichen und weiblichen Hofgefinde, auf feinem Im 
und da ift im Winter die Geftaltung der Schlittenkste 
wegen der Beſuche die gegeben und empfangen werde 
ein wichtige® Thema der Beachtung (ſowie aud m 
wegen bes leichten Transports der Producte der Fi 
und der Jagd in die Städte, durch ganz Rufe 
Unfere Reifende führt uns auf einem Beſuche am nte 
Veihnachtefeiertage 12 Werft weit in eine große &kk 
fhaft, reich an reizenden Frauen und Mädchen, 
rügt die Apathie des jungen efthnifchen Adels, de" 
Kasten und Pfeife eine größere Anziehungskraft ſrat 
ald an „Augen gleich Keitfternen und melodifhen Je 
gen“. Bei der reichen Tafel, die um 12 Uhr ik 
Anfang nimmt, findet ein vis & vis flatt, indem d 
Herren auf der einen und bie Damen auf ber unı3 
Seite Pag nehmen; allein von dieſem fchönen vi = " 


1416 


(öie-finiien Damen find bis. duf Die verberbenen 
Zähne ihrer Schönheit wegen berühmt und find aud 
meiftend, wie in Rußland überhaupt die Frauen, gebil⸗ 
beter als die Herren) wird in der Unterhaltung Feine 
Notiz genommen und nach der Tafel fondern ſich die 
Geſchlechter gänzlich voneinander ab. Der Engländerin 
wor Dies fehr auffallend und anftöfig, obgleih, wenn 
wir nicht irren, in England, wenn nicht bei fo doch 
nach des Mahlzeit, eine ähnliche Scheidung ftattfindet. 
Dergleichen Beſuche und Feſtlichkeiten folgten einander 
bis zum 18. Januar, wo dann bas gewöhnliche Still⸗ 
Ieben wieder eintrat und vergönnte, ſich mit bem Pinfel 
zu befchäftigen und Gegenflände dafür in der Volksſtube 


aufzufuchen. 
Und nicht felten ward eine fchöngelodte (lohhaarige) Magd 
aub der Mitte ihrer Kameraden berausgehoben und mit ihrem 
Opinnrad in unfer Zimmer verpflanzt, wo fie, ihren eigenen 
Beruf befcheidentlich fortfegend, zugleih den Stoff für den 
meinigen abgab. Eines Tages ward, um der Sache mehr 
Mannichfaltigkeit au geben, ein ſchlanker eſthniſcher Bauer her⸗ 
eingerufen, der ein Billet von einer benachbarten Familie 
bradpte, demzufolge man auf einige ſcherzende Rachfragen und 
Berfprechungen bin den am beiten ausjehenden Mann, deſſen 
das Gut fih rühmen Ponnte, gefandt hatte, um die Phyfiogno: 
mie und die Kracht feines Standes zu vertreten. Und in der 
That, es fand ein fo feiner und gutausfehender junger Menſch 
vor uns, daß es fidh der Mühe Icönte ihn ins Auge zu faffen. 
Buerft ewwiderte er unfere Blide mit mehr Muth ald ein Bauer 
(ungeachtet der Zreilaflung von der feibeigen haft, bie für ihn 
eine fehr bedenkliche Seite hat) hier gewöhnlich zu zeigen wagt; 
aber nachdem man ihm bie Bedeutung feines Erſcheinens aus: 
einandergefegt, erröthete er wie ein Mädchen und ſchickte fi 
fofort an, die verlangte Stellung einzunehmen — mit einer 
mauvaise honte — die, es fei geftanden, anfangs fi nicht 
ein auf ihn befchränkte Er trug die gewöhnliche Bauern: 
racht, das lange Haar auf die Schultern fallend; einen Rod 
u8 ungefärbter ſchwarzer Wolle bie zu den Ferſen, mit Me: 
alltnöpfen und rothen lederbefegten Knopflöchern, und die Füße 
nit den nationalen „Paſteln“ oder Sandalen von ungegerbtem 
duhfell. Als der erſte Eindrud überwunden, fland cr aus: 
rucks- und refpectvol genug da, und da man ihm fein ver- 
einertes Facfimile gewiefen und erzählt, daß baffelbe mit nach 
ngland geben werde, erkannte er es als vegga illus fehr 
yon an. in halber Rubel und ein Glas Branntwein mad: 
n ihn glücklich, und er nahm von uns Abſchied, auf das befte 
frieden mit ih und mit und. Uber wenige Tage nachher 
m und eine unheilvole Folge dieſes Abenteuers zu Ohren. 
ine Donna, in der Überzeugung, daß eine Sauberin ihr Spiel 
t ihm getrieben, fagte ihm den Kauf zu Gunften eines Un- 
n auf; feine Kameraden fcheuten und mieden ihn; und bei 
n Allen war das unglüdliche Opfer felbft in ber Außerften 
gſt — Diefe geheimnißvolle Abreißung feiner Perfon koͤnnte 
Borläufer fein — einer Berbannung nad Sibirien oder 
h — England. Es ſteht zu hoffen, daß feine perfönlidhen 
je den erftern Verluſt bald wieder erfegt haben werden, 
ich Habe niemals wieder Etwas von dem unglücklichen Ge 
tand meines Pinfeld vernehmen koͤnnen. 


Ahnliche charakteriſtiſche, gut gezeichnete Bilder mit 
ichen intereſſanten Bemerkungen ſind nicht ſelten in 
n Briefen, aus deren Detail wir uns herausreißen 
fen, um im Allgemeinen zu bezeugen, daß Das mas 
Derf. über die efihnifchen Adels- und Bauernver- 
aiffe ſagt felbft über die veligiöfen Nichte weniger als 
irt ift, wie ber Vorredner, ein rationaliſtiſcher Licht⸗ 


fremd, wil glauben ‚machen: Im Februar war der 
dreijährige Abelstag in Reval, wo der neue Ritterfchafte- 
bauptmann gewählt werden muß, ein Ehrenamt von’ ho⸗ 
bes Bedeutung für die Verwaltung der Provinz, das 
Organ durch welches fie mit der taiferlichen Regierung. 
verkehrt. Nach Reval — einer nicht unbebeutenden Han- 
dels⸗ und Bewerbeftadt am Zinnifchen Meerbufen, mit 
einem geräumigen und geficherten Hafen, eine Station 
der Kriegeflette, daher hier ein Zufammenfluß von man⸗ 
nichfaltigen Nationalitäten und Ständen — verſetzen 
ſich dann die adeligen Samilien, die auf dem Domberg; 
einer fleilen mit Mühe und im Winter nicht ohne Ge⸗ 
fahr zu erklimmenden Anhöhe, ihre Häufer haben, we 
fie, abgefcyloffen von bürgerliher Berührung der untern. 
Stadt, in deren Einwohnerfhaft Reichthum und Bil- 
dung weit mehr zu finden ift als da droben, ein wah⸗ 
res Schlaraffenleben führen. 

„. Bum Grflaunen iſt die DBeränderung, welche durch bie 
Überfiedelung in dem äußern Menfchen hervorgebracht wird. 
Die gute, fleißige, häusliche Seele fest ſich um in eine mo: 
derne Salondame; der Landedelmann in Schlafrod und Pan: 
toffeln fchlägt aus in den modernen Weltmann, und Geſell⸗ 
ſchaften, Bälle, Theater und Elub treten an die Stelle ber 
flilen Gewohnheiten des Landlebene. 

Hier wird um zwei Uhr zu Mittag gefpeifl. Die 
Derf. macht uns wol mit Perfönlichleiten der Geſell⸗ 
fhaft bekannt, aber biefe haften an bloßen Anfange- 
buchftaben. Da gibt es einen fhüchternen aber phan- 
tafiereihen Grafen M.., einen fehr wisigen aber zu 
fürdhtenden Baron C.. und ähnlihe. Mit den Namen 
ift die Verf. fehr zurückhaltend. Selbft den ihrigen oder 
den ihres Schwagers erfahren wir nicht. Nur bei ei- 
nem Ausfluge nach Zall, bei endlich plöglicy eingetrete- 
nem Sommerwetter, einem Keenfige ber gräflicd Benken⸗ 
dorf’jchen Familie, macht fie eine Ausnahme. Während 
des Sommers finden mehre Ausflüge nad) fchönen und 
merkwürdigen Punkten flatt, an welchen Efthland nicht 
Mangel hat. So kam auch die Verf. nach dem feften 
Schloſſe Lode, das als Staatsgefängniß gebraucht wurde 
und zulegt noch für eine Prinzeffin von Würtemberg, 
eine geborene Prinzeffin von Braunfchweig, das mehre 
unglüdlide Frauen zähle (die erfie Gemahlin Friedrich 
Wilhelm’s 11. von Preußen, Georg's IV. von England), 
und Deren Geſchick den Mauern von Lode ein fehauriges 
Intereſſe verleiht. Katharina II, Hatte fie hierher ver- 
wiefen, aber nicht, wie der Verf. gefagt wurde, weil fie 
ein Staatsgeheimniß ausgeplaudert oder die Neigung 
ihres Sohnes Paul auf ſich gezogen, fondern weil fie 
in die Intrigue ihres Gemahls, der Generalgouverneur 
von Finnland war und eine Verſchwoͤrung zu Gunften 
bes Groffürften gegen Katharina anzettelte, verwidelt 
war. Ihr Gemahl hatte die Flucht ergriffen und fie 
btieb in der Klemme zurüd. Die Verf. theilt die tra- 
gifche Gefchichte des Todes der durch einen Elenden aus 
Furcht vor dem Zorne der Kaiferin fhändlich hingeopfer- 
ten Unglüdlidhen fo mit, wie wir fie früher gekannt ba- 
ben, nur daß fie einen deutfchen Namen nennt, wo uns 
ein vornehmer ruffifher genannt wurde. Die Sache 


116 


wurde vertuſcht und ihr Leichnam in dem fühmiberssre- 
genden Zuſtand in zinem Keller des Schloſſes deigeſeht, 
wo er wohlerhatten blieb, nie der bekanme des Duc de ECroix 
im Dom zu Reval, mb wunberbarerieife erſt in neue- 
ver Seit in ber wahgelegenen goldendeckſchen Kirche 
anftändig beigefegt wurde auf Betrieb eines dem Haufe 
Würtemberg naheverwandten Prinzen. Mit den hiſto⸗ 
riſchen Daten ift die Briefſtellerin überhaupt nicht glüd- 
lich: fie laͤßt (11, 239) Kaifer Paul vom Grafen Pah⸗ 
Ion mit dem Schnupftuche erdroffeint Das Smelna- 
Monafteri (Aungfernklofter, Präuleinftift, eine Batferliche 
weibliche Erziehungsanſtalt) ift auch wicht von der Kaiſerin 
Maria Feodorowna gegründet, fondern bereits von Ratha- 
oma Il., aber von der Erſtern bedeutend gehoben. Nur 
die ture Geſchichte des Mikitairaufftandes bei der Thron⸗ 
befleigung bes Kaiſers Nikolaus hat fie aus guter Quelle. 

Im Herbſt nahm unſere Reiſende Abſchied von 
Eſthland und ſtürzte ſi ich in die Luſtbarkeiten der hohen 
und höchſten Sphaͤren in Petersburg Wir müſſen fie 
bier verlaffen und wollen nur noch bemerken, baß fie 
dieſe Zuſtaͤndlichkeiten ebenfo geiſtreich auffaft und dar⸗ 
ſtellt als die eſthlaͤndiſchen, und zu ihrer beſondern Ehre, 
daß ſie auch die Ateliers der Künſtler Brülloff (bekannt 
durch fein großes Gemälde „Der Untergang von Pompeji”, 
dem fie als Kennerin alle Gerechtigkeit wiberfahren läßt), 
Kot’ (des berühmten Pferdegeftaltere), Jaques (gleichfalls 
ein geſchickter Bildhauer), Lodaurnaire (Hiftorien- und 
befonders ausgezeichneter Portraitmaler) — die beiden Er⸗ 
flen aus der petersburger Akademie hervorgegangen — be- 
fuchte und uns darüber dankenswerthe Notizen mittheilt, 
die wir in den übrigen neuern Schriften über Petert- 
burg gänzlich vermiffen. *) 


— — — 








Literariſche Notizen aus Frankreich. 


Quinet. 


In Quinet's ganzem Weſen liegt etwas Gemachtes und 
Forcirtes. An nit wenigen Stellen feiner Schriften floßen 
wir fogar auf berechneten Unfinn, der für abfonderlich tief gelten 
will. Seinen Reden bat er befonders durch einen phantaftifchen 
Anſtrich einiged Intereſſe zu geben verfudht. Es iſt ihm ges 
lungen, mit bem Flitterwerk eines fich felbft unklaren Wortes 
feine Buhörer zu bienden, und ſeitdem es ‚dm geglictt ift, durch 
feine veligiöß= politifchen Bafeleien fih foͤrmliche Verfolgungen 
zuzuzieben, wird fein Name als der eines Märtyrer Doppelt 


*, Nachtraͤglich führen wir nod folgende nemere Schriften über 
Rußland wenigftend ihrem Titel nah an: _ 
. Die Entwidelung der Staatölräfte Rußland feit Peter dem Bro: 
fen. Berlin, Schröder. 196. Gr. 8. 3 Near. 
Ruffifge Geſchichten. Geraußgegeben von Augufl Lewalbd. 
Bwei Theile. Danover, Kius. IMS, 12, 2 Xhle. 
Das oͤſtliche Europa und Kaifer Nikolaus. Nom Verfaſſer bes 
„Enthüllten Rußland” und ber „Meißen Sklaverei”. Aus dem 
Englifden von X. Kresfhmar. Dritter Band: Kaifer Niko: 
laus und feine Rathgeber. Nebft Skizzen aus ben bſtreichiſch⸗, 
preußifhs und ruſfiſch⸗ polnſchen Prowingen. Grimme, Verlags 
compteir. 108. ir. 8. 8 Ahir. — Der erſte unb zweite Hand 
ik unter Rr. 10 in d. BI. beſprochen worden. D. Red. 


.. 


vereurtisßt. Wh im feinem neucſten Mile er 7 
en Ihspagne‘' zeigen gr wieheg alle 
renen, umbertaumelnden Phantafie, ihre Derfäuban 
Ausſpruͤche in Jorm von Drafetfägen einkleiden mödt. Bit 
wiffen nicht, ob wir eigentlich fagen können, daß mir und dırd 
bie Becture_ Diefer neuen Probuchon Va ee 177 
ben. Im Grunde erwarteien wir wit Underrs, ahrr me 
dachten derm doch wol, der Varf. würde, Inden u ſich 5 
einer Touriſtenfahrt anſchickte, ſeine hohlen —** 
und feine unerquicklichen Speculationen zurücklaſſen, um fh 
ungezwungen bem Genuſſe abwechſelnder Meifeeindrüde him 
geben. Wir finden num zwar in der verlisgenhen Gcheift eriy 
ende Scenen, und ba wo Huinet bei der —* 
un was er erlebt bat fepen ſtehen bleibt ift fein Stil, ma 
ihm dieſe —— it widerfahren laſſen, klat um a 
fällig; aber im Allgeme! nen ift doch in der ganzen Darftekung 
jene unfelige, mäßelnde, ſich felbft überfhägende Stimmung übe 
wiegend, welche und aus feinen legten Beriefungen her ud 
im widerwärtigen Andenken if. Za, es Beommen * 
Wopitel vor, in denen vielleicht irgend ein tiefer Sinn verber 
gen legen Bug, 1 für deren Berſtaͤndniß wir aber den Sayı 
nicht befiden. Dahin rechnen wir vorzüglid die Stellen, m 
Quinet von der Meligion ber Bukunft, wir wolle cum 
biefen beliebten Uubbrud gebrauchen, träumt und Dun 
Anziehend haben wir dagegen bie Mittheilungen gefunden, nik 
der Berf. über die vor rüglihften Bertreter der parlamentanin 
Beredtſamkeit und über bie bedeutendſtes literariſchen Reck 
litaͤten macht. Diefe Partien ſtechen aber auch ſchon durd ie 
objectivere Ginfuchheit in der Darftellung hervor. 


Geſchichtliche Beleuchtung der afrikaniſchen Br 
vdlkerungen. 


Die Franzoſen lieben es nicht, ſich in die hiſterijte 

Interefien fremder Nationalitäten zu vertiefen. Geibk M 
wo biefelben wie in Algerien in enger Beziehung zu ihrer © 
genen Politik ftehen, pflegen fie nicht eben fehr über die Kat 
der jüngften Vergangenheit hinauszugehen. Erſt in der ig 
Beit find in Frankreich einige Werke aufgetaucht, in dene: der 
hiſtoriſchen Vergangenheit der gegenwärtigen Franzöfitien & 
Ipnien eine ernftere Beachtung zugewendet wird. Bir ker 
Pen unter denfelben folgende Schrift: „Essai historigue © 
les races anciennes et modernes de l’Afrique septentrivik. 
leurs origines, leurs mouvements et leurs —— — 
von P. Duprat. Der Berf. dieſes gediegenen Werts get 
zu denjenigen Gelehrten, welche fich der Erforfhung der af 
aniſchen Verhältniffe mit dem regften voiffenfehaftiihen er 
zugewendet haben. Gr beginnt feine @rörterungen m F 
Darlegung feiner Anfichten über die Verbreitung des mer! 
lichen Geſchlechts auf der Oberfläche der Erde und übe” 
Beziehungen, welche zwifchen der Erde felber und ige 
wohnern ftaktfinden. Sodann wird ber Charakter des 
nifhen Gontinents mit der Be (dat Re der übrigen Rt 
theile verglichen. Aus Alem ſcheint für den Verf. bez 
gehen, daß das nördliche FR in einem engern wine: 
bange mit Afien als mit dem Eontinente fteht, von dem FR 
einen Theil ausmacht. So viel fteht auch wol feft, daß ie 
falls zwiſchen der Rordküfte von Afrifa und Afien bir Id 
tefte Verkehr ftattgefunden hat. Es ſcheint Duprat aufer I% 
fel, der erften Bevölkerung vom noͤrdlichen Striche Afrikas = 
afiatifchen Urfprung A geben. Auf die ——— —2*8 
von einem gewiſſen Ber ihren Namen 

— Die Griechen haben im Gamen weniger Gin td 
gebe Hierauf drängen fi die Römer, die Bantakr. 

gzantiner, die Araber und Türken. Bon allen dider =# 
en ſehr verfchiedenartigen Voͤlkerſchuften find, wie 1 
behauptet, noch mehr oder weniger deuflich hervortretende E* 
ven und Übervefte in ber gegeuwärtigen Benälferung * 
IR unter Mr. 10 in d. Bl. beſprochen worden. DR ··¶gend vorhandden. vorhanden. Bu 


Derantwortlicher Derausgeber : ——T erantwenttiger Herausgeber: Geinsih Meoddans. — Druk und Werlag von %. I. Mrodhans in Beipsig Vrockpaus. — Drud und im Weo@dand. — ÜDrud und erlag von von F. WE. MWrodtans in MBeipszig- 


Blätter 


für. 


literarifhe Unterhbeltung. 





Diefes vor einigen Jahren in and erfchienene,, 
mit Beift und Geſchmack gefchriebene Reifebud, bat dort 
großen Beifall gefunden, und mit großem Nechte. Ob 
es fi bei uns einer ähnlichen Aufnahme wird zu er- 
freuen haben, ift ſehr zu bezweifeln; es ift nad Form 
und Auffaffungsweife ganz engfifh, die Beziehungen 
find alle englifh, und auf England find alle Spigen des 
Humors gerichtet, weicher ber Gtundzug des Buches ifl. 
Diele der ſchalkhafteſten Wendungen und Hindeutungen 
des Verf. müffen dem mit bortigen Dingen nicht vertrauten 
Lefer unverftändlich bleiben, und was bie Haltung bes 
Banzen. betrifft, ſo glauben wir nicht, daß bie einfache 
Sicherheit durch die es ſich auszeichnet, Die Freiheit von 
alem Anfpruh Neues, Abentenerliches und Abfonder- 
lihe® zu bringen, den Neigungen desjenigen Theils der 
Leſewelt zufagen werde, in deffen Bereich es zu fallen 
a6 Schiefal haben wisd. Da bie Sprache des. Berf. 
ehr elegant ift, und ungeachtet ihrer großen Feinheiten 
och leicht, ungezwungen und bequem bleibt, was fich 
araus erflärt, daß diefe Feinheiten nicht duch Mühe 
nd Abſicht, fondern durch ben Scharfſinn eines regen 


yumors hineingefommen, fo war es, bei ber überbies- 
urchaus nationalen Farde ſowol des Inhalte wie des‘ 


Stils, Leine leichte Aufgabe, diefes Bud, im Deutfchen 
iederzugeben. 


elche der Markt bringt; aber freilich die Feinheit und 
emandtheit des Originals, bie aufheiternde Wirkung der 


nfpielungen und Redereien des Berf., die Miſchung 


n feierlichem britifchen Ernſt und munterm meltbürger- 
yen Sinn der ben Verf. harakterifirt und ſich auch in 
ner Sprade auf. intereffante Weife ausdrudt —: dies 
fes ift, wenn auch nit ganz, boch aber großentheils 
f dem, Wege ins Deutfche verloren gegangen. Dafür 
der erfeger weiter nicht verantwortlich zu. machen; 


in es Tann Niemandem zugemutbhet werben, fo viel Fleiß, 


chfinnen und Zeit ale das Wiebergeben dieſes Tones, 
ın er fich überhaupt. wiedergeben läßt, unvermeidlich 


dern würde, an ein Buch zu verwenden, bad ‚war. 


ze Vorzüge has, doch aber nicht zu ben bleibenden, 
rern nur zu ben vorübergehenden gehört. Vielleicht 
e es zmedmäßiger geweien, dem Bude einen beut- 


Wir wollen die vorliegende Überfegung- 
ineswegs tadeln, fie gehört in die Reihe der beſſern 


Der Berf. von „Eothen’ nahm. feinen Weg nad. 
Konftantinopel zu Lande über Belgrab in Begleitung 
eines Freundes Metbley, und: eines englifchen Bedienten 
Myſſeri. Die Gefellfchaft war zu Mferde, wurbe von 
einem ebenfalls bexittenen Tataren, ehemaligen Janitſchar 
(Deffen gefpreister Gang, dickwamſige Kleibung und über- 
ladener Reitaufzug gut befchzieben werden), begleitet oder: 
vielmehr angeführt, und bildete mit den Suridſchis, den 
armen mühebeladenen Laftthiertreibern, eine ſchon nicht 
unanfehnliche Karavane. Sie befuchten bie trojanifche 
Cbene und singen nach Smyrna, von we Methley durch 
vorgefunbene Briefe nach England abberufen murbe. 
Unfer Reifende verfolgte nun feinen Weg allein, kam 
über Cypern nach Beirut, wo er der ſeitdem verftorbenen 
Lady Eſther Stanhope einen Beſuch machte, fah bas Ge⸗ 
lobte Land, das Todte Meer, ging über den Jordan und 
durch die Wüfte nad). Kairo, wo er bie. Peſt vorfand. 
Don da kehrte er. über Suez nad Gaza duch Syrien 
unb über den Libanon nad) Europa zurüd. 

Der Weg des Reifenden ift, wie hieraus zu erjehen, 
dev alibefannte, tauſendfach betretene und: beichriebene; 
und ift die Reiſe keine ungewöhnliche, fo find es bie. 
Begegniffe bie er mittheilt noch weniger. Was aber: 
fein Buch, abgefehen von dem ſchriftſtelleriſchen Verdienſt, 
dennoch ſehr ſchaͤßzbar macht, iſt die einfichtsvolle Wahl 
des Gegenftände auf welche er- feine eruſt⸗ heitere Auf 
merkſamkeit richtet, die nüchterne, fich eng. an den Ge⸗ 
genftand haltende Betrachtung die er ihnen widmet, das 
Intexeffe das er für dem wichtigften Endzweck alles Reis 
fens, für. die Kenntniß der Denk» und Gefühlsweiſe und 
gefelichaftlichen Zuftände ber fremden Völker zeigt und 
anzuregen weiß. Man überzeugs ſich beim Leſen auf. 
das klarſte, daß ber Verf. offenbar nicht darauf ausge⸗ 
gangen ift. ein Buch zu machen odes einen Beitrag zur. 
Erweiterung unferer gelehrten: Kenntniß jener Gegenden 
zu liefern. Ebenſo fern halt er ſich von der Anmaßung, 
ein ind Detail gehendes genaues Bild dortigen Lebens 


‚geben zı wollen; denn ex bat zu. viel Geift und für bie 


gewshn Schwächen ber aburiheilenden und veral« 
nd *38 : Neifebefchreiber an zu. richtigan Blich 


14318 
als daß er mit ihmen hätte in den Fehler verfallen koͤn- 


nen, einen Durchflug von wenigen Monaten durch fo 
weite Stredien und fo mannichfache, von ben verfchieden- 
ften politifchen, religiöfen und Handelseinflüffen in Be⸗ 
wegung geſetzte Völkerfchaften zur. Aufftellung entfchei» 
dender Meinungen über fie für genügend zu halten. Er 
wählt den ſicherern Weg und befchreibt die Lage des 
dort Reifenden felbft, woraus für den Leſer das anfchau- 
lichſte Bild der bereiften Länder durch den natürlichften 
Reflex gewonnen wirb. 

Nef. traf vor mehren Jahren, aus Konftantinopel 
zurückkehrend, in einer öftreichifhen Dluarantaineanftalt 
mit einem jungen, etwa 22— 23 Jahre alten Engländer, 
der eben eine größere Reife durch Syrien und Agyp⸗ 
ten gemacht hatte, zufammen. Beide befanden fi, ein 
feltener Sal, in ber Anftalt allein, und waren fürein- 
ander ber willtommenfte und einzige Troſt. Der junge 
Engländer war ſchweigſam, zurüdhaltend, ja fhüchtern, 
und fuchte mehr zu Hören als gehört zu werden. Erſt 
nad) einigen Tagen gelang es feinem Leidensgenoffen ihn 
geſpraͤchig zu machen. Mittheilungen über feine Reife 
von ihm zu erlangen war aber auch dann noch nicht 
leicht; der junge Mann fehien eine Scheu davor zu ha- 
ben; zulegt überwand er auch diefe, und nachdem er ge: 
ftanden, daß ber Refpect vor dem nur allzu gerechten Vor⸗ 
urtheil, welches gegen feine umberreifenden Landsleute 

errfchend fei, ihn über das Capitel des Reifens und der 

eifebefchreibung einmal für allemal wortfcheu gemacht 
babe, theilte er feine Anfichten und Erfahrungen mit fo 
gefundem Einn, fo gereiftem Urtheil, fo frei von dem 
Einfluß hergebrachter Meinungen und eitler Anſprüche 
mit, daß Ref. über dieſes feltene Zufammenfein von Be- 
fonnenheit und Jugend in Verwunderung war. Er drang 
in ihn, bie erhaltenen Eindrüde und gemachten Wahr⸗ 
nehmungen nieberzufchreiben und zu veröffentlihen; Das 
fei er, fagte der Nef. zu ihm, feinen Landsleuten fchul- 
dig, damit der üble Ruf in den fie als Touriften ge- 
fommen auf einmal duch ein Exempel befjerer Art 
temperirt werde. Darauf antwortete der junge Mann 
nicht weiter. Beide trennten ſich nach überftandener 


Er machte die Reife von Kairo nad Gun auf ci. 


; nem Dromedar; fein Begleiter und Kührer, den er au 


ı 
' 


Nazareth auf Empfehlung von ranciscanermönden in 
Damaskus mitgenommen, und der feine Untenntnif da 
Gegenden ſchon früher verrathen hatte, mar chenfo be 
ritten, konnte aber mit feinem Thiere nicht vorwärts 
tommen. Darüber verlor unfer Freund die Geduld un 
ritt, ohne fi) um den Nazarener zu befümmern, alen 
vorwärts. Nach kurzer Zeit hatte er feinen Führer aus 


| den Augen verloren und überlegte nun, ſich in ber Wiſt 


| 


| 


allein findend, ob er ftehen bleiben und das zweifelhaft 
Herantommen bes Führers, oder das noch ungavifiat 
des fchon früher mit dem Gepäd zurüdgelaffenen Die. 
ner® abwarten, oder getroft vorwärts im gerader öflihe 
Richtung reiten follte, auf welcher er gewiß fein fonnt, 
wo nicht Suez felbft, fo doch das Rothe Mer um 
reihen. Hier laffen wir ihn felbft erzählen. Der Uhr 
feger wird die ganz unbedeutenden Abweichungen entfhal 
digen, womit wir das Original nach unferer Weiſe mittr 
geben; es hat Jeder feine eigene. Der Reifende fagt: 
Ih geftehe, ein Gefühl von Bangigkeit überkam mid, 
mein Blid den weiten leeren Umkreis des Horizonts durhad, 
und id mich mitten in der öben Wüfte allein umd ohne ke 
bensmittel ſah. Uber eben diefe Bangigkeit machte das Ss 
bad ich über meine Kefiellofigkeit empfand mir nur um k 
fhmadhafter. Bisher war ich bei allen meinen Fahrten un 
der Obhut Anderer geweſen; Matrofen, Zataren, Beweit 
und Dolmetfdher hatten für mich geforgt. Iegt enhlid m dx 
fer afritanifchen Einöde war mein Leben nur mir allen mm 
traut und Keinem ſonſt. So wor ed mir gang reiht. da 
größte Theil des Tages lag noch vor mir, ich hatte ein gm 
gutes Dromedar, einen Pelz, ein paar Piftolen; aber Bet 
und Waffer fehlten mir, nach Beidem mußte ich reiten und ar 
ritt ih. Einige Stunden hielt ich mein Thier zu einen w 
fhen, aber gleihmäßigen Schritt an, aber nun begam iu 
Qual des Durfted. No hatte ich nicht Lange zu leiten * 
habt, als in weiter Ferne vor mir etwas Bewegliches ıridn. 
Nahe herangelommen, fah ich, daß es ein Beduine war, dur «! 
einem Kameel faß und einen andern Beduinen zu Fuß na 
fi) Hatte. Beide machten Halt. Am Packſattel des Kant 
hing wie gewöhnlich eine große lederne Waſſerflaſche, die ml 
gefüllt fchien. Ich fleuerte mit meinem Dromedar bis ı 
zur Seite des berittenen Arabers, ließ mein Thier niederkun 
ſaß ab, ging, den Zügel in der Band behaltend, char m 


Duarantaine als Freunde und mwechfelten beim Abfchiede | Wort zu fagen auf den Reiter los, ergriff feine Plafche, md? 
Sreunde un hfelten beim Abfchiebe | fie auf un ran in langen und tiefen —* Kr —*. lede 


ihre Karten, in welchem Austauſche, beiläufig geſagt, 
Alles beftand mas fie einander über ihre perfönlichen 
Berhältniffe während der geraumen Zeit ihres Zufam- 
menſeins mitgetheilt hatten. Als nun drei Jahre nad) 
biefem Zufammentreffen „Eothen” dem Ref. in die Hände 
kam, glaubte er ſogleich am Inhalt fomol als an dem 
Charakter des Buches feinen Freund aus der Quaran⸗ 
taine zu erkennen. Er erkundigte ſich deshalb brieflich 
und erhielt zur Antwort, der Name des anonymen Verf. 
von „Eothen” fei keineswegs Geheimniß; er heiße Ale 
sander William Kinglafe, und fungire dermalen als 
Nechtsanwalt bei einem Iondoner Gerichtöhofe; außer je- 
nem Buche habe er Nichts gefchrieben. Ref. hielt nun 
diefen Namen mit dem ber erhaltenen Viſitenkarte zu⸗ 
fammen; es war genau berfelbe. Durch drei charakte⸗ 
eiftifche Stellen hatte fich der Berf. für den Ref. befon- 
ders Tenntli gemacht. Die eine derfelben ift folgende: 





— 


nen Lippen. Regungslos und von ſprachloſem Entſehen cr 
fen ſtanden die beiden Beduinen wie eingewurzelt, und iz da 
That, die Erſcheinung, wenn jie etwa nie vorher einen Ext: 
päer geſehen hatten, mußte fie wol in Staunen fegen. 

Der Reifende riet nun getroft in derſelben Ridtm 
fort; fein Dromedar aber begann Die Kräfte zu mit 
ren, ein zäher Schaum ſammelte ſich um das @cik M 
Thieres, es fing an zu flöhnen, aber ber Reiter fu 
ihm feine Ruhe gönnen, er mußte vorwärts und re 
wärts. Endlich veränderte fi der Charakter der Braut 
ftatt der flachen Ebene kamen Sandhügel, Kalkfeljen, x 
frümmte Hohlmege, die ihn immer unficherer madıten. © 
aber nahm fich zufammen, „und zulegt, als ich in meet 
raſchen Schritt hinauf auf die Höhe eines Kammes !:* 
Thalatta! Thalatta! beim Zeus! Ich erblickte das Rec: 

(Der Beſchluß folgt. \ 





1419 


Die Anögrabungen bei Upfala. 
Stodbolm, 15. Oct. 1846. 


In den Beitungen wurde bereits berichtet, daß man bei 

der Durdgrabung ded Ddinshügeld in Alt:Upfala auf 
die Mauern einer Grabkammer geftoßen fei. So glaubte man 
damals, aber die Vermuthung ein ſolches Hypogeum anzu: 
treften hat fih bis jegt nicht beftätigt. Es fand fich, daß die 
Steinmafle, welhe man für den äußern Rand einer Mauer 
hielt, nur ein unordentlicher Steinhaufen fe, der bie ganze 
Grabftätte bedeckt; da namlich die Galerie 16 Fuß durch diele 
Steinmafle durchgeführt ift und man ſich ſchon etwa mitten 
unter der Spitze des Huͤgels befindet, ift wenig Hoffnung da, 
einen leeren innern Raum zu finden. Die mit großer Geſchick⸗ 
lichkeit und Kenntniß feit ſechs Wochen betriebene Arbeit hörte 
am 26. Sept. auf, foll aber im naͤchſten Sommer fortgefegt 
werden. Sind alfo die Entdeckungen geringer als Mancher 
ſich vorgeftelt hatte, fo find doch Die Ergebniſſe nicht unwichtig. 
Erſtens it der Hauptzweck gewonnen, nämlich) der Beweis, daß 
diefe Hügel nit, wie Einige in der neueften Seit vermu: 
thet hatten, von der Natur felbft gebildet, fondern wirf: 
liche, zum Theil Pünftlich aufgeführte Grabhügel find; zwei: 
tens haben wir jetzt ſowol über den innern Bau biefer Grab: 
ftätten als über die altnordifche Begräbnißfitte an diefem Ort 
und um diefe Zeit Kenntniß gewonnen. Im Weften der Lan 
deskirche zu Alt⸗Upſala, bekanntlich ehemals der Hauptfig bes 
heidniſchen Eultus im ganzen Norden, zieht ſich ein langer, aber 
ſehr ſchmaler Sandrüden von Norden nah Süden fort; auf 
diefem Rüden erheben fih 25 — 30 Gipfel. Drei von ihnen, 
ganz in der Nähe der Kirche, unterfcheiden fich durch Höhe und 
mfang von den übrigen, und diefen werden von der Überlie- 
ferung die Ramen der Götter oder ver Könige Thor, Odin 
and Frey beigelegt. Daß diefe wirklich nur Kürften oder we: 
sigftens fehr reihen und mächtigen Perfonen angehört haben, 
yeht aus der ungeheuern darauf verwendeten Arbeit und den 
roßen Koften, die dem Leſer fogleich klar werben follen, deut 
ich hervor. in vierter Hügel, niedriger, platter, aber oben 
iel weiter im Umfange, wird der Zingshög, Gerichtöhügel, 
enannt. Die übrigen find in jeder Hinſicht weit geringer 
nd zum Zheil von den natürlichen Erhebungen des Sand: 
üdens kaum zu unterfcheiden. 

Wenn ein Heidenlönig in Upfala verfchied, fo wurde an 
nem leeren Plag auf den genannten Santrüden das Nöthige 
s feiner Verbrennung vorbereitet. @rftens breitete man über 
n Sand ein Lehmlager etwa 1 Fuß hoch und Dicht zuſam⸗ 
engepadt. Darauf erbaute man einen fehr anfehnlichen Schei⸗ 
rbaufen, und auf diefen, wahrfcheinlich in Der Mitte, legte man 
n fürftlichen Leihnam mit feinen Waffen, feinem Schmud und 
lerlei Geräthe. Einen Beweis davon geben die hier gefun: 
ne 2anzenfpige von verroftetem @ifen, das Beine Fragment 
1e8 Goldfhmudes mit erhabenen Kanten (zur Einfaflung ei 
8 Edelfteins), eine Spange und das Stüd eines Haarkammes. 
ahrſcheinlich erhob ſich Allen fichtbar der königliche Leichnam, 
Ueicht auf einem befondern Bette ruhend; man fand Über: 
ibfel einiger Yichtenpfähle, wovon einer von Sol im 
ırchmeffer noch aufgerichtet ftand, übrigens theild inmwendig 
modert, theils an den Seiten und am obern Ende verkohlt, 
r an feinem untern Iheile, wo er von den ihn umgebenden 
sinen gefchügt war, weniger befchädigt. Diefe Pfähle konn⸗ 

wol Eeinen andern Zweck haben als das Ruhebette des 
torbenen Königs zu flügen: Dies wird in unfern Augen 
ch den Fund eines drei Zoll langen Bindenagels beftätigt. 
alten Sagen wird fogar erzählt, daß der Scheiterhaufen 
ein Haus gebaut wurde. 
Um den Leichnam herum wurden Sklaven, Pferde und aller: 
Zieh (vorher geföbtet oder lebendig angebunden?) in größerer 
eringerer Entfernung hingelegt und danach dad Ganze 
:aundet. Daß auch im Norden Sfaven und Bieh, viel 
t auch Die Weiber, dem Fürften im Tode zu feiner Bes 
ung im tünftigen 2eben folgten, wie es faft überall bei 


von Renſchen und allerlei Thieren, ſogar (mie man vermeint) 
von Bibern. So reichlich auch das Holz zufammengehäuft wer: 
ben mochte, fo Eonnte doch das Feuer. nicht alles Brennbare 
gänzlich vertilgen: der merkwürbdigfte Beweis davon ift eine 
im Lehmboden gefundene 2%, Zoll lange, rothbraune Haarlode. 
Ws der Scheiterhaufen niedergebrannt war, wurden die 
Knochen aufgelefen und in einer (oder mehren?) Urne aufbe⸗ 
wahrt. Diele Todtenurne ift im Ddinshügel noch nicht aufge 
funden worden, wol aber Fragmente davon in einem Fleinern 
Hügel daneben fowie in vielen andern in der Umgegend und 
anderswo. Sie wurden durch darüber und an die Seiten ger 
legte Steine vor dem Zerdrüden gefhüst. Sie find von unge 
branntem Lehm, alfo zerbrechlich, übrigens roh und ohne irgend 
eine Bezeichnung. Die Urne wurde auf die Branpftätte felbft 
bingeftelt, und rund um fie wurde ein fehr großer Stein: 
haufen aufgethürmt. Am äußern Rande ift diefer in dem 
Ddinshügel nur zwei Steinlagen body, aber er erhebt ſich al. 
mälig bis auf fieben, fodaß die Steinmafle eine £uppelförmige 
Geftalt hatte; der Umfang war anfehnlih, etwa 32 Fuß im 
Durchmeſſer. Die Steine find gewoͤhnliche Feldſteine von ver: 
ſchiedener Größe; an einigen zeigen fich auf einer Seite Spu⸗ 
ren von Bebauung. Da in der naͤchſten Umgebung von Alt: 
Upfala, jegt wenigftens, Beine größern Steine zu finden find, fo 
war Dies ein defto größeres Stück Arbeit. Endlich wurde ber 
Steinhaufen von einer diden Sandfchicht bedeckt und fomit 
das Grabmal fertig. Die Höhe des auswendigen Bipfeld des 
Ddinshügels über dem inmwendigen Gipfel des Steinhaufens 
beträgt 18 Fuß; der bisher durdhgegrabene Halbdurchmeſſer 
des Funftlihen Hügeld am Grunde beträgt 08 Fuß durch den 
Sand und 16 Fuß dur den Steinhaufen — 84 Fuß; alfo ift 
der ganze Hügel, infoweit er von Menjchen bereitet ift, etwa 
170 Fuß im Durchmeſſer; und wenn man bedenkt, melde 
Maſſe von Sand und Steinen zur Herſtellung eines folchen 
Grabmale erfoderlich ift, fo begreift man leicht, was Sturle⸗ 
fon erzählt, daB zu folchen Arbeiten der gemeine Mann von 
nah und fern aufgeboten wurde. 113. 


ben Heiden &itte war, ae die vielen gefundenen Knochen 


Bibliographie. 

Bernhard, G., Die Symbole Eine komiſche Novelle. 

Baugen, Schlüffel. 8. 272% Nor. 

leffington, Gräfin v., Memoiren einer Kammerfrau. 
Ins Deutſche übertragen von A. Kregfhmar. Ifter und 
ter Band. Grimma, Berlags:Eomptoir. 16. 15 Nor. 

Bölte, Amalie, Louife oder die Deutſche in Englanv. 
Erzählung. Baugen, Schlüſſel. 8. 12 Ror. 

Booft, 3.X., Die Gefchichte und die Propheten die wah⸗ 
ren Schlüfiel zu den Pforten der Zukunft. Alb Schluß der 
Neformationd- und Revolutionsgefhichten von Frankreich, Eng⸗ 
land und Deutichland. Augsburg, Rieger. Gr. 8. 25 Nor. 

Brockhaus, H., Speculative Erörterung der in Hegel's 
Einleitung zu feiner Encyklopädie der philofophifchen Willen: 
[haften enthaltenen Brincipien. Königsberg, Theile. 8. 7Y, Ngr. 

Sapadofe, U, Gedanken über den Zuftand der Seelen 
in der Abgefchiedenheit zwifchen Tod und Auferftehung. Über: 
feat aus dem Holländifhen von 4. Dammann. Rebſt 2 
Anhängen: Die Lehre Plato's von der Zußunft der menfchlichen 
Seele. Ein Verfuh von E. Fabarius. Die ewigen Hüt- 
ten vom Schul-Infpector C. H. Feller. Düffelthal. 8. 7, ur. 

Daub, 3. H., Ehriftlihe Stimmen aus der Tiefe. ?te 
[ehr vermehrte Auflage. Bielefeld, Velhagen und Klaſing. 16. 

Ror 


Drofte zu Bifhering, C. A. Freiherr, Predigten, Bes 
trachtungen und Unterweifungen, in früheren Jahren gehalten. 
Me Auflage. Mit einem Lebensabriffe deffelben und ber zu 
Muünfter bei der Beifegung gehaltenen Trauerrede. Münfter, 
Aſchendorff. Gr. 8. 1 Zhlr. " , 

— — Deffen Burger Lebensabriß. Nebſt Dr. Kellermann's 

' Zrauerrede. Münfter, Afchendorff. Gr. 8. 9 Nor. 











@rlenweyer, AU, Die Gage von dir Burg har 
Sm: zwei poetifchen Brefeden. Blesbaden, Bayerlı: 1843. 8; 
2 Nur. 

R Bulteborn, F. E., Das reine Eyriſt entyum und⸗die Welt⸗ 
veligion. Leipzig, Brockhuus. Ge. 8. 4 er. 

Gemalde deutſcher Dichter zur ——— preußifhen 
Geſchichte. Rebſt einer Sammlung bibliſcher Kernſpruͤche zur 
Grweckung und Befeſtigung der Vaterlandtliebe und einem 
ne 1 peeußifgen eſchichts kalender. Erfurt, Müller: 
&. gr. 


Hebei’8, J. P., Werke. Ausgabe in-3 Baͤnden. Ifter 
Band. Mit. Hebel’d Bildniß, Yacfimile und 4 Mufifbeilagen: 
Karlörube, Müller. 16. 12 Ror. 

Hoffmann, 2, Gedichte. Berlin. 8: 15-Rgr. 

Klausner, ©, Mondroſen. Rovellen, Zei 
Humoresten. Königsberg, Theile. 8: 22%, Nor. 

Laube’8, H., Rovellen. 2te Auflage. Ifter Shell: Reife: 
noveßden. I. Mannheim, Hoff. 16. 9-Rer. 

Merr, Eulalie, Mutter und Tochter. Ein Lebensbild. 
Magdeburg, Falckenberg u. Comp. 16. 15 Ror. 
KRürnberger, W., Die Erben von Schlo) Stermenforit 
Novelle. Landsberg: a. d. W., Volger und Kein. 8. 18 Rgr. 
Rauffe, 3. 8. Miscellen zur Geäfenberger Wafferkur. 
Zwei Theile. A vermehrte Auftage. Zeig, Schiefer 


zT und 


decker. 8. 
Neber, B., Felix Hemmerlin von Zürich. Neu nach den 
Duelle bearbeitet. Züri, Meyer u. Seller. Gr. 8. 2 Thlr. 


gr. 

Soulié, 8, Es war hohe Zeit, oder: Zu etwas ift Un⸗ 
gluk doch gut. Nach dem Franzöfifehen. frei bearbeitet von 
Ifidor Drientalis. Baugen, Schlüffel. 8. 22%, Nor. 

Stahl, F. 3., Bundamente einer hriftliden Philoſophie. 
Abdrud des erfien Buches von des Verfaflers Philoſophie des 
Rechts: 2te Auflage mit Zugabe neuer Kapitel. Heidelberg, 
I. ©: B. Mohr. Gr. 8. I Thir. 

Stebfeft, E A., Der Ablaßkraͤmet Iohunn Ziegel, eine 
biographifche Erzählung aus dem. 16. Jahrhundert zu Nutz und 
Frommen für Sedermann. Mit erlärenden Beilagen und 3 
biftorifhen Anhängen. Schneeberg. Er. 8. 15 Nor. 

Stimmen der alten Dichter Xufonius und Benantius For: 
tunatus von ber Mofel aus dem Lateinijchen überfegt von K. 
®. Neumann. Jrier, Troſchel. 16. 8 Nor. 

Tenelli, M., Die Utheiften. Hiſtoriſcher Roman. aus 
der Zeit Ludwig XIV. Ifter Band. Grimma, Verlags: Eom- 
pteir. 16. 15 Ror. 

Volkshuch für das Sahe 1847, mit befonderer Rückſicht 
auf die Herzogthümer Schleswig, Holſtein und Lauenburg. 
Deraußgegeben von K. 2. Biernagki. Mit Kalender. UI: 
tena, Lehmkuhl. 8. 15 Ror. 

Waterkeyn, H. B., Kosmos hieros, d.i. das Werk der 
Schöpfung nad: der Wiſſenſchaft und nad dem Glauben ober: 
die neueren naturwiflenfchaftlichen Theorien der Weitfchöpfung 
im Vergleiche mit der beiligen Schrift. Geimma, Verlagẽ⸗ 
Eomptoir. Gr. 8. 1 Shfe. 15 Nor. 

Zur Geſchichte des ehemaligen oſtpreußiſchen National⸗Ka⸗ 
vallerie⸗Regiments in den Feldzuͤgen 1813 —14. Mittheilungen 
und Erinnerungen aus den Tagebüchern eines Freiwilligen. 
Reipzig, Iurany. 8. 1 Thlr. 


Zagedsliteratur. 


Actenmaͤßiger Abdrud der bei der Großherzoglichen Juſtiz⸗ 
Canzlei zu Guͤſtrow anbängigen Yrogeßverhandlungen in &a- 
Ken des Gutsbefitzers Pogge auf Roggow, Klägers, I. gegen 
den Erblandmarſchall v. Maltzahn auf Pentzlin; IE gegen den 
Landrath v. Blücher auf Suckow und ben Landrath v. Leers 
auf Schönfeldt. Leipzig. Sr. 8. 15 Rar. 
Actenſammlung in Sachen des Juſtizraths ıc. Dr. Jasper 
in Schleswig wider Se. Durchlaucht den Generalfeldmarſchall 
Friedrich, Landgrafen zu Heflen, fo wie fpäter deffen Erbmaſſe; 


wegen ſchatdiger Beryätung für: gehalt Gefegäfeefährungn, 
Muhmwaltungen und Auslagen. erausgegeben von €. }. 
Jas F Svi.wi Gr. 4 1 ae 
enfey, R:, Die proteftantifdyen Freunde und Me Ju 
—28 Raumburg. 1847. Ber. & 7%, Kar. 
Berger, C., Zuruf cüres —E— — —— —— 


dem. 


Glaubenögenoflen nach zurücdgelegtem: 1. Jahre ihrer Bari 
gung. deburg;. —* Gr. 8:. 4 Rer. | 
ine Betrachtung: über die Rupoleoms » Werchrung, de 


eine. Parallele zwifchen: Napoleon Benaparte und Friedrich dm 
Großen. Berlin, Weinholgz. Gr. 8. 5 Ron 

Bräubäufer, I., Letterie und Sparkaſſe mit' came 
verbunden: im Lotterie: Anlehen mit. Loofen: von geringen V 
trage: Augsburg, Rieger. 4: 3 

Faren aus. Sachfen. Ifies Heft Mit 1 colorirten Zi 
bintte. Leipzig, Payne. 8. 5 Nor. 

Gelpke, © BF, Das. Schul - und Unterridgtänden it 
tegenerirten- Cantons Bern. von: feiner unterften bis zur Ki 
ſten Stufe. Rebft einigen Bemerkungen über die Schift: e 
danken und Unfißiten über das berneriſche Schulweſen. Um, 
Dalp. Gr. 8. TY, Rgr. 

Hopf, &, Spickaal als Beherrſcher der Mecsauite- Lk 
und die Gmancipatior untere den Wilden. Charlottenbeg 
Bauer. 8. 7/, Ror. 

Jenny Lind. ine Skizze ihres Lebens und ihrer Küch 
leræEaufbahn bis zu ihrem erſten Xuftreten in Wien. Mit im 
Portrait der Künftlerin und einem ihrer. dreite em 
deutfcher Überfegung. Wien, Iasper. Gr. 8: 12 Me 

Körner, C. J., Bunte Gedichte der Zeit aus Sclıair 
Holftein. Igehoe, Niſſen. Ki. 8. 25 Rer. 

- Der Buchhändler Krebshold, wie er als. Befordern ve 
Humanität ein armer Teufel wird, fpäter als Beförderer in 
gnariotonerie fein Süd macht. Berlin, Weinholz % ! 

1 IL. 

Krüchten, R. d., Licht! Licht! d. i. neueſte Aufriemm; 
im Chriſtenthum durch das offene Sendfehreiben an die fair 
liſche Pfarre Siegburg ꝛc. Köln, Bachem. Sr. 8. 5 Rp 

Krüger, ©., Berichte über die erfte evangeliſche Kar: 
ralſynode Preußens im Sabre 1846. Mit einem Anhang: WM 
widgttäften Artenftüde. Leipzig, Brockhaus. Gr. 8. IM 

r. 


Miczovski, S. S., Der galiziſche Bauernchef oder iv 
Blut: und Schreckensſcenen in Galizien, während des pelrijte 
Aufftandes. Grimme, Berlagscomptoir. 16. 15 Rat. 

Dppenheim, 9. B., Über das Verbot ganzer Ari: 
firmen. Karlsruhe, Gros. Gr. B. 6 Rgr. 

Rechtsanficht betreffend die Zuläffigkert der Ginrausmi 
von Kirchen zum Mitgebrauche für den chriſtkatholiſchen (treit 
Batholifchen) Gottesdienſt. Breslau, Icewendt. Gr.d. 6% 

Satan, Grbaulihe und feltfame Hiſtoria von Rothiäit! 
König der Juden. Rach der 5ten Auflage des Pronzäkiie 
Berlin, Reihardt u. Comp. 8. 5 Rer. 

Schüg, B. v., Die frommen katholiſchen Alt- Gere 
und die neuen heidnifchen Anti-Garmaten. Zur richtigen BE 
bigung ihrer legten Infurrection. Leipgig, Renger. 9.‘ 

er. 


Sintenis, W. F. Zuther lebt noch! Predigt m M 
jährigen Todestage Luther's. Rebſt den Altargebete von ft 
diger $. U. Klufemann. Magdeburg, Baenfch. Sr. 9. 18 

Tabak, ein: peftitenziakifches Kraut! Zeitgemaͤße Br® 
gen an Wit und Sung von einem practiſchen Urzte und & 
miter. Grimma, Berlags:Gomptoir. 8. Ti, Nr. 

Waltmenich, ©. v., Über die von den Aucſchüft " 
II. Kammer als Art. VII beantragte Grgänzung bes &% 
bahn⸗Geſetzentwurfes. Münden, Fran. Gr. 8. 4 Rr 

Wolff, F., Über die Geldverlegenbeit und ihre IN" 
Berlin, Reimer. 8. 3 Rar. 

Wuttke, H., Polen und Deutſche. Politifhe Hi* 
tungen. Schbeubig, Wi v. Blomberg. Gr. 8. 9 Rgr. 


Berantwortlier Derauögeber: Heinrich BSrockbaus. — Drud und Verlag von F. E. Brodbans in Leipzig 





Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 








Eothen. Nach ber vierten Auflage des englifchen 
Originals von U. Kretzſchmar. 
(Beſchluj ans Nr. 356.) 


Die zweite der brei oben bemerkten Stellen ift diefe. 
Der Verf. hat eben von ber Sitte der Frauen griechl- 
ſcher Gonfeffion, die Feiertage am Fenſter auf die Straße 
hinausfehend zugubringen, mit misbilligender Miene ge- 
ſprochen. Er ruft aus: 

D, ih will nun für immer nachfidhtig fein gegen alle 
Eirikfiehe alle — alle — * — ich — nicht 
eben, mich der ich ein Laie bin und den Niemand zum Schrei⸗ 
ben zwingt, auf dem üblichen falbungsvollen Ton ertappt der 
emeinhin angeflimmt wird? (Der Überfeger gibt bier die 

orte: „chiming in with some tuneful cant’’ mit: „in das 
allgemeine Lied einftiimmen‘ wieder, wodurd aber dad Sal, 
dee ganzen Betrachtung verloren geht.) Ich habe allerdings 
die Stirn gehabt mich über die verderblichen Wirkungen der 

icchifchen Feſttage zu ergebe. Meine Worte aber follen 
—* bleiben als niederſchlagender Beweis, daß auch ich dem 
unausweichliden Geſchick anbeimfale, welches Jeden ber eine 
Feder in der Hand bat verführt, dann und wann eine Anfi 
u äußern die nicht die feinige iſt. ... Ich Fämpfe fo tapfer 
ch kann gegen dies unerträgliche Verhängniß, ich thue was 
ch vermag um eu nicht gu täufchen, meine in mir lebenden 
Bedanfen niederzuſchreiben, und .Rirhts auszuſprechen was ich 
icht wirklich fühle — aber kaum laſſe ich mich felbft einen 
Iugenblid aus den Augen, fo ift es ald ob ein Dämen fi 
uiner rechten Hand bemächtigte und mich nöthigte fo zu 
reiben, als dächte ih... . . m. f. w. 

Die dritte Stelle enblih, an welcher ber Verf. für 
m Ref. erfennbar war, ift nicht allgemein intereffant 
mug um ausgefchrieben zu werben; es ift die, in wel« 
er der Verf: fagt, daf er, von Natur langfam, träge, 
ıd wenig unternehmend, dieſe Reife gemacht habe um 
nen Willen zu flählen. Die Xefer werden nun wol 
ıgefähr beurtheilen können, mit welcher Art von Rei⸗ 
ıden fie es bier zu thun haben, und einfehen, daß biefe 
rt feine von den geringern und gewöhnlichen iſt. Um 
er Doch aud von dem Inhalte feines Buches eine 
rftellung zu geben, wollen wir ihm hier einiges We⸗ 
e nacherzählen. 

Sn der Nähe des Jordan traf er auf einen Haufen 
ernber Araber, die fo armfelig waren, daß fie meber 
se noch Salz hatten, und fi von einem fäuerlich 
reckenden Kraute, womit Reiſende ſich zumellen ben 


eft zu Löfchen pflegen, nährten. Er ſchildert biefe Leute | 


22. December 1846, 


- on Hm nen .. 





— + 


ats furchtbar haͤßlich, von ber miebrigften Geberdung, 
diebifch und raͤuberiſch; während fie ſich verſtohlen und 
in einem Dialekt der feinem Führer unverfländlidh war 
miteinander befprachen, merkte er, daß fie ſchlimme Ab⸗ 
fihten auf ihn hatten. Mit diefen Lenten trat ber Dol⸗ 
metfcher unfers Reiſenden wegen ber Überfahrt über 
den Jordan in Unterhandlung und gewann fie fo, daß 
fie alle ihre räubesifchen Ubfichten, über welche fie bereits 
flundenlang untereinander auf das heftigſte disputirt hat⸗ 
ten, fofort aufgaben, die Reiſegeſellſchaft ſicher an die 
Furt geleiteten, ihr mit Sad und Pack über das Mal: 
fer halfen, ſich mit einer äußerſt geringfügigen Bezahlung 
zufrieden erklärten und überhaupt volffommen gut be- 
nahmen. Und was war ed, was diefe Wirkung auf fie 
ausübte? Nichts Anderes als das Verfprechen sines ihnen 
fhriftlich auszuftellenden Zeugniffes ihrer guten Yuffüh- 
rung. Der Vorfchlag hierzu, ſagt der Verf., warb nicht 
nur augenblidiih und einftimmig von der geſammten 
Horbe angenommen, fondern erregte unter ihnen den leb- 
hafteſten —8 , fie ftürgten auf ihn zu wie tell, 
überfchütteten ihn mit Dankſagungen und Glüdwünfchen 
und küßten ihm Hände und Füße. So groß ift das An⸗ 
fehen eines Europaͤers bort, fo viel gilt fein Wort, feine 
Verwendung, daf ſich die Eingeborenen darum wie um 
ben beften Gewinn bemühen, und zwar nicht um davon 
wiederum bei Europäern, etwa bei Neifenden ‚oder bei 
Agenten emropäifher Mächte, fondern bei Ihren eigenen 
Landsieuten, bet ihren Chefs oder ihren Verfolgen Nu: 
gen zu ziehen. Über dieſes Verhältniß machte unfer Verf. 
noch eine intereffantere Erfahrung als die eben ange 
führte, da er nämlich in Nablus (dem alten Sichem) 
nachdem er kaum dort angefommen war, auf fogfeieh 





“eine Deputation griechifcher Katholiten empfing, die feine 


Verwendung zur Befreiung einer gemaltfam zum Islam 
bekehrten Chriftin nachfuchte. Er befaß weder Amt noch 
Macht nody Namen; man wandte ſich an ben eben ein- 
getroffenen Fremdling einzig deshalb weil er ein euro⸗ 
päifcher Chrift war. Was der Verf. bei dieſem Anlaß 
fagt ift bemerfenswerth, und für bie Richtigkeit feiner 
Betrachtungen bürgt das einflimmige Urtheil aller ein» 
fichtsvollen Neiſenden bie den Drient fermen gelernt be- 
den. Wir Folgen an biefer Stelle der Überfepung des 
Hm. Kregfhmar: nt 


Die Bewalt womit Mehemet Uli die Infurrection der mo⸗ 
edaniſchen Bevölferung zermalmte hatte das Haupt des 
Jelam gebeugt. Ein fo vollftändiger Sieg wie dieſer würde, 
wenn er von einem gewöhnlichen aitatifhen Machthaber errun- 
worden wäre, eine Gtabilität zur Folge gehabt haben. 
Das fi) fo leicht beugende Gemüth des Drientalen würde ſich 
fief und fange unter die Füße eines Eroberers gebeugt haben 
dem’ Bott fo viele Kraft verliehen. Aber Syrien war fein 
Feld für echte afiatifche Kriege — Europa war mit im Spiele, 
und obgleich die großen Kalfen ‚ägyptifcher Truppen eb feſtzu⸗ 
halten ſchienen, ſo wußte und fühlte doch jeder Bauer, daß in 
Wien, Petersburg oder London vier bis fünf blaß ausſehende 
Männer ſaßen, die den Stern des Paſchas mit einigen Fetzen 
Papier und Tinte herabreißen Tonnten. Das Bolt wußte, daß 
des Paſchas Stärke in feinem franzöfifchen General, feiner fran: 
hen Taktik und feinen engliſchen Mafchinen lag; überbied 
ahen fie, daß Perfon, Eigenthum und jelbft die Würde des 
niedrigften Europäerd mit der ängftlichften Sorgfalt bewacht 
ward. Die Folge von allem Diefen war, daB die Einwohner 
von Syrien unbeftimmt aber zuverfihtlih von Europa neue 
Veränderungen erwarteten. . . Iedermann wollte wiflen, nicht 
Wer fein Nachbar fei, fondern Wer fein Herrfcher fein werde, 
Welten Füße er Euffen folle, und von Wem feine Füße zulegt 
würden geprügelt werden. Beſonders dad Anſehen der Eng: 
länder war fo groß, daß ein Dufelmann der irgend einer 
Nachſtellung zu entgehen fuchte bei dem früher fo verachteten 
Hut den Schug fuchte, den der Zurban nicht länger gewähren 
fonnte, und felbft hochftehende Beamte glaubten, fie hatten das 
roße 2008 oder auf alle Fälle doch ein fehr werthvolles Lotterie: 
Bidet gewonnen, wenn fie von einem ſchlichten Reifenden einc 
ſchriftliche Belobung ihres Verhaltens in Händen hatten. 
Befonderes Üntereffe mug in England die Befchrei- 
bung des Beſuchs erregt haben, den der Meifende ber 
berühmten unb auferordentlichen Lady Efther Stanhope 
machte. Man wird diefer Befchreibung auch bei uns mit 
Spannung folgen. Er fchüldert das Anſehen diefer merk: 
würdigen Enkelin des großen Chatham wie das einer 
Drophetin. Sehr fhön bemerkt er: 
Ich weiß nicht wie es fommt, aber cd gibt eine Sehn: 
fucht nach dem Morgenlande, von weldyer gewöhnlich ſtolz ges 
finnte Menfchen ergriffen werden, wenn Sram und Kummer 


‚fie verfolgt. 


Ihre Verbindung mit den Bebuinenhäupterm foll fie 
durch ein Gefchent von 500 Pf. St. eingeleitet haben; 
ber Verf. meint, gerade fo hoch habe fi) auch ihr An⸗ 
fehen bei ihnen belaufen, auf 500 Bf. St., nicht mehr 
und nicht weniger. Er hatte eine fehr lange Unterre- 
bung mit ihr, worin fie ihren Glauben an das Wun⸗ 
berbare, an aftrologifche Wiffenfchaft und Magie mit 
firömender Beredtſamkeit entwickelte und von der eiteln 
vorgeblihen Wiffenfchaft der Europäer mit entichiebener 
Berachtung ſprach. Es gebe allerdings auch verwerfliche 
magifche Künfte, wie ſolche 5. B. Ibrahim Paſcha, ein 
verwegener fchlechter Menfch, beige, der fich ſchuß⸗ unb 
ftichfeft zu machen verftehe, und nach einer Schlacht bie 
Kugeln aus den Falten feines Shawls wie Staub her- 
ausichütte. Sie fagte auch, daß eine fürchterliche Um- 
wälzung. der Welt bevorfiche, welche den dermalen an⸗ 
erfannten Werth alles Eigenthums vernichten werde. 
Nur Die, welche zur Zeit der großen Veränderung im 
Drient wären, in bem neuen Leben welches mit fchnellen 
Schritten herannahe, könnten hoffen groß zu werden. 
Wenn fie von Religion fprady und die Ankunft des 


® 
1423 — 


Meſſias verkündete, deutete fie dabei fortwährend anf ih. 
ren eigenen bimmlifchen Rang hin. Während der gu 
‚en Unterredung faß die Sibylle in ein weitfaltigts mc: 
ßes Gewand gehüllt, einen Kafchemirturban auf dem Kuyf 
und die brennende türkifhe Pfeife im Munde. 

Lieft man einen ſolchen Neiſebericht, und veroliht 
damit einige ähnliche, welche in neuern Zeiten von Dat 
fhen und Franzoſen erjchienen find, fo kann das Erz 
niß der Zufammenftellung, auch wenn man das Al 
unſers Engländers nicht mit in Rechnung bringt, un 
möglih zu Gunſten jener ausfallen. Diefe Zufımme: 
ftellung koͤnnte fogar Anlaß zu recht ernften Betragtu: 
gen werben, benen wir und aber hier nicht zu überlafen 
gefonnen find. Nur das Eine fei bemerkt. Aud in 
Verf. von „Eothen” fpricht, wie Dies alle Reiſende de 
ren Berichte nicht zu den fireng wiſſenſchaftlichen gs 
ren zu thun gewohnt find, fehr Viel von fih je 
Sogar begegnet man dem englifchen I, wie Died in de 
Ublichkeit der Sprache Tiegt, noch öfter als dem deude 
Ich. Dennod merkt man es bei dem Engländer kaus 
und zwar darum, weil Das was er an feine Yan 
fnüpft jedesmal ein von diefer unabhängiges und i#- 
liches Intereffe hat. Der Verf. zeigt bier einen I 
der zwar immer ihm angerechnet werden muß, ber ala 
nicht ganz und gar fein Verdienſt, fondern zum min 
lichen Theile das des Publicums ift für welhe « 
ſchreibt. Ein Engländer dürfte nicht wagen, ja es fur 
ihm gar nicht einfallen, feine Leſer mit fo geringfügier 
feine eitle Perfon angehenden Dingen zu befchäftigr 
ſich mit fo viel Selbfigefälligkeit zum Mittelpunkt jnse 
Befchreibungen zu machen, als wir leider fo häufiz o 
unfern Schriftftelleen antreffen. Gin Engländer ml 
für fein Land, ein Franzofe für Paris, ein Deutike‘ 
für feine Vettern. Wir reden bier natürlih nur := 
einer in beftimmten Grenzen ber Bildung und Anfrrik 
eingefchloffenen Kategorie von Reifenden. Ein Bet = 
3. B. Fallmerayer's „Fragmente” ift in Seiner Pira:t: 
übertroffen, und in feiner Eigenthümlichkeit fogar af° 
dem Bereich einer Vergleichung. 

Über den Humor unb die trodene Ironie des W 
ift hier abſichtlich nicht näher gefprochen worden, 8 
weil jede Überfegung ſchon an und für fich diefe Eir 
fen abftumpft, theils auch well fie meiftentheils ba %: 
läffen zum Borfchein fommen, von welchen fih der c 
Iifhe Humor (wie z. B. von Sitten, Ritus, gejelibt 
lihen Sagungen) gewöhnlich ſcheu entfernt hält, te 
unfer Verf. dortigen Lefern manchen piquanten Ges 
verfchaffen konnte, für welchen man aber bei und = 
der empfänglih if. Das Meifte diefer Art gebe ie 
dies, wie mehrfach bemerkt, ſchon durch die Uberjeymt 
verloren. &o, um nur ein einziges Beiſpiel anufudet 
muß jeber Engländer lächeln, wenn der Verf. im & 
nuß feines orientalifchen Behagens die englifhen Er 
fchaftsqualen aufzählt und erwägt: „How man 7 
devils are living in a state of utter respectabilt:- 
Lieft aber ein Deutfcher an biefer Stelle: „rer 7 
arme Teufel in einem höchft achtbaren Zuſtande ber 


fo geht Das ſpurlos unb fogar halb unverftanden. an 
‚ihm vorbei, während dem Engländer das Wort „respec- 
tability“ einen der ihm geläufigften Begriffe ausdrückt, 
mit welchem er fogleich den Gedanken an eine zahllofe 
Menge von Borurtheilen und Sagungen, und ganz 
beſonders die Vorftellung ber entfeglichen Anſtrengungen 
verbindet , die oft gemacht werden um „respectability ” 
zu erlangen. 62, 


u 1 — 


Altfranzöfifche Lieder und Reihe aus Handſchriften zu 
Bern und Neuenburg. Mit grammatifchen und lite: 
rarhiftorifhen Abhandlungen von Wilhelm Wader- 
nagel. Bafel, Schweighauſer. 1846. Gr. 8. 
ı Thlr. 74 Net. 


Wenn unfere Kunde von der altfranzöfifhen Lyrik noch 
um Bieles ungenügender ift als die von der fpanifchen, pro: 
vencalifchen , italienifchen und beutfchen, fo mag der Grund 
davon theild in der Seltenheit wohlgeordneter und zuverläffiger 
Handſchriften zu finden fein, theild aber liegt er ohne Zweifel 
in dem geringen Xleiße, den mit wenig Ausnahmen bieher die 
Franzoſen felbft ihrem alten Minnegeſange zugewandt haben. 
Nach den ältern Arbeiten von de la Ravalliere (dem Heraus: 

eber der „Gedichte des Königs Thibaut von Navarra und 

bampagne”) und de la Borde („Kasci sur la musique’) ift 
faft nur Yaulin Paris’ „„Romancero francais’ nennenswerth. 
Mit um fo geößerm Danke ift aufzunehmen was gleichzeitig 
mit und unabhängig von den Mittheilungen Adalbert Keller’6 
(in der „Romvart”) Hr. Profeſſor Wadernagel hier uns bietet. 

ine berner Pergamenthandſchrift, im 13. Jahrhundert mit 
vieler Sorgfalt gefchrieben,, liefert eine Auswahl von 519 Ge: 
dichten, unter denen 238 anonym find, die übrigen aber 106 
Dicgtern (deren Ramen fih jedoch wie es ſcheint auf 92 zu» 
rüdführen laffen) beigelegt werden. Zmeiundvierzig unter Die 
fen waren bisher auch nicht einmal dem Namen nad bekannt. 
Aus diefem großen Reichthum gibt Hr. Wadernagel indeß nur 
eine Auswahl von 52 Gedichten, von denen einige zwar fchon 
edrud®t waren, bier indeß in wefentlich verbeflerter Seftalt er: 
cheinen. Für diefe Gedichte nennt die Handfchrift 21 Verfaſ⸗ 
fer; 18 find unbenannt. Der Text ift getreu nad dem Ma: 
nuferipte abgedrudt; einzelne Berichtigungen gibt der Heraus⸗ 
eber 8. 122 — 124. Außerdem theilt Hr. Wadernagel bei 

elegenheit einer Unterſuchung über geiftliche Lieder, die aus 
einer Umbildung verbreiteten Volks- und Minnelieder entitan- 
den find (8. 185-188), noch Proben aus einer in Neuenburg 
(Reuchatel) aufbewahrten handfchriftlihen Sammlung altfran» 
zöfifchew Gedichte mit. 

Den Gewinn den diefe Yublicationen für die Literarge 
ſchichte nordfranzoͤſiſcher Poeſie gewähren genauer feftzuftellen 
und awszubeuten, möge Kundigern überlaffen bleiben, hier aber 
noch über die beigefügten, den größern Theil des Büchleins 
(@&. 86— 253) umfaffenden Abhandlungen kurz berichtet werden. 
RNaͤchſt den genauern Angaben über den Inhalt der berner 
Handſchrift und das bei dem Abdrude beobachtete Verfahren 
(&. S6—124), auf welche im Dbigen bereits Ruͤckſicht genom⸗ 
men if, erörtern diefelben theils ſprachliche (S. 124 — 161) 
und theils literargeſchichtliche Fragen. 

So intereffant nun auch die Unterfuchungen über Schrei» 
bung und Ausſprache des Altfranzöfifchen und namentlid über 
Entftehung und Weiterbildung der romanifhen Sprachen, vor: 
zugdweife der franzöfifchen, durch allmälige Umbildung ber la: 
teinifehen Grundfprade find, fo fcharffinnige Combinationen 
und fo feltenen Reichthum, entlegene Sprachgebiete umfaffenden, 
gründlich erwogenen Stoffes ſie bieten, fo würde doch ein Aus: 
ug oder gar eine weitere Grörterung des Geleifteten ſich nicht 
Kir diefe Blätter eignen, wäre. auch der Verf. dieſer Anzeige, 





wie er es nicht if, auf dieſem Gebiete einbeimiifh. Mir wen 
den une daher ſofort zu den literargefchichtlichen Äbhandlungen, 
welche den Charakter der nordfranzöfiicden Lyrik an ſich und 
im Verhaͤltniß zur peovengalifchen befprechen, dann aber bie 
Beziehungen diefer beiden zu ber deutfchen und italienifchen 
genauer unterfudhen. 

Richt neu aufgeftelt, wol aber neu und mit vieler Um: 
ficht begründet ift zunaͤchſt die Behauptung, daß die nordfran⸗ 
zöfifche Lyrik, Deren Heimat Hr. Wadernagel ausſchließlich in 
ber Champagne und Flandern nebit Artois nachweiſt, nicht nur 
gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts duch Einwirkung der 
provengalifchen entftanden fei, fondern fi auch nie zu eines 
höhern Stufe ald zu ber einer bloßen aller Selbſtkraͤftigkeit 
entbehrenden Nachahmung aufgefhivungen habe. . Statt des 
Stoffreihthums provengalifher Dichtungen, unter denen die 
ftrafenden und ftreitenden, Bed in das Treiben der Zürften und 
Herren eingreifenden Sirventefen eine fo wichtige Nolle ein« 
nehmen, finden fih im Nordoſten von Frankreich faſt nur fro: 
flige Liebesgedichte ohne Lebenswahrheit des Gefühle und ohne 
untericheidende Individualität. Daneben etwa ncch geiftliche 
Lieder. Vermuthet wird dabei (8. 175 u. 176 in der Anmer: 
fung), daß die Kunft der Zrouveres nicht jo wefentlich wie die 
der provensalifhen Iroubadours mündlichen Gefangs » Bortrag 
erfodert, fondern fid, wol häufig auf ein ſtummes Niederſchrei⸗ 
ben befhränft haben möge. 

Wie in Umfang und Behandlung der Kiederfloffe im Ver⸗ 
gleich mit der Provence größere Dürftigkeit eintritt, fo wird 
auch die Korm nicht mit der gleihen Sorgfalt und Kunft wie 
dort gehandhabt. Zwei Formen indeß gehören nad) Hrn. Wacker⸗ 
nagel dem nördlichen Frankreich eigen: der „Lai (zu Deutſch 
„Leich“) und die „Pastourelle”. Der „Lai“ ift feinem Inhalte 
nach dem epifhen Zone angenähert, in der Form minder ftreng 
und kunſtreich als das Lied, der Urt des Vortrags nach dem 
weptern urfprünglich dadurch gegenübergeftellt, daß er der Mu- 
fit fi unterordnet, nicht wie daß Lied von diefer nur begleitet 
wird. Diefe Lai nun, aus epifhen Volksgeſaͤngen hervorge⸗ 
gangen und in Frankreich weit verbreitet, fcheinen erft von 
bier aus in die Provence eingedrungen zu fein. nliches gilt 
von ber „„Pastourelle’‘, einer Frucht der Rüdwirkung der in 
den niedern Ständen lebendig gebliebenen Volkspoefie auf die 
böfifche Dichtkunſt der Trouveres. 

Borzugsmeife wichtig ift die fünfte Abhandlung, in ber 
Hr. Wadernagel völlig überzeugend nachweift, daß, nachdem 
das franzöfifche Ritterthum mit dem Beginne des 12. Jahrhun⸗ 
derts für ganz Europa ein Vorbild der Nitterlichleit geworden, 
und nachdem, wie ergoͤtzliche Beilpiele (8. 194 fg.) Dies bele⸗ 
gen, Rahäffung franzöfifcher Rede und Manier bis herab in 
die niedern Stände wie in neuern Tagen yemeinfame Untugend 
des deutſchen Volkes geworden war, auch die Dichtkunſt aus 
Flandern und der Champagne durch den Riederrhein in Nord⸗ 
deutſchland eindrang und die in Nordfrankreich übliche Dicht⸗ 
weife weithin verbreitete. Kür das Epos war dies Verhaͤltniß 
längft fchon anerkannt, nicht fo für die Iyrifche Dichtungs und 
doch ſcheint gerade für fie das franzoͤñſche Vorbild weit fchnel- 
ler zur allgemeinen Geltung gekommen zu fein als für das 
Epos. Diefe ausländifchen Einflüffe fielen aber auf einen 
fruchtbaren und nicht mehr unbefrucdhteten Boden; denn die la: 
teiniſche Kirchenpoche hatte die deutfche Lyrik vorbereitet, und 
fo fagt denn unfer Berf.: „es fei die legtere wol aus eigenem 
heimiſchen Boden gewachſen, mit beutihen Samenblättern und 
wol auch in deutfches Laub; aber die Blüte babe ein Staub 
gefärbt und befruchtet, der von jenfeit der Maas herüberge 
weht worden.” Während nun aber die franzöfifhe Lyrik ihr 
provencalifhes Vorbild beimweitem nicht erreicht, fo übertrifft 
die deutſche das ihrige noch in größerm Maße. Die mittelhoch⸗ 
beutfchen Lyriker ernten auf manchem der Gebiete wieder, welche 
die Franzoſen unbearbeitet gelaffen hatten, und find weit ent: 
fernt, gleich diefen ausſchließlich „Minnefänger‘ zu fein. Das 
Gefühl das in den Liebesliedern fi ausfpricht ıfk wieder ein 
ſelbſterfahrenes und lebendiges, nicht bios erdbichteten Srerrinnen 


1484 
. 


gugewandtes. Auch darchzieht das Lied wieder als Goſang die 
Sande, flott wie in Frankreich nur als geſchriebenes Blatt von 
Sand zu Hand zu geben. Endlich entwichelt nach längern un- 
reifen Verſuchen die Form ſich zu einer Kunſtlichkeit md Bollen- 
dung wie fonft nirgend; fo Tünftlich, Daß der Regel nad) je: 
des Lied feine befondere, nur ihm eigene Form haben mußte, 
und es fihon als Verfall galt, wenn ein Dichter wie Reimar 
von Zweter einer größeren Zahl von Gedichten diefelbe Form gab. 

HM nun diefes Ergebniß ein unerwartete, eifriger Water: 
landeltebe wol gar umvillfommenes, fo wird ber Snbatt der 
ſechſten ung für manchen Leſer gewiß nicht minder 
Sberrofchend fein. Die Italiener nehmen miindeftens feit dem 
26, Jahrhundert allgemein an, ihre alte Eyrif habe fich unter 
dem alleinigen Einflaffe der provencalifhen entwidelt. Dante 
indeß bezeugt einedtheild, daß die Anfänge ber itafienifchen 
Poeſie nicht über die zweite Hälfte des 12. Zahrhunderts bin: 
ausreichen, und verfegt fie anderntheild ausdrücklich nah Sici⸗ 
lien an den Hof der Höhenftaufen. (‚Vita nuova”, Gommentar 
zu dem Sonette „Jo mi senti’ svegliar‘‘, $. 25, &. 56 der 
Norrifchen Ausgabe. Bergl. meine Anmerkungen zu Dante's 
„Zyrifehen Gedichten”, &.9 in der Rote. „Vulgare Eloquium”, 
1, 12.) Es lag nun in der That nahe vorauszufegen, wi; 
die an dem Hofe ſchwäbiſcher Fürften entftandene oder bot 
fortgebildete Poefie unter dem Einfluffe des ſchwaͤbiſchen Minne⸗ 
geſanges, der auf dem Hohenſtaufen Pflege und Schutz gefun: 
den hatte wie fonft nirgend, werde gedieben fein. Um fo naͤ⸗ 
her lag diefe Annahme, als von den Fürften des ichwäbifchen 
Hauſes felbft uns lyriſche Gedichte in der einen und andern 
Sprache erhalten find. In der That Haben die altficilifchen 
Gedichte ſowol in der poetifchen Auffafiung als in der äußern 
Borm mit denen der fogenannten Minnefänger eine auffallende, 
mit den provengalifchen Dagegen eine vergleichungsweife unter: 
geordnete Berwandtfhaft. Auf diefe Beobachtungen hatte ich 
nun bereitö vor zehn Jahren („Der Minnegefang in Stalien‘’, 
in Reumont's „Italia“, I, 108—136, befonderd ©. 110, 115 fg.) 
Die Behauptung geftüpt, daß der provenealifhe Einfluß FR 
urfprüngli auf den Norden von Italien befchränft habe und 
daß eben dort eine einhbeimifche Poeſie erft fpäter gedichen 
fei, während im Süden die Keime volfsmäßiger epifcher Dich: 
tung fih nur unter dem Einfluffe deutfchen Minnegefanges zu 
lyriſcher, demnächft nach Norden hin weiter verbreiteter Blüte 
entfaltet haben. 

Weiter ausgebildet, insbefondere aber genauct begründet 
finden wir dieſe Anjiht auf den legten 14 Seiten ber vor: 
liegenden Schrift. Einzelne Proben in beiden Sprachen wie: 
derfehrender Gedanken, wie deren auf &. 242 ımd 243 gebo» 
ten werden, dürften nad) Hm. Wadernagel’8 eigener Bemer- 
fung zu einer fihern Überzeugung allerdings noch nicht genü: 
gen. Bemerkenswerth iſt dagegen die &. 245 hervorgehobene 
Berwandtfehaft des Leutfchen Wortes dichten (Dichter) mit 
dem itatienifihen dettare (Dettatore) und in noch höherm Maße 
was ©. 246, 249 — 251 über das Verhältniß des deutfchen 
Zanzliedes zur altitalienifchen ballata und der kunſtreichen Glie⸗ 
derung bed deutfchen Liedeb zu der der Canzone des 13. Sahre 
hunderts gefagt wird. Neu und intereffant ift auh ©. 245 
die Herleitung des Sonetts aus dem deutfchen „Spruch“. 

Wenn dabei S. 244 und 249 auch des cft genannten Wech⸗ 
felgefprach8 zwiſchen Kiebendem und Geliebter von Ciullo d’Al: 
camo („Der Minnegefang in Italien’, &. 122 u.123) gedacht 
wird, fo ſtimme ‘a zwar, wie ich darüber fihon anderweitig 
in d. Bl. (Rr. 98) mich ausgefprochen habe, mit der An- 
nahme, daß jener Dichter noch zu Ende des 12. Jahrhunderts 

eblüht habe, nicht überein, halte ihn aber für einen von dem 

influffe neuerer Kunftpoefie nicht berührten Zeugen altficili« 
ſchen Volksgeſanges, wie derſelbe aus byzantiniſcher, lange ge⸗ 
nug in Sicilien einheimiſcher Dichtweiſe hervorgegangen war. 
Roc bemerkt Hr. Wackernagel S. 244, daß bie altitalienifche 
Dichtkunſt den Refrain, das Hauptmerkmal des Volksgeſanget 
gar nicht kenne. Ich füge beſtätigend hinzu, daß auch mir, 


frühere .Beifpiete als aus Dee zweiten Halfie des 73. Jchcha 
derts, wo außer einzelnen Anwentuingen in Den „Cirati ar- 
nescisleschi’' in&belondere Girolamo Benivisni, Dex leideniäeh 
liche Anhänger Savonarola's, häufigen und ſehr glüfite 
Gebrauch davon macht, nicht befannt find. 





Bibliographie. 


Ahrens, E., Iohann Hornung, der Schöpfer ua 
Eſthniſchen Kirchenſprache. Zur Ehrenrettung der Unteit 
ten. Reval. 1565. Gr. 8. 15 er. 

 Mretin, © M. Freih. v., Wallenſtein. Beitrige w 
nähern Kenntniß feines Charakters, feiner Plane, feine Ka 
haͤltniſſes zu Bayern. Bur Feier des Ludwigstages autzeg 
weile gelefen am 25. Aug. 5. Münden. Sr. 4. I 

h r 


9 

Müuͤtterliche Briefe an Toͤchter gebildeter Stände bei um 
Bintrikt in den Kreis der Erwachſenen. Breklau, Hirt. 16 

Rar. 

Fiſcher, L. W., BZür nationale Rechtsreform. 1. 2: 
teutfche Zuftiz. II. Zeutfihes Volk und teutfches Recht. II. Dr 
teutiche Nechtöreform. Stuttgart, Göpel. 8. 1Thlr. WRy 

Geramb, M.I.v., Betrarhtungen über bie togten Tin 
Brei nah dem Branzöfifhen. Aachen, Henſen u. Com. 12 

a Xgr. 

Gotthold, F. A., Über die Nachahmung der iule 
nischen und spanischen Versimaasse in unserer Muttersprad 
Königsberg, Gräfe und Unzer. 8. 8 Ngr. 

aas, C., Populäre Rirchengefchichte, mit befonderer& 
rüdfihtigung der Reformationsgeſchichte. 2te verbeſſertt & 
vermehrte Auflage. Augsburg, Rieger. Gr. 8. 26%; Rr. 

Hanhart, R., Erzählungen aus der Schweiger: Geih:ht 
nah den Chroniken. Neue Ausgabe in 13 Heften. Mei = 
2ted Heft. Bafel, Schweighaufer. 1847. 6 Nur. 

Köhler, W., Zur Geſchichte des Deſſauiſchen Hef: De 
ter& von feinem Entftehen bis zur Gegenwart, und der & 
Rapelk, Joweit fie mit Erfterem in Verbindung fand. Tram. 

. gr. 

Lobedanz, E., Des Bildfehnigers Tochter. Ein tu 

vi Volks-Drama aus der Zeit der Reformation. Kiel, Ri 


18/, Nor. j j 
Kiel, Naicl 


orm der Alte. 

2, Nar. 

Richter, A. 8, Die evangelifchen Kirchenordnungsa 6 
16. Jahrhunderts. Urkunden und Regeſten zur Gefchiht: :* 
Rechts und der Berfaffung der evangelifchen Kirche in Der? 
land. 2er Band. Bon 1542 bis zu Ende des 16. Zahtto 
berts. Weimar, Landes: Induftrie-Comptoir. Gr. 4. 9 I 

Sand, G., Ifidora. Tagebuch eines Einfiedlers ıx Fr 
ris. Nach dem Pranzöfifchen frei bearbeitet durch Zfiderzi 
Drientalis. Baugen, Schlüffel. Gr. 9. 18 Rgr. 

Schiff, H., Geſchichte Napoleons. Mit 6 Stohifis= 
Ifte un 2te Lieferung. Leipzig, Naumburg. 1517. % 

5 Ror- 

Schulze, &. F. O., Das Lichtfreund⸗Triumvirat ız 
nem Kampfe gegen die heilige Schrift beleuchtet. — U u. d 
Die Wahrheit der Grundlehren des Chriſtenthums gege: 
Angriffe der proteftantifchen Kichtfreunde vertheidigt zei 
möglichft populärer Weile zur Belehrung und Beherzigun; '* 
chriſtlichen Volkes dargethan. After Band: Die Lehre zer !e 
heiligen Schrift. Magdeburg, Baldenberg u. Comp. 
1 Shle. 15 Ror. 

Billegardelle, F., Geſchichte der focialen Ibeen -” 
der franzöfifchen Revolution, oder: Die alten Denkr un: T:- 
tofophen, die Vorläufer und Borkämpfer der neueren Sc— 
ften. Rebſt Beweisſtellen. Rah dem Kranzöfjden N - 
Köppen. Berlin, Rieß. Gr. 8. 12 Kor. 


Romanze. 


& 
an 
+. 


Berantwortliger Herausgeber: Heinrich Wrodhand. — Druck und Verlag von F. X. Brodfans in Leipzig. 





Blätter 


für 


literarifche 


Unterhaltung. 





Mittwoch, 





Correſpondenz des Kaiſers Karl V. Aus dem könig⸗ 
lichen Archiv und der Bibliotheque de Bourgogne 
zu Brüffel mitgetheilt von Karl Lanz Zweiter 
und dritter Band. Mit vier lithographirten Ta⸗ 
er Leipzig, Brockhaus. IMS — 46. Gr. 8 

r. 


Um die ganze Individualitat von Fimſten kennen zu 
lernen und wichtig beurtheiten zu können, Die durch ihren 
Charakter, durch ihre politiſchen Grundſaͤde und Rich⸗ 
tungen ſowie durch ihre Thaͤtigkeit auf das Zeitalter 
dem fie angehörten einen überwiegenden Einfluß aus 
übten und in Folge beffen als biftorifch merkwürdige 
Perſonen daftehen, dafür find drei Hauptquellen denkbar; 
und diefe finden fish emtweber insgefammt wirklich vor 
aber es ift wenigſtens die eine oder Die andere vorkan- 
den. Diefe Quellen find folgende: Schriften derjenigen 
Perfonen, bie entweber in amtlicher ober in freunbfchaft- 
licher Beziehung oder in beiden Beziehungen zugleich zu 
einem Fürſten ftanden; amtliche ober privatliche Scheif- 
ten des Kürften feibſt; Biographien vor Zeitgenoffen, die 
n keinerlei engerm VBerhäftniffe zu ihm fanden. | 
wichtig die Schriften ber beiden erften Claſſen feien, 
nbt am beiten bas vorliegende Werk ſelbſt zu erkennen, 
effen erſten Band wir ſchon früher in d. BI. nad 
Berbienfl gewürdigt zu haben glauben *): nur Durch dieſes 
Berk erft ift es möglich geworden KRobertfon’® Biographie 
karl's V. zu berichtigen und überhaupt zu übertreffen. 
jevor wir jedoch zu unferer eigentlihen Aufgabe über 
eben, glauben wie unfern Lefern feinen unnügen Dienft 
ı erweifen, wenn wir biefeiben von zwei Urtheilen un- 
richten, welche zwei Zritgenoffen des merkwürdigen 
'aifer# über ihn abgegeben haben, um fo mehr, ba bie 
treffenden Werke theils nicht allgemein befaum find, 
eils nicht Vielen zugänglich fen möchten. Das aud) 
* die gleichzeitigen Zuftände umd biflorifchen Perfonen 
eutfchland® intereffante und wichtige Wert „ Relaziom 
gli ambasciatori veneti al Senato’' (ioreng 1840 fg.) 
chält im wiezten Bande eine Intereffante Charakteriſtik 
ii's V. und Philipp’ I. Sie rührt von Marino 
malli her, bem Gefaubten ber Republil Venedig am 
ferlihen Hofe. Der Gefandte ſpricht ſich fehr vortheithaft 
r den Kaifer aus. So heißt e# z. B. an einer Stelle: 


Bergl. eine Mittheilung über den erſten Band in Sr. 188 
18 dv B. f. 18%. D. Red. 







-liberalita generalmente tutti 








23. December 1946. 








mn ann 


Kart iſt nicht biutdürftig; übt Peine Rache bis zum Un- 
tergange feiner Gegner ; fein Beftreben ift darauf gerichtet fie 
zu ſchwaͤchen, aber nicht zu vernichten. *) 

Von befonderm Intereſſe ift aber die Vergleichung, 
welche ein Geſchichtſchreiber Venedigs, Paruta, im vier- 


‚ten Buche feiner „Istoria veneziana ” zwifchen Karf 


und feinem ritterlichen Nival Franz J. von Frankreich 


angeſtellt Hat; und fein Urtheil verbient deshalb eine vor- 


Kalide Beachtung, weil er, obfchon ein ganz jugendlicher 
itgenoffe beider Fürſten, doch gewiß nod) unter dem 
Einfluffe des Eindrucks ſchrieb den diefelben auf ihr 
Zeitalter gemacht hatten. Wir erlauben uns Paruta's 
Parallele hier ganz mitzutheilen: 

Era in Cesare grande accortezza e sagicitä, maturo 
consiglio, gravitä ne’ negozj, somma pazienza e perseve- 
ranza, con le Fan arti sapeva ed aspettere F’opportunitä 
de’ tempi, e dell’ occasioni, e usarle con gramdissinmo auo 

rofitte. Ma in Francesco riluceva uns certa magnanimitä 
"anime, per la quale facilmente si moveva ad abracciare 
ualcunque cosa, che apportargli potesse laude di genero- 
sita ed onor di guerra; desiderava di superare il nemico 
pit con vero valere, che con avantaggi ed insidie; il volto 
e ie parole erano certi indizj de’ suoi pik secreti pensierl. 
A Cesare eramo cari gli uomini d’ingegno astute e militare, 
le parole erano acarse, profondissimi i suoi penaieri, ardeva 
l’animo suo d’ambizione ardentissima, ma non molto palese, 
sfordansosl sempre sotto apparenza d’onestk e d’ interesst 
oomuni di coprire i desider) della propria sus grandezza. 
Ma Francesco favoriva ed albbraosiava con inestimabile- 
elli, ne’ quali oonosceva in 
qualcunque professione eccellenza d’ ingegno ; affettava 
laude d’eloquenza, d’affabllitä, d’umanita, di liberalitä, e 
principalmente si mostrava bramoso di gloria di guerra; 
nö questo suo desiderio nascondeva, ma in pereie ed in 
fatti, velendo egii stesse ritrevarsi negli eswerti, apriva la 
sua volonta ed i suoi pensieri. 

Bergleiht man nun damit mas Nanke im fünften 
Bande feiner „Reformationsgeſchichte“ über den Kaifer 
urtheilt: 

Die Doppelfeitigkeit feines Beftrebens fpiegelt fih in den 
entgegengefegten Eigenſchaften die fi in feinem Charakter 
vereinigen. Karl V. ift zweideutig, durch und dutch berechnet, 
habgierig, unverſoͤhnlich ſchonungslos, und dabei hat er body 
eine er e ‚ ein flolges die Dinge geben laſſen, 
Schwung der Gedanken und Seelenſtaͤrke. Seine Ideen ha⸗ 
ben etwas Glaͤnzendes, biftorifch Großartiges. 
fo nimmt man leicht wahr, vole diefe Urthelle theilweife 


») Wie wenig biefed Urthell durch fein Benehmen in Deutfchland 
gerechtfertigt wird, weiß jeder nur einigermaßen Geſthichtskundige. 


ſich fchnurftrads widerſprechen; und es ſteigt deshalb 
ein Korum um fo bedeutender in feinem Werthe, von 
welchem der Ausſpruch der Wahrheit und Gerechtigkeit 
erwartet werben darf. Und für ein folches Forum müf- 
fen wir die „Correſpondenz Karl's V.“ erklären, beven 
legte Bände uns jegt vorliegen. 

Zuerſt erregt im zweiten Bande die Aufmerkfamteit dee 
Geſchichtſchreibers die Eorrefpondenz zwifchen dem Kaifer 
und dem Erzbifchof von Lund. Diefer, Johann von Weſe, 
vor feiner Vertreibung zugleich Secretair des Königs Chri⸗ 
flian 1. von: Dänemark, ein ebenfo liftiger als thätiger 
Dann, war eins der brauchbarften Werkzeuge bei den 
politifchen Beſtrebungen und Plänen Karls V. Mit 
Chriſtian's III. Thronbefteigung (1533) hatte auch in Dä- 
nemar? die Reformation obgefiegt. Diefer Erfolg konnte 
Karl V. als deutfchem Kaifer und Gegner des Prote- 
ftantismus aus verfhiedenen Gründen keineswegs gleich» 
gültig fein. Erftlih erhielt auf diefe Weife die neue 
Kirche einen bedeutenden auswärtigen Stügpunft, da 
Dänemark immer noch, trop der Trennung Schwedens, 
die ſtärkſte Macht im. Norden war und im Falle der 
Noth der deutfchen DOppofition gegen den Kaifer leicht 
Hülfe leiften konnte, wie denn auch in der That Ehri- 
flian II. 1538 dem Schmalkaldiſchen Bunde beitrat. 
Sodann konnte es der Kaifer nicht vergeffen, daß fein 
Schwager Chriftian II. mit Gewalt der dänifhen Krone 
beraubt worden war und Deſſen Familie bei den neuen 
Königswahlen Leine Berudfichtigung außer von der Beift- 
lichkeit erfuhr; mithin fah fich der kaiſerliche Einfluß aus 
einem Rande verdrängt, welches dem ſtets berechnenden 
und vorausfichtigen Karl nicht ungeeignet ſcheinen konnte, 
feinen deutfchen Feinden bei irgend einer Gelegenheit im 
Rüden gefährlih zu werden. Bekanntlich nahmen im 
Dreißigjährigen Kriege Ferdinand II. und IH. diefen Ge⸗ 
danken wieder auf. Um Chriſtian II. zu bedrohen ver- 
anlafte Karl V. die Schwiegerföhne Ehriftian’s II., Franz 
von Lothringen und Friedrich von der Pfalz, Anfprüche 
auf die däniſche Krone zu erheben; und Karl fowol als 
feine Schweſter Maria, die Statthalterin der Nieder- 
lande, unterftügten öffentlich deren Abfichten. In diefer 
Angelegenheit insbefondere warb nun der oben erwähnte 
Erzbifhof von Lund gebraucht. Allein Chriftian II. 
blieb feinerfeits auch nicht unthätig; denn während er 
mit Guſtav Waſa von Schweden zu Brömfebro 1541 
ein Defenfivbündniß ſchloß, verbünbete er fih zugleich 
mit dem Könige von Frankreich und dem: Herzoge Wil- 
beim von Kleve. Karl hielt es zulegt für rathfam, die 
däniſche Sache fallen zu laſſen, um fo mehr, da der nieder- 
laͤndiſche Handel darunter litt und die deutfchen Angelegen- 
beiten eine immer drohendere Geſtalt annahmen; 1544 
ward zu Speier mit Dänemark Friebe gefchloffen. *) 

Indem wir die Correſpondenz übergehen, welche fich 
auf. den Schwäbifhen &Stäbtebund bezieht, deſſen Auf- 


*, Nicht ohne eine gewiffe Rache lehnte bafür auch der fieas 
reiche Kaifer jede Vermittelung ab die Chriftian IH. für die geaͤch⸗ 
teten beutfchen Fuͤrſten bei ihm in Vorſchlag brachte; dad betreffende 
Schreiben ſteht DI, 556 fo. 


löfung vergebens zu hindern verfucht ward; forie dan 
jenigen heil der Gorrefpondenz hier unberidkfichtigt 
laffen, die fi) über die geheimen und offenen Berfuk 
Frankreichs verbreitet, in Deutſchland fefte Anknüpfung: 
punkte bei den Gegnern bes Kaiferd zu gewinnen; un 
endlih nur im Worbeigehen auf das Lange Chreikn 
aufmerkſam machen, welches vom 8. April 1535 datın 
den Erzbifhof von Lımd fo treffend als einen Mam 
harakterifirt, der dem Kaiſer durch Tätigkeit und Schu 
beit ganz vorzügliche Dienfte zu leiften verſtand: mel 
wir etwas länger bei den fieben Briefen verweilen, ml: 
he der Kaifer über den Zug gegen Tunis theild an fe: 
nen Gefandten in Frankreich, Hannart, theild an jan 
Schweſter Maria, theils an ben fchon öfters genannte 
Erzdifchof von Lund gerichtet Hat. Uns find in neuen 
Zeit drei Monographien bekannt geworden, die über hi: 
felbe Unternehmen nach den Quellen handeln. Die mit 
berfelben ift: „Unternehmungen Kaifer Karl's V. ag 
die Raubflaaten Tunis, Algier und Mehedia, auf ka 
Quellen bearbeitet von E. Miens“ (Münfter 1832). Di 
zweite ift Darum beſonders wichtig, weil ihr eine arabilk 
und zwar neue Quelle zum Grunde liegt; fie führt ben 
Zitel: „Fondation de la regence d’Alger, histoire & 
Barberousse. Chronique arabe du IGme siecie pubbee 
sur un manuscrit de la Bibliotheque royale par Ms. 
Sander Rang et Ferdinand Denis" (2 Bde, Paris 13371 
Dieſes Werk führt den fehr klaren Beweis, daß Ki 
Sieg vor Zunis nicht fehr bedeutend war, woraus % 
auch erklärt, warum er feine wefentlichen und dauernde 
Folgen hatte. Das Neuefte findet ſich am Schluſſe M 
elften Bandes des bekannten Literarifchen Verein: a 
Stuttgart. Hr. Lanz hat dort die umfangreice be 
ſchreibung mitgetheilt, die Karl's Geheimfchreiber Ir 
ton Perrenin, der felbft dem Zuge gegen Zunit de— 
wohnte, zum Verfaſſer hat. Ebenſo iſt auch in de 
vorliegenden Correſpondenz der ſoeben genannte Gem 
tair mitunterzeichnet, und nur in dem Gchreiben = 
die Königin Maria heißt es am Schluſſe: „De la mar 
de votre bon frere Charles”, woraus hervorgeht, N} 
die übrigen Berichte nur im Auftrage des Kaifert, a 
nicht von Diefem felbft, fondern von Perrenin verahik 
find. Bon befonderm Intereffe ift das Bulletin ste 
die Einnahme von Tunis am 23. Juli 1535. Lies 
macht Hr. Lanz folgende Bemerkung: „Dieſes Bakır 
war zur Publication in den Städten und Proz 
beftimmt; daher fand ſich's auch in verfchiebenen Här 
fhen Archiven. Aus einem «Begistre de la ville # 
Nivelles » bat es die « Emancipation » (1834, Rr. 3) e2 
getheilt, wonach ich den Schluß ergänzt habe. Gin Yet 
an 3. Hannart vom 24. Juli ift bis auf den Schlui 
gleichlautend. Derfelbe finder fich in der « Collection 3% 


‘papiers d’etat de Granvellev», Il, 363; ich mochte #° 


teils der Varianten, bes Zufammenhanges diefer Ben 
willen dies Bulletin nicht weglaſſen“ — ein BerfaT. 
was nur gebilligt werben kann. . Übrigens fiebt m* 
daß es fehon damals nicht an der Geſchicklichkeit fr! 
Kriegsbulletind zu verabfaffen. Wir mollen aus tüF 


1437 


Berichte des Kaifers jedoch nur die Stelle mittheilen, 
welche die Befreiumg der Ghriftenfflaven betrifft, worauf 
fih der Sieger nicht nur felbft viel zugute that, fondern 
wodurch auch die ganze Unternehmung in der damaligen 
Zeit ein befonderes Melief erhielt. Die Stelle ift folgende: 

Ay faict mettre en lilberte de XVII a XXm desdicts 
capüfz tant de mes subgets que aultres de diverses na- 
tions chrestiennes quavoient estez destenuz, et aulcuns 
plusieure Aunees esclaves et enchaines et enferres esdictes 
prisons, fosses et caves, et oultrement dırement, inhumaine- 
ment et trescruellement traictez en tresgrosse pitie et mi- 
seres; si sont trouvez jusques a LXXI Francois, tant de 
ceulx qui furent prins avec les galeres du capitaine Por- 
tondo, questoient des serviteurs des daulphin de France 
et duc Dorleans, que aultres paravant et depuis captifz, 
lesquelz jay incontinent faict favorablement delivrer a lam- 
bassadeur du roy de France, pour iceulx renvoier salvement 
en leur’ paiz. Et entre’ aultres desdicts captifz et escla- 
ves sont delivrez les artilleurs, gens de mestiers et de rie- 
mes, dont ledict Barbarossa se servoit par mer et ou na- 
vigaige, et se est demeure lartillerie quil avoit oudict chas- 
teau avec grosse quantite de munition et aussi de bis- 
cuyt et plusieurs armes, tellement que par ce luy a este 
oste le moyen de en tous advenemens pouvoir de long 
temps faire effort par la mere. 

Daß der Kaifer fein Vorhaben gegen Algier aufe 
gab und über Sicilien nad Neapel zurüdkehrte, hatte 
feinen Grund namentlih in den Verwickelungen, in bie 
er abermals mit Kranz I. von Frankreich gerieth; doch 
nehmen auch die ungarifchen und türkiſchen Verhältniſſe 
fowie die Zuftände Deutſchlands feine Aufmerkfanteit 
im hohen Grade in Anſpruch. Dies beweift die vorlie- 
gende Correfpondenz. Nach allen diefen Richtungen hin 
entwidelt der Kaiſer in Verbindung mit Ferdinand und 
feinen Agenten eine lebhafte, das Ganze ſtets im Auge 
behaltenbe Thaͤtigkeit. 

Derjenige Theil der Correfpondenz, der fi über die 
o verhängnißvollen Jahre 1546 und 1547 verbreitet, 
eigt theils den Einfluß der Schmalkaldifchen Bundes⸗ 
enoffen auf die öffentliche Meinung Deutfchlands und 
er Schweiz, melden Einfluß Karl V. zu bekämpfen 
zebt, theils des Legtern anfängliche Verlegenheiten; fie 
tigt fodbann ein gewiffes Schwanten und Bedenken, ob 
ran den Conflict mit den Verbimdeten nur aus dem politi- 
hen oder zugleich auch aus dem religiöfen Geſichtspunkte 
ffaffen und danach verfahren folle; ſowie endlich eine 
hr ernfte, faft derbe Sprache, befonders gegen ben Her- 
g von Würtemberg, als die Wagfchale des Kriegs- 
üdes fich entſchieden auf die Seite des Kaiferd neigt. 
emerkenswerth ift Deffen Schreiben vom I. Auguft 1546 
ı die Eidgenoffenfhaf. Man erfieht aus demfelben 
ht Mar, wie man fich bemühte die Verbündeten als 
erleumder der faiferlihen Majeftät darzuftellen und fie 
sglichft auch auf diefer Seite zu ‚ifoliven. Die Ant- 
rt des Kaiſers auf Ulrich’ von Würtemberg Ent- 
uldigungs -» und Unterwerfungsfchreiben vom II. Dec. 
46 ift beinahe rachſüchtig zu nennen: dem fonft fo 
neffen und zurüdhaltend fhreibenden Monarchen ſcheint 

Siegesfreube das Gleichgewicht rauben zu wollen; 
drohendes Quos ego bringt ihn in Gefahr feine ge- 
mften Abſichten gegen die deutfchen Fürften, deren 


Offenbarung noch nicht gan, an der Zeit war, vorzeitig 
zu verrathen. Es ſchmerzt noch nach drei Jahrhunder- 
ten, deutfche Fürften, deutfches Land und Volk von einem 
Spanier — denn diefer war und blieb Karl V. durch 
und duch — fo behandelt zu fehen. Zwar ward mit 
dem Herzöge zu Ulm ein Vertrag abgefchloffen *) im 
Jan, 1547, aber mit der im Stillen genährten Hoff- 
nung, der Herzog werde den Vertrag nicht halten, fo- 
dag man dann jeder Schonung und Rüdficht überhoben 
fei: der Erzherzog Marimilian follte in diefem Kalle bas 
erledigte Herzogthum erhalten. Es war dies ber alte 
Plan der Habsburger im Herzen Deutfchlands feften 
Fuß zu faffen. 

Mit der Zuverfiht auf einen vollftändigen Sieg 
wächft die Abneigung des Kaifers gegen Verzeihung und 
vermittelndes Einfchreiten eines Reichstags. Daher wird 
das Entihuldigungsfchreiben des Herzogs Philipp von 
Barnim und Pommern zurüdgewiefen mit der Drohung, 
dag nach Gebühr gegen ihn verfahren werben fol. Und 
in dem Schreiben vom 2. Febr. 1547 erflärt Karl fei- 
nem Bruder ganz offen, daß die Abhaltung eines Reiche- 
tags nicht eher eintreten dürfe als bis die Geächteten ver- 
tilgt wären. Dann hoffte er als Sieger ohne Oppofi- 
tion feine weitern Pläne durchfegen und ihnen die reiche» 
taglihe Sanction verfchaffen zu können. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Zur Zagedliteratur. 


Der Streit über Emancipation der Schule von der Kirche, 
wenn er nicht vorzugsweile gegen die äußere Oberaufſicht der 
Beiftlihen geführt wird, hat feinen Grund und Boden in der 
Thatſache, daß der Religionsunterricht auf den Schulen nicht 
genügt; und Die, welche danach nur Werftandesbildung den 
Schulen zur Aufgabe ftellen, diejenige, welche fie vor der 
chriſtlichen Kirche lange ſchon gehabt habe, urtheilen richtig, 
daß eine Vermehrung der Religionsftunden den Glauben 
nicht erziehen werde. Denn der Berftand ziwar fammelt und 
erkennt das Berfchiedene, und er mag fo durch die Berfchieden- 
beit der Stunden angeregt werden, aber für den Glauben, der 
die Einheit der Gemüther zur Bafıs hat, koönnen zerfireute 
Worte Feine Nahrung fein. Gleihwol muß er erzogen wer: 
den; er ift e8 gerade, den man neben den Unterricht als Re: 
fultat der Erziehung ftellen muß; Religion ift der wahre Idea- 
liömus. Wenn nun au dem in Ar. 293 d. Bl. ausgefprg" 
denen Gedanken einer gaͤnzlichen Trennung von Unterrichts: 
und Erziehungs, Neal: und Idealfchulen, welche Iegtere nur 
von der Kirhe ausgingen, für den Augenblid wenig Er: 
folg vorherzuſagen — wiewol was man unter Volksſchu⸗ 
len, wenn fie nicht allein als Unterrichtsfchule eines Stan⸗ 
des, der Arbeiter, die man dad Volk zu nennen gewohnt ift, 
was man unter Peſtalozzi'ſchen Waiſenhaͤuſern ſich vorftellt, 
gerade Erziehungsſchulen ſind, die Das thun ſollen was das 
unfittlich und gottlos gewordene Haus zu thun nicht mehr 
im Stande ift —: fo wären wenigftens, um das Gefühl der 
Gemüthseinheit der Menſchen ſchon in der erften Gemeinſchaft 
zu weden, in welche die Kinder der Menichen eintreten, allge 
meine, Gemüth und Glauben erwedende Anfprachen der Dis 
rectoren der Schulen bei paftenden Gelegenheiten vorzunehmen, 
damit dad Kind, welches urfprünglich von fi) nur als von des 
Menfchen Sohn weiß, auch im Gemüthe aus dem Glauben den 
Willen empfange, ein Kind Gottes zu werden. Dann nur 


*), Man vergl. den Brief bed Kaiferd an feinen Bruder Ferdi⸗ 
nand und dad Schreiben des Scepperus an Maria vom 5. Jan. 1943. 


1428 


werden die auf bie Schule folgenden Bemeinigaften, bie Nöirk: 
lichkeit von Bamilie und Staat, Rupen von ber Schule haben, 
und die Kirche wird als ber Grundfelfen des menfchlichen Seins 
fi bewußt werden und fidh als feſtes Land dem Streben auf 
der Woge ber Welt zeigen. 

Unfprachen der erwähnten Art find die 
I. Schulreden über Beagen der Zeit, von U. 8. D. Bilmer. 

Marburg, Elwert. 1846. Br. 8. 20 Nor. 

Sie Haben ald Grundgedanken: Yür den Chriſten find Die 
Kinder Kinder Botted ; für den Ghriften ift Ergiehung Gottes: 
dienſt; das Pirchliche Bewußtſein ift in dem Schulen & pflegen. 
Doß nun in den vorliegenden Reden eine ungebeugelte Über: 
eugung unummunden, nicht oßne Liebe ausgefprochen ift, wird 

iemand bezweifeln der fie ohne Vorurtheil lefen mag. An⸗ 
ders ſteht es um die Ginmwendungen. Auf die, daß in ber 
Sache felbft, in der Foderung der Erziehung zu Gott dur 
die Kirche, als die Befigerin der Wahrheit, getrrt worden, 
von Denjenigen ausgehend, welche Gott als das ewig Unfind⸗ 
bare und die Kirche als das ewig Unmögliche ſich vorftelien, 
it bier nit der Ort einzugehen; vielmehr auf die, daß bie 
Schule ein untaugliches Mittel zu folcher Erziehung fei. Als 
ſolche wie fie iR, ift fie es auch; nicht aber wie fie fein foll. 
Die Schulen find die Flüffe in das Meer des öffentlichen Le⸗ 
bens. Entſpringen nun die der Ratur aus der zerriffenen Ebene 
der Gegenwart? Aus der Einheit der Felfen fommen fie, und 
wenn fie Daher die Weihe der Liefe und den Willen zu fließen 
empfangen, dann erft durchſtroͤmen fie jeder für ſich verftändig, 
thätig die Ebene, jedoh nur um wiederum in eine äußere 
Einheit fih zu vereinigen, welche fehnfüchtig träumend um die 
auf der innern ruhenden Feſte fpielt und fi) Daran emporzu- 
ranfen ftrebt (Staat und Kirche). So foll der Geiſt des Kin: 
dea aus dem Glauben in den Berftand gehen und von er: 
fterm den Willen nehmen, hinauf nad dem Idealen zu fire 
ben. Es ift aber Mar, daß durch zertheilte Religionsftunden 
ſolche Erziehung nicht gegeben werten kann. Daſſelbe Urtheil 
ift auch aus 
2. Der evangelifhe Religionsunterridt in den Gynmafien. 
Ein Gutachten von W. Landfermann. Pranffurta. M., 
Brönner. 1846. 8. 15 Nor. 
zu entnehmen. Der Berf. Jprigt es ſelbſt aus: „Ein Haupt⸗ 
grund der häufigen Unwirkſamkeit des Religionsunterrichts in 
den Gymnafien ift gerade der, daß der Kehrer außer ein paar 
Religionsftunden Beine Berührungspunkte mit den Schülern und 
Beine Gelegenheit bat zu zeigen, daB eine geläuterte Weltbe: 
trachtung nirgend mit der chriſtlichen Wahrheit in Widerſpruch 
tritt, vielmehr erſt in dieſer ihre Vollendung findet.” Run 
aber fol doch wol der Religionsunterricht wirkfam fein, alfo 
müflen folche Berührungspunkte gegeben werben; es muß zu: 
vor der ganze Schuler, feine Seele, fein Gemüth erzogen wer: 
den zur Erkenntniß der in Ehriftus erfchienenen Wahrheit, des 
feften Untere, daß Er die Wahrheit ift und wir fie durch ihn 
haben. Diele Erkenntniß ift zu geben durch Entwidelung der 
Gefchichte der Sache felbft und MWiderlegung der fubjectiven 
Urtheite darüber, der eigenthümlihen Meinungen Ginzelner. 
Diefe pofitive und negative Thätigkeit büden die Richtungen 
der vorgefchlagenen Kirchenſchulen zum Glauben, zur Erkennt 
niß der Zußunfts ihr geht voraus die Volksſchule als. eine bloße 
Körperfchule, zur Gefundung und Kräftigung der Bafis alles 
menſchlichen Lebens und Deſſen worin der Geift gegenwärtig 
iſt; ihr folgt die Staatöfchule als Verfiandesfchule, für Er⸗ 
kenntniß ber Ratur, der Vergangenheit, in welcher der Ver: 
ftand der Here iſt (regnum hominis in natura). In folgen 
Formen Eonnen nur die Requifite des Religionslehrers von 
Rugen und Wirkſamkeit fein wie fie der Verf. aufftelt: „Wohl: 
begründete und umfafjende Kenntniffe in ber foftematifchen, ere» 
getiichen und hiſtoriſchen Theologie, vorzügliche Lehrgabe, bia- 
ektiſche Gewandtheit, —28 mit dem Entwickelungs⸗ 
gange der Philoſophie, mit ben Haupterzeugniſſen der ſchoͤnen, 


beſonders der vaterlaͤndiſchen Literatur, weil aus dieſer Du 
in unfeen Sagen bie d der obern Glaflen vorchais 
ihre Waltbetrachtung ſchoͤpft, weile der Religionslehrer al €: 
nen wefentliden Factor für die Wirkſamkeit feines Untertihu 
Betrachten und berüdfichtigen muß.” Was Hilft al dieferreik 
und großartige Befitz, wenn er nicht ebenfo großartig nf 
angelegt werden kann?! Die „paar Religionsſtunden“ gen 
nur Gelegenheit zu Wuchergeſchaͤften. ift der befkchesten 
Prapis nach bem Lehrer unmögluh zu bewirken, „wit vd 
eine — wenn auch noch fo vollkoumen dialektiſch mt. 
wickelte Darſtellung der chriſtlichen Wahrheit allem, fm 
dadurch, daß der der chriſtlichen Erfahrung entſpri⸗ 
hende Zuſtand in dem Geiſte bes Schülers herver: 
gerufen wird, dur em Gingehen auf die Thatſachen de 
natürlichen fittlichen Bewußtſeins und feine halbwaden, Wir 
chen und religidfen Bedürfniffe ben Schuͤler Befriedigung ve 
felben in dem Goangelium finden und ihn fo gu der ifſe 
chriſtlicher Erfahrung gelangen zu laſſen“. Im der Zen d 
das Bud überall vollkommen, aber leider das sunmum besca 
ift nur da, das summum malum in ber Praxis. Zu jede 
Unheil ſchlägt au das Auswendiglernen von Bibeliprube 
aus, zumal wenn ed „Thorheit tft, nur völlig Berſtandeni 
auswendig lernen laſſen zu wollen, da es einem Inhalt zar 
an dem auch ein männlicher Verſtand fort und fort zu dm 
behalte”. &o bleibt das Belsente immer nur auswendig. ir 
der Berf. fihlägt durch dieſes Urtheil feine eigenen Benie: 
gen todt. Wenn ber männliche Berftand ein Hecht hat mt: 
ahrheit umherzugehen und fie zu unterfuchen, dann if ie 
Religionsunterriht, d. h. eben Unterricht in der Wahrheit, :? 
unnüger Kram; die Wahrheit iſt jedoch nicht zu verſthe 
ſondern zu glauben; die Wirklichkeit (Ratur) iſt es, und nı 
aus Wahrheit und Wirklichkeit, Wergangenheit und Zehek, 
Verftand und Glaube, Freiheit und Gebundenheit kan ie 
Gegenwart, Ih, die Schönheit bilden und eine fördern: Fr 
nung haben. Der Berf. verlangt einen Religionsunterridt © 
Sinne der Kirche, nicht nad inbividuellem Belieben. Ti! 
fih bier um evangelifgen handelt, fo heißt, nad !ay u 
Sache, im Sinne der Kirche: im Sinne ber orthodoren I 
tei, nach dem Inhalt der Symbole. Daher urtheilt der Fi 
au: ,‚Der allein den Berbältniffen entſprechende Gun; de 
evangelifchen Religionsunterrichtse in den ymnafien if Te 
von dee Heiligen Schrift aufbauend auszugehen, in dieſer ta 
Schüler heimiſch zu machen, an ihr kin Berwußtfein on & 
und Welt und feinem eigenen Selbft während feiner 3 
Schulzeit ununterbrochen zu bilden und zu reinigen, ihn ® 
die Offenbarung der wahrhaften Weltordnung unb bi b= 
gende Kraft des Evangeliums finden zu laffen, und anf ii 
Grundlage in den obern Clafſen eine ſyſtematiſche Er 
u begründen, wo dann auch die Belenntnigfcpriften, inpe* 
eit das Augsburgiſche Belenntniß, ihren angemeflenen FA 
finden.” Aber — tant de bruit pour une omelette?' - 


(Der Beſchluß folgt. ) 





Literarifhe Anzeige. 
In meinem Verlage ift erfchienen und durch alle Buchhandlerat 
zu erhalten: 


Yaris und die Alpenwell 
V 


on 
Dhereſe, 
Verfaſſerin der „Briefe ans dem Süden“x 
Sch. Gr. 12. 1 Thlr. 26 Ngr. 
Reipgig, im December 1846. 


——— — 





Berantwortlicher Herausgeber;: Heinrich Brockdans. — Drud und Berlag von Y. . Dreockhbaus in Letpitg. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Donnerstag, 


24. December 1846, 





(Belhluß aus Nr. 357.) 


Im Anfange des 3. 1547 fah das nördliche Deutſch⸗ 
Land, insbefondere das Kurfürſtenthum Sachen, den Krieg 
wie eine unheilſchwangere Gewitterwolke büfter und drohend 
beranziehen. Die Entfcheidung ließ nicht lange auf fich 
warten: fie kam felbft fchneller als beide Parteien erwar⸗ 
tet hatten; fie fiel befanntlich bei Mühlberg am 24. April 
1547. In der Freude feines Herzens ſchrieb Karl am 
folgenden Tage noch aus feinem Lager an der Eibe an 
feine Schwefter Maria und verkündigte ihr ben leicht 
errungenen Sieg. Der Brief ift zwar nicht eigenhändig 
verabfaßt, aber, fügt er in einem kurzen Poſtſcriptum 
bei, „me remectant a ce quest dit”. Da biefer Brief 
bis dahin noch nicht befannt war und ihn folglich auch 
v. Langenn in feinem „Kurfürſten Morig” nicht unter 
den fo forgfältig berüdkfichtigten und zufammengeftellten 
Duellen mit aufführen Tonnte, fo werden es unfere Le⸗ 
fer gewiß nicht unzwedmäßig finden, wenn wir ihnen 
denfelben hier ganz mittheilen: 


Madame ma bonne seur, vous aurez entendu par mes 
precedentes portees par le Sr. de Humbercourt, mon par- 
tement Degher, et que javoye continue mon chemin sans 
reposer, et jusques a KXIme du present mois, que arrivis 
a Leitznich, et que a trois diverses fois este deffaictes 
XIIII enseignes de gietons du bauny jadis electeur de Saxen. 
Et le lendemain XXI partis dudit Leitznich et vins camper 
a trois lieues de Myesen, ayant entendu, que ledit banny 

estoit avec son camp en deliberacion de soy fortifier 
joinct a laditte ville quest au bord de la riviere de Lalbe, 
et saccommoder et servir du pont dicelle. Et pour ce que 
ledit jour estoit le Xe, quavois chemine avec tout le camp, 
comme dit est, me sembla debvoir reposer le lendemain 
>our si loccasion se fut addonnee de rencontrer lennemy, 
»stre plus frais, et aussi cependant recongnoistre le chemin 
»lus convenable pour lendomaiger. Et a cest effect se 
eirent ledit jour grandes escaramouches, ou il y eust plu- 
jieurs desdicts ennemys prins, et les aultres tellement pour- 
uis que en les chassant les myens courrurent jusques 
upres laditte ville qui donna tel estonnement audit jadis 
lecteur, pensant, que toute larmee les suyvoit, que soub- 
ainement sans en actendre plus de certitude habandonna 
ıditte ville et brusia le pont dicelle en telle haste, que 
lusieurs des syens neurent loysir de sortir, et entre aultres 
eux gentils hommes, freres de Hientzfeld, lung en son 
onseil et laultre de la maison, et aucuns commissaires de 


vivres. Etle soir ceulx de laditte ville se vindrent rendre. 
Et ledit ennemy enchemina ledit jour tout son camp deux 
lieues tirant au bas de laditte riviere en lieu fort avan- 
tageux, et mena ung pont de barques pour sa commodite, 
supposant, comme il est vraysemblable que sestant rendue 
le Myesen je prendroye mon chemin contre Wittembergh, 
et delaisseroye Torgau comme lieu non fort et de peu 
dimportance, et que en le sommant se rendroit facillement, 
Mais comme dez le mesme soir javoys entendu le chemin 
que ledit ennemy prenoit feis incontinent partir le pont 
que menoye, et dez le point du jour que fut le XXIII. 
marcher tout ledit camp contre laditte riviere droit ou vray- 
semblablement ledit ennemy pouvoit estre pour jllec jecter 
ledit pont, et fis user de telle dilligence, que environ les 
neuf heures du matin toute laditte armee, ayant ja chemine 
deux grandes lieues, arriva a quart de lieu pres du rivaige 
de laditte riviere. Et descouvrans le duc Dalve avec les 
chevaulx legiers trouvarent le pont desdits ennemys, estant 
de laultre coust dix enseignes de pietons pour la garde 
diceluy, qui tirarent plusieurs harquebusades pour empescher 
ausdits chevaulx legiers le p e. Quoy oyans les Es- 
paignols qui estoient a lavantgarde y accourrurent. Les- 
quels pour le mesme desir quils avoient eulx rencontrer 
avec ledit ennemy, encores que la bruyne avoit este grande 
tout le dit jour et commencoit seulement a sesclaircir, es- 
carramoucharent tellement, qui chasserent ceulx qui estoient 
sur ledit pont, lequel ils gaignerent avec grant perte des- 
dits ennemys qui le coupparent en trois parties, pensaus 
enmener lune au bas de leau; mais six desdits Espaignois 
se despoullarent deux desquels portarent en nageant leurs 
espees aux dens, et lung en arrivant aux barques tua trois 
et feit fuyr huict desdits ennemys dont partie fut tuee par 
larquebuserie questoit au bort qui tiroit si a menu, quelle 
ne donnoit loisir auxdits ennemys eulx servir de la leur. 
Lesquels pour renforcer leur gens et donner lieu au be- 
gaige et reste de leur armee de suyvre leur chemin, en- 
voyarent au bort de laditte riviere trois esquadrons de 
chevaulcheurs, qui furent si bien salves par larquebuserie 
espaignole, quils furent contrains fuyr jacoit quils eussent 
grosse artillerie et desja tire plusieurs coups; mais aucunes 
pieces de la myenne qui y arriva au mesme jnstant les 
feit prestement desloger. kt comme entrant lon serchoit 
tous moyens pour passer laditte riviere, lon trouva ung 
guey. Et encores que du commencement il fut dangereux, 
toutesfois aulcuns Kspaignols et houssars le passerent en 
nombre denviron XVIlI. Lung desquelles houssars sadvan- 
ceant meit luy seul aucuns dedits ennemys en fuyte, crai- 
gnant la suyte. Et continuant ion trouva ledit guey assez 
bon, que lors plusieurs des chevaulcheurs prindrent en 
crouppe chacun ung harduebusier, et passarent en meins 
de demy heure tedit duc Dalve, le duc Mauris et plus de 
quatre mil chevaulx et environ cinq cens desdits harque- 
busiers espaignolz qui poursuyvirent lesdits ennemys. Et 





1430 


cependant passa aussi le roy, monsieur notre frere, et moy, 
et se refeit ledit pont, et passa la reste de la chevalerie 
et jnfanterie espaignole. Kt donna lon la chasse ausdits 
ennemys qui prindrent la fuyte, et les poursuyvis environ 
trois lieues au trot telleyent quil estoit impossible, que les 
gems de pied des peyrent suywre. Et «afın ils furemt rat- 
taints par lesditg due Mauris et Dalve et chevanlix Iegiers 
et heussars en nombre environ XXII cens au pied dung 
bois, ou ils sestoient arrestes, et avoient dresses ung es- 
cadron des gens de pied, et devant jceulx ennemys ap- 
procher lesdits gens de cheval, tirarent tous joi 
leur harquebuserie. Et lors incontinent les feis charger 
par laditie chevalerie tellement, quils se meirent en des- 
ordre et entrarent au bois, lequel lesdits ducs avec iceulx 
ehevaulx legiers et houssass euviromnarent. Es furent leadi 
ennemys poursuys si vivement, quil y demeura mort plus de 
wil hommes et environ deux’ mil chevaulx sans les prison- 
niers qui sont entreg grand nombre et leur artilleris prinse 
avec toute la municion et leur bagaige. Entre lesquels 
prisonniers est ledit jadis electeur, et comme lon tient pour 
certain, son fils aisne tue, et prins le dur Ernst de Bruns- 
wyck, quest celluy qui print le marquis Albert de Brao- 
denbourg. Et a dure ceste chasse jusques a mynuit que 
suis seulement retourne avec le roy, notredit frere, et nos 
nepveurs ses enfans, saus y avoir perdu de mon goustel 
plus de sept ou huict hommes. Dont je nay voulu delais- 
ser djincontinent vous advertir, saichant le plajsir quen aurez. 
Nach diefem Briefe läßt Hr. Lanz aus einer Urkunde 
ein genaues Verzeichniß der Zruppengattungen bes kai⸗ 
ferlichen Heeres und deren Stärke folgen. Auf die Eor- 
refpondenz, die fi) auf Philipp von Heffen bezieht, kön⸗ 
nen wir unfere Leſer blos im Allgemeinen aufmerffam 
machen; finden aber beflätigt was Ranke bemerkt hat, 
daß der Kaiſer mehr über diefen Fürſten als über den 
gefangenen Friedrich aufgebracht war: Karl würdigte bie 
Wichtigkeit des Landgrafen gewiß richtig; er fah und 
fürchtete zugleich in ihm den thatkräftigern Mann, Ubri- 
gend ſchließt die Correſpondenz mit einem Schreiben bes 
Landgrafen an Heinrich II. von Frankreich, Datirt vom 
15. Juni 15475 es werden in demfelben die Gründe 
entwidelt, weshalb er fih zu einem Vertrage mit dem 
Sieger veranlaßt gefunden habe. Marhträglich find noch 
einige Auszüge aus der Correſpondenz des Kaifers, na 
mentlich mit feiner Schwefter Maria in den 3. 1536 
— 38, am Schluſſe des zweiten Bandes zu leſen; fie 
beziehen fich vorzugsweiſe auf ben Krieg mit Frankreich 
und deſſen rückwirkenden Einfluß auf die Niederlaude. 


Nach Beendigung unſerer vorſtehenden Mittheilung 
über den zweiten Band kammt auch der dritte Band, der 
den Schluß des ganzen verdienſtlichen Werkes bildet, in un⸗ 
fere Hände, Wir ſaͤumen nicht unſern Lefern auch über die⸗ 
fen Band einen Bericht zu geben, der aber um fo kürzer 
fein Tann, da in demfelben gleiche Cinrichtung und gleiche 
Grundfäge herrſchen wis in den beiden evften Bänden. 
Der äußere Umfang und fein hiſtoriſcher Werth iſt eben- 
falls von Bedeutung. Und man ann mit gutem Ge⸗ 
wiffen fagen: Finis coronat opus. Sonderbar muß es 
aber auch uns fo gut wie Hrn. Lanz erfiheinen, daß die 
Schmide’fche „Beitfcheift für Gefhichte” das ganze Unter- 
nehmen für eine Ilias post Homeros erffärt, da Mobert- 
ſon's und Ranke's Werte daffelde unnöthig gemacht haͤt⸗ 


ten. Selbft wenn man den Korber, den jüngft Lord 
Brougham um des Schotten Robertfon Släfe gewun⸗ 
ben hat, als verdient anerkennen und auf Schloſſer's 
Einwendungen dagegen Das verdiente Gewicht nicht legen 
will: fo wird bach jeder Kammer der Quellen, and denen 
Karl's V. Geſchichte zu fchapfen At, zugefichen mäflen, 
dag Robertfon in bedeutendem Nachtheile fand gegen 
einen Hiftoriter, der in unfern Tagen eine Biographie 
bed berühmten zu Schreiben unternehmen will. 
Und iſt es nicht auch von Bedeutung, fich bei einer fol- 
chen Biographie auf einen durch umfangreiche hiſtoriſche 
Grundlagen gefiherten deutſchen Standpunft zu ftellen? 
Was Hanke betrifft, To ift von Demfelben das Archiv 
zu Brüffel, aus dem auch Hr. Lanz feine Correfpoudenz 
gefhöpft hat, trefflich benugt worden. Allein abgefeben 
davon, daß das vorliegende Wert Mehr gibt als Ranke 
benugt hat, ift es denn nicht von Werth, der Geſammt⸗ 
heit der Hiſtoriker zur Beurtheilung und Benusung 
vorzulegen was bis dahin nur Einem zu ſehen und für 
feine Zwecke zu verwenden vergönat wart igens er⸗ 
öffnet uns Hr. Lanz bie Ausſicht, daß er feinen archiva⸗ 
lichen Forſchungen eine Fortfegung geben werde: denn 
die Quelle bi Karls V, Geſchichte ift noch keineswegs 
exſchöpft. Möge Wien von der Riberalität keine Aus⸗ 
nahme machen, die der Deraußgeber der Correſpondenz“ 
in fo veihem Maße anderwärts in Erfahrung brachte. 
Schließlich machen wir unfere Lefer ganz beſonders 
aufmerffam auf Die Correſpondenz vom J. 1552: fie if 
beimeitem bie umfangreichfte und wichtigſte bes ganzen 
beitten Bandes. Wer unmittelbar aus der Quelle er 
ſehen will, wie ſchwer Karl V. as die Befreiung ber 
beiben gefangenen Fürſten, Johann Friedrich's und Phi⸗ 
lipp’s, ging, welche Thaͤtigkeit er entwickelte und melde 
Springfebern er in Bewegung fegte, um fi) aus dem 
Nege zu befreien, womit ihn die damaligen Verhaͤltniſſe 
umftridt hielten, der muß jenen Theil der „Correſpondenz 
lefen. Das Sanze berfelben fchließt übrigens mit einem 
Briefe des Kaiſers, worin Diefer feinem Bruder die Nie 
beriegung der Kaiſerwürde und feine demnächite Ein⸗ 
fhiffung nad Spanien meldet. Wir beendigen unfere 
Anzeige nicht ohne ein lebhaftes Dankgefühl fir den 
Fleiß und Die Ausdauer des Herausgeber ber „Cor: 
refpondenz” ſowie mit dem Wunſche, daß wir ihm bald 
wieber auf diefem Felde der deutſchen Geſchichteforſchung 
begegnen mögen. Kari Zimmer. 


Zur Zagesliteratur. 
, (Beſchius aus Nr. Br.) 

Gegen eine „Richtung der Philoſophie, die, weil fie eine 
Atelich-eeligißfe Weltanfpauung nicht zuläßt und den Glauben 
an eine göttlide Leitung des Menfchengefchlachts vernichtet, 
verberblich iſt“, find: 

3. Über eine Schattenſeite unſerer Literatur, und über Die Br- 
mmung bex Univerfität, nad Dem Statut der Uni i 
eng. Zwei VProrertoratsxeden von G. Fr. Babmann. 

i Dormpedt, * a 8 7% . 

eraußgegeben worden. Die X ift ganz ſchoͤnz aber wenn 
der Berk. die Gelbfficht al das bemegende Prinrip der Zeit 








1831 


und Magend ausruft: „Die Beine Entdeckung, jeder 
-. ten eined Gedankens, jeder wigige Einfall, Alles muß 
us, und man Bann die Zeit nicht erwarten, bis man ihn 
uckt vor ſich fieht”: — glaubt er denn, er ftebe To hoch und 
ine fo große Autorität, daB man nicht auch diefelben Pfeile 
r “na ihn wenden koͤnnte? Mit einer im 3. 1838 enen 
:ctoratsrede loͤſcht man auch nicht das euer. Den „ijün- 
Gelehrten“ wirft er vor, daß fie nicht mehr in der „ftil- 
hi Forſchung ihr Glück finden”. Uber was Pönnen 
Irmften dafür, daB die Seit nun einmal von ihnen fodert, 
. bloße Gelehrte, fondern auch Staatsmaͤnner zu fein? 
n ich nicht ganz irre, wollten die „alten Claſſiker“ auch 
35 davon. Gerade wäre den Gelehrten zuzurufen, mit 
dee eifrigft in den Staat berniederzufteigen und die ma» 
le Spreu von der Tenne zu fegen, wenn fie davon wahr: 
zen. Nah dem Statut der Univerfität Jena fol fie das 
re, Schöne, Gute und Heilige nicht nur in fi) bewah⸗ 
—ſondern au immer mehr verbreiten. Es ift aber jegt 
mehr die Zeit, daB man glauben darf, für ſolche Ver: 
-ung genug gethan zu haben, wenn man einzelne Jüng: 
bildet: die Maſſen find Heute zu bilden; benn eben daß 
. diefe geiftige Bedürfniffe und geiftigen Befig haben, Das 
35 Unterfcheidende der Zeit. Die Univerfitäten müflen po⸗ 
. = je werden. Dahin deutet: 

> die Univerfität. uͤberblick ihrer Gefchichte und Darftellung 
.. xer gegenwärtigen Aufgabe. Bon Emil Anhalt. Iena, 

- Raute. 1846. Br. 8. 11%, Nor. 
.. Die Univerfität ifk die hohe Volksſchule, tagt der Berf.; 
;producitt das Volksbewußtſein. Es fragt fih nur wie? 
- Berf. verlangt fe organifirt als eine Schulgemeinte mit 
. derm Gemeinderechte, namentlich) Gleichberechtigung mit 
‚ andern Bollsgemeinde, und Autonomie, enthaltend Die 
. foren: und fludentifche Gemeinde. Jedoch möchte die in 
* Drganifation für den Zweck der Popularität von geringer 
- tung fein; vorzugsweife ift es die außere Beziehung. 
: Aue if die Foderung des Verf. von Wichtigkeit, daß „Alle, 
.- jebildet find und fich felbftändig weiterbilden wollen, die 
‚ afität müßten befuchen dürfen; es fei durchaus einfeitig, 
⸗Beſuch nur von der Gymnaflalreife abhängig zu ma. 
.. Es iſt dabei an die hohe Bedeutung zu erinnern, welche 
ngliſchen Univerfitäten in Folge ſolcher Einrichtung für 
eiſtige Kraft und Mannheit der Engländer erhalten ha» 
"Mit Einem Worte, die Univerfität hat nicht Eleven des 
. zungsbienfte abzurichten, fondern Manner zu bilden, und 
- Ränner bilden das Boll. Die Univerfität muß Dem zu 
: Hffentlih und mündlih werden. Das Weſen ihrer Of: 
chkeitiſt audgeſprochen. Der Mündiichkeit genügt fie 
. den Vortrag eines Sellegiums zwiſchen vier Wänden 
lange nidt. Im nachgefihriebenen Gollegienhefte wird 
- Ründlichkeit fofort abforbirt; fo hat Pie Univerfität gar 
-.. Daß es nicht laͤcherlich erfcheinen möchte, an die Weiſe 
innern, wie die großen Lehrer der Grischen berumreiften, 
sie Wohnungen der Menfchen mit Ideen zu befruchten, 
nan fidg bindrängte zu ihrer Mumndlichkeit und ſelbſt aus 
Geiſte des gemeinen Arbeiter, wenn folder damals war 
ie Gemeinkeit ift eine Beyeihnungsmanier der Gegenwart 
- der Enthuſiaſsmus für die Idee Funken ſprühte. Weldse 
ung ſolche Lehrtoeife vermag, Das glaube ich haben zur 
ige die kirchlichen Borgänge unfeter Sage gezeigt. Die 
igkeit von Beamten und Lehrern, ein Umbergehen im 
e ift nicht nur antike, fie iſt auch germanifdhe Weiſe — 
heute bei den oberften Richtern in England in voller be» 
der Kraft —; fie ift alfo eine menfchlihe Rothiuendigkeit. 
unter und ift Alles —— eingeſchult, eingekreiſt, 
ſeſſen; Alles bat feinen Sig und keinen Gang. Die Ge⸗ 
envereine, die unter fig efien, trinden und reden, gehen 
einen Schritt vom Haufe auf die Straße hinaus, felbit 
ı fie heute in Frankfurt a M. und morgen in Königsberg 
n. Die weltlichen Lehrer müflen in das Boll umertau⸗ 


chen; biefen Enthuſiasmus mögen fie von den geiftlidgen an⸗ 
nehmen, ber für dieſe ein Irrihum war, Der dentfche Fürft 
thäte das folgenreichfte Werk, welcher Hallen für Rhetoren 
baute, verſuchſsweiſe als befiere Mittel vor penniplvanifchen 
Gefüngniflen oder Armen « Suppenanftalten, woburd immer 
mehr und mehr die Gemeinheit zu einer breiten Straße ge 
Majtert würde, auf der die gememen Meinungen fich bequem 
tusmmeln Bönnten. 

Bliden wir in biefer Nacht zum Himmel und fehen was 
uns bringen 
9. Die Geſtirne und die Weltgeihichte. Gedanken über Raum, 

Zeit und Ewigkeit von F. Y. Breslau, Schulz. 1846. 
Gr. 8. 6 Rgr. 

Einen Traum! Eine Unmöglichkeit ; hoͤchſtens ein „grand- 
peut-dtre‘'! Denn möglih ift nicht, wie der Verf. fagt, Das 
was den Gefepen des Denkens nit widerfpricht: Bas ift lo⸗ 
giſch; ſondern Das was den Geſetzen der Erfahrung nicht wi⸗ 
derſpricht. Wenn alfo die ganze Schrift fi) darum handelt, 
daB Iemand, von den Sternen zur Erde bin ſich bervegend, 
je nachdem daß Licht von der Erde an die Drter feines Meg» 
raums gelangt, fo die Gefchichte der Beit auf der Erde vor 
feinem Auge ſich aufroflen ſaͤhe, und fo in gewiſſer Weiſe Raum 
und Zeit einen Bereinigungspunft in der Thaͤtigkeit dieſes Au: 

es hätten —: fo ift diefe ganze Vorſtellung fehr richtig ge: 
dloffen, aber aus unmöglihen Vorausſezungen. Denn ein 
Auge, morunter wir nur das menſchliche verftehen können, da 
wir von andern Nichts willen, kann nicht durch Wände und 
Mauern fehen, wie der Berf. ſchließlich felbfk berichtigt hat; 
es ift ihm nach feinen eigenen Worten nur zu thun gewefen um 
das Intereffe der Schönheit und den poetifchen Inhalt der An⸗ 
fyauung. Wer nicht Mehr fucht wird Dies finden; und viel: 
leicht einen dauerndern und unangefocdhtenern Inhalt als von 
irdiſchen Dichtungen. 


Haben wir uns doch ſo lange 
zu koͤnnen: Was iſt des Deutſchen 
Arndt durch die Schrift: 

6. Das Volkslied: Was iſt des Deutſchen Baterland? Wür⸗ 
digung deſſelben von Ferdinand Delbrück. Rebſt Zu⸗ 
ſchriften an E. M. Arndt und Erwiderung von ihm. 
Bonn, Marcus. 1846. Br. 8. 5 Ner. 

aufgefodert, fein eigenes Rind als einen ekeln Baftard zu ver: 

leugnen und zu verfioßen. Der Zabel des Verf. betrifft zwei 

Puunkte: erſtens, daß die Frage hätte bei den befondern Bök 

Bernamen beginnen follen, um zu zeigen, daß fie nur Benen» 

nungen einer Einheit, eines Weſens des deutſchen Baterlandes 

feien. Dieter Tadel wäre nicht ohne Grund, wenn er eine üb» 
handlung beträfe, die auf dem Wege der Entwicklung von 
der Wirklichkeit zur Wahrheit gelangen wollte, wie ettwa die 

Aftzonomen von der ſcheinbaren Sonne ausgehen. In diefem 

Sinne wäre die Lächerlichkeit des vom Verf. gegebenen Bei 

ſpiels, au fragen: Was if des Geiſtes Körper doch? If es 

der Kopf? u. f. w. mit Recht vorgeftellt. Aber des Geiſtes 

Körper tft ein Gegenftand der Wiſſenſchaft; des Deutſchen Va: 

tevland: des Willens. Der Dichter fragt nicht: Was iſt des 

Deutfchen Baterland ? weil er es nicht verfteht oder meint, Die 

Leſer verftänden ed auch nicht, fondern weil er weiß, daß die 

Leſer ed wollen, «8 ihnen werth und theuer iſt und er fie da⸗ 

ber durch diefe Frage fih und dem Gedichte günftig flintmt 

und fie anzegt dieſes Ju verfolgen. Das ift Bmett und Stuͤtze 
des Dichtkunſt. Der zweite Vorwurf tft Der, daß die enbliche 

Antwort auf Die anfängliche Frage nichts Befriedigendes gege⸗ 

ben, daß die Antwort des Liebes fei: Des Deutſchen Batekland 

ift ein Luftgebilde, eis Himgefpinuft, ein Anding. Hiergegen 
zumeift vertheidigt fih Arndt. Er hebt hervor, daß er zuerſt 
dem Leib des Baterlandes babe feftftellen wollen und dann in 
den befamnten Berfen: Wo FSreue bei w. f. w. deſſen Geift 
und Seele. Gegen bie Idee dieſes Verfahrens ift Nichts cin 
zuwenden; nur die Meinung der Dichters Wird heute nicht 


efreut, ungeftört fragen 
aterland? und nun wird 


1432 


mehr die öffentliche oder gegenwärtige fein; der „Pranıman- 
nen” Haß Hat heute keinen Anklang mehr und daher kann eine 
lieblofe Betrachtung ein LZuftgebilde erblidten. Heute zwar hat 
der deutfche Wille ein anderes Vaterland zu erftreben als ein 
Zranzmannen und Wälfhen feindliches. Aber defienungeachtet 
wird durch ein paur Worte einer Kritik Erinnerung und Liebe 
zum Gedichte nicht ausgelöfcht werden; fchaffe der Verf. der 
Kritik etwas Befleres, dann wird er dem Gedichte fih gegen: 
überftellen Fönnen, weiches, wie jedes Volkslied, über der Kri- 


tie ſteht. $- Rarquard. 
Bibliographie. 


Auerbach, B., Der Gevattergmann. Volksbuch für 1847. 
Iter Jahrgang. Mit 34 eingedrudten Holzfchnitten. Braun: 
ſchweig, eſtermann. 8. Rgr. 
d'Avalon, C., Anekdoten aus dem Leben Rapoleon Bo: 
naparte’8 und aus der Seit des franzoͤſiſchen Kaiſerreichs. 2te 
aufiage. Ifteß bie 4tes Heft. Quedlinburg, Bafle 16. 
gr. 

Bleffington, Gräfin, Romane und Rovellen. ige 

Er Strathern I. Ifted Bändchen. Mannheim, Hoff. 


Nor. 

Burdad, K. F., Anthropologie für das gebildete Publi⸗ 
fum. Unter Mitwirkung des Verfaſſers umgearbeitet und neu 
herausgegeben von deſſen Bohne Prof. E. Burdach. 2te ver: 
mebrte Auflage mit 3 Kupfertafeln und zahlreichen in den Text 
eingedrudkten Holsfchnitten und dem wohlgetroffenen Portrait 
bed Sn erfafler®. Iite Lieferung. Stuttgart, Becher. Br. 8. 


gr 

Entftehungs- Kunde der vier Eangelien (von G. A. Fled). 
Wittenberg, Zimmermann. 8. 

Frauenroſen. Eine Sammlung re ihönften Frauenbilder, 
nach Zeichnung von Decker und Andern, in Stahl geſtochen. 
Mit Text von I. N. Vogl. Ifte Lieferung. Wien, Tendler 
und Schäfer. Gr. 4. 20 Ngr. 

Fuchſ's, H. C., komiſches Heldengedicht der Muͤcken⸗ 
krieg. Rad der Ausgabe von 1600 und 1612 mit einer Ein- 
leitung herausgegeben von 5. W. Senthe. Neue Ausgabe. 
Eisleben, Kuhnt. 8. OR 

Be Neueſte hhwaãnke zur Polterabend-Feier. 

Harnecer u. Comp. Kl. 8. 15 Ror 

Gaede, ZJ— W., Napoleon's Geſchaͤftsträgerin, oder: Die 
Seheimniffe von Danzi Ein geſchichtlicher Roman. 2te Auf: 
lage. Ifte und 2te eieferung. Berlin. 8 7, Nor. 

Komifher Hausfhap für die ganze Welt. Eine Summ: 
lung des Neueften und Ausgezeichnetften zum Vortrage in ge 
[eligen, reifen. Iftes Heft. Berlin, Hofmann und Comp. 

» ’ gr 

Kehrein, 3., Die weltliche Beredſamkeit der Deutfen. 

Beitrag zur Biteraturgefchichte. Mainz, Faber. Gr. 8. 15 Rer. 
Dffentliche Leiftungen und ftilles Derbienft. (Von Paul 
Ingmerfen.) —E Lehmkuhl. Gr. 8. 6 Nor. 

Lichtenftein. Oper in fünf Aufzügen. Zert nah W. Hauff 

von 2 Bin elftedt. Mufſik von Lindpaintner. Stuttgart. 
Rer. 

Binden ‚ 8, Erinnerungen eines Soldaten aus den Zelb- 
zügen der Königl.-Deutfchen Legion. Mit einem Borwort von 
Paftor F. ©. F. Schläger. Hameln. Gr. 8. 20 Kor. 

Loewenberg, 3., Die Geſchichte Preußens in gebunde: 
ner Rede. Mit 4 illuſtrirten biftorifigen Karten und 3 Zabel- 
in. Berlin, Hofmann u. Comp. Qu. 4. 20 Nor. 

Maurus, Rhabanus, Die Mufti-Wahl in Stambul, 
eine Komödie. Freie Überfegung. Wltenburg, Helbig. Gr. 8 

gr- 

Ratio, ©., Über bie Sicherheit der Meß» und andern 
Fundationen. Ein ag be g aus einer noch ungebrudten Schrift: 
Ueber die Berwaltun e hen Didcefe Breslau. Alten⸗ 
burg, Helbig. Sr. 


Weyl, 
Genrebild. PB: 
12. 10 Rer.. 


Zagesliteratur. 


Adreffe der großen Mehrzahl der Mitglieder der Br 
Lauer Ifraeliten » Gemeinde an Herrn Dr. 8. Freund. Bi 
lau, Trewendt. Lex.8. 1 Ror. 

Abthaus, T., Eine Rheinfahrt im Auguſt. Da Si 
nern, den Sgleewighoifte inern und Allen die den Rhein kıke 
gewidmet. Bremen, Schünemann. Gr. 8. * Xgt. 

Apelt, E. F. Wie muß dad Glaubensbbekenntniß beibd 
fen ſein, das zur Bereinigung aller Eonfeffionen führen ki! 
Jena, Hochhauſen. gr. 

Bayrhoffer, Das wahre Weſen ber gegenwärtig r 
Haiöfen Acformation in Deutichland. Mannheim, Hof. Er 


Rgr 

Belani, H. € R., Geſchichte des —— 
der Freiſchaarenzüge in der Schweiz. Dem deutſchen Iık 
erzählt. ———— und Bartiegung zu Duller's: „Icnte‘ 
Berlin, Schulge. For. 

Büchſel, C., “ron ver otteskraft des Evangdım © 
Eprifto. Antritts - Previgt am a ntage Rogate gehiker 
Berlin, Thome. Gr. 8. 2, NR 

Gaffander, 7 Die Battin Gemälde alla pm 


‚ Medbenhagen auf dem Berliner Corſo. Ya 
Titelkupfer. Berlin, 3. Schmidt. 145 


ion, — Gr. 8.5 
Horarik’ s, ” Kampf mit hi 
den Jahren 1841-45. Leipzig, Jurany. 1847. & IT“ 

Neger. 

Löfh, E., Predigt am grndtefet über Haggn ! ° 
Nürnberg, Korn. Gr. 8. 

Mündhmeyer, € 9. —* "ritifge Blicke auf u R 
dieinalwefen Deutſchlands im Allgemeinen ze. Lüneburg. E 
gel. Gr. 8. 15 Rgr. 

Proteitantismus und Pietismus. Zur Eharakterif! 7 
kirchlichen Verhaͤltniſſe unferer Zeit namentlih in Bi 
berg. Ein freies Wort an Geiſtliche und Rictgeifli 
— württembergifchen Theologen. Baden, Zehnder. —* 


gr. 
Schauer, I. K., Die jegige Jahreszeit — ein sch 
— que Beichen Gottes —E I, Hoobeere 


* Sieben m über die geiftfihen Werke der **8 
keit, insbeſondere über chriſtliche und häusliche Erziehung. © 
einem romiſch Eatbotifhen Geiſtlichen. Wacen, Ha? 


Comp. * 

— eißefpiebe und kosmoͤpolitiſche Habe“ 
bom ‚Pilenprovifer 2. te Auflage. Berlin, Hr 

Balenti, de, Beantwortung einiger Grund: —X 
bensfragen, die neueſten Eichen eigniffe im Kanten 6% 
betreffend. wa Gr. 8. Nor. 

Wunder, €. Veirer am —— — 
Landesſchule zu Grimma am 14. 
Verlags: Eomptoir. Pi 8. 3 Kar 

itifch, H. D., Mein Glaube bei des Glaubens F 

ren. Eine Beformati abe am 31. Det. 1846, Gral 
Berlagdcomptolr. 3 Ror. 


Berantwortiicher —— : Seinrich Srockdans. — Dructk und Berlag von FJ. de. Brockhans in Beine. 





Blätter - 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Freitag, 


7 Nr, 359, —— 


25. December 1846, 





Sriedrih Karl Freiherr von Mofer. 
Feiedrich Karl Freiherr von Moſer. Aus feinen Schriften 

fein Geiſt an das 19. Jahrhundert. Bon Hermann vom 

* u 14 “ Stuttgart, Hallberger. 18465. Gr. 8. 1 Thlr. 

„re. 

Es geht mit dem Organismus der Weltgefchichte 
wie mit jebem andern Organismus: wenn er einen 
Wachsknoten bildet, um einen neuen Schößling zu trei⸗ 
ben, fo fammelt er eben in dieſem Punkte feine ganze 
Lebenskraft, und es zeigt ſich dann recht deutlich, was 
ein folder Organismus bisher Kebendiges gefchaffen hat, 
was in ibm wirkende Kraft war; benn Dies bricht durch 
bie harte Scholle, durch das Geröll und ben Schutt der 
Jahre hindurch als frifcher, Träftiger Keim, der ſich zum 
weitfchattenden, fruchtreihen Bauͤme entwidelt. 

Daß unfere Gegenwart aber eine folche Zeit bes 
Keimens, ein neuer Sproß ber Weltgefhichte werben 
wird, mag wol Niemand mehr leugnen; daß dazu aber 
auch große Anftrengungen, harte Kämpfe und ſchmerz⸗ 
volle Krifen nöthig find, daß fieberhafte Aufregungen 
nicht fehlen, darf gleichfalls nicht geleugnet werben. 
Wenn man daher bier und da bie Geſetze des Kampfes 
verlegt, wenn man in Ertreme ausfchweift, fo darf man 
ver Geſchichte und ihrer Bewegung keine Vorwürfe dar⸗ 
ıber machen, weil Dies nur dem Einzelnen zur Laſt 
ällt, welcher dadurch ſowol dem Weltgericht der Ge⸗ 
chichte, noch mehr aber dem feiner Gegner unterliegen wird. 
zertritt ber Einzelne jedoch nicht feine Privatintereffen, 
ındern allgemeine, findet er Beiftand von Gleichgeſinn⸗ 
n, macht er Partei, fo ſteht er auf weltgeſchichtlichem 
zoden, von bem ihn weder Policei noch Gewaltmaß⸗ 
geln verdrängen dürfen noch konnen. In flürmifchen, 
ach Fortgeftaltung ringenden Zeiten ift es aber nicht nur 
flicht eines jeden Einzelnen, feine Stimme offen abzu- 
ben und fi zu Gleichgeſinnten zu fcharen, fendern 
ann muß aucd bie Lebenskraft der ganzen Gefchichte 
lbſt auf Einen Punkt concentriren, indem man an die 
ergangenhelt antnüpft und barftellt was bie Vorfah⸗ 
n gewollt und errungen haben, damit der Organismus 
er Geſchichte nicht geftört, die natürliche Entwickelung 
{mehr gefördert werde. 


Da nun die beutfche Geſchichte wieber eine volks: 


thümliche werben will, welche den Liberalismus zu einer 
welthiſtoriſchen Geftalt verarbeitet, da fie die Conſequen⸗ 
zen ihrer großen neueften Vergangenheit im Ernſt zu 
ziehen beſtrebt ift, fo ift e6 ganz natürlich, daß fie auch 
die Borkämpfer für deutfche Nationalität und Volksfrei⸗ 
heit dem Volke vorführt, um es durch dies Hinanziehen 
in den gefchichtlihen Proceß bes beutfhen Volksbewußt⸗ 
feins für die Gegenwart zu erziehen, zum Kampfe zu 
weihen unb zu begeiftern. 

Unter biefe Vorkämpfer der Volksrechte und des 
Volksthums gehört vor Allen aber Mofer, Deffen zwar 
in der Literatur. und Gulturgefchichte oft Erwähnung 
getban wird, der aber im Allgemeinen doch nur Went- 
gen näher befannt fein mag, fobaß es ein verbienftliche® 
Werk des Herausgebers ift, den deutſchen Patrioten ei⸗ 
nen Auszug aus Mofer's Werken darzubieten. Freilich 
nur einen Auszug; denn Mofer's Werke find theils zu 
zahlreich, theils enthalten fie Vieles mas für unfere Zeit 
ohne Intereffe, was nur Geſchichtsforſchern zu wiffen 
nöthig iſt. Es finden ſich aber dennoch fo viel Trefflt- 
ches und Bediegenes, fo viel echt deutfche Biederkeit und 
Kraft, fo viel Ausfprüche, welche wie auf unfere gegem> 
märtigen Juftände gezielt zu fein fcheinen und zwar in 
einer Darftelung, die jegt kein Cenſor würde paffiren 
faffen, daß es ein großer Verluft wäre, wenn Mofer’s 
Gedanken dem Volksbewußtſein fernerhin moch unbefannt 
bleiben follten. Zugleich erhalten wir aber auch dur 
bie Lecture der Moferfhen Schriften den befhämenden 
Beweis, wie wenig wir im Grunde, trog aller officiellen 
Berfiherungen von ben riefenhaften %ortfchritten ber 
Zeit, vom Flecke gefommen find, wie nur bie Zeit, nicht 
aber das Volk in feiner Bildung fortfchritt, wenn man 
unter Bildung nicht die engbrüftige Schule, fondern die 
Volksbildung in ftaatsbürgerliher Hinficht verfteht. 

Weit jede Volksbildung eine nationale, eine fittlich 
ftaatlihe fein muß, fo will ich den Vereinen für Volks⸗ 
bildung und Volksbibliotheken das vorfiegende Buch zue 
weiteften Berbreitung dringend empfehlen. Unfer Bolt 
beag kraͤftiger Speiſe, es muß zum Bewußtſein ſei⸗ 
ner Geſchichte und damit ſeiner ſelbſt kommen, es muß 
ſeine Zuſtaͤnde und ſeine Intereffen kennen lernen. Wer 
ſollte aber hierzu geeigneter ſein als unſer Moſer, dem 
dieſe Selbſterkenntniß fo ſehr in Fleiſch und Blut über- 





1434 


gegangen war, daß fie bei ihm zur feſten Gefinnung, zu 
fitelicher Tchatkraft geworden war? 

Der Herausgeber hat biefe feine Aufgabe fehr wohl 
begriffen, indem er fagt (&. vn): 

In diefem Sinne (wenn Manche Das ald Richtrevolution⸗ 
nair zu billigen und zu lieben begannen, was fie biöher ald Revo: 
Iutionnair betrachteten und ganz natürlich haßten) will Die be 
Vehrende Stimme des vorigen Kabrbunderts, welche in diefer 
unferer Schrift erfchallt, Laut werden und fi) erneuern. Leh⸗ 
ren und ernft auffodern will fie zum Fefthalten des Guten, 
zum Erringen ded Beflern, zum Vertilgen des Schlechten. 
Sie will beitragen zum allgemeinen Beten, fie will nügen. 

- Um Mofer richtig zu beurtheilen, muß man feine 
Zeit und feine Schidfale fennen, weshalb Beide vom 
Herausgeber vorausgefchidt ift, wofür man ihm um fo 
mehr danken muß, da bie Schidfale der beiden Mofer, 
bes Vaters und Sohnes, in neuefter Zeit ihre Gegen- 
ftüde gefunden haben. 

Mofer’s Bater, Zohann Jakob Mofer, lebte 1701 
—85, war Lehrer und Begründer des deutfchen Staats⸗ 
sechts, wurde aber wegen feiner rechtlichen Gefinnung 
und unerfchrodenen Bertheidigung der Volksrechte als 
Landfchaftsconfulent von dem „tyrannifchen ” Herzog 
Karl von MWürtemberg am 12. Juli 1759 verurtheilt 
in Hohentwiel gefangen gefegt zu werden, „damit“, wie 
es im Decret hieß, „feine Sache durch die allerfchärffte 
Inquiſition unterfucht werde, weil alle Meine bisher ge- 
gen ihn erlaffenen Refolutionen Nichts gefruchtet, fon- 
dern die Landſchaft mit refpectwidrigen und ehrenrührigen 
Schriften fortfährt”. Zugleih wurde unfer Mofer, weil 
er der Sohn des Verurtheilten war, ohne Verhör caflirt 
und ihm fogar die Erlaubniß nicht gegeben, die angebo- 
tene Oberhofmeifterftelle beim Fürften Yfenburg anzuneh- 
men. Erſt nad) drei Jahren durfte der brotlos Gemachte 
außer Landes gehen. Sein Vater wurde während ber 
Zeit auf Hohentwiel wie ein gemeiner Verbrecher behan- 
delt, durfte vier Jahre lang fein Zimmer nicht verlaffen, 
entbehrte jede Bequemlichkeit, ja nicht einmal ein Pre- 
diger wurde zugelaffen als Mofer dem Tode nahe zu 
fein ſchien. Als ihn die Gicht dermaßen beficl, daf er 
Krücken gebrauchen mußte, wurbe ihm nicht einmal ein 
Wärter bewillig. Erſt 1763 erlaubte man ihm, in 
Begleitung eines Dffizierd auf den Wällen fpazieren zu 
gehen. Als Unterhaltung wurden ihm eine Bibel und 
Steinhofer's „Evangelienpredigten” gegeben, bie Schreib- 
tafel Hingegen, welche ihm feine Gemahlin fandte, wurde 
ihm ohne Schreibftift überliefert, ſodaß Mofer mit ber 
Spige feiner Schuhfchnalle und mit dem Stiel eines 
fübernen Löffeld auf das Pergament, dann auf die wei- 
fen Linien zwifchen den Bibelzeilen, auf die weißen Strei- 
fen der Briefe, welche der Kommandant zuvor freilid 
erſt ſtark befchnitt, und endlich mit der Kichtpuge, welche 
er zu diefem Zwecke an dem eifernen Ofen fchärfte und 
am Eichenftuhl polirte, an die Wand fchrieb. Auf diefe 
Weiſe ſchrieb er fo viel Lieder, daß fie fpäter 114 Druck⸗ 
bogen füllten. Währenddem verwandte fich Kriedrich 
ber Große und auf feine Auffoderung auch England und 

Dänemark vergeblid, in Wien für Mofer’s Freilaffung; 


erft als die Landfchaft ſich 1764 beim Reichthoftath k 
ſchwerte, „daß es bei den von böfen, Herren und Lan 
Thädlihen und ungetreuen Rathgebern ertheilten violenm 
consilüs um weniger nicht al& um gänzliche Zernichtung un 
Mundtodtmachung derjenigen landftändifchen Mitglieder y 
thun fei, welche für die Aufrechterhaltung ber Tandflinbiite 
Gerehtfame zu wachen mit ſchweren Eiden belegt fein‘, 
erging vom Herzog die Ordre, Mofer zu entlaffen, „mum 
er diefe Entlaffung als eine unverdiente Gnade erkenn, 
um Solches nochmalen ſchriftlich unter Bereuung fra 
großen Fehler und Vertehungen bitten, auch einen k- 
reitd im J. 1759 anerbotenen Never ausftellm wir. 
Mofer weigerte fi) diefe Bedingungen einzugehen, & 


er weder Verbrechen begangen noch überhaupt mil, 


weshalb er eigentlich gefangen fige. Zu gleicher Zeit de 
fahl der Neichshofrath Moſer's Freilaffung, welche da 
Herzog 1764 auch bewilligen mußte, nachdem Hk 
eine Caution unterfchrieben und nebenbei erfahren Mit. 
daß er „megen erheblicher und wichtiger, auch vornde- 
lich befonderer Staatsurfachen wegen’ gefangen gefatin 
Im 3. 1770 wurde Mofer mit 1500 Gulden Piss 
aus feinem Amt ald Landfchaftsconfulent entlaffen. 
Welchen Einfluß ein folcher Vater auf einen tler 
vollen Sohn gehabt hat, fpricht Diefer felbft auf: 
Ich hatte das Glück, in meinem Water zugleich mrz 
Freund und Führer zu haben, von ihm felbft geleitet wi 


von früher Jugend an in die Grundfäge der Rechtſchafftchen 





in die Geheimniffe des wahren Patriotismus eingeweiht u ra 


Noch mehr aber als feine Lehren und fein Unterridt lud 
mir auf dem Wege meines Lebens fein Beifpiel vor. Ku 
(1786) felbft meinem Ziele nahe, nun felbft Mann unt Im 
(63 Jahre alt) darf ich, nad) allen Abwechfelungen med Er 


bens, nach allen Berirrungen, wozu mid) Eigenliebe air 


muͤthigkeit, VBorurtheile und Leichtgläubigkeit, Mani 


Fürften:, Welt: und Menfchenkenntniß, falſches Bertrand 


mich felbft und auf Andere zuweilen verleitet, mir neh I 
feinen Ermahnungen und Vorbild nicht untreu, von dem mr 
ren patriotifhen Glauben nicht abtrünnig gemorden zu IM 
der Wahrheit, dem Gewiffen, der Pflicht gegen Geſeh un & 
terland, wie er, ebenfalls mein reines Dpfer gebradt zu huc 


Mit froheſter Ergießung eines dank: und empfindungiri® 


Herzens darf ich ed für mein erites zeitliches Glüd Ihe 
der Sohn eines ſolchen Vaters zu fein, darf mid, bei de 
Ungemache, das auch mir um der Wahrheit und des Gain 
willen zu Theil geworden, feines frommen Segens ef 
und bei minderm Umfange von Verdienften dennch ım X 
Racheiferung willen einft in der deuffchen patriotiſchen tar 


gefchichte das fchöne Zeugniß hoffen und erringen: Bat 
u 


nd Sohn. 
Wie fih nun Vater und Sohn im bieberer, cm 
bafter Geſinnung, in’ der Feſtigkeit bes Kampfe ſe 


Recht gleich waren, fo traf den Sohn wie den Far 


die Rachſucht und Bosſheit der kleinen Höfe, fe Y 
auch unfer Mofer Viel deshalb Leiden müffen, mei ie 
Hflicht mehr galt als Fürftengunft, und Recht ihm M 
liger war als Hab’ und But. u 

Nachdem Mofer in Jena fiudiet hatte, ward er !:! 


im 24. Lebensjahre Kanzleifecretaic des Landgrafen t' 
rich von Heſſen Homburg, zwei Jahre darauf da | 


worauf er und fein Vater in Hanau an ber Su 
und Kanzleiakademie angeſtellt wurden, von wo jan®” 





10885 


ter 1751 nach Wurtemberg als Landſchaftsconſulent ging. 
Da der Landgraf zu gleicher Zeit flarb, fo nahm feine 
Gemahlin Kari Mofer in Dienft, bis ihn Ludwig VII. 
von Heffen-Darmftadt zu feinem Legationdrath in Frank⸗ 
fürt machte. Sm 3. 1759 fchrieb Mofer hier fein be- 
ruhmtes Bud „Herr und Diener”, trat 1763 in heffen- 
kaſſelſche Dienſte als Geheimrath, ward 1766 kaiſer⸗ 
licher Reichhhofrath und von Joſeph 11. in den Frei⸗ 
herrnſtand erhoben, nachdem Franz J. ihn und feine 
Brüder 1763 in den Adelſtand erhoben hatte. Da 
Moſer ſeit 1770 die Grafſchaft Falkenſtein verwaltete, 
mithin in der Nähe Heſſen⸗Darmſtadts war, fo ward er 
dorthin 1772 als Prafident und Kanzler berufen, um 
1780, nachdem feine Gönnerin, die verwitwete Land⸗ 
gräfin, geftorben ıdar, aus dem öffentlichen Staatsdienft 
entlaffen au werben. Moſer's Geradheit, Pflichttreue und 
Mediichkeit hatten ihm an dem fittenlofen Hofe viel 
Feinde gemacht, welche jetzt offen hervortraten mit aller- 
ei Verleumdungen und dadurch den jungen Landgrafen, 
velcher Mofer foeben ein treffliches Entlaffungszengnif 
jegeben hatte, dermaßen gegen Moſer aufhesten, daß er 
ia) drei Jahren von Mofer einen Nachweis über Ver—⸗ 
yendung von 98,000 Gulden verlangte und in Folge 
iefe6 Proceffes den Umgang mit Mofer und feinen 
Jrüdern verbot. 

Hier hebt Mofer’s lange Leidensgefchichte an, ein 
ampf gegen Intriguen, Cabalen, Gemaltftreiche und 
'erleumdungen aller Art, gegen welche Moſer weder 
ine Unbefcholtenheit noch das Neichöhofgericht zu ſchützen 
rmochten. Vergeblich war Mofer’s Bitten um Ge 
Htigkeit; er wurde ohne Urtheil und echt Landes 
rwieſen, mußte feine Habe unter dem Preiſe verkau- 
, um in Wien fein Recht zu fuchen. Von bier aus 
de der Landgraf zwar angehalten, über Mofer in 
jtlicher Form Gericht zu halten; aber diefer Befehl 
ı nur zu neuen Gewaltthaten gegen Mofer Anlaß, 
che der heffifche Hof unter rechtliche Formen zu ver- 
'en wußte. Es fand ſich eine Commiſſion zu Gießen 
ie zur DBerurtheilung, welche ihre Gemiffenlofigkeit 
chamlos trieb, daß fie weder die Acten benugte noch 
Verklagten verhörte. Außerdem drüdte man Mofer 
alle mögliche Weife, legte ihm Stillſchweigen über 
Verurtheilung auf, weigerte fih ihm bie Acten 
legen und confiscirte feine Güter. Um nur Ruhe 
aben, bat Mofer den Landgrafen mehrmals inftändig 
Zurüdnahme des Proceffes, weil er gern Unrecht 
ı wolle; aber diefen Wunfc eines bedrängten, mübde 
ten Mannes legten die Höflinge für Schwäche aus 
wurden nur noch frecher und übermüthiger, ſodaß 
e feine Erklärung zurüdnehmen und fi) nochmals 
Wien mit der Bitte um Rechtfehug wenden mußte. 
deichshofrath verwarf das ganze heffifche Verfahren; 
ennoch wurde Mofer’6 Lage immer drüdender, fo 
: wiederum erklärte, um Ruhe zu haben wolle ex 


nur fein Vermögen opfern, fondern fi) auch dem 
gsarreſt unterziehen, wenn es der Landgraf auf 
Er felbft wolle fi auf ! 


jewiffen nehmen wolle. 


ber Feſtung fein legtes Thraͤnenbrot verdienen, bock folle 
man ihm zmei Dienftboten mitzunehmen erlauben. Die 
officielle darmftädter Zeitung pofaunte Das als Be 
weis für Mofer’s Schuld auf eine fo unverfhämte Weiſe 
aus, dag Mofer fich genöthige fah, feine Erklärung zu- 
rückzunehmen. Der Reichshofrath übertrug den Procef 
der fieler Univerfität, welche Mofer freifprach; da aber 
der Landgraf hiergegen appellirte, fo zog fid) der Proceß 
in bie Länge. Endlich ftarb der Landgraf (1790) und 
fein Nachfolger ſchlug fogleich beim Antritt der Regie- 
tung den Proceß nicht nur nieder, fondern entfchädigte 
Mofer für die erlittenen Verluſte und gab ihm eine Pen- 
fion von 3000 Gulden. Mofer lebte von 1780 — 83 
auf feinem Gute Zwingenberg, von 1783—90 zu Man- 
beim und von da bis zu feinen Xode 1798 zu Kub- 
wigsburg, indem er fich mit literarifchen Arbeiten be- 
ſchäftigte. 
(Die Fortſetzung folgt.) 





Der Sranzofe Bureaud- Riofrey über 
England. 


„ Das Werk über England von Leon Faucher ift in dieſen 
Blättern bereits beiprochen worden. *) Ein anderer Franzoſe, 
Dr. Bureaud:Riofrey, bat fi in feinem Werke „Londres 
et les Anglais“ einen ähnlichen obwol fpeciellern Gegen» 
ftand gemählt. Ein jahrelanger Aufenthalt in der Haupt⸗ 
ſtadt Englands als Arzt, die vielfachen Berührungen in die 
ihn fein Beruf mit allen Elaffen der Bevölkerung brachte, der 
ſcharfe Blick der Beobachtung welcher ihm eigen, gibt den 
Ergebniffen feiner Beobadptungen, die er in den beiden Bän- 
den feines Werkes niedergelegt hat, unferer Anfiht nach ein 
für die Beurtheilung englifher Zuftände weit genaueres Recht⸗ 
maß als die Schrift feines Landsmannes Leon Faucher, der, 
obwol mit anerfennungswerther Loyalität, doch Durch die Brille 
focialiftifcher Theorien die Zuftände jenes Wunderlandes der 
neuern Induftrie betrachtet und was er dort vorgefunden we: 
niger nach feiner geſchichtlichen Entwidelung und feinem Wefen 
als nach gewifien ideellen Unfoderungen der Gegenwart und 
den Bedürfnifien der Zukunft beurtheilt hat. 

Auch Bureaud⸗Riofrey ift damit einverftanden und legt den 
Grundfag feiner Beurtheilung der englifchen Juftände zu Grunde, 
daß von dem materiellen Wohlbefinden, bem materiellen Wohlftand 
eines Volkes die Kortfchritte in Gefittung, Bildung, Gefundheit und 
Stül im Allgemeinen abhängen; aber feine Beobachtungen in 
diefer Hinficht Laffen ihn gu dem Nefultat gelangen, daß eben 
England in erfterer Beziehung den größten Vorrat befigt und 
in nothwendiger Folge in Bergleih zu andern Völkern auch 
der legtern Güter in weit größerer Ausdehnung theilhaftig 
ift als diefe. „Meiner Meinung nach‘, äußert cr, „belehrt und 
die Befchichte viel weniger durch große Kataftrophen als durch 
das Studium des gefellfchaftlichen Lebens. Blig und Donner 
nehmen freilih unfere Aufmerkfamkeit gefangen; während wir 
auf der andern Seite nur zu geneigt find, die Pflanze zu über« 
fehben , welche langfam dem Boden entwädhlt, aber ten 
Menſchen mit ihren Fruͤchten beveihert. Mein Werl über 
London ſtellt die Gefellfchaft dar, wie fie durch eine Menge im 
Allgemeinen unbeobachteter aber nicht&deftoweniger vorhandener 
Umftände hindurchgeht: von einem Zuftande des Siechthums 
zu dem der Gefundheit, ven Armuth zur Wohlhabenheit, von 
Unterdrüdung zur Freiheit, von Vermilderung zur Gefittung.“ 
Er verkennt bie tiefern Übel die noch vorhanden find keines⸗ 
wege; nur ift er nicht fo befangen, ihren Urfprung der Ge⸗ 


*) Vergl. Ar. 29-236 d WI. D. Red 


% 
. 


genwart zur ſt „, Größtentpeite", h 
fehen bie Leute Die hen bios in ihrer Vollendung. Für 
e zeigt der Ubrenfeiger die Stunde bloß an, wenn die Glocke 

fe Ieplägt. In meinem Werke zeige ich die Stufen, auf wel- 

den England langfam aber mit Erfolg zu feiner hohen Be 

Kimmung gelangt iſt.“ Die beutfchen und franzöflihen So⸗ 

eialiften haben, um ihre Anfchauungen und Auffaflungen der 
efeüfcyaftlihen Lage der Gegenwart und ber zu deren Ber- 

Befferung nothwendigen umgeftaltenden Maßregeln als richtig 

darzuthun, mit einem wahren Triumph auf bie dunkeln Schat⸗ 

tenbilder bingewiefen, die einige der Ihrigen, wie Leon Fau⸗ 
der, Engeld u. A., von dem Buftande der Maſſen in ben eng 

Uſchen Städten, namentlid Londons, entwerfen haben. Wer 

foüte nicht fhaudern, wenn er von diefen Schriftftelern in 

die Höhlen ded Elends von &t.:Giles, Spitalfields, White: 
friars ic. geführt wird! ber fie haben nicht gewußt oder 
verfchwiegen, daß man den gleichen Erſcheinungen und in weit 
höherm Grade in andern Städten und Gegenden anderer, felbft 
der entlegenften Länder und Zeiten begegnet; daß, wenn bie 

Leuchte der BOffentlichkeit in die Zuftände der Länder des Con⸗ 

tinents und des Drients fo ſcharf hineinfallen PFönnte wie in 

die englifhen, aller Vermuthung nach weit fcheußlichere Dinge 

Tage kommen würden ald die auf welche man als Engiand 
ausfchließlich eigenthümlich jegt die Blicke lenkt. Hören wir 
einmal: was unfer Arzt von London fagt. Er nennt diefe 

Stadt geradezu „die gefundefte Stadt der Welt” und zwar „troß 

der Feuchtigkeit des Bodens worauf fie ſteht und der Unwirth⸗ 

lichkeit ihres. Dunftkreifes‘; er weift dabei darauf bin, daß 
eben diejeb London in frühern Zeiten Der ungefundefte Ort der 

Erde war, wo Jahrhunderte hindurch, wie heute noch in den 

Städten des Morgenlandes, Peſt und Seuchen aller Art ihren 

dauernden Herd hatten. Diefe Umgeftaltung aber ift, wie Dr. 

Niofrey erwähnt, nur dadurch erzielt worden, daß man Die 

Straßen erweitert, Abzüge und Schleufen mit ungeheuern Koften 

hergeſtellt, beilere Häufer errichtet, Rafenpläpe und Wärten 

mitten in der Stadt angelegt; durch die Eoftfpieligften Waſſer⸗ 
leitungen die Bevölkerung mit gutem Trink⸗ und Wafchwafler 
verforgt und dadurch diefelbe zur Reinlichkeit und Sauberkeit 
gewöhnt: „Die englifhe Nation, äußert der Berfafler, 

„bat gewiflermaßen die Gefchichte jedes menfchlihen Beduͤrf⸗ 

niſſes und der unzählbaren Wege, auf denen jedes folches Be⸗ 

dürfniß von Einzelweſen gefühlt wird, dargeſtellt. Sie bat 
für alle zu forgen gewußt durch die zufammengebäufte Einficht 
ihrer aufeinanderfolgenden Geſchlechter — Geſchlechter fo vol 

Glaubens in ihre Vergangenheit und doch fo erfinderifch 

und fortfchreitend. In England und befonders in London 

iſt die Luft felbft vol praßtifhen Menfchenverflandes. Wie 
dringt durch jeden Sinn des Menſchen und liegt unter je 
dem feiner Zritte.” Ein anderes Tüchtigkeittzeugniß das 
der Berf. den Engländern außgeftellt Iautet wie folgt: „In 

Londen genießt das Bold der Freiheit von der Geburt an. 

Dort bewegt ſich Jeder uneingezwängt, geraͤuſchlos in ſei⸗ 

nem eigenen Kreife mit einer zur Gewohnheit gewordenen 

Würde, weil er in feiner Achtung vor des Andern Reh: 

ten die feinem eigenen Rechte gebührende- Achtung findet. 

Sm Handel und Wandel, in den Künften, den Wiſſenſchaften 

ift Biel dort zu lernen; denn alle Zweige des menfdlichen 

Willens ftehen dort in Wechfelwirfung zueinander und fchreiten 

zufammen vorwärts. Die Engländer find allen andern Völkern 
uvor, weil fie die Fühnften, unternehmendften und ausdauernd» 

n Verſuchmacher (experimentaliste) unter dem Menſchen⸗ 
gefchlechte find.” Die Bergleiche welche Riofrey zwifchen den 

Buftänden früherer Jahrhunderte und den jegigen in England 

sieht, und die er mit Schilderungen derfelben von Seiten feiner 
erühmten Landsleute Montesquieu und Voltaire belegt, zeigen 

die Riefenfortichritte welche Großbritannien in diefer Zeit bei⸗ 
nahe nach allen Seiten bin gethan in ihrem ganzen Umfange, 
und wi beffer als Alles die Thorheit Derer nad, bie in 
den vorhandenen Übelftänden das non plus ultra aller Ent: 


artung unb aller ſtaatlichen und gefeäfipaftlidhen Verſankenha 
—*2 ba ſich umgstchrt, jenen Unterſchied zwiſchen den bede 
Zeitraͤumen und dem exnſtlichen Willen der heutigen Befeliäc, 
im Wege wirkfamer Verbefferung rüftig vorzufcreiten, m 
Maßſtab genommen, mit Gewißheit berechnen läßt, daf ca 
großer heil jener Übel welche auf den Waffen Ifın a 
Wege friedlicher Fortſchritte in England in nicht zu im 
Zeit werde entfernt werden, ohne daß man zu den undab 
lichen Maßregeln der Gütertheilung oder des Abſchaffung mr 
fönlihen Eigenthums feine Zuflucht nimmt, gerühmte hal 
mittel, welche unzweifelhaft den Tod des gefellſchaftlichen er: 
perd den man bamit retten will herbeiführen müflen. Bak 
iſt endlich, was der Verf. Ruhmliches von der Gorge ie 
englifchen Regierung für alle, felbft die niedrigften ihrer ie 
tertbanen überall in der Welt fagt, und da dab Gegeaiit 
uns in Deutfchland fo nahe liegt, Taffen wir am Shut de 
Stelle folgen: „Zu allen Zeiten bat die englifhe Kezt 
rung, ob Whig oder Tory, die Wichtigkeit, ihr Bolt zu Me 
men, verftanden. Es ift ſicherlich eine hohe Auszeichnung, eins 
Lande anzugehören, deſſen bloßer Name feine entfernten Eiie 
ſchüzt. Wenn ein Monarch feinen Unterthanen irgend per 
liche Würden oder Zitel zu verleihen wünfcht, Pönnte er ni6d 
Befferes thun als Dies: es wiffen und fühlen laſſen, deh ze 
immer einem feiner vereinzelten Unterthanen zu nahe tr, ie 
Nation und ihn felbft angreift. Wir Iefen, daß wer im Ik: 


.genland ſicher reifen will, mit einem Ferman vom Grofker 


verfehen fein muß. Auf ſolche Weife hat die englifge K:zt 
rung ihren Untertanen einen Ferman außdgeftellt, der ine 
Achtung durch die ganze Welt zufichert.” # 





Literarifche Anzeige. 





Guvrages aͤ (usage des Biplomate, 
publies par la librairie F. A. Brockhaus à Lan 


Dietionnaire ou Manuel-lexique du Bw 
mate et du Consul. Par le baron F. de Cur 
In-12. 1846. 3 Thir. 


Histoire des progres du droit des gen e 
Burope et en Amerique, depuis la paix de \+ 
phalie jusqu’& nos jours. Avec une introduction sar is 
progres du droit des gens en Kurope avant la par # 
Westphelie. Par Henry Wheaton. Seoık & 
tion, revue, corrigee et augmentee par l’auteur. ?* 


In-8. 1846. 4 Thlr. 


Mensch (F. A. de), Manuel pratique dulw 
sulat. Ouvrage consacr6 specialement aux Conck ᷣ 
Prusse et des autres Ktats formant le Zoliveria. # 
association de deuanes et coinmerce allemande, m 
d’un tableau des Conaulats qu’ont les Etau de «# 
union à l’etranger. In-S. 1846. I Thir. 15 Ngr. 


MRecuell manuel et pratique de traltes, e® 
ventions et autres actes diplomatiques, sur ie“ 
sont $tablis les relations et les rapports existant a0@ 
d’hui entre les divers Etats souverains da giebe, -- 
V’annde 1760 jusqu’ä l’6poque actuelle, Par le barnl® 
de Martens et le baroın F. de Cussy. Ba 

vols. En vente: tomes 1& 4. In-8. 1846. 10 Thlr. 16\y 


Guide diplomatique. Par le baron Ch. de Zr 
tens. 2 vols.. In8. 1832. 4 Thir. 15 Ner. 
Causes celdbres du droit des gens. Fu 
« 2 vols. In-S. 1827. 4 Thlr. 15 Ngr. 
Neuvelles causes cdlöbres da droit dag ® 
Par de 2 vols. I8. 1843. 5 Thal. WNF 


Berantwortlidier Herausgeber: Geinrich Brokpans. — Drud und Berlag von F. WE. Drockbans in Reiysis- 


Blätter 


für 


literariſche Unterhaltung. 





Sonnabend, 


Nr. 360, — — 


26. December 1846. 





Friedrich Karl Freiherr von Moſer. 
(dortſequng aus Nr. 359.) 


Rah dieſer Mittheilung über Moſer's Lebensver⸗ 
haäͤltniſſe zeichnet der Herausgeber Moſer's Stellung zur 
Oppoſition und Literatur ber Vergangenheit und Ge- 
genwart fehr klar und anziehend. 

Die politifche Oppofition wurde in Deutſchland durch 
die Stellung der Fürſten zum Kaifer hervorgerufen, in« 
fofern fit) Beide nämlich als Partei entgegentraten, bie 
voneinander unabhängig zu fein firebten. Die Lehne- 
verfaffung hatte zwei wiberftrebende Pole: ber Kaifer 
verlangt ale Lehnsherr unbedingten Gehorfam der Va⸗ 
fallen, ex ftrebt nach ber abfoluten (oder erblihen) Mon- 
archie; die Vaſallen hingegen wollen Souverains wer- 
den und, flatt dem Paiferlichen Intereffe zu dienen, 
Privat» und Samilienzwede verfolgen. Die Völker be- 
fanden fi) aber unter Reichsfchug viel beffer als unter 
der Herrfchfucht ber fouverainen Vaſallen, weshalb ſich 
die meiften Publiciften der damaligen Zeit auf die Seite 
bes Kaifers fielen, indem fie Reichseinheit verlangen. 
Hr. vom Bufche theilt dieſe Oppofition in eine theo- 
retifche und praftifche, von denen jene im 15. Sahrhun- 
yert mit Peter von Andlaw und Deffen Werke „De im- 
yerin romano“ beginnt. Diefer Andlam ift zwar ftreng 
nonarchiſch gefinnt, fieht fi aber doc, genoͤthigt zu ge- 
tehen, dag „alle Menſchen urfprünglich zur Freiheit be» 
timmt find”, weshalb man „die Fürſten verjagen müffe, 
bald fie ungerecht werten”. 

Noch beftimmter tritt Sebaftian Brant in feinem 
Narrenfchiff” auf die Seite der Oppofition, indem er 
ch auf den Sag ftügt, daß allen Menfchen urfprüng- 
ch Freiheit gegeben fei; erſt vom Teufel, welcher fie um 
efe Gabe, die er felbft verloren hatte, beneidete, fei die 
ienftbarkeit eingeführt. 

Neben diefe theoretifche oder literarifche Oppoſition 
st durch bie Reformation bie praktifche, welche von 
ither und Melanchthon entfchieden vertreten wurde, 
den Beibe bas Dafein von Fürften aus ber Verderbt⸗ 
it und Sündhaftigkeit der Menfchen ableiten, weshalb 
ther nad) feiner derben Weife „bie Fürſten und Kö⸗ 
je Gottes Stodmeifter, Henker und Büttel nennt”. 
eich heftig erklären fi Münzer, Sidingen und Hut- 


ten. Da duch die NReformation die deutſche Reichsver⸗ 
faffung einen gewaltigen Riß befam, weil bie kirch⸗ 
liche Oppofition der Fürſten gegen den Kaifer nothwen⸗ 
dig eine politifche wurbe und werden mußte, und ba fie 
ihre Souverainetät durch Einziehung der Kirchengüter 
und durch die übernonmene Oberauffiht über die Kirche 
bedeutend verftärkten, fo war ber Weg zum Abfolutis- 
mus gebahnt, den die Entfittlihung bes Volkes durch 
den Dreißigjährigen Krieg einführen half. 

Die innere Auflöfung der Reichöverfaffung trog ih⸗ 
res Außerlichen Kortbeftehens, die einbrechende Demorali⸗ 
fation des Egoismus, das Ausfterben des Gemeinfinns 
und des Nationalgefühls führte den politifhen Tod bis 
in die entfernteften Glieder des Staatskörpers. Die 
Stellung der Stände zueinander wurde eine naturmidrige, 
der rohe, Tiederliche Adel behielt das Vorrecht auf viele 
hohe Eivil- und Militairftellen, der Bürger wurde recht⸗ 
(08, der Adel an ben Höfen gefinnungslos; von allen 
Seiten brach das geiftige Verberben herein. Das Reich 
zerfiel in Staaten und Staatchen, diefe in Stände, melde 
fih in die Privatintereffen der Individuen verloren und 
dadurch das Neih in Atome auflöften. Natürlich zer 
fill nun auch die Oppofition, Fein politifches großes In⸗ 
tereffe legte Widerſpruch ein, fondern bier und da erhob 
ein Patriot feine Stimme, bier und dba ſtemmte man fi 
gegen Iocale oder temporaire Unbequemlichkeit; aber dieſe 
Zufammenhangs » und Principlofigkeit der Oppoſition 
lähmte ihre Macht. Weit und breit herrſchte Willkür, 
Muthlofigkeit, Bleinlihe Zänkerei und philifterhafter. 
Stumpffinn gegen das Große und Edle. 

Die Friedensjahre nach dem Dreißigjährigen Kriege 
gaben enblich der Oppofition wieder eine beftimmte Rich⸗ 
tung, namentlich trat man gegen ben moralifd) und ma- 
teriell heruntergefommenen Adel mit wilder SHeftigkeit 
auf; fo Mofcherofch, Opig, Kipfius, Ertels, felbft Puffen⸗ 
dorf. Metzger, Schinder, Räuber, Duedfilber, Hallun« 
fen, Fuchsſchwaͤnzer, Tyrannen u. dgl. find die Titula⸗ 
turen mit denen man den Adel, beſonders den Hofadel, 
anredet. Aus dieſer Richtung, welche aus der kirchli⸗ 
chen Lehre von der Gleichheit der Menſchen mag her⸗ 
vorgegangen ſein, entwickelte ſich im Laufe der Zeit das 
Naturrecht, die Aufklärung und das Staatsrecht. Es 
war Dies bie eine Frucht bes reformatorifchen Princips, 


‚ 38 


die Dinge in der Welt und das Recht ihrer Epriftenz 
durch Vernunftgründe zu erkennen. “ 

Ein ſolcher Rechtöreformator, ein folcher politifcher 
Luther war unfer Mofer; wenn er auch nicht eine fo 
gewaltige Ummälzung ber Rechtöverfaffung bervorrief, 
wie Sener in ber Kirche, fo gleicht er ihm dennod an 
ſtttlicher Tüchtigkeit, an Entfchiedenheit, Muth und an 
derber Sprachkraft. Mit Recht bemerkt der Deraudge- 
ber bier, daß trog der heftigen Ausfälle Mofer’s und 
der ihm verwandten Schriftfteller es in Deutſchland des⸗ 
halb zu keiner gemwaltfamen Staatsummälzung gekom⸗ 
men fei, weil dieſe Männer eben Aufklärung verbreite- 
ven, voril die Revolution in Deutfchland eine rein gei- 
flige, ein Umſchwung der Gedantenatmosphäre war. 

Auch in Betreff des Stifte weldhen Mofer fi an- 
geeignet und der von vielen Zeitgenoffen getabelt wurde, 
muß man den Rectfertigungsgründen Moſer's und fei- 
nes Herausgebers beiftimmen; denn feine Darftellung bat 
ungemeine Kraft, frifches, füddeutfches Colorit und trägt 
bis in die kleinften Satzverzweigungen hinein das Ge⸗ 
präge fittlicher Tüchtigkeit, reiner Gefinnung und fchöpfe- 
rifcher Gedankenkraft. 

Verſuchen wir nun die Peripherie zu ziehen in 
welcher fi) Mofer bewegt und bis wohin die Ra- 
dien feiner Beftrebungen reihen, um fodann ben Mit« 
telpunkt zu finden und zu beflimmen von weldiem bie 
treibende Kraft ausging. | 


Der Herausgeber hat die Auszüge aus Mofer’s 55 
Schriften, deren Zitel u. f. w. im Anhange in dhrono- 
logifher Ordnung aufgeführt find, in 11 Abfchnitte ver 
theilt: „Nationalgeift und Reichsverfaſſung“, „Religion 
und Kirche”, „Patriotismus“, „Publicitaͤt“, „Frei⸗ 
heit, Gewähr derſelben“, „Randftände, Hof und Staat”, 
„Politiſche Aufklärung und Verfündigung”, „Der Adel”, 
„Behorfam und Despotismus”, „Das geheime Gabinet”, 
„Lob der Fürften”. Natürlich entbehren diefe Abfchnitte 
der Korm, wie fie gegenwärtig als nöthig erfcheint, näm- 
lich der begrifflihen Entwidelung, ba diefe weder bei 
Mofer zu ſuchen noch bei einer Auswahl aus feinen 
Schriften möglich if; man findet daher nur eine Per: 
Ienfchnur trefflicher Ausſprüche, Kraftftellen und Rhapſo⸗ 
bien, welche vom Herausgeber fo geſchickt verbunden find, 
daß jeder Abſchnitt ein Ganzes bifdet und auch ein ges 
wiffer Zufammenbhang der Abfchnitte nicht fehlt. 

Um Mofer’s Stellung richtig aufzufaflen, muß man 
fi zurüchverfegen in die Zeit ber Kaulnif bes Staats 
Börpers, wo Leichengeruch namentlich Frankreich und Ita⸗ 
lien durchzog wie ein erſtickender Schwefelſchwaden, wo 
das Fundament des Heiligen römifchen Reichs morſch, 
feine. Säulen gefprungen und gefpalten waren; wir müf- 
fen der Folgen des Dreifigjährigen Kriegs gebenfen, 
des Kampfes der Glieder gegen das Haupt, feit welchem 
den deutfchen Völkern das Bewußtſein des tiefen Falls, 
ihrer Knechtſchaft, ihrer fittlichen Verſunkenheit aufdaͤm⸗ 
merte, feit welchem ihnen die Ahnung aufging, daß die 
Reformation nur halb vollzogen fei, weil naͤmlich nur 


das Laienthum der Kirche, nicht aber das bei Grm 
aufgehoben war. Welchen unermeßlichen Racıtheil di 
Reformation ſelbſt dadurch erlitt, daß fie den Hinten 
des Volkes entnommen und in bas Cabinet der Fürften 
verlegt wurde, hat Dunder in feiner „Kriſis der Rem 
mation” nachgewieſen. Deutfchland wurde dh ie 
Reformatton in zwei Hälften zerriffen; der Kaifer Bid 
im Grunde nur Parteihaupt, und dieſer Gegenfag tt 
ſchroff heraus in der Selbftändigkeit Preußens. du 
nächft entwidelte fi aber aus der Schwächung drei 
ferlihen Gewalt, aus ber Aufhebung ber Klofngim | 





‚und aus dem fleigenden Einfluß bes franzöfifhen He 


ber unbeutfche Abſolutismus, fezufagen die poliik 
Nachgeburt des Papismus, mit feinen demoralifirende 

Folgen. Wie ein freifendes Gift drang er in das haut 

ſche Staatsleben ein und entftellte es um fo eelerugm 
der, je kleiner bie Fürften und je unverhältnifmin 
größer ihre Anftrengungen waren, den franzöfiihen I: 
nigen es gleich zu machen. | 

Die nächften Folgen des Abfolutiemus ift Erin 
rung bes Staatslebens, ift Lähmung der Doltskoft, ft 
Verſchleppung dev Demoralifation des Hoflebens wit 
niedern Volksſchichten, iſt allgemeine Lüge und Su: 
li; Furchtſamkeit und Egoismus, die da verheerend cr 
ziehen, wo das Bolt von ber Laune eines Fürften, Deſe 
Guͤnſtlingen und Maitreffen bevormumdet wird. Di 
Juſtiz wird Cabinetsjuſtiz; die Höfe werben bie Kir 
beulen frecher, ſchamloſer Laſter; die Wiſſenſchaften m 
flarsen und nerflachen; ber Glaube wirb Heuchelei ie 
Parriotismus zu Lobhudelei und Speichelleckerei. bea 
eine ſolche geiftige. Syphilis des Volkobewußtſein m 
ordnet unfer Mofer das Gegengift ber unverhüllten Bir 
beit, des Spottes, ber fittlihen Entrüftung; get r 
führt er das Meffer und die Brennmafchime, ſchrein © 
Hungercur vor. 

Am meiften ſchmerzt Mofer der deutſche Inbifen 
tismus, das Philiſierthum und der daraus hervorgeht 
Mangel an Patriottemus, „Wie Schlafſucht“, fast © 
„iſt vielleicht unferm politiſchen Himmelsſtriche ange 
Dah ung aber der Gemeingeift fehle, babe bie Ref 
verfaffung verſchuldet, weshalb Mofer am heftigiten y9 
Diefe veraltete, wurmfkichige Verfaffung kämpft, an ber 
Uhr erft fo viel Räder aufgezogen, fo viel Gewichte mi > 

ebängt werben müßten, biß fie in Bewegung ham! 
ann, daß fie natürlich immer emen halben Tag fpata 7 
ats die Abrigen in @uropa. 

Die Laiferliche Wutosität ifk eine bedentungtloſc Kb 
Unerbnung, Bebradung und Widerſpruch iberad, IM 
die meiften Stände des Reichs nur darin veoikfomas Mi 
find, daß das Recht, die Unterthanen zu quäfen, ein war 
und weſentlicher Ausfluß der. uralten fländifchen Landriht“ 
fei, und daß der Menfch, wenigftens vom Edelmann ki FF 
Bauer, eine bloße Maſchine fet, mit welcher mon ak u 
Macht und Bolfommenheit der im Meeflfäktichen Grita ® 
geftellten Souverainstät nach eigenem Gutdunken ſchalten ⸗ 
walten koͤnne. 

Daher iſt Moſer's Anſicht, daß Deutſchland b⸗ 
Reich werden müſſe, daher feine Vorliebe für A 
und ſeine Abneigung gegen Preußen. | 











Bel aber dem. Deutfchen Gemeinſiun fehlt, fo ver- 
zichtet er dadurch auch auf Patriotismus, auf Publici- 
tät, Freiheit und politifhe Aufklärung Es tritt ein. 
ekelerregender Auflöfungsproceß ein, indem ein Reichs⸗ 
glied nah dem andern vom Ganzen losfällt und- ſelbſt 
ein Organismus fein will. In Folge diefes verkehrten 
Gtrebens artet die Fürftengewalt ins Maßloſe aus, wo⸗ 
bei natürlich die Volksfreiheit um fo viel verkürzt wird 
ale jene wählt, fodaß die Länderchen einer englifchen 
Caricatur mit didem Kopfe und fpindbeldürren Armen 
und Beinen nicht unähnlich waren. Unter Partriotis⸗ 
mus verfland man 
bei genauer Bergliederung bloßen Gehorſam gegen die Befehle 
des Oberherrn, ein geduldiges Beugen unter das Zoch der Re: 
gierung, welche man unter jenen füßen und prächtigen Ra: 
men dem Untertbanen ebenfo angenehm und erträglich zu ma- 
chen ſuchte, ald wenn dem ſchwer beladenen Maulthiere die 
drüdenden Laften mit fhönen Deden, Schellen und Büfchen 
verhängt und umfteddt werden. Der wahre Patriotismus foll aber 
nicht auf blindem Borurtheil beruhen, ſondern den trägen, mecha⸗ 
nifchen Hang zum vaterländifchen Boden in eine gewiſſe Über: 
zeugung von den wahren Vorzügen des VBaterlandes 
verwandeln; denn er entfteht aus einer einfichtigen und ge: 
prüften Kenntniß des wahren Werthes der Geſegtze. 

Weil den Deutfchen aber ber Gemeingeift, die Ein⸗ 
heit fehlt, fo gibt es auch keine richtige Definitien vom 
deutfchen Patrioten; denn 
wer in dem einen Lande dafür erfannt und verehrt wird, beißt 
etliche Meilen weiter ein fchlechter Menfch, ein Feind, ein Ber: 
räther bes Baterlands... Der wahre Patriot muß Gott mehr 
gehorchen ald den Menfchen. 

Weil uns dieſer umfichtige Patriotismus fehlt, fo 
fehlt uns auch die Freiheit, 
welche der Stein der Weifen für uns ift, von dem man fagt, 
er fei wirklich in der Welt. Unſere WBäter haben ihn gefucht 
und find darüber geftorben, ja zum Theil verborben; wir ſuchen 

ihn auch, e8 wird uns aber wol nicht beffer geben al& ihnen. 

Es ift daher eine natürliche Folge biefes politifchen 
kaienthums der Deutfchen, daß fi die Bureaukratie 
wie ein wucherndes Unkraut überall hin verbreitet, wel⸗ 
des bie legten Sprößlinge ber Freiheit, bie Publicitaͤt, 
rſtickt. Denn 
don der geringfte Staatsbediente bält ſich für fo heilig, daß 
hin Bein Menſch Etwas vorwerfen kann, wenn es auch die 
rõßten Gewaltthaͤtigkeiten wären. Uber Alles zu ſchwei⸗ 
‚en gehört nad europäifchen Begriffen zur Liebe des Ba- 
erlandes. | 

So fehlt uns bie Freiheit, weil biefe verlangt, daß 
ıan Alles erwägen, prüfen, durch Wort und Schrift eröffnen 
arf, was dem_innern politifchen und moraliſchen Wohlftande 
ines Bandes überhaupt zuträglich oder nachtheilig fein möchte. 

Wenn man in diefer Hinſicht Deutſchlands Zuſtand 
berſchaut, fo fieht es eben nicht erfreulich aus, dena 
28 Vaterland und die Helden der Deutſchen gleichen den ita- 
enifchen Gemälden, die man nie zu nabe betrachten muß, um 
icht Die Hochachtung gegen fie zu verlieren. Ein Watt weiß 
Hapier bier angebunden läßt jedem Lefer fo viel Raum, die 
genen Anmerkungen über fein befonberes deutiched Water: 
nd zu verzeihnen. Za ein franzöfiiher Staatögefangener 
k oft noch befier daran als in manchem Land ein ſegenann⸗ 


r freier Deufſcher. \ 
(Der Beſchluß folgt.) 


Literarifhe Notizen aus Frankreich. 


‚ 8. Brizeur. 

Wir haben, wenn au nur im VBorübergeben, bie etzer 
Erzeugniſſe des liebenswürdigen Dichters U. Brizeux in d. BI. 
bereitö erwähnt; aber feine Poefien find fo anfprechende Er⸗ 
fheinungen, daß man gern wieder einmal darauf zurückkommt. 
Innigkeit des Gefühle und Zartheit des Ausdruds find Eigen: 
fhaften, welche fih niemals zu häufig finden, und bei den 
Poefien, in denen fie vereinigt find, wird man gewiß mit Ver⸗ 
gnügen verweilen. "Die Unhänglichkeit an feine Geburtägegend, 
die Bretagne, zieht fich durch alle feine Dichtungen und fpricht 
fich in innigen Weifen aus, die fi) von allem leeren Pathos 
frei halten. In feinen „Les Bretons” ruft er bei der Schi 
derung feiner Ruͤckkehr nad feinem Baterlande: 


O landes ! & foretu! pierres sombres et hautes, 
Bois qui couvres nos champe, mere qui batiez nos eötes, 
Villages oà les morts erreut avec les venty, 
Bretagne, d'oü te vient l’amour de tes enfants? 
Des villes d’Italie' oh j’osai, jeune et svelte, 
Parmi cea hommes bruns montrer l’oeil bleu d’un Celte, 
J’arrivais plein des feux de leur volcan sacre, 
. Müri par leur soleil, de leurs arts enivre; . 
. Mais des que je sentis, 6 ma terre natsle, 
L’odeur qui des genets et des landes s’exhale, 
Leorsque je vis le flux, le reflax de la mer, 
Et les tristes sapine se balaucer dans l'air, 
Adieu les orangers, les marbres de Carrare; 
Mon instinct l’emporta, Je redevinu barbare, 
Et foubliai les noms des antiquee hdros, 
Pour chenter les combats des loups et des tauresuz. 


In diefem Gefühle wurzelt der Dichter, dieſes Gefüht 
trägt und begeiftert ihn zu feinen Gefängen. Es ift ein wuns 
berbares Gemälde, welches er vor uns aufrollt; Alles erſcheint 
darin fremd und es ift uns, wenn wir es betrachten, als waͤ⸗ 
ven wir plöglih um Jahrhunderte zurüdverfegt, fo fern Tiegen 
die Scenen, welche an uns vorübergeführt werden, den gleich» 
formigen, lebensmatten Sitten der Gegenwart gegenüber. Deſ⸗ 
fenungeadhtet macht ſich auch hier die Klage Luft, daß bie le⸗ 
bensfrifhen Geftalten mehr und mehr verblaffen und einem 
verfhwimmenden Einerlei Pag machen. Der Dichter legt 
einem reife, der noch die bunte Mannichfaltigkeit in ihrem 
ganzen Umfange Pannte, eine wahrhaft rührende Klage über 
den Verfall der altväterlichen biedern Sitte in den Mund. 
Was dem Dichter bei feinen Schilderungen befonder& zu ftat- 
ten kommt, das ift die reihe Sagenwelt und die Fülle zarter 
und duftiger Überlieferungen, welche in der Bretagne mehr als 
in irgend einer andern Gegend Frankreichs im Munde des 
Volkes leben. Man flieht an der Art und Weife, wie er diefe 
Sagen und Legenden behandelt, das lebhafte Vergnügen, wel 
ches er daran empfindet. Er fagt in Diefer Beziehung ſelbſt 
irgendwo: 

Les seirs d’sutomue, aprea une humide journde, 

B est doux de causer devant ia cheminde, 

Teus en rond, les enfauts assie sur nos gauouz, 

Et le chien gravement installd devant vous. 

Tandis que les fuseaux tourment aus deigta dee feommes, 
11 est doux d’doeuter, leu deux mains sur les flammes, 
Des centes merveilleus de pays enchantds, 

Et depais des mille ans les vienz airs répétés, 

Ou revit ia Hreiagne avec toute sa gloire, 

Et dent le noble peuple a garde la ındmoire. 


Die große Einfachheit in ber Anlage, weldde man bem 
Dieter zum Vorwurf gemacht Hat, bietet für und gerade einen- 
‚ welcher und um fo höher angelchlagen werben zu müffen 
ſcheint, als der größte Theil der jegigen Dichter durch foreirte 
Verfchlingungen bes Planes und dur wilfärliche Sprünge 
ums fchon binfänglich abgefpannt hat. Dazu kommt, daß die 


440 


einfachen Geftalten, welche er zu den Haupttraͤgern feiner Ge⸗ 
danken macht, liebliche, finnige Schöpfungen einer reinen Poefie 
find, die auf empfänglicde Gemüther auch ohne unnügss Bei⸗ 
werk ihre Wirkung auszuüben pflegt. 


BVolksſagen aus der Rormandie. 


In Deutſchland bat man mit einer wahren Wuth in Ichter 
Beit alle Märchen, Legenden und voldsthümlichen Traditionen 
geſammelt und zahlloſe Bände geben Beugniß von einem Eifer 
welcher zu glühend tft als daß ihm eine lange Dauer zu pro- 
phezeien wäre. Wahrlich wir beneiden unfern geehrten Eolle- 
gen nicht, dem die Danaidenarbeit geworden ift bie literarifchen 
Productionen , welche ſich innerhalb des Gebiets der Volksſage 
bewegen, die Revue pafficen zu laflen. In Srankrei Hat man 
fi, bis jegt weniaftens, noch nicht auf diefes ergiebige Feld 
geworfen. Die Sammelwerke, welche ſich die Aufgabe ftellen, 
einen Überbli® über die gefammte Sagenwelt Frankreichs zu 
liefeen (3. ®. „Légendes et traditions populaires , vom 
Grafen Beaufort, 1840), Fönnen ſich nicht eben einer großen 
Vollſtaͤndigkeit ruͤhmen; und in Bezug auf folhe Schriften, in 
denen die Traditionen einzelner Provinzen und Gegenden in 
größerer Ausführlichkeit und Gründlichkeit zufammengeftellt find, 
iſt die Literatur noch nicht fehr reichlich bedacht. Unter den 
Erfcheinungen der legten Seit, welche in diefe Kategorie fallen, 
erwähnen wir „La Normandie romanesque et merveilleuse; 
traditions, l&gendes et superstitions populaires de cette pro- 
vince”, von Amelie Bosquet. Die Normandie hat, obgleich 
fie von den Wellen der modernen Civilifation vielfach befpült 
ift und mande Eigenthuͤmlichkeit verloren haben mag, doch 
Vieles was ihr ein individuelles Gepräge verleiht. Sie ift 
reich an intereffanten Sagen, in denen mancher eigenthümliche 
Zug auf die älteften Zeiten diefer Gegend hinaufführt. Wer 
e8 verfteht die jüngere franzöfifhe Schale zu durchbrechen, wird 
fi) nicht felten an dem derben, altertbümlichen Kerne den er 
darin verborgen findet erfreuen Tönnen. Einige von den Ira» 
ditionen der Normandie reichen über die engen Schranken des 
Provinziallebens hinaus und find gewiffermaßen ein Gemein: 
gut der franzoͤſiſchen Ration geworden ; ja, es gibt deren Iogar 
einige, welche dadurch, daß ſich namhafte Dichter ihrer be: 
mädhtigten, die allgemeinfte Verbreitung gefunden haben. Da⸗ 
hin rechnen wir die Gefchichte von Robert dem Teufel und von 
Michard ohne Furcht. Wenn ed darauf ankaͤme, die Wichtig: 
keit der Volksſagen überhaupt durch die Bedeutung der hifto: 
rifchen Beriehungen welche fih daran Pnüpfen nachzumeifen, 
fo würden diefe beiden Traditionen reichlihen Stoff darbicten. 
Wir finden namlich in den beiden Hauptgeftalten, welde in 
diefen Reben auftreten, charakteriftifche Typen des mittelalter: 
lichen Lebens. Robert der Teufel zeigt in der erften Hälfte 
feines abenteuerlihen Wandeld ein Bild des mittelalterlihen 
Beudalwefens; dann fihlägt er plöglich um und wird durch die 
Reue und unter dem Einfluffe der Religion ein Mufter des 
firengen kirchlichen Bußlebens, wie e8 uns gleichfalls das Mit: 
telalter Bietet. In Richard erfcheint der vollendete chriftliche 
Ritter, ın dem Kampfluft und Geſchmack am Abenteuerlichen 
mit kirchlichem Sinne gepaart find. Außer diefen beiden Ge⸗ 
(dichten, deren Wichtigkeit wir wenigftens mit ein paar Um: 
riffen hervorheben wollten, finden ſich in vorliegender Samm⸗ 
lung, beren fleißige Ausführung und gefchidte Zufammenftellung 

erühmt zu werden verdienen, manche nicht minder intereffante 
uͤge. Das Einzige, was wir ausfegen möchten, ift, daß bie 
en zuweilen bei folchen Sagen mit zu großer Aus: 
hrlichkeit vermeilt, welche die Rormandie mit vielen andern 
Gegenden Frankreichs gemeinſchaftlich hat, und durch deren 
Fürzere Darftelung Raum für eine betaillirtere Behandlung 
older Legenden gewonnen wäre, welche in diefer Provinz aus: 


hließlich heimifch find. 


‚ Yet. Wild. Heine. Hoßbach. Berlin, Thome. 


Bidlisgraphie. 


Aebli, 3.9, Die drei himmliſchen Yührer auf dm 

menſchlichen geweg Dder: Glaube, Liebe und He | 

Sir Stahlſtich. interthur, Literariſches Compton 
gr. 

Boͤtticher, W., eichwui⸗r durch das Hellbunkd in ie 
evangelifhen Kirche des 19. Jahrhunderts oder die Gänk 
Schleiermacher's und die Samariterin am Zalobebrunm. in 
populairer Beitrag zur gelöißte ⸗philoſophiſchen Vuͤrdi⸗ 
Be Spleiermader en Theologie. Berlin, Grobe. &.i 
r. 


Folengo’s, T., Mosesea oder Mũckenkrieg. Ei Ir 
misches Heldengedicht in macaronisch - lateinischen Vers. 
Mit Worterklärungen und Anmerkungen herausgegeben rm 
F. W. Genthe. Eisleben „Kuhnt. Gr. 8. 10 Kar 

Frang, C., Stimmen aus Sion auf einer Bardıray 
ua Kanaan. Religiöfe Gedichte. Müblbaufen, Danar. l 

gr. 


Germaniens Voͤlkerſtimmen, Sammlung der deutida 
Mundarten in Dichtungen u. | w. SHeraudgegeben von JR 
Firmenich. 2ter Band. Ifte Lieferung. Berlin, She 
ger. Schm. gr. 4. 15 Nur. 

Krabbe, ©. F., Leben Bernard Overberg's. Aw 
mehrte Muflage, Mit Dverberg’s Bildniß. Münfter, Ude 
dorf. 12. 12%, Nor. | 

Leben des Cardinals Robert Bellarmin. Bon einem fir 
fler in Franken. Augsburg, Kollmann. 1845. 12. 111, % 

Lehner, ©. ©., Schickſale und Buftände dei Is 
fiums in Hof biß in die erften Sabre des 19. Jahrhundem 
Ifte Abtheilung. Hof. Gr. 4. 10 Nor. 

Luther'6, Dr. M., Auslegung der Epiftel St Yalı a 
die Galater, ind Deutfche überfegt von I. Meniut. Ik 
Reue zum Drude befördert von Paftor 3. H. 2. Sthretu 
Ifter Band. Culm. 8. 1 Thlr. 20 Ror. 

Zützow, K. v., Das Bagno von Zoulon. Rad Leber 
net vert par J. Mery frei überfegt. Neue Ausgabe. Srrr 
rin, Kürfchner. 8. 15 Ror. 

Schankweiler, H, Reife nah Java und den Ena® 
Sunda-Infeln und Aufenthalt dafelbft in den Zahren 188-1 
Lüdenfcheid. 8. 15 Rgr. 


Zagesliteratur. 
Ein Abend im Berliner HandwerkersBerein. Ein dt 
Bild nach dem Leben von C. S. Mit 1 colorirten Zetm 
nung. Leipzig. 8. TI, Near. 
Dräger, I. F. W., Über franzöfifche Boltefäuln = 
deren Lehrer. Zwei Vorträge. Berlin, Grobe. Gr.3. 1% 
Fund, 8, Wie ift der Theuerung abzuhelfent F% 
und —5 der Beantwortung. Frankfurt a. M., Die 
. or. | 
ne, A., Die Säcular » Geburtsfeier Yeitalıgt @ 


Gr. 8. 
Marot, &., und U. Kober, Rede am Sarge un r 
digt zum Gedächtniß des felig entichlafenen Paſtors as F 
Neuen Kirche zu Berlin, Doctors und Sonfiftorialreiie, x 
&r.4. I 
Peftalozzi » Album. Kieder und Gedichte von Säle: 
Holfteinifchen Dichtern und Dichterinnen. SHerausgegeha * 
6. Schmarje. Itzehoe, Elauflen. 8. 6 War. 
Die Smidtfeier, ein Denkmal. Ruͤckblick auf dar. 
läum des Hrn. Dr. Smidt, Bürgermeifter ber freien FE? 
ftabt Bremen, am 26. April 1846. einen hiefigen un: = 
wärtigen Freunden gewimer. Mit dem Bruftbild. Bcc⸗ 
Schünemann. Gr. 8. 10 Ror. - 
Wer erbt in Schleswig? Cine Rechtsfrage. Kar 
Bielefeld. Er. 8. A Rgr. 


bei 
12. Jan. ve zu Hildburghauſen. Hildburghaufen, K 
er. 


Verantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockdans. — Drud und Werlag von F. X. Brockhans in Beipzis. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Sonntag, 


— Kr, 361. 





27. December 1846. 





griedrih Karl Freiherr von Mofer. 
(Beſchluß aus Nr. 2U8.) 


Mit dem Indifferentismus der Deutfchen, mit dem 
Derluft der Freiheit wurde auch die Gewähr der Frei- 
beit, die Landftände, zur Jlufion, zum Marionnettenfpiel. 
Die Stände glihen und gleichen oft noch jenen Gips⸗ 
figuren mit bem Bindfaden zwifchen den Beinen, durch 
den man fie niden macht. Je mächtiger die Souverai- 
netät der Fürſten ſich entwidelte, je mehr mußten bie 
Landftände eingefchränkt und eingefchüchtert werden, ba 
fie, bei der Schwäche bes Reichshofraths, ohne Schug 
waren, wie das Schickſal ber beiden Mofer bemeift. 
Daher bemerkt Mofer fehr ſarkaſtiſch: 


In Wahrheit wäre es bei manchem Regenten nöthig, 
fie noch einen befondern Eid fchwören zu laſſen: daß fie es 
nit übel nehmen wollen, wenn man fie an ihren erften 
Haupteid erinnert. 


Seitdem aber „Menſchenfurcht und Menfchengefällig- 
keit“ die Landſtände feig und gemiffenslos machte, 
feitdem die Soldatenregierungen bei uns eingeführt wurden, 
feitdem die eine Hälfte des Volkes bie andere ernähren muß, 
feitdem der Meinfte Herr fo viel Soldaten auf den Beinen hat 
als nöthig find fein Land zu tyrannifiren, feitdem kommt es 
bei Vielen je länger je mehr nur noch auf den Willen an, ob 
der Fürſt feinen Pflichten genügen, ob er feine Landftände 
onfideriren oder brutalifiren will .... So eröffnete 1633 der 
jyanoverfche Minifter Hugo den großen Landtag mit den Wor: 
en auß dem Propheten Jeſaias, welche auf alle andern deut: 
hen Landtage paflen: Eure Gedanken find nit meine 
Yedanken, eure Wege niht meine Wege. Diefe 
Schlechtigkeit der Landftände alſo ift der eine ſchwere Stein. 
der andere liegt in dem zunehmenden Hochmuth, Ei: 
endünkel, in der Hoheitsſucht und Wahrheits- 
lucht vieler Regenten, welchen felbft die ehrerbietigiten 
nd wehmüthigften Vorftellungen fon als Verlegung ihrer Ma: 
ftät erfcheinen, welchen überhaupt die Wahrheit ın allen Geſtal⸗ 
n, Formen und Einfleidungen zum unerträglichften Ekel ift. 

rich auf dieſe Weife das Volk aus feintn Rechten 
nd Pflichten, fo fihritt die Megierung über ihre Rechte 
maus bis zu ber Abnormitit des Fétat c’est moi. Die 
erſon des Fürften war der Staat, der Hof befien Re- 
:äfentation. Daher wendet ſich Mofer’s heftigfter Zorn 
gen bie Höfe. 

Der Hof ift der Sig der Knechtſchaft und der Schmeiche⸗ 
„es find nur wenige Hauptacteurs, dem Parterre gebührt 


Staunen, Stillſchweigen, ſtumme Verehrung. Wan findet an 
den Höfen Leute, die drei Viertel Thier und ein Biertel 
Menſch find. 

Es entwidelt fi Hieraus der Sag der abfoluten 
Sürften, 
daß ein Megent Riemandem als Gctt von feinen Handlungen 
Verantwortung fchuldig fei, und ein Despotismus der drücken⸗ 
der erfcheint als der orientalifhe. In Deutfchland gilt daher 
nur Händeringen und Verftummen; es gehört zu unferer Preis 
beit, und frefien zu laffen und zu ſchweigen. 

In folhen und ähnlichen Ausdrüden eifert Mofer 
gegen die Entartung der Höfe, gegen die Willkürherr⸗ 
fhaft, und tabelt auf gleich ſcharfe Weiſe den Adel, 
welcher, anftatt eine Schugmehr des Volles gegen ben 
Fürſten zu fein, ben orientalifhen Sklaven an hündi⸗ 
fher Wegwerfung, an Gpeichellederei zu übertreffen 
fucht; tabelt er alle Beamte, befonders bie Lehrer höhe⸗ 
rer Lehranftalten, daß fie fo wenig fittliche Kraft haben, 
um bie Pflicht des Vaterlandes höher zu ſchätzen als 
Hofgunft, um ihren Beruf durch politifche Aufklaͤrung 
und fittlihe Kräftigung des Volkes zu erfüllen. 

Aber bei diefer Entartung der Stände tritt eine 
gänzlihe Umkehr aller BVerhäftniffe ein: Despotismus, 
Knechtſchaft, indifhe Sonderung der Stände und wider- 
licher Kaftengeift, Cabinetsjuftiz, Cabinetspolitit, mora- 
liſches Elend und Verſunkenheit überall. 

Hier fchließt fih die Kreislinie, indem fie wieber zu 
ihrem Anfangspunfte zurückkehrt. Aber fragen wir nun 
nach der Kraft des Mittelpunfts von welchem aus ber 
Kreiß gerogen wurde, fo treffen wir wieder eine inter 
effante Parallele mit unferer Gegenwart, fo müffen wir 
wiederum in Mofer einen tapfern Borkämpfer ber Bes 
firebungen unferer Seit, wenn wir ihn nicht geradezu 
Propheten nennen wollen, erfennen. 

Zunähft tritt Moſer's politifcher Rationalis- 
muß ftart und charakteriftifch hervor, jener Rationalis- 
mu6, welcher als legitimer Sohn der Reformation bie 
vernünftigen Gründe für die Eriftenz und jeweilige Be⸗ 
ſchaffenheit der Staatsangelegenheiten auffucht und prüft. 
Einer folhen unbarmherzigen Kritik unterwirft Mofer 
das Deutfche Reich mit feiner Berfaffung; er unterfucht 
die Zweckmaͤßigkeit, die Wirkungen und Urfachen ber 
verfchiedenen Formen und Erfcheinungen bes flaatlichen 
Lebens des Baterlandes, und erkennt, wie Ruther bie Bi« 


j — — 


⁊ 
N 


bei, nur das Geſetz, das fittlihe Volksbewußtſein ale 
Autorität an, um bie Gögen der Überlieferung, ber 
Gewohnheit zu zerfhmettern mit dem Donnerkeil ber 
Vernunft. 

Aber diefer Nationalismus ift fein abftractes Sy⸗ 
flem, kein ergrüheltd® Schema, fondern er if eine Kraft 
der Erkenntniß, des Willens geworden, der ganze innere 
Menſch hat fi) bei Mofer in diefem Punkte concentrirt: 
der Nationalismus ift ein fittliher Pathos gewor- 
den, und erft hierdurch bekommt fein Nationalismus 
wirffame Bedeutfamfeit, erft durch diefe gemüthliche Fär⸗ 
bung, durch die gediegene, freie, reine Innerlichkeit, durch 
diefe zum Charakter gewordene Gefinnung ergreift und 
begeiftert Moſer feine Lefer, faßt er fie in ihrer inner: 
. lchfien Perfönlicgkeit, zwingt er fie, fich ihm zu ergeben, 
der Stimme der Wahrheit zu folgen. Daher ift Mofer 
fo rein von allen perfönlichen Intereffen, daher ſtehen 
ſeine Leiden und trüben Erfahrungen meit hinter ihm, 
und geben feiner Darftellung höchftens einen mehmütht- 
gen, bisweilen einen fatirifhen Zug; daher die ergebene 
Märtyrerphyfiognomie feines Stils und die Feſtigkeit 
feines Willens, der durch ſchwere Prüfungen erprobt, gehär: 
tet, aber auch verklärt ift; daher endlich die faftige Friſche 
bes Colorits, die Liebenswürbigfeit und an Naivetät an- 
ftreifende Abfichtslofigkeit feiner Schriften. In Mofer 
ſcheint ſich der norddeutfche verftändige Ernſt, die Schärfe 
der Erkenntniß und die kalte Ruhe mit der füddeutichen 
Phantaſie, mit dem ſchwäbiſchen Tiefſinn und ſeiner 
warmen Begeiſterung zu einem ſchoͤnen Nationaltypus 
vereinigt zu haben. Ja, Moſer iſt ein deutſcher 
Mann wie er uns als Ideal vorſchwebt, er iſt ein 
deutſcher Patriot, er iſt ein Maͤrtyrer der deutſchen 
Freiheit, ein Lehrer und Aufklärer feines Volkes ge⸗ 
wefen, und als ſolchen wollen wir ihn in unfere Liebe 
aufnehmen, fein Andenken fol uns lieb und theuer 
fein, und in der Walhalla, melde das beutfche Volk 
feinen Helden tief in der eigenen Bruft aufbaut, fol 
Mofer wie eine verklärte Johannesgeſtalt prangen ; 
denn er hat das Evangelium der deutſchen Staate- 
bürger, Tugend und PVaterlandsliebe verkündet. 


Friedrich Körner. 





Zendenzromane. 


I. Elm Nomen im Berlin Bon 2. Muͤhlbach. Drei Bünde. 
Berlin, Mylius. 1846. 8. 5 Thir. 10 Rear. 

9%. Das deutliche Sefpenft, Don Klende Drei Bände. 
Leipzig, Wienbrad. 1816. 8, 4 hir. | 

3. Fauſt und Don Juan. Aus den mweiteften Kreifen unftrer 
Geſellſchaft von Seorge Heſekiel. ei Theile. Alten⸗ 

burg, Geibig 1816. 8. 3 Thir. 

Berlin und Rom, oder Frömmier und Pfaffen. Aus der 

Gegenwart von George Sefekiel. Zwei Bände. A: 

tenburg, Helbig. 1846. 8. Thlr. 15 Nor. 


, In welchen Gegenſaͤtzen unfer ganzes heutiges Leben fi) 
Bewent, wie ſehr die alten Elemente der efeuthaft und der 
Politik feindlich Aubeihander gefallen oder durch neue erjegt 
find., dadon gibt uns bie gegemmärtige profaifche Literatur ein 
ſprechendes Sewgnif. Man bönnte gar leicht den Standpunkt 


4 


verheren, von dem aus man fämmtliche Erſcheinungen zu be 
theilen und anzuerkennen hätte, wenn man nicht die algmı: | 
nen charakteriftiihen Merkinale der gefammten modernen kit: 
ratur vorber erkannt hat. Es machen auf dem Felde der pn: 
faifchen Literatur fi nicht allein noch Die ältern Formen da 
fogenannten Kunftromane geltend, fondern neben dieien ha 
auch noch 'gine bereits fehe angewachſene und zum Kheilmi 
Erfolg aufgenommene Boltsliteratur, die ihre Steffe da 
Anfhauungsfreife der breiten Maſſe des Volkes entlehnte m 
für diefe zunächſt wieder zur Geftaltung bringt. Richt mine 
zahlreich und mit Erfolg gekrönt ift die fociale Literam, 
bie zum heil die Kunſtform ganz verſchmaͤht oder fie nur ab 
gleichgültiges, bequemes Mittel zu einem andern höhern Ind 





benupgt, während die vorzugsweife fogenannte Zendenalitt: 
ratur der fünftlerifchen Geftaltung als wejentlider kom #4 
bedient und auf dem. Wege der poetifchen Production ihre Stk 
in das Volk zu verbreiten verfucht. Auch unter den Sc 





ftellern ſelbſt ift diefer Gegenfag, wie er bereits in der Litnumn 
fihtbar geworden ift, fehr leicht zu erkennen; die Wertretertn | 


einzelnen Richtungen fchen vornehm auf die Andern bir 
fließen ſich wechſelsweiſe aus und Dabei überfehen fie gar int, 
wie dennoch Diefe gefammten anſcheinend fpröd auseinanke Ir 





genden Elemente und Richtungen nur einen einzigen Rs 
punft haben, durch welchen hin ihr ganzes Streben ge: 
ift. Die gefammte gegenwärtige Literatur bat und ver 





den einen Weg nur, aud wenn die einzelnen Grihemen 


ſich zu widerfprechen fcheinen, fi mit dem Leben ind 


len feinen Erfheinungen zu vermitteln; fie saßt 
dem Jo reihbewegten Geiſte der Zeit eine mitfu 
bende Hand, und ſucht die gefammten Stoffi: 
Lebens ihrer ganzen Höhe und Tiefe nad enter 
der in dichteriſchen Geftaltungen zur Anſcharr: 
zu bringen oder fie auf leichte Weiſe wirkjamen 
Umlauf zu teen Nur von diefem Standpunkte out 39 
moͤglich, die verfhiedenen Richtungen zu beurtheilen, ihre S 
rechtigung anzuerkennen, am nicht fortwährend mit weniske! 
einer derjelben in Widerfpruch zu gerathen und durch die IR 
von einem einfeitigen befchränkten Sage aus den anden N 
tungen Unrecht zu thun, fie in falſchem Lichte anzufharn 
2. Mühl bach verfhmäht es nicht wie die KR 
Hahn» Hahn, die fich fortwährend in ihren eychfine d 
hen Kreifen gefällt, in die unterften Schichten td ® 
bens herunterzufteigen und daſelbſt die Fragen der Kit 
zunehmen und fie in ihren Productionen zu verarbeiten U 
Frau legt fie mitunter mehr Takt und mehr Gefühl fr 
Bervegungen jenes Lebens als es felbft Männer beit 3 
den ag, und in geiftreidher Weife weiß fie den Eh !d 
Herfonen zur lebendigen Anfhauung zu bringen. Der PR 
in Berlin” ift ein treffliches Sittengemälde für unfere mei«3 
Buftände, namentlich die Berlins, wenn man aud hin $ 
da nicht derfennen ann, daß die Farben zu greß und = 
aufgetragen find. Die Zuftände die darin zur Ynfd 
gelangen ſprechen Mar dafür, daß unter den forttawr-? 
Verhältnifien, wo die religiöfe Heuchelei ſich paart mit it = 
nern gefinnungslofen Hohlhelt und Schlechtigkeit, wo Mu! 
ligion zum Deckmantel aller möglichen Scheußlichkeiten „= 
wird, mo man in überfpannter Verzuͤckung auf das nt 
die menſchliche Natur feine Bannfprüde fallen laͤßt un: I 
heimlich doch Tüftern nach Allen ihren Reizen mit alen I" 
ierig reiht, wo eine politifhe Reaction uns ſchar 
in die alten patriarchaliſchen Buftände zutückzuſchleudere 
ſucht — daß unter ſolchen Verhältniſſen, fagen wir, das 1 
in Staat, Kirche und Familie immer mehr unterwühlt =* 
alles wahre Weſen von der Heuchelei angefreffen werten un: =? 
Sitten: und Gefinmmaslofigteit auftöfn muß, weil eben 
Hansen Zuſtaͤnde der Hiftorifchen Wahrheit emtbehren um 
einem undamente ruhen, das bereitd von den Fila * 
neuern Beit unterwühlt if. Wenn das Buch von !. Ri 
wirklich als ein getreuts Bud der geſellſchafilichen auf 


148 


pls ein wenn auch nur zum Teil wahres Gemälde des fittli- 
hen Lebens anzuſchauen ıft, dann ift bereits die nothwendige 
Folge jener äußern Heuchelei eingetreten und dies innere Leben 

erbrödelt und zerflört feine alten Formen, ohne daB es im 
Stande ift, neue, freiere zu ſchaffen. Das iſt entweber eine 
Welt, die wenn fie getreu gefchildert ift tief in Sittenloſig⸗ 
keit verſunken drfcheint, oder wenn folche Zuftände aus der 
biegen Fiction der Schrifrjtelerin hervorgegangen find eine 
überreiste Phantafie Bundgeben, die mit den höchften Gütern 
der Menfchheit ihr Spiel, ihren Spott treibt. Nehmen wir 
beifpiel®halber einige Charaktere zur Veranſchaulichung des 
eben Sefagten aus dem Bude. Da haben wir Julie, ein 
Mädchen jung, ſchon, unſchuldig; jie hatte einen Stiefvater, 
der fie mit feinen maßlofen verbrecheriſchen Wünfchen verfolgte. 
Zulie weift mit Abfcheu dieſelben zurüd, um fo energifcher, da 
fie fetbß liebte, „keuſch, rein und züchtig“; aber der Mann 
welchen fie liebte verftand Nichts und wollte Nichts wiffen 
von diefer Licbe ohne Genuß, von diefem Glühen und Schmad: 
ten ohne Erbörung und Erlöfung. Er wollte eine Liebe des 
Dieffeitö wie fie eine Liebe des Zenfeite. Sie liebte ihn gren⸗ 
zenlos, indem fie fi) ihm verfagte, — er ſah nur das Verſa⸗ 
gen, nicht die Liebe, und er fühlte fich beleidigt. Er trodnete 
feine Ihränen, aus ihrem Liebhaber war er ihr Feind gewor- 
den. "Sie war unglücklich, bereute ihre Zugend und Stärke 
und gab ihm ein Stelldichein. Diefer Liebhaber rächte fi 
nun an ihr, indem er ihren Stiefvater Abends ftatt feiner zu 
ihr fandte und fo das Verbrechen geſchah. Julie erſtach ihren 
Sticfvater. Da ift ferner die Gräfin Marfila, von der bie 
Verf. fagt: „Wer war fchöner, wer war verführifcher an⸗ 
zufhauen als die reigende Gräfin Aurelia Marſilla?“ Sie hei» 
rathete aus Dankbarkeit den alten Grafen Marfilla, der bereit 
war, ihre leifeften Wünfche zu erfüllen und der in edlem Ber: 
trauen ihr die größte Selbftandigfeit gewährte, fie niemals be 
ſchränkte, ihr nie hindernd in den Weg trat. „Wen follte jie 
lieben, wenn nidt ihn, Deffen feuriger, überlegener Geift ihn 
über allen Männern welche fie Fannte hervorragen ließ, der 
mit dem edelften inne die höchſte Bildung vereinigte?” Ihr 
Gatte mußte in Ramilienverhältniffen längere Zeit verreifen, 
und während der Zeit ergab fie ſich am einen Andern, von 
dem fie fih Mutter fühlte ange vorher che ihr Gemahl zu⸗ 
rückkehrte. Da ift ferner die Baronin Eisleben. „Sie ward 
Komm, indem fie es lernte, ihr Gejicht in ernfte Kalten zu 
iehen, ihr Haar zu ſcheiteln und Gott ſtets auf der Zunge zu 
übten, Gonventitel zu gründen und folche zu befuchen, eine 
heilige Floskel ſtets bereitzuhalten.“ Sie verführte nach dem 
Tode ihre Mannes ihren eigenen Schwager, ftürzte ihn in 
zie fchredtichften Schulden und ins Gefängnißs fie verkaufte 
in armes Mädchen an einen üppigen Zürften, um Denfelben 
einer Geliebten untreu zu machen und ihn für fi zu erobern. 
Da ift ferner diefes Mädchen felbft, Roſa Ollenthien, Deren 
Beliebter, ein leichtfinniger Verſchwender, fie fchlägt, vor die 
Thür weiſt, fie faſt mit Füßen tritt und für den fie dennoch 
ih, ihre Unſchuld ynd Ehre an einen Wollüftling verkaufen 
äßt, blos um ihrem Geliebten einige Tauſend Thaler verſchaf—⸗ 
en zu können. Da ift ferner eine alte Primadonna, Die ihrem 
reulios gewordenen Geliebten aus Rache ein Mädchen raubt 
nd daffelbe, freilich) unbewußt, an den Schn diefes Mannes, 
fo die Schwefter an den Bruder, verkauft. CB ift ficher Fein 
efreuliches Gefühl das Einen befällt, wenn man dieſe weib— 
hen Charaktere überblidt, Die durch ihre Leidenſchaften und 
teigungen. die gefeligen fittlihen Bande der Ehe überfchreis 
n, daB Bamilienleben untergraben und die eigene Achtung 
nd menſchliche Würde hintanfegen; es ift ein um jo ſchlimme⸗ 
8 Mefultat, wenn diefe Charaktere aus dem berliner Leben 
irklich genommen find. Bei der Schilderung der weiblichen 
haraktere ift jedoch immer noch eine gewiſſe Berechtigung, ein 
ben auß Der Leidenfchaft heraus poetiſch dargeftellt ; dagegen 
‚Scheinen Die männlihen Charaktere, wie Died bei George 
and und Saft allen Blauftrümpfen der Fall if, in einem 


weit ſchlechtern Lichte. Un ber Spitze derfelben Gebt Graf 
Aleriew —— Derfeie der Sulie mit ihrem Str zu⸗ 
ſadrpengetport hatte, Derſelbe der die Gräfin Marſilla ver⸗ 
ührt und fie hernach ſchändlich verrathen hatte, Derſelbe der 
ſich als Tuͤrke kleidete und einen ganzen Harem, unter demſel⸗ 
ben unbewußt auch ſeine eigene blutjunge Schweſter, hielt, und 
der als er es erfuhr daß ſie ſeine Schweſter ſei, bedauert, 
daß er erſchoͤpft und blaſirt gegen die ſogenannten Freuden des 
Lebens iſt, und daß nur deshalb die Unſchuld ſeiner Schweſter 
unbefleckt geblieben ſei; der ausrufen kann: „Ich ftche als Rei⸗ 
ner und Gerechter da, während doch nur meine Schwäche die 
Schuld meiner Zugendftärke trägt!” Bei ſolchen Charakteren 
ift das Gebiet der Schönheit verlegt und die Schilderung fchlägt 
ind Widerliche, Obfcöne über. Nicht minder ift Daflelbe der 
Fall bei dem Prediger Gotthold, der eine alte Frau am Zodten» 
bette miöhandelt, mit Fäuſten fchläyt, weil ſie gegen feine Er» 
wartung ihr Vermögen nicht ihm, fondern milden Stiftungen 
verſchrieben hat, während fie vorher auf feinen Rath ihre eigene 
Zochter verftoßen hatte. Bier artet die Bewegung in Grimafe 
fenhaftigkeit aus, das menfchliche Gefühl wird verlegt und ſolche 
Scenen machen einen widerlihen Eindrud. Überhaupt haben 
faft alle Charaktere eine gewille Spannung in ihrem Wefen, 
etwas Bercizted in der Rede und Forcirtes in ihrer Handlungs: 
weiſe; ed ift eigentlih fo nie ein einfaches Leben der Natur 
oder aud) ein gefteigertes aber wahres Leben in der menſchli⸗ 
chen Leidenſchaft zu erbliden, überall ift durch eine zu große 
überbotene Eivilifation die reine Ratur verſchwunden, oder durch 
die in ihrem Gefolge ftehende Armuth zur Roheit und Gemein» 
beit entäußert. Selbſt der Entſchluß der Baronin Hermfeld, 
in die Familienhäufer zu ziehen und dafelbft au wohnen, um 
fi der Armuth zu übergeben und einen. erbitterten Kampf ge» 
gen den Reichthum und die begünftigten Stände zu beginnen, 
bat tropdem daß fie den größten Theil oder faſt Alles 
von ihrem Vermögen verloren, eine gewiffe forcirte Trieb⸗ 
feder und leidet etwas an Unwahrfcheinlichkeit ſowie ihre 
ganze Handlungsweife.. Es mag wol vorkommen, daß ein fol 
cher Kal eintreten kann; aber das einfache Dulden und Dar 
ben eines Weibes ift noch Peine Handlung, das Leiden der Urs 
muth noch kein Kampf gegen den Reichthum, die Entäußerung 
dei Adeld no Fein Krieg gegen Vorrechte; ihre Streben ift 
und bleibt daher eine bloße Illuſion. Weit mehr fommt aber 
vor, namentlid in den gefchraubten Verbältniffen Berlins, daß 
eine fo beruntergelommene Wdelsfamilie mit aller Kraft an ie 
rem Vorrechte ich feſtklammert, auf alle Weife ihre Armuth 
u verbergen fucht; es ift weit gewöhnlicher, natürlicher, einen 

deligen zu finden, der fich mit den Lumpen ded Vorurtheils 
auffpreizt, als daß er diefelben ganı beifeite legt. 

Betrachten wir nun das Zufammengreifen der einzelnen 
Perfonen zu dem gemeinfamen Ganzen, dem Romane, fo laͤßt 
fih nicht verkennen, daß daflelbe mit Gefchi angeordnet if; 
jedoch will es uns fcheinen, als ob fo recht eigentli eine in- 
nere harmonifche Zuſammenbildung nicht flatthabe; viele der 
Charaktere erjiheinen mehr ale äußere, aufallige Zuthaten; fie 
ericheinen, fagen wir, fo durch die Darftellung, obgleid fie in 
der That es eigentlih nicht find. Dagegen iſt die Ent 
widelung wirfiid mehr durdy ein tableauartiged Hinter⸗ 
und Raceinander herbeigeführt als daß aus dem innern Or⸗ 
ganismus nothwendig und gleichmaßig ausfchreitend Die Hand⸗ 
lung ſich entfaltete, ohne daB uber dadurd das Interefie ge 
fhwadt würde. Die communiftifhen Sefinnungen der Baro⸗ 
nin Hermfeld, die fie ihrer Schwägerin gegenüber entmwidelt, 
haben fo viel Naivetät, daß fie mitunter ins Komifche hinftrei» 
fen, während es der Verf. Doch damit ernft if. Sie fagt: 
„3b habe die Armen beftohlen, Das ift wahr, denn ich war 
reich und fie darbten; aber ich thut es nur, weil ich Damals 
noch nicht erfannt hatte, daß der Reihthum sin Diehflahl an 
der Noth und dem Elend der Armen fei.”’.... „Sch babe ten 
Ruf vernommen, den der ewige Weltgeift an diefe Zeit gethan 
und ich bin ihm gefolgt, ich nenne die Meichen meine Feinde 


- 


1444 


und die Armen meine Brüder und in biefer heiligen Gemeinde 
der Armuth und Roth will ich niederfnien und beten zu einem 
Gotte welcher die Reihen nicht Pennt, aber den Armen bebü: 
tet mit feinem milden Baterfegen.” 

Während der „Roman in Berlin” die gegenwärtigen fo: 
ciafen und religiöfen Fragen mehr im Gebiete der Familie und 
im Leben des Individuums behandelte, ift dagegen in dem 
„Deutſchen Geſpenſte“ von Klende die Entwidelung mehr auf 
das allgemeinere Gebiet des großen Staatslebens felbft verfegt. 
Die Fragen der Zeit treten in ihrer praßtifchen Entwidelung 

eftaltend und gebieterifh den alten Formen entgegen mehr 
im Großen, fie ſuchen auf pofitive Weiſe in concrete Geftal: 
ten ihre Wirklichkeit zu fegen. Klencke hat außer diefen Haupt: 
punkten noch eine Anzahl anderer die Zeit bewegender Mo: 
mente in feinen Roman eingeflochten und dadurch denfelben 
gewiß für jeden Lefer anziehend gemacht; jedoch wollen wir 
nicht verheblen, daB die Geftalten dadurch vor lauter Reflerion 
u keinem rechten Leben gelangen, und daß fie ald Traͤger der 

bftractionen mehr Schattenriffe find, koͤrperliche Schatten, die 
bleich und trüb an uns vorüberziehen. Das „Deutſche Geſpenſt“, 
deſſen Prädicat fo recht eigentlich nicht paßt, da man es eher das 
„engliiche” nennen könnte, ſchildert Klende folgendermaßen: 
„Es ſchleicht durch Deutfchlands volfsbelebte Staͤdte und öde 

örfer ein finfteres, unbeimliches Wefen, furchtbar anzufhauen 
in feiner bettelhaften Umhuͤllung: bleiche abgehärmte Wangen, 
$ummervoll verzogene Lippen mit dem unterdrüdten Laute der 
Berzweiflung, tiefe, verglimmende, blaue Augen und ein wir: 
res, blonde Kopfhaar, ungefämmt den hagern Raden um: 
Ratternd, tragen die Zeichen einer frühern untergrabenen Schön: 
beit; der Hunger nagt an dem Herzen und verzehrt die Kraft 
der Muskeln, der Schmerz hat den fittlihen Muth gebrochen, 
die Bürde des Lebens die Bruft zufammengedrudt; Nichte 
nennt es fein Eigenthbum, und ohne Gegenwart und Zußunft, 
nur mit der furchtbaren Erinnerung einer verlorenen Vergan⸗ 
genbeit, fchleicht dieſes entfegliche Weſen dur Deutichlande 
Sauen, blickt es fehnfüchtig überd Meer nad) fremden, wilden 
Seftaden, wohin es feine hungerigen Kinder fandte. Vergebene 
flebt e8 an der Thür des Machtigen, es wird verädhtlich zu: 
rüdgeftoßen, vergebens heult e8 Rache vor der Pforte feiner 
mitleidsvollen Freunde, es ruft nur Ohnmächtige zu Hülfe” — 
und fo wird biefes Gefpenft ein entfegliches Raubthier, Feinde 
und Freunde erwürgend und Schredden erregend wo es fich zeigt.“ 
Dieſes Geſpenſt ift die entfittlichende Armuth. Wenn man 
auch nicht unbedingt diefe große foriale Frage als nicht vor: 
hanten beifeite fegen Bann, fo laßt fid dagegen doch auch nicht 
verfennen, daß bei diefer Schilderung Klencke's die Phantafie 
zu ſtark mitgewirkt hat und daß in Deutfchland, wenn auch in 
vereinzelten Drten bereits viele der geſchilderten Punkte zu: 
treffen mögen, es noch lange damit nicht fe ſchlimm fteht als 
ber Verf. annimmt, und daß man die Hauptwirkung verliert, 
wenn man die Farben zu flark und grell aufträgt. Der Ro: 
man an und für fih bietet jedoch manche intereffante Seite des 
öffentlichen Lebens dar und ift, wenn man die allzu langen Re: 
den abrechnet, gut angelegt und ausgeführt, und namentlich 
imerden einzelne Charaktere den Lefer nicht ohne Befriedigung 


en. 
George Hefefiel entwidelt eine erftaunliche Fruchtbarkeit 
fowol auf dem Gebiete der Hiftorie als der Zeit: und Sitten⸗ 
zuftände. Es kann bei einer fo enormen Productionsluft gar 
nicht ausbleiben, daß feine Werke allmälig immer weniger fo: 
wol für den Kritiker als auch für den Lefer von Interefle fein 
werden; bei einem folchen Überftürgen von Production zu Bro: 
duction zerfährt ſich nothwendig fehr ſchnell ein Zalent, auch 
wenn ed nachhaltig und nicht ganz oberflächlich ift, und das 
Bücherfchreiben & tout prix mag zwar für den Autor perfön: 
lich nicht ohne Gewinn fein, aber für das Yublicum ift und 
bleibt es eine ermüdende Erſcheinung. In den beiden Bänden, 


Verantwortlicher Herausgeber: Geinrih Wrodfans. — Dead und Verlag von F. TE. Wrothans in Leiyzis 





die „Berlin und Rom’ überfihrieben find, hat Hrfefid du 
Treiben der Sefuiten in Berlin zu ſchildern verluht. Die 
ganze Anlage ſchmeckt fehr ſtark nach dem „Gwigen Jun“ 
von Sue; die Ausführung ift flüchtig, die Schilderungen, tu 
namentlich auf die Geſchlechtsverhaͤltniſſe ſich beziehen, übe 
trieben, mitunter widerlich; die Sinnlichkeit iſt zur Koheit ab 
artet und die Intrigue ift weiter RNichts als ein plumpes dx 
delfpiel. Von Sue koͤnnen die Nachahmer bei allen feinen dk 
lern noch immer Biel lernen. Bon feiner pſychologiſchen Sir 
und ber Feinheit mit welcher er feine Handlungen einkite 
und ausführt ift jedoch in vorliegendem Buche Richts zu in 
den; jtatt Deflen aber find feine Pleinen Kunftftüde und Ike 
treibungen bis ins Unwahrfdeinliche noch in potenzirtem Rık 
vorhanden. Die drei andern vorliegenden Bände, „Kauft u) 
Don Juan’, defielben Verf. leiden an denfelben Fehlern, m 
die OberflächlicyPeit mit der fie behandelt find, die Unze: 
ſcheinlichkeit die überall hervorlugt, werden bei dem Leſer I 
Wirkung nicht verfehlen, er wird ſich langweilen. 





Ziterarifche Notiz aus England. 


Die Druiden und ihre Bauten. 

Unter den neueften ardyäologifhen Forſchungen übe kt 
Druiden und deren Zempelbauten verdient die Yrbeit ud 
englifhen Geiſtlichen, E. Duke: „The druidical temp dl 
the county of Wilts’‘, rühmliche Erwähnung, obwol dd a y 
wagten Behauptungen darin nicht fehlt und der Baf im 
und wann feiner Einbildungskraft die Zügel ſchiehen geufa 
zu haben ſcheint. In letzterer Hinficht ift er des feften Br 
bens, daß die Druiden im alten Britannien phoͤniziſche Pair 
und wie die mit ihnen verwandten perfifchen Magier, inikt 
Brahmanen und caldäifhen Wahrfager im Befig von Shi 
lehren und naturwiſſenſchaftlichen Kenntniffen gemefen jrim, # 
daß man fie als die Vorläufer der Pythagoräiſchen Eduk e 
fehen koͤnne. Unbeftreitbar mußten fie die Weifeften md & 
lehrteften unter den Weifen und Gelehrten ihrer Zeit zmam 
werden; denn fie feien nicht nur in der Sternkunde mi &r® 
beuterei tief eingeweiht, fondern auch mit den ment 
Kräften volllommen vertraut gemwefen, wie fie auf it 
Seite die nothwendigen Rechtökenntniffe befeffen hätten. F 
Kenntniffe in den Naturwiffenfcgaften, namentlich de 
Präfte der Pflanzen, babe ihnen eine uneingefchränfte 
über die rohen Maffen der Peltifhen Bölkerftämme veriüf- 
Shre aftronomifchen Kenntniffe, auf welche fchon Pen 
Mela in der Stelle: „Hi (Druidae) terrae mundique si 
tudinem et formam motus coeli ac siderum ac qudär 
lint scire profitentur” und Julius Caͤſar anfpiele, ine! 
von ihnen bemerfe: „Multa praeterea de sideribus atque # 
motu, de mundi ac terrarum magnitudine, de rerum ul 
de deorum immortalium vi ac potestate disputant et i'* 
tuti tradunt”‘, diefe Kenntniffe erhellten auf das teutiiäk 3 
ben von ihnen erbauten Tempeln zu Abury und Gt 
die ziemlich ebenfo alt feien als die Pyramiden Yyypım © 
die Höhlen von Ellora in Indien. Während der Ber. E! 
auf der einen Seite unftichhaltigen Vermuthungen md # 
daran gelnüpften Symbolif einiger unferer berühmten | 
Archäologen hingibt, macht er auf der andern Seite ta t 
gen Kritiker, indem er zeigt, daß die Sage von einm: 
von Riefen, welches jene Zempel erbaut haben fol, r 
darin gefundenen menfchlichen Gebeinen, alles Grundes m“ 
wie auch die Annahme, daß die Druiden ihre beiligen REF 
in Wälder oder Höhlen vorzugdweife verlegt, mit ber acs 
bekämpft wird, daß dieſe Tempel fich gerade in ganz #* 
und waldlofen Aderbaudiftricten befinden und die Rima, 
jene Tempel ftehen ließen, dody gewiß Beinen Grund geht: 
ten, an den barmlofen Wäldern ihre Rache zu Fühlen. I 











BE — — ⏑ —— — TE x || 


Blätter 
für 


literarifhe Unterhaltung. 








Die Bouriften im Drient. 
Sech zter und legter Krtikel.®) 

9. Beſuch in meinem Baterland. Notizen gelammelt auf erw 
ner Reife nach Syrien und Paläftina, im Jahre 1843. 
Bon Ridley H. Herſchell. Aus dem Englifhen über: 
fegt von E. B. Bafel, Schneider. 1946. 12. 15 Nor. 

‚10. Meine Reife nach Konftantinopel, im Sahre 1845. Ban 
Maria Belli, geborene Bontard. Mit zwei Abbil- 
dungen. PWrankfurt a. M., Gmuertänder. 1846. Gr. 8, 
1 Zhir. 15 Nor, 

11. Wanderungen im Driente, während der Jahre 1843—44. 
Bon Karl Koh. Zwei Bände. Weimar, Landes» 
Induftrie-Gomptsir. 1846. Gr. 8. 4 Zhlr. 74 Nar. 
Wäre der Begriff und der Umfang ber Touriſten⸗ 

Literatur nicht fo gefchmeidig, und fände diefer Ausdrud 
niht auf fo mancherlei abweichende Erfcheinungen eine 
paſſende Anwendung, fo würden wir fuͤglich Anftand 
nehmen, eine Schrift von ganz fonderbarem Gepräge und 
von feltfamer Kärbung den neuen Reigen, welchen wir un« 
fern Lefern vorführen, eröffnen zu laſſen. Nicht als 
hätte ihre Erſcheinung überhaupt an fich etwas Selte⸗ 
nes oder Befremdendes; Denen welche in dem meiner 
ich falbungsreihen Tone moderner Miffionsfchriften eini- 
zermaßen bewandert find muß fie vielmehr vollkommen 
yefannt und geläufig fein. Der Umftand, dag wir ung 
nit kühner Wendung, indem wir eben in einer Rund- 
hau über eine Reihe von Zouriftenwerken eigentlichen 
Zchlags begriffen find, zu einem bibelfeften Eiferer wen- 
en, mag in dem Wunfche, unferer Tanggeftrediten liber- 
ht eine gewiffe Abwechſelung zu geben, einige Ent- 
Huldigung finden. In der That zeigt fi zwiſchen den 
ewöhnlichen, auf einen heiterern Kreis berechneten Er- 
uaniffen der Meifeliteratue und ben ſchleppenden Er- 
affen, in denen evangeliſche Senbboten der neuern Zeit 
eben fparfamer Belehrung und kümmerlicher Unterhal- 
ng fich fo oft ergehen, ein lebhafter Contraſt. 

Mir find weit entfernt die beziehungsreichen Werke 
nes Güglaff und ähnlicher Arbeiter am unvergängli- 
en Werke der Ausbreitung chriftlicher Geftttung mit 
m phrafenhaften Stile der gemeinen Menge zufam- 
mzumerfen oder die unzähligen Aufſchlüſſe, weiche die 


2) Den fünften Artikel teilten wir in Nr. 328 — 880 d. BI. 
t. D. Red. 


28. December 1846. 





Wiſſenſchaft dem raſtloſen Eifer dieſer Dränner verbankt, 
berabzufegen. Uber im Allgemeinen ift es doch nicht in 
Abrede zu ſtellen, daß von einem guten Theile foldyer 
Miffionnaire welche fih auf das ſchlüpfrige Feld ſchrift⸗ 
fiellerifcher Thaͤtigkeit wagen bie alte gelehrte, vielleicht 
etwas pedantifch feyulgerechte Methode eines Amiot und 
Anderer mehr und mehr aufgegeben wird, ohne daß 
eo ihnen gelänge, dafür eine unterhaltendere und ame 
fprecdendere Weiſe einzutaufchen. Ber immer einen 
Bil in die zahliofen Miffionsblätter gethan hat, welde 
allerdinge meift nur in ihrem beftimmten Kreiſe F 
eine nachhaltigere Wirkung berechnet ſind, wird gewi 
bei aller chriſtlichen Milde und Nachſicht die in ihnen 
gepredigt wird nur ein ſehr undedeutendes ftoffliches 
Intereſſe entdeckt Haben. Entweber ftrömt in ihnen eine 
thränenreiche Ruhrung, oder ein heiliger Eifer fchlägt in 
dem Maße über alles Ziel hinweg, daß man auf wahre 
Belehrung und ruhige Beurtheilung beftehender Verhält- 
ntffe von vornherein verzichten muß. 

Der Verf. vorliegender Schrift, wir müffen es glei 
am Eingange erklären, hat ſich durch bie allzu heißt Bes 
geifterung welche in feinem Herzen wohnt ber BliE 
getrübt. Seine Blut mag ihm fügen und tragen bei 
der Ausführung feines mühevollen und fegendreichen 
Werkes; aber auf dem Gebiete fehriftftellerifcger Leiſtun⸗ 
gen gehören nun einmal Mäfigung, Ruhe und Selbſt⸗ 
beherrſchung zu dem wefentlichften Bedingungen. 

Doc meffen wir Jeden mit dem Maße mit dem er 
gemeffen zu werden begehrt. Schriftftellerifche Eitelkeit 
iſt es offenbar nicht welche Herfchell zur Abfaffung eis 
nes Schriftchend angetrieben hat. Ein ähnliches Gelüft 
wie das welches Zifchendorf zu bem Glauben verleitete, 
man koͤnne ruhig ber Vergleichung vergilbter Codices 
nachgehen und doch immer noch mit Aufwendung einis 
ger mäßigen Stunden fih Anfprud auf ben Namen 


eines gefälligen ZTouriften erwerben, hat ſich in feiner 


Bruft, nicht geregt. Sein Werk ift offenbar nur aus 
der Überzeugung hervorgegangen, daß einige ſchlichte 
Worte, mit einfhlagenden Vibelftellen untermifht, zur 
Belebung und Anregung Gleichgefinnter förderlich fein 
würden. In diefem Sinne hat er feinen kurzen Reife 
bericht aufgefept, und ein befrenndeter Mann hat ihm 
bann zur weitern Verbreitung feiner anſptuthéloſen 








1346: 


Blätter durch eine angemeffene Übertragung ins Deut 
ſche die Hand geliehen. Wie wir indeffen aus der Vor⸗ 
rede erfahren, hat fich der von verfchiedenen Seiten auf 
gefoderte LÜberfeger zur Veröffentlihung und Herausgabe 


des Werkchens nicht fogleich willig finden laffen. Be 


denken mancherlei Art ftellten ſich diefem Unternehmen 
entgegen. Es fihien theils der polemifhe Ton, welder 
an manchen Stellen etwas gar zu herbe hervortritt, ftö- 
rend und unangemeffen, theils wichen die Anfichten des 
Bearbeiters befonders in Rückſicht auf die Zaufe und 
die äußere Erfcheinung der Kirche von den fihroffen Ber 
hauptungen des Verf. zu fehr ab, als daß eine weitere 
Berbreitung berfelben wünfchenswerth hätte erfcheinen 
tönnen. Endlich aber überwog der Gedanke, daß na- 
mentlich Diejenigen, „welche ſich für das Miffionswerk 
unter Zfrael intereffiren”‘, mehrfach Belehrendes und ber 
Beruͤckſichtigung Werthes hier finden dürften, alle Zweifel 
und die Schrift wurde unverändert — weil eine Milderung 
der betreffenden Stellen und Tilgung anflößiger Partien 
unthunlich war — der weitern Dffentlichkeit übergeben. 
Herfhell ift ein Judenchriſt und benugte nun feine 
Verbindungen unter den ehemaligen Glaubensgenoſſen 
dazu, empfänglichen Sfraeliten das Verſtaͤndniß des Evan- 
geliums welches ihm felbft aufgegangen ift zu erfchlie- 
fen. Er erkennt, daß auf Sfrael ein ſchwerer Fluch 
laftet; aber zugleich lebt er der Überzeugung, „daß eine 
Zeit kommen wird, ba, wenn die Dede von ihrem Her- 
zen genommen ift, alle verheißene Segnungen ihnen zu- 
fallen werden” (S. 93). Das was er theild in ein- 
zelnen aphoriftifchen Bemerkungen, theils am Schluffe in 
abgerundeter, zufammenhängender Faffung über die Art 
und Weile fagt, wie man ben Juden das Heil der evan- 
gelifhen Lehre näher bringen müffe, weicht in manchen 
Punkten wefentlich von dem herrfchenden Modus ab, der 
von ben Judenbekehrern beobachtet wird; aber es ver- 
dient Beachtung, ſchon weil es von einem Manne her⸗ 
rührt, welcher wol am beften zu würdigen verfteht, wel⸗ 
he Saiten hier angefchlagen werden müffen unb mel- 
ches diejenigen Wege find, auf denen man zum Ziele 
gelangen kann. Mit Necht aber bemerkt er, daß es bei der 
Gründung einer Judenmiffion von höchfter Wichtigkeit ift 
ein geeignetes Perfonal ausfindig zu machen (S. 199): 
Ein Mann kann Frömmigkeit und Eifer und Gelehrſam⸗ 
keit haben und doch äußerft ungefchicdt dafür fein. Wenn feine 
Frömmigkeit nicht mit einer brennenden Liebe zu den Juden 
ale zu dem auserwählten Volke Gottes verbunden ift, fo ift er 
gan ungeſchickt, Miffionar unter ihnen zu fein. Wenn fein 
ifer nicht geleitet ift von der Kenntniß des Charakters des 
Suden, feiner Gewohnheiten, feiner Vorurtheile, feines be: 
fondern Temperaments, dann wird er ein „Eiferer mit Un» 
verftand” (Römer, 10, 2) fein. Und wenn feine Gelehrjam: 
Feit nit aus Dem beſteht was die Juden für Gelehrſamkeit 
alten, fo ift es für fie gar Peine Gelehrſamkeit. Sie haben 
fo wenig Berftand und Nefpect für Das was den Ruhm eines 
Gelehrten des erften Ranges ausmacht, als die Männer von 
Drford oder Cambridge für die Gelehrfamkeit des Talmud 
aben. Ein Judenmiffionar muß im Stande fein, ihnen auf 
ihrem eigenen Boden zu begegnen, muß nicht nur Geduld ha⸗ 
ben ihre Fragen und Spigfindigkeiten anzuhören, fondern auch 
Fdaͤhigkeit fie zu beantworten. Viele Dinge, die einem Heiden⸗ 


chriſten blos als verfänglide Einwürfe vortommen, ſind weh | 


liche Schwierigkeiten, da er nun einmal durch früh [hen m. 

pfangene Borftellungen in einigen Punkten verfchroben ik 
Man fieht, Herfchell ſtellt Foderungen, deren Erf, 

lung mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft ik 


Dabei bleibt er aber nicht nur in der Theorie, font 
auch bei der Beurtheilung beftimmter Perfönliäkin 


kritiſch ſtreng und geftcht es unverholen, daß er wenig 


Judenmiffionaren begegnet fei welche feinem Zdealeım 
einigermaßen entfprächen. Als Muſter einer hingebenn 


Wirkfamkeit nennt er vor Allen Dr. Dunkan zu Yü 


und Dr. M'Caul, von denen befonders der Erftere Bm 
ber der aufopfernden Liebe und Begeiſterung venihn 
Weniger fompathifirt er mit dem vorigen amb 


hat. 
canifhen Biſchofe von Jeruſalem, dem er jedoeh mi 
Zalent und Gefinnung betrifft volle Gerechtigkeit mie 
fahren läßt. Was ihm bei der Gründung jenes rie 


befprochenen Bisthums, das neben andern Imdmk 


fenbar — wie fhon die Wahl bes erften DOberhamt 
beweift — auf die Ausbreitung des Chriftenthums m 


ter ben Sfraeliten Palaͤſtinas berechnet ift, als befontel 


tadelnswerth und verfehlt erfcheint, ift die unzeitige Ir 
föhnlichfeit gegen die abftogendften Formen unter dam 


das Chriſtenthum im Driente auftritt. Der Em 
lungsbrief von Sr. Hochwürden dem Lord Enke 
von Ganterbury für den Bifhof Alexander, ne 


Duldfamkeit gegen alle abweichenden chriftlichen Yufr 
fungen gepredigt und jeder Schein als beabfichtige ma 
eine proteflantifche Propaganda abgewiefen mird, g# 
ihm ein um fo größeres Argerniß, als dieſes Docunm 
welches ©. 144 mitgetheilt wird, in arabiſcher Sr 
in allen Schichten der Bevölkerung zu Zerufalm m 
in der Umgegend verbreitet worden ift. Start d ı® 
zu verkünden, daß man mit den übrigen chriftiichen & 





ten des Morgenlandes, „denen die Palme des Venng 


in der Schlechtigkeit eingeräumt werden muß” (&. 1) 


in Gemeinfchaft zu treten beabfichtigte, hätte man, ib 


hauptet Herfchell, es zum allererften Acte diefer Kies 
machen müffen, „wider diefe abgefallene morgenlin 
Kiche zu zeugen” (S. 144). Überhaupt eifert er = 
Vermiſchung römifchen und griechiſchen Kirchenmele! 
der reinen Lehre des evangelifhen Chriftenthumd mr 
gen und erklärt ausdrücklich (S. 62): 

Was mich betrifft, fo fage ich geradezu, daß id fr =? 
aus nicht für Kirchen Ehrifti halte; fie find ein Het 
gemifcht mit gewiflen chriftlichen Dogmen, die durd di 3 


fung gem entkräftet werden. Der Eine Mittler zwiſchen ® | 


und den Menſchen, die einzige Weife wie ein Sünder gt 
fertigt wird — kurz Alles was dem Ehriftenthum rg? 
lich iſt, Das wird in diefen Kirchen thatfächlich verlust 
Nicht allein in Serufalem, wo ihm die Keil“ 
Lehre unter den Händen Tatholifcher, griedi—he = 
armenifcher Priefter befonders entartet erjcheint — * 
er beruft ſich vorzüglich noch auf das Zeugniß hi 
würdigen Calman (S. 137) —, fondern überall ® 


auf feinen Reifen tatholifches Wefen und den ge 


ſchen Cultus erblidt, macht er feinem grollenden 3% 
Luft. Befonders unheimlich ift es ihm an der UF- 








1447 | 
des Übels, in der Stadt wo der Nachfolger Petri feir | unter Annahme unchriſtlicher Elemente auf dem Boben 


nen Stuhl aufgefchlagen hat (S. 9): 

Benn aber Einer der in Rom gewefen ift in gemäßig- 
fin Ausdrüden vom Papfttbum redet, fo ift Das ein frauriger 
Beweis davon, wie die Liebe zu einem Syſtem und einer Par⸗ 
tei einen Menfchen dahin bringen kann, vorfeglih „Böfes gut 
und Gutes böfe zu beißen”. 

Zur nähern Charakteriftit des italienifchen Treibens 
heißt es dann an einer andern Etelle: 

Biele von dem unwiffenten Wolfe in den paͤpſtlichen Laͤn⸗ 
dern find ebenfo vollftändige Anbeter von Holz und Stein ald 
die heidniſchen Bewohner der Südſeeinſeln. 

As nähere Belege für die Verwerflichkeit jener Ab⸗ 
götterei und des fchnöden Heiligendienftes wie er in 
Rom herrſcht werden dann Bruchſtücke aus den Gebe 
ten an bie heilige Anna mitgetheilt, von ber, wie 
erzählt wird, Jemand behauptete, „‚fie fei die Großmut⸗ 


ter Bottes” (S. 11). Mas ferner über eine Samme |. 


lung charakteriftifcher Dentmünzen aus papftlicher Fabrik 
gefagt wird, ift allerdings nicht wenig geeignet Anftoß 
zu erregen; wenigftend mag ein fo eiftiger Proteftant 
wie der Verf. ift ſolche Sinnbilder, wie fie bier zum 
Hohne des Proteftantismus und als Zriumphzeichen 
päpftlicher Eiege vorgezeige werden, nicht ohne eine 
Anmwandlung gerechten Unmillens zur Hand nehmen. 
Man kann ſich übrigens ſchon denken, daß der Reli⸗ 
quienfram mie er in katholiſchen Ländern getrieben wird 
vor ihm Peine Gnade findet. So heißt es bei Lorettp 
(S. 17): „Dieſer Ort ift durch eines ber päpftlichen 
Bügenwunder berühmt.“ 

Wennfhon der Katholicismus dem Verf. als ein 
Ausflug des Lügengeiſtes erfcheint, fo findet er die grie- 
Hifhe Kirche nicht weniger verwerflich. In Korfu 
var ed, wo er diefem Cultus zum erften male bei- 
vohnte (S. 23): 

Birklich erſchrak ich darüber. Der dienftthuende Priefter 
lapperte das Kirchengebet mit einer Schnelligkeit herunter, 
ie es unmöglich machte irgend einen articulieten Ton zu 


ören. 
Im gleihen Sinne wird aud an andern Stellen 


ber Dogmen und Cultus der griedhifchen Kirche auf 
36 fchroffffe und ohne Barmherzigkeit abgeurtheilt. 

Auch innerhalb des Proteftantismus flößt er ſich an 
tel Verderbliches und Verfehltes. Zunächſt hält er es 
ir feine Pflicht, fi) von „der pufeyiflifchen Ketzerei“ 
Szufagen und fie als ein Gericht zu bezeichnen, welches 
ver Die Kirche Englands wegen ihrer Sünde gekom⸗ 
en iſt“ (&. 14). Aber dadurch ift noch nicht alle 
chuld gefühnt, und ein neuer Ausbruch der göttlichen 
trafe fteht bevor (S. 67): 

Als ich über jenes gewifje prophetifhe Wort nachdachte 
d feine genaue Erfüllung fab, fo fühlte ich mich gedrungen, 
felbe Warnung auf die Chriftenheit in unferer Zeit anzu: 
nden und unter allen Gegenden ber Ehriftenheit namentlich 
das hochbegnadigte England. Kein anderes Land befigt fo 


I evangelifches Licht; wie Viele jedoch jind darin, die dieſes 


rt haſſen und nicht darin wandeln wollen! 

Die vorzüglichftie Schuld am Verfall aller wahren 
ligiofität wird der äußern, fihtbaren Kirche beigemef- 
‚ welche fi) unter den verderblichſten Einflüffen und 


ber Sünde entwidelt hat (&. 68): 

Als Satan fein Reich angegriffen ſah, volführte ex feinen 
hoͤchſten — er en Be 3 hi PH 
Kirche Eprifti eindrang, und fo führte er die Verwirrung ein, 
die in der fichtbaren Kirche bis auf den heutigen Tag fortger 
dauert hat. Man hörte auf das Evangelium zu verfündi: 
gen; Menfchenfündlein machten das Wort Gottes unwirkfam- 
und die Herrfchaft des Irrthums erhielt weit und breit die 
Oberhand. 

Naͤchſt Dem bezeichnet er das Dogma von der Taufe 
(©. 57) als. eine alle echte Krömmigkeit untergrabende 
Irrlehre. Alles Dies ift weder new noch fonderlich tief 
und bedarf einer kritifchen Beleuchtung von unferer Seite 
um fo weniger, als es hier nur zur Charakteriſtik des 
Geiftes in dem diefer feltfame Reifebericht abgefaßt ift 
angeführt werden fol. 

Was die eigentliche Neiferoute betrifft, fo ift fie Leicht 
und mit wenigen Strichen gezeichnet. SHerfchell begab 
fih im Febr. 1843 mit 3. Fuller Maitland nach Paris, 
wo er fühlte, „daß man fi nun befindet da des Sa- 
tans Stuhl it” (S. 3). Dann ging er über Kyon, 
Avignon, Nizza, Genua nah Nom. Welche Gefühle 
ihm feine Reife dur Italien und befonders fein Auf- 
enthalt in Rom einflößte, haben wir ſchon gefagt. Auch 
in Athen kann ihn die Betrachtung der wundervollen 
Überrefte der alten Welt für die Greuel der Gegenwart 
nicht ganz entfchädigen, und felbft im Hinblid auf die 
Stelle wo Paulus ftand, fällt e8 ihm ſchmerzlich ein, wie 
leicht eö ift, bei Verehrung ausgezeichneter Menfchen in 
Sögendienft zu gerathen (S. 25). Bon Athen ging 
Herfhel über Syra nah Smyrna, wo die verzögerte 
Abfahrt des Dampfſchiffes nach Beirut einen Abftecher 
nad Konftantinopel möglich machte. Auf biefer Fahrt 
wurde unfer Neifende durch das Zufammenfein mit dem 
Bischof der neftorianifchen Ehriften, Mar Yohannan, und 
mit mehren amerifanifchen Miffionnairen, welche fih an- 
fhidten unter den Neftorianern ihre Thätigkeit zu bes 
ginnen, erfreut und angeregt, fowie auch die freundlichen 
Berührungen mit einigen trefflihen in Sonftantinopel 
wirkenden Geiſtlichen für die Folge eine mwohlthuende 
Erinnerung blieb. + 

Dbgleich der Verf. im Allgemeinen, abmeicherid von 
ber Sitte gewöhnlicher Zouriften, den perfönlichen Be⸗ 
ziehungen in feinem Berichte nur eine fehr untergeorb- 
nete Stelle einräumt und ausdrücklich erklärt: „es fei 
nicht fein Zweck Perfonen, fondern Dinge zu befchrei- 


ben” (©. 180), fo foheint ihm die Perfon Mar Yohan- 


nan's doc) bedeutend genug, um uns ein forgfältiger 
ausgeführtes Bild von der äußern Erfcheinung, der gei- 
fligen Bildung und Wirſamkeit diefes Mannes zu ent- 
werfen, der während feines Sängern Aufenthalts in Ame- 
rika Eegenftand theologifcher Discuffionen geworben ifl. 
Mas von Herfchell über die Neflorianer: mitgetheilt wird, 
finden wir aber in dem bekannten Werke von Grant 
über dieſes intereffante Thema ausführlicher und befrie— 
dDigender dargeftell. Die Bitte welche Mar an den 
Verf. richtete, Derfelbe möge nämlich dur Bermittelung 





1448 


Ber Abnitgen Metdeia eine Erleichteriing In den Mer- 
bältniffen der Neflorianer bein Schah ton Perfien zu 
erwirken verfuchen, veranlaßt folgenden pattiotifchen Erguß, 
welcher für eine ziemlich deutlich hervortretende Richtung 
bi englifhen Sendboten charakteriſtiſch genug erfcheint 
. 40): . 
Die ſchlichte Zeugniß vom Einfluß Britannieng ergrifl 
mi ſehr. Wenn es feine Macht zur Ehre Gottes anwendete, 
wie viel Gutes könnte es unter den Rationen der Erde fiften! 

Bon Konftantinopel, wo ber Verf. vorzäglih Schwarg 
und Scawffter kennen lernte, begab er fi über Rhodus, 
Ben Libanon, Baalbek, Damaskus nach dem eigentlichen 
Ziele feiner Pilgerfahrt, nach Jeruſalem. Schilderung 
landſchaftlicher Anfichten oder Scenen aus bem volks⸗ 
thümlichen Leben wird man bei einem Meifenden biefer 
Färbung nicht erwarten. Alles was ihm begegnet und 
aufftößt erfcheint feinem gläubigen Gemüthe als ein ver- 
törperter Ausdrud irgend einer biblifhen Reminiscenz, 
und bei Damaskus gefteht er felbit (©. 54): 

Das Intereffe, weiches dieſer Punkt der Welt einflößt, 
liegt in etwa& ganz Anderm als in der Schönheit der Gegend 
oder in der Pracht der Architektur; es befteht darin daß bier 
die Heimat der Bibel ift; darin daB Alles was man fieht 
irgend einen alten Gebrauch ins Gemüth zurüdruft und faft 
jede Stelle mit irgend einem wichtigen oder intereffanten Gr: 
eignig in Verbindung fteht. 

Überall drängen fich ihm die Erinnerungen aus dem 
Alten und Neuen Teftamente auf. Wenn ihm ein Zug 
beladener Kameele und Efel begegnet, fo heißt es (&. 67): 
„Ihre Erſcheinung erinnerte uns lebhaft an die Bibel- 
zeiten”, und felbft Eörperliche Eindrüde und momentane 
Empfindungen rufen ihm diefe Beziehungen ins Ge- 
daͤchtniß, z. B. ©. 77: 

Es zeigte ſich da an mir, wie ſo beſonders angemeſſen 
das in der Schrift fo oft gebrauchte Bild iſt: „Es dürftet 
meine Seele nach dir; mein Fleifh verlanget nad dir in ei» 
nem trockenen und dürren Lande, da Fein Waſſer ift.” 

Man kann fi mol denken, daß bei Liefer Stim- 
mung ber Eindrud melden Sernfalem auf ihn macht 
ein gewaltiger, übermältigender fen muß (&. 109): 

Die Gefühle in einem folchen Augenblicke Fönnen nicht 
befegrieben werdens Die welche fie nicht erfahren haben koͤn⸗ 
nen fich Diefelben nur ſchwach einbilden. oe Jeder hriftliche Reis 
fende fchildert die Empfindung als überwältigend; was war 
fie erft für mich, der ich Ehrik und Jude zugleich bin! 

Aber auch hier enthält er fich im Allgemeinen Aufe- 
ver Schilderungen, und nur hier und da mwirb zur Zeich- 
nung der Örtlihen Verhaͤltniſſe irgend eine einfchlagende 
Stelle des trefflichen Robinfon citirt, der bekanntlich mit 
feinen nachhaltigen biblifhen Nachforſchungen viel von 
dem Gewirr falfcher Behauptungen und unbegründeter 
Hypotheſen aufgeräumt hat. Überhaupt bat Herfchell, 
der feinen Anſpruch auf den Titel eines felbftändigen 
Forſchers erhebt, fich öfter fremder Citate bedient, wie 
er denn auch in der Einleitung au feiner Darftellung 
die Lefer gleich darauf vorbereitet, er werde öfter „bie 
Seſchreibungen und Berichte anderer Scriftheller be» 
nugen, welche gefchidter wären als er”. 

Bon der ftitiftifchen Darftelung hat man fich nad 
ben mitgetheilten Proben, infomweit aus einer nicht un⸗ 


geſchikten Überfegung das Driginafgepräge einel Br. 
tes überhaupt hervorleuchtet, bereich eine Vorſtelung Ki, 
den können, und wir fügen mur noch hinzu, bei fr 
durch eine reiche, faft überreiche Fülle von meh ein 
minder treffenden Bibelfprüchen gewürzt iſt, welche fh 
weife zu den Grgüffen eines heiligen (ifers im gute 
Harmomie ſtehen. 
(Die Bortfegung foigt.) 


Literarifhe Notizen aus England. 


Schriften von Richard James. 

Die englifchen Alterthumsgeſellſchaften, die, da fe mi 
flend Hohe Gönner und nicht nur zahlreiche, fondern and wir 
reihe Mitglieder zählen, über bedeutende Geldmittel verfüge, 
find rüftig darüber ber, aus den Archiven und Bihlictken 
Alles aufzuftöbern und zu veröffentlichen, was nur itgend E 
ſpruch auf ein geſchichtliches, wenn auch noch fo fpeicld P 
tereffe machen kann. Die Chatham Society hat auf ihr: 8 
ften fürzlich ein Gedicht aus dem 3. 2636 von Richard Jam 
überfchrieben „Iter Lancastrense”, durch Se. Ehrw. I Er 
herausgeben laflen, worin der Dichter auf beinahe A Sata 
einen von ihm dem Robert Heymwood von Heywoods⸗Hald 
geftatteten Befuch und einen Ausflug in det Nachbarfhaft, = 
die Männer des Tages dort Bennen zu lernen, beſchreikt. 
dichterifchen Werth kann die gereimte Yröfa keinen Unfrh 
machen ; doch enthält fie manche interefiante Charalterüg M 
Gefittung der damaligen Beit. Der Verf. Fam als jur 
der als Mäcene der Wiffenfchaft befannten Staatsmännı bir 
den und Sir Thomas Bodley mit den bedeutendſten Pk 
nen feiner Zeit in Berührung. Lange Beit beBeidete cı Wi 
Amt eines Bibliothefare an der berühmten Bücherfaumieg 
des Letztgenannten in Oxford. Nachdem er umter den Sum: 
Bodley 6 feine Studien vollendet, befuchte er auf einer linzM 
Reife Rußland und Bam felbft nach Grönland. Nach feine * 
ruͤckkunft ward er mit Sir Robert Cotton befannt, ia 
feine prächtige Bibliothek ordnen half, gegen den ai 
fpäter undankbar bewielen haben foll, indem er chm 
Borwiften ein handfebriftliches Memoire unter dem Zitd „Tr 
positions for His Majesty’s service to bridie the imperuse 
of Parliaments” veröffentlichen ließ. Außer einer Menge fr 
digten, die im Druck erfhienen, ſchrieb er ein lateiniſchti Be 
betitelt: ‚‚Decanonizatio Thomae Cantuariensis et sur! 
an welchem er jahrelang gearbeitet. Er eifert darın —E 
gegen die Laſter und Verworfenheit der Mündsiiche- f 
nimmt in der Handſchrift mehr als 700 Blattfeiten in 
harrt noch der Herausgabe. Außer demfelben find niht ® 
ger als 43 Bände im Manufcript von feiner eigenen Si F 
fcgrieben vorhanden, was einen Beweiß von feiner This 
liefert, wenn man bedenft, daB er im beften Dkanncsaltt X 
ftorben ift. Wenn freilih das darin Enthaltene nidt * 
Werth bat als feine ‚Lancaſterſche Reiſe“, fo wird beitm?* 
bleiben dieſer Schaͤtze im handfchriftlihen Schlummer ter # 
ley ſchen Bücherfammlung der Welt nicht Biel verloren gt 


Hypothefen. 

Der ungenannte Verf. einer unter dem Zitel „The 7” 
cellwood papers’ erſchienenen Sammlung von Heinen 8c# 
ee ehemen Inhalts bemüht fidh in einem berfelben den su 
zu führen, daß auch die Thiere unfterbliye Seelen haben. © 
ner fucht er zu zeigen, daß vor dem Sündenfall des R”- 
der Tod in der natürlichen Welt nicht ftattgefunden. Zi” 
bei dergleichen Unterfuchungen aufdringende Frage: ch U” 
die Ipierwelt in Unfpruch genommene Unfterbfichkeit da &- 
ſich auf alle Thierclaſſen ausbehne, oder bis wie mat a 
Gitufenleiter ber thierifchen Organismen hinab ſich dieſchec 
ſtrecke, läßt der Verf. unbeantwortet. r 


Berantwortiiher Gesaußgeber : BHeinrich Brockpdans. — Drud und Verlag von F. E. Wroddans in Leipzig. 


Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Dienftag, 


Die Zouriften im Drient. 
Sechſster und legter Artikel. 
“ (Bortfegung aus Wr. 282.) 


Wenn wir bie Schrift Herſchell's eine von den ge⸗ 
wöhnlichen Touriſtenwerken abweichende Erfcheinung ge- 
nannt haben, fo findet diefe Bezeichnung auf die „Reife 
nach Konftantinopel” von M. Belli keine Anwendung. 
Diefe Schrift ift nicht beffer und nicht fehlechter ale bie 
Erzeugniffe unzähliger Zouriften, welche als eigentlicher 
Typus ihres Fachs gelten können. Selbſt der Umfiand, 
daß wir es hier mit einer Dame zu thun haben, welche 
auf ihre eigene Hand die früher fo beſchwerliche und 
felbft gefährliche Wanderfahrt nach dem erfehnten Mor- 
genlande unterntmmet, bat jegt allmälig fchon den Reiz 
der Neuheit verlören, nachdem mehr als eine „Reifen- 
din” — wir bebienen uns eines von Fallmerayer auf- 
geftochenen Ausbruds der Gräfin Hahn - Hahn — den 
Drient auf flüchtiger Reife durchzogen hat. M. Belli 
gibt uns auch infofeen ein recht deutliches Bild der 
planlos umbherpilgernden Weltfahrtier, wie fie feit Hei⸗ 
ne's „Meifebildern” immer üppiger aufgemwuchert find, 
als fie eine folche Reife, wie es fcheint, ohne die ge- 
ringfte Vorbereitung, und felbft ohne eigentlich zu wiſſen 
wohin fie das Ziel ihrer Wanberfchaft verlegen follte, 
antritt. Sie erzählt und nicht ohne eine gewiffe Nai- 
vetät, welche an das offene Sefländnig zu Eingange ber 
Baube’fhen „Neifenovellen“ erinnert, fie habe fi ohne 
gend eine Mare Vorſtellung und nur von dunfler Ah⸗ 
nung geleitet auf die Wanderung gemacht. In Nürn⸗ 
yerg, das fie einem gothiſch gefchnigten Schagkäftchen 
es 15. Jahrhunderts vergleicht, habe denn ber Anblid 
es im maurifchen Stile erbauten Haufes des Hrn. W. 
‚den bereits früher aufgeftiegenen Gedanken den Orient 
u fehen wieder angeregt” (&. 1). Der fchnell entwor- 
ene Plan wirb dann ungefäumt und ohne bie Zeit mit 
Borbereitungen zu verlieren ins Leben gefest. Die 
Soufine in Wien redete zu, der Couſin machte die man- 
herlei Mühfeligkeiten und Beſchwerden geltend, welche 
nit einer folhen Reife verknüpft fcheinen; aber felbft 
ie WBorftellungen bes geiftreihen Dr. Knispel, Deffen 
Rame öfters auftaucht, waren nicht im Stande ben 
Bedanken, der fo plöglich er auch aufgeftiegen war doch 
chnell fefte Wurzeln gefchlagen zu haben feheint, zu er- 
Hüttern und wankend gu machen; beum „wer bie wahre 


— Kr. 363. — 


29. December 1846. 


Reifeluft empfunden Hat wird wiffen, daß das Abreben 
in gleichen Fällen nur noch mehr aureizt“ (&. 15). 

Gibt uns das Alles nicht das heitere, Tebensfrifche 
Bild einer entfchloffenen Frau, der eine gewiſſe Leicht 
fertigteit in der Ausführung einer Neifecaprice nicht 
übel ſteht? Wie viel trauriger erfcheint uns dagegen bie 
trübfelige Bebenklichkeit, mit der Tifchendorf in ber Über- 
jeugung, feine Reife gehe über „einen ſchwindelnden 
Steg”, alle möglichen Gefahren in den düfterften, Far⸗ 
ben vergegenwärtigt! Da rede man noch von der Angſt⸗ 
lichfeit der Frauen, von ihrer Unentfchloffenheit und ber 
übertriebenen Sorgfalt, welche fie auf die Heinlihen Zu⸗ 
rüftungen und Borbereitungen verwenden follen! Wie 
ber Plan frifch entworfen ift, fo wirb er auch ausge 
führt. Da finden wir Nichts von einer Überfülle läſti⸗ 
gen Gepaͤcks, mit der fi bie reifenden Damen fonfl 
zu belaften pflegen, und ber Zollbeamte au Linz, welcher 
fie fo „unbarmberzig” vifitirte (S. 9), erfcheint und um 
fo unartiger und tadelnswerther, als er ed ber Dame 
wol hätte anfehen können, daß fie fich auf einer impro- 
vifirten Touriftenfahrt befand und in ihrem leichten Kof- 
fer keine verbotene Waare mit ſich führte. Dafür weiß 
fie fih aber auch als emancipirte Dame — emancipirt 
wenigftens von den Bedenklichkeiten ihres Geſchlechts — 
bei vorftommenden Gelegenheiten leicht zu helfen; und 
wenn es ihr auch in Konftantinopel einen Augenblick 
unangenehm ift, daß fie ihre beffern Kleider zurüdge- 
[hide bat, fo wird doch dem Übelftande ſchnell abgehol- 
fen, und um das äußere Auftreten befto glanzvoller zu 
machen, hängt fie „die bei der franffurter und mainzer 
Blumenausftellung erhaltenen Medaillen” als Drben auf 
die rechte Seite der Bruft (&. 177). 

Diefer anmuthigen Entichiedenheit gegenüber müffen 
die Ausfegungen ber läfligen Kritik, welche vielleicht ein⸗ 
wenden könnte, das Alles fei vielleicht Tiebenswürdig und 
angenehm, aber eine fo flüchtig entworfene und leicht⸗ 
fertig ausgeführte Reife gemähre noch keine Berechtigung 
zum fchriftftellerifchen Auftreten, füglich verftummen. 
Die Berfiherung: „fie wolle eine blos fubjective Auf⸗ 
faffung des Gefchehenen wiedergeben und verzichte auf 
eine wiffenfchaftliche Darftellung bes Wahrgenommenen‘, 
und bie Hindeutung auf den Sterne’fchen Gedanken: 
„wer beim Reifen mehr nachdenkt als empfindet, mache 
fi am Kerne die Zähne flumpf, flatt die Frucht forg- 
106 zu genießen‘, genügen überdiee gewiß auch, bei bil⸗ 





1430 


lig dentenden Lefern alle Britifchen Cinwürfe und Zwei⸗ 
fel aus dem Felde zu ſchlagen. 

Auch Das wird man der Reifendin, Deren Befähi- 
gung zur Touriften-Schriftftellerei nicht ferner in Abrede 
geftelt werben foll, nicht zum Vorwurfe anrechnen dir 
fen, daß fie felbft befanntere Gegenden unfers Vater⸗ 
Iandes, welche fie auf ihrem Zluge berührt, in ihrer 
Reiferoute ebenfo forgfältig verzeichnet als die Drte, auf 
welche fi) ihre wmorgenländifche Reiſe erſtreckt. Wbge- 
fehen davon, daß fie füch hier auf namhafte Vorgänger 
berufen kann, welche ſich ebenfo wenig als fie das Ver⸗ 
guügen verfagen mochten, felbft bei befanntern Namen 
zu verweilen, weiß fie ja auch diefes dürre Gerippe mit 
anmuthigen Verzierungen zu beleben. Go ift es gewiß 
Jedem intereffant zu erfahren, daß Paſſau „einige ſehens⸗ 
werthbe Gebäude, namentlich Kirchen befigen fell, die 
theilmeife Hiftorifchen Werth haben“ (©. 5), und man 
wuß nur bebauern, Daß die Dame durch die Erwä⸗ 
gung: „Wir haben von der Walhalla fo ausführliche Be⸗ 
freibungen, daß ich bier mel darauf verzichten darf 
ſelhſt eine ſolche zu geben”, yeranlafıt ift, fich noch um⸗ 
flaͤndlicherer Schilderungen zu enthalten. So ift fie denn 
meift bei dem etwas unbeftimmten und verſchwimmenden 
ea fol” und „man ſagt“ ſtehen geblieben. 

Dazu kommt noch, daß M. Belli ihre Schilderungen 
durch gefchichtliche Erzählungen gar fein zu verbrämen 
verſteht. Wo ihr der Stoff der Rede auszugehen broht, 
da bietet fich irgend eine paffende Notiz, aus dem näch- 


en Reifehandbuch zufammengerafft, zur gefchichten Be⸗ 


handlung. Und die Ufer der Donau, welche gewiffer- 
maßen den befsuchtenden Lebentſtrom der erften Bogen 
bildet, find ja auch ſo reich an hiftorifhen Erinnerun⸗ 
gen! Da ift Haibach mit feinem öftreihifchen Bauem⸗ 
kriege, Großpechlaren mit der Nibelungengeflalt Ruͤdiger's, 
die Infel Lobau und ihre Siegeszeihen, Gran mit ſei⸗ 
wer bis zur Sündflut hinaufreichenden Tradition; dg find 
die Todesmale mörberifcher Türkenkriege — alles Das 
Bad ebenſo viele frifchfprubelnde Quellen zur Belebung 
bes verfiegenden Vexrichts. Zumeilen freilich) macht bie 
Bert. von biefem bequemen Hülfsmittel, ber Darftelung 
ame große Unkoſten der Phantaſie auf leichte Weiſe 
Monnichfaltigleit und geößern Umfang zu geben, fall 
Azu veichlichen Gebrauch. Das ift nicht zu billigen, weil 
dadurch die aefügige und bequeme Ausfluht athemloſer 
Zouriften zu fehr abgenugt wird, und weil bach der 
Miseredit dem Misbrauche leicht auf dem Fuße folgen 
fönnte. So erhalten wir hei Libycha (fol heißen Lihyſſa) 
eine lange hiſtexiſche Augeinanberfegung über Hannibal, 
weiche baun auf eig ausführliche Erzählung der kartha⸗ 
ginienfifhen Zuſtaͤnde im behaglichen Redeſtrame Hin- 
uͤberleitet. Freilich heißt 06 gewiſſermaßen entſchuldigond 
und beihönigend: „Dieſe Skizze wie andere ähnliche im 
dieſen Blättern eingefügte widme ich meinen freundlichen 
keſerinnen; Männern würde ich darin nur allzu Bekann⸗ 
tes histew (5, 200); aber es ift denn doch nicht recht 
abzuſehen, welches Intereſſe es den Laſerimen bei noch 
fo freundlicher Stimmung einfloͤßen kann, wenn fie er⸗ 
fahren, daß Syra (ſouſt Syros) Gehurtsort van Pheze⸗ 


kydes, dem Lehrer bes Pythagoras, iſt, oder daß Eis 
(im Alterthume Chios, nicht Ctios wie S. 214 fi) 
früher den beliebteften Wein der Griechen lieferte, und wi 
die gelegentlich erwähnten Namen Hektor, Adille, Yu: 
sander als Anknüpfungspunkte langer Gatwikklummn 
Bienen mägen. Der follte der Grund dieſes gelehrin 
Notizenpruntes, den Feder mit Hülfe des „Converfätient: 
Lexikon“ ohne allzu große Mühe treiben kann, aus einn 
Heinen ung weiblicher Eitelkeit herzuleiten ent 
Faſt könnte man verfucht werden Dies zu glauben, di 
Die Derf. an einer Stelle nicht ohne ein gewiffes Br 
bogen erzählt, wie ihre Meifegefäbrten ihr zur Anerken. 
nung ber gefpendeten naturhiftorifchen Erklärungen ve: 
fihetten: „ſie hätte doch Die Raturgefchichte aus der X 
gend gut im Kopfe behalten” (&. 232). 

Als einen andern Kunftgriff, mit leichter Anfım 
gung ein artiges Bändchen zu füllen, müffen wir ie 
ner die Mittheilung unbekannter Autographen beuni 
ven, deren Inhalt freilich mit der Reife ſelbſt in kim 
weitern Zuſammenhange ſteht. So werben ©, 21-N 
Briefe Mozart's abgedruckt, welche M. Bell dr iu 
des eifrigen Autographenſammlers Aloys Fuchs verdah 
©. 33 ſteht ein Brief von Ludwig von Balken, m 
ein ©. 299 abgebrudtes Schreiben von Haydn jel dam, 
wie 08 dafelbft heißt, „mehre ebenbürtige Autogtapha 
Abdrucke, welche einen Anhang diefer Schrift bilden, mt 
derfelben vermitteln“. Einigermaßen getechtfertigt w 
ſcheint das Inteveffe, welches die Verf. dieſen Dom 
ten beizulegen geneigt iſt, wenn man am. andern Eile 
die lebhafte Vorliebe durgbliden ſieht, melde fe ſu 
künſtleriſche Beſtrebungen zu hegen ſcheint. Grm 
weilt mit beſonderer Hingebung an den Gräben mat 
Tonkuͤnler, erzähle ums ihre perſoͤnliche Berührung m 
der Haſſelt ⸗Barth und der Sängerin Lörge und Hm 
an den Geſtalten des Bühneniebens befonders Baum 
gen zu empfinden. Wir muͤrden biefe Bemerkung wm 
terbrüden, wenn nicht die Verf. ſelbſt auf objutee 
Werth der Darfiellung verzichtete und Alles nur m 
ihres Subjestivität aus beleuchten wollte, und mon ih 
alfo gern ein charakteriſtiſchei Bid ihrer Perfanlikt 
entwerfen möchte. In diefem inne führen wir A 
noch an, daß M. Bei bei ihrem Berweilen im de 
fen von Barna dem Leibarzte des Paſcha, einem Lat 
manne, der fange Zeit ſchon anfer allem Berbandı m 
den literarifchen Erſcheinungen feines Vaterlaudes gebie 
ben war, zur Auffriſchung feiner patriotiſchen Sebrich 
Gutzkow's Werke ale Geſchenk hinterlieh (S. . 

Politiſche Auffchlüffe muß man vom der Berf. ir 
Meiſeberichts nicht fodern; fie geht berartigen Dar 
tungen vielmehr gefliffentlich aus dem Wege ode N 
guügt fih (z. B. S. 121) mit einem Raifonnement 
die türkifchen Zuflände, weiches nur an der Dec 
haftet. Um ſich einen Begriff daron zu make.” 
weichem Stile fie. die Raͤnke und Verwichelungen“ 
Diplomatie zu. Konftantinapel zu behandeln gene ® 
braucht man ner folgende Grpectsvation zu leſen (8. It" 

Die Sefandten unferev eumpäifihen- Mädte hab " 
täutifchen Hofe —e— — zu ih fie bewacher ges⸗ 








feitig wur die nttiquen, die einer olier der andere Staat eben 
anſtellt, nm Handelavortheile zu fuchen, und ſcheinen ber ruf 
ſchen Sewaltberziihaft, dern Lüfternbeit nad ber Türkei bei 
reits NRäfpersien zur Folge batte, zu fagen: Wir find aud, ba! 
- Was wir über die Sitten und Gebräuche der Zür- 
ten fahren, eemangelt gleichfalls der Neuheit und würde 
nur dann einiges Intereſſe gewinnen, wenn es der Verf. 
eläuge, diefe bekannten und oft gefchilderten Gegen 
ände plaſtiſch zu geſtalten. Sie verweilte übrigend 
auch nur zu kurze Zeit in Byzanz, um in ihrer Dar- 
fiefung über die Erivialitäten hinwegzukommen. Das 
Leben und Treiben der Türken ift uns in neuefter Zeit 
durch White und andere Reifende, melche in Zolge eines 
längeren Aufenthalte im Morgenlande übergU nad der 
Natur zeichnen konnten, fo geläufig geworben, daß von 
nun an die Touriften fi) der Mühe ausführlicher Be⸗ 
figreibungen mol überheben könnten. Wir geben aber 
gern zu, daß es verführifch ift, wenn man einmal bie 
Mühen und Beſchwerlichkeiten einer weiten Reife ertra⸗ 
gen hat, alles Fremdartige — als wäre es neu und un- 
betanne — in bebaglicher Breite zu berichten, um fo 
mehr, da in der Türkei jedem Reiſenden beim Anblid 
der immer weiter ſich verbreitenden Herrfchaft europäifcher 
Givilifation der Gedanke fih aufdrängen muß, als mürbe 
der Nachwuchs der Touriſtik fpäterhin ſtatt Ber hervorſtechen⸗ 
den PVerfchiedenartigkeit ber gegenwärtigen Verhältniſſe 
nur Abgefchliffenheit und Gleihförmigkeit vorfinden. 

Unter denjenigen Partien, welche wir folchen Kefern, 
denen andere Quellen weniger zugänglich finb, empfeh⸗ 
Ion möchten, erwähnen wir vorzüglich die Erzählung ei- 
nes Beſuchs im Harem des Equim - Bafıhi (Leibarztes 
des Sultans) in Babel (&. 177), mo namentlich die 
mit Detailfenntniß ausgeführte Befchreibung des Frauen⸗ 
anzugs befonder® für weibliche Lefer anziehend fein wird. 
Über die tangenden Derwiſche in Balata faßt ſich M. Belli 
ziemlich kurz; dafür erhalten wir aber das Portrait des 
Dbern bes Dermwifche, welches fie dem Herrn Glavarny 
verdankte. Überhaupt bat fie Sorge getragen, daß wir 
für die Mängel der Befchreibung durch einige bildliche 
Darftelungen entfchädigt merben. 

Es ericheint faft pebantifh, wenn man bei einem 
fo flüchtig bingeworfenen Werke wie das vorliegende of 
fenbar ift einzelne Sieden und Unebenheiten der ſtiliſti⸗ 
ſchen Einkleidung aufdeden wollte, über welche Die Mehr⸗ 
zahl des Zefer gern und ohne Anſtoß hinweggleiten wirb. 
Sonft könnten wir nicht allein ein ganzes Megifter man- 
gelhaft gebauter Säge, hinkender Vergleiche, unzuläfiiger 
Metaphern entwerfen, fondern es würden fih auch nicht 
wenige Stellen auffinden, gegen melde Säge wie: „Wien 
fi) wähernd, fällt vor allen Dingen Kloſter Neuburg 
auf” (&. 14), noch correct erſcheinen. Dazu kommt, daf 
die Verf. bei ber Verſchiedenartigkeit des hier und da 
etwas ‚ufammengewürfelten Inhalts an Übergängen und 
vermittelnden Wendungen nicht eben ſehr reich if. Re 
densarten wie: „Dabei fällt mir ein, daf u. ſ. w.“, deren 

etwas allzu häufig bedient, um Ungleichartiges 
und Widerſtrebendes zu verbinden, verrathen wenigftens 
keine große Biegſamkeit bes Stils. Aber wozu biefe 
Ausfegungen? Wahrlich, es wäre ungerecht, wenn man 
von einer Frau verlangen wollte, fie follte correcter und 


beffer fehreiben als‘ der größere Theil Derer welche ſich 
zu Leitern der öffentlichen Meinung aufgeworfen habenz 
und fo lange müffen wir wol bei anfpruchslofen &r- 
zengniffen einer unbefangenen Reifelaune über Mängel 
und Flecken des Stils hinwegſehen, bis erſt unfere ſchrei⸗ 
beluſtigen Gelehrten angefangen haben, bei ihren ſchrift⸗ 
ftellerifchen Producten eine ſchaͤrfere Feile zu gebrauchen, 

( Die Wortfegung folgt. ) | 





Die neueften Anfichten von der Erdfunde in ihrer An- 
wendung auf den Schulunterricht bargeftellt für Schul- 
vorftände, Lehrer und Kartenzeichner. In einer Reihe 
methodelsgifher Dogmen, Krititen und Analyfen. Bon 
Theodor von Llehtenftern. Braunfchweig, We- 
ftermann. 1846. Gr. 8. 1 Thle. 10 Ner. 


Wen drängt nicht das natürlichfte Gefühl zur Kenntnif 
feiner Umgebung, zuerft der nähern, dann der entferntern ? 
Awar das Kind findet zu Anfang an dem mütterlichen Bufen 
feine Welt; aber bald führt der geiftigere Sinn des Auges es 
über die Sphäre des Zaflfinnes weiter und weiter hinaus; 
ſchon die Secle des Knaben ahnt die Unendlichkeit des Raumes 
und der Züngling fpürt mächtiger den Drang, der fein Ge: 
fügt hinauf und vorwärts“ treibt. Das Kind wie der Mann, 
der Wilde wie der Eulturmenjch, der einfache Bandmann wie 
der weitgeseifte Kaufmann oder der wifienfchaftliche Raturfor« 
fer: fie Alle folgen demfelben Zriebe, den Raum zu erfennen 
in welchem fich ihr Leben bewegt, und nur die Weite oder Enge 
des Kreifed auf welchen ſich ihre Gedankin erſtrecken bedingt 
den Unterfchieb. Und unter den gebildeten Voͤlkern Europas 
iſt laͤngſt kaum ein einzelner ganz Berwahrlofter zu finden, ber 
nicht feit der unbewußten Kindheit von Zranfreih und Ruß 
land, von Aſien und Amerika gehört und Deflen wenn 
noch fo matte Einbildungskraft ihn nicht weit über den Bes 
reich feined Auges binausgeführt hätte. Auf unferer heutigen 
Blidungsftufe, wo der Verkehr mit den entlegenften Erdgegen- 
ben jeden Tagen erregend oder hemmend in bie Thaͤtigkeit des 
niebrigften Arbeiters einzugreifen vermag, iſt eine moͤglichſt an- 
ſchauliche Kenntniß von der gefammten Erdoberfläche ein Bedürf: 
niß für Jeden, und der Unterricht in der Geographie kann für 
Landfchulen fo wenig wie auf Univerfitäten entbehrt werden. 

Aber wis wird diefes dringende und allgemeine Beduͤrfniß 
biöher befriedigt 9 Es iſt leider ein unleugbarer Erfahrungs 
fag, den eine „Inſtruction für die Gymnafien ber Provinz 
Weſtfalen“ (1830) ausfpricht: „Schlecht gegeben ift der gen» 
graphiſche Unterricht eine Pein für Lehrer und Schüler.” Umb 
wie Wenigen, bie in dem erften Decennium unfers Jahrhun⸗ 
derts die frühefie Schulbildung empfangen haben, möchte es 
erfpart worden fein, dieſe fhlimme Erfahrung au an fi 
fetbft zu machen?! Ja, auch von fo vielen ber heutigen 
gilt ed noch, daß man, wie Herder fagt, „unter Seographie 
nichts Anderes verſteht als ein trodenes Ramenverzeichniß von 
Ländern, Plüffen, Grenzen und Städten‘, wo fle dann „aller: 
dings eine trodene, aber auch zugleich eine fo unmwürdig bes 
handelte und midverfiandene Wortkenntniß ift, als wenn man 
an der Hiftorie Nichts als ein Berzeichniß von Namen unwür⸗ 
digen Könige und Jahrzahlen kennt“. 

Und wie ſchmachvoll erſcheint ein ſolcher Zuſtand, wenn 
man an bie wahre Bedeutung ber Erdkunde dent, wenn man 
weiß, nicht etwa was die Geographie als Wiſſenſchaft in den 
legten Decennien duch den anerkannt größten alles Geogra⸗ 
phen, Kart Ritter, geworden, fondern was file von jeher auch 
auf dem befchränfteflen Otandpunkte der Wormelt nad) ber 
Auffaffungs : und Darftelungeweife der großen Genien unfers 
Geſchlechtẽ (wir erinnern nur an Homer und Herodot) geweſen 
it? Denn nad der oben anpeduuteten Ratureinrichtung iſt die 
Erbkunde fo alt wie das Menfchengefchlecht. Sie bildet einen 
Hauptbeftandtheil jeder Mythologie, fo lange dieſe noch als 





1452 


einziges Gefäß jeder höhern Kenntniß in poetiſcher Einkleidung 
die unentwidelten Keime aller befondern Wiſſenſchaften enthält; 
fie verleiht der gefchichtlichen Sage von den Helden ber Bor: 
it den Keil der lieblichſten Abwechſelung, und einer der wirt: 
Teraften Sauber der Poeſie in den großen Dichtungen aller Bei- 
ten, von Homer's „Ddpffee” bis auf Schiller's Jell“, beruht 
auf geograpbifchen Schilderungen. Erb: und Bölßerkunde, wie 
wir fie in den hellenifhen Mythen und in den biblifchen Ge⸗ 
fchichten oder in den beften Reifebefchreibungen der Neuzeit finden, 
find das geeignetfte Mittel die Phantafie und das Nachdenken 
des Kindes anzuregen, und auch der Mann, ja der reis fühlt 
fi immer von neuem zu biefen echtmenfhlichen Bildungsmit: 
teln bingezogen. Und fie gewähren wie bie leichtefte und er: 
beiterndfte Unterhaltung für den erfchöpften Gefhäftemann, fo 
den reichhaltigften Stoff, ja die Grundlage aller feiner Ab⸗ 
ftractionen für den philofophifchen Denker. Das Leptere aber 
gilt ganz befonders von der Geographie in der wiſſenſchaftli⸗ 
hen, ſyſtematiſchen Geſtalt, welche fie erft in neuefter Zeit 
durch Karl Ritter erhalten hat. Denn Ritter hat zuerft den 
gefammten Stoff der Erdkunde, der allmälig durch die verfchie- 
denartigften Forſchungen der Sahrtaufende zufammengehäuft ift, 
nach einer hoͤchſten leitenden Idee durchgreifend geordnet, und 
dieſe iſt keine andere als die Erkenntniß der Wechſelwirkung, 
welche unleugbar zwiſchen der Erde und ihren Bewohnern be⸗ 
ſteht. Wie fruchtbar dieſer eine Gedanke an der Spitze der 
Wiſſenſchaft für dieſe ſelbſt und für das Leben iſt, leuchtet je⸗ 
dem Denkenden auf den erſten Blick ein, und es wird weiter 
unten durch Andeutungen über die neuern Reſultate der Wil: 
fenfchaft in noch helleres Licht treten. Diefer Gedanke ift aber 
on fih Nichts weniger als neu, vielmehr wie Gottlob! alle 
Ideen welche dad Menfchenlcben zu beberrfchen beftimmt find, 
von den früheften Zeiten ber bis auf die Gegenwart niemals 
völlig verkannt, fondern in Leben und Wiflenfchaft von Denen 
die mitten in jenem wie auf der Höhe von diefer ftehen, bald 
dunkel geahnt, bald in einzelnen Fällen Mar durchſchautz; und 
nur Das ift dad Neue und Verdienſtliche in der wiflenfchaft: 
lichen Thaͤtigkeit Ritter's, daß er den Stoff der Wiſſenſchaft, 
die er in einem früher nicht erreichbaren Umfange beberrfcht, 
mit jenem ewig wahren Grundgedanken, der ſich mit der fort 
efchrittenen Forſchung immer heller und heller berausgeftellt 
tte, durchdrungen bat. Noch jept hört man e8 aus dem 
Munde des einfachften Landmannes in der Schweiz: „Jeder 
Santon ift verfohieden an Menfchen wie an Boden‘; denn diefe 
Wahrheit tritt dort jedem ruhigen Beobachter des Lebens un- 
verfennbar entgegen. Und Das ift diefelbe Grundanſicht, die 
fi bei den unfterblichen Alten mit ihrem Plaren, auf das Leben 
erichteten Sinne ausfpricht und der gemäß Strabo in der Ein: 
feitun zu feiner „Allgemeinen Erdbeſchreibung“ beweift: „daß 
der Geograph auch Philofoph fein müffe und daß auch Dieje⸗ 
nigen Pbilofophen waren, welche zuerft die Geographie in ih: 
ren Schriften berührten. An Beobachtungen welche zur Ein» 
ficht jener allgemeinen Wahrheit führen Ponnten (oder denen 
die Ahnung derfelben vor ihrer Erkenntniß in abstracto zum 
Grunde lag) hat es zu Peiner Zeit gefehlt und wir finden fie 
auch in den und erhaltenen Schriftftellern, insbefondere Se: 
fchichtfchreibern, der verfchiedenften Beitalter ausgefprocden, wie 
3. B. Eginhard bemerkt: daß die ſtets wiederholten Kämpfe 
zwifhen Franken und Sachſen in dem Mangel einer Ratur: 
grenze in der Ebene zwifchen dem Unterlaufe des Rheins und 
der Weſer ihren Grund haben. Heller tritt jene Idee dann 
erft in der neuern Zeit hervor, feitdem die Wiſſenſchaft wie: 
der eine vorzugsweife geiftreiche, d. h. ebenfo wol philofophifche 
als praktiſche Behandlung erfuhr, — als feit der Mitte des 
18. Jahrhunderts nad lange fortgefegter Anbäufung eines 
todten Stoffes der Gelehrſamkeit das tiefere Bedürfniß des Gei⸗ 
fih geltend machte und Wiſſenſchaft und Leben nach den 
öchften Ideen umzugeftalten begann. Am befannteften aus 
jener Zeit find für unfern Gegenftand Herder's Verdienfte in 
feinen „Ideen zur Philoſophie der Geſchichte der Menfchheit”, 


Berantwortlicher Herausgeber: Heinrich Brockhans. 


die in ber That zum größten Theile auf Erforſchung der im; 
Wechſelwirkung —** der Natur und —* 
eruhen. Wie Herder Die Geographie zu ſchaͤten wuſte u 
welche Anfoderungen er an den Unterricht in berieben ad 
Schulen ftellte, Das verdient in feiner „Schulrede von der ia 
nehmlichkeit, Nüglichkeit und Rothwendigkeit der Gesgragir‘ 
auch jezt noch nachgelefen zu werben, wenn aud nur, taz 
ber Reiz, den jene Wiffenf aft auf einen fo reichen poetiſhe 
und philojophifchen Geift übte, zu unferer eigenen Erktu 
nachempfunden werde. „Lebenslang”, fagt Herder von ib, 
„werden mir die Beiten aus der Morgenröthe meines Kcal 
auch im Andenken ein angenehmer Traum bleiben, da nez 
Seele diefe Kenntniß zuerft empfing und id über die Arax 








meines @Geburtslandes binaus in die weite Welt Gotte, = 


welcher unfer Erdboden ſchwimmt, entzüdkt ward.” 
Wenn aber Herder in 


Geſchichte der Drenfchheit” mehr durch feinen Scharffinn use 
Intereffe anregt als durch genaue und richtige geographid 


feinen „Ideen zur Ppilofpfir ie 


Darſtellung, für welche die Zeit noch nicht erfchienen war, be 


friedigt, fo mußte doch nad dem einmal gewonnenen Eis 
punkte der Wiffenfhaft nun auch der Mann kommen, da = 
philofophifchem Geiſte gerüftet ein weites Feld geographiſha 
Anfchauungen durchmaß. Ein Alerander von Humboltt su, 
auf den Reichthum feiner wiſſenſchaftlichen Beobadtungrı x 
ftügt, die Gefege der Natur entdecken, che Karl Ritter ik 
zur Richtſchnur und zum Leitftern bei Sichtung des geſawen 
ın allen Sahrhunderten aufgehäuften Materials, das Kenn : 
folder Fülle wie er durchforfcht Hat, benwgen konnte. 

Auf diefem Wege ift die Geographie durch Karl Ritte ⸗ 
einer wahren Wiflenfchaft geworden; der Rudblid auf tik 
Weg aber fol keineswegs dazu dienen, fein Berdienf ha 
zufegen, fondern nur daran erinnern, Daß Ritter wie Jr 
mit dem eine neue Epoche für die Wiffenfchaft beginnt. da 
wiſſenſchaftlichen Standpunkt feiner Beit erkannte und beherit 
und dadurch ullein in Stand gefegt wurde, den zeitgerhe 
Fortfchritt herbeizuführen. . 

Die gegebenen gefchichtlichen Andeutungen über iu Ex 
widelung der Geographie zu einer wahren Wifienian. =! 
welche der Verf. der angeführten Schrift feinem Im x 
mäß nur beiläufig binweift (Abfchnitt II), ließen fh Ki 
noch vermehren, und in&befondere wäre es interefimt 
nug, die Entftehung diefer „neueften Anſichten“ aus ’F 
gefammten Verhaͤltniſſen unferer Zeit, welche auf © 
Sphäre der Wiffenfchaft felbft liegen, aber, wie immer, &* 
tig auf die Geftaltung derfelben einwirken, zu erklären. 24 
müffen wir und hier mit den Hinweifungen begnügen, DE 
Entwidelung einer foftematifchen, auf die Wiflenfhaft ; 
ten Staatsvermwaltung ſchon vor der franzöfifhen News? 
zu dem Arrondirungsiyftem nach Raturgrenzen geführt: = 
daß die neuere Adminiftrationsweife nach Beleitigun 
gefchichtlich bafirten Provinzeneintheilung fich gleihfali :* 
Raturgrenzen zu ftatiftifchen gZwecken umfah ; daß für Drt 
fand insbefondere der wiederhofte Wechfel der politice * 
grenzungen es der Geographie felbft für den nächſten = 
ſchen Gebrauch zum Bedürfniß machte, die natürligen 3* 
baltniffe des Bodens zur Grundlage der Wiſſenſchaft za «# 
len; daB von einer andern Seite ber gleichzeitig die 8 
Zunft, namentlich Napoleon's Scharfblid in militairide 
nugung der Bodenverhältniffe, eine forgfältige Terrsuhe 
als Baſis der Militairgeographie erfcheinen ließ; d4” 
immer wichtiger gewordenen Straßen: und Kanalbautır, 7 
in neuefter Zeit ganz Insbefondere die Eifenbahnen, bi“ 
die Riveauverhältniffe die Hauptrolle fpielen, den BL} * 
Wiſſenſchaft auf diefelben Betrachtungen lenkten u. |. ©." 
bei jedoch nicht überfehen werden darf, daß alle dieſe Fr- 
niffe mit der durch fich felbft fortfchreitenten Wiflenfär: " 
den vielfältigften Wechfelwirkungen ftehen- 


(Die Sortfegung folgt.) 


— Drud und Verlag von J. X. Drockpaus in Beipzige. 


Blatter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





Mittwoch, 





Die Louriften im Drient. 
Schöter und legter Artikel. 
(Fortfegung aus Nr. 383.) 


Wenn man von einem fo floffarmen und formiofen 
Buche kommt wie das von M. Belli ift, fo hat man 
allen Grund ſich an der derben, gefunden und anfpre- 
chenden Koft zu erfreum, welche von Koch in feinem 
neueften Werke geboten wird. - Schon eine frühere Schrift 
aus berfelben Feder hat in der gelehrten Welt die ge⸗ 
bührende Anerkennung gefunden, und bie befondere Be⸗ 
ginfligung, welche von Seiten des preufifchen Gouver⸗ 
nements dem Verf. bei feiner zweiten größern Reife zu 
Theil geworden ift, erfcheint um fo zmedmäßiger .ange- 
wandt, als der Bericht über diefe neue Wanderung, wel⸗ 
her doch wol nur der Morläufer einer die wiflenfchaft- 
fihen Refultate derfelben umfaffenden Darftellung fein 
fol, des Guten und Brauchbaren nicht Wenig enthält. 
Rur im Anfange hätten wir die Darftellung etwas ftraf- 
er und gebrängter gewünfcht; denn wenn wir es einem 
Reifefchriftftellee von novelliftifchem Anfluge nicht allzu 
ehr verargen dürfen, dag er um des lieben Stoffes 
zillen felbft bei den befanntern Gegenftänden verweilt 
nd ?einen Punkt feiner Irrfahrt unausgebeutet läßt, 
‚ dürfte doch ein Mann, Deſſen wiffenfchaftliches Ge⸗ 
räge fich nicht verfennen läßt, gleich die Sache felbft 
n beften ergreifen. &o finden wir, daß der Verf. im 
ingange überall zu weit ausholt und fih mit Dingen 
sumfchlägt, über bie fi) ein Jeder felbft gemügende 
uskunft holen fann. So erfcheint es denn anfangs faſt 
8 fei der Verf. in Berlegenheit fein Tagebuch, zu fül- 
1, und als müßten lange fubjective Ergüſſe die Stelle 
ver gegenftändlichen faßlichen Darftellung vertreten. Mit 
:cht Lönnte man wol fragen, wozu follen die unpaffenden 
tsbrüche des Unmuths über die läftigen Mauthlinien 
‚, 2) und die Speculationen über Das, was nad el- 
: ftets ſehr mislichen Hiftorifhen Wahrfeheinlichkeits- 
nung hätte gefchehen koͤnnen, wenn Maſſena nicht 
Mückzug nad ber Infel Lobau gedeckt hättet Wer 
ve folche Betrachtungen in einem Werke, welches bie- 
Ballaſtes um fo weniger bedarf, als des Verf. der 
hrten Labung genug mit fih führe? 
So hätten wir aud; wol gewünfcht, daß der Berf. 

in Bezug auf Ungarn etwas Bürzer gefaßt hätte, 





30. December 1846. 









oder wenn er es überhaupt für nöthig erachtete auf 
eine Beleuchtung des ganzen Donaugebiets einzugehen, 
daß er dann wenigfiens etwas Mehr gegeben Hätte als 
Das was {hen in fo vielen Reiſewerken niedergelegt 
fl. Die obligate Anführung des bekannten Ausrufé 
hochherziger Ungarn zu Gunften Maria Thereſia's 
fonnte füglich unterbleiben, ſowie auch manche hiftorifche 
Notiz, ohne den Werth ber Darftelung zu beeinträdhti- 
gen, recht gut hätte geſtrichen werden koͤnnen. In Rück⸗ 
fecht auf die Parteien in Ungarn, deren Wechfelfpiel im 
unfern Tagen Biel von ſich reden macht, finden wir Feine 
genügende Auskunft, und wenn es bei Erwähnung ber 
plöglichen nationalen Entwidelung unter ben Madjaren 
heißt: „fie hätte etwas fo Broßartiges, daß die Gedichte 
fein zweites Beifpiel an die Seite ftellen könnte“ (1, 31), 
fo hätten wir ein näheres Eingehen und überzeugendere 
Belege um fo mehr gewünſcht, als etwas weiter oben 
die Behauptung aufgeftellt ift: „die Sprache der Mad— 
jaren wäre nody zu roh und verdiente als Schriftſprache 
faum einer Erwähnung” (1, 9). Wie es uns fheint 
fehlen beide Säge, welche ſich zwar nicht widerfpredhen, 
aber doc nicht recht zufammenpaffen mögen, in ihrer 
übertriebenen Faffung. Denn bei aller Achtung vor ber 
mabdjarifchen Nationalität, der treffliche Elemente nicht 
abzufprechen find, Täßt fich boch aus manchen Zeichen 
der Zeit abnehmen, daß die Ungarn ſich ungeachtet freier 


Inſtitutionen doc) noch nicht zu einer wahrhaft fittlichen 


Haltung durchgebildet haben, während andererfeits ihre 
Sprache und Literatur Peinesmegd noch fo im Argen 
liegt als der Verf. annehmen möchte. Beſonders leb⸗ 
haft betreiben die Madjaren das Hiflorifche Studium 
ihrer Sprache in der Hoffnung, an ben Fäden etymolo⸗ 
gifcher Forſchungen zu einer fichern Grundlage ihrer 
Vorgefchichte zu gelangen. Koch verfpricht fi freillch 
von biefen Studien nicht fonderlich Biel, fhon weil, wie 
er meint, „die Leichtigkeit, mit welcher ein Volk feine 
Sprache verlernt, den Beweis der Abſtammung unmög- 
fih macht” (1, 12). Diefe Überzeugung tft auch wel 
der Grund, weshalb er jene Beftrebungen (I, 32), dur 
fprachvergleichende Unterfuchungen Licht über die frühere 
Vergangenheit des mabjarifchen Stammes zu verbreiten, 
fo kurz, und man kann wol fagen, ungenügend abfer- 
tigt. So lächerlich wie er fie darſtellt find naͤmlich 
diefe Forfchungen, fiber die man ſich übrigen® aus ziem: 





1454 


lich naheliegenden Quellen, 5. B. aus der augeburger 
„Allgemeinen Zeitung”, genauer unterrichten kann, durch⸗ 
aus nicht, und wenn auch bie hiftorifchen Wiſſenſchaften 
feine fehr umfaffenden Refultate davon zu erwarten ha- 
ben, fo wird doch der vergleichenden Sprachkunde, deren 
Grenzen fich täglich erweitern, mander Aufſchluß da- 
durch gewährt werben. 

Die Wlachen, welche als Nachkommen der alten 
Dacier einen römifchen Urfprung in Anfprud nehmen, 
fcheinen dem Verf. mehr Zufammenhang mit flamifchen 
Stämmen zu haben. Auch ihre Sprache wäre, fo be- 
bauptet er, durchaus nicht in dem Mafe aus lateini- 
fhen Beltandtheilen gebildet ald man gewoͤhnlich an- 
zunehmen geneigt ift, indem es ihm, „wenn er auf 
merkfamer ihren Gefprächen zuhörte, leicht wurde, fla- 
wifhe Wörter zu unterfcheiden” (I, 95). Hier bes 
durfte es denn freilich aber, wenn Koch die befannte 
Annahme, daß die dacoromanifche Sprache oder das 
Wlachiſche eine römifche Zöchterfpracdhe fei, über ben 
Haufen werfen wollte, wiederum entfcheibenderer Gründe 
und einer genauern Bekanntſchaft fowol mit dem eigent- 
lichen Sprachfchage als mit der grammatitalifchen Aus- 
bildung und Entwidelung bdeffelben. Bei der Löfung 
einer fo wichtigen Krage wie die ift welche bier an- 
geregt wird, genügte ed noch nicht, „aufmerkfam den 
Geſprächen des Volkes zuzuhören“, indem nur ein tiefe- 
res Eindringen und forgfältigere Studien zu einer ent: 
fheidenden Stimme berechtigten. 

Schr gehaltreich dagegen ift was im erften Bande, 
welcher — wie auch ein befonderer Titel beſagt — „Dice 
Reife Tängs der Donau nad Konftantinopel und Trebi⸗ 
fond” umfaßt, über die Sitten und Gebräuche der Tür⸗ 
en -geboten wird. Wenn aud nicht Alles neu noch) 
überall gleich wichtig ift, fo fühlt man es doch der 
ganzen Darfiellung gleih an, daß man es bier nicht 
mit einem fohnell zufammengerafften Materiale, wie es 
die modernen Touriften am Wege aufzulefen pflegen, 
fondern mit einer auf fcharfer Beobachtung und gewif- 
fenbafter Forſchung begründeten Schilderung zu thun 
bat. Als Gelehrter von Fach, dem das fuftematifche 
Bedürfniß nothwendigerweife anklebt, weiß der Verf. 
ſtets die einzelnen Notizen in einen gewiffen Zufammen- 
bang zu bringen, und wenn aud hier und da Wieder⸗ 
bolungen und Längen nicht ganz vermieden find, fo wirkt 
doch die Überfichtlichkeit und are Entwidelung im Ge⸗ 
genfag zum zerfahrenen Weſen Anderer wohlthuenb und 
befriedigend. Beſonders anziehend ift Das was über 
die einzelnen Befchäftigungen und das Rangverhältniß 
der Türken, fowie über die innern Beziehungen des 
häuslichen Lebens angeführt wird. Auch das Bild, wel- 
des wir von der örtlihen Befchaffenheit der „Mutter 
der Welt” ( Umm - ed - Dünja) — wie Konftantinopel 
von den Dsmanen genannt wird —, von der Lage, bem 
Umfange, den öffentlihen Plägen und bervorftechenden 
Bauwerken diefer Stadt erhalten, ift reich an lichtoollen 
Partien, obgleich wir freilich hier Farbenpracht und plafti- 
ſche Geftaltung des „Bragmentiften” vermiffen könnten. 


Bemertenswerth ift was Koch über die Bedeutung 
dieſer Weltftadt für den Bewohner der türkiſchen Yro- 
vinzen fagt (I, 121): 

Wie der Glaube jedem Anhänger des fat 
Befiehlt, einmal im &chen ac her beiliom len 9 —* 
lande zu wallfahren, fo zieht ein Etwas die Zürken maͤchtiget 
nad) der großen Koftantinije, dem Sige feiner Khalifen. 

Diefe Anfiht macht zwar keinen Anſpruch auf Dri- 
ginalität, aber fie erfcheint uns gerade jegt um fo be 
beutender, als fie bei der Frage, welche neue Form fih 
aus den zerrütteten Verhältniffen des alten byzantinifhen 
Reiches herausmwinden wird, von Gewicht ifl. Dane: 
innert fih, mit welchen beredten Worten Fallmerayı 
die phantaftifhe Meinung, ale würde aus dem Schun 
der vermorfchten Türkei eine Neihe neuer jugendlich fri- 
cher Staaten hervorwuchern oder als liege fih „durch 
politifche Rechenerempel ber Eine ftrahlende Weltkörpe 
osmanifcher Monarchie in ein Planetenſyſtem getrennt 
Staaten ohne Sonne auseinanberfchlagen”, als finmer: 
wirrend befämpft, und wie er nachweift, daß, fo lange 
in Konſtantinopel noch ein Stein auf dem andern uk, 
alles Leben felbft der entlegenen Provinzen mit uni: 
derftehliher Gewalt nach diefem Mittelpunfte getrie 
ben wird. 

Bon befonderm Intereffe iſt Das was der Bf 
über die medicinifche Schule beibringt (1, 242), meld 
Sultan Mahmud mit der felbfizufriedenen Infänft: 
„Alle die auf diefes Gebäude fchauen werden: & if 
wohlgethan! ausrufen”, zu Konftantinopel errichten lich, 
und die ſchon längere Zeit unter der trefflichen Leitung 
von Bernard, jegt unter Spigner befteht. Der Sericht 
erftatter zeigt fih bier als kundiger Führer, ſowie auf 
vorzüglich alle diejenigen Partien ihrer Brauchbarkit m 
gen hervorgehoben werden können in denen über die Er: 
zeugniffe der Agricultue und befonders der Gartendau- 
kunſt gehandelt wird. Aus den mancherlei Bemerku 
gen welche in diefen Capiteln niedergelegt find greife 
wir nur die Notiz heraus, daß die bei unvorſichtigen 
Genuß leicht gefährliche Apricofe von den Türken vorm 
weife mit dem Namen „Frankentõdter“ (Mata - frank) 
belegt ift (I, 171), und bemerken noch, daß er die It: 
thümliche Anficht, als habe Lucullus dereinft die Gau 
tirfchen aus ber Umgebung von Kerafus nad Rom übe: 
gefiebelt,, widerſtreitet (I, 175). Im Allgemeinen ſich 
man recht gut, daß, wenn einzelne Gegenden des tirf 
fhen Reihe duch Wannichfaltigkeit und Trefflichtet 
der Naturerzeugniffe gefegnet find, Dies mehr auf Rd 
nung der unerfchöpflihen Triebkraft der Natur als de 
menfchlichen Fleißes und der menſchlichen Sorge zu ſchen 
ift: denn (wie es IL, 219 heiße) „an Wnpflanzumgen 
von Holz denkt Niemand; was mein Water niht Fr 
mich gethan hat, Das: brauche auch ich nicht für mei 
Söhne zu thun”, ift die gewöhnliche Antwort des Ir 
talen, wenn man ihn auf die Nothwendigkeit von Ir 
pflanzungen hinweiſt. Das ift aber nicht genug. Da 
Türke enthält fih nicht nur jeder erhaltenden und © 
gänzenden Fürforge, fondern in arger Kurzſichtigkeit K 


1455 


fangen, wüthet er fogar gegen Das was ihm in un- 
verbienter Zreigebigkeit die Natur gewährt. Nur ei- 
nen Zug aus dem büftern Gemälde, welches uns aus 
allen Blättern entgegentritt (I, 179): 

Leider gibt fi der Roslim ebenfo wenig wie der Ehrift 
und Zude die geringe Mühe, den Baum auf eine Art fei- 
ner wohlfchmedenden Früchte zu berauben, daß das naͤchſte 
Jahr die Ernte wo möglich noch reichlicher ausfällt, fondern 
auf unverzeihliche Weife bleibt auch hier der Morgenländer 
feinem herftörenden Nationalcharakter treu und bricht oder haut 
die fhönen Aſte und felbft üppigen Kronen ab, nur um fo be: 
quem ale möglich zu den Kaftanien zu kommen. 

(Der Beſchluß folgt.) 





Die neueften Anfichten von der Erdkunde ıc. Von Theo- 
dor von Liedhtenftern. 


(Zortfegung aus Nr. 383.) 

Der Berf. der uns vorliegenden Schrift hat ſich zunachfi 
das Ziel geſteckt, den neueften Anfichten von der Erdkunde 
mehr Eingang in den Lehranftalten zu verfchaffen, und Diefed 
ift eine fehr rühmliche Abficht, Die er durch feine Darftellung 
unftreitig bei Vielen erreidhen wird. Doch ift das Büchelchen 
allen den Gebildeten zu empfehlen, welche fi) von Nitter's 
großer Idee der geographifchen Wiſſenſchaft angezogen fühlen, 
ohne daß fie Zeit finden, fi durch umfaflendere Studien mit 
dem gegenwärtigen Standpunkte der geographifchen Kenntniffe 
vertraut zu machen. Allerdings finden wir hier mehr die An- 
fihten hervorragender Beifter, welche jegt die Wiflenfchaft ber 
herrſchen, zufammengeftellt (und zwar meiftens in ziemlich aus: 
führlichen wörtlihen Auszügen aus ihren Schriften) als eigen: 
thümliche Anfichten des Br felbft; aber Diefes kann für Den» 
ienigen weldjer den gegenwärtigen Standpunkt der Wiſſen⸗ 
ſchaft kennen lernen will nur erwünjcht fein; eine reiche Kennt: 
niß der Literatur und ein „Durch jahrelange praßtifche Lehrthä- 
tigkeit" gefhärfter Blick bürgen im voraus für die Zrefflichkeit 
der Auswahl die der Verf. getroffen hat. Auch fügt er öfter 
eigene Winke hinzu, die, wie er verfichert, Die Probe der Er: 
fahrung beftanden haben. 

Das Ganze befteht aus mehren loſe unter ſich zufammen: 
hängenden Abhandlungen, die jedoch in einer (meiftens) natür: 
lihen Folge nad) und nah zu einer richtigen Einſicht in die 
wahre Bedeutung des geographifchen Unterrichts, die neuere 
Behandlungsweife deflelben, die zeitgemäßen Hülfsmittel (Com⸗ 
pendien und indbefondere Karten), wie zu einer gebrängten 
Überficht der wichtigften neueren Zortfchritte in der Bodenkunde 
der gefammten Erdoberfläche verhelfen. 

In Abſchnitt 1, „Promemoria für Schulbehörden, die 
Hemmnifſe eines zweckdienlichen geographiſchen Unterrichts be: 
treffend”, erfcheint die Foderung eines allgemeinern Studiums 
der Geographie auf Univerfitäten befonders anſprechend. Rad 
einem Auffage in der (berliner) „„Literarifchen Zeitung ’ vom 
San. 1844 heißt e6 hier: „Der mit der Idee Der Univerfitä- 
ten felbft gegebene Grundfag, daß der philofophifhe Unterricht 
Die Grundlage von Allem was auf Univerfitäten getrieben wird 
fein muß, daß die philofophifdhe Facultät die allgemeine Facul⸗ 
tät ift, welche den Eintretenden empfangen, in ihm den wif- 
ſenſchaftlichen Sinn aufregen fol, ift längft und wol nit am 
wenigften durch die Vorſchriften der Regierungen über die für 
das Staatderamen nothwendigen Zeftate den Studirenden ab: 
handen getommen. Daher kommt es gegenwärtig recht eigent- 
li darauf an, die Stubirenden auf der Univerfität durch be- 
fondere WBorlefungen, welche ihnen Förderung verſprechen in 
ihren eigenen fpeciellen Fachſtudien, zugleich zum Intereſſe und 
zur Achtung für die ihnen fremden Bücher des Willens anzu: 
regen. Wir wagen e6, hierzu Borlefungen über die Erdkunde 
zu empfehlen, und fo entfernt wir find, diefe Wiffenfchaft als 
eine atademifhe Panacee zu betrachten, fo zuverſichtlich glau: 


ben wir, daß die Erdkunde als akademiſche Disciplin, vorge 
tragen von Lehrern welche ſich der Idee der deutſchen Univer« 
fität deutlich bewußt find, und welche auf dem Standpunkte ſte⸗ 
ben den Karl Ritter den Geographen angewiefen hat, recht 
eigentlih dazu geeignet ift, den Studirenden biftorifcher wie 
den der Raturwifienfchaften anzuziehen, anzuregen, zu gewins 
nen für eine höhere Betrachtungsweife fowol feiner eigenen 
Wiſſenſchaft wie der auf dem entgenengefesten Gebiete der 
menſchlichen Forſchungen liegenden, und fo in Allen das Bes 
wußtfein der @inheit und des höhern Zufammenhanges alles 
Wiſſens zu erwecken.“ 

Nur auf dieſem Wege wird auch recht bald die Gewin⸗ 
nung einer hinreichenden Zahl tüchtiger geographiſcher Lehrer 
für die Symnafien, welche unfer Verf. zunähit im Auge bat, 
zu erzielen fein. Doch erinnert Derfelbe vor Allem daran, daß 
der geographifche Unterricht von Seiten des Lehrers „der voll⸗ 
ften Energie bebürfe, um den jegigen Anfoderungen zu genüs 
gen’'; nicht minder aber „außer dem gehörigen Grade formaler 
Bildung einer alles Denken durchdringenden religiöjen Wärme”. 
„Aber“, fügt er mit Recht hinzu, „iene formale Bildung, 
welche zur humanen und vielfeitigen Auffaffung aller Lebend« 
verhältnifle ſtimmt, wird freilich nicht ausfchließlih, wie Viele 
meinen, duch das auf Gymnafien betriebene Studium der 
Glaffiter und ein nachheriges akademifches Brotftudium erlangt; 
fie geht vielmehr von einer philofophifchen Baſis aus’, (durd 
welche man fi) „den Organismus menfchlicher Wiffenfchaft ver⸗ 
gegenwärtigt und fi mitteld einer encyklopädifhen Bildung 
jenen Grad von Humanität aneignet, welcher für jeden Men» 
fhen, für alle Berufsverhältniffe und insbefondere für Erzies 
ber und Xehrer zur vielfeitigften Wichtigkeit gereicht.” 

Abfchnitt II: „Über Die neuern Anfichten in der Behand« 
fungsweife der Geographie überhaupt und für den Unterricht 
insbefondere‘‘, gibt, nebft intereffanten Andeutungen über die 
Entftehung jener Unfichten (f. oben), mehre ausführliche Aus⸗ 
züge von Schriften, in welchen die Unfoderungen der Gegen» 
wart an die Wiffenfchaft wie an die Unterrichtömethode lehr⸗ 
reich und eindringlich außgefprocdhen find. Beſonders überras 
ſchend und anziehend ift der Ertract aus Johann Georg Mül« 
ler's „Verſuch über dad Ideal einer Erbbefchreibung”, in wel 
chem der Berf. — bereits im 3. 1788 — fi .in folgender 
Weiſe vernehmen läßt: „In Peiner andern Wiffenfchaft find 
wie bei der Erdbefchreibung und Geſchichte fo alle Fächer 
unfers Wiffend anwendbar, und Beine ift nicht nur des Phi: 
lofophen, des SD eograpben und Gefchichtfchreibers , fondern 
überhaupt des Weltbürgers, des Menfchen, fo würdig. Denn 
die Erdbeſchreibung, nicht wie fie zur Zeit noch ift, aber wie 
fie nach den gelehrten Urbeiten fo vieler vortrefflidher Mäns 
ner werden kann, ift ein Gemälde des Erdbodens wie er ift 
und was der Menſch aus ihm zu machen weiß und wagt; eine 


* 


Beſchreibung des Himmels, der Erde, der Menſchen und ihres 


Einfluſſes aufeinander.‘ 

Unter den unſerm Verf. eigenthuͤmlichen Anſichten über 
die Einrichtung des geographiſchen Unterrichts verdienen nach 
des Ref. Dafuͤrhalten zwei unter ſich nahe verwandte Bor: 
fhriften die größte Beachtung. Um die formale Bildung, den 
Hauptzwed alles Unterrichts und fo auch des geographifchen, 
möglichft vielfeitig zu fördern, dringt der Verf. zunaͤchſt auf 
„die gleichmäßige Anziehung und Verſchmelzung fämmtlicdher 
Elemente der geographifhen Wiffenfchaft, des logiſchen mit 
dem naturwiflenfchaftlihen und culturgefchichtlichen.. Wie aber 
diefe Vielfeitigkeit überhaupt manchen der neuern Hülfsmittel 
für die Schule nach einer falfchverftandenen Methodik völlig 
fehlt, fo ift das Princip nach welchem mehre fonft ausgezeich⸗ 
nete Schulbücher die aufeinanderfolgenden Lehrftufen fondern, 
eben eine vollftändige Zrennung der geographifchen Elemente, 
wodurch, oft wider den Willen der Berfafler (z. B. des treff- 
lihen U. v.Roon), der Hauptfehler des frühern geographiſchen 
Unterrichtö, das @inpfropfen todten Materiald, befonderd bei 
unerfahrenen Lehrern, allzu fehr befördert wird. Ganz im 





1456 


Gegenfage hiermit fobert unfer Verf. zweitens: daß auf jeder 
Lehrftufe zur „Aufſtellung folder Geſammtbilder beftimmter 
Grdräume bingewirkt werde, wobei fümmtliche geographifche Ele⸗ 
mente in einer Art und Weiſe zu einem organifhen Ganzen 
vereinigt und verwebt werden, wie Died jedem intellectuellen 
Standpunkte eines geographifchen Audiloriums gerade zuträg: 
lich und erſprießlich ift.”" Nicht nach Verftandesfategorien der 
Biſſenſchaft muß der Lehrftoff für den Unterricht gefondert wer: 
den, fondern nah dem Bedürfniffe und darum nad dem gei: 
fligen Standpunkte des zu Bildenden. Diefe Wahrheit wird 
ſich jedem Lefer aufbringen der weiß was echtmenfchliche Bil: 
dung bedeutet, und Ref., der aus innerm Drange ſchon feit 
dem Beginne feiner Thaͤtigkeit ald Lehrer der Geographie nach 
diefer Methode unterrichtet hat, kann die Ruͤtzlichkeit derſelben 
aus einer Erfahrung von mehr ald 20 Jahren beftätigen. Es 
iſt Höchft erfreulih, daß endlich einmal wieder ein bedeutender 
Geograph diefer Methode Praftig das Wort redet, da die neuern 
Kortfchritte der Wiflenfchaft felbft zu Überfchägung einer ent 
gegengefegten fehlerhaften Methode verführt haben, indem man 
meint, die rein räumliche Betrachtung, die jegt mit Recht als Grund: 
lage der wiflenfchaftlihen Geographie erfannt wird, nur durch 
vorläufige gefonderte Betrachtung zur völligen Klarheit erheben 
zu Fönnen. Wie -unnatürli aber ift es, dem Schüler zuerft 
nur die Umriffe aller Länder und Meere (horizontale Dimen- 
fionen), dann die fämmtlichen Flächen und Gebirge der Erde 
(verticale Dimenfionen), wenn auch in noch fo anfchaulichen 
Bildern, einzuprägen, ehe er das Mindefle von, der Natur: 


befchaffenheit derfeiben und von ihrer Bedeutung für das Men- 


ſchenleben erfährt. Glüdlichermeife ift auch hier die Praris 
meiftend beſſer als die Theorie; denn welcher gebildete Leſer 
Fönnte es unterlaffen, den fo einfeitig zugefchnittenen Stoff 
durch unmillfürlich eingeftreute Bemerkungen über Die reiche 
Fuͤlle der Wirklichkeit zu beleben? In diefem Sinne fpricht ſich 
auch die Inftruction einer (?) Ober : Stubiencommiffion (in 
eudde's „Zeitfchrift für vergleichende Erdkunde‘, 1844, Bd. 4, 
&. 362) auß. Und wahrlich, es ift von diefer Methode, wenn 
fie wirflicy immer die SalfungeFraft bes Schülers zum Haupt: 
augenmert macht, nicht zu beforgen, daß fie die Auffaffung 
bes räumlichen Bildes verdunfele oder das Intereffe für diefe 


ſchwaͤche; vielmehr wird nun gerade auch hierbei das Gedaͤcht⸗ 


niß durch Belebung der Phantafie und Anregung des Berftan: 


des die rechte Unterftügung finden. 


Allerdings aber muß die anſchaulichſte Kenntniß von den 
rein räumlichen Verhältniffen der Erdoberfläche die Grundlage 
der wiffenfchaftlichen Geographie bleiben; denn die neueften 
Fortfehritte der gefammten Erdkunde beruhen gerade vor Allem 
darauf, DaB die Dimenfionen der Erdräume immer Marer er: 
Fannt und in ihrer Einwirkung auf alle übrigen geographi« 
fhen Berhältniffe (Klima, Production, Entwickelung des Men- 
ſchenlebens in der Gefchichte und Gegenwart) gewürdigt find. 
Leiter und früher erfolgt die Erfenntniß der horizontalen Di: 
menfionen; zu einer richtigen Auffaffung der verticalen Boden: 


verhältniffe haben erft Humboldt's Korfchungen geführt und. 


auf diefe hat Nitter dad Syftem der Willenfchaft erbaut. Eine 
kurze Geſchichte der in Diefer Beziehung gemachten Kortfchritte 
gibt unfer Verf. in Abfchnitt V: „Über das Relief der Erd: 
oberflaͤche nach den neuern Anſichten“ (welcher billig die Be: 
ſprechung der gegenwärtigen Hülfsmittel für geographifche Stu⸗ 
dien in Abſchnitt III und IV voranftehen folte). Hier heißt 
es in der Einleitung: „Zwei Ideen haben vorzüglicy zur irr⸗ 
thümlichen Anficht von der Oberflächenbildung der Erde mit: 
gewirkt und wurden befonders durch Eompendienfchreiber und 
Kartenzeichner lange erhalten und befördert. Erſtens wurde 
von der Unficht ausgegangen, daß die Wafferfcheiden ſich auf 
den hoͤchſten Erhebungen eines Erdraumes, ſowie daß die Haupt: 
waſſerſcheiden der Erdtheile fi) auf deren hoͤchſten Gebirgen 
vorfinden müßten. Zweitens wurde die Erdoberflaͤche mit ei» 
nem Rep von Gebirgsfetten überzogen, welche alle, von Een: 


tralpunkten oder Gebirgskorten ausgehend, ihre Berlängem: 
gen oder Glieder felbft unter dem Meeresſpiegel fortſeſten 
Sur Wiberlegung dieſer verlehrten Anfchten duch dä 

neuern Forſchungen wird befonders auf bie " aliſhe Ge: 
ropbie” von Fran Hoffman (Berlin 1835) vermice 

iv erinnern hier nur an daS großartigfte und bekannich 
Beifpiel von den früher erträumten Gebirgen auf den Bılr 
fheidungslinien in Rußland; die Beobachtung bat fatt deik 
ben nur .zwei niedere (höchftend 1200 Fuß hohe) Landrat: 
kennen gelehrt, von denen der eine weiter im Rorden ydezm 
(uralifch:baltifhye) allerdings in feinem öſtlichen Theilt be x 
den Waldaihügeln die Scheidelinie zwifchen ben Flüſſen de 
Nordens und Südens bildet, weiterhin aber ebenio nah e 
der Oſtſeeküſte hinzieht wie der füdlichere (uralifch-karpatiik, 
an den Küften des Schwarzen Meeres. Die Wafferigeitus 
im Innern Rußlands liegt demgemäß in der Vertiefung ım 
fhen jenen Landrüden und bildet ein ungeheueres Sumpf. 
die von diefem aus nach Nordweſt oder Suͤdoſt ziehenden tie: 
durchbrechen die Landrüden in tief eingefchnittenen Br. 
Der Gedanke von einem durdgängigen Zufammenhang: ir 
Gebirge (nach dem Bilde eines Gerippes oder von Stamm x 
Zweigen) ift gleichfalls durch die neuern Radhmeifunge 
ifolirten Gebirgen, die fich frei aus ringsumliegenden sr 
erheben, widerlegt (Diefes gilt 3.3. vom Uralgebirge, vr du 
u ye Santa -Marta an der Rordküſte von Side: 
u. f. w.). 

Daß man bei dem Relief der Erde überhaupt rüber = 
Ebenen und Gebirge in Betracht zog und diefe leptern gi 
tentheild in Kettenform darftellte, ıft bekannt. Rach 8 
boldt's Forſchungen unterfiheidet die wiſſenſchaftliche Get: 
phie drei Hauptformen der verticalen Dimenfienen: I) I: 
) Hochland, 3) Gebirgsland. Liefländer find (nad Air 
Länderftredden die fich hoͤchſtens bis 500“ über dem Ras 
fpiegel erheben (doch ift diefe Grenze da, wo der Bern if 
allmälig anfteigt, wol nicht ftreng feſtzuhalten). Sie fr se 
ftentheils flache Länder mit fehr geringen relativen Erbeiazje 
Ref. möchte im Folgenden eine ftrengere Begrifftihetz; « 
Borfchlag bringen: Bei den verticalen Dimenfionen X 
bie (abfolute) Höhe über dem Meeresfpiegel, theils di is 
des Bodens zu berüdfihtigen. Nach jenem Eintheiluniet 
zerfällt das Land in Hoch: und Ziefland; mit Bazidur; = 
den legtern zerfällt das Tiefland in Ziefebene und wat 
miges Land, wie das Hochland in Hochebene und Seirzir! 
(In legterm bilden fi Berge und Thaͤler.) 

(Der Beſchluß folgt. ) 





titerarifde Anzeige. 
Reifen in Dünemarl 


und den Herzogthümern 


Schleswig und Holſtein. 


Von 
I ©. Kohl. 


Zwei Bände. 
8. Geh. 6 Thlr: 


Mit dem foeben ausgegebenen zweiten Bande ift ck "” 
intereflante Werk volftändig in den Händen des Yublius' 


Reipgig, im December 1846. 
F. A. Boah: 





Verantwortliher Herausgeber: Seinrich Wroddans. — Druk und Verlag von F. X. Brockhaus in Leipzig. 








Blätter 


für 


literarifhe Unterhaltung. 





LT | U —— 


Donnerdtag, 





Die Touriſten im Drient. 
Sechtter und legter Artikel. 
(Beſchluß aus Nr. 3.) 


Diefelbe Gorgiofigkeit, welche zuweilen fogar einen 
wahrhaft Barbarifchen befommt, offenbart fi 
in allen Richtungen des Lebens. Sie tritt überall da in 
plumper Roeheit hervor, wo man den Blick auf folde 
Gegenden wendet, welche nit eben häufig von Frem⸗ 
den beſacht werden; im ber dtegel ift feibf die ſchlaffe 
policeiliche Dednung nicht im Stande fie vollftändig zu⸗ 
rũckzudraͤngen. Belege daflee Iaffen fi überall auch 
im vorliegender Schrift in reichſter Auswahl nadnveifen. 
So lefen wir (II, 106): & 

Brüden find im Ullgemeinen jept im Driente eine Selten⸗ 
heit, und —* nicht eine fruͤ Ba und beſſere Zeit für bie 
Rachkommenſchaft geforgt hätte, fo würde in vielen Gegenden die 
Comm unication noch häufiger unterbrochen fein als fie es ſchon ift. 

Be einem Reiſenden welder folche Eindrüde em⸗ 
pfangen und Deffen Ringer überall felbft die wunben 
Stellen berührt bat, Tann man natürlich keine Vorliebe 
für ein fo entartete® Gefchlecht vorausfegen. Das Schau- 
fpiel des tiefften Verfall welches ſich ihm, auf allen 
Punkten bietet, hat in ihm denn auch die Überzeugung 
ntftehen Taffen, daß bie Zeit nicht fern fein kann, „mo 
Mohammed’ grauſame Bekenner zurüd in Ihre Wüften, 
on denen fie ausgegangen, gefchleudert werben, um mit 
Eigern und Hyänen ihre elendes Dafein zu erfämpfen‘ 
I, 119). We Reformverfiche müflen an ber trägen, 
nbehülftihen und entfittlicäten Maſſe feheiteen und je- 
es Bemühen, europätfche Inftitutionen dem zerfallen- 
en Staatslörper ber Türkei einzuimpfen, wie es im 
yattifcherif von Guͤl⸗Chaneh gefchieht, der wie ber Verf. 
gt €, 191) nur dann eine Wahrheit fein würde, wenn 
+ Moslim aufhörte Moslim zu fein, trägt ben Keim 
8 Todes in fid oder ift vielmehr nie im Stande Ke- 
nshoffnungen zu erweden. Der gemeine Türke ift 
= alle wahren Berbeſſerungen, weiche natinlich nur 
is ihm felbft fommen können, unzugaͤnglich; gefühllos 
‚aut er dem umfichfreffenden Verderben zu und fpricht 
n ,‚, Jardumüs Allah dan gelür”.(unfere Hülfe kommt 
n Gott)! Dieenigen aber welche auf die moralifche 
Hebung der Nation einwirken follten, ſtehen meift 
enfo tief (1, 190): 


r. 365. ö— 


31. December 1846. 





u— — 





Man mag einen türfifhen Beamten oder einen laffſchen 
and Burdifchen. Räuber von der Unrechtmäͤßigkeit feiner Band: 
ken mit Werten zu überzeugen fuchen role men will, er 
iff gar nicht im Stande den Sian derſelben aufzufaflen; be 
obachtet man ihn hingegen und ergreift ihn beim erften Über: 
fritte des Gebots, um Ihn einer berben Suchtigung zu über: 
geben, fo wird er bald von feinem Unrechte überzeugt bein und 
ſich bei anhaltenden Rachdrucke beſſern. 

Ubrigen® Hatte Koch auch vielfach Gelegenheit fich 
zu Überzeugen, daß „der Glaube an ber Verfall der 
tuͤrkiſchen Herrſchaft und an die Wefähigkeit der Nach- 
kommen Döman’s, das morſche Gebäude der Tüͤrkei fer- 
ner noch aufrecht zu erhalten” (II, 135), im Orient 
allgemein verbteitet if. Bemerkenswerth if, mas der 
Verf. verfihert, daß ungeachtet der Niederlage Son Ibra⸗ 
bim Paſcha in Syrien und der mehrfachen Beſchraͤn⸗ 
fungen durch bie man Mehemet Ali zu demüthigen 
verfucht hat, doch Die Blicke des Morgenlandes auf 
biefen Mann gerichtet find, Deffen Berföntichkeit eine 
Energie ausſtrahlt, welche felbft den Türken Achtung 
abzwingt. 

Wir baden Hier in einigen allgemeinen Zügen bie 
Anfichten welche der gewiſſenhafte imd Teidenfchaftslofe 
Reiſende aus einer vieffeitigen Betrachtung der That- 
ſachen gefehöpft hat anzubenten und in fürzefler Fafſung 
zuftmmenzubrängen verfucht. Wusführlichere Mitcheflun- 
gen namentlich aus dem beſchreibenden Theile, in dem 
überall Raturtreue uns entgegentelet, zu geben, verhin- 
dert und der Naum. Wir könnten font ine ganı an- 
ziehende Leſe gefälliger Landſchaftsgemaͤlde geben, welche 
um fo werthuoller find, als fe theilweiſe wenigſtens fol⸗ 
che Gegenden betreffen an denen ſich bis jege noch Feine 
europäifhe Feder verfucht hat. In diefer Beziehung 
gewährt der zweite Band, welcher fi unter einer be 
fondern Titelbezeihnung über „Die Reife Im yontini- 
ſchen Gebirge und kürkiſchen Armenien“ erftredt, rei⸗ 
ches Intereffe. 

Der Neifende hatte einen Theil biefes an Natur⸗ 
hönheiten reichen Gebiets bereits früher in Augenfchein 
genommen und, wie er felbit am Schluſſe bes erfien 
Bande verfichert, es „uͤberſtel ihn ein eigenes Gefühl, ale 
er die parabtefifchen Gegenden wiederum erblickte, in de⸗ 
nen er fi ſchon 1836 eine längere Zeit aufgehalten 
harte”. Jene frühere Bekanntſchaft mit dem Lande ge 





1458 


währte befonder# den Bortheil, daß nun bei diefem neuen 
Befuche gleich die hauptfächlichften Geſichtspunkte aufge- 
ftellt werden konnten auf die es bei diefen wohl vorbe- 
reiteten und von Seiten ber preufifchen Regierung aufs 
liberalfte unterftügten Forſchungen vorzüglid ankam. 
Raſtlos durchwandert Koch das Gebirge in verfchiedenen 
Richtungen, und nur felten mag er in fein Notizbuch 
„Diem perdidi‘ eingetragen haben. Er felbft fagt an 
einer Stelle (IT, 25): 

Als Naturforſcher inmitten einer ſolchen paradiefiſchen Ge: 
gend mich nicht unter Gottes ſchoͤnem Himmel unmittelbar zu 
befinden, däuchte mir Frevel, und fo eilte ich hinab ins Freie 
und verweilte dafelbft faft den ganzen Zag, fo lange das 
Sonnenlicht über mir leuchtete und mein Körper nicht einige 
Ruhe verlangte. 

Prof. Koch ift Botaniker, und wenn er auch bis auf 
die Anführung einiger botanifcher Namen im Allgemei- 
nen ſich der wiffenfchaftlichen Zerminologie enthält, fo 
leuchtet feine Vorliebe für die Scientia amabilis, wie 
der Pflanzenkundige feine MWiffenfchaft vorzugsmeife gern 
nennt, befonders im zweiten Bande überall hervor, ohne 
daß es indeffen für folche Leſer, denen diefe Disciplin 
ferner liegt, irgendwie läftig würde. Im Gegentheil tra» 
gen die eingeftreuten Bemerkungen über Pflanzengeogra- 
phie, welche meift nur allgemein gehalten find, nicht we⸗ 
nig zur Belebung und Ausfhmüdung der Landſchafts⸗ 
gemälde bei, und an ſolchen Stellen fpiegelt ſich dann 
die. Farbenpracht einer faftreichen, üppigen Vegetation 
in dem fonft faft allzu nüchternen und einfachen Stile 
des Zouriften. 

Was den allgemeinen landfchaftlichen Charakter der 
durchwanderten Gegenden betrifft, fo vergleicht ihn Koch 
an verfehiedenen Stellen — wir reden hier von den pon- 
tinifhen Gebirgspartien und vom Hochlande Armenien 
— mit der Zotalanfiht der Schweiz, und es ſchien zu- 
weiten faft, als wenn fchon früher gefehene Bilder fich 
vor feinen Blicken aufrollten (II, 155). In diefer Be 
ziehung möchten wir denn aber doch daran erinnern, 
daß der trefflihe Wagner, der Verf. der ausgezeichneten 
„Briefe eines deutfchen Reifenden vom Schwarzen Meere”, 
der mit einem Blick für Iandfchaftliche Meize begabt ift 
wie Wenige, Dies eigentlich in Abrede ftellt oder we- 
nigſtens — wenn wir nicht irren — den mannichfaltigen 
Schönheiten der Schweiz die Palme zuerkennt, mtit de» 
nen fi) auch nach dem Urtheile englifcher Reifenden von 
bewährter Autorität Bein anderes Gebirgsland der Welt 
meffen Tann. 

Außer den Scenen aus dem Volksleben, welche der 
Derf. mit ethnographifchen Bemerkungen von allgemei« 
nerer Bedeutung untermifcht, den pittoresfen Schilderun⸗ 
gen intereffanter Gegenden und den flüchtigen Anden» 
tungen, aus denen wir nur einen ſchwachen Begriff von 
der eigentlichen botanifchen Ausbeute gewinnen, finden 
wir in dem umfaffenden Reifeberichte noch Mancherlei 
berührt. Gprachlihe Studien, in denen, wie wir oben 
mit Bezugnahme auf das Madjarifhe und Wlachiſche 
dargethan haben, die Stärke Koch's nicht zu beruhen 
Iheint, find im Ganzen von der Darftellung ausgefchlof- 


fen, was vielleicht ſchon deshalb geſchah, weil fein Krk. 
gefährte Dr. Rofen, Bruder des früh verſtorbenen k 
kannten Drientaliften, fi ausführlichere Drittheilugn, 
welche fih auf das Gebiet der Linguiftif beziehen, mr 
behalten hat. Ebenſo finden auch die antiquariſchen Ku: 
bedungen, welche von ben beiden Gelehrten auf im 
Wanderungen gemacht fein mögen, nur unterzeordner 
Berückſichtigung. Außer einem mebicinifch- antiquariike 
Wige über eine Infchrift zu Mehadia (,‚Mercunus Ve 
neri”, I, 81), einigen Bemerkungen über den giftigen dr 
nig, welcher im Zenophon befprochen wird (II, LI), da 
Mittheilung über eine kufiſche Infeription (II, 282) m 
der Beichreibung des intereffanten und beziehungsrida 
Doppelthurms Zfchifteh- Minareh auf dem Wege nid 
Erzerum, aus deffen von Prof. Stidel in Zena ati 
ferten Schriftzugen kufiſchen Charakters hervorgeht, ai 
feine Erbauung in das Jahr 935 n. Ehr. fällt, erinnem 
wir und nicht, daß der Verf. den Alterthüumern, med 
er auf feiner Reiſe befichtigt hat, befondere Aufmechu 
feit gewidmet hätte. Doch „Eins ſchickt fich nidı m 
Ale”. Die Selbfibefchräntung welche er ſich aufalıy 
bat ift für feine Darftellung nicht ohne Nugen gend 
Weshalb Hätte er fih auch noch mit fremden Fa 
ſchmücken und aus vorhandenen Quellen einen unnipı 
Prunt von Scheingelehrfamkeit erborgen follen, dı « 
bei gewiſſenhafter Benugung der vergönnten Mittel 6 
nen werthvollen Schag felbftändiger Beobachtung 
fammeln im Stande war? ®. F. Büntkt 





Die neueften Anfichten von der Erdkunde zc. Von Ihrer 
dor von Liechtenſtern. 
(Beſchluß aus Nr. 368.) 


Richten wir jegt unfere Blicke auf die allerdings uam 
fen Zortichritte, welche fi in Folge der neuern Anfigta N 
der Erdkunde in der Ginrichtung der jeglgen Hülfgmitt! Fr 
den H:ugraphifger—Unterricht zeigen, fo ift ed auch hie :: 
sussweife und oft A Ausſchließlich die Darftelung der 3 
räumlichen Verhältni®. in Wort oder Bild, welche die nem 
Nepurdlunadm. der Geographie charakterifirt. Unſer Ur 
Fr sat auf eine allfeitige TOUR nes ‚gene! 
en Stoffes un Mehr oder Rinder beffelben betinzt = 
ben den rein —S Rt Must ser KU 
und insbefondere Eompendien. 
Aus Abfchnitt IN: „Über einige der vorzüglichfken za 
ſten geograpbifchen Lehrbücher und Eompenvi: und dere De 
bandlungsweife”, heben wir, dem Zwecke diefer Blätter gi 
befonder6 die Empfehlung der geographiſchen Werke v:: I 
von Roon hervor, der wir uns nad eigenem langjährige: & 
brauche derfelben aus vollfter Überzeugung anfdließen. es 
Gebildeten, welcher ſich mit dem Reliefe der Erde nad da 
jegigen Stande der Wiflenfchaft bekannt maden wil, mid 
wir hierzu vor Allem auf Roon’s „Grundzüge der Erd⸗ 
ers und Staatenkunde” (2. Aufl., 1837 fg.) verweifer. 2” 
wahr fagt unfer Verf. von diefem Bude: „Die in gez 
ter Kürze mit großer Anſchaulichkeit gegebenen plafliihre & 
der find größtentheil® ganz dazu gefchaffen, um erſtlich '@ 
vielleicht dur Mangel an Zeit bedrängten Lehrer auch * 
weiteres Studium ein vorläufig genügendes und durch ": 
zweckmaͤßige Herausftelmg der Hauptmomente leicht su :=> 
tigendes Material für den Unterricht zu ſichern, und 3.5? 
ben Schülern zur tüchtigen Recapitulation des Borzettas”t 
zu dienen. 





1459 


Dagegen rügt ber Verf. — nad unferm Urtheile gleich⸗ 
falls mit Recht —, daß in Roon's ganzem Werke „Das hiſto⸗ 
riſche Element gar nicht angezogen wurbe und das naturhiſto⸗ 
riſche nur Höhe untergeordnet auftritt”, fowie wir und mit 
der Art des flufenmweifen Unterrichtsganges, ber —* lediglich 
die horijontalen, dann die verticalen Bodenverhältniffe zur Sprache 
bringt, dem oben @efagten gemäß durdaus nicht einverftanden 
erklaͤren können. In weit höherm Grade leiden übrigens an 
diefen Ginfeitigkeiten Berghaus’ „Erſte Elemente der Erdbe⸗ 
ſchreibung“. As eins der geiſtreichſten geographiſchen Werke 
im Sinne Ritter's ift aber den Freunden einer philsfophifchen 
Behandlung der Erdkunde beſonders zu empfehlen das „Hand⸗ 
buch der vergleichenden Erdbeſchreibung“ von Friedr. v. Rouge⸗ 
mont, deutſch bearbeitet von Eh. H. Hugenduͤbel (1835, neuefte 
Aufl. 1844); doch wird zum wahren Verſtaͤndniſſe dieſes Bu: 
ches eine logifhe Grundlage, wie fie Roon gewährt, voraus: 
gefegt. „Das Werk ift weniger dienlih zur Einübung des 
Stoffes als zur vielfeitigen Unregung in der geiftvollen Be: 
handlung der‘ Materialien.” Dieſes Urtheil gilt aber leider 
mehr oder minder von allen bisherigen Verſuchen einer philo: 
iophifhen Behandlung der Geographie, und eine Berfchmel: 
zung der von Roon gelieferten anſchaulichen Bilder mit ber 
Reugemont’fchen Betradhtungsweife würde ein tiefgefühlte& Be⸗ 
dürfniß der Zeit befriedigen. Eine recht gute gedrängte Über: 
fiht über dad gefammte jegige Gebiet des geographiſchen Wil: 
fens gibt Daniel Völter („Lehrbuch der Geographie”, Eßlin⸗ 
gen 1844), das zugleich den Borzug großer Wohlfeilheit befigt. 
Tiefe Blide in den Zuſammenhang des Bölkerlebend mit den 
Raumverhältniffen liefert auch Mendelsſohn's „Germanifches 


Europa” (Berlin 1836), ein Werk, das wie Rougemont oft- 


von Denen verfannt ift welche nicht die erfoderlihe Grund: 
lage räumlicher Kenntniffe zu feinem Studium mitbrachten, 
obgleich es bier an anfihaulier Darftellung der Bodenverhält- 
niffe für Denjenigen der mit dem gegenwärtigen Standpunkte 
der Wiflenfchaft in der Hauptfache vertraut iſt nicht gebricht. 
Bei. Kapp 6 neuerlich erfhienener „Philoſophiſcher Erdkunde” 
(Braunfchweig 1845) vermiflen wir wieder vielfältig anſchau⸗ 
liche und genaue Schilderung der Bodenverhältnifie; doch ift 
auch dieſes Buch von echt philoſophiſchem Geifte Durchbrungen 
und ein bedeutender Kortfchritt zur Erreihung ber Aufgabe 
welche dem Studium der Erdkunde in unfern Zagen für den 
Mann der Wiffenfchaft wie für jeden Gebildeten, für den Theo⸗ 
retiker wie den Praßtifer einen unerfhöpflihen Reiz verleihen 
muß, — wir meinen die im Vergleich zu ihrem unendlichen 
Umfange kaum begonnene Erkenntniß der Wechſelwirkung zwi 
fchen der Ratur und dem Menfchenleben, jene Philofophie der 
Erdkunde und der Gefchichte der Menfchheit, welche uns in 
der Erde nach Nitter’s Austrud „das große Erziehungshaus‘ 
der Menſchheit erfennen lehrt, den Plan Gottes, welcher dem 
Ausbau dieſes Haufe zu Rutz und Frommen feiner Bewohner 
u Grunde liegt. . 

Auch aus Abfchnitt IV: „Uber kartographiſche Darftellun: 
zen für Shunnek nad) den jegigen Anfoderungen“, wollen 
vir hier nur Einiges hervorheben, was geeignet iſt jedem Ge⸗ 
jitdeten die moͤglichſt raſche Gewinnung des jegigen Stand« 
unktes der Wiſſenſchaft zu erleichtern. Gerade in dieſem 
Zweige der Hülfsmittel, in Darftellung des Reliefs der Erde 
uf Karten, find indeß die neuern Fortſchritte nicht genug zu 
reifen, wie Jedem der aud nur eins diefer jetzigen Erdbil⸗ 
er einmal gefehen hat auf den erften Blick einleuchtet. Un⸗ 
er Verf. felbft hat aber eben auf diefem Felde den Fortſchritt 
sefentlich gefördert. Nach Humboldt's Ausſpruch: „Nur leer 
heinende Karten prägen dem Gedaͤchtniß fi ein’, drang er 
hon länger auf alleinige Darftellung des Wichtigften auf einer 
arte und beförberte insbefondere die Trennung bed Phyſika⸗ 
ſchen von dem Politiſchen (die übrigens auch zu weit getrie⸗ 
en werben kann, namentli für Schulzwede). Zwei einfache 
Rittel zur Veranfchaulihung der Bodenplaftik, die er 
en Zortfchritte unferer Kartographie, verdanken unferm Berf., 


wenn nicht ihre Erfindung, doc, ihre erfle Anwendung für 
Schulzwecke. Es iſt Diefed die Darftelung der Hoc: (Ebe- 
nen), Gebirgs⸗ und Stufenländer in brauner Färbung” (mit 
Abftufungen nad den Riveauverfchiedenheiten), fowie ganz ins⸗ 
befonbere die anſchauliche Heraushebung der Ziefländer durch 
(helle) Färbung. Dennoch gefteht der Verf., va fein „Atlas 
der Erd» und Staatentunde” (34 Bl., Berlin 1944) durch ©. 
v. Spdow’s „Methodifhen Handatlas für das wiflenfchaftliche 
Studium der Erdkunde” (31 Karten, Gotha 19842—45) „ent⸗ 
behrlich gemacht worden” ſei. Daffelbe bezieht er auf v. Sy⸗ 
dow's „Wandatlas über alle Theile der Erde” (Gotha 1840 
—45), „wo für die Gebirge das braune Eolorit gewählt wurde 
(bei welchem auch die dunkelſten Partien noch deutlich bleiben), 
für Die Ziefländer das Grün (für Hochebenen Weiß und. bei 
Wüſten Gelb), für alles Hpdrographifche aber das Blau, das 
Schwarz blos für Gradlinien, Pflanzen: und Riederfchlags: 
grenzen, Städte: und alle Schriftzeichen”. Wir fchließen uns 
innig dem Urtbeile wie dem Bunfhe des Berf. an: „Mögen 
diefe Karten, welche fowol ihres bebaglichen äußern Eindrudies 
willen eine Zierde jeder Stube bilden als auch durch ihren 
praftifchen Gebrauchswerth vor allen bisher erfchienenen Wer: 
en diefer Art den Vorzug verdienen und in Peiner Schule feh⸗ 
len foüten, fi) eines ungehinderten Zortgangs erfreuen.‘ 

In ähnlicher Weiſe empfiehlt der Verf. den im Weſent⸗ 
licher ebenfo eingerichteten „„Schulatlas in 36 Karten”, entwor: 
fen von Daniel Völter (EBlingen 1842), den er jedoch (wegen 
der etwas complicirten Darftellungen, bei denen leider öfter 
auch die nöthige Sorgfalt in der Illumination vermißt wird) 
mehr für Lehrer (und Gebildete überhaupt) als für Schüler 
geeignet erklärt. Diefe freudige Anerkennung fremder Verdienfte 
gereicht dem Berf. um fo mehr zur Ehre, da er (jicherm Ver⸗ 
nehmen nad) die Herausgabe eines neuen Schulatlaffes beab⸗ 
fihtigt, dem wir mit Begierde entgegenfehen. Wir erinnern 
bier noch an Voͤlter's vortreffliche „Wandlarte von Deutfchland” 
(Eßlingen 1844), die ein Schmuck jedes deutfchen Haufe wer: 
den folte, um dem Kinde fchon früh ein Bares, anfchauliches 
Bild von der Bodenplaftit des großen Baterlandes zu gewähren. 

Abſchnitt VI: „Uber die Bodengeftaltung der Erdräume”, 
enthält eine nebrängte Überficht über das Melief der Erde nady 
den Refultaten ber neueften Forſchungen, welche durch ſtete 
Hinweifung auf die frühern irrigen Vorftellungen von demſel⸗ 
ben noch inftructiver wird. Wie in, den übrigen Abfchnitten 
erhalten wir aud bier einen rafchen Überblid! über die neueften 
Fortfchritte der Erdkunde, und wir verweifen Seden, dem es 
um eine gründliche Kenntniß derfelben zu thun ift, auf die ei⸗ 
gene Leſung dieſes Schlußcapiteld wie des gefammten Werkes, 
dem wir nur in manden Stellen eine etwas größere Leichtig⸗ 
keit der Darftellung wünfcdten. 

Zum Schluffe diefer Anzeige können wir es nicht unter: 
laſſen die Idee auszufprechen, daß Vorträge über die Erdkunde 
nad) den neueften Anfichten vor einem gebildeten Yublicum von 
Männern und Frauen mit Veranſchaulichung Der Bodenverhältniffe 
duch die Sydow'ſchen Wandkarten um fo geitgemäßer und an- 
fprechender fein möchten, als der größte Theu der jegigen ge⸗ 
bildeten Welt in feinen früheren Jahren Beinen tüchtigen geo» _ 
grapbifhen Unterricht genofien hat und bie Zugaͤnglichkeit der 
jegigen philofophifhen Auffaffung der Wiflenfchaft in der Lite 
ratur noch immer allzu fehr erfchwert if. Die in mehren 
Städten beftehenden literarifchen Abendcirkel würden zur Aus: 
führung diefer Idee ein willkommenes Feld bieten. 75. 





Bibliographie. 
Peſtalozzi ſche Blätter. Herausgegeben von Ramsauer 
und Zahn. Iftes Heft. Memorabilien I. Ramsauer’s. 
@iberfeld und Meurs, Rheiniſche Schulbuchhandlung. KL. 8. 


r. 
Ize, K. F., Über Philologie als System. Dessau, 


Aue. 1845. Gr. 8. 10 Neger. 















. Sottheif 3. Bilder md Segen aus ber Euch, 
i —— m. Die Srimbung Busgdorfe. Getotyurn, Int 

und G. 8, 

Karl der Zwolfte vor Friedrichshall Eine Haupt: und 

Staatsaction in 4 Artus, nebſt einem Gpilogus. Mit einem 

VBorwort ae uzgegeben von H. Lindner. Deffau, Une. 1848. 


8.8 

—R J Franfkfurt a. M., riterarifche 
Anſtalt. 8. I * 

Leaube's, H., ram e Werke. ter Band. U. u. 
d. A.: Die Bernfkeinbere. Hiſtoriſches Schaufpiel in 5 Ehten. 
2* — Hexenprozeſſe: Marie Schweidler. deprig⸗ 

er 

Lihtenberg’s, ©. C., vermiſchte Cork. —E 


vermehrte, von de veranſtaltete 
Tter und öter Band. — Wu. d.%.: Lichtenberg s Briefe. Her⸗ 


außgegeben von €. W. Lichtenberg. Supplement zu allen ı| e 
GbttingenyAdiehen - 


ſeũheren Ausgaben. Sir Band. 
rich. 16. MWugr. 


Dierdeil ngen aus Handferiften und ſUienen Derckwerken. 


iter und 


Bon J. B. Adrian. Frankfurt a. M., Gauerländer. &.9. 

3 Ahlr. 2 Rar. 
Die: Rational - Hkonomen der Franzoſen umd. der. 
egeben von M. Stirner. äter Band oder und 


aus 
re iefezung. — Uu.d.%.: Unterſechungen über Zn Natio⸗ 
—— Don A. Smith. 
gand. Gr. 8. 1 Ihe. 6 Rgr. 


73 Reformation, mit befonderer Beziehung auf bie fymıbor 
ſchen Schriften der lutheriſchen und reformirten Kirche in 
Bsanbenburg, gehalten im Winter 1845 und 1846. Mit einem 
Anhange. Berlin, Reimer. Gr. 8. 1 Thlr. 25 Nor. 
Rupp, 3, Erbauungsbuch für freie evangelifiche Gemein⸗ 
den. Eine Sammlung von fonn: und feſttaͤglichen Vorträgen. 
Ifter Theil. Reujaht bis Pfngften. Königsberg, Gebr. Born: 


träger. .8 

Ruͤtjes, Ph Die Beihläte des Boa und allge: 
meinen Gonciliums von Trient, deffen Kanones Imd Beichlüffe 
in ihrem Bildungsgange und "wefentlichen Inhalte, Perſonen 
und Zuftände nah Pallavicini mit Rückſicht auf Sarpi und 
Andere Bag cr dargeſtellt. ee Bäcularfeier 
hen eben ee Mit 16 Bahn — 
r. Nor. 

Scharling, ©. ©, Die neueften Unterfxhungen über 
die fogenamnten Baftoralbriefe bed Neuen Teſtaments, darge: 
* in ihrer Bedeutung und in ihrem Verhaͤltnifſe zur Bibel⸗ 
f und Dun Kal a Aus dem Daͤniſchen. Jena, Hoqhhau⸗ 


nn here, A., Vichichte der franzbfifchen Rebblution Rach 
Der 13, Drigimal:Musgabe von €. Burkhardt und Steger. 
Iüuftrirte Prachtausgabe. Ifte bis Ate Lieſerung. Leipzig, 
Weber. Leer. à 10 N 
Tender für iten auf das Bahr 5607 (1847). 
Sur Belehrung und Unterhaltung von M. Troplowitz. Mit 
Beiträgen von Piorkowsky. Ifter Jahrgang. Ereupburg. 

. Br, 


"Zagesliteratur 


en e, D., Zwei Beeuigten, gehalten an den Sonnta- 
und Rogate 1846 zu Aiterbhaufen. Coburg: 8. 


— 


ODriginal· Ausgabe. 


Jder am 
| Bern, Huber u. 6 —X 4 

ennig, Di Die Somnambule i —S i in der Bit 
Ifter Band. Leipzig, D. Wi | 
Piſchon, F. A., Borträge über die beutfche und ſchwei⸗ 


une =; Bei Predigten üibes Ey. Bus 16, 13-1) 
3, am 1. Sonatege n 
58* —ö— Dort. 


Ditfurth, m v, Sur Brichtig nie 
neueften [en von a '3 Geſchichte 55— Ya 
abermals wiederholten 
— en, koͤ 

e 558 

Gebenntniffe moei a 

en ven Bür ——n— Dr. Sehen ala uns un * 
Hten ——— hegi hungeweiſe — zu hochvertüche 
ne ai 
em Criminalſena Rapp: ati u ‚cd 
bie von - er Prof. Di. ‚De Her. 
obene Ber ** dat Urtheil des —— — 
Obergerichts zu ua burg vom 14, Zuli 1843. Mit Yan 
kungen von H. J. Eg grua. Marburg, Etwert. Er. ð. D% 


Sg apa nun ı auf Arad Pe re 





Yriegnig. Kurzer Bericht und Yinleltan zur richtigen Ir 
Gpeilung derfeiben. Ae vermehrte As erbeſſerte Arts 
Perleberg, Horvath. 8 


zwei 
Hch des Fuldaiſchen Hirtenbriefes. Nebſt Appellation = * 
chriſtliche Brüder jedes Glaubensbekenntniſſes. Beimn, i8 
dedInduftrie-Comptoir. 12. 


Holdheim, &., Dierreligiöfe Stellung des mehibe 


uni, im talmudifchen Judenthum. Mit befonderr I 
ai auf eine biefen Gegenftand betreffende Abhantis: e 
Dr. &. Adler in den Protocollen der 2. Bebtin te 
—2 - Schwerin, Rirtene. 8, 
Kiepwannsfopn, @ , Sendfcreiben Kr —8 
pam gechwechſel an Sm. Dr.® ern und ſeine Ku 
ie „ motahgen © —E— “ 34 als Sillleen fer 
neuen Hirten, Dr „ Boiobeim, zu betrachten. Berlin, 8: 


3 4 Rar. 
Straten- :Pontboz, Baron A. van ber, Kerle 
über die Lage der Auswanderer in’ ‚den Wereinigten 


von Rord⸗Amerika. Nach dem — anzoͤfiſchen Driginale ku 
tet von H. F. Oßwald. Augsbur —— 12. BR; 
Suum cuique! Daß dor endlich einmal diefer 


bes praßiigen Ki Königehaufes an den im 17. Zahehurtei 
ber Berträg ihrer Kirchen und Kirchengüter bi“ 
ten evangelifchen Gemeinden Schlefiens zur Wahrheit EC“ 
möge! Ein kirchenhiſtoriſcher und kirchenrechtüchet de 
von einem evangelifchen Beitligen Schleftens. Glogau, F& 
ming. Gr Kor. 

Die Unverträglichfeit der Speculation mit dem Ti 


8. Ute 
— Fire Bitter und ——————— | 


aus der Glaubensiehre des Hrn. Disconus Peters naby” 


fen. Zur Gharaktrriſtik einer theologiſchen Zeitrichtuz 
evangeliſchen Geiſtlichen. retlau, Trewendt ie 

» .- »., 

n. Becqueray, I. L., mar's Nngkfeir‘ us 
Eine Stimme im Rerker —— MWeltende u = 
fere Beit, Gin Sendſchraiben an Sue, Die an Gut se" 
Dffenbarung. glauben. „. —* —* . Wi: 





Das Regiſter zum Jahrgang 1846 it, ühter ber Preſſe ‚ur wird / im Laufe: —*ã* Jans 





Berantwortlicher Heraußgeber : 


nachgeliefert. ' | 
Beiurich Wrodjant. — Druck * Verlag von F. xx. 22 in Peipzig. 


„rd 


en — at 4 











Literariſcher Anzeiger. 





1846. M XII. 


—— — — — — — — — — — — — — — 
Dieſer Literariſche Anzeiger wird den bei F. EC. Brockhauns in Eeipzig erſcheinenden Seitſchriften „Miätter für literariſche 
Nuterhaltuug” und „Rs“ beigelegt oder beigeheftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Beile oder deren Raum 2%, Rgr. 
A e 


Nene Unterhaltungsliteratur. 


In meinem Verlage iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen 
zu erhalten: 


Die Schwärmerin. 


Erzählung 


MBräfn Eauflürcien- Buglbung. 


Gr. 12. Geh. 1 Thlr. 12 Nor. 
Wilder aus Schlefien. 
Sn Novellen gefaßt 
von 
Malter Leſche. 

JE. Die Rofe von der Pzerwa. 


Gr. 12. Sch. 1 The. 12 Nor. 


Keipsig, im Zuni 1846. 
eis 5. A. Brockhaus. 











Bei den Unterzeichneten erscheint soeben urid ist durch alle 
soliden Buchhandlungen zu beziehen: 


N aturhistorischer Wandatlas 


Gebrauch beim Unterricht in höhern Lehr- 


anstalten, 
namentlich in 
Seminarien, Gymnasien, Bürger-, Real-, Bezirks- und 
Secnndarschulen, 
nach methodischen 
herausgegeben von 


PROFBSSOR J. F. A, EICHELBERG, 


Erſtes Heft. 
Mineralogie. Complet. 24 Tafeln mit 96 Krystallformen 
auf schwarzem Grunde. 


Dieser Atlas, welcher nach vielseitiger Auffoderung 
in Übereinstimmung mit dem ebenfalls in unserm Verlage 
erscheinenden Methodischen Handatlas des Hrn. 

und nach denselben dort ausgesprochenen Grund- 
sätzen bearbeitet wurde, schliesst sich zunächst an des 
Verfassers bekannten odischen Leitfaden der Na- 
tur te, ist aber so eingerichtet, dass er auch neben 
andern Lebrbüchern der Naturgeschichte selbat in den 
grössten Classen mit Erfolg beim Unterricht gebraucht 
werden kann. Die Tafeln haben eine Grösse von vier 
@)uadratfuss, und die einzelnen Figuren sind so gross, dass 


sie auf eine Entfernung von 20-— 30 Fuss noch deutlich von 
einer ganzen Classe gesehen werden können. Die Krystallfor- 
men, welche alle einfachen Formen und die gemeinern Combi- 
nationen darstellen, haben vor den gewöhnlichen Krystallmo- 
dellen den grossen Vorzug, dass sie alle Flächen, Kanten und 
Ecken zugleich zeigen. Das ganze Werk erscheint innerhalb 
2 Jahren in 4—5 Heften, jedoch so, dass die Abbildungen jedes 
Naturreichs ein Ganzes für sich bilden und einzeln bezogen 
werden können. Preis dieses Heftes: 


3 Fl. RV., oder I Thlr. 20 Ngr. 
Meyer & Zeiler in Zürich. 





Soeben erſchien folgende hoͤchſt wichtige Särift: 


Der 
Menſch und fein Gott 


in und außer dem Chriſtenthum. 


Bon 
einem Weltlichen. 

8. 6 Bogen. Geh. 27 Kr., oder 8 Ser. 

Diefe Schrift zeigt, daB und weshalb die Religion dem 
Kindesalter der Menfchheit angehöre, daß nunmehr unfere 
Beftimmung fei, einer höhern Idee nachzuftreben und de sur 
auf Erden und in der Erreihung wahrhaft menfchlicher Bu: 
ftände zu ſuchen. Sie weift nach, daß von jeher weltliche 
Foderungen die einzige Zriebfeder religiöfer Bewegungen ge: 
wefen, die endlich von der Mehrheit erfannt, aber von neuem 
unter dem Zitel „RNeligion“ ſich geltend zu machen ſucht. 


Dffenbad a. IR. 
G. Andri, 
Berlags⸗Buchhandlung 








Preisherabsetzungen. 


Nachftehende als Gupplemente zu allen Auflagen des 

Gonverfatisnskeziton zu betrachtende Werke find zu 

herabgeſetzten Preiſen Ki ale Buchhandlungen zu 
eziehen : 


Sonverfations- Rexikon 
der neuesten Zeit und fiteratur. 
Vier Bände. 


Gr. 8. 1832 — 34. Ladenpreis 8 XThle. 


SHerabgefegter Preis 3 Thlr. 


Eonverfations-Serikonder Gegenwart. 
ier Bände in fünf Abtheilungen. 
®r. 8. 1838— 41. Ladenpreis 12 Thlr. 


Gerabgefchter Preis 5 Xhle. 





SEns_ber «belt. 
| en Bi eu m 


etung. — 


olzſchnitt "po 
ser. N und zwanzigfte acht Blätter. 
Die Maler⸗Technik der Meiſter des IS. bis 18. Jahrhun⸗ 
berts, wiederentdeckt van Wildlor Mi Kranfe in 






Auguſt Wilhelm von Schlegel’ 
ſammtliche Werte 


herausgegeben von 
Ednard Biking. 


Soeben find der Ate und Öte Band fertig geworben und es find 
nun ausgegeben und burd alle fertig gemarbe zu beziehen: 












Berlin. Rach deifen ithelungen ‚zum griten Mal dar⸗ 
Ifter u. 2tee Band: an merde. Bonftändig in geftellt von 2. B. eb einem Anhange: Ein Gang durd 
heilen das berliner Eon 


beſonberh 
für er Mer —* FR Yen j 


us Don Karl Stein, 44 und Pro: 


m Bet 


Be 32 —— |e 





3 
tungen ublun 1% 8 Fortſetzung deſſen Werke: ron 
Vollſtaͤndig 7 22 andbuch de —— — von den aͤlteſten bis 
Ster u. Öter Warb: —— und 2 * 2 fie an vn Beiten. ** kn 
era Bo | Zwei ten -vor der deufid) «Fa en Gemeinde zu 
oda . dig in Ar Theilen wi Die von @. en kr N Bar ru * 


Evangelium eb 4 edigt über Kolo * 


d t den Pr i8 von 1 Ir. einzeln gu 
Seber Band iß ga er ’ i ab Be I. Das Menf e A der göttlichen Ta rg * 


—14. 8. 
Berner iſt akiimen::., ga” * Fre ‚ Preis ‚2, Bar: 
Oeouvres * nA. ‚Dereingr Buchhandlung. 


= scele. 


ö— — — —— 
In —B—— leu efſchienen und in allen Buchhand— 
lungen zu haben 


Ninfa— 
EineNoöovelle. 


. 7 KA 2 
Gr. 12. Ye: 10 Nor. 


Eeißpzig, gm Juni 1848... 5. A. nOrockhaus 


42 hi zu 
In der Buchhandlung von König‘ are tr Merkur 
erſchien ſoeben und A an blungen zur Ducde 
aus: 


M. Augiste-Galllanne de Schlegel | 


eorites en frangais. 
et publides per \ 


Waouard Böcking. 


Die. ſaͤmmtlichen frangöfiken. Shriften A. 6. von zo 

werben ‚in 3 Bänden erfdgeinen, von welchen .e benfalls der 

Preis für jeden Band I Thir. fein wien. ZZ 
Reipsis, im Sıni 1848. ' 


Beitmann’ih Buchhandlung. 2 
Durä) alle. Buhanklungen Apr schen!“ 


Bahritgeeichte in Srunterich. 


&..8. —— Nat. 


vum 1 





gie; 


Im... 


Entwurf einer —— — der Saum 


der Vorwelt von 
| Dr; Ehristop Muttfrid Gichel. 


pr nm BE 8. A, 1 Re. 
Dies ebenfo umfaffender ais.intereffante Gebiet der Retummifier 


fehaften finden, wir. RE 2: LIE erft 

| Toten 
‚und die nee * 
— ber, — en * *7 NE Yon daß led⸗ 


oN. users TR MO 07 eben in ed wo Bit Aue en I: aͤber — —— 
In Ra 55 

—55 m wi Eier U File von W ee | ef: e | — ‚wffen nu⸗* 

Ma — Era ee LT yo —5 — tt: zn 


ten Bu — *— arni 
aan * ul ar [Be reibun 
Lied \ 













Bi Abt, m, 5 —5 fallen 3 uchhanb- 























und raußge eben: „Dritte under; 
v l 4— 






| Kinderbud 3* Su esboi 
Sans and aa cn Für —— — von 


7 78 


12 60 
ieh SER iſti nu on 
\ er 124 änsijsdrigeg@desisgdaong smdamul 22°: 
—*— Nqchd Sılloudnsdal ni Di.29 sim —XX Lin 


sinn: 
erh". Preis 





vB ne eg Kun Beder es)" Der Mitang sch 26 6 Bl 
Selebud) für: Bolhsfhulen. nn * x hg: no oger def: van [a Se. ge 


deut bli W l 
und die untern Slaflen, ber Gpmnafien IE Real. 1 teen pa felöf in Paris «8 Iefem Deren, * 
ulen, . B De ae ie die erſte itftrung des Werke’ in franzöf ifher 


u —* —— — . F * A mäßigen Preile von 3 Ahle. für aple.6.Bänpe, 
Kae Tr Athen. on ie Na Sale © 5* pebruckten · Ortavausgabe; 
m zweiten Bändchen eich bie mit großer Schr 


GSt 8. ExhI6 R... Bas ug! 
te ß 
Eine reihe Yuswahl des — ** — en aus. den Markan he Zu xovau acbe. — die nur bandweiſe aus 
beliebteſten Jug endſchriftſteller Bil a en „Beben, 
Maͤrchen, Er 


Rn, De — - ie. rear Er I on} . ” 
en Ei —* a fü: het: der E: lo. Öflerveihif tl 3eitfhrift. 
ei 
iefes Befe —* n — ern — enein — I Budindiet in ZBien, wird ie 


ellt, und wie dafjelbe 6 
en Inhalt ven Dee erde rer? eibeneyenf ale Sutfhanviungen beB In: und Auslands mit 12 EL C.M. 


Gold darbletet, fo iſt 3 auch En N — Praͤnuameration auf ben Zahrgang 1 der 





— den um A wie pam ib: , Wedtetretihifdien militairiſchen Peinſchrin 
angenommen. 





æeiſs, Ta SU Toro 1826: =" 7 
and ryiln te ie a. U: — 








Le Fur 











den auflerorbenfli en E14 d * efeb B 
= Bogen Serenige ud —58 —X | Br diefem gaprsang 26 if focben das vierte Heft 
* des k. ©. oiſterreichiſchen Dberften und Unterlieute: 
son — F ande ‚dene Bir Bi aocligen gr zen Ai tr 
r 
* dt 1814, 
In ©. eroib fhrrial bu ücbaadiůng 28 ien iſt ſoeben 2. April alu —_ iv —** — zur Demans 
1) Gefecht b in am 22. Gefecht bei 
‚Gediäte, — Sur, nä a 56 ala am T. 22 De 3) Gefecht bei Ar⸗ 
7 3. 4) Gefecht bei — er I 
6) Gefecht bei Frauenfeld am 25. Mal — — V, Sce⸗ 
nen aus der —— des en Freicorps Graß 
Gr. 12. Wien. 1848. Du. 2 Ih, 19 Rer. 4 Gräffern am’ 25. Augu ur Erfrmung ber Weiſſen⸗ 
HEHE) en | Sirten- am-18. Detober 3) Geleht bei- 
Eine reichhaltige Koma der mannichfaltigften Blüten eins 
cht an ber Binzel am 26. November 1793. — VI. @iniaes 
a befons eigenen. ha Dat Fre zu 2. Fr bie ana 3° der ns im &elbe. — VII. Vi. Reue 
- —— —I 
i IE 4 in Sem 5 
— ** einer Reihe —— Gertjetung und S 
Eugen Ye nuchen. Romen.ca Reg * 
* ER kann men durch ah ——— und Buchhband⸗ 
wölungen zu eben: “om 
beziehen 
m e moiren ep , up ‚Se —— = oder Sammlung der vorzüglichsten Abhandlungen, Mo- 
noßtäpHich Pfeischriftän, Dissettsitiönen dhd Nötkien? 
unter Witwitr von W. 32 —5— | Weiss und über die Zustände der Schwangerschaft 
und. * Wochenbettes. -Herausgegeben vpg. eine Ver- 


erjchienen. Diss ‚egihält -Tolgende Wuffäpe: 
ap 
Hi ne, 8* fee u Rh Biete. 
erfchienen und duxch ale ungen au er⸗ | £ Ghenaurlsgege Regiments Dir, Kr, d,, Bürft ri Lichtenſtein. 
ek 173. I Gefecht von Manheim am 18. Detäßer? 
KA EITVTL TR DE “| 
Bändchen. _ Siulai ip Befguge 1 a ein, I) Mpinübergang bei 
17 3) 
eim, in dir Racht vom 18. "09 Povember 17 3. — Se⸗ 
οα ffblen.. 39 Oman 
1 des ud Auslands 
Am 17. Juni d. "als verfühbet und if in ‚aden Bug lungen bed Sn: m 1811 ae — — 
un an en ſã ae — 
Deutſche  Driginalausgabe |’aes In- nnd Auslandes über die Krankheifän'täRs 
Sefsehfermat,, & —— * N N Me ° _ einetpgaktischer Ärzte. _ ...d "u 







eipfig,. Ch. S Sochgten Bandes zweites Heft, Gr. 8. . ONE i» 
Der fünfte:Bandı neschj 20H Bil 
reie för * 6, Wände (UM Di (dj. Ban). nur abeto di jedes Heft —— F ———— BEN 
so Rpinnigg ion Im}. 3848. Fon gtch Ga Dun 


Dan ig —— — Weggen Beeiarneilie ; | 
ig — ann —2 —— — der feiner „Ma—⸗ | en: und m RA Brockhaus! 
Es ifk ein Ichensuolles hoͤchſt intereflan: RE 





eichen wird. 





‚der Untergeichneten iſt exſchienen: 


x Ehe) Eid, dr U. Ax, 


die Lehre de. Plofr, Chene, Ainera 
ĩogie pyficiogie, Betas und are 


Allen. Freunden bee. Natgewifſenſchefi, ——— 

BGyytmnafien; Real⸗und Höhere Bü 

von Dr. Friedrich Schodie Lehrer der 

Ba am Gynmaſimn orms. Mit 381 ih den 
pt eingebtudten. Sa en. "Ein "ftarter" Band” in 


Im Er 





. groß Medion, guf feinem fatinisten Velinpapier, Geh. 
gr. Thlr. 8 9Gr.) Auf 19 


Preis 1 ah 18, 
Greärpiare win Yreisdewplar; 
E ‚Die es ausgezeichnete Büch folk den Lehranſtatten ind dem 
Selb Han ebiludter dag unfeter Seit und ’uilfer il 
Imgericht q, Anehtbehrl er um der Ralu 
{haften en belfen. Die eu Weiſe der 8 * 
Ium des Gegen 4 — Ausftattimg det Buches durch zahl 
und tre Abbildungen, ‚fowie, ein, ſehr niedriger 
—* & werden ——e— —5* erleihtern. ‚Der Ber 
‚ Jeger darf die. Soffnung hegen, da 
u „weiten, Kreifen Die —D finden werde „abe *. 
erdient, 
‚ Breunfegweig, im Juni 1846. 


Friedrich Vieweg n 
Vollständiges Taschenbuch 


- der Münz-, Maase- nad Gewichtaverhältnisse, der Stasts- 

papiere, des Wechsel- und BarıkWesens und der Üsanzen 

aller Länder und Handelsplätze. Nach, den Bedürfnissen 
der Gegenwart bearbeitet von 


Okristian wi Friedrich Noback. 


(Petergbirg — Bio Janeio.) dl 


"Breit 8. Preis ehies Heftes 15 Ngr. 

Das erste. bis siebente Heft sind ebenfalls fortwährend zu 
erhalten ; der Schluss den Werks ist nach den Versicherungen 
. der Verfasser ;‚bald, zu erwasien. 5 

Leipuig, im Fan 1840 " 
"ER, A. Brockhaus. 





In Sası, Rüden’ Berlag in Reutlingen erſchien ſochen · 
tler, Dr, &. X. (Prof. der Aſthetik md 
 Beutfihen Literaur an der Univerfität zu Zu: 
- bingen), Aſthetik oder Wifenfchaft bes 


Schönen. Hier Theil: Die Metaphyfit des 
Schönen. ©. 8. 4 8 30 Ki ‚oder 
. 2 Th. u 5. 





Bi, Antonin ae iſt föcber. Altnen ind ih äten | 


andlungen zu'h 


Senne, * inner und Gebräuche 
aus, Pa 


dirn gen Etſtes Heft. 8. 
16. Sei 199. 0,10% 





I die intereffanteften Wittheilungen. 


ß das „Buch ber Matye | 





Eeiwuis· im —J 18... 
Ph A: 
Drud und Werlag von F. BE. —— ù — in Leipzig. "Br 


dr be 127) —R DER 


‚nfüpsahteriftik Der Welt und Literatı:. 
. Bünf Bände Gr. 8. _ 


—** aus un veichen Schatze dene" — 3% 


N BE EAN 


Um dielelb BAAR bleiät 
BR ec 5 —— ai 


— fe "ol einzenen 3 Fände —* den Trüßern gi 
ae ii ui 100, 


+; 
N 
D 


Fr 2 Er 


a ‚Alena Tascn. 


Bei, — —8 ir 
en. fh Bubs handcungen gu 


Rlrich von Per 


2 ray) L. Zr f Tin Fa 


‚fiebsehn ‚Belkngen 


._ . €, eeblian. 
rn, Shin broſch. 2. Ahit., oder 3 gi. 36 Mr. 


Bir glauben dieſes ausgezeichn 08 des, bekinr= 
ſchwetzer Diter um 'fo A t ee reunden de 
Po eh fon 3 ud den Freunden der, @efchichse =: 









ienen und ın dc 


legen ER ofen, als, dafſelt & M x 
und — — Bez gingen aa nen —— — | 
lichkeiten und kocalbethaͤ liſſe der —— em 





An einem‘ Beriane" erſchien ſbeben und iſt⸗ Vurch de + 
—— Berateh t: 
4 re cei°: 
—— der heart ten Dichtkunſt nad, ihre: 
Formen. Fuͤt höhere Kehranftaften wie auch ;c- 
Selbfhunterrit bearbeitet, und durch Beifpiele ar: 
claſſiſchen Oichtern etläutert, 8. Seh. 12 8: 
Mitam,. im r Mai 1846. 
f @. A..Beyker. 


In memen Beilage trfgich foeden und iſt in allen en Sutde 
“db ri — 


eines peute & änftlere 


Er is ud Italien. 
. Aus. deh” gachgelaffenen Yariaın 


—53 Ab aus Nas 


Bi J J In» 
al "Zwei ei Tadile, 
Gr. 12. Geh. 3 The, 15 xg r. 


47 
Fa 42  Brschhars. 


'Y ‘ 





zitererifher Anzeiger. - 
“... 1846. % XIH. 


— — — — ꝰ ꝰä ꝰ ꝰꝰäꝰä ä———— ——— U U 
Dieſer Literariſche Anzeiger wied den bei F. . BWenyans in Seipzig erſcheinenden Zeitſchriften „Mtätter für literaviſrhe 
micterhaltung und „Rs beigelegt ober beigeheftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Beile ober d.cen Raum 2%, Rar. 


Erwiderung wurben im recenſirten erde andere Sese ringefälagen, bios 


s bie tonangebenden Völker und Fürftenflämme, wie fie der 
auf die in den „Blättern für literariſche Unterhaltung“, | nad einander die Hand bieten, ohne alle Rückſicht auf einzelne 
1845, Nr. 209, enthaltene Recenfion. 


Beitabfchnitte herausgehoben, die Voͤlker und Dynaftien zweiten 
und dritten Ranges Dingegen ant betreffenden Orte, wo auf fie 
In dem bezogenen Blatte wird dem Dftrow’fchen ‚‚and- 
buche der Weltgefchichte” die Neuheit ber Idee ) ein“ Dar: 


die Rede Kommt, in kurzen Randa gen berührt.) 

. Deffenungeachtet vermißt unfer Anonyınus darin Ordnung 
ftelung ir Quellenauszügen abgefprodden, ‚und auf Vorläufer, | und Bujammenhang (ohne nadzuweifen, worin die 
z. B. ir Ba Beer u. U., bingebeutet. Wllein was da8 | Unordnung beftehe, und wo ber Zuſammenhan 
Eichhorn'ſche in Lateinifcher Sprache gefchrievene Werk betrifft, | fehle), gebt Hierauf ins Detail ein, bemerkt bictatorifch, 
fo bleibt dieſes als ein bier für die Gelehrten beflimmter 
Leckerbiſſen außerhalb ver Parallele. Was hingegen Beder 


was — wie er es gerade verficht — zu Burg, was zu lang be 
. handelt worden, und bezeichnet als völligen Mangel, daß (hor- 

anbelangt, fo hat diefer nur u und wieder einzelne Frag⸗ 

mente aus Quellen angeführt, ineswegd „ver eine Meihe von 


ribile dictu) der Erhebung bee preußifhen Volkes im 
Quellenaus zůgen et. 


Jahr4813 nicht mit einem Worte gedacht, und daß die Flucht 
Budem dürfte Fi das Oſtrow ſche „Handbud” der Sinn 


NRapoleon’s von der Snfel Elba nicht deutlich bezeichnet worden 
ſei. Was das Leptere ee heißt es ja (3b. 2, &. 376): 

ſpruch der römifgen Rechtsgelehrten: „Duo si fackunt idem, | „Der Souverain der Infel Elba zog gegen der König von 

nen faciunt idem’, geltend gemacht werben. Wenn es richtig 

ift, Daß das Alterthum von dem Fiſch⸗ und Uufternbafein uns 


Frankreich zu Felde.“ Und was das Andere anbelangt, fo wird 

2 bemerft, dab der ganze Abſchnitt, wie dad Eitat nachweift, 
ferer Beit fi vorgäglia, durch das öffentliche Leben unter» 
ſchied, wenn ed ebenfo zichtig ift, daB die im den Werfen der 


aus Mignet überfegt iſt, welcher auch nicht verfänglich erfcheint, 
Alten vorkommenden Reden Feine akademiſchen Tiraden, fon 


wenn man die Sache unparteiifih betrachtet, din wie follte 
dern Rämpfe und Gegenkäpipfe, —5036 Staats handlungen 





































er bes preußiſchen Volkes im Jahre 1813 erwähnen, nachdem 
diefes heidnifche Volk ſchon längft und zwar von den deutfchen ' 
Rittern mit Stumpf und el audgerottet worden war ?! 
Berfteht aber der Hr. Recenfent unter preußifhen Volk) etwa 
den preußifchen Staat, fo hat. Mignet das einige gethan und 
gefagt, daß das Cabinet von Berlin zuerft und überhaupt ganz 
Deutfhland gegen Rapoleon ſich erhob. **%) Fuͤrwahr es Läßt 
nicht fein, daß der fehr gelehrte Hr. Necenfent in unferer Beit 
von einem ertraspreußifchen Voll, aber nit vom deut⸗ 
fen Volke oder von den Preußen mir als einem vorzüglicgen 
Theile deffelben reben will, und bei böswilligen Auslegern die 
Vermuthung rege machen Eönnte, daß er, der von Mangel an 
Drdnung und Bufammenbang, bunter Verwirrung in meinem 
Werke [hWägt, nicht einmal die Begriffe von Staat und Ration- 
in feinem eigenen Kopfe gehörig geordnet und gefondert hat. 
& eines jeden Abſchnitts be» 


und weranlaffende Urfachen der wilhtigften, Erlebniſſe waren, 
fo find fie Fein Beiwerk, weldhes der moderne Schriftſteller 
wegfchneiden dürfte, fondern fie find ein fehr wefenflicher. Be 
ftandtheil der Geſchichte der Griechen und Römer, ja bie 
ſchoͤnſte Blüte, Schmud und Frucht, der unmittelbarfte und tief: 
innerfte Aurdruck ihres öffentlichen Lebens. 

Welches Eompendium liefert nun in diefer Beziehung eine 
reichere Ausbeute als das Dftrow’fhet If biefe zum Ber: 
fländniffe und zur Anſchaulichkeit der alten Gefchichte fo noth⸗ 
wendige Bartie in den übrigen Compendien nicht ftiefmütter: 
lich behandelt? ⁊ Waches Kon zwei Werken bringt Märfes Leben 
mehr zur Anfhauung, etwa, haßjenige, welches von der räum- 
lichen Einrichtung des Forums, von der Gemeindeverfaffung, 
d. i. von dem Bürger» und Stimmredhte und dergleichen hans |' 
delt? Der daB andere, welches bie Alten rebend und gegen: 
redend wnmittelbar vorführt? Senes, welchet beiläufig Gent 
dag Cicero und Demofthened die größten Redner geweſen? 
Dder daS andere, welches beide felbft fprechen läßt? 

Der anonyme Hr. Necenfent tabeit zwar foldye de 
nicht, ſondern bemerkt blos, damit benn auch das Tadelfreie 
dt ohne Rüge hingehe, DaB nicht genau unterſchieden ‘wurde, 
ob die Perfonen nad ber ſigerte berlieferung wirklich ſo 
geſprochen haben, ein Einwurf, welchem ſchon in der Vorrede 
zum erften Theile vorgebeugt wurde. 

x wmenanı, Feld der Geſchichte wurde bis It d 
Länge und der Quere nad in der Art abgepflödt, daß be} 
ftimmte Beiträume angenommen und hierin die einfchlägigen 
Voͤlker und Voͤlkerchen eingepfercht wurden. Allein weil diefi 
aitfraͤnkiſchẽ ’Baritelungsmanier oder die fügenannte ethno 
RABEN Methode das, Ganze be 
Seltepopu WW4dhliche die Überfiht yründfich zerftd 
rende Ubfmitte zerftücelt, und nicht geeignet ift, dem Laie 
eine Heicht foßlihe Überfhau bes .Banzen zu verfähaffen, fi 


(Zu vi n— . ae Ca BL 9 
*) Dies zielt wahrfheiniig auf naeige bed recenfirien, Bier; 
tes in de ee Klgemeinen ——— er Deu 
—XR —8— ON wo gefagt wis, daß bad Wert nach ei 
- gem gtuͤcklichen Gebonten-angelegt ſet. yiEa® nr ann — — 






.s 


tion, deſto beffer für den Autor. ed 


*, So werden im XAlterthume nur bie Perfir, Sifoden, 
ererenter -unb Rbwer, im Mietelalter die Dewtfigeer-bie 
Kraher.und, pie Hierazchie, in der neuem Geſchichte numbie fünf 


+, a 


ropmädte (Baus Mabsburs, Yans Bourbon, bie Engläns 
er, das, omanp)y und das Haus Hohenzollern) der- 
Ban) re bein Sofen nit: Ina. Wale zer⸗ 
fam e: i 2 N. 
9 en Da ——— Singer Staat: 
warum nit der Pisten AHatlen? 
% 2) DEE Mſaeſchichte⸗ [RE 2, SG. 37; — — 








er‘ Dborgium x dE Budepi —— De 


ühten von der Wicheohgrfuilung, —** 
alte an Swen —55 —E 


enwoͤrtj denfchen Tageslite⸗ 
ratur En a gherwo — —— * und 
Werke beſſerer Art ER werben, „vürtke Zetzteres als bas 


Ban —— ee m Te — — 


















—— — Sch, den da Ba 
u ö ecuel 
—— * 55 eugier willen .ſich — Rh. Pen N Vo ein var dr Em 
an in die Mtten un Bench * de Be ‚Bu 8. p6ration habituelle de. Mö& * en ee 
Einfiht au nehmen... Dr... gaadı Annde IBRU 4, 2 jr 
* * u —35. hiuũtième ei sele, Der org Se en ruxd-" 
p 1844. — Art. V ——— Pant Jahre 


Durch all⸗ Busgerntungen und Yortdmten if. yhtiehen: 


‚ge = in en 
biſtorifch Theo og gie. 


In Verbindung mit- der von E. F. — en gegrün- | 
beten ee 8 Ei heraus⸗ 


DR G W. Wiedner © ® 


1846. 


m . 8. Preis 4 Sohn. ee 
r EL 23 00% 


vun VI ER PER a 


ae des at ine A 

Die Hiftorifch on Al nfang 

bes Sahres aͤcht⸗ 
hun — * 


nißfeier AA 8 an MY ak el a a am 
Feb. 1846 in de Univerfitäte © u Leipzig. Bom 
SHerausgeber..4- 3 Ber einige D ee nigl. Mu: 
feen zu Berlin von religio —— r Bedeutung. Ein Bor 
trag, m im wi enfcha ichen Kunftverein zu Den 16. Feb. 
1846," (Mit einer Stemdeudtäfer.) — 
In. Biker eh über! Sr erſte Ka Der hoff, Dem 
ee Shalte nah mitgetheilt von ‚SR. 
wage zur Geſchichte Ver watden 
i Zeigt * 5 —— —— aus den ·papſftlichen 
a 


tellen. ——* *8 —* m net ter. * 


von Dr, Sasıh, 
—— a: Yohr J ln 
nd Fr. v. Kobrell Art €: drichta e Stunt: 
rträge betreffende Schriften. — we VII. Lieder der Erbe 
ht nad dem — von gu Wy yde vi Meue vermehue 
usgabe. ttgart und — N al — Art. IX. % 
der ei * —— al 
rſprunge is Die Meng vum Br v. Stranß 
weiter und dritter Theil. Breslau 1886. 


ſuhale bes Higätgekgfahtes er, cxu. 


4. über die meraner M J— nd de · übereinſtirmnung ie 
direkten Dypu opus sie ben Ag dl pri on Adlergroſcen einsn 


Petafegen une Di ad Fri Br CHEN Elivle und vie Muͤngt ven di 

abre:1 ur erben Bingue 
en« Emmen vs a. k. — 2* —— Belize 
enn von Jof Arne nm 












SL sta sb 


& An d fer gr 
ee 


| “ ah! £B,, 9 6 
Br auig TAT 
mn PING free: 7 Dur 
% 9J be, lgenhifen""Wölhsfääfen, 
i Qweite: werbeſſere a ;uor. 
* TAN — A rilait 







— ——— — 


al De 

d AT) LEN anerfannge Fchnigeſanghuch Bafket: carapfet (id N 
Di er MB uw — V — ne —— —— — . 
erg) Be 75 1 co ne | fänge. 5 Nor, ober 18 Mr. une Eur 





6 dui via vi heft) dachatentdrei und vierſtiariz 
rei⸗ und vi 
P — ankhaktenkı Charole. Ma Rat: 


248 nn Be 199 2: dom 


— —— 


Bf, dir Wir brtteffi ion, arte el > 
* 3 Bon 15,000 Ins 
N = vengehten Av * aißcß 


Urn 
—* * 


W Wi. ” ” 
um“ 1. °£ 


SE SK gi wo 
In Karl gi @eraib’e erlag in ift erſchienee: 
ned: Ae u? b.r.b. bat 2 20e en 


der. Ritkeratmr: 

Ra RER R 
INmner. ns hanmare, Qirpux 

Subalt Det.ungäugtkerig andes. 


Art.I. 1) Arab 
edidit 5. W. Ei MO Tal 5 2* “ 23 




















. 31 









Dale Bi (& wink opt CT) TC eo Glimech en: A ind * —— Bu h> 
a 5) pecimen © Htteris ee * ieh 89 Ned Ni 2 er nit J 
u Yoanzia Corvini de Hunyad, 


—* &:. 12. * — — R 





Hungariae Gubernataris, argumentis criticis illustrata 


Pr 


dem We der u mblung: eint- | dr, u un =} 
*. eg —E ur: ® * er I ar n Soaniſche fiteratei ng 


.uUer 
wei. 


Zeartuftriite: — ‚Bosa. de , Romance ß 
Peiting für: Die Zigend. — — sacados de.ims „‚Rosas“ es, ; e 


da, due pugden servir de saplemento & | 
on  Süsaudgegeben: FAN  todos ie 1 dncetos, asi antiguos como 
mo- 
unter Mir, ber —— —A An dernös Dog og ccialmente al Puhlicade pör el 
u 





Re. {| seför . Depping,. escogidös, 6rdenados;” 
Bigentic ‚Fine Nummer von cinent Bogen in Fun y andtados por Don a. SON, ose-Welf. Gr 127 
un Eu 4, mauß, feinſtem Velinpopier. 2477 rn ß Bu bildet de Bi ren 
„ ; or. Diefed We e uglei en eil des im Ja 
I gie vieles s Moftrationen. RER . i ink ei einge > un. —* 
77 * —— ne Gent * 
Preis det Jahrgangs. 2 Xhle,, dee uartat. 15. Ne, _ tomances an de los Espaüioles, publicada co ‚Un8. in. 
eines einzeln Dorätshefte 6° Nur. 2 4 # trodüceion Y notas por G. B. Depping. ' Niltva ediecion, con ' 
— — 2 * —X——— 


Der als Bag d Vo patgen owie al Q Gr. A Ten 
ber Säach der & — —— Beranögeben) ee]  Reäpsig, im Zuli 184 


Kell, hat bareits feit einigen. Monaten Diefe bisher vs 0. 
Nob, Hellın. herausgegebene Beitfchrift weſentlich mit. dee, | am 4 * Zibla haus. 
und bis nuern DunaBibelte be uch on. ihm. — are 
a ante orunbfüliies Riesmekbung aller. pokite Sm Berlage von Briegander Dunder, Einigl. Hofbuch⸗ 
en und ‚sonfefionnellen Estzeitfcagen votri- er-auch in chikunft Vim 8 : e Eönigl. Hofbu 
Durch die gebotenen. Untscheitungsgaben. in Shibrrmgn ‚auß- haͤndler in. Merlin, erſcheint focben: 

















der Zagede, —A und Ralurgeſchichte, in, Exrzaͤhl 8 No J 
Reifefchilderun | . 
—X Fa utm tin, fan meine — idung Im bi im ieder aus m j 
ömert?- un en. und. in 
ber Jugend ler. eine. 3— ofen. und Kleintn, nen . Bernhard von Repel. di 
und Katholiten, eine gefunde. 4 h für Geift, Ser und Le⸗ x. eh ı Zt. J 
ben bieten. Die — 555 — 35 en Ju feftete | ii E TE 
—— 9 —— gu denen Die in Stafien, namentlich in- 
ftrationen 5 yw — * — ves sun om empfangenen Eindrücke den: Verfaſſer anregten, dürfen , 
— * ‚Inhalt; vid Bildern zu liefern. und wir | mitallew Net finnge ‚und.bebeuffam genannt werden, Mit. 
erfuchen bei, d bed sgeuen, » je Abonne Ar ig ** jordlandere überkhaut ber Dichter jenen : 
ments alle Alte Ei u und Kinderfere ak Ku Anficht oden, und ut vergleichend, - 
















und ‚npben..; 
bes Blattes, dem Wer | ft ra seinaiiien. Ginn. gibt 1 Sum — 
— der ae ei und er r nen Be Aus et, Wa in kraftiger .gediegener Syrache Fund. . . 1. NE 
tung. ‚iefer Seesen ag 3* — fert 
csnd 







hör Sie 


| 


Merten Peffen. 4 Me Mate in, Be Rn 
us EI tra * — —* 


Voetzeche 51 van: Winfeheb. 


gt ni 
— rag XECEECARßE na 


| ‚en Dre 20 20 Sign. 


meysigınie Br na DE 
—X iſt jegt erſchienen: IR ts 


n a meinem Beridhe? — —* Buchhand · 
Ba er) ae, bis —— 2 nax 3 hir —*3 3 N) G 
eur Bee Rihe. et Em dat et en. 


Perle ne * Rd Füge 
eigenen, Drifez Bie Rakkäpteeuhten Beige: | ee —— seh 
Gr. 8. —* CET 22 DIS | ‚Bs6anf 36 Bird 
er Ro- sslsiitsr7org BBBOSIMG: — 35 I mim — 1 F J F 


—— Ken \ Br a zufam- | | ipEs sonnodl ä in 


—— dehten eu wie auch einiger andern Genifh- | eisgind 442 —**— — Er Br 


ginfreien rsha ire 8 
Preis Th Nor F ar. DD LI barauH ab inivıc!) eınnact 1% } Winkl 
— 1 istarull aisistıa XXXEEä 





> Probenummerä oh ad won [Buchhbmd- 
are diemngen ausbekonnten. ‚ir 807 
@eipiie, im Juli 1846. HU seo pc R 

tn rg Ay ne Drodhen⸗ A 


in ber Wehen hen‘ Salsa; re Wengo und TOR: 











































Keu erſchien fochen it meinem Werlage id if durch alle Buch: | 


handlungen zu 


Bride 
Boten des 8 Zweiten. 
"Beiigemäh enge It end erklaͤrt 


„. Kranz Schufelha. 
. 12. Ga. 1 Ihe 15 Nor. 


Beipgig, im Zuli 1846, | 
j 3 A. Brockhaus. 








An ndnein Veringe ia ist erschienen und durch alle Buch- und 
enhanglungen zu beziehen: 


Der Pianist 


oder 


die Kunst des Clavierspiels 


A ihrem Gesammtumfange theoretisch-praktisch | 
Briefe von und on: Goöthe. Desal 


därgestellt. 


Ein Lehr - und Handbuck für Alle, welche Cla- 
elen und diese Kunst lehren oder lernen, 


jedor mit besonderer Rücksicht auf Dilettanten, 


Gustav Schilling. 





Preis 32 Thir. 
: Osterode, | 
A. Sorge. 
Serben find bei den Unterzeichneten erſchienen: 
ARISTOPHANIS 


BANAE. 
Emendavit et interpretatus est 


"Franc. Volkm. Fritzschius, 
in Academia Rostockienei eloquentise et poesis professor. 


8 Broſch. »_ Eh. 10 Nor, oder 6 Fl. 





Adem. Editio in usum scholarum. 13. 9 Ngr., 


oder 33 Kr. 


Behtere Ausgabe fchließt ſich dem Be unfeser beliebten 
Duodezausgaben 5 Fine Sanustias d Babrius a an. 


 Flavil Philostrati 


quae supersunt 


Phllostrati jünlors Images Callistrati desoriptiones 


©. L. Kayser. 
Pars secunda. 
4. Pars I u.U. Broſch. 6 Thlr. 15 Rgr., oder 11 81.42 Mr. 
Wir erlauben uns darauf aufmerffam zu: maden, 164 Phi- 
lostratus feit mehr als Hundert Jahren nicht mehr edirt und 
tech nie in einer fo fhönen Ausgabe erſchienen iſt. 


Meyer & Zeller in Züri. 


Bon diefem Jahrga ng 1846 if f 
L Dat den de R. €. 


mente, Basen — 6 (jegt K are | 

—— — Rs: aus da 

Kihten ee Regimenter Kaifer , Chenaurigd 
un 





Re. 1, Srenzinfanterie Liccaner Wr. Szluiner Xi. 
und — Auertperg Küraffiere Nr. 5. — VI. Literatun.- 
| Reueſte uta irveraͤnderungen. 
Ebenſo kann u durch alle Poſtaͤmter und Suchhanb 
‚kungen des In» und Auslands die frühern Jahrgaͤnge ma 
1811 —45 erhalten 
An. unſerm Verlgot Find efäienn 


&n meinem Verlage ift neu erfchlenen und duch alle Seh 


Ein Schloß am 
Gr. 12. Geb: 





Öfiereicär miltlairiſche Zeiſchil 


Kuumeration auf ben Jahrgang 1826 dx 
 Gestgresiifigen. ‚mititaietfcge, Britain 


foeben das fü ' 
Ders Rn aa Le dA 


erfchienen. 





eichen Aphortmn 
un Brocardica. — eben — Dr. Fr 
—— ‚Sr, 1 


Hoͤthe's rt fe Pelle Der. _ * 
an Schiller. — Schiller an Goͤthe und Meyer. — 

und Graf Brühl. — Söthe an Adam, Müller und —*— 
v. Humboldt. — Goͤthe's Briefe an Riemer. — Brik e 
„ giemer b von B. w Humboldt, 8 as Bol, wand: » 








Gr. 8, — 10 Ar | 
Beidmann’fihe Buchhandlung 


bandlungen zwibezichen: 


BSeiten und Sitten. 
Levin Sing. 


Gr. 12. 12.6 
1. Die Nitterbürtigen, 1, Roman, Drei Theile. R 





> Nor. 
u. Eine dunkle That. Kossan. 2 Ihtr. 





Im Jahre 1843 erſchien von dem SWerfaffer bei mir: 
Meer. Koman. Im De 
Si: u 


ESeipzig, Im Suli 1846. 
SF. A, Brockhaus 


Druß und Verlag von $. ME. Wrodpans in Keipzig. 





} gür Sraumüller & Geier, 2 Buchhändler i in Wien wir e 
alle ——— ungen bes In» und Auslands mit 12 ER 






tt Prart' 


or Hedi? Hr saBisiungni 


3 “ u Angetgeen 
Bar b” —E a, don n —— . RV 


Dieſer — ſche —3— nei t Ban den bei ®. hans In Beipsig erf — OBERE Viatt literari 
Unterhaltung“ und „St vie t t ober —** und betvag gen die Forte Sie ober —æe Kaum 27, or 


Aems heiten ı gen, 


- | u. ——2 * sur —F * 
—* * ; Br ⸗ * us in e æeip MN g 
un a Er Ay , Mai Ge he! UWW 


im’ Jabte 184 - x 
De Fa DE 3217 
3, enthalt, * Gefinbet Are in FR x ss wiegen —* )5 











nr Fa 32*8 28— 



















[23 









f a 
4 B 





*., N 


ett. ni, el 








— ‚Sebzus:. un. ME Y . 
; an jr — 

38. Analekten' für” Fräuenlirankheiten, oder |; "48, Dietionnaire Su Mpnnel- -lexique du DI- 

Seimlung ds, vor&iglichgfehr, Aihandiuingen,. M plomat et du Consal." Par le Baron Herd. 
pain, Preigschriftun, Disseztstionen und Notinen, den] Da Onssyi', m 12: Ri Teen 2. ns) 

und je landes über die Kr, —ã ce: ibes | . BR deipfehben Berlage hen: 

‚und über die Züstände der göhwange fe und d des! Be * — *2 de ir ta ,, Conventi ns "et 

Wochenbettes. Herauſge Bande von nen Verein 1 rak- nn ports Yelstant au) AIrE * Yes —— orte —Xä 

tischer Ärzte. Sechaten ndes Zweiten, Beit. | du Sie 33 7 — —*8 — sctuele, Par le Ba- 

Jedes Heft'20 N Ner. | A ie En Cussy. Tomes 

on enter et eh. 4 Thir. 16 Nr. 

39. Briefe Bofeph's des. weiten. Dritte es⸗ 44. Hatte Serige meines Rüder.Bexiton, 
Zeitgemäß eingeleitet und Eile von raus SM u-| 35 — —* — aller von 1700 bit gu Ende 
feſta. Or IR a en Pichitenen Bücher, welche in Deutfchland und ben 

Literatur damit vermandten Bändern 


40. Converſativas⸗ Region. — Wligemeinn Heut: 
ſche Reo⸗ ro — bitheten 
Stã — verbe „Der SR | 


Deignalfi la 
— — 6 hr ii 8 


ü Dur ae oge ef hehe if’ 15 Bänden oder 120 
em Preiſe von r. Be e 

nenpapier; ec Band Sn Ar —— — 
—3457 nn ‚auf Are * 


ER Wen ind. Reunter Band, welcher die von 

enſchienenen Bürger und die Berich⸗ 
** ngen enthalt. Herausgegeben 
von ut}. In Eielerungen u JO Bogen. 
Achte Lie ung. Re Miss ) &r Jede ee: 
rung auf. Dru Nas auf rei. 1 Thlr. 6 Nor. 
Die erfle bis —8 eteferung {188 — — 45) koſten auf Drudpapier 
5 Thle. 25 Rer., „af Scheribgapier 8 Ahr. 12 Nr. 


Duo A RA fedenie. et A kan! Bude | ir: 








Ari 2 e * uns * Hi A er " u ⸗ —8 1 Rabe —** Bände zu eine —— —2 A aber. Der 
ezempter. mern. en HEN herauöge en von n — * hi vr * — ons. 
auch lang ven —A— PETER Sehe: i —— ——— rn 

wird mit 10 et. 45. “ei Gorzef: onden enden ifero KagtV. 
41. - - — in 240 Lies |: Aus dem köontglichen Archlb und / der Bibii —** 

ferungen vũ raͤndz w bis Bigfte Liefer gogne 3 Brifel Eh In drei Bänden. Dritter 

zung. Gr. 8. Lebe. Lieferung 2%, Neger. 


ad. ——— — ih fematifger BIT: | 6. Leng (E. 


der⸗Atlas zum Converſations Eexiksn. — YEo-| en, Mi Kira ti 
nogeapHitehe Eneytiopäbie der iſſenſchaften 


Band. 
x Der erg yet * Em an 5) tofien Dr; aus Ieber 4 fe, 
ER ); Befhichte der evangeni⸗ 
er Reformation. Ein Fami⸗ 
des evahgchiichen, Geiſtes. In zwei 


und fie, — 500 in Stahl, geflochene Blätter, in Bü raten Eger t. Gr.8. Jebes Heft 9 Ngr. 
Quart Dorftelfingen -auß - ſanmtlichen Naturwiſſen⸗ Fe —* hne Bypd JR. * drumn ‚Hefe Br * 7 Re. 
fchaften, aus der Geographie, ber Volkerkunde des Alter⸗ u; —— n Ts von), nette ie‘ Schrif⸗ 


tHums, des Mitteloitenß md Diner —6 bem Diee ten, Bwei ae F 12. „9 2 Thlr. 20 Ru 


und Seeweſen, enkmale ur Infe aller Zeiten 
und — der Religion un ythologie des claſſiſchen 
und nichtelaffiſchen Alterthums, der eichnenden il⸗—PP ; Deutiche Fe _ V 4 
denden Künfte, der AIgemeinghl echnologie sc. Mbſtrrinem 48. Kein! vıb FAN —5 — nd —— 
erläuternden Text. Gntivogfan-ugd hengusgegeben Daun Sl’ The Dichtunugen. Br. 120: Sehr 1 are 

@. Bed. Vollſtaͤndi in ie te en. Di ndst |" on: de GAmınet b Inte er d er ein meimbeidegenuz 
—2 vi unbfun zigfte Liefe F. We: Zus Hanne 


efetung 6 Nor. 7 — —— te hen. HA 


t WBBrun æ- * 


ya pr sL. Pa. v r®. ı 5 on k. oh 














> RÄT BE, Beirubern. Sm: , id eint —— 43 


49. Bong de Memances, 6 Romanceg aacados de Ins 

„Rosas“ de Juan Timoneda, que pueden servir de suple- 

mento ä todos los Romanceros, asi antiguos como mo- 

dernon y. especialmente al publicado por el seüor Don 

B. .Depping, escogidos, ordenados, y anotados por 

. Don Fernando Jose Wolf. Gr. 12. Geh. 
. 20 Ner. 

a 
Rode be — den dritten Thell des im Jahre 1844 in 
Homnncere Cästellane „6 „galleccion de antiguos roman- 


os Espaüoles, publicada con una introduccion y 

ontab Par. 45* Zwe — 3 ya A de Don 

50. —* (2esin), Eine dunkle That. Ro 
man. Gr. Geh. 2 Thlr. 


Diefer Roman bildet dic —8* Adtheilung einer Sammlung unter dem 
Zitel: Zeiten nud Bitten ; die erfie Abrheilung führt den Zitel: Die 
Bitte ehnrtigen. Roman, Drei Theile, 4 Zhie. 15 Nor. 

Axchhet erſchon von de Werfaffer' ebendaſelbfr: 


en Säle am Meer; Roman. Zwei Theile. Br. 12. 1843. Sch. 


51. Vollitindiges Taschenbuch der Münsr, 
Maass- und Gewichts- Verhältnisse, der 


Staatspapiere, des Wechsel- und Bank-. 


wesens und der Usanzen aller Länder und 
Banilelsplätze.. Nach den Bedürfirissen der Gegen- 

wagt be t yon Ch. Noback und F. Noback. 
Achtes Heft. 


Petersburg—Rio- Janeiro.) Breit 8. Jedes 
Heft 15 Ngr. **- 


52. Zaufffiege. -@ugiberg (Bräfin), Die 


ir umgrin. Exrzaͤhlung. Gr. 12. Beh. 1 Chlr. 


— *— — arter Wilder aus Schrefien. 
“ne Novellen gefaßt. fes Bändehen: Die Rofe von 
Ben Big erm.: er. a2. Geh. A She. 13 Rer. 


44 n 1 


gi‘ dent Wi Brockhaus in Beipzig i ift über: 


gegang Bien wird von jegt ab nur von biefem bebitirt: 


— —V — Coins 
fher Roman. Zwei heile Sr 


Di te d Ä 
änäide Bis ER un , Bau 


DER WR un . 1 








„» dm 









WX0 


nyrnunrdr® nelu 383 


bherabfetsungen. 


Iy oo vater? 


af 4 PR PAGE aan: af 


nibedemtentn —— — Preifen | | 


wwegchit 
3 





Re Kan a verfelden „möbon ‘das eine bie" 


, das andere Die . 
tee erde dir alle Bud, 
is —— I; färögegebem . 


n.vitfigs 


=” Bei — Auswahl fe Bir ‚wird ‚noch ein 








Göithn 1 erg een; “ 
—— 1845. 4 Pi 
bus If md 
st slmRhlek: . 
Paare ! bo Rebannkungei won Dr: a & Ste Po 


n3j: rd m dio Sir, 


( 
Ei — a hen lee 


elination in Göttin- 
’"Ngr. (4 gGr.) 


0 Au hiftoris . 
2 Ahle. Über de geßeiwärlge pvidcich⸗ 




















Beitrag zur logischtin Optik; von Profe..J, B.1; 
sting. (Mic ae arcien) 80 Ng. —8— 


Das eg esgen Bau Ar Y und; ou nl 
Dr. C. N — ey ent And. 
ten Holt ide F ut 

Über Bfetzer: 

ber Gef ide Kirfdrfihgen re perm Inte Alk 


mit besondere * auf die menschh- 
chen und thiefs‘ Organldnuf! —R Vogel, 
alıı suigtl Iıalı 


nie Near (6 ger.) une u 
ige ‚Beobsıichtungen ramd' en — "Skelet- 

ee, Plan; 
—— —— Re Ye 


D 2 










Ober die Bildung des Torfs in, den E ren aus dera 
tınveränderter Pfi —— — über die 
‚| Culturfähigkeit ; von Prof, Dr. 


A. Grisebach. 17%, , in, Gr.) 

Über” Ki 'slrbıh —— Absa OX Herde 
Formation des Vul di — u) eich mit vermandıa 
en 3. am wir sc 2 Säartorius v. Walten- 
hausen. 8)” 

Zur Logik; v 8 * —8 > Mk ıc) 
Über’den Begriff der Schönheitz von Pröf! m H. Lot. 
10 Ngr. (8 gGr.) 

Über Cicero’s Skddnike; ’ von‘ "Bed? He <?B, Krisch. 
11y, Ngr, . (9 r.) un 

Die Delphische Ätheng; ihre‘ Dünen, gie ejllghriner w 
Prof. Dr,, Kr,, Micseler, 10 Ner.t Gr). gen " 
Zur To hie, von: S: akus;. te von 
—— —— —— 
74 Ner. (& 86) »- 

Übel die ‚Käedapfivon den Nibelnpgenz; ——— De u 
‚Mötes.. 18:Nge.i.(8 gr) ..: 03 sun ale 
Zur‘ Geschichte der Kroberung' En, nidke' UP deran· 


Stäm "yon, Prof‘; De: 4.F. I.‘ — ‚10 Ne 
(8% . ν. u 


ke; 
5 duf * | 


Leinengewerbes, mit besanderer 
— 7 
in Amerika; von Prof. 


I it SpRleak —— — Zu 
‚Vorateliendd AbBaudiuhgenssind.snehdn.b mn 
i einzeln zu den dabei .besiuzksem, Preisen zu babe 





2 x — 
—E — — 
mit Goldſchnitt. Preis 1 Thlr. 12 Ryt. 
Ste ın gleicher Auditaftun — RBB NS jr 
I Sc —RECC 
Reipsig, | 


Eh —⏑⏑⏑—— — —— 
Fern. m SMNOG T3b 
Die duffs oblfeile n: 











! 





In K. Berstd’s Berlagsbuchhandlung ni Mien iſt 
nen und in allen Buchhandlungen —— zu erhalten: 


MTosorOiIo. 


Hausſchatz Halienifcher., Voeſi ie. 
‚Auswahl aus den Verken 


von hundert italienischen Dichtern seit den frü- 

hesten' Tagen: bis zur Gegenwart in chronologi- 

scher Folge, nebst’ biographischen Nolizen über 
dieselben: ‚zugleich‘ 


Handbuch... 
lallnischn Possie „Poetik und al 


der’ Poesie... 3 


Dr. a Au BB. Weis. 


Prafenver dep nenern Literatar an. dpE ntremiiat * im 
Erste, a zuge \rferung 5. 


Der Beifall, en. die dom om Sgren Ber fol ee ebenen 

Werke ähnlicher U It für beutfiße unp Meat jene Gore den, 

wurde ihm Berant — der italleniſchen pocttfch are 

gleiche Sorgfalt zu widmen med 'eine“ Aus wahl⸗ —— 5 
zu veranſtalten, die dei Eeſer in ‘den un en — ni 

eine umfaffende Kenntniß derfelben ohne bede 

von Zeit und · Koſten zunverſchaffern.So entſtand Diet 8* 
7 der, als eine den vorzüglichfiem‘, rn ı Stakend- 


une Bien J kte 
—— da 3 a N —— —— — Da 
ollem 


Dos Sanze 
zung Foftet 1 


De in 4 Fa du 7 TPM. die "tiefe: 
er, (1% 


wer 





Sn der Ezpedition Des- 0. Otenim’fchen Berlags in 
Berlin! ven Baqh 


“unb Adurch allofoliben 


Jeron webiziehen: ch us ux alıyeı 


& 7 Fake WR nderhorn. 
. He. 
Preis 2 EN 10 gr» Med bec Aaen Bandes 
—XX —E — —V bil, 
g eines 


& iſ —** — erkes zu 


—X welches ſch on 12 elung in der deut⸗ 


ebatur eiigenommenıhek. : Altı  Beittel and renchtiit· 


‚ndsdrad) im 


in kurzer i 


uud hsıd 





Ein nen "uppeptrends —— 


ET TRRT ; 


iagiers 
 Brammaenilfin’ores Ineditl 
Get m En 
"Lodövioa alocis 
Rind Tr a. Bub. 
Herr Siampieri, uftns ꝛder· — Bibliothek in 


loreng, gr der een enner itallen ibl WA 
Matufe 


and ti einem Vetz 
Schriftteler erwühnt und gelangte, na rtJahre lang 


Es erſcheint binnen kurzem im Florenz, 


Rechte — Studium empfohlen werden kann. 


am“ 
) 


e| ;Dercen Intereflenten, mit B 


die ſchwach angedeutete Spur verfolgt Hatte, durch en" Ne * 


Nlichen Zufall in ben Beſitz deſſelben. Die Echtheit des: 


kes iſt durch die Forſchungen Sachkundiger außer — *— 
getreu na 
ginalterte; in einem rofoctabbande; Inf gue 1 1 Bi 
Kor. (1 Thlr. 16 9Gr.) 
. ‚Den Debit für a ehrand beforgt 


Friedrich Volkes — — 


Cu ie „tg J 





Soeben etſcheint bei den Unterzeichneten und iſt durch alle Bude 
bandlungen zu begeben: , .- 1 + 


Seichnungen u 


| ausgeführten, in verfßiedenen Zweigen der Induftrie 


angewandten - : r  ". 
Waſchinen, —— 
Annareien 
neuerer — eneiion 6 
veſammit und mit erklaͤrendem Texte bearbriter von ” 
. G. Reonaner, +: ı 
Sieiter Band. Erſte Riferung: :: “ 


Querfolio. à Rieferung 1 Thlr. 6 Ngr., ober Fli 6 Kr. 


Der bereite gomplet erfihienene erfte Band, ze 
The. 8 Ngr., ober 15. Fl. 

Dbiges einen außerorbenttichen. Beifall —— — 
tet raſch vorwärts. und enthaͤlt die inen ac. und 
zwar in vorzüglich ſchoͤner und genaueftes Ausführung. Su 
einer nicht unwichtigen Empfehlung bes Werkes möchte Dienen, 
daß der Herr Heraußgeber, ein ausgezeichneter ehemaliger S Be 
ler des berühmten Armengaud, von Stterm in femem Unde 


nehmen aufs freundlichſte unterftügt wird.“ 


Meyer & Zeller in, Ziriä,. 
Bibliotheca ca Hoppiana. 


In allen beutfchen Buchhandlungen und bei allen Antiquaren 


iſt zu haben, fowie aud von and Nischen bestehen. :DpEn - 
Katalog der hinterlaſſenen Bibliothek von 
Ulr. Fr. Kopp dem Raläogeiphen, nebit 


einer Beilage. Die Abgabe der Voͤcher aus dieler hoͤchſt 


bedeutenden Bibliothek hat bereits — aus bitten: die 
a auf Die-ing Reialon bamertken 
Bedingungen, uns ihre tät N Aufträge, baldige bufdamnen 


“ mul, Ton 9 
Manheim, im Augue 1548 n TER 


Schwan & Be gofbuchhandlun ng. 


Sn allen Buchhandlungen iſt zu huben: md 
G Dr. J., Die Elemente der Phyſik nach ı may 
matlfchen Prineipien zum Gebrauche fit iheser 
len und Gymnafien. Nebſt 343 in den Tert —** 
Holzſchnitten. Br. 8. 2 Thlr. 18 Nor. 
Einführung in Anftalten zu erleichtern, gemäßree ich anſthniſchen 
Rachlaß bei Abnahme von Partien. - 


Ich. Ambr. Barık ty Leipzig. 








« 
. Ya 


Verkige- up? Eonmifionsatikel 


& vo 
Brockhaus & Avenar} 


. 2,3846. MB. April bie Jan.” 


Re! 1 dieses Berichts ‚Vehndor. sich is Nr..X ‚des Literarischen ; 
Anzeigers. 
—— Journal des gens du monde. Nourelle sdrie. 
- Deuxfäie annıde: 1846. Nr. 26 5. Klein-Folio; Preis 
- des Jahrgangs 5 Tihiv. 10 Ner. 
on ren Free 10 Bene de ja Ittäreinie 
„Srangaise, vo gängein gr e 


stik der Iı letzten dahre pllden. Um den Abonnenie en auf di das Suche 


" in seiner im 8 zu 
erleichtern, rien wier r Jahre Änge für R- ———— 
ten Preis von une "hir. —— — Bir. 10 Nar.) erlassen. 


. 
ur 9 




































SEE hunde —— Euer Me 


Han IR ehysiane du m de), Cosmos. Esmi d'une 
er ue du monde. 'Traduit par H. Foꝶ. 
rt iere partie. ee Paris. 4 Thir. 


Ekubrakiewfen, sur I areraemen! A 
3. — 2DR 2, m: A Pant: 


d’Orb Mafluggupa yivant det ae 
de toutes” eg gäpeces de coq Wh 
aces uwent — distribution geolögigire et geographigue. 
1 Mar 
"vıcd 10 Baolte It Orcn „Aut Vim —* po Pri 


einer Lieferu —35 etwa 5 313 nit en — 1— Ta. 
PR: —** a 


4 








Ta 






* ee; 





Di t de Jahrgangs 1846. atebatf'auf Verlan Is! de mol * ar I 5* %0 K 
e u 8 em e- 
Prob At} 3 iss... “ RR erRaBen * scheinen. ; j edle a ‚3 hir IN. 
438 Sven ung vor —S— beree | net, besondere An-ı — ae gopt aM; et 1des mollusgques 
Zllustrirte Zeitung für die Jugend.  Herausge-. ötrang 


in Lieferangen vun 30 Kupfer mit —— Texte der „Pr 
1ejntn logie wmiytisehleit, —S Jet Kunfopgg, kantet 3 Til 
Bedhouse, Gtönmaire raisonnde de Ja- langue attonam. 


Pe 


Ludewig "OU. 2), Tis' Btersture of Amenean al 
history; 6 Bibliographical essay. Svo. Naw-York. 3 Thk. 


‚ ...geben unter Mitwirkung der beliebtesten Jugendschrift-. |, 
“ steller von Robert Heiler. Nr. 14—26.. Wöchent-. 
lich eine Nummer von einem Bagen in schmal gr. 4. 
Mit vielen Abbildangen. ‚Preis des Jahrgangs 2 Thlr.;; |' 
ein Quartal?15:N@r.;ein einzelneg- Monatsheft 6 Ngr. 
arm Danummern sind dusch alle Buchbandlungen und, Postämter zu‘ 
- + Insesete-wuenden-mit. 2. „Bis, Zeile, FJ 
gen gegen Vergütung von I Thir. für 338 —X Peer ⁊ Mꝛe 
BDie: Redaetion Vexet · Zeitschriſt Wird vom dell an der als: Pi. 


J und Volksehriftsteller sowie als Redacteur der sischen‘' 
Sc ulzeitung“ bekannte Herr Julius Kell übernehmen. nBächsisch 


YAx „u d’yo. medeair. -T. I, 
a re Aynmpde Er 





Soden iſt bt ‚ten Imterglichkrteh en und. durch ai 
| Sant De yn.bez 


Dex — Reuter ka 









Fhams un 


Entgegnung von ei ©: eins im —— 
La Dede ern 08. Cm. 3 Tun — Dr. He. Be de 
Vval (Kaul) Le fils du diäble. T. IA HT. 10-8. erften Au er RN ern gegen sinub geh 
Geh: 1-'Mlr. 15. Nor. 


Er Ps öefanbert ahedenet 8. 


Der vierte Band weder, den Schlugs bildet, erscheint in kurzem 
: ind wird ebohfalid 15 Nr .kosten. -i 


"Die Frauen der Bibel, In Bildern mit erläuterndem Texte. 
« Erste Abtheilung. Frauen des alten Testämeiits. Lief. 1. 
\ ‚en er) "Diet. 8 ‚ 'Rebeoca.) 4. Preis der Lieferung 


BR ai abigem —* verm Fler. ſonſt umgerändertt 
Auflage der Schri 


Die peotefkaptifihe Eeiktiätet und die Deutſch 


£ ital 7 Ei Kr) . 
BR ie er in * Zürich 


Der iste Btheilung wird aus etıva Lieferungen bestehen, Pro- 
BT Shheehiptimeßsten sind ia allen Butelihandlungen au haben. 


Imamdt (I. A. Od, Ttalienisghe: Sprachlehre nach Ver- 
gani’s Methode. 12. Geh. 227, N 

Istrien mit den Quarnerischen Inseln. " "Geograpkisch-statj- 
stische Darstellung nebst, 4 Kärtchen Aus dem Al smei- 
nen geogra ‚chen. Lexikon über das Kalserthum 
reich des nz Haffelspergeor abgedruckt. “. 
' Wien. 30 N 

th en (B.), Deutsche und französische Gespräche, mit 
Ltgen (8.4 deutscher InterBnear-Übersetzung zum ehem. Hauptmann in Lnigl. preuß. und Eönigl. nieberl. Diike 
Gebrauche beider Nationen. 12. Geh. 12 Ngr. | defigetetem Gapitain im Baiferl. ruff. Generalfiabe, zubeht Di 

Mickiewiez (Adam), Konrad Wallenrod. 36. Geh. |; general im Geniecorp8 der Spanifchscarliflifhen Armee von Aregon 
15 Ngr. Cartonnirt ] * Ner. Prachtband 22%, Ngr. und Valencia 


' BOCH ci, Marje. Powie 6 Malen. 8 Geh. WA Neger. Verfaſſer des „Gabrera”. 
Wanderungen eines. alten Soldaten, 


artonnirt 77'/, Ngr. Prachtband 1 Thlr. 24, N 
Montholon (General), Geschichte der Gefan nschaft 
I oicon’ s auf St.-Helena. Zweiter Band. 8. Geh. Erster Theil. 
Behreinngskrig von 1818, 1814. und 1815 
Gr, 8. Eleg. eg. geh. NAThir. 
Kalsers, welche sich gar in der <nglischen Ausgabe -änden, in der Die augsoͤburger Augemeine Seitung Zeitung —— — einige Per 
ische Ausgab 
ee heidee Bande —— 2 Thlr. 2% Nr sehe use ben aus diefem fehr intereffanten 
Drud und Verlag von F. 8. Broken in Leipzig. 





Berlage von EI aber ucker konigl. Hoſbeh 
Sm Ben Pin m in * ft * eefhienet: 


Wilhelm Baron von Kahden, 


F Rn jenem Bande ist das Werk als geschlossen zu betrachten.. -On- 
sere Ausgaba verelaigt die Vorzüge der franzäsischen und der engl 
schen, denn der erste Band dersel, en enthält Alfes wasin der franz 
schen Ausgabe verölientlicht wurde, der zweite aber die Dictate des 











Literarifher Anzeiger. 


WB 1846. M XV. 





Diefer Literariſche Kraeiger wird den bei F. E. Wesdpums in Beipgig erfcheinenden Beitfchriften „Miätter für literariſche 


Unterhaltung’ und 


10°. beigelegt oder beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren für bie Beile ober beren Raum 2, Nor. 





Bi F. &. Brockhaus in ia iſt erfchienen und in 
® ofen De linken 30 —& 


Zurifhe und drauatiſche 
D it ungen 


Kiwis Beinbers. 
Gr. 12. 1 Mir. 
Von der Schweſter des Dichters, kim Reinbolb (Franz 
Berthold), erſchien im Zahre A842 cbendafif; -: 


Geſammelte Novellen, Yon Frani Lertholt. Ser 
ausgegeben von $. Tieck. Brei Be 
Sch 3 





Soeben iſt bei Meyer & Zeiier in Zürich erſchienen und 
durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


Naturhistorischer" Wandatlos 


Gebrauch beim Unterricht 
hoͤhern Lehranſtalten, u 


namentlich in 


Seminnrien, "Byimnäflen, Bürger, Renl:, Benirke: und 
Secundarfdjulen, 
nad methobifchen Grundfägen 
een Sn 
Profeffor 3% ichelberg. 
Zweite nn. Zovlogie. 

Erſtes Heft: —— — Vafeln an 

Dieſer Atlas, Der- lane ‚mit 
dem ebenfalls in unferm erlag ı er‘ * tw det odifchen 
Sanbatlad von U. Menzel‘ bearbeitet wird, fchließt ſich 

zunachſt an’ bes Berfoaſſers bekannten Kelwobiſchen Beitfaden in 
der Naturgeſchichte“, iſt aber auch fo eingerichtet, daß ex neben 
jedem andern naturgefchichtlichen Lehrbuche mit Erfolg in den 
obengenannten Lehranftaften gebraucht werden kann. Derſelbe 
ſoll beim naturgeſchichtlichen Unterricht in der Hand des Lehrers 
zur Berfinntihung der Lehrobiecte dienen, während der genannte 
Handatlad in ben Bänden ber’ Schüler zur’'Cinprägung und 
ieberbotinn Hi a FLRE iſt. Jede. —*X auf einer 3* 
ee —* —— it a h 
aus derſelben Dr ug, welche mit möglichfter Treue thei 
nach den beften und ntueften Seffitefien, heilt nad) der Na⸗ 
tur gezeidmes-wurden. : 

Das ganze Werk wird in 5 Heften erſcheinen "und jwar fo, 
daß bie Abbildungen jedes Naturxreichs ein Ganzes für fi bil: 
den und einzeln bezogen werden Fönnen. Der Preis ES er 
mit ſchwarzen Ubbildungen ift 3 Fl. Rheln., "oder I 
der eines 





\ 


ein colorirten Prachteremplare 5 gt. Dr. Ren, 4 


oder 3 Xhle. Die vor einigen Wochen erichienene erfte Ab⸗ 

theilung, die „Mineraingie” comp 7 

2 ein mit 96 Kryſtallformen auf ſchwarzem Grunde, koſter 
fe. 20 Ror., oder 3 Fl. 





Bei Zulius Groos in Heidelberg if exſchienen unb in 
allen Buchhandlungen zu haben: 


Der Pietismus 
geſchichtlich und kirchlich beleuchtet 
mit Beantwortung der Frage: 
wie demſelben auf Die geeignete Weiſe zu begegnen ſei? 
Bon dem evangelifcden Prälaten 
Dr. 8 + 9 ü f f e I + 
Gr. 8. Geh. Preis I FL. 12 Kr. Rhein, oder 20 Near. 





Im Verlage von Joh. Aug. Mielssser in Hamburg ist 
soeben erschienen und dürch alle Buchhandlungen zu be- 


ziehen: 


Hübener, Dr. J. WW. P.; Tier &er 
Umgegend von Hamburg,. städtischen Ge- 
bietes, holstein-lauenburgischen und lä- 
neburgischen Antheils, enthaltend die Ge- 
wächse, welche in diesem Bezirke wild 

“ wachsen oder zu ökonomischem und tech- 
nischem Bedarfe gebaut werden. Gr. 8. 
Geh. Weiss Masch.-Druckp. 2 Thlr. 
20 Ngr. (2 Thlr. 16 gGr.) Schreibvelinp. 

‘8 Thir. 10 Ngr. (3 The. 8 gGr) : 


Preisherabfegungen. 


Ale Freunde ber Literatur werden ı werben aufmerbfüm gemacht, bag 
eine große Anzahl intereffanter- und ger Verke aus dem 
Verlage von F. ‚ Beodhans in Leipzig 


zu bedeutend herabgesetzten Preisen 


zu beziehen fi yaie Ber era diefer el, von. denen 
das eine bie ent aftlichen und —* das 
erke enthaͤlt, find in allen Buß. 





andere Die eh En 
handfungen ‚gratis zu erhalten: 


Diefe Preisermäßigemgen gelten bio 31. Der.».3 
und nad Ablauf diefeo germins treien die frühern Laben: 
nreife wieder ein. Bei einer Ausmahl non 10 hir. wird 

noch ein Kabnit von 10’ ver ER. 








Zwei werthvolle naturhistorische Werke, 


welche in unserm Verlage erscheinen und durch alle guten 


Buchhandlungen bezogen werden können: 


Die Käfer Europas. 
Nach der Natur beschrieben von 
. - Dr H. €. Küster. - 

Mit Beiträgen mehrerer Entomologen. 
5tes Heft. 


Jedes Heft enthält die wit Genauigkeit ausgeführten Be- 
schreibungen von 100 Käfern auf ebenso viel Blättchen, 
Register und 2 oder 3 Tafeln mit Abbildungen von Gat- 
tungsreprägentanten; das nächste ist unter der Presse. 


Preis eines Heftes I Thlr. 


Conchylien - Cabinet von Martini 
' und Chemnitz. 
In Verbindung mit denD.D. Philippi, Pfeiffer 
and Dunker 
neu herausgegeben und vervollständigt 
von 


Dr. H. C. Küster. 


Lieferung: 58... Preis einer Lieferung 2 Thlr. 


Eine Lieferung besteht aus einigen Druckbogen Text 
und 6 fein gemalten Tafeln in grossem Quartforgat. 

An neu eintretende Abonnenten werden auch zur Er- 
leichterung der Anschaffung nach Begehren so lange monat- 
lich 2 Lieferungen abgegeben, bis sie die allgemeine Con- 
tnuation eingeholt haben. 

Nürnberg, im August 1846. 
| | Bauer & Raspe. 





Sn meinem Berlage erſchien: 


Rüben, A., Die Hauptformen ber äußern Pflanzen- | 
„.oxgane in. ſtark vergrößerten Abbildungen auf ſchwar | 


dem Grunde. Zür den Unterricht dargeſtellt. Gr. 8. 
1 Thle. 18 Nor. 


ch hei ihrer ib ⸗ 
nahme bi tin Kr Phanzenkin nde dr 


für Erweiterung ihres BOirEungöEreifes ebenfo wie die bereits ; 


in mehren kritiſchen Beitfchriffen über fie gegebenen beifäligen 
—5 — daher ich fie dem lehrender wublicum hiermit beſtens 
empfehle 


deh· Ambr. Sarth in Leipzig. 


Bei Ernst Fleischer i in Leigzig ist erschienen und durch 
alle Bugkhandiangen au: 





Des Pindaros Werke, in die Vorsmahke- 


des Originals übersetzt von Joh. Tycho 
Mommsen. Gr. 4. Arch Preis. 2 Thlr. 
15 Ner- m ...7 - . R 5 
“Je mehr die Obersetzungskunst i in unsern T en steigt 
und ja aligemeiner das Verlangen geworden ist, die Werke 
der alten Meister ku lesen, desib erftewlicher muss 68 
ud, we wean bier die Lösung eins der schwersten Pro- 
bleme hass Kunst versucht wird. Somit glauben wir nicht 
nur den Philologen, „yeiche Binder erklären wollen, sondern 
such allen Denen vorli egend es Werk empfehlen zu dürfen, 
weiche Butch Selbstudium‘ — sei es in Vergleichung mit 


| lesen lernt und den beigegebenen’ Commentar bericksicht 





dem Original, sei es ohne dasselbe — in From under 


Gebikt : r Ahtiken- Kunst eihzndrängen widecen. Wr 
Pindar’s Siegeslieder — die einzigen vollständig vorkau- 


denen-Documente ‚der ‚griechischen, yxik —, ‚nach den w. 
angegebenen metrischen Schematen, Todes ErSMASS 


der wird jedenfalls bei dem grossartigen Inhalt audı & 
Mannichfaltigkeit der variirten Formschönhelten ine we- 


| den. ‘Die Erkenntniss des Pindar ist ‚vom höpksten Inter- 
| esse für das historische Verständniss der in und usc in 


Zeit der Pergerkriege herrschendeg Stimmung. Wal ir 
gend findet man ein stärkeres Beispiel von der politisce 
reimüthigkeit. des Alterthums.., ... 





| Soeben erfchien und iſt in allen Buchhaukiungen zu erhalten: 


| Lens (C. 8.9. Geſchichte der coat 


geliſchen Kirche feit der Meformation. & 
Familienbuch. zur Belebung des evangelifhen &i 


ſtes. In zwei. Baͤnden. Viertes Heft. Gr. 8 
Jedes , Heft. O0. Ngr. 


Der gehe Band iſt mit deme Dritten Hefte geſchloſſen und Et | 
ber zweite Band wird ebenfalls aus 3 Hank 
Pen und den Preis des exfien nicht überfchreiten. 


Reipzig, im Auguft 1846, 


& A. Brodhan, 


Im Verlage von Alexander Duncker, königl. —E | 
händler in Berlin, ist erschienen. und dureh alle Backen 
‚Jungen zu beziehen; 


Vergleichende 


—— tatistik 


den; 
. Ggsspajlchie, } Kuropag, 


Dr. Freib. Friedrich" ilhelm o,. Reden. 
087 2) Kr Ta 


L bis III. Lieferung. Gr. eh. 2%, Thr. 
Das Unternehmen, eine * Oultur· 
 tistik der Grossmächte Büropas‘“ zu schreiben, dM. 
; sehr der ‚allgemeinen Theilnahme auch ausserhalb Deus 
lamis sich erfreut, .‘dass’ französische wnd "englische Ü8 
‚setzungan der. Schrift natbereftatı waiden. ': 

„ Die, früher ausgtgebehe erste Lieferung, obpleich ⸗ 
ıGegenstande ihspe Inhalts nach keinerwage gecigne cır 
‘sonders, vortbeilhaftes Urtheil über das ganze Were 
‚vorswufen, m mit Beifkll und Lob aufgenommen. 


a N REEL ErEnZT 


öffentliche Aufmerksamkeit lenken, we de dari 
ı Absulinitt „Bewohner“ - Sehen ah Ylh —* eh een 
[Intereme zu erregen: a 








Ä Bon $- €. ER LERE in Beipsig in zu nicha 
De materise. apud Leihnitinm notione et⸗ 
Imonadas relatione commentatio atctore 

 Maritenstein. Gr.4. Geb. 12 Ng 


N ‚*' » Fu y .. \° Ta Zr | 
+ 


Französische Romane 2u mane zu. billigen 1 Preisen. 


Eine Sammlung ramöfifäer Romane (61 Bände 
18,), welche früher 20 Thlr. 10 Nor. fofteten, erlaffen 
wir jegt zufammen für 8 Thlr. Gingeln koſtet der 
Band 6 Rgr. 

Salstiue, Histoire de la belle cordidre. 1 vol — 
Dumas, La famille corse.‘ 1 vol. — Balzac, Les petita 
muneges "une femme vertueuse., 1 vol. — Kock, Sans- 
crärate, ou les tomnlisstonaires. '4 vols. — eybaud, 
Sans dot. 2 vols. — Mery, La Florlde. 1 vol. — Karr, 
Pour ne pas. ätze.tseise. 1. uch. Mi 
i oh — Hugo, Le Rhin. 2 vols. — Histoire com- 
Di de Vidooy et des principaux scelörats. 2 vols. — 

eybaud, . Golnielle L.vol. — .de — ,. ‚La x10 
cherehe de Tineohnne. 2 voll, — Luchet, Le nom de 
fanille. 2 vols. — Bouvegto, ‚Une colorie. I vol: — 
Banim, La famille Nowlan. 3 vola. — Beauvoir, L’eco- 
Her de Cluny, ou le sophisme. 2 vols. — Ber rgounlouz, 
Le conseil de guerre. .2 vols. — Bernler, Le .chäteay 
de Pierrefonds. 1594. 2 vola. — Fauinet, Roch le cor- 
saire. 2 vols. — Beauvoir, Safıa. ?-vols. — 
La belle drapiere. 3.vol. — Berthet, Le loup-garou: 
1 vol. — Cooper, Le ‚Bravo. 3 vols. — ‚Dumas, Syl- 
vandire. 2 vols. — Ascanio. 3 vols. 
Le corricolo. 3 vols. — F'ouimet, Le village. sous les 
sables. 2 vols. — Jacob, Un duel sans t6moins. I vol. 
— Karr, Sous tes tieuls. 2 vols. — Marryat, Mr.'le 
Midshipman Ais: 2 vols, — Maynard, Outre-mer. 2 vols. 
— Musset, Samuel. 2 vols. — Vananlt, Marie- „Ange. 
2 vols. 

Leipzig, im Augast 1846. 

Brockhaus & Avenarins. 





In &. Geroldb exlagsb He n ft ſexben 
Fi de u —2 Bin |. en * 


Leibes und" der Seele 
Gesuidhäis- "ud Krlkigelehre.” 
| m karcde ‚Buigte.,. ed el 


ir zichung, Beför * wg we FAufr cchilaltung a 


öglichst glücklichen: Zustandes: des Körpers und 
reistes, in jedem Alter, fir jedes @eschleeht, die 


erschiedensten: Stükde and  Lebensverkältnisse,, 


it besomderer Berücksichtigung der neuesten For: 


chungen und’ Entderkungen, ia diesen, Fächern. . 
Ein uiteritbehrliches Hanäbuch |, 
ebildete ü überhaupt,, und für, Ärzte, Auem und. 


Erzieher insbesendere: 


[Ka CH 00 u) 





a ie Wöctor “ate. 


— 


Gr... 83: Meh, ı Re. jeder: Lieaniag. 19 Ngt.: :: 





geehrten Yublicum mit vollem Rechte empfehlen zu tönnen- 
Drätetit und Pädagogik vereint Bilden, in —E Zuſam⸗ 
menhang gebracht, ben gediegenen Inhalt deſſelben. Ein von 
uns ausgegebener Proſpect belehrt über. die Tendenz des Wer 
kes mit kurzer Angabe der darin behandelten Materien. Das 
ganze Werk wird im Laufe dieſes Jahres volftändig erſcheinen. 





Soeben if ‚hei Den. Unterzeichneten erfchienen: und durch alle 
Buchhandlungen zu be ati ® 


Geſchichte | | 
ſchweizeriſchen Bundesrechtes 


bon 


den eriten epigen Buͤnden 
“auf die Brgenmart. 


" Bon 
Dr. Binntfchli. 
Erſte Lieferung. 21 Nor., oder 1 Fl. 12 Kr. 





Das erfte Buch diefes Werkes ift unter dem Titel: 
Die drei Länder 
Uri, Schwyz und Anterwalden 


ihre erſten Wigen Buͤnde 
a 13 Ngr., oder 45 Kr., auch beſonders zu Haben. 


Bon demſelben Berfaſſer iſt neulich bei uns erfchienen: 


Thle. 21 Nur. ‚ober 3 Bl. 
Reper &: Seller. in Zürich. 


- Heute wiede an ale‘ Buchhandlungen verſandt: 


Converoatione. -£ exikon. 
Neunte Kuflage. 


Zweinndachtzigftes Seft. 
I yı Aante Auſlege ref m F B Barden —VF 120 eh 


dem Preife von 
Komet She. TO Nr, rs —* Yan auf Beltnp, 
Pre Bon der —— * Ay 30 Hesdenistenge 


8 — des Feſuuitenkampfes in der 


à 2% Rgr). iſt die see, Big, 3 Piegerung: 
u PO ei erſch ienen. 





* Bohr dem in meinem Vertage geerbt vi . 


| Bilder-Atlas zum Conversations: Lexikon. 


Dolkindig soo —F in Quart, in 120 Bioferungen 
dem reife von 6 Nor. 
i die sis a nfzigſte Lieferung. ausge en 
J m, in allen al — eh en. - 8 s 
ws) 18. uf 1846. , 


Lgaben: dieſes Bert foroek Wo ————— 
mann ln ee ald wegen der gefälligen on Kur Ss. A. Brockhaus. 
sewiß allgemein anſprechenden Form der Darſtellung dem — — 


- 


Durch alle ndfungen erhalten Im Berlage von Friebri lei 
Aa Bu —— jr 2 erfähienen und F alle — men ——— 


geſammelte — fa 


St, t f n r Au u 8 wahl 2.. . Nach den neuefien und beften Hülfsmitteln bearhei 


vi 





J la u * on Dr. * 162 el; 
u Fe 2 —— * " Yoiorath und 3 BD, ya Vethi 
r37E Gr 12, Milz ‚Seh, 12 * In vier Bänden., 
wu in vier icferungh| 3 Tple, zu Dee ww WFrſter Band. Erſte, Lleferung 
86 UN 
Sec ur ah a 
vom Me Ein wurde [eben werfanbt, fghe I Ben fi näber mit er Anl e * 838 ertraut zu nude 
ei: nunmeßs Anbig,in ben Birma DARM x Da ein ſolches Werk nur d ; 19 der Ochüen 
A I Sa in HR $ A en, „mit diefer ur bei Die be wohl Gen oma, hau 
8. a; Brorkhons.- IL faͤffer "und Verleger) Yefem 3 Probe eine.freundliche Best 





milfchenken zu. wollen. Der Preis jedes /Mandes, in ww 
change & 25 Lerifonbogen,, ift auf 3 CAhlr. feflgeicht 


— fe dla he Zeilſchuft? 
Für — ab Bien wird in 
— 

Orstertiälfäik —— i Brärf 


Angenommen. 
Bon dieſem Jahrgan Hs, fogben das ſechote Heft 
— im Pi ende Aufläge: ® 
J. Das —* des t — —— — Karl Freiherr 





Bei Julius Brass in Heidelberg iſt erfchienen un s 
allen —ãâ ùY twe zu haben: 


Die ſtaatsrechtlichen Verhaͤltniſſe der 


Deutfi chkatholiken 


mit uk m Hinblid auf 
Juden F 


— 


Schneider von Arnd? iegdereigniffe 1814 
in Savoyen. ( oſtſet 8* — — —— aus der r. Briebrie Seaer. 
Geſchichte des uſarenregiments Nr. 10 König Friedrich Zweite ‚Auflage. 


Wilhelm von Or en. — EV.) Run Brig den or 
Re Br 23 ginkater Lerzog von —— — oburg 


Baron a Infanterie Nr. 57, erſtes Sze ter 
Fe a un Sn veites ir —F VFrenʒer Ai‘ Heraon 
un Ant fürutaen ee wut 


— erungen 


Ebenſo kann man Pie RER: und Buchhand⸗ . 
Iungen tes In: * ande die fruhern Jahrgaͤnge von 
1Bl1 — 45 erhalten. | 


Gr. 12. o Preis 5474r Rhein, oder Br 


14179 





1 


En vente chez F. A. Brockhaus à Leipk. 


 » DICTIONNAIRE 
ou "Mahupl'- exi que 


DUMPLOMATE ET DU CON! 


le Baron Ferd. de Cussy. 
' 12. Broch. 3 Thlr. 


sM + ol) mi en 


AG wenn, 





any Vrlle 


1 Kichbeiih; Norge: ‚Wi —— en find 
foeben erſchiepen und in allen Buchhandlungen Deutſchlands. 


baltak FRE unz Tg res: 
Wigen — der fpanifchen Literatur 








u. . — 
m. Mitte it Seiner Vorrede von Jos. v. * ‚ Yublicatione de ia meme maison: 


— Börtise. Zpei Wände -Gr...B, Proſch. 7,81, | Reoueil mannel.et pratigne o de traitos cbnventions et =“ 
ec ART. ie en nee ‚| actes diplomatiques sur esquels sont 6tablis les relai® 


‘| les rapports existant aujourd’hui entre les divers &iau* 
t 7 | 

cite we I der —— m denkt faces ein ‘Be | perains du globe, depuis Tannde 1760 jusqua Tips: 

Ausfiht in ein ſeither ganzeunbekanntes Feld und gehört. zu' Fera de Cus T ‘omes remier et second. 5. |N 

“jenen feipenen Etſcheinungen; die nicht alleim dem deutſchen For⸗ er Broch 4 Thl. 16 Ner. 

fiherfleiße ‚; Sondern huch Bern deveſchen Geifte Ehselmarpen. er er. 

Die bebeutendften Teitifihen Organe⸗ haben fich fan auf die 

anerfennendge Weiſe uͤber daſſetbt ausgeſprocheno 


Micolovins, —XRV 7 — Geiedg Leopold Graf 
zu Stolberg, Gr. 8. Pol. | he. 20 Kr., oder | 
223% Ser. " 

Der verewigte Stolberg hat iez.bemıfhen Ungh erſchnten 
Biographen gefunden und fein, Denkmal iſt mit einer ſolchen 
Kenntniß aller, Verhaͤltniſſe, mit ‚jo vi e Einfiht und Milde aus- | Amöriquo depuis ia paix de West jasqu’a 20. 
geführt, daß es ſowol für atbditeme als Nrofeftanten ein Bug) | Par Hesury Wheaton. Sesonde 6dition, revun 
der Belehrung und Erbauung geworden ift. et augmentse par l’auteur. 2 vols. 8. 


-Drud und Verlag von FJ. X. Wrodpens in Leipzig. 


Gatde diplomati we.‘ Par le Baron CR. de warn 
2 vols. 8. 1832. 4 Thir. 15 Ngr. 


Onuseh celöbres da dreit des wong. Par le Baron “ 
:”” Wartene. 2 vöh. 1827. 4 Thlr. NE 


y avelles causes cöldbres A rot das ens. Er * 
.de Martens. 2 vols. 8 


Histoire des progrös de droit des gens en ai 











| 








= 1846. 
Diefer Literariſche 
Unterhaltung” 


In meinen Berlage iR ben, neu siegen und in allen Bud- 
? hanblüngen zu B 


MRostihedbin Sapı’s. 


‚ Rofeng arten. :: 


Na den Zete und 9 arabifchen- Commentar 
Sururl's aus dem Perfſiſchen uͤberfeizt mit: ‚Anmer- 
ngen und ud Siıgäben 


ur“ "Braf... m 
Gt. 12. Geh. 1 Thfe. 6 Nur. 
—* 
Sadts Mofengerten Bidet den 58. Ban der Ausgewãhl- 
ten Bibliothek der Oloker des. Auslandes“, 


deren übrige Bände unter befondern Titeln ebenfaus einzeln 
abgegeben werden. , Erfhienen find bis jet: 





9 ̊ Sean, 1 0. 

mug de Sat A 

BE ea eehen: Yarı ‘ 
ter deb 





joecaee: 

fie; ir. 16 1 
de EN 
XXV. @el 8 
von 1 Alr 





Biraenfoma tun, ii 
Ton Seriäte, Zn 

ErTE EL E Gbreiot 
** 355 ER: Er — *— its 
Zuy. pe ar an, Ki a Ben se 
r air. Ent 


ig, im Geptember 1846. 
eewꝛis 5. A. Brockhaus. 


Bei F. GR ee in Hamburg if 
Sem und: — a uchhandlungen zu beziehen: 
Controverse über die Frage: Was ist Mineral-Species? 
veranlasst durch die im Hesbste 1845 beim Grundbane der 
Bt.-Nioolaikirche in Hamburg entdeckten Krystalle, nebst 
einer Charakteristik des Stravits in Hinsicht seines Vor- 


—“ seiner Krystallisation, seiner 
Me chen Verälaien eis. & Ger Fre 1ER. 
der wahren‘ 


einer Materialsevifim Planzennoh 
Wilh. Hirfäfeld. —8 einem Borworte von 
—* Se iat. lat! Im ‘ dan. Gonfevengzrath und 


MR:XVL Br 


wird Den. bei g, ©. Weo£yans in Beipsie erföeinenden Beitfegriften „„Wtätter 7 litera riſ⸗ 
ET oder beigebeftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Zeile —8* deren Raum 3% Not. 


ib, an ber Univerfität m si! ‚&. 8: ss. „pri 


Seſpraͤche eines hen mit nen Kindern über das 14 
Er, Ha fen uf hr En —— I * 
eftant inweiſung au] 
— — 


vielen Ieprreihen 
warn —X 


— und © 
dere Bart. 

Neu erſcheint in meinem Berlage und 9 in en Buchband · 

lungen zu erhalte 


Reifen in Dünemart 
und.den Herzogthbümern 


Schleswig und Solfkein. 


Bon 
I. ©. Köht. 
Zwei Bände... 
8. Geh. 6 Thir. 


Keipgig, im Geptember iscs 
' 8.0. Brochfans. 


Benfsche geisenbahnschienen- 
Compagnie. 


Gemäss Directorinlbeschlusses sollen im Laufe des Mo- 

ndis September von den’ im Portefeuffle ter teutsuhen Hisen- 

bahnsobienen-Compugnie sufbewahrten Actien (& 20 Til. 
urauıt) 


— zweitausend Stäck mit 12%, Aufgeld 


begeben werden. Der Bezug derselben geschieht gegen 
Anschaffung des vollen Betrags in Baar, oder in eouranten, 
zinstragenden Effecten, letztere zum T'egescours berechnet, 
Wir knüpfen an diese Anzeige die Bemerkung, dass ein 
weiterer Actienverkauf unter. 50%, Aufgeld nioht 
schehen wird, und folglich.die —— — 
sich nicht wieder r erneuernde, vo: 'elegenheit bietet, 
sich noch bei einem Unternehmen zu betheiligen, welches 
unter den günstigsten Conjuncturen und den vortheilhaftesten 














Local- und Productionsverhältnissen entstanden, schon im 
nächsten Frähjahr zum schmu: Betrieb gelangt, und 
den Actionnaira, nebst Fünf Procent festen ; 12 bis 


15%, Dividende zuverläseig erwarten lässt, 
Der Plan des Unternehmens und ein Bituationsriss 
der Werke kann bei uns unentgeldlich abgefodert werden. 





ee ren ——— 
> 
* 2 





wenek bei J. Wr Drockzaus in Leipzig er⸗ 
— ma en —E— Pe “ 


ih der Eat 
8 
a beö — *X —8* Volks, 


mften Idein und. Fabeen, von“ 





\ 


denen I die — Nationalitat vorbereitet werben. 


unter deren Einfluß ſie ſie ſich ausgebildet hat. 
8 "Zrei DR — Bähbe J 
Gr 8. 184446. : Kr. 


Der und‘ e-Band koſten jeder 3 Thlr. 15 Mgr. ; der 
erſte und yipeite an Band A Spir. ’ 





Sr ber. ‚Sgaupsafetgen Buclyandfung | in Altenburg find | 


foeden erfthtenen und 'in allen Buchhandlungen: zu haben: 
—* roig Eieberkranz für gefellige 


F.i:1000’ernit= ũnd ſcherzhafte Kieder und 
—— 3 ſtark vermehlte Auflage, 16. 


10 Nor. 
Alexandrine des Etherolles (Ehrendame bes An- 
‚ nenfhfts in Dünen ıc.), Erinnerungen aus 
meinem Leben. Überſetzt und mit von der Werfafferin 


ſelbſt le —— and Zufägen vermehrt | 


von W ilhelmine Lorem, 8. 2te wohlfeile Aus- 
6 F 2 Bde: (548 &.) Broſch. 1 Thir. 15 Nor. 

arl Hösler, Die Thags oder Shubifcher 
Hanctismus:. Sales Rorkkin. 3 —** 








Bei "Sulins. —5 in Seibel exg ift fochen erſchienen und 


in allen Buchhandlungen zu haben 


Reforniatoren,Mblim. “ 


Ay Worhänpfer 


Eine freie alfgemelne Kir %. 
1. Die. Propheten, und Apoſtel. “ 
| u: Deutfche Böker und: Blfe. 
Broſch. Preis 1 Fi. 19 Kr., ober 20 Ngr. 


De ne 








erſchienen un 


" Yroducte der. rölhen Eide, - 


Gefammelt von Matpide Franziska, verehelicht ge- 
weſene von Zabouilfot,, geh. Gicsler. 
Ri. 8."Gart.- 650 Geiten. ‚Preis [73 I 


je Fee 
ſches. Bw ugendgengffinnen GBoethe's,. von 


dur „ale chhandlungen zu be» 
zichen 





Wehen. Steininann. Fri egemann, eine GErinnerung 
von: Kartogieglet. ' Pr ‚eine Skizze don JSoſef Seiler. 






Wilh. Zube, feine Zu gend und Beprjahre bis w feiner 


feile Ausgabe. -2Bde. (359 ©.) Broſch. 20 Ner. | 


wragp’ fen Duch⸗ * Kumfthandfung in . 


a + Berk Bären. N 







eine rästueg von & Wife von *3 


eminiscenen un) 
He in vom Fırimyud Ar re wo 
Zitel und Sahrzahl. - Dar —* Bogel, Erzitugus 
dem Munde des Volks, von. Eduard Stippel. Die runde Te 
fel, don Joſef Geiler. ine Reife im Mai 1943, von Kr 
thilde Franziska. 
riſches von C. von Se a Su E 
—* 
Karat, @ * ne &% 
uniuß, ‚Wi unfmann, I. Kipg, 
eiemann ; Meyer," — —XRX 


N, — | 
Ban ee — * Diem. ——* 4.2 


sus ——— ae: wi Sinngedithte, va 
Breimund Si eg, Rademach FEB 


e bei Heri — 
— er aa a 


Prabodhuſg chandrodaja 


der Getenntnißmonbaufgeng 
Pytwſophiſches DI 


Meghabu adufa 


Der Boltenbote 
.Lyriſches Mebiht. 1: 
Beides aus dem Sansbrit metriſch überjegt ven 
Dr. Bernhard Hirzel. 
Preis 1 Thlr. 6 Nor, oder 2 BL 


— 








x 


a Resenden. 
n Bearbeitu 
. deriuambaftefien Dihter Deutfqhlaiu | 


3% ah: Eartonnin in I 
erſchien in- meinem Verlage un iſt Pr Buhhelor 
| zu ba 


Io. Ambr. Darth ii Leipriß 
—— — du, 


[Rn Correſpondenz 


Zwei Bände. 8. en. 
"lag 














uns dem koͤnlgl d der 
I 33 De Ba —— 


Dr. 8 Lanz 








&e: 87 1844-48, 18 - 
23 (Ihe Band I.SE) 
im .Geptembar I8ÄB... 


ek Gi Veeccheri 





In Verlage von F’riadieln & Eiizsch in Laipuig 
erschienen und in allen Buchhandlungen. zu erlialten: sn. 


CORPUS LIBRORUM.SYMBOLIGORUM, |: 


qui in ecelesia reformatorum ——— pubii. 
cam oblinuerunt. Comiilens; 9r 
J, Tres confessiones Holveticae, II. Confessin Gallieane, 
IH. Confessio Anglioana.‘ IV. Confessio Sostica.: V. Con- 
fessio Bolgica. 
ſesaio Hnngariea. VI. Confessignes Polonicgs IX: Con- 
fessia Bahemica. X. Confessio Tetrapolitana« (XL Cop 
fessio Marchica. XII. Cologulum Lipsiacum. HAM. Mer 
‚claratio Thofuniensie. XIV: Formula Mtofitensisiäiel- 
vetica. XV. _Catechismus Genevensis, XVI. Catechis-" 
.mus Heidelbergensis. 
Novam collectichend, inklitait‘, —— histarichen et 
litterariam adjunvit, et indicpe reratı verborumgtie an a 
Prof. Da-» Ach. Armppasitäs," f 


Duo yartes in uno volumine comprehenbae. 
Baltio wocunda. 
8. maj. (VIM u. 094 Seiten.) Preig’$ Tuik 15: Nor 


— —— —— — 
Su Berlage von F- W. Drockhaus in Leipzig iſt erſchie⸗ 


nen und in alled Vachhandlungen zu erhalien: 


Geſammelte Fee 
—* "ormam 


Gr. veh —— 20 Kar 


Anhalt: Vorwort non Kl Recon Reum ont 1 eife auf d 
St.⸗Gotthardt. — Moſaik. Heinrich's IV. erfte Liebe. — Sicilien. 
— Der deutſche Bautrnkrieg pen eywſchen — Bermifchtes. 





Bee In PR tr 





en 


n fo 
Deinerih der —2 ein e 


mr Vitlage von ER. yn 


1, Sl von; . Dernen. Gxr. 8 Gch. 


| Srübex erihien. beiupiie. “an —5 Verfagein _ 
er Diamant, ni Spiel aber PhoutaßenARuR 


Gr. 12 
d fand dieſes Iepheen Miezk * 
Menzel: 8 Liter fast, DM. 


itung für die elegante Belt‘ uf. w. 


Durch ale Buchbapdlungan if. — benlehen 28 








zerzeichniß von mehr: als“ 15006 


erten in fremden Shrachen, 
beſondevs engläkher, itatiefifäper, 1 nifger, 
bft vielem fhönen Vrachtwerten u. Auf, Aus- 
"gaben; - 


AD 


(de zu fee Wecherfehsen Yreifen an be⸗ 


Sur 


— —R —ã Y in en 


ist: spnbanı: Sun meinen PBeieaa dü erhbirum und durch:alle 





v1: -Cänones' Döhidraceni: "Äh. Conzil | ur Oi —————— sd need 








eltern te Deu 


X Aiu, bezichen: a naher 


| Luthers ste hen. ‚5 
en E nahen Aare? anuulani 
einer Eebnti bas auus Ablafftsrite.r 


ed aldıpann Reid MH min Im 
Burl.dänsens, 


aa 3 Fer Ply ed 1 


98 eh vie ji Ei Pi Da Say" ae 


+ ———— de 
Re R ——E 


dad, mans ml 


spilne)m ur FORELEIRS) I & (rllost PINNEH- 
Bei wndeibekber 


ee + Pa) in a ut SET 
1 een 













ie nor Bra 

ANEARE 27 
| ar tar 130 nod ha OMR Bieinch 3354 ara 
ET ET TA TTE AXXVLX 
ER — 9 er „PRO nal no 
RE RR a MRS dog 








ad ——— age: —B 
Hi e. —* — ——— —— 


Soeben TE ber reL 
Inu ln er H On 


7 * Mean X Are Mr | 
Mita? tan gehalten am 
pr —— are 


unferer Zeit. 
2 * 
— — Beil art i 
Rip Pi 
ed 20 ri 


30 u Peitter, —Rw * — 


7 
== el Reina! 
mon⸗ ‚nieign 


38 Fr — rag Non 
eg yi Daher, Ku RIM 
3 


Y ek Etwa dach se be 
100. 1“ Sr mi ‚ana A r 
Ey") 


I mm 































2a, &d uiʒs AT THE, sie dr: rt ER 
Da wei e ungen Aucle-dem — 
ee alylas issundik: der-. 






untänibe Moni 








mung mit einer Actiengesellschaft unter der Firma: Writ- 
ter Neuhäuser Steinkohlen-Verein, geschehen: 
Das erfoderliche Capital, 200,000 Thir. ©t., wird 
aufgebracht durch Ausgabe von 2000 Actien, & 200 Thlr. 
Ct. oder 350 Fl, im 24 Fi. -Fuss. 


Das Steinkohlenfeld Juliane, kraft landesherr- 
licher Specisi-Beleihungsurkunde vom 13. Januar 1845 
mein erbliches Besitzthum, liegt im herzoglich Sachsen- 
Meiningischen Bergrevier Neuhaus und wird von den 
Kohlenfeldern Bernhard, Sophie, Minna und Joseph be- 
grenzt, Das bekannte Neuhäuser Steinkohlenflötz 
ist sowol an der Nordgrenze erbohrt worden als auch un- 
fern der südlichen Feldgrenze, und hier mit der sehr 
grossen Mächtigkeit von 86 Fuss in bester Qualität. 
Die Flächengrösse des Complexes ist 160,000 Geviert- 
lachter oder etwa 8 Millionen Quadratfuss und der 
geschätzte ohleninhalt desselben, bei angenomme- 
ner mittlerer Mächtigkeit von 13 Fuss, über hundert 
Millionen Ctr. Planmässig ist die Abbauzelt 
auf 100 Jahre berechnet, und die Jährliche Förde- 
rung soll mindestens 750,000 Ceniner betragen. Es wird 
auf diese Förderung und auf die nledrigsten Verkaufs- 
preise (24 Kreuzer per Ctr. Reinkoble und 12 Kreuzer 

r Ctr. Mischkohle) für die Actionnairs ein Jährlicher 

eberschuss von etwa sieben Procent als Divi- 
dende bleiben, und ausserdem geniessen sie von ihrem 
Capital fünf und ein halb Procent Zinsen. 


Ein Sechstel des gesammten Nettoertrags soll zur 
allmäligen Capital-Amortisation verwendet werden. 
Bewirkt wird dieselbe von dem Zeitpunkte rentabler Koh- 
lenförderung an durch jährliche Actienauslosung. Die 
Inhaber der verlosten Actien, deren Rückzahlung innerhalb 
vier Wochen nach der Verlosung erfolgt, bleiben zum Fort- 
bezug der Dividende noch auf die nächstfolgenden drei 
Jahre berechtigt. Dann ist ihr Antheil am Unternehmen 
erloschen. 


Für das Actiencapital tritt der Unterzeichnete dem 
Verein das halbe Abbaurecht für das ganze Feld, 


beziehungsweise den halben Ertrag der gesammten Koh-: 


lenförderung bis zur‘ vollständigen Amortisation des Capi- 
tals ab, er bestreitet auf seine Kasten das Abteufen eines 
Mauptförder- und Maschinenschachts von 
200 [)Fuss Querdurchschnittsfläche bis auf das Kohlen- 
flötz, den Bau eines ausgemauerten, etwa 70 Lachter lan- 
gen Förderstollens, die Ausführung sämmtlicher Ta- 
gebauten, die Anlage der nüöthigen Strassen und 

ehienenwege, die Anschaffung und Aufstellung 
zweier Bampfmaschinen von zusammen etwa 
bundert Pferdekräften, die Construction und den Einbau 
der Apparate für Förderung und Wasserhaltung 
und die Verzinsung des Actiencapitals selbst für so 
lange, bis eine rentable Kohlenförderung im Felde Ju» 
' Wane eingetreten ist. 


Ausserdem überlässt er dem Vereine vom 1. August 
an auf die nächsten zehn Jahre den halben 
Ertrag der gesammten Kohlenförderung auf seinem bereits 
in rentablem Betrieb stehenden Steinkohlenwerke Verel- 
nigter Nachbar einschliesslich der vorhandenen Koh- 
lenvorräthe und übernimmt den Ausbau des auf dieser 
Grube gegenwärtig im Abteufen begriffenen grossen Ma- 
schinenschachts mit Tegegebäuden, Pump - und Förder- 
vorrichtungen auf seine alleinigen Kosten. 


Von dem Zeitpunkt an, wo die Kohlenförderung im 


Julianenfelde beginnt, unterliegt die Rechnungsführung ge- 
setzlich der amtlichen Controle. Der Rechensc 

bericht der gemeinschaftlichen Grubenverwaltung wird am 
Schlusse jedes Rechnungsjahres gedruckt und den Action- 


neirs auf Verlangen mitgetheilt. Die Grösse der aus den. 


Ertrügnissen zu zahlenden Dividende wird anfangs Juli 


jeden Jahres durch die augsburger Allgemeine Teilung, da 
Weser-Zeitung und den Hamburger Correspondenten be- 
kannt gemacht. 

Es Benioant dieses Unternehmen den grossen Vorrug, 
dass, während im Kohlenfelde Jullane das Schachi- 
absinken geschieht, ein mib guter Ausbeute be- 
reits in Betrieb stehendes Kohlenwerk dem Verein 
zur gemeinschaftlichen Nutzung auf mindestens 
so lange Zeit überlassen wird, als erfoderlich ist, um das 
Julianenfeld selbst zur vollen Rentabilität zu bringen, » 
dass fdlglich aus den Ueberschüssen der täglich wach 
senden Kohlenförderung auf jenem Werke schön bei Verfall 
des ersten 'Zinscoupons Bividenden zur Yertheilusg 
kommen. Diese Dividenden werden sehr bedeutend 
werden, denn nach Niederbringen des Maschinenschachts, 
wozu blos noch 8, Monate Zeit erfoderlich sind, wird &e 
Kohlengewinnung auf 1200 Ctr. täglich steigen, für welche 
der Absatz, der an die deutsche Eisenbahnschienen-Con- 
pagnie zu 24 Kreuzer per Citr. Koakkohle geschieht, zun 
Voraus gesichert ist. Es kann unsern Kohlen an Absats 
überhaupt niemals fehlen. Die projectirten neuen Eise- 
hüttenwerke steigern den Brennstoffbedarf ins Ungehenn, 
und zudem kommen unsere Kohlenwerke im Julianenfeld 
nahe an den Bahnhofplatz der durch Staatsvertrag in de 
Ausführung sichergestellten Sonneberg - Neuhäuser Bi 
senbahn zu liegen, welche als Zweigbahn der Nair- 
Weserbahn, und durch diese mit den stid- und norddeu- 
schen Eisenstrassen zusammenhbängend, nach allen Rid- 
tungen hin einen weit grösseren Markt eröffeet, als ds 
Neuhäuser Kohlenproduction jemals bedarf und beine 
gen kann. 

In Bezug auf Gefälle und Abgaben sind & 
Kohlenwerke im Julianenfelde ‚sehr begünstigt. Sie ear 
richten nur den halben Zehnten und sind durch bode- 
herrliche Privilegien von allen übrigen Abgaben befreik 

Der Angriff der Arbeiten im Bulianenidus 
bereits geschehen. 


Actien und deren Beziehus. 

#) Die Actien, welche auf den Inhaber x 
ten, sind für den Betrag von 200 Thaler Courani ## 
330 Fl. im 24 Fl.-Fuss ausgestellt. Sie datirenw 
I. August dieses Jahres und geben von da ab füsd 
und ein halb Procent Zinsen, ausser den m 
Ertrage der Kohlenförderung abhängigen, veränderlicht 
Dividenden. Für Zins und Dividenden sind den Ada 
40 Coupons beigefügt. Die Beiträge der Coupons sl 
jeden 4. August sowol bei (der Hauptkasse hier, & 
auch bei den auf den Zinsleisten bemerkten Bankbiust 
in Augsburg, Frankfurt a. M. und Berlin zu erheben. 

®) Wer Actien bestellt, hat für dieselben innerhalb ® 
Wochen Zahlung zu leisten. Es kann soche sowol dad 
portofreie Zusendung des baaren Betrags, oder dur 
kurze Remessen auf deutsche Wechselplätze, oder ud 
durch Einsendung von zinstragenden, couranten deuts® 
Staatspapieren und Eisenbahn -Actien geschehen, die = 
‘Tagescurs. berechnet werden. Zahlungen an auswärif 
Bankhäuser sind ebenfalls zulässig, bedürfen jedoch men® 
‚vorherigen Genehmigung. 

3) Alle Actienbestellungen, die vor den * 
September eingehen, werden, soweit die zum Verkt 
gestellte Partie reicht, zu 2 Procent über pari vollzoz: 

pätere Aufträge unterliegen einem höhern Aufgelh, 
übasen Regulirung gegenseitiger Einigung vorbehals 
eibt. 
Hildburghausen, am 30. August 1846. 
j Der Chef der deutschen Eisenbahnschienen- Co 
und Direetor der Neuhluser Steinkohlen - Vereise: 


| IJ. Meyer. 


. Druck und Verlag von F. X. Wrodpans in Leipzig. 














Literarifher Anzeiger. 





1846. M XV. 





Diefer Literarifche Anzeiger wirb den bei F. W. Wrodjans in Beipgig erfcheinenden Beitfchriften „Wlätter für literariſche 











Berzeichnias der Borlesungen, 
an der koͤniglich bairifchen Frie drichAlex anders⸗ 
Univerfität zu Erlangen 
im Winter-Semefter 1846 — 47 gehalten, werben follen. 


Theologiſche Yaenität. 

Dr. Kaifer: Übungen des eregetifchen Seminariums der 
alt: und neuteffamentlichen Abtheilung, biblifhe Cinleitung, 
Benefit. — Dr. Engelhardt: Übungen des firchenhiftorifchen 
Seminars, Kirchengefchichte, Dogmengefichte. — Dr. Hoͤf⸗ 
Ling: Übungen des bomiletifchen und katechetiſchen Semina⸗ 
riums, Homiletit, Liturgit. — Dr. Shomafius: Dogmatik, 
Dicta probantia, comparative Symbolik. — Dr. Hofmann: 
Evangelium des Matthäus, altteftamentliche Weiffagungen auf 
Chriſtus, alttefkamentliche Geſchichte. — Dr. von 
kirchliche Archäologie, Übungen im Paſtoralinſtitute. — Dr. 
Schmid: kirchliche Statiftit, Geſchichte der neuern Theologie 
ven Semler an. 

Unter der Aufficht und Leitung des Löniglihen Ephorus 
werden die angeftellten vier Repetenten wiſſenſchaftliche Repe: 
titorien un Converfatorien in lateinifcher Sprache für die 
Theologie Studirenden in vier Jahrescurſen halten. 


Qurifiifde Faeultaͤt. 

Dr. Bucher: Inftitutionen des römifhen Rechts, äußere 
und innere römifche Rechtsgeſchichte, Erbrecht. — Dr. Schmidt: 
Lein: Encyklopaͤdie und Methodologie der Rechtswifienfchaft, 

emeines und bairifches @riminalrecht, einzelne ausgewählte 
Lehren des Strafprorefied. — Dr. Schelling: bairifches Staats» 
recht, gemeinen und bairifchen ordentlichen Civilproceß, deutfches 
Bundesrecht. — Dr. von Scheurl: Pandekten, gemeines deut: 
ſches und bairifches Kirchenrecht, ausgewählte Stellen der Di: 
geften. — Dr. Gengler: deutſches Privatrecht, gemeine deut⸗ 
ſches und bairifihes Lehenrecht, Vertheidigungskunſt im Strafe 
proceffe, bairifches Hypothekenrecht. — Dr. Drdolff: äußere 
und innere Geſchichte des roͤmiſchen Rechts, Philofophie des 
Rechts, Pandektenprakticum, Lehre von den Verträgen nad 
heutigem roͤmiſchen Rechte. ‘ 


Medieiniſche Faeultat. 


Dr. Fleiſchmann: menſchliche pathologiſche Anatomie, 
menſchliche ſpecielle Anatomie, Seciruͤbungen. — Dr. Rod: 
Anleitung zum Studium der kryptogamiſchen Gewaͤchſe Deutſch⸗ 
ands und der Schweiz, ſpecielle Pathologie und Therapie der 
hroniſchen Krankheiten. — Dr. Leupoldt: allgemeine Patho⸗ 
ogie und Therapie, Geſchichte der Mebicin in Verbindung mit 
er Gefchichte der Gefundheit und der Krankheiten. — Dr. 
do ßhirt: geburtshülfliche Klinik, Krankheiten des weiblichen 
Befchlechts. — Dr. Heyfelder: Chirurgie, chirurgifche Kli⸗ 
it, Gurfus über Anlegung hirurgifcher Verbände. — Dr. 
:anftatt wird feine Dorlefungen nad feiner Rückkehr von 
tatien befonder6 anzeigen. — Dr. Zrott: Xrzneimittellehre, 
ediciniſche Police. — Dr. Will: allgemeine und mebdicinifche 
oologie, Encyklopaͤdie und Methodologie der Medicin, Natur: 
schichte des Menihen, Eraminatorium über vergleichende Ana» 
mie und Phyfiologie, mißrostopifhe Übungen. — Dr. Fleiſch⸗ 
ann: Dfteologie und Syndesmologie, Anatomie und Phyſio⸗ 


Nuterdaltung‘“ und „Rs“ beigelegt oder beigeheftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Beile oder deren Raum 2%, Nor. 


Ammon: | 





logie des Gehirns und Rüdenmarks. — Dr. Wintrich: pe 
cielle Bathotogie und Therapie, phyſikaliſche Diagnoftif, Ca- 
suisticum medicum. 


Philo ſophiſche Faeultaät. 
ner: enc Eopäbifge Überficht der gefammten Na⸗ 
turwiſſenſchaft, Geſchichte der Phyfit und Chemie, allgemeine 
Exrperimentalchemie, Verein für Phyfik und Chemie. — Dr. 
Böttiger: Statiſtik, allgemeine Gefchichte, Geſchichte und 
Statiftif des Königreichs Baiern. — Dr. Döderlein: Ubun- 
gen des philologiſchen Seminars, Gymnaftalpäbagogit, Hora⸗ 
zens Briefe und Ars poetica, griechifche Literaturgefchichte. — 
Dr. von Raumer: allgemeine Raturgefhichte, Kryſtallkunde. 
— Dr. von Staudt: analytiſche Geometrie, Analyfit. — 
Dr. Fiſcher: Logik und Metaphyſik, xbiloſoppiſch⸗ Ethik, En⸗ 
cyklopaͤdie des akademiſchen Studiums, r. Drechsler: 
hebraͤiſche Sprache, Jeſaja Cap. 1—35, Sanskrit. — Dr. 
Naägelsbach: Methodik des Iateinifhen Sprachunterrichts, 
bungen der Seminariften, Demofthened’ Rede de corona, Ge⸗ 
fhichte der Hellenifchen Theologie. — Dr. Weinlig: Yinanz- 


Dr. Ka 


Schaden: 9 
Geſchichte der griechifchen Böilofopbie von Thales bis Proklus. 
— Dr. von Raumer: neuere 


Die Tanzkunſt lehrt Hübſch, die Reitlunft Flinzner, 
die Fechtkunſt Quehl. 

Die Univerſitaͤtsbibliothek iſt jdden Tag (mit Ausnahme 
des Sonnabends) von 1—2 Uhr, das Lefezimmer in denſel⸗ 
ben Stunden und Montags und Mittwochs von 1— 3 Uhr, 


- das Raturalien: und Kunftcabinet Mittwochs und Sonnabend 


von I—2 Uhr geöffnet. 





Reu erſchien foeben in meinem Berlage und ift durch alle 
Buchhandlungen zu beziehen: 


Skizzen | 
aus dem häuslichen Seben. 


Aus dem Schwedifchen. - 


Zwei Theile. 
Gr. 12. Sch. 1 Thlr. 15 Nor. 


Eeipzig, im September 1846. 
3. A. Brockhaus. 





Bei den Unterzeicäneten find foeben folgende 


Schulbücher 
und überhaupt für den Unterricht wichtige Werke 
erfchienent und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 
eubach, Dr. M. M., Über die Bedeutung bes 
eligionsunterrichtes an höhern Bildungsanftalten. 
Schulrede. 8. 5 Ngr., oder 18 Kr. 
ee, Dr., Die genetifche Methode bes ſchulmaͤßigen 
nterrichteß in fremden Sprachen und Litera- 
turen, nebſt Darftelung und Beurtheilung ber 
analytifchen und ber fonthetifchen Methoden. Dritte 
Bearbeitung. 
Yudy unter dem Titel: Moderne Humanitätsftubien 
3tes Heft. 2 Thlr., oder 3 Fl. 36 Kr. 
„  Brüper erſchien: r 8 
Uber Velen, Einrichtung und paädagogiſche Be⸗ 
deutung des Kaufnägi en — der 
neuern Sprachen und Literaturen, und bie 
Mittel, ihm aufzuhelfen. Oder: Moderne Humani- 
tätsflubien 2te8 Heft. 18% Ngr., oder 1 51. I Kr. 
Dübarle, H., Volftändige Darftelung der fran⸗ 
söfifhen Konjugation mit Elementarübungen 
- theoretifh und praktiſch bearbeite. Mit einem 
Vorwort von Prof. Conr. v. Drelli. 8. 27 Ngr., 
Biss. 3.8. ſoriſch 
elberg, 8 FJ. M., Raturhiſtoriſcher 
— zum Gebrauch beim Unterricht in 
höhern Lehranſtalten, namentlich in Seminarien, 
Gymnaſien, Bürger⸗, Real⸗, Bezirks⸗ und Secun⸗ 
darſchulen nach methodiſchen Grundſätzen. Grfte 
Abtheilung: Mineralogie in 24 Tafeln mit 96 
Kryſtallformen auf ſchwarzem Grunde 1 Thir. 
20 Ngr., oder 3 Fl. Zweite Abtheilung: Zoo⸗ 
logie. Erſtes Heft. Säugethiere, complek, 
ſchwarz 1 Thlr. 20 Ngr., oder 3 Fl.; prachtvoll 
colorirt 3 Thlr., oder 5 Fl. 24 Kr. 
Breonauer, J. H., Borlegeblätter für Ma- 
fhinenzeihnen. Gine Sammlung fiufenweife 
geordneter , Mafchinentheile und deren wichtigften 
Zufammenfegungen, wit einem Anhange von voll- 
fländigen Mafchinen. Nebſt den nötbigen Erklaͤ⸗ 
zungen auf ben Vorlegeblättern felbft, in deut⸗ 
ſcher und franzöfifher Sprache. Folio. Eiſte 
Lieferung. 1 Thlr. 15 Ngr., oder 2 91. 42 Kr. 
EI Diefe Blätter find zunädft für Gewerbsſchulen 
beftimmt und deshalb die Figuren nicht nur in ziemlich 
großem Maßßabe gezeichnet, fondern auch die Maße zu 
allen Dimenfionen gegeben. Die in der Sammlung ent- 
haltenen Mafchinentheile find aus Werken von anerkannt 
tüchtigen Mafchinenhauern entnommen. Der Herausgeber 
iſt ur fein größeres Wert: „Bet aungen un aus: 
geführten, in v Aenen weigen ber Induftrie 
angewandten Maibinen, Werkzeugen und Appa⸗ 
taten 20." bereits vortheilhaft genug bekannt. 






Meyer, ©, gr, Biblifhe Bilder und Ge- 
dichte für Schule und Haus. Nach ben vorzüg- 


lichten Werken herausgegeben. Großfolio. Kitho- 
graphirt in Thondrud. 2te und Ite Lieferung. 
a 2 Thlr., ober 3 Fl. 36 Kr. 


; BR, The english Reader Vol L 
Choice collection of miscellaneous pieces selecied 
from the best english Poets designed for fe 
use of schools and private teaching. 8. 1 Thr. 
3 Ngr., oder I Fi. 57 Kr. 
Diefe poetifhe Sammlung, voie die mit befonderm Ba 
fall aufgenommene profaifche des nämlichen Herrn Heat: 
eber6 wird hiermit wegen der in jeder Hinficht äußerft ſotz 
füttigen Auswahl vorzüglih auch für den Unterriht der 
weiblichen Jugend beftens empfohlen. 

Mager, Eucyklopädie oder die Philosopbie der Wr- 
senschaften, als Propädeutik fur abgehende Sci- 
ler der Gelehrten- und Bürger- (Beal-) Schuler, 
Gymnasien und angehende Studirende auf Hod- 


| 








und Fachschulen. Erste Lieferung. Bogen i—3. | 


ı Thir. 21 Ngr., oder 3 Fi. 


Das complete Werk Fommt auf Höchftens 7 Fl. zu ehr. | 


Menzel, %., Methodiſcher Handatlas zum grün: 
lichen Unterrichte in der Naturgefchichte für Sci: 
lex höherer Lehranftalten, fowie zur Selbſibelch 
rung. Ste und 6te Lieferung. 8. Die Lieferumg 
von 12 Tafeln mit Tert & 5 Ngr., oder 18 K. 
Die außerordentliche Billigkeit dieſes bereits als vortreflit 


anerkannten Lehrmittels macht daffelbe für Anſchaffung nCs 


len als Supplement zu allen naturhiftorifchen Lehrbuͤchern Id! 
geeignet. 


Daz Machre von Vroun Helchen Bänen ıu 
der Havennenuschlacht ausgehoben von lad- 
wig Etlmüller. Mit Wörterbuch. Brosch. 21 Nr, 
oder I FI. 30 Kr. 

Vernaleken, Thood., Das deutsche Volks 
Nach Wcsen, Inhalt und Geschichte, mit a 
erläuternden Auswahl aus den Nibelunges = 
der Gudrun, 8. 21 Ngr., oder 1 Fi. [ik 


Meyer & Beller in Zürit 





Von F. A. Brockhaus in Leipzig ist durch alle It 
handlungen zu : 


NEURRE MEDICHN IN FRANKREICH 


Nach Theorie und Praxis. 


Mit vergleichenden Blicken auf Deutschland. 
Von 
Dr. Eimil. Kratsmanın. 


Erste Abtheilung. 
Geh. 1 Thlr. 10 Ngr. 


Dieses aus einem eifrigen Studium der französischen Nö 
cin an Ort und Stelle und aus einer sargfältigen Vere 
chung und Benutzung der einschlagenden Schriften ber! 
gegangene Werk wird aus zwei Abtheiluagen bestehen, '* 

enen die erste den allgemeinen Theil, nämlich die fe" 
laufende Geschichte des Eutwickelun der neu? 
französischen Medicin enthält, Die zweite Abtheilung. # 
besondere Theil, wird sich über die apeciellen Leistung“ 

der neuern französischen Medicin verbreiten. 


Gr. 8, 


Bei Beh. NAcubo. DVarthz in Beipgig if erſchienen: 

Unger, Dr. E. 8., Handbuch der Staats-Lotterie- 
Kobvihen. Zweiter Theil, welcher yon den kur- 
fürstlich hessischen und grossherzoglich badenschen 
Anleihen, behufs des Baues der Eisenbahnen auf 
Staatskosten, sowie von dem Privatanleihen Sr. Ma- 
jestät des Königs von Sardinien ausführliche Nach- 
weisungen gibt. Mit einem Anhange, enthaltend die 
in den zehn stattgehabten Ziehungen herausgekom- 
menen Serien der polnischen 500-Guldenloose, die 

egenwärtig verzinsliche Staatspapiere sind. 8. 
; Thle. 15 Ngr. 
Der erfte Band diefed fo beifällig aufgenommenen Wer: 
kes unter dem Titel: 

Handbuch der Staats-Lotterie-Anleihen, enthaltend 
eine ausführliche Nachweisung über die gegenwärtig 
"bestehenden Anleihen dieser Art, eine genaue An- 
gabe des Standes derselben und des wahren Wer- 
thes der Loose vor und nach einer jeden Ziehung. 
Mit einer Einleitung, welche das Wesen dieser An- 
leihen in staatswissenschaftlicher und mercantilischer 
Hinsicht erläutert und Anleitung zur Ausführung 
aller auf dieselben Bezug habenden Rechnungen gibt. 
8. 1 Thir. 15 Ngr. 

wird hierdurch aufs neue empfohlen. 





In Karl Bersid’s Verlag in Wien ift erfchienen: 


Sahrbüder 
Der Kiterafur. 


Hundertvierzehnter Band. 


1846. 
April. Mei. Juni. 


Aubalt des huudertvierzehnten Baudes. 


Art. L Fünf Werbe zur ſpaniſchen Romanzenpoeſie von 
E. Roſſeeuw⸗St.Hilaire, B. U. Huber, 

und F. J. Wolf. — Urt. I. Drei Reiſewerke über den Drient 
von ES. Sacharia, U. Griſebach und J. Ph. Fallmerayer. 
— Art. III. Deutſche Seſchihu im Beitalter der Reformation 
von Leopold Ranke. Vierter und fünfter Band. Berlin 
1843. — Urt. IV. Histoire de T’Artillerie, Ire partie; par 
M. Reinaud et M. Favre. Paris 1345. Mit einem Atlas in 
Duart. — Art. V. 1) Messager des sciences historiques de 
Beigique. Becueil publi€ par MM, J. de Saint-Genois ete. 
Gand 1839 —44. (Sechs Jahrgänge.) 2) Histoire de Bel- 
ges à la fin du dix-huititme siöcle, par Ad. Borgnet. Deux 
Tames. Bruxelles 1844: (Schluß.) — Art. VI. Allgemeine Sul: 
turgef&hichte der Menfchheit von Guſtav Klemm. Dritter und 
vierter Band: Die Urzuflände der Berg- und Wüftenvölter ber 
activen Menföpeit. seipäiß. — %rt. VI. Reife in den Orient vom 
Konftantin Zifhendorf. Zweiter Band. Leipzig 1846. 


Subalt des uzeige · Blattes Me, CXIV. 


I. Über das Entſtehen vieler Jettons und Medaillen auf 
Gewerken, Bergwerks⸗, Kammer: und Buchhandlungsbeamte 
in den oͤſtreichiſchen Landen im 16. und im Anfange des 17. 
Jahrhunderts, nebft Angabe und hifterifcher Erläuferung von 
70 derlei Städen. Bon Joſeph Bergmann. — HI. Rad: 


Depping, 


trag gu Untonia Abondio im Ungeigeblatte bes CXI. Ban- 
bed dieſer Jahrbucher. — IH. Rechenſchaft über meine hand» 
ſchriftlichen Studien auf meiner wiflenfchaftlichen Reife von 1840 
—44. Bon Prof. Dr. Lifhendorf zu Leipzig. (Bortfegung.) 





Dur alle Buchhandlungen ift gu erhalten: 


Der nette Pitaval. 


Eine Sammlung ber intereffanteften Criminal: 
gefhichten aller Länder aus älterer und neuerer 
Zeit. 
Heraudgegeben von 
Dr. 3. €. Hitzig und Dr. W. Häring (W. Aleris). 
Erfter Bis neunter Theil. 
Gr. 12. Geh. 17 Thlr. 24 Near. 
Der erfte hell koſtet 1 Ahle. 24 Ner., der zweite dis neunte Theil 
ieder 2 hl. 





I. Karl Ludwig Sand. — Die Ermordung des Fualdes. — Das 
Haus der Frau Web. — Die Ermordung des Pater Thomas 
in Damaskus. — James Hind, der royaliftifhe Straßenräuber. 
— Die Mörder als Reiſegeſellſchaft. — Donna Maria Bi: 
centa de Mendieta. — Die Frau des Yarlamentsrath Tiquet. — 
Der falſche Martin Guerre. — Die vergifteten Mohrruͤben. 
II. Fonk und Hamacher. — Die Marquiſe von Brinvillier. — 
Die Geheimsöthin Urfinus. — Anna Margaretha Bivanziger. — 
Geſche Margaretha Gottfried. — Der Sirthſchaftoſchreiter Tar⸗ 
nom. — Die Moͤrderinnen einer Here. € Die beiden Ruͤrn⸗ 
bergerinnen. — Die Marquife de Gange. 


: TIL. Steuenfee. — Lefurques. — Der Schwarzmüller. — Der Mar⸗ 


quis von Unglade. — Jacques Lebrun. — Der Mord des Lord 


William Ruffel. — Rickel xift und feine Gefellen. — Berthelemy 


Roberts und feine Flibuftier. 
IV. Cinqmars. — Admiral Byng. — Der Pfarrer Niembauer. — 
Der Magijter Zinius. — Gugen Uram. — Der Mädchen: 
fhlächter. — Die Kindesmörderin und die Scharfrichterin. — 
Sean Ealas. — Jonathan Bradford. — Der Biegelbrenner als 
Mörder. — Der Herr von Pivardiere. — Klara Wendel, oder 
der Schultheiß Keller'ſche Mord in Luzern. 
V. Barren Haſtings. — Der Sohn ber Sräfin von St.Geran. 
— Ludwig Chriſtian von Dinhaufen. — Mary Hendron und 
Margaret Denbergras. — Zur Geſchichte der englifhen High: 
waymen: I) Spiggott und Philipps. 2) Hawkins und Gimp: 
fon. 3) Ralph Willen und William Barfwith. — Erner. — Der 
Doctor Gaftaing. 
VI. Der Zod des Peingen von Gonde. — Rudolf Kübnapfel. — 
Jonathan Wild. — Urban Grandier. — Rofenfeld. — Die bei: 
den Chriftusfamilien zu Iollenbed. — Matheo von Caſale. 
(Mit einer lithographirten Tafel.) — Burke und die Burfiten. 
— 2a Roncitre und Marie Morell. — Maria Katharina Wächt: 
ler, geb. Wunſch. 
VIL Das papiſtiſche Eomplot. — William Lord Ruffell. — Der 
blaue Reiter. — Der verrätherifhe Ring. — Das Gelöbniß der 
drei Diebe. — Die Zragdbie von Salem. — Jochim Hinrich 
amde. 
VUN, Caglioſtro. — Die Halsbandgeſchichte. — Der Sohn des 
Herrn von Gaille. — Sohn Sheppard. — Louis Mandrin. — 
Antoine Mingrat. Ä 
IX. Miguel Serveto. — Eine erfte Eonventifferin. — Die Quaͤ⸗ 
Fer in Bofton. — ligabide. — Die beiden Markmann. — Der 
Dieb als Vatermörder. — Der Sohn ded Bettler. — Con: 
trafatto. — Wilfter, genannt Baron von Eſſen. 


Reipzig, im September 1846. 
F. A. Brockhaus. 


\ 


Sn der Elwert'ſchen nniverſitat⸗ ovandius⸗ zu 
Marburg iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 
VBangerow, Dr. N. A. von (Hofrath zu Heidel⸗ 
berg), Leitfaden für Pandektenvorleſungen. Dritten 
Bandes erfiekieferung, oder der Obligatio— 
nen erfte Abtheilung. Zweite Tuflage. 
Sr. 8. Broſch. i Thlr. 15 Sar. = 2 Fl. 42 Ar. 
Band: Allgemeine Lehren. &. g. Familienrecht. 
Dinglige Rechte. Rechte. Dritte Auflage. 3 Ihlr. 18 Ser. 
—=6#L,15 Kr. Zweiter Band: Das Erbrecht. Dritte Auf: 
lage. 2 Thlr. 22%, &gr. = 4 $l. 27 Sr. 
Die legte Lieferung des ganzen Werkes wird binnen 
kurzem erfcheinen. ° 
Urtheil des Dbergerichts au Marburg in 
ber Unterfuchungsfache gegen den Profeffor Dr. Syl⸗ 
vefter Zordan, wegen verfuchten Hochverraths. 
Nebft den Entfcheidungsgründen. Neuer Abdrud. 
Gr. 8. Brofh. 11 Bogen. 15 Ser. = 54 ft. 
Büchel, Dr. E. (Brofeffor zu Marburg), Civilrecht⸗ 
liche Grörterungen. Zweite verbefferte und 
vermehrte Auflage. Erſter Wand. Gr. 8. 
Brofh. 30%, Bogen. 2 Thlr. = 3 Fl. 36 Kr. 
„Inhalt: T. Über die Wirkung der Klagenverjährung. — 
II. Über die Natur des Pfandrechts. — III. Über jura in re 
und deren ae. 


Erkenutnißßz des Dberappellationsgerichts 
zu Haffel in ber Unterfuchungsfache gegen ben Pro⸗ 
feffor Dr. Sylveſter Jordan, megen verfuchten 
Hochverraths. Mit Anmerkungen und Actenauszügen 
begleitet von H. F. Eggena, Obergerichtetath zu 
Marburg. Brofh. 20 Ser. = 1 Fl. 12 Ar. 


ee) 
Bei Julius Grosos in Seibelberg ift erfchienen und in 
allen Bu andlungen zu haben: 


alerie 


berühmter Männer 


bes 
neunzehnten Jahrhunderts. 


| Bon 
Guſtav von Struve., 
Imeites Heft. 

Gr. 8. Geh. Preis 42 Kr. Rhein., oder 12" Nor. 
CSEACCEXXVXCVXCVXCEXECXCVECCECEEXCEEECEE 
En vente chez F. A, Brockhaus à Leipzig: 
Histoire des progres 
du droit des gens 


en Europe et en Amerique 
depüis la paix de Westphalie jusqu'ù nos jours. 
Avec une introduction sur les progres du droit des’ 
gens en Europe avant la paix de Westphalie. 


Par 
Menry Wheaton. 


Seconde Edition, 
revue, corrigée et augmentee par l’auteur. 


Deux volumes. 
Gr. 8. Broch, 4 Thir. 





. 


4 
| nächste Betriebsjahr eine Förderung von 500,000 ® 


In unferm Verlage ift erſchienen und durch alle Buchhandlung 
zu beziehen: 


Die Frauen der Bibel, 


In Bildern mit erlauterndem Terte 


Exfte Abtpeilung: 
Frauen bed Alten. Aeſtaments. 15% Lieferungen 
1.—5. Lieferung. Schmal gr. 4. &ubferipfionspei 
‚einer Lieferung 8 Nor. 
Bei Bearbeitung des Textes war es die Aufgabe des Ko 


gebers, in moͤglichſt urfprünglicher, an die Bibel fid ande 
Bender Darftellung die Charakterbilder biblifher Fraun y 


Kine Richts Hineinzufragen und Nichts himeguunten 


e Bilder, w d 
moderner Ku den Kifen 


Brauengeftalten einer alten, ehrwuͤrdigen Seit begeiſtern 


"Die eefienenen Lieferungen enthalten: Eſther, Rebelte, 


ter Jephlha's Delile und Eve. 


Heue Shahfpeare-Galerie. 
Die Frauen und Mädchen in Shakfpen! 
öramatifden Werten. 


Schmal gr. 4. 45 Stahlſtiche mit Tert, meh: 
45 Lieferungen erfcheinen. 
Subferiptionspreis einer Lieferung: 8 Apr. 


1.— 3. Lieferung: Miranda, Ophelia und Beutrit 


Jede Lieferung enthält ein Bild mit dem dazu gehörenden det 
‚welcher in wenigen Bügen den Lefer an die Hauptmeat 
Stuͤcks erinnernd, zugleich die dargeftellten Charakta nz" 
bervortreten läßt. Die Einleitung, welche nad Bei# 
ded Ganzen erfcheinen wird, foll dem Lefer eine Überrit wcs 

verfchiedenen Schöpfungen des Dichters gemähtn. 

Eeipzig, im September 1848. 
Brockhaus & Wvenarin, 


Erster Neuhäuser Steinkohlen-Vertt 
Zins- und Wividenden-Erhebung. 


Diejenigen Herren Actionnairs, welche da’ 
1. Juli d. J. verfallenen dritten Ooupon noc nic" 
hoben haben, werden zur Präsentation desselben k* 
aufgefodert, Er wird mit 


14 Thir, Ot. od. 24 Fl. 30 Kr. im 24-Fi-FW 


nft gehören, liefern base einen lebendigen Cie 
mentar und werden jeden Befchauer für die lieblichen, fange 





sowol an "Uhäöfer Kasse hier, als von den Basti, 
B. M& öl. Sohn & Cons. in Fraukfurt 
Anhalt’ Wäkener in Berlin, und Job. Le® 
Schäzler in Augsburg bezahlt. IN 

Den Herréh Adfonnairs diene bei diesem Anlass zur: 
richt, dass did Röhlenförderung für Vereinsrechnung £%* 
wärtig über 6000 Ctr. wöchentlich beträgt, fü 
Rein- und Mischkohle beabsichtigt wird und aus ® 
Zins eine Dividende von 10—12 T’hlr. für jede 5° 
von 200 Thlr. zu erwarten steht. 


Hildburghausen, August 1846. , 
Ä Die Direoti® 





Drud und Verlag von F. X. Drockhaus in Leipzig. 





Literarifher Anzeiger. 


1846. M XVII. 


e 





Orienialiſche Siteratur. 
Im Berlage von WB. 96. Brockhaus in Leipzig ift erfchienen 


und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Die Marchenſammlung des Gomadeva Bhatta 
aus Kaſchmir. Aus dem Sanskrit Ins Deutſche 
überfegt von im. Brockhaus. Zwei Theile. Gr. 12. 
1843. Geh. 1 The. 18 Nor. 

Sitopabefa. Cine alte indifhe Fabelſammlung. Aus 
bem Sanskrit zum erflen Male ins Deutfche überfegt 
von M. Müller. ®r. 12. 1844. Geh. 20 Nor. 

Indiſche Gedichte, In deutfihen Nachbilbungen von 
A, h efer. Zwei Lefen. Gr. 12. 1844. Geh. 
2 Thlr.. 

Mosliheddin Sadi's Nofengarten. Nach bem 
Zerte und bem arabifhen Kommentar Sururi’s aus 
dem Perſiſchen überfegt mit Anmerkungen und Zu⸗ 
gaben von K. 9. Graf. Gr. 12. 1846. Geh. 
1 Thlr. 6 Nor. 


Kathä Sarit Sägara. Die Märhenfammlung des rt 
Somadesa Bhattaä aus Kaſchmir. Erſtes bis 
fünftes Bud. Sanskrit und deutſch herausgegeben 
von Hm. Brockhaus. ©r.8. 1839. Geh. 8 Thlr. 

Prabodha Chandrodaya Krishna Misri Comoedia. 
Edidit scholüsque instruxit Hm. Brockhaus. Gr. 8. 
1845. Geh. 2 Thir. 15 Ngr. 





In K. Gerold'’s Verlagsbuchhandlung in Wien ist soeben 
erschienen und in allen Buchhandlungen Deutschlands zu 
i haben: 


Compendium 
der populairen 


Mechanik und „Maschinenlehre. 


0 
Adam Burg, 
‚R. Regierungsratk, ordentlickem öffentlichen Professer d. Mechanik 
md Maschinenlehre am k. k. polytechnischen Institute in Wien, 
litter mehrer hoher Orden und Mitglied mehrer in- und ausländischer 
gelebrier Gesellschaften, Akademien und Vereine. 


Zwei Abtheilungen 
ıit einem Atlas von 20 Kupfertafeln in Folio. 
Wien 1846. Gr. 8. Io Umschlag brosch. 5 Thlr. 


Der Verfasser dieses zeitgemässen Werkes ist &urch seine 
ielen gediegenen Arbeiten im Gebiete der reinen und an- 
wandten Mathematik und Maschinenlehre bereits so rühm- 
ch bekannt, und die Klarheit, mit welcher derselbe alle, 
äbst die schwierigsten Gegenstände a0 zu behandeln weiss, 


dass das Studium derselben angenehm und leicht wird, eine 
so anerkannte Eigenschaft aller Schriften dieses fruchtbaren 
und gründlichen Autors, dass es zur Anempfehlung nicht 
mehr bedarf als eine Hinweisung auf den reichen Inhalt 
dieses neuen Werkes, in welchem auf nur 38 Bogen fast 
alle aus dem Gebiete der technischen Mechanik und Ma- 
schinenlehre in der Praxis vorkommenden Sätze und Ma- 
schinen klar, bündig und ohne Anwendung eines höhern Cal- 
culs, daher auch dem minder vorgebildeten Gewerbtreibenden 
leicht fasslich abgehandelt worden. 

Was aber den Werth dieses nicht sowol umfang- als 
inhaltreichen Werkes besonders erhöht und es auch dem 
praktischen Maschinenbauer vorzüglich empfehlenswertl 
macht, sind die vielen aus der Wirklichkeit entlehnten 
Beispiele, an welchen der Verfasser mit grosser Umsicht 
jeden Mal an den betreffenden Stellen die praktische Brauch- 

arkeit der deducirten Regeln erklärt und bewährt, sowie 
die beigegebenen Kupfertafeln, welche Originalzeichnungen 
enthalten, die seibst in dem kleinen Masstabe durch die 
sorgfältige und genaue Ausführung die Erklärungen wesent- 
lich ünterstüätzen und ergänzen. 


.‚Interssante Neuigkeiti 


Ende dieses Monats wird fertig und ‚kommt zu Anfang 
October zur Versendung: 


Jahrbuch für Poesie und Prosa. 


Mit Beiträgen von E. Mörike, J. Kerner, E. Geibel, 
G. Kinckel, Hoffmann von Fallersieben, Karl Beck, 
R. E. Prutz, L. Storch, Titus Ulrich, H. Rollet, 
O. L.B. Wolff, J. P. Eckermann, Krug von Nid- 
da (+), Fr. L. Jahn u.s.w. u.s. w. 
‚herausgegeben von Heinrich Pröhle. 
1847. Über 30 Bogen. 8. Geh. 1% Thlr. 


Dieses gediegenen Jahrbuchs ward schon vor dem Er- 
scheinen in mehren Zeitschriften rühmlichst Erwähnung ge- 
than, und wir wiederholen nur was ein Correspondent aus 
Berlin im Danziger Dampfboote, Nr. 101, am Schlusse sei- 
nes Berichts sagt: 

„Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass das Publioum 
diesem neuen Vertreter der freien, prodactiven Literatar 
eine warme, lebendige Theilnahme zuwenden werde.“ 

Morsohburg, im September 1846. 
Louis Garcke. 








Bon F. R. Brockhaus in Leipz iſt durch alle Duchhand 


lungen zu begieben: 


Der 
Kartbänfer. 


Eduard "Babel. 
Gr. 13. Geh. 16 Nor. 


GSoeben if bei den Unterzeifgneten erfählenen und durch alle 
iſt bei Ange ve Entf: 


English, Reader. 
Choice "collection Ä 
—— ‚pieces scene from the ‘best english 


Dasts desigund far far the —ñ— schoels and private 
Compiler 
R. HEGHER,_ 
Zascher «i .auglieh Tanguage in 
® Groſch. 1 8. 57 rg 


Auch diefer Shell des fo günftig aufgenommenen Werkes 
wird den er ichen B FR er w eier der englifchen Proſa 
er 


Theil geworden, um ſo eher em ei, als — — bien F 
nfiht auf * Inhalt in jeder Beziehung die Torg 

ob getroffen wurde, ſodaß bas —* ——— (er un 

Unterricht der weiblichen Jugend beftend empfohlen wer. 


don bare — Meyer & Zeller in Zurich. 


Neue Jenaische 
Allgemeine Literatur- - Leitung. 


hrgang 1846. Gr. 4, 


Wöchentlich erseheinen sechs Nummern. Insertionnge- 
bühren für den Raum einer gespaltenen Zeile 1% Ngr.3 
Beilsgen werden mit X Thie. 15 Ngr. bereihnet. 


Soptombor. ' 
! "Über die Petfoctibilität des Ra. 
nach seiner 





lische Literatur bezöglichen Schriften, von Ronge, F. 
Schatelka, F. T. Krause u. A. — Reucklin: 1) Die deutsche 
Reformation. der Kirche, von K. ©. Bretschneider. 2) Ge- 
schichte den evangelischen Protestentismoe in Deutschland für 
denkende und prüfende Christen, von Ch. @. Neudecker. — 

: Wissenschaft der em irischen Psychologie in gs- 
astischer Metwiskelung, von P. Volkmusk. :U 
sus, oder tägliche, für. 
Zimmelseescheinungen . 
dehubert aud U. v. Roshtirek,. und berausg. van 
v. Bogusiawskl. — Grüsse: Übersich icht, der die Sage und 
des | Schriften aus gen Hesaten ‚acht: 
d — J. 2 @.F. r5 

er Dt, uam M. di — . 
Manuel de Chronologie universelle, par.M. Sedillot. — Gutsar 
Kiemma: Nürnbergs Gedenkbuch, von J. 6. Wolf — Prol- 
ler: 1) Handbuch der classischen Mythologie nach geneti- 
üchen Grundsätzen, von 6. E. Burkhardt. 2) Lehrbuch der 
isbte und logie der. ‚vorsöglikhsten Völ- 

ker des Alterthums, von M. Eckarmann. 3) Die Mythologie 
der asiatischen Völker u. .. w., von K. Schwenck. ) Die 
Religion der Griechen und Römer, von M. W. en — 
Tuierßiäder : Die Wrankheit zu Athen nach T dides. 
Mit etläuternden Ansierkungen von’ H. Brandeis. — Karl 
Friedrich : Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böh- 
men und Mähren, von ER F. ‚Rösler. — Karl Wilhelm 
Hrnst : Bupplemantum editionis Basilicorum 
c. E Zuchariae o Lingethel. — Ehrust 





















Rieeiin, Made Ceptember 





Antignarische Kataloge 


unſers Buͤcherlagers verfandten wir vor ‚einiger Beit wit billigen 


il. KLatalog. 20,008 Bir. 
mit Hülfeniienib. ta 3 U 
30,090 


Mebicinifiher Katalos. 10,000 Bi. 

Mathematik und Aſtronomie ꝛc. 3000 Dx. 

Bauwiſſenſchaftl. Katalog. 500 Bor ww 
basaud 


und find diefe ſowol als auch Beſtellungen ba 






ar — mit Beifügung unferer Birma zu bejiche 
Eippert ꝙ Gchmidt’s antiq. Bech 
ee Ro nn — 


Erſchienen iſt und in allen Buchhandlungen zu habe: 


aunes und ſeine Zeit. dam 
ches le von. — a: 
r Er 15 Gar. * 
omas Mänger und feine Gen Hikı 
ram von 2. — 3 aa 


— aa — maree ie 











&. 8 


er Aubr. Bach in Bent 


Buch- wilieh 
ung in Berlin evschienen: 


Schleswig - Holstein meer 

schlungen und Deutschlands Aut 

Volkslieder für & "Männerstimmen, detio für e 
Singstimme. und Piano à 5 Ser. 


Beoben dd in der 





, unter der Re 


8 eut ff he Do Iksfeule 


Ihr Beſtreben wird dahin gerichtet fein, ben Biye 
Banbmaun für bie hochwichtigen Jutereſſen ber EM 
immer mehr mehr Heranzichen. In populaiız BA 
wird fie derfuchen, die großen Fragen der hänkligen " 
öffentlichen Erziehung vor dem Forum des gröfern Po 
cums, und alfo nicht ausfchließlid des — 
verhandeln. - &ie wird eine volls-päbagogifde Ta® 





verfolgen. Proſpecte dazu find gratis dur; ode DR 
handlungen — beziehen. 


ng Weinhol⸗ 











In Usterseichnetem ist aracblanen und an alle Hachlpndiungen versandt worden: , 


Leitfaden der Mnemotechnik 


für Schulen 
m von Marl Otto, 


Werfkbser des von Iim antır dem Namca CO, O. Iowentlows herausgegebenen — und Wörterbuchs der Mnemetschnik. 


Ungefähr 3000 mnemotechnisch bearbeitete Daten aus der Geschichte und Geographie enthaltend. 
8. Velinpapier. Brosch. Preis 24 Ngr., oder I Fl. 20 Kr. 


Der Vesfasser, auf die Grundlage fussend, welshe er in seinem Lehr- und Wörterbuche der Mnemotechnik gegeben, 
bietet uns hier eine Reihe von beinahe 3000 Anwendungen seiner Methode auf die Geschichte und Geographie. Durch 
diese Anwendungen wird man sich überzeugen, dass der praktische Nutzen der Mnemotechnik nicht ar ein Problem 

‚ sondern dass dieselbe nachgerade als einen integrirenden Theil der Pädagogik sich gestaltet. Das heisst es in 
der Vorrede, welches sich meine Maemotechnik — ist nicht das, Gedäc Fteisskänstier zu bilden oder der Vielwisserei 
Vorschub zu leisten, sondern die Last des Gedächtaisekrams, diese Legionen von Zahlen und Namen, von Zeichen und 

Tarminin, wemit die Fundamentaldisoiplinen übersäet sind, zu bewältigen, und sie auch Solchen zugänglich ‚zu machen, 
denen es "anwidert und mit Recht anwidert, eine so geisttödtendc, gedankenlose und noch dazu oft vergebliche Arbeit zu 
übernehmen, wie die ist, sich auf die hergebrachte Weise trockene Daten einzuprägen, die uns ebenso langweilig wie 

nothwendig erscheinen. In der That ist es an der Zeit, dass man auf Hülfsmittel bedacht ist, den ungeheuern, täglich 
- wachsenden Stoff mit geringerm Zeitaufwand zu beherrschen, will man auch nur einigermassen den Anfoderungen genügen, 
&e man jetzt nicht allein an den Gelehrten und Studirten, sondern an jeden Gebildeten zu stellen gewohnt ist; — muss 
man darauf belacht sein, eine Eisenbahn des Gedächtnisses zu bauen, auf welcher alles Das, was nur Siache des Ge- 
‚dächtnisses ist, schneller und sicherer an seinen Bestimmungsort befördert wird. — Den Anfang einer solchen Bahn bilder 
für das Gebiet der Geschichte und Geegraphie das vorliegende Werk. 


Stuttgert und ’Fühlngen, im September 1846. 


In 


3.6. Cotta’scher Verlag. 





Bei Brass in | &uropa es B Di des ſpa⸗ 
ARZaus⸗ ——— ee und ” nifhen roman, ae Pe Bon —— —— 
riſchen Cultur des ben anifhen Dramas durch Juan del Encina 
Re tsb ündn ud Ole — —X inet 
g ü8 Bei: Das —— —* zur Zeit des Lope de Vega. — 
3 enth. Drittes Bud. 2te Ubtheil.: 


B € sfer % “ T- 9 #4 4 af $%. ai m” Beit des Calderon. Viertes Bud: Bin Per 


ſchen Theaters im achtzehnten Jahrhimdert. Einbrechen und 
Verrſchaft des Franzöfiichen Geſchmacks. Reueſte Veſtrebungen. 


Dr. Mur D. 0. Röder, | Angang. 
Prefeflor des Rente gu Geidelberg. ) Merlin, im September 1846. . 
8. Geh. Preis 724 Ngr., oder 24 Kr, Rhein. Punder & Humblot. 
CCCECCECCECCCECCCCXCCCCIXECCCCC... ¶ 





Soeben im im Ber aa e der —5 einen un dafelbg, .| In meinem Belag: N han heiten, und durch alle Bud 


ſGicht | It: Schrift 
der —8 "iteratur und Seſammelte Schriften 
Kunft in Spanien. u Fudenig eilt, 









koſten 5% Thlr. Ale 3 —— 1843-44 in vier Lieferungen zu 3 Ihlr. und enthält: 1 
Sn diefem Werke wird die 


&. 12. Sch. 4 Th. 
3ter (Iepter) Band. Er. 8. ern. 08 4 ” 
Banb I u. 2, welde im varigen Koh — — BT Die erfte Folge, Band 1— 132 diefer Sefammtaußgabe, e 
Dritte Auflage — Saoen und romantifche Erzählimgen. — 
7 Dramatilchen Literaturen Eur Wr — 
ntwidelungs —8 von der älteften bis auf die neu 


Kunſtnovellen. — Ropellen. — Auswahl aus der Reiſebilder⸗ 
‚galerie. — Vermiſchtes. a rmifchte Iftriten. — Dramatiſche 





—— — en * Ds we Mein eine * Die eren vier Bände der Neuen Folge enthalten: ter umb 
— —— * er de Br 7 er ——* ee Auflage. ine 
a6 et iR Flgmnbermaßen eingerfei | 4. 3. Brauhaus. 


Br. 1 enth. Einleitung: ee des Dramas 





j | und Mängeln eit. — Bon d 

Für Scheer der neuern Sprachen! * — dm. = Bon Bel 57 55* 

2 r — ne — 
en u Ba m ba | BE Sn 

en, ſo wieder en Um 

Ztalieniſche Sprachlehre nach Wer | einer allgemeinen geifigen —— E —2 Sehe 

aui’s Metbo e. Von J. . €, | der gelhigtlihen ung. — Dein Bolt ift mein Bel, m 
. . 99! dein Gott ift mein Gott. — Bom Amt ber Schüler. - Ba 
mandt. 8. Welinpapier. Geh. Nor. | der Hiege DeB. Eirchlichen Benußtfeins in den — 
ktiſche B barkeit zeichnet dieſe für den Unterricht fowie | ,—, Bon dem Borwurfe, welchen man Den Symnafien gemalt 
Pe ER INES | DE SET EEE 
Deutiihe und Franzöfifche Geſpräche, mit | DE >e Turgade der Spumanen ıf. — 
Rente und and Snteoinear. u fung, gu rg bien zum chtiſtlichen Glauben und zu dh 

ebrauche beider Nationen. Bon B. Lütgen, Pro- 

feffor ‚der deuefchen Sprache in Paris. 8. elinpapier, | Sollmaun, Dr. E. (Gymnafialiehrer zu Mar) 








Geh. 12 Rar. Franzoͤſiſche Grammatik für Gymnaſien und GStul 
kan u de. Nach Friedrich Dietz bearbeitet. Erſte A: 
Die bekannte Hamilton'ſche Methode iſt hier mit dem beſten 8* un ı 
g. Bormenlehre. Gr. 8. Broſch. 10% Be 
Erfolge auf Geſpraͤche angewandt | gen. 15 Car. 52 A 
- Früher iſt erſchienen: Die zweite (legte) Abtheilung iſt unter der Preſe 








Snleitung sur @rleenung ber en Zur Literatdr Johann Fischart’s. Reveille Mztia. 
Sprache nah ber Hamilton'ſchen ethobe. Oder Wacht frü auf. Anmanung zu Christliche 
et zer * uwei *8 ur tert . Kinderzacht. Ermanung an die Bund Baepstk. 
fer —— 16. — er. n vier Ab⸗ Zuerst wieder veröffentlicht durch A. F. C. Vilmer 
Diefe vöo prattifße Anleitung, wird nanentiiß, Hlen Wit 4. Brosch. 4 Bogen. 10 Sgr. = 36 Eı. 
mmen fein, welche jungen en Unterricht im Kran en | Kasseler Katechismus von 1539. Herausgegeha 
u geben haben, bei denen fich Beine ganz -ftreng wiſſenſchaftliche 
j BRethate befolgen Fa si ’ er. _Hassenkamp, ‚ 8. Brosch. 37 Bags 
Le Magasin des enfants par Mad. Leprince * " 
de Beasumont. Revu et augments par Mad. Eu- | Der beidelberger Katechismus mit Bi 
gente Foa. Nour. edition. In-8. Papier velin. 25 Ngr. fprühen. Zum beffern Verftändnig für die Katıda 
Diefe neue Ausgabe einer anerkannt werthvollen Jugendſchrift menen zergliedert und herausgegeben von Metropolis 


wird allen Lehrern der fransöfifhen Sprache, namentlich für .S. . Ki If: 
den Unterricht junger Mädchen willlommen fein. ’ * u Be 6 —* e 5 en 
Eeipzig, im Drctober 1846. nl " " " 


Brodhaus & Avenarins. ν 
5 Sgr. = 18 Ir. 





Sn der Slwertſchen Uniserfitätebugpandiung zu 

Harburg ift erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: jr 

Silmar Dr. æ FJ. g ( Gymnaſialdirector zu Neu erschien im Verlage von F. A. Brockbaus in 
-Morburg), Vorlefungen über die Gefchichte der beut- und ist durch alle Buchhandlungen zu erhalten: 


Nationalliteratur. Zweite verb t b N 
eich te Auflage. Erfle Ri eferan et an Handbuch der Pathologie und Therap 


der 
Brofh. (Bogen 1—20.) 1 The = 1 Fl. 48 Kr. eisteskr 
Ungeachtet die zweite Auflage dieſes werthuollen Wer: G ankheiten 
kes bedeutend vermehrt und fchön ausgeftattet dem reſp. Publi⸗ 


cum dargeboten wird, fo haben wir dennoch den niedern Laben- | Für praktische Ärste und Studirende bearbeitet von ncn 
preis der erften Ausgabe beibehalten, und, um noch anderweiti 











sten und herausgegeben 

ai Ankauf ee zu lan kaflen SH de ee in — en on & 

erungen erjcheinen, welche zufammen r. gr., 
4 Il. 30 Kr. koſten und zur Ziqgelie eſte d. J. voll» Dr. A. Schnitzer. 
ſtaͤndig in den Händen der Käufer fein werden. Wir glauben |. 
die Überzeugung ausſprechen zu dürfen. daß dieſes in ſei⸗ | Zwei Chile. 
ner gegenwärtigen Geſtalt dazu beitragen werde, die Liebe und Gr. 8.. 4 Thr 
Achtung für die fo gemüthvolle deutſche Literatur allgemein zu | . 
verbreiten und in&befondere beutfche deren in der Anſchauung — 
ber trefflihen vaterländifchen Meifterwerke mit hohem und eblem Im Jahre 1843 erschien ebendaseibst: 
Gelbftgefühl zu erfüllen. 


Schulreden über Fragen der Zeit. Gr. 8. Handbuch der Kinderkrankheiten.. Nach Bit: 


I Ä f 

Brofh. 19% Bogen. 20 2.1 12 &. lun en bewährter Ärzte herausgegeben von Dr. ! 

Yuhalt: Über dem —— — — Bon der Thaten⸗ itzer und Dr. B. Wolf. Zwei Bünde. 6° 
tofigkeit unferer Zeit. — Bon einigen vermeintlichen Vorzügen Geb. 6 Thlr. 


Deud und Berlag von F. XÆ. Drockhans in Beipzig. 


Litgrarifher Anzeiger. 
1846. M XIX. 


Diefer Literarifche Unzeiger wird ben bei $. ®@. Brockhaus in Reipgig_erfcheinenden Beitichriften „MWiätter für literariſche 
Unterhaltung‘ und „Hs beigelegt ober beigeheftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Zeile oder deren Raum 2, Nor. 





Taschenbuch anf das Iahr 1847. 


Neue Folge. Reunter Iahrgang. 
Mit dem Bilbniffe Berthold Auerbach's. 


8 Eleg. cart. 


2 Thlr. 15 Nor. 


Inhalt: 1. Sibylle. Novelle von A. von Sternberg. — 2. Interlaken. Novelle von Therefe, 


— 3. Imagine. Novelle von K. 


Gutzkow. — 4. Die Zochter der Riccarees. Lebendbild aus 


Louiſiana von F. Gerſtaͤcker. — 5. Die Frau Profeſſorin. Erzählung von B. Auerbach. 


Bon frühern Jahrgängen des Urania find nur noch einzelne Eremplare von 1831, 1836 — 38 vorräthig, bie im 
herabgeſetzten Preiſe zu. 12 Nor. der Jahrgang abgelaffen werden. Der erfte bis achte Jahrgang ber 
Neuen Folge koſten 1 Thlr. 15 Nor. bis 2 Thlr. 


Eeipzig, im October 1846. 


3. A. Brochhaus. 





Bei G. Gerold & Sohn, Buchhändler in Wien, ist soeben 
erschienen und in allen B chhandlungen Deutschlands zu 
aben: 


Grundzüge 


Anatomie und Physiologie 


der Pflanzen. 
Von 
F. Ung er, Med. Dr., 


‘ Professor zu Grätz. 

. Wien 15416. 

Gr. 8. In Umschlag brosch. I Thh. 15 Ngr. 
(1 Thir. 12 gGr‘) 


Der Verfasser liefert hier eine erweiterte Bearbeitung 
zweier Abschnitte der von ihm und Herrn Dr. Steph. End- 
licher herausgegebenen «Grundzüge der Botanik». Die Re- 
sultate des F'ortschrittes, den die Botanik in letzterer Zeit 
gerade in diesen Theilen erfahren, werden hier verwebt 
mit zahlreichen neuen, bisher noch nirgends publicirten Un- 
tersuchungen in gedrängter Kürze dargestellt. Ein solcher 
Überblick über einen der wichtigsten Theile der Pflanzen- 
kunde kaun einestheils Anfängern, um sich zu orientiren, 


anderntheils Kennern, indem der Verfasser grösstentheils 
aus eigener Erfahrung spricht, nicht anders als sehr er- 
wünscht und willkommen sein. Die zahlreichen Holzschnitte, 
welche zur Erläuterung des "Textes dienen, sind so gut 
ausgeführt, dass sie die Beigabe von Kupfertafeln über- 
flüssig machen. 





Im Berloge von J Heben Kern in Breslau if focben 


erichienen: 
Des Pfarrers Schu, 
oder die alleinſeligmachende Kirche. 
Herausgegeben nad) — Papieren von einem 


Laien der roͤmiſch⸗katholiſchen Kirche. 
Geh. 


8 Bogen. Gr. 8. 
Bei ES. Wienbrack in Leipzig if erfchienen: 
@life, ober das Weib wie es sein sollte. Sie- 
bente durchaus umgearbeitete und verbefferte Auflage. 
Preis 1 Thlr. 

Ein vortreffliches Werk für Jungfrauen und Frauen! Die 
erften ſechs Auflagen wurden fchnell Hintereinander abgefegt 
und empfehlen wir auch die vorliegende fiebente der fernern 
Gunſt des Yublicums. 


15 Sgr. 











v8 Werte 
zur uk Ga der endliihen Sprache, im Berlage von 
ug ame Hamburg erfhienen und von 
a Brockhaus in Beipaig durch alle Buch⸗ 


Ph — a af 


——— it faßlich ve nn ben Degen. 
Es verſehen Siebente Banana 
‚ Englifche und deutiche Geſpraͤche; ein Erleich⸗ 
” terungsmittel für Anfänger. Rad J. Perrin bearbeitet. 
Rebſt einer Gammtung befonderer Redensarten. Behnte 


4 8. 
uflage. üb ng aus dem Deutfchen ins Eng⸗ 








life. 8. 1832. 
— — , Onglikhe Fſchach. Eine Auswahl aus den 
beften neuern engliſchen Schriftſtellern. 6. 1832. 25 Nor. 


Rloyd, B. E., und G. G. Roͤhben, Neues engliſch⸗ 
deaſches und dertſchengliſ deortat 8weite 
Auflage. 3 Theile. Sr. 8. 1836. 3 Ihlr. 20 Ror. 


Wichtige Roc Nachricht. 


In 10 Tagen erſcheint im m Verlage vo von F. E. ©. Reudart 
n Bredlau: 


Wrototolle 


Ber dritten Dersammlung deutscher Rabbiner 

abgehalten zu Breslau vom 13.— 24. Juli 1846. 

Preis be, Boransbefteller 25 Sgr. — I Fl. 30 Kr. 
ein. Späterer Ladenpreis 1, XThlr. 





Ale —*— des In: und Auslandes nehmen geneigte 


ufträge entgegen. 


EEE 
Bei lius Gro996 in eibelberg en und i 
a “allen —28* zu nie Be 


vergleichende "Seelenlehre. 


Zur Aufklärung über biefe Wiſſenſchaft und als Ein⸗ 
leitung "pr Dertefungen über biefelbe. 


Dr. G. * cheve. 
Gr. 8. Geh. Preis 36 Kr. Rhein., oder 10 Nor. 
—— 


Dſterreichiſche militairifche Zeitſchrift. 


——— 

Bei Braumälier & Seibel, Buchhändler in Wien, wird in 

allen Buchhandlungen bed In» und Aitslandes mit 12 FI. C.M. 
ränumeration auf den Jahrgang 1826 ber 


©esterreichirchen militsirifchen Beitfchrift 


angenommen. 
abrgang 1826 iſt focben das Kebente Heft 
ienen. Diefeh enthält folgende Auffäge: 6 
I. Der a 1800 in Stalien. Erſter Abfchnitt. — II. Wallen- 
ſtein's Ersiehungsanftalten zu Bibi, ı und, befonders Die dor: 
tige Mitterababemie. — I, R e. Beldmorjgal- 
Lieutenants Anton Hartmann —* von arten — Die 
Bertpeibigung von Ramur im Herbie 1792. — V. Kriegs: 
kenn, 1 Aus der Geſchichte des k. k. Huſarenregiments Bart 
u R: 7. 1) In dem Zreffen bei Landshut am 21. Apr 
1 2) In der Schlacht bei Aspern am 21. und 22. Mai 
1809. 3) In ber Schlacht bei Wagram am 5. und 6. Juli 


Bon u 


—8 IE Aus 0: Ber 


3 Während dem Rückzuge nad von vom . li 


te des Kin iments Graf 

ei Eckmühl om 3. 

Aprit 1809. IT. Aus der ar eb Regiments Für Karl 
et enberg Unten Wr. 2 ) Gefechte in ber Pal im 
Literatur. — VIL Reueſte Militairverin 


Derun 

Ebenſo kann man durch alle ——— und Zugbanl 

Isugen bes In: und N nelan es Kae frübern Jahrgänge von 
erhalten. 







Wallwoden Rr. 6. 5) In 





In der unterzeichneten Buchhandlung erfchien forben: 
Lukian’s 
Prometheus, Gharon, Timon, Traun, 
Hahn. 


Mit sprachliehen und sachlichen Anmerkungen 
und griechischem Wortregister, 
herausgegeben von 
Dr. Friedrich August Menke, 
ordentlichem Lehrer der Gelehrtenschule in Bremen, Mitgliede de 
archäologischen Gesellschaft zu Athen. 
Gr. 8. Geb. 1'% Thlr. 

Bir glauben diefed Wert mit vollem Rechte den Herz 
Lehrern zur geneigten Beachtung empfehlen zu dürfen, intm 
wir die erficberung hinzufügen fönnen, daß ber rühmlichft be 
kannte Herr Heraudgeber einen vortrefflichen Gommeti n 
dieſem Claſſiker geliefert hat. 

Bremen. 


€. Schunemann's Verlagshändlnn 





In allen Buchhandlungen iſt zu haben: 

Garde, KB, Napoleons Befchäftsträgern, ds 

bie Genie von Danzig. einiger 

man in Form eines Quoblibets von Skizzen nk 

Jahren 1795 — 1813. Me Muflage. In ſeb bi 

ferungen. I Thlr. 15 Sgr. 

Erfte Lieferung 7, gr. 
(Die folgmden werden von 2 zu 3 Wochen ausgegche) 


Joh. Ambr. Barth in Leipzig 


Illuftrirte 
Zeitung für die Iugend 

Herausgegeben von Jukinus Kell. 
Erſter Jahrgang. 52 Nummern. Schmal gr. 1. 3 a. 


Geptembes, Nr. 36 — 39. 0 
Mit 22 .Abbilpungen.) 


Inhalt: Ferienreiſe von Genf über die Alpen nad er 
(Fortſe ung.) ) — Der Paſcha von Damascud. — Der u 

Verbr Der Tochter Gebet. — Das Palais royil ® 
Paris. — Heldenmutb eines Knaben. — Der jugendliche Lauſte 





— Bi ae: — a a — Die * * abrita 
— icht, Staar und Fuchs. — am 
bus. — Saufgaben. — Kerariie enge 


Reinsig, pr Detober 1846. 
BZrockhhaus Ic Avcnarins. 


— 


= 


. . >39 Unkrillguden ft nioen yab duale Pucfondfungen su uien: | | 
 Sphigenie auf Tauris, 
| Ein Schayfpie 
Goethe. - 


Elegante Zafchenguögabe in englifchem Ginband mit Goldſchnitt und einem Stahlſtich. 
Preis 27 Ngr. ober 1 Fl. 30 Kr. 








Gedichte 


| von 
" Gustav Schwab. | 
Dritte Auflage. | 
Elegante Taſchenausgabe in engliſchem Einband mit Boldfchnitt und einem Stahlſtich. 
Preis 2 Thlr. 20 Mar., oder 4 Fl. 30 Kr. 
melde fi fowol in Format als typegraphifcher Ausftattung den bereits erfhienenen Theilen unferer mit fo allgemeinem Beifall 


aufgenommenen Miniatur: Bibi 
Stuttgart und Tuͤdiugen, im Drtober 1846. 


aufs genaueſte anfchließen. 


3. ©. Cotta'scher Verlag. 





Leipziger Kepertorium 
der deutschen und ausländischen Literatur. 
Herausgegeben von L. &. Gergdorf. 


1846. Gr. 8 TR Thlr. 


Wöchentlich erscheint eine Nummer von 2 —3 Bogen. 

EInsertionsgebühren in dem dieser Zeitschrift bei- 

benen „Bißliographischen Anzeiger“ für den Raum einer 

be e 2 Ngr.; Beilagen werden mit 1 Thir. 15 Ngr. 
berechnet. 


September. Heft, 36 — W. 








«kalt: Theologie 
‚am. 2. Th. — Abrard, Das Dogma vom heiligen Abend- 
ahl und seine Geschichte. 1. Bd. — Günzburg, Dogma- 
sch-historische Beleuchtung des alten Judenthums. — Rö- 
ra, Der souveraine christliche Staat. — de Salint-Cheron, 
istoire du Pontificat de Saint L&on-Le-Grand. Tom. I 
11. — Tugendkold, Skazöwki prawdy. — JS onz, 
ıtbenticum; ed. Heimbach. — Basilicorum supplementa; ed. 
schariae a Lingenthal. — Biener, Abbandluogen aus dem 
»biete der Rechtsgeschichte. — Gerber, Das wissenschaft- 
ae Princip des gemeinen deutschen Privatrechts. — Ross- 
£, Geschichte des Rechts im Mittelalter. I. Th. — Tası, 
Iksrecht. Juristenrecht. — Medicin. Forcke, Üher das 


:dicinalwesen zunächst im Königreich Hanover. — Hei- 


‚hain, Die Medicinalreforın im Sinne der Wissenschaft. — 
wisch von Rotterau, Beiträge zur Geburtskunde. I. Abth. 
Meissner, Die Frauenzimmerkrankheiten. 1. Bds. 2. Abth. 
1 2. Bda. 1. u. 2. Abth. — Schmidt, Die Reform der Me- 
inalverfassung Preusseus. — Anatomie und Physio- 
de. Carus, Über Grund und Bedeutung der verschie- 
en F'ormen der Hand. — KHölliker, Die Selbständigkeit 
I Abhängigkeit des sympathischen Nervensystems, — 


. Bruch, Betrachtungen über Christen- ' 


. 


Vogt, Physiologische Briefe. 1. u. 2. Abth. — Miathe- 
matische Wissenschaften. Adams, Die merkwürdigäten 
Eigenschaften des geradlinigen Dreiecks. — Schmeisser, Be- 
trachtung einiger Lehren der reinen Analysis. I. u.2. Abth. 


— Nat senschäft. Puuillet’s Lehrbuch der Physik 
und Meteorologie. 2. umgearb. Aufl. von Müller. — Olas- 
sische Alterthumskunde. Isocrates; ed. Baiter. — Plu- 


tarchi vitae; ed. Doehner. Vol. I. — Thucydidis Singra- 
phe; herausg. v. Kräger. 1. Bds. I. Heft. — Ulrich, Bei- 
träge zur Erklärung des Thucydides. — ats‘ 

schaften. Bülau, Zeitfragen aus dem Gebiete der Politik. 
1. Sammlung. — de Marteus et de Cussy, Reoueil de traitös. 
Tom. I et 2. — Länder- und Völkerkunde. BorpFtüdt, 
Allgemeine geographische Verhältnisse in graphischer Dar- 
ste ung: — Schaubach, Die ‚deutschen Alpen. 3. u. 4. Th. 
— ». Techudi, Peru. 2. Bd. — Binder, 

Würtembergische Münz- und Medailleukunde. 
Leipzig, im October 1846. _ 


F. 4. Brockhaus. 


Sibylie 


von 
Ha Gräfin Hahn -Hahn. 
Zwei Theile. Geh. 4, Thlr. 

Die frübern Werke der Graͤfin: U — Cecil. — 
Elelia Eonti. — Erinnerungen an Frankreich. — Fauſtine. — 
Ilda Schoͤnholm. — Die Kinder auf dem Abendberg. — Drien⸗ 
talifche Briefe. — Der Rechte. — Reiſebriefe. — Ein Reife: 
verfuh im Norden — Sigismund Forftee — Ulrich — Zwei 
Frauen — find durch alle Buchhandlungen des In: und Aus⸗ 
landes fortwährend gu beziehen. 

Berlin, im September 1846, 


EAlexauder Duucker, konigl. Hofbuchhändler. 





Erſchienen iſt: 





8 iſt vollſtaͤndi i dd u 
sn unſerm —— * Elm und durch alle 


Gefchichte der Gefangenfchaft‘ 
Hapoleon’s auf Sanct- Helena. 


Bon dem 
Beneral Montholon. 
Mit der Lodtenmaste des Auiſers nad Antomardji. 
Zwei Bände. 8. Velinp. Geh. 2 Thlr. 2% Nor. 


Mit dem 2. Bande, deſſen Herausgabe wir nach der von 
dem Berfaſſer veranftalteten londoner Auẽgabe beforgten, welde 
beimeitem mehr enthalt als in Frankreich bis jegt veröffentlicht 
wurde, ift das Werk als vollftändig zu betrachten. 

Der 1. Band enthält die mit verfchiedenen Dictaten des 
Kaiſers durchwebte Geſchichte feiner Gefangenſchaft bis zu deſſen 
Jode; daran ſchließen ſich nebſt einigen Mittheilungen geringern 

Umfangs die wichtigen und ſehr ausführlichen Dictate „Uber 
Die Armee“ und „König Rubwig und Holland”, 
in welchem legtern die großen und auffallenden Lüdden, die fi 
in den Yeuilletons der „Presse“ und in einer andern dana 
gearbeifeten beutfchen Überfegung finden, nach der engliſchen 

ußgabe ergänzt find. 

Der 2. Band umfaßt nur Dictate, nämlich: Lage Italiens 
im Frühling des Jahres 1796. — Unterhandlungen mit ber Re: 
publit Genua. — Zolentino. — Leoben. — Venedig. — Rapoleon 
im Jahre 1797. — Der Friede von Campo Formio. — Rapo⸗ 
leon in Paris nach, dem ttalienifchen Feldzuge. — Der Herzo 
von Enghien. — Über Staatögefängniffe. — über die Politi 
Englands und ſtreichs. — Politit Spaniens gegen Frankreich 
während der Regierung Zerdinand’s. — Angelegenheiten Roms 
und das Eoncordat von Fontainebleau. — Corſica. — Erinne⸗ 
zungen aus Agypten. — Über die Bourbonen. — Beilage: 
Policeiverordnung, betreffend den Hafen von St.-Helena. 

Reipsig, im October 1846. 


Brohhaus & Avenarins. 








Soeben find erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu haben: 
Dr. Sof, Neuere Gefchichte der Iiraeliten vom 
Fi Pride 45. Bd. 1 Mi Thlr. st 
Germaniens Bölkerfiimmen, Sammlung aller 


deutihen Mundarten. Herausgegeben von Fiͤrme⸗ 
nich, Lief. VOL 15 Ger. ” 
itud, Ralka Nukh. Romant. Dichtung aus dem 
‚ang va de.la Motte Fouqud, Thlr. 
Röpertolre du theätre franguis à Berlin. Nr. 321 — 
0,326: La- Polka en province, La rue de la lupe, 
Gabrielle ou les aides-de-camp, Arthur, Les trois 
peches du diable, La veille da mariage, Noemie. 
a 5 Sgr. 


in 






Nr. 40— 46: Le lorgnon, Le 
mari à laipagne, Le diplomate, Yelva, La ber- 
line de l’emigre, à 2’, Sgr. ' 
Dr. Zunz, Predigten, gehalten in ber neuen Syna⸗ 
goge zu Berlin. Neue unveränderte Ausgabe. / Thlr. 
Michel Brömond, drame par Vienxet und Le 

dooteur noir, drame. 
Berlin, 
Schlesinger’fhe Buch⸗ und Mufifhandlung. 


Dei Meyer & Zeller i i 
Re durch ’a ER Feb eilian u 


Ehriftliche Meditationen 
einem Gefnräch über die Derlöhnug 
mil Bott. 


Bon 
BSeiurich Thiele, V.D.M, 
Prediger bei der koͤnigl. preuß. Geſandiſchaft in Rem 
12. Broſch. 21 Ngr., oder 1 Fl. 12 Kr. Chin pi. 
26 Ngr., oder 1 Fl. 30 Kt. 


Bon demfelben beliebten Berfafler find ferner bei uns eriäima: 

Kurze Gefchichte der chriftlichen Kirche für ale Etick 
1 Thlr. 11% Ngr., oder 2 Fl. 24 Ar. 

Sechszehn Predigten, gehalten zu Rom. 26% Rp 

oder 3 FL. 30 Kr. 
Allgemeines chriftliches Gebetbuch. 16. 18’ Ar 
oder I Fl. 

Die Knechtsgeſtalt ber evangelifchen Kirche, oder Kt 
und Hülfe 27 Ngr., oder 1 Fl. 30 Kr. 

Die Kirche ChHrifti in ihrer Geftaltung auf Erden. € 

Verſuch zur Hebung verfchiedener Ierthümer. I Dt 

3Y Ngr., oder 2 Fl. 


ee U ‚N N UÜüö ee 
In der 3. C. Krioger’schen Buchhandlung in Kal# 
- erschienen und durch alle Buchhandlungen zu babes: 


Das Keyserrech! 
nach der Handschrift von I, _ 
in Vergleichung mit andern ‘Handschriften m # 
erläuternden Anmerkungen herausgegda 
von 


Dr. HM. E Endemanıı 


ord. Professor der Rechte zu Marburg. 
(Mit einer Handschriften- Tafel.) Gr. 8. Brei 
(20 Bogen.) Preis 2 Thlr. 


Bei F. A. Wrodhaus i i i TH 
‘® — galten : “ | 


Zulleborn (FB. R.) 
wei Abhandlungen: 
1) Der Einheitstrieb ald die organiſche Ie® 
der Kräfte der Natur. 

2) Das Pofitive der von dem Kirchenglauben # 
fonderten chriftlichen Religion, durch die Einhit 

lehre anſchaulicher gemacht. 
Nebſt einer die @inpeitölehre als Sinenſchaft 


Gr. 8. Geh. 1 Thlr. 


Das Syſtem des Verfaſſers, das auf Feines der bisßerign # 
Iofophifhen Syfteme fi) gründet, ift aus dieſer San pr 
einer jedem Gebildeten verftändlichen Sprache gefchrieben . 
— zu entnehmen. Chriſtliche Religionsphtlofophie 1% 
egeln der Ratur ftehen na piefen Opfteme in voll 
ng- 








ud und Berlag von F. WE. DVrockhans in Beipzig. 


Literarifher Anzeiger, 


1846. M XX. a 


—r —— — — — — — —— — — —— ——— 
Dieſer Literariſche Anzeiger wird den bei F. ©. Brockhaus in Meipgig erfcheiienden Beitfchriften .‚Mlätter für Literarifibe 
Unterhaltung“ und „Bis“ beigelegt ober beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren ee Bee oder beren Raum 2%, * 


In meinem Verlage erſcheint und I duch alle Buchhandlungen 
m: 


zu beziehen: 
N h e a — 
eiiſchriſi für die gefammte Drnithologie. 


Im Verein mit ornithologifchen Freunden herausgegeben 
von 


Dr. $. A. $. Thienemann. 


Erftes Heft. 
Mi einer illuminirten Tafel. 
” Gr. 8. 1 Thlr. 10 Ner. 


Anhalt: - 





Borwort. — Bur Weihe. — Protokoll der ornithologifchen Section - 


der Geſellſchaft deutſcher Naturforfcher und rzte — über die 
Wichtigkeit der Dologie für gefammte Ornithologie. Vom 
Seranögeber. — Über den Feschug mit beſonderer Hinficht 
auf Helgoland. Bom Prof. Dr. I. $. Naumann. — Be 
merfungen über einige Wögel Pommernd. Bon Hrn. v. Ho⸗ 
meper. — Beitrag zur EN des Raroh, Falco la- 
narıus, Pal. Bon Joh. Wilh. Ed. v. Woborzil. (Mit 
einer iluminirten Zafel.) — Kritifche Nevifion der europäifchen 
Jagdfalken. Bom Herausgeber. — Meine Schwalbe. Bom 
Deransgeber. — Verzeichniß der europäifhen Bögel. Vom 
Serausgeber. 
Eeipzig, im Dctober 1846. 
F. A. Brockhaus. 





Im Verlage von oh. Reonh. Schrag in Nürnberg ift 
erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu haben: 
Dr. med. Aug. Kreitmair, 
. ausübender Arzt in Nürnberg, 
Die Kunft das Auge vor Krankhei 
und Schwäche zu beivahren, 
agleich eine Anweifung zur Pflege des kranken und 
bw achen Auges, mit befonderer Rüdficht auf Erziehung 
und Lebensweife, ‚ 
:Aft einer Einleitung über den Werth und die Beſchaſfenhei 
| des Sehorgans, - | 
_ geſchrieben | 
se Wltern, Echrer uud zum Gelbftunter: 
zichte für Vedermaunn. 
139 Seiten, in Umfchfag. 1846. Preis 15 Ngr., 
oder 45 Kr. — 
Sprit Diefer populair-mediciniſchen Schrift beabſichtigt der 
rfaffer die Kranken vdr Gharlatanen zu bewahren, den Laien 


Prodromen der Krankheiten, wie überhaupt den Beitpuntt 
> Die Zuftände zur Kenntniß zu bringen, wo es unumgäng- 





r. 8. 


lich nothwendig ift, aͤrztliche Huͤlfe zu ſuchen, die verkehrte An⸗ 
wendung der Daus mittel zu verhüten, vor Allem aber eine 
rationnelle und ausführliche Diaͤtetik darzubieten, welche theils 
vor ber Krankheit ſchüten, theils dem ausubenden Arzte bie 


Muͤhſeligkeit beſtaͤndiger, oft fruchtloſer Ermahnungen erſpa⸗ 


ren ſoll. 

Beſondere Anerkennung verdient die Methode, permittels 
welcher der Verfaſſer im ganzen Detail unferer Erziepun vom 
Kinde bis zum Manne den Urfachen nachforſcht, un hr aufs 
zigt welche den allgemein herrſchenden und Befonbers unter 

er Jugend immer mehr überhand nehmenden Augenübeln zum 
Grunde liegen; biefe in einer Maren Entwidelung zuſammen⸗ 
geftelt, verdienen ebenfo fehr die Aufmerkfamkeit des Arztes 
wie des Yublicums. Der Abfchnitt über den Gebrauch ber 
Brillen ift burchgängig auf eigene Gefahrung gegründet; ber 
Berfafier zeigt in demfelben zur Genüge, wie nothwendig es 
fei, daß man die Wahl eines‘ Brillenglafes nie dem Bpti« 
7— malen koͤnne, fondern ftets den Augenarzt zu Mathe 
ziehen müfle. “ i BE 

„Am Schluſſe gibt der Verfaſſer eine kurze Kritik Ber ges 
braͤuchlichſten Augenmittel, welche dazu dient, dem Misbrauch 
dieſer Mittel, ohne Ruͤckſicht auf den ſpecifiſchen Charakter des 
Augenübels, zu ſteuern. “ , 


—  ————— ' 
Meuefteb Werk. über Rord ·Amerika 


Dr 
+’ 


Die 
Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika, 


deren Derfaffung, Nedtopflege, Seftenwelen, Lehr: 
anftalten, handel, finanzen, heer, flotte, Sklaverei; 
Geſchichte und Beogrankie.. 
Nebſt Nathſchlaͤgen für Huswanberer und einem diploma⸗ 
tiſchen Anhange. 


Don Fraueis Wyſe. 
Für Deutſche bearbeitet von Dr: Eduard Amthor. 


Drei Bünde. 8. Velinp. Brofh. 2Y Thle. 
= 4 # 30 Kr. Rhein. 

Bei der Wichtigkeit, welche für Deutfchland eine möglichft 
genaue und wahrheitsgetreue Darftellung der gefammten norb- 
amerikaniſchen Suftände haben muß, bedarf dab Erfcheinen einer 
deutfchen Bearbeitung dieſes intereffanten Wertes Feiner weitern 
Rechtfertigung. Ein 2Ojähriger Aufenthalt in den Vereinigten 
Staaten befähigte den Berf. vorzugsweife, die Refultate feiner 
Erfahrungen mitzutheilens weichen feine Unfichten auch häufig 
von denen anderer neuerer Meifender ab, fo dürfte doch eben 
fein langjähriger Aufenthalt ihm eine genauere Kenntniß bes 
Landes und feiner Verhaͤltniſſe verfchafft haben, als dies bei 
einer nur flüchtigen Durchreiſe möglich fein kann. . 

Auswanderer werden vielen Nutzen aus diefem Werke 
ſchoͤpfen koͤnnen; die Beilügung der nordamerikaniſchen Conſti⸗ 
tution in Driginal und Überſetzung dürfte willkommen fein. 


Renger'ſche Buchhandlung in Leipzig. 


find für die Dauer dieſes 


ermäßigten reifen 
ee Say dh ka le uchhandlungen zu beziehen: 
Herabg. Pr. 


Charlsi, Die ersten Makamen aus dem Tach- 
kemoni oder Divan, des, nebst dessen Vorrede. 
Nach einem authentischen —— aus dem 
Jehre 1 1388 


' umfassenden Einleitung versehe . 
Kaempf. Lex.8. Geh. 1% Thir. %, Thin 


Binnarchil orationes. tzes, recognorit ammotatlo- 
nem eritäcam et commentarios adjecit Miwardus 


Mectsner. Gr. 8 4, Thle. Yy, The. 
Bahn, Berner, Dad Leben Set. ne at 

fege Gefchichtäbarftellung. Gr. 8 . Ahir. 

hartmaun von ber Tue, Soc (A dem 1 3b 

wen, ine Erzählung. Überfept und geäutert 

von ws —* von Baud 8. Eleg. 

geh 1%, /% The. 


berlin, im Heroit 1646 
Alerander Bunder. 





Soeben find bei Meyer & Zeller in Zurich erfchienen und 
durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 
Häber, Dr. Balth,, Felle Gemmerlin von 
Züri, bir. 6 Rgr., ober 3 Il. 54 
ev Bk —8 uns, beſonders alle —— on F bee 


——— aa ae 
Echenket Dan., Die proteftantifihe 
uud hie Deutich- «Satho liken. Zweite, dur 
Anhang, betitelt: „Der Standpunkt ded po iven 
Shriftentfums und fein Begenſas 4, vermehrte 
Auflage. 22 Ngr., oder 1 Fl. 18 K 
Golbener Halsſchmuck. Eine * fe chriſtliche 
Jungli — Jangfrauen zur Adiſſten. 3 Nor, 


oder. 13 
Swingti, Gutbaid „ Kurze Usmserweifung, wie 
Jugend re 25 und Zucht erziehen 

folte. Aweite mit p en Aphorismen aus 
Suinglis Scheiften —— flage. 6 Ngr., oder 









Geſchichtte von Euglaud, 


Chomas Keightilen. | 
Deutfh. bearbeitet 
van 


$. 0} F. — 
Prefeſſoe an der bNnigi. Cabettenſchule Sauthurn in Qugland 
Mit einem Vorworte 


- Dr. J A. Sappenberg, 
Imei Bünde in 12 Lieferungsn-ä 15 er. 
(Erfgeinen bis Jaheebſchluß complet.) 


en —— ber Beihtättwerke © von Motten Bötti * 
biefe peopulaire Englands 
mit beftens empfohlen, der erſten fen die foeben erfihlenen 


en. 
gebühren für den —& einer EICH, 


_ Reipaig, im Ortober 1846. 


und in allen Buchhandlungen Deutfchlande, Dftyeics, Ungarns, 


in bee & land, finden, Dätemadl | 
it in. auge Part a a vom 


Hamburg, im September a 
EB. Rei 


Von dem in meinem Verlage erfcheinenden Werle: 


Zeichnungen der vorzüglichsten Künstler gestochen 
von Lemaitre, Bury, Olivier und Anden, at 
erläuterndem Text ven de Caument, Champollis 
Figeac, L. Dubeur, Jomard, Kugler, —* 
4 Lem, L. Lokde, Giraeli. de 
Raoul-Rochette, L. Paudayer etc. Für Dec 
land herau geben Mitwirkung von 
Frans "Kugler, Pr Prof. der königl. Me 
der Künste in Berlin, herausgegeben von Lud- 
wig Lohde, Architekt und Lehrer am kön 
Gewerbeinstitut in Berlin. 200 Lieferungen in Gros 
quart. 400 Stahlstiche und mindestens 100 Bogen 
Text. Preis einer Lieferung, deren monatlich mi 
erscheinen, bei ungetrennter Abnahme des gaua 
Werkes, 15 Ngr. (12 86.) | 
find jegt wen Lieferungen. in den Haͤnden der ver. Ob 
Se —— noch acht zur * 
i 


kün —** wie ——— Hinſicht fo. 6 u | 


und ausgezeichueten Wa nen in allen Bud» 
panblungen eingefehen werden; auch ſteht es ben —*8 
ben vefn. Subſcribenten bie be 


bereits erfdgienenen Een 
gen auf einmal oder nad und nach ſich anzuſchaffen 


SBamburg, im Detober 1846. 
Joh. Aug. Ali. 


Durch ale Buchhandlungen und Poftämter ift zu erpale: 


Deutfches Volksblatt. 


Derausgegeben 
von Yfassar Dr. Robert Haas. 
Aneiter Iahrgang, 1846. 1816. Gc. 8. MR 
Monatlich erſcheint ein Heft Zafertiod 


2.5 Beil 
werden mit nen Korn für das u RE* 





In alt; —8 der a 
—* October. BE IT ve en anne di Ä 
er Die —E it Die Ben Ehr. Kir 
—* —— Inge, * — * 
auckh ard. — Pau rd, nes beulide get, 
dichter. ud Mann en Goktes. Bon Dr. } 
Kromm. — Bierter Fr SOC ei * in ihrem Br 
zur Eandwirehiaft Lafer. — —— ie 
loss, Bon De. — — Du 
Karl eamabhäußer. — Mm 


terliebe. — Ein Wort von von 


faͤhrlichs Wett: 
altiges: Tpierifde * 
Hutten. 


A. A, Brockhaus 




















Biterarifehen. 
Charakterzüge und 1b historische Fcogmente 


aus dem Leben des Königs von Preußen 


Feiebuch uchelan In. 


Gefammelt und nad eigenen Beobuditungen umd felbfigemnditen Erfahrungen 
NR. F. € 


der Philoſophie und Theologie Ooctor, —* Bifchof ꝛc. ꝛc. 


Dritten Theils erſte und zweite Abtheilung. Gr. 8. Magdeburg, Seiarichshofen. 1846. 


(Aus einem Schreiben des Herrn Geheimen Legationſxathes Varnhagen von Enfes mit deſſen Genehmigung veröoͤffentlicht.) 


„Der hochwürdige Herr Biſchof Eylert hat hiermit ein Buch vollendet, welches in ſeiner, Art wol einzig 
Fenannt werden kann, und indem es als ein Denkmal ber Liebe für den unvergeßlichen thenern König bafteht, 
zugleich mit edlem Freimuthe ein hohes Zeugniß von Wahrheiten und Einfichten barbietet, die auch der Gegenwart 
und aller Zufunft erfprieglich zu erachten find. Der Here Biſchof hat für fein fehönes Unternehmen, außer dem 
gewiß reichfien Lohne bes innern Bewußtſeins, auch den ſeltenen der allgemeinen Anerkennung erlangt, ſein Werk iſt in 
die Nation gedrungen und von ihr mit begeiſtertem Danke aufgenommen. Möge ber edle Verfaſſer dieſen glaͤn⸗ 
zenden Erfolg noch viele Jahre mit frifehen Augen felben fehen und genießen! Er hat in diefem legten Bande, 
Büntt mich, gleihfam einen neuen Anlauf von aſtigkeit und Kraft dargethan, die zu jeder Hoffnung berechtigen. 


Seenbasern von Eufe.“ 




















Soeben iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: ZJeder bier auf wenigen Bogen aufammengebrängt finden Bany, 
® logi € ukkepädie | mist aufufmden im Slande wire, da Die eingeen Betite 
2 chno 0 918 che nc y p ie oft wichtige ‚ den Verfaflern eigentbümliche, —— nicht durch 
dem Drud bekannt gemachte Erfahrungen und Beobachtungen 

a 
atpheberifhen Baudbuch * —* "nunmehr erichienenen 14 Bände, mit 3523 Kuͤpfertafeln, 


koſten jeder im Ladenpreis 6 FL. Rhein. und im Subfcriptiens- 
Zechnolegie, der tehnifchen Ahemie und Des Be: gt. —æ gugleid Ehunen wir bie Ma * 
uf Ainenwe| ns. ift und bie e änzliche Bohlen des Werkes nunmehr in ver» 


m haͤltnißmaͤßig kurzer Beit bevorftchen dürfte, w Re X: ajggeen 
für —e— Hkonomen, Prag a Sesfeienten ga gewiß von Intere er 
abrifanten u erbtzeibende jeder Ast. 
& Her«a ußgegeben. je RS. &. Gotta’ Orten 





Neu erſcheint ſoeben und F des alle Buchha g er⸗ 


ob. Fos. Prechtl, 


LE. n.⸗ 6. wir. he und Direstor des 2. ©. polytechniſchen 


—— Baltiſche Briefe, 


Bier 
Depvaubengehen F Te Zwei Theile. 
t den Kupfertafeln — — 
Br. 8. Labenpreis Fl. Rhein , &ubferiptionspreis Gr. 12. Geh. 2 hai M Dip. 


NReifebemerkungen: und geiftreiche ſtreiche Schilderun en einer Dame 
Der vorliegende Bm diefes it e oigemeinem Beifall aufe Ber englifche 8 Sri nalen —5 — die er Denen, weile 
enommenen Wertes en en de 2 Sehraubenſ uge für tuffäches en und befonbers, für die Zuftände 
mb Böreuben er Saupmager Bunt eiten, —* Dſtſeeprovinzen intereſſiren, eine willkommene —* 
[4 


a» ne 5 ratlon fein werden. 


3 ation, 

en. Diele Artikel” bilden ebenfo ee Driginalaßhanblungen, Keipzgig, im Detober 1846. 

r denen jeber Gegenftand nach feinem weſentlichen und neueften | - F. F. A. Brockhaus, 
uſtande ſachkundig und pfend dargeſtellt if ‚ fodaß-«ein |. 





Verlags- und Commiffionsartikel . 


von 


Brockhaus & Avenarius. 


4 


1846. @ 3. Jul bis Septener. 


an” 





Nr. 1 dien Borichse befindet "sich. Än. Ne x. ‚Nr. 2 iu Dr. Av 


des Litererischen Anzeigers. 


L’Echo. Journal des gens du monde. Nouyelle. serie. 
Deuxitme anniee. 1844. -Nr. 52-78, ‚Klein-Folio.' Preis 
des Jahrgangs 5 Thlr. 10 Ner.” / 


Eine erweiterte Fortsetzung des Echo dela Hittörature fran- 


se, von dem vier Jahrgänge in gr. 8. erschienen ind, welche 
eine Auswahl des Besten aus der gesammten französischen "Journali- 
stik der letzten Gerd bil en. ⸗ den Abonnenten auf das Hohe 
in seiner neueh t auch die. nschaft er sten Serie Zu er- 
leichtern, werden alte Jahrgänge den Schr ermässaigten 
Preis von 6 Thir. Canbtatt 12 Thir. 0 Nery erlassen. 
Die ersten Nummern des Jahrgangs 1846 stehen auf V ‚als 
Probeblätter zu Diensten. > 6 ergaen 


Inserate werden mit 1 Ngr. far, die ———— besondere An- | 


zeigen gegen Vergütung von 1 Thir. 

Ellustrirte Zeitung für @ 'Bugend: ''Heraus- 
gegeben unter Mitwirkung der beliebtesten J ugendschrift- 
steller von Jullus Hell. Nr. 27—39. Wöchentlich 


‚eine: Hummer : von. einem Bo in schmal. * Mit vie- 
len Abbildungen. Preis des Jahrgangs 2 ; ein Quar- 
tal 15 Ngr.; ein einzelnes Monatsheft 6 Ner 

‚Erobewehuioni sind durch‘ alfe Buchjiähdlungeh Postämter su 


Inserate werden mit 2 Neger. die Zeile t berechnet, besondere Anzeigen 
gogen Vergütaug von 1' Tälr. für das —— beigeleg 


Bumau 
IV. In-8. 


Von demselben — erachlen bei une: 
La Dame de Monsoreau. 6 vols. In-2. Geh. 3 Thir, . 


we (Paul), Le fils du diable, | T. IV. IR. 


Alexandre), e), Memoire wo Kun mödegin.. T DI, 
Geh. X iu ge 


Geh. 
I ner: 7-8 Binden vollständig sein. Bu 

Die Frauen der Bibel. In Bildern, mit erläuterndem Texte, 
Erste Abtheilung. Frauen des Alten ‚Zostamienta.. 3. — 
7. Lief. 4. Preis der Liefe: 


Die erste Ahtheilung wird aus etwa — ‚bestehen. ‚ Pro- 
apoete and Subscriptiohslisten, sind: in: allen Buchhandiangen zu haben. 


Baffelsperger (Franz), Allgemeines geographisches 
lexikon des östreichischen Kaiserstaates. (In ‚einer algba- | 
betischen Reihenfolge.)‘ Nach amtlichen Quellen und 
besten vaterländischen Hilfswerken, von einer Gesellschaft 
Geographen und Postmänner. 18.221. Heft. (Wien.) 
Gr. 8. Geh. Preis des. Heftes '20 Ner. 

Neue Shakspeare - -Galerie. Die Frauen und Mädchen in 
8 e’s dramatischen Werken. .In Bildern englischer 
Künstler mit Arläuterungen. 1.—4. Lief.. 4. Preis der 

Lieferung 8 

Wird in 45 Lieferungen: mit ebenso viel Stahlatichen erscheinen. 


Belepierre,- Examen de ce que renferme ia bibliothöque 
du Musee britannique. In-12. . Bruxelles. 15 Ngr. 

Gerard (P. A. F.), Histoire de la le Sgislation nobiliaire, 
T. 1 1In8. Bruxelles. 2 Thir. 10 Ngr. 

Guisiain, La nature considerde comme force instinctive 
des organes. Iin-8. Bruxelles. 25 Ngr. 

Mollaenderski (Iudon), Les Isratlites de Pologne. 
in-8. Paris. Mit schwarzen Kupfern 2 Thlr. M Ner. 
Mit colorirten Kupfern 3 Thir. IV Ngr. 

Lelewel rn Monnaice des ev&ques de Toournai. In. 





michlele ( Alfred), Histoire de la peinture fiamande 
et hollandaise. T. I. In-8. Bruxelles. 2 Thir. 15 Ngr. 


.: den ‚Gesetze img! VerordÄungen. 


Perronau (A.), Recherches sur les comtes de Loez « 
sur leurs monn : Bruxelles. 1. Thlr. 
ET Recherehes sur la vie de Maestricht et sr 
ses monnsies. In-8, Bruxelles. 1 Thir. 
Sailnt-Genelis, Le chäteau de Wildenborg, ou les mu 
tinds :du siege d’Ostende (1604). 3 vols. In-S. Bruxd 
Bnwampkiewien: Le ginie de YOrlant, 
aw os, Le génie de ’O commente 
ses —— mondtairen, ‚a 12. Brpxelles. 2 ik 


er 
— (A.), Histoire de la maison de Sax 
a5 tradpelion augmentde et annöt£e. Gr. in 
| Talr. 20 20 Ner 


ruxelles. 
arnkeenig, Histoire —— et administr- 
‚tive de la e de Gand et de.la chatellenie du Viem- 
Bourg jusqu’a Pannée 1305. Traduite de Tallemand 
. E et ad@tidns du traducteur par A. B. 


—— Reri I The. * Ner. 





.% 2) 
Zbior ustaw Ton atwa Ziemakiego 0 Kredyiow wW., 
- Xiestwie Poznänskiem. Sammlung-der den Inndwirtachaf 
"lichen Kreditverein im Grossherzogthum Posen betrefes- 
te Auflage. 4. Posa 
rt Thir. 15 Ner, 





In der Berlagshanblung von. US. Bess in 
iſt erſchienen und in. allen Buchhandlungen zu haben: 


Dr. 6. Ar. Behmanı 


über eine 


Schattensrite ungerer Siteratun, 
die Beftwatung der get univerſttãt. 


2“ nach 
Dem Statut ver Univerfität‘ Ten. 
2..." Inch Proreitorate Beben. Br 
RE. Mech. Th Car 





Sm Belag, port % ern denn in Breuti av fochen 


‚Rieder: * up Sagen 
von‘, 
12% Ense. 16. Beh: Uber, engtifch car Ey Sr 





In meinen‘ — A u ac „umb dur, au⸗ > 


Bilder is Mooſe. 


 Rovellenbuch 


Aulius "Mofen. 
Zwei Theile. 
Gr. BGeh. 3 Tyhl 3 Thlr. 18 Nge. 


Bon dem Verfaſſer erſchien früher bei mir: 


Gedichte. 


. Zweite vermehrte Auflage. 
Gr. 8. 1 Sch. 1 Thlr. 18 Ngr. 
Reipsig, im Mober 1846. 


. A. Brockhaus. 


Drud und Werlag von F. X. Brockdaus in Leipzig. - 




















Riterarifger Anzeiger. 


= 1846. M XXI. 


ö—— — — —r — — — — nn nn — 
Dieſer Literariſche Anzeiger wird den bei 9. e. Brockhans in Meipgig erſcheinenden Zeitſchriften „Miätter für literariſwe 
Unterhaltung“ und „26“ beigelegt oder beigebeftet, und betragen die Infertionsgebühren für die Beile oder deren Raum 2, Rar. - 


 Benigkeiten und Forlseltzungen, 


verſendet von 


F. A. Brockhaus in Leipsig 


im Jahre 1846. 
KR. III. Iuli, August un September. 


Mr. L bie Berſendungen vom Januar, Februar und März enthaltend, befindet ſich in Ar. Xi, Nr. U, die Bertendungen vom 
April, Mal und Juni, In Re. XIV des Literarifhen Anpeigers.) 


54, — WBriefe. Zwei Theile. Gr. 12. Geh. 2Ihir. 57. Converſations⸗-Eezikon ze, Neue Ausgabe in 240 
Lieferungen. Siebenunddreißigſte bis achtundvierzigſte Lie 


55. eusgewäßite Bibliothek ber Claffiker bes us: 58, frung. Gr. 8. Jede eieferung 2% Nor 














> 


laubes. aRitbiograpbifig-titeraritnen Einleitungen. Sch: 3. —— — — — Bilder: 
undfunfzigfler Band. Gr. 12. Geh. 1 hir. 6 Kar. atins zum Eonverfations-Reziton. — Ikono⸗ 
Die erfhienenen Bände dieſer Sammlung find unter befondern Ziten grapbifche Enroftopäbie ber Wiſſenſ. aften 
. Bremer, "Die Raddern. Wierte Xuflage. 20 Bar. m. 4 uud 8 anf ar du Sn im fü ——— —2**— r 
7 uart mit Darſtellungen aus ſaͤmmtlichen Naturwiſſenſchaf⸗ 
N d ‘ — 
. game + Üben, übrfpt von 88 m. SR - vo or le Danie ten, aus der Geographie, der Völkerkunde des Alterthums, 
ziate, bed Dräfd erten —— age. —* z wu vll. Dre des Mittelalterd und der Gegenwart, dem Kriege» und 
ee ee Luna 20 RE eo, Seeweſen, der Denkmale der Baukunft aller Zeiten und 
Bmeire Xuflage. 10 10 Ar. — _ a ‚y. eu elite, Srjeldte ber Boͤlker, der Religion und Mythologie bes claſſiſchen und 
anon Eedcaut, über ‚Dante, | _ pteiaifilden Alterthums, der zeichnenden und bildenden 
Loriſ⸗ Gebiete, Beige un, und She von Kata t ein , er —*8 itte. . 
Zwelte Auflage ⁊ Rgr. — XIV. Kaffeni, Der geraubdte Künfte, der allgemeinen Technologie ıc. Nebft einem er⸗ 
— — — x v ? abe. 9 — 7— 7— — zelnen lsuternden Zert. Gntworfen und herausgegeben von J. 
Yuhlage, 9 Nor. "vn. Molte „Die Henriede, überfept von | ®. Bed. Bolftändig in 120 Lieferungen. Bünfund- 
Ohrdder. 1 Zr. — XVIL. @u YEL., Schaufpiele, überfept funfziafte bis Awelundfechögigfte £ieferung. Gr. 4. Jede 
von «it F I. Mahl. Rt pr X1S. 6 f hen. Vitalis), at: übe: Lieferung 6 Rar 
Memeron, Über ot von Mitte, 3 uflage. 2 adır. 14 ngr. | 99. Einey klopädie der medicinischen Wissen- 
—— EV. DR ante, D Die — ELCH berfeht von Ka el. schaften , methodisch bearbeitet von einem Verein 
Ein prametifhe Rovelle. * dem * ni üperient von Bülom. \ von Ärsten, unter Redaction von A. Moser. Zweits 
6 Br. — XXVIL XXVII. @omadeba Whatt #5 Märken Abtheilung: Specielle Pathologie und Therapie. Zweiter 
lung, überfep t con Brodhaus. 5 18ER — XXIX. Band. Gr. 12. Geh. 2 Thlr. 12 Ngr. 
Geräten a ser u 5 te Auflage. 1 Zeffe's Iveifde Diele Enc —— &r aus ee einzeinen Abthellungen beftchen, 
— XXXI. Gitopadeſa. überfegt von Möller. 20 Rar. — . deren jede cin vorſtan dub 
ZXKV. Intif e Se te, utfchen Raqchbildu on Hoefer. Anatomie; Physio * Died —X Chemie und Physik; Ge- 
& &aufziele. von —— de In schichte der Medicin; athologie und Theraple;; Semiotik und Dia- 
, "überfe t don Martin. 3 Ablr. ir 8 guostik ; Pathologische Anatomie ; Nateriamedica ; Heilquellenlehre; 
were, ade Mit t Kuönehme „se vn a uaoya R. Izr t von Chirurgie; Aklurgie; Gynäkologie; Kinderkrankheiten ; Psychlatrik. 
Kannesiehtt * m She —— ewi u le 1 n Beltelin. "ala ne EN r topegr hi h Anatomi 
— — . Man er schen Ana ©, mit 
.Lv. —æS di ent Gerhiäten, überfept u t. besond cksi 2 Ge- 
3 Fe y aa a Überfept von Grat. —8 brauch Rr rote und Kigung der er chi —— zu ne . 
Sonverfations. ⸗Eezikon — Allgemeine beutfche u. ‚Handbuch derspeciellen Pathelogie und The- 
Meat: Eucyklopäbie für Die gebildeten Stande, a en  Zosmer. Erater und zweiter Band, 
Keunte, verbeflerte und fehr vermehrte Driginalauflage. “ it. Die medicikische D agnostik und Scmlotik, 
Bollftändig in 15 Banden oder 120’ Heften. Einundachtzig⸗ oder die Lehre von der Erforschun 25 Bi der Bedeutung der Krank- 
ftes bis fünfundachtzigftes Heft. ®r. 8. Jedes Heft 5 Nor. heitaerschelnungen bei den Innern rankheiten des Menschen, bear- 
Dreife von > Mar- le da Peft In ber Zusaete m Benfalnenz | 00 Mflgemeine Encpkiopädie Der Miffenfanften. 
Dep (er 3 der en teftet , —9— r. 10 Rgr., auf Sur ibpapter und Künfte in alphabetijcher Folge von genannten Schrift: 
ri le Buchhundlungenlie een dagWVert zu dleſen Preis ſtelern bearbeitet und herausge eben von I ®. erf$ 
fen und 5 emiilieer Zen! 12 &remplare Ba nd J. @. Gruber. Mit Rupfern und Karten. 
Umfchlägen Der einzelnen Gefte Gr. 4. Cart. 


Senf den 
Fandi ngen edruckt, uud der Raum een eis eder Xheii im Prännmerationspreife a tem D ier 3 Xbhlr. 
‚wie 10 Year se voten R 3 Bi , Su nem Belinpaptır 5 ln. a auf —E ln 


sapler im —5 — Quartforzmat mit bieitern tagen Prachtexem⸗ 


etion (4-0) —— von J. ©. Gruber. 
——— Ftur. 
— 8 geden vn R. H. 8. Meyer. 


| Fi HERE — — —— 





ei. Barmı. Me Kobank! 
N Der —— m organifche Quelle — 


a Natur. 2) Das Pofitivẽe der von dem Kirche 





gefonderten chriftlichen Reli ion ; — bie —— 


ul t. 
| 5 a JE 
Bo Mi 


er. ndbuch.der Paihelogie und Ther 
, 4 Isteskrankhalten. ‚Pür praktische * 
"ana | Studirende bearbeitet von mehren Ärzten "fc 
le vn. A. Sch — Zwei 


im Jahre 1843 *834 ———— 
 Mandbach oh der Ki ten, Nach Ale 
langen bewährter Ärzte —— von 8* nehmt 
B. Wolf. Zwei Bände 
64. Martenstein (@el.), De’ materiae pad. Leibnl- 
. kium notione ei ad monadas relatione sommentatio. 
Gr. 4, Geh. Tamm aaa BE Eu 
Bon ©. Sheteuficin erſchien fernet in bemfeiden Derlageı 
„De wenn jeiffe_der etdiſchen Willenfäaften. Gr. 8. 


an 15 
Sie (me na nuD ;enmblehren der eilgemeingn Meta: 


&r. 8. 1836. Geh. 2 Ahlr. 





65. Eis ens (RK), uther's Leben. Erſte Abthei⸗ 


uther von feiner Geburt bis sum Per. zeit. 
1517. Bweiter Band. Gr. 8. Geh. 2 Rot: 
N Beben reis Band wurde zu Anfang dieſes Jahres I und 
66 Rapi (8. @.), Reifen in Bünemark und den 
en —— und Holſtein. gwei 


61. Hratsmann (E.), Die neuere Medieln in 
Wrankreich. Nach Theorie und Praxis. Mit ver- 
eichenden Blicken auf Deutschland. Erste Abthöilung. 


.8. Geh. l Thlr. 10 Ner 
Ichte ker evangeli⸗ 


ea. +), © 
Bene, 5. ie IA —R Ein Fami⸗ 


lienbuch zur et evangelifchen Geiſtes. In zwei Ban: - 


8 Sr. 8. Jedes t 9 
ünfpeß De efte wird das Wert Be fein. 


©. meigne, (8..%.), Eperinlgeriäte güe un. 


ger erg bien non Sem 7a a — 2 — 


ben. 
Mit 


Gerusceid. 
‚(Dee Befhtuß folgt.) 





Im Berlage von R, Urban Kern in Bredlan iR er» 
ſchienen: 


Qunchroniftifche Tabellen 


zur vergleichenden überſicht 


der Geſchichte der deuiſchen Mational-Kiteratur. | 


Zum Gebsauche beim Unterrichte in hoͤhern Lehranſtal⸗ 
ten und für Freunde der Literatur. 
Bon Karl Eitner. 
Erſte bis vierte Lieferung, 17% Bogen in gr. 4. Geh. 
(Ültefie Literatur Kid 1791.) Preio 1er The. 
Auf dies gründliche, gediegene Werd machen wir alle Lite: 
raturfreunde aufmerkfam. 


| ve als 
egrü ben * —e— 
887, Der Savthäufer, Gr. * 





Soeben * erſchienen nnd in allen Buhhendiuugen zu babe: 
Neue Oppofitionsf chrift 


—2 und Sortbildung 


‚Yuoteftantismns 
fir. sl Btä ade. 


a d”n. er Abe ıDe6. iu Der —— — Sqrift um 


Herausge * von 
J. ‚Kange, Theal. Dr. N Prof. & ar. Uniberf. zu Sem 
Ersten Bandes erstes Heft. 


J —* —— — in Genmiffign-) 
7 Deeib’ für 97 Hefte 1 The we 
Zupatt‘ * een Veftes: Über" bie Bedeutung des göttlichen 
Wortes für unfere Zeit und Kirche. Vom Htraußgeber.— 
Der Proteftantiömus ia feiner Regaoität” md. Pontivieät Ber 
Dr! 3.8. ©. Steuber, Pfarrer in Beit. — Die Hoffnunga 
unſerer proteäntifigen Kirche .gegvündet. :auf ihren dermalign 

J Suftand. Bom Herausgeber. 


27 





BER vrefe und we u ale Mölipenhlunge 
ur Fin, de ande: , . 
M. von Nhibiage's 
Eu Geſchichte der berühmmteften 
Nitterburgen und Schlösser 


Frankreichs, Englands, Deutſchlands, der Schweij 
Bu deren Cadet, Legenden und ben Er ablungen ie 
Identhaten.ihrer Befiger. Deutſch von Mi 

Zwei Bände. .8. Geh. 1% Thlr. 


Mexfebung, 15. Detober 1846. 
. Rouis Garde, 





inader inf 

Vei ®. 8, 8: Ina —ãæãâ ie kn fin * 

Das Buch von deu Wienere. Hiſtoci 

[her Roman von Eduard Breier. 3 Baͤnde 
. 8 Geh. 4 Sh 15 Near. 





In Untergeidnetam find erichienen und duch alle Buchhanb- 
lungen zu bezich 


vbyſiologiſch⸗ Briefe 


für Gebildete aller Stände, 
"Bart Most. 
Zweite Abtheilung. 
8. Pen Brofch. Preis 20 Ngr., oder 1 FI. 13 & 





In der erften Abtheilung diefer Briefe hat der Werfaffer 
Berribtungen 


mit vielem Gluͤck angefangen, bie Lehre von ben 
des Körpers, wie fie 


8 fi den neue us 
Entdeddungen in der dr —* —3 


J 


envickeln, ſꝛbaß. e dodarcs dem. all Unten — Dabın. neun ‚Relb bie Auf 

teten keiht wird, in diefem —3— — eine, Bildung, |. Umwandfungen erlitten ald auf irgend einem. 
pP — Rachdem in ber erften Äbtheilung Blutlauf, Ver: Siefe en —5 — ſind aber, wie die oberſten, ſo fuͤr den 
auung, Athmung, thieriſche Wärme, Er nderung und Auf Menfchen wichtigſten und inter eſſanteſten und: den Gebilbete 


fougung beſprochen werden find, werden in ber. vorliegenden .| wird eB fi a. en. fein in dieſen tief ein d 
‚ed in gi na are der Ban. T- die 83 —— FARBE feine. B griffe en, Y | f eingveifenden 
weiſe der Rerven ehirn a 

Weſen der ee das Au Era und D Ohr, bie Mus« Stutesare und Tübingen, im Cxtöber 1846, 
kelbewegungen, Skthrite abe delt. Auf diefen 1 Be De 2 X 8: ®. Eotta’ige Verlag. 





Im Verlage der Unterzeichneten ſind folgende / Buͤche r für Symnaſicm Gewerbe· Reck” wüb Bürgeehhulen erfgienen | 


wet durch fämintitche Duchhändiunsen Deutſchlande VOftreichs und ber Schwelz zu beyiehen: 


Cicero’s Rede für Sextus \Rögei us. aus Ameria, Jet G., XV Bettur eg 
Mi Einleitung und Comsbentar von n Prof rot.’ De! Zi. Osen- KH } ee Dear BD tefen — 
drlggen. 8. linpap. Geh, ‚Birein, N Migr. (16 8Gn). en * Anwendung der fi ehe ein. ae 

‚BE. Ti, JeVofheiis likei tresi. Cum . NE ugd“ re Waflape. 8.4 preis 20 9 









selectis e Miök, & ‚iae: Frid; Heahsittgerorum suisque 
notis schelarum in .ausum Kay rel. Tünoth,. Zumpiius. Shen Element are —— —— 
B. Geh. Preis 3 Nor... ni here arg et für. Zehrer..an. Multefähyien an den 
—RR GRaterg gef lliches Lahebuch für ne Claffen.. der’; Mentfehuten. :: Pre IFY, Nor. 
et und Haus, oder —— keicht fagliche Belehrungen (14. gr.) . 





über di bornehiiten Osgenfhind: 2* ‚Bam Thier· Panzen- · Txx Braftifges 56 Beheikuß fir ‚für hie in 
iw- Volkaſchulen· und 


An Gr. 8. Rein Beli 6 * EUR als Beilage 
nitten. r. ein Velinpa e reis: r. 
16. g@r.) ? p —— —X I gan) du fangen ‚zum petit: 


—*2 Elementar ⸗Naturtlehre. Elfte ſehr ver⸗ Mipuler ‚in — ‚umd- in_ben. 
meh Re Na ®. Hilger — 2— zum — ann Olfen ber Realſchulen. 8. Preis 2 Ya Rot. 
ale bearbeifet won er. Auch unter i⸗ 

tel: Elementar » Naturlehre für Lehrer an Seminarien und Schöblee, Dr. | I. Das Buch Dep Natur. Die 
gehobenen Boldsfepuieh;; wie auch sum, 2* I: und Selbſt⸗ Kehren dee Phyſik, Ehemie, Mineralogir, Geologie, Phyſio⸗ 
unterrichte methabifch. bearbeitet. 39%, Bogen Druck Belin⸗ logie, Botanik und Boologie umfafiend. Allen Freunden der 
pap. Mit 258 in ben Bert eingehrudten Hotzlchnitten. Naturwiſſenſchaft, insbeſondere den Gymnaſien, Real: und 

hoͤhern Buͤrgerſchulen gewidmet. Mit 281 in den Text ein» 


Gr. 8. Geb. Preis l Thlr 
Ouf feinen Hotzſtichen. Ein at Band in Großmedian, 


Mabv Prof. Br. & En. Bateinifche Sprad- u 
Benni, Dun Br MR, Satin And | nn Er nd te aan 


Merford, Dr. 8., Englifches Leſebuch, enthalten) 





‚ Die Chemie als geifi bildendes 2 

eine awedmähige, zur Beförderung ber dortſchritte in dieſer 

Serie beſonderß — Sammlung von. Lefe» und liber ae den Unterricht a on Eine Dede. 

fegungsftüden, aus den beften neuern Proſaiſten und Did: 8 

tern gezogen, nach ſtufenweifer Schwierigkeit —⸗ und |. Gtsckhardt, Drof, Dr. F. u Die Schule der 

mit zahlreichen, unter dem Zerte angebrachten 55* Chemie, oder erſter Untervicht in der Chemie; verſinnlicht 

der Woͤrter, ſowie mit Iebensgefhihttichen Anne en der durch einfache —e Sum Schulgebrauch und Res 

fehen. Mit einem. Borworte von D Selbſtbelehrung, indbefondere für angegende Apotheker, Ban 

Dritte vermehrte Ausgabe. Gr. 8. preiß Fi en: ( 18 —* wirthe, Gewerbtreibende ı. Bweite unveränderte — 
Mit 721 in den Text eingedruckten Holzſchnitten. 8 es 


älter, Prof. „pr. Z., Grundriß der Phymt und | jinpap. eh. Preis 2 Ihe. 


Hape, Prof. Dr. W., Hand- Wörterbuch, der grie⸗ 





Schulgebrauv Bierter. 


Meteorologie r Lyceen, Gymnaſien, Gewerbe: und Real» 
fhulen, fowie zum Shiöfuntercidt. Mit £ gahtreichen in den Thieme, Dr. .W. Neues vollſtaͤndiges gram⸗ 
Zert eingebrudten Oolzſchnitten. Gr. 8. Zein Welinpap. matifches Wörterbu ud der englifchen. un deutfchen Sprade. 


Seh. Preis 2 Ahlr. Ei ıwei Theilen. Aweite Ausgabe. 31%, Bogen. 
d Thlr. IO Ns. (2 Thir. 


chiſchen Spradıe. Lerifonoctad. Geh” Zwei Bände, jeder 

von 80—I0 Bogen; nebft einem dritten Bande von 27 Bo- Kbogn ner, Dr. R. 5. Ch., Neue volltändige und 

gen, die griechiſchen Eigenmamen enthaltend. Preis für das auf die gůchiie Grieißterung bes Unterrichts abzweckende 
e Werk von drei Bänden 7% Khlr. ; für das Griechiſch⸗ engliſche Spradjichre für die Deutfihen. Erſter oder theo- 


ganz 
bdeutſche Wörterbuch von zwei Banden 6 Thlr.; für das Bir * cher Theil. Fuͤnfte Auflage. I Ahle. Breiter oder 
serbuch der griechifchen Eigennamen 3'/, Xhlr, 


ifcher Theil, welcher Übungen über hi Steinen Re⸗ 


„Deutſch⸗ ge riechifches Wörterbuch zum dein enthält. Fünfte Suflage. 20 Mar. ( 
and des Handwärterbuhs der | ———— , Lheoretifch : praftifche Sa soramafit 
Oprade, Leritonoctand. Geh. Preis sh. der englif n Sprache für jüngere Anfänger. &. 5. 


echiſchen 
Br Kar. (2 Thir. 16 gr.) linpap. h. Preis 25 Nor, (20 gGr.) 


Um die — — dieſer anerkannt vortrefflichen Schulbher zu erleichtern, ſind alle | in den 


tand gefegt, bei Partiebeftellungen Freiexemplare zu bewilligen. 


ranufchweig, im Detober 1846. 


Friedrich Vieweg & Sohn. 





um —X der —— 7——— n 


1) 


Delinpap: Seh. Preis 2 Ihlr. s 3 Ku Halb⸗ —* 





Bi G F. winter, alabem. 


- 


. Berlagsbuiätondking in Heldelberg, ift. forben erſchlenen und in de 


Buchhandlungen vorrätbig: 


Pramatifi he Pichtungen 
Ludwig it ‚Nbland,, 


Er von Saiwaben. 
endwis der Baier. 


Fein geheftet. (In Format und Ausflattung ch an 
die ie Detavausgabe von Uhland's Gedichten anſchließend. ) 
- Preis 1 Thlr. 24 ir oder 8; öl Rhein. u 
| Bradtonsgabe auf feinftem Kupferbrudpapier mit 
breitem Rande. Kein geheftet. Ropaloctad. . 
Hreis 2 Thlr. 20 Ngr., oder’ 4’ Fl. ll Kr. Rhein. 





Gedidte 


| Gottfried Keller. 

Ein Bändchen in Daſchenformat, lierlich gebrudt , fein 
geheftet, Velinpapier, 1Thlr. 20 Ngr., oder 3 Fl. Rhein. 
Einzelne von Keller's Dichtungen waren früher in Zeitfärif- 





ten u. f.. erfchienen, und „Murten mit großem Beifall begrüßt. 
Beh Bufnkienk R ie diee gefanmmelten Gen 


en Gedichte in der 
deutfchen Literatur Sekunden haben, davon mögen die folgenden 
Urtheile angefehener Zeitfchriften Beugniß geben: . 
„Shöpfungen eins ausgezeichneten Zalents, die, wie bie 
Keller’ hen, an Yorm und’ Inhalt fo originel und friſch, fo 
kraͤftig und lieblich fo humdtiſtiſch und voll tiefen Ernftes —* 
werden ſich auch außerhalb der Schweiz Bahn brechen — 
(Morgenblatt.) 
„Sie reihen fi dem Beſten deutſcher eyrik an, amd eft jind 
fie ein Beſtes. Da haben wir endlich wieder einen ganzen Di 


‚| ter, neben dem aroferi Hauffn der halben und zerriſſenen.“ 


(Jahrbücher der Gegenwart.) 





in Wien in ſoeben 
eutſchlands zu haben: 


In C. Bersid’s Verlagsbuchhandlun 
erſchienen und in allen Buchhandlungen 


Bibliſche 
Erziehungslehren 


Altern und Erzieher 


sufammengefteift und erläutert 


Bean æ. Sohenn Sichter, 
Doctor der Theologie, geiſtlichem Rathe, emeritirtem Öffentlichen Pros 
feffox und UniverfitätösBibliothefar, dann mehrer gelehrten Geſell⸗ 
— ie 


Beilage ensgewählten Stellen 


Erziehung der Knaben von Papft Pins I. Eneas 
Sylvius Piccolomini). 


Zweite verbesserte und vermehrte Auflage. - 
" Bien 1826. 


8. In Umfchlag broſch. Preis 20 Ngr. (16 gGr.) 


Der Vorrede des Deren Verfaſſers zufolge ift dieſes höchſt 
verbienſtooll⸗ und zweckmaͤßige Werkchen „ein Verſuch, Bibel⸗ 
ſtellen über Erziehung zuſammen zu ordnen und Erziehungs⸗ 
lehren daraus abzuleiten. Es wurde dabei nicht ſowol auf ſtreng 


—— Syſtem und Vollſtaͤndigkeit, als vielmehr dar⸗ 
au 


Rüͤckſicht genommien, was in unſerer Zeit zu. fagen und mit 
biblifchen Worten einzufhärfen vorzüglich Roth thut. Die Wie⸗ 
berauflage der Schrift dürfte aber um fo weniger überflüffig 
erfcheinen, als jenes Bedürfuiß fortdauert und frommen chriſt⸗ 
lichen Altern auf ſolche Weiſe ein wohlftiles Handbuͤchlein zu⸗ 

emittelt wird, darin fie ſich ohne vielen Zeitverluſt in eier, 
Baften kritiſchen Faͤllen Raths erholen koͤnnen, um fi) entweder 
vor Softfpieligen Fehlgriffen zu hüten oder anf das, göttliche 
Anfehen der Bibelftellen fich ftügend ihr Gewiſſen zu beruhigen.‘ 
Sur nähern Charakteriſtik der kleinen und dabei fo gehaltvollen 
Schrift verweiſen wir auf die gediegene Beurteilung berfelben 
im Sauptblatte der Wiener Zeitung vom 24. Juni D 


Drud und Berlag von F. X. Brodhans in Leipzig. 


h 





Soeben ift bei den unterzeichneten erſchienen und durch aße 
| Buchhandlungen zu. beziehen: 


Der Zeittrüppel. 


Ein Wiener Roman 
von dem Berfaffer des „Tony“ und der „Adalay“. 
| et Suguß von Zeosty. 
role 2 Thlr. 26 N. oder 5 Fl. 
Meyer & Zeller in Zürid. 


Ka 
8. 2 Bände. 





In unferm Verlage iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen 
zu beziehen: 


| Konrad Wallenrod. 


Adama Mickiewicza. 
Schöne Miniaturausgabe. Geh, 15 Ngr. Cartomirt 
20 Ngr. Prachtband mit —— 25 Xgr. 
Eins deutſche Überfegung erſchien von K. 


unter dem Titel: „Konrad Wallenrod. ee Erzjahlung 
aus eithauens und Preußens Vorzeit.“ Gr. 12. 1834. IR. 


Früher erfchien in unferm Verlage: 
Malozseski, Marja. Powiest ——— 
Biographie des Dichters von Severin Goszez N — 


22 Nor. Geb. 21 * Kur. Ai Prada mit e Bean 
Marie. Üfrainifge ee überfegt vom 


C. R. Vogel. 

Vorleſungen über flaw 5 Riteratur und Zuſtaͤnde. 
halten von Bedam ewi ed. Deutſche Ausgabe. xy 
in 6 Ubtheilungen.. 8. Sch. 7 Xhle. 23 Nor. 

Ein umfaſſendes Werk, Fi deffen Bedeutung der Rome des 
Verfaſſers bürgt. 
Reipsig, im Rovember 1846, 


Brockhaus & Avenarius. 








sig 'erfheinenden tBeitkchriften ©, je Lterarifihe 
Tagen die Infertionsgebühren für die Beile oder deren Raum 2%, Rat. 
T — — 








— ‚Eiterarifäe 
— 3 — Ha. 


















Es Reipsig 





Bro &h 


nahe A AIR 
* EEE Zun, "Angus, und Seenan. 


wwergtus aus 


1. Mfen (Yun), Rider Im geäote, Boiciin 
bug. —ãA— on. Geh. Ir. 18 Nor. 
Bon dem Verfofer —S Werlıyer, : 7 
te, Biviite verbeneh Küffager Gr. ES. 1 Ahle. 


TI. Der newe Pisaval, Cine Samıkluhg der, intereffan» 
teften niet eſchichten aller Länder aus äfterer und 
neuerer Brit, —5* J— —— ur. Es. Hi is ! 

ri ES { leg: 9)... AReanter eil 








ar. 






R Dank ents 
im Een, x lie Yufage. 


[9 Aden. Beitariß Bi — — "Im 
+ Bereig mit grnithologiſchen Freun rrausgegeben von 
I. ER. 3 ie ann. Erftes — Gt einer 
u ee u &r. 8...1 Ile. 10 Kor. 
er fein derfelben, Vertege 
iohichte' der gerammten 
nz Ai BREI ann Tafeln, In 
u sehn Heften. Erstes Hef 1835. 4 Thlr, 
76. MRosligentter Sabre: Bofengassen. Nah dem 
Ixle und bem grabiſchen Tommentor Sururi's aus dem 
2 nl berät mit „Anmerkungen md &ı gen von 
& Graf. Ar..ldur Geh 1 Iptr. 6 














alt: Eine * 
ter In Soon. — Gligapite., den Markmann. — Die Di 
— nr San leere. Gonmrafet 


18 Ger 
SET ——— 


72. Bosner (X£.), Handhuch Her 
















athologie und: Therapie. Zweiter Band: | 71. @kisgen aus in Beben. aus dem 
Chronische Kern, Aper Tpeilgı Cr. M.; __ Scmoehilgen. «di 2 Op.. 1 15 Rgr. 
2 The. 19. 78, Hi Eich; $ Herausgegeben von 9 
Der eine Band Teute Krantheittk (1835°, foftet 2 Ihlt. von Reume lchter Jahrgang. Gr. 12. 


73. Recueil manue],e£ nrdfiquo de tiafts, conven- |. Catt. Se 1 





tions et autres seien diplomatiques sur] — t sure: |! Die cute Bolge ke ut“ ‚chn Zabrgänge (1890 

Iea relation ec, rappöfte enisaht Fhyi ‚gatre Em eE en KG —— 

ee Be glöbe serie | Falk, tin —5 —— 

jusqu’a l’epoque actuelle. Par’le Baron de 

Martens et ie Baron F.. deOussy. En cing- Ho — var Ca, Ts I 

gelmen. Tees. troisiäme 'et quatritme. :Gri Ö.Gch. '| 79. Urania, rg auf das Jahr 1847. Neue Zolge. 
unter al A it dem Bilbniffe Berthold Auer 

u, —— Anfang dieesitgehres aussezeten badis. 8. 2 Xhle. 13 Nor, 


* Sen frühen Sam jängen der Ur. h d einzelne Grempigte 
Kom 44 — rien In benfiien — —* —— — ku En —— 








1 NE Io 
len cannea silösren du dreit des gens. ebente und ade —S— Rn 1OI6) jeder 2 hir. 
80. Wheaton (Henry), Histoire des — 
Berner von & ae En anti: du droit des gens en Europe et en Amde 
ne rlque depuis la palx de — estphalie jus-\ 
74. Relifiab (R.), Gefammeite Garitten. Funf: qu’ä nos Jours. Avec une introdüction aur les pro- 
gehnter und fe an ‚ie Tan — dritter und biete &s du droit des gens en Europe avant la paix die 
ie Wend Kane) .  Westphalie. Beconde edition, revue, corrigee et aug- 
erte Seige con AR Fri F xſdien in 12 Bine mentee par l’auteur. Deux volumes. 8 Broch. 4 Thir. 

VERS und tele 12 Aber Silbe mil 










res * —— | 81. Beistanite für Die Biftorifge Toesisgie. Pr 
indun; it er von jen 'ge; indeten Ie 
Emitgere n merniigte 06 — Een nie een — u Beipaig Pernußgegeben don 





2 dner. 1346. Ya vier ſe des Berf. wird jedem @Bebilbeten ein | 
a ea 
Im Berlage ‚von. Auguft Sampe in Damburg cf art, und | einflößen und geeignet fein, diefem 5 Bet, de dem Grgebnifte dic 
Wied fm 34 de unter el 

t 
wıye hie we f nerbient De Ä 
ain — in Wenkfklten 
arten SH fipt- wird, ham | 
ww ände ix 
| * — 
Ale Freunde du Siterahur werde — aufmerkſam dal de Amen; die hi 
daß eine große Anzahl intereffanter und 13 iR Meat zu 
(asnpigknnien ee far — TE BE 
baus in Leipzig 1% vera. im Dctober 1846. 


zu ‚bedentend ‚herabgesetzten: Preisen 


zu beziehen find. Das Werzeihned hiſer Rchitet ie im "alten | 
Buchhandlungen gratis w erhalten." 





KRenget ſche Buchhandlung. 


"Dfterreihlehe miitairifche Z3eitfchrift. 
chtes Heft. 1846. 
Dieſch fosben, gichicuenc. Heft enthält. folgende Yuffäse: 
1 Der Feldzug 1800 in Italien. Bweiter Abſchnitt. — U. Über 


den Bortrag ‚ber vaterländggen und Kritgögelhichte als Mitt 
sur. Steigerung der ‚moralifhen Kraft einer Yuzıee. — HL Er 


Beam —F Et —AF ander Donau um 


— ) Du: 
u deu von Fort Rouis im — — fi 7 Die Uater 
dauns Fr Rübes! 9. 55 17 









— —— 


— ———— erigiile | 
N —— Tr —3*— YA air |; 


in PREHPEIEE ien RD gis qis1 
Seiednich Seükes Hughontlung in S 


In unferm. Beriage eifpeint: 
Das Zeitalter der; Nevolution. 











Geſchichte Ber Fürſten und Wölter, Surspit feis den: 


Audgange. der Zeit driebrichs dee Grogeni..o ; 
vBon Dr. Wilhelm: Wachsmuth,. 
ordentlichen, Profeffor der Cefihte am der ta Leiwis 
In monatlichen Lieferungen a 6.Bogen gr., 8. Belinp., 
deren 5—6& einen Band bilden. Subferiprione: 
preis für jede Lieſerng Y The. = 30 Kt Tonv. ⸗ 





i. Rhͤ. 
Freimathigkeit igkeit und t, 
—Q——— * pgüge diefes. Bleche‘ een 
bemfelben einen ehrenuollen Play in. der neuern ei⸗ 
teratur; bie ungeſchinkte - und Der: | 


Fr Den %“ 
arar Tao: 193: 99 — En 
om u. Mai 1793. 3) — und 


Bea am 3. Mei Fe Y. FR: T. Cuß it 


des. Kt ke 
e lacht di — — 7 ai 


toben TOR. 5. En. Lus der 
en. Tinsail de —e— 


——8**— —8* — 


et Rage Alten: 
vn 

Nies des dehne 2 3. Gem. 

. Bet Farm. man- 








—D Beer 
erhalten. 748 
oAtanmũller 





PT 


— — Hide ——** 
v. a er de 2%, Dt. 


I 
Meyen. Mendoza, von: 8. Stahn: 
ſchen Literatur, von Schaefer. Die politi 
versah, Wesubadours, von Brirkmeier. Die Uikeſtis de⸗ 
. Köche. Säubart, von vs “x 


Biertetiahes · Tchrift 1846. Ates Heft. 


In Untergeichnetem iſt ſoeben erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


dns Ate Heft 


der deutschen 


 Bierteljahrs-Schri 


für 1846. 


Detober— December. 
Dres des Jahrgangs von. 4 ‚Heften von je mehr als 20 Bogen 12. ‚EL oder 7. Thlr. 10 Nor. 
Inhalt: 


Verſuch einer Bolfvereinsverfaffung.- _ Mündens Beruf. — 


Das Recht und bie — der Staatserbfolge J 


in Schleswig · Holſtein. — Zur Verfländigung in den Bewegungen der Gegenwart. — Techniſche Bemerkungen 
über Dünpvefen. — Bur Spruchpoefie des fpätern Mittelalters: — Kurze Pothen, 


Stuttgart und Tübingen, im October 1846. 


3. ©. Cottavcher Yerog 





Soeben erſchien und ift in allen Bachhandlungen zu haben: 


Jahrbuch 
Poefie und Proſa. 


Mit Beiträgen 


von 





— 2* 
— 
er 
! Serantanpeben, J 
geintich "Pröhle. 52 
u. 1847. ö ‘ 
— N. Ronis Gere. 





Subig Voleo · Kalender, für 1847. 
n allen Buchbandlungen Dr In ‚und Auslands iſt iett zu 


Deutſcher Byles · aalender 


1827. “ 
Herausgegeben von F. W. Gubitz. 
it 120. Holzfdmitten von Demfelben und unter deffen Leitung · 
Preis 12%; Ser. 
Daß dies ein ehtet, unfere Zeit und unfere Aufände in in 
fter und bumoriftifder welt fräftig befprechenbeh. volka. 





buch ift, das bezeugt der Grimm, womit auch diefer Jahrgang 
ſchon von Dunkelmännern und Werfthtern des —— 
verleumderiſch angefallen wurde. 
Berlin. 
Vereins - Buchhandlung. 





Tandwirtiechafliche Dorkjeiting. 


Heranögegeben von Williarn PBübe, Mit einem - 
Beiblatt: Gemeinnütziges Mnterhaltungsblatt 

für Stadt und Land. 
Siebenter Jahrgang. 1846. 4: 20 Ngr. 
4 Brockhaus. 


Infertionsgebühren PA bie 
— Ba ie dor 








Leipzig, bei 





—S —XE Bögen. 
gefpaltene Zeil 
— Khir. 


Petoher, Fr. ar, 

Inpalt; Über Baumpflanzungen an den Strafen. — Die 
gün: 'e und ihre. Vertil 

Anfrage in Rr. 28 d. Bl., die Trodentegung der Wiefen 

betreffend. — @tfahrungen. der Bitgtieder des £efevereins zu 

‚Helmsdorf über den Brand im Weizen. — Welches find die 
Urfaden der Unfruchtbarkeit der Kühe? — Die Bearbeitun 
ber een mit der Hand. — Über rbeiternod 





mit Müdfiht auf die Forfbviethfchaft. Bierter Artikel. — 
Kara end —— 
artoffe [3 “ 
ie jgeeiten em 


® müßigee Nntenbaktungshlatt 
Dia Form und Rand, Rr. 044, für 


* 





% 


Bei MBiLBelm Engelmann in Keisgig if farben erſchienen 


und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Bibliotheca 
HISTORICO - NATURALIS. 


Verzeichniss der Bücher 
" über 


 : Naturgeschichte, 


weiche in 





Deutschland, Skandinavien, Holland, England, 


-Frankreich, Italien und Spanien 
in den Jahren 1700—1836 
erschienen sind. 
: Von Wilhelm Engelmann. 


| Erster Band: 
Bibliographie. Hülfsmittel. Allgemeine Schriften. 


Vergleichende Anatomie und Physiologie. Zoo- 
N logie. Palaeontologie. 
Mit einem Namen- und Sachregister. 

„Gr. 8. 1846. 786 Seiten. ord. 3% Thbir. 





Soeben find bei den Unterzeichneten erichienen und dur alle 
Buchhandlungen zu beziehen: 
Bluutſchli, Dr. ©; ; Geſchichte des ſchweizeriſchen 
Bunbesrechtes von den erften ewigen Bünben bis auf 
‚die Gegenwart. Erſte Lieferung. 21 Ngr.., gder 
1 &. 12 Kr. 

——, Die drei Ränder Uri, Schwyz; und Unter- 
- walden und ihre.ewigen Bünde. Abdrud aus dem. 
Öbigen. 13 Ngr., oder 45 Kr. 
Frohlich, A. E., Der junge Deutfch - Michel. 
3. vermehrte Auflage. 21Ngr., oder I Fl. 12 Kr. 
Lohner, C. (gew. Landammann), Die Münzen der 
Republik Bern. Mit drei Münztafeo. 2 Thir., 
"oder 3 Fl. 36 Kr... I 

Minnich, J. Aloys, Les eaux thermales de Baden 
‚en Suisse, leur analyse chimique et leurs vertus 
therapeutiques, constatees par experience avec un 
apersu descriptif et geognostique des environs de 
Baden, leur bistoire etc. I Thir, 6 Ngr., oder 2Fl. 

Neuhaus, Schultheiß von Bern. Mit deffen Litho- 
graphirtem Bildniß. Aus der „Eidsgenöffifchen Mo⸗ 
natsſchrift“ abgedrudt. 8. 18 Nor, oder I FL 

Zanner, RB. R., Heimatlihe Bilder und Lieder. 
Ausgabe legter Hand, vermehrt und vermindert. 
8. 1 Thlr., oder 1 8. 45 Kr. 


Meyer & Beller in Zürich. | 


In der Meditarifien- Eongreg. Buchhandlung in 
Wien ift zu haben und durd alle Buchhandlungen zu beziehen: 





Raphael 
Bilder zur biblischen Geschichte 
des 


Alten Zeitamentes. | 
Vierzig Stablftiche mit turʒem erflürendem Zexte in gr. 4. 
- Elegant gebunden. Preis 1 Thlr. 5 Ser. 


Zm Be e von @. . er in len i 
—* und durch ne 3 zu en ' 


Entwurf der Logil, 


Ein Leitfaden für- Vorlefungen 
.von Dr. Strüumpel, 
auferorbentl. Profeffor a. d. Univenfität Dorpit. 
8. Geh. Preis 22°% Nr. 


" Bon bemfelben Verfaffer erſchien 1844 bei mir: 
Die Vorſchule Der Ethik; ein Lehrtud, 
®r. 8. Preis ı Thle. 20 Ner. . 


Leipziger Kepertoriun 
der deutschen und ausländischen Literatur. 
Herausgegeben von L. 6. Gersdorf. 


1846. Gr. 8. 12 Thir. 


Wöchentlich erscheint eine Nummer von 2—3 Ban 
Innertionsgebühren in dem dieser Zeitschrift be 
‘gegebenen „Bibliographischen Anzeiger“ für den Raun eur 
‚Zeile 2 Ngr.; Beilagen werden :mit I Thlr. 15 Nr. 

berechnet. . - 











Ootober. Heft. 49 — 4. 
Inhalt: Literaturgesohichte. Jordan, Geschichte der 
russischen Literatur. — Theologie. - Codex Fiiener- 
Augustanus; ed. Tischendorf. — Fleck, System der chr«- 
lichen Dogmatik. 1. Thl. — Matske, Die natürliche Tier 
logie des Raymundus von Sabunde. — Jurispradeas 
Danz, Lehrbuch der Geschichte des römischen Recht. ?!.T\ 
— Invernizi, De publicis et criminalibus judiciis Romans 
‘— Maresoll, Lehrbuch der Institutionen des röm. Reciu 
3. völlig. umgearb. Aufl, — Schilling, Tsehrbuch für Issütt- 
tionen. 3. Bd. — v. Wächter, Erörterungen aus dea = 
mischen, deutschen und würtembergischen Privatreck. 
2. Thls. 3. Heft. — Medioin. Hager, Die kuntzündusge 
und Eiterungen am menschlichen Körper. — Neumann, be 
träge zur Natur und Heilkunde. 2. Bdehn. — Ronkn. 
Lehrbuch der Nervenkrankheiten des Menschen. 1. 3& 
3. Abth. — Philosophie. Waitz, Grundlegung de Pr 
chologie. — Staatswissenschaften. Baltisch, Bir: 
thum und Vielkinderei. — Bleibtreu, Politische Arithaed 
— Frantz, Über Gegenwart und Zukunft der preusisce 
Verfassung. — Statistik. ‚Schubert, Handbuch der aift 
meinen Staatskunde des preussischen Staats. 1. Bd. — 6% 
. Droysen, Vorlesungen über die Freiheitskntit 
1. Thl. — Neumann, Geschichte des englisch - chinesische 
Krieges. — Voigt, Hildebrand als Papst Gregor VII. wä 
sein Zeitalter. 2. vielfach veränderte Aufl. — Urkass 
zur Geschichte Maximilian’s J.; herausg. von (kml - 
Staatspapiere zur Geschichte des Kaisers Karl V. itt 
theilt von Lanz. — Schul- und Unterri 
Müller, Grundriss der Physik und Meteorologie. — Sch 
„Heimathskunde für die Bewohner des Herzogthums Gw- 
1. Bd. — Zajotti, Die. literarische Bildung der Juget; ı 
d. Ital. von Stieglitz. — Zschille, Elementar-Schreiberd‘* 
— Eisenbahnwesen. v; Reden, Eisenbahnjebrbud * 
Bahnbeamte und Staatsbehörden. 1. Jahrg. 18%. 
Leipzig, im November 1816, 


FF. A. Brockhaus 


Drud und Verlag von F. X. VBrockhans in Beipzig. 





Kiterarifger Anzeiger. 
R XXIH. i 


e XE n æ ende 
—* He oder *357 — Abt 





‚1846. 





Diefer eiterartfäe 
Unterhaltung‘ und‘, 






tter für literarifch⸗ 


van ir bie Dee oder deren Raum 2%, * 


- 


In *älen Behyanttuigen tft zu‘ erhalten: 





Siftorifc⸗ eſchecwuch. 





‚Herausgegeben 
von 


Friedrich von Raumer. 





Rene Bolge. 


Gäter Nabegans. 


Br. 12. Cart. 2 Thlr. 15° Nör. 


AInhalt: -1, BenvemmtoEdlint's tepte Lebenejuhre. ! Don Alf. ** — 11. ithetm 
He des An vorkgen bie Ren 


| nr Händel, ‘Bon J. Voigt. 


eireis in- Helmftäbt und % Univerfitätswefen "feiner Zeit 
Wiffenfchaftlichen Vereine zu Berlin am 29. Mär, 1345: von H 
(Befonders nach Bi — — 58 
eitskriegen big. zu den Karis der eſchluſſen. Von R. —— 
Zweite nal luͤng: Die Jahre 1815 — i0. 


—— — 
Die erſte Folge: des Siftorife Taſchenbuchs (10 Jahrg. _ N, ve et 

Jahrg: zufammengenommen 5 te“ 
einzelne‘ Jahrgänge 1’Thle. 10’Rgr. "Die Saprgütige der Neuen Beige 


diſchen Verhültniſſe in Preußen. 
oͤffentliche Meinung 'in Deutfchlarid don den Frel 


* 


10 Thir. "der erſte bis‘ fünfte 
Weipgig, im November 1846. 


—ãùwwtce? wen Bass nn. 
atzes ath 
in —— ehaften : in ber ee des 

ee. — IV. Zur Deſthichte ber. Rn 
‚Bon "Dar — „Ve 


{m erab en Mille 
his ‚dt hnte ren ne 
en’2 Byle*5is 2 Thir 15 — 58 — 


F. A. Brochaus. 


Zhle,, der. [eh 





: Bei- A. Sorge: in "Osterode ist erschienen uhd in- allen 
. Buchhandlungen zu bekommen: 


Büungaärten, Chirurgischer Alma- 
‚mach. 1844-——45. Iter und Ster Jahrg. 1 Thir. 


"Vollständige Biamens ensprache, öder 
sinnreiche Detitung der Blumen. "te’Aufläge, Efeg. 
geh. 7%. Ngr. (6 gGr.) 

Brund, "Lesebuch für die Mittelclassen evan- 
gelischer Volksschulen, Ste Auflage. 8. 15 Ngr. 
(12 gGr. 

"Dieses Buch’ "hat bei recht ‘Vielen eine freundliche 
Aufnahrie ‘gefunden, und ist theils dürch Recensionen, 
theila Selbstprüfun bekannt. geworden, sodass in Zeit 
von zwei Jahren drei neue Auflagen erscheinen mussten. 

Bei Einführungen in Schulen kostet das Exemplar 

3 Ngr. (4 'gGr.) 

Confirmationsscheine. 48, 

Deutscher Liederkränz. 2 Thene. 
4te Auflage. 10 Ngr. (8. gGr.) 


"20 Ngr. 
‚Geh, 


leute. 15 Ngr. (12 g6r 
Mippking, Hand ache. 
(13: gür.) 
Schültze, 'Forstliche Berlchte._2te 


Meyer‘s Tune ae) Tür Berg- 
15 Ngr. 


Heft. Enth. Literafur des "Jahres 843. Er.'s. 
20 Ngr. (16 gGr.) F 
Deaselben lates Heſt. Enth. Literatur 1842. Gr.'8. 


20 Ngr. (16 8Gr.) 


wu 


.. 





Bei uber XRX in St.Gallen iund Bern iſt ſoeben 


erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 
Wainkelried. Tin Trauerſpiel in- fünf Acten 
von Karl Völker, 7 Bogen. 12. (Zum 


en dr PofnlnyrCtifung af den Riot) 


Preis 71 Rgr 


— 


. 


. In Unterzeläinetem iſt nunwehr voliſtaͤndig erfchienen und durch alle Buchhandlungen u beziehen: 
Meozin 





Vollftändiges Wörterbuh 


der deutschen und. französischen Sprache, 
nach den neueften und beften Werken 


‚Aber er.nr Künfte und Wifſenſchaften. 


Dritte Auflage aufs Neue durchgefehen und vermehrt 
von 


Dr. A. Bel: 





hier, 


\ ordentl. Profeffor an der Univerfität Tübingen. 


Bier Bände, Lerilonoctav. Subſer. Preis 8 Thlr. 10 Rgr., oder 14 81. 


Stuttgart und Tübingen, im October 1846. 


3. ©. Cotta’ ocher Verlag. 





Bei uns iſt ſoeben effienen und n zu Buchhandlungen für 
Zhle. zu haben: 


Jahrbuch 
Dentscher Bühnenspiele. 


Herausgegeben von F. W. 
.  Sechsundzwanxigster Jahrgang, für 1947. 
ei — " Schaufpiel in fünf Aufzuͤgen von 
. — „Ideal und Leben.” Drama in 
fünf Aufzügen von Naupach. — 


‚Ein Wort des Für: 
haufpiel in fünf Acten von nd.» 


„Die Maß⸗ 
Drama in fünf Aufzügen von Daniel "Lehmann. 


Nachlaß.) — „Die Zalentprobe.”’ Luftfpiel in einem Act von 
Berlin. Bm. Gubis. 
Vereins - Buchhandlung.“ 


‘ 





Ha vente chts F. A. Brookbans i Lätpnig: 
BECUEIL. 
MANUEL ET PRATIQUE 


DE TRAITES, GONVENTIONS 








et autres actes diplomatiques, sur lesquels sont 


€tablis les relations et les rapports existant au- 
jourd’hui entre les divers etats souverains‘ du 
globe , depuis Pannee 1760 jusqu’a l’epoque 
actuelle. 
Par le barın Ch. de Martens 
-et le barın FM de Cussy. 


Sing volumen. En vente: Tomeo-1 & 4. 
In-8. Broch. 10 Tblr. 16 Ngr. 





Le grand Recueil de traitds de paix, d’alllances ‚de 
commerce, etc., form par G. P. de ‚ & partir de 
1160 jusqu’a nos jours, est parvenu au delä de 30 volumes, 
et son prix de librairie se monte & pres de 400 franca. . 
Cette collection (la seule de oette nature qui se continue) 


| Oauses 


offre sans aucun doute de pröcieuses archives ala re 

du droit des gens.et à l’histoire, — mais dans la pra 
des: aflaires, elle est devenue d’un usage presque im ; 
- les Tables nombreuses qui P’accompagnent, sont mine u 
puissantes pour guider les recherches au milieu d’uze « 
Prodigieuse quantit6 d’actes de toute nature et de tout pays, 

ont non-seulement la classification.n’a pu avoir lieu 
un ordre chronologique r&gulier, mais dont le nombre sen 
surtout accru depuis 1828, oü P’on y a fait entrer une fode 
innombrable d’actes, de memoires et d’autres pieces, qui k 
font sortir tout & fait de la spdcialit# d’un Recueil de ti 
tes et de vonventions diplomatiques. — Un remaniement de 
ce grand et important ouvrage .6tait devenu nd&cessaire, et 
il était depuis longtemps gensralement desire. Deux as- 
teurs d6jd connus se sont charges de.la täche difäciie de 
‚ faire du grand Recueil de l'illustre publiciste,. un liere usel 

et pratigwe, et qui r&ponde aux besoins actuels. Le Rec 
manuel et pratique, ont ila ont 6onrt6 tous les documenis 
qui n’ont plus qu’un interet purement historique, et qui æ 
composera {& partir de 1760 A a P’&poque actuele) 
—— 





agents Dejitiques et consulaires N tous ies pa Kar 
est diviss en deux 
16 Ngr.) renferme les Traitäs et actes signes 
jusqu’& ia paix de Paris, 1814; la seconde (Formaiat es a 
tres 3 vola. dont le premier et second viennent de 

est consacrde aux Traites conclus à partir du Congra “ 
Vienne jusquä nos jours. Le 5” vol., deja sous premt 
sera publie incessamment. 


Ouvrages de Mrs. de Martens et de Cassy gi 9 
Trouvent egalement & l’adresse indiquce: 


Par le Baron OR. de Martens. 
2 vos. 8 1832. 4 This. 15.Ner. 


du droit des gens. Par de meine: 
9 vols. 8, 1897. 4 Thir. 15 Ner. 
Nouvelles oauses oölöhres du droit des gens. Pr 
le meöme. 3 vols. 8. 1843. 5 Thir. 10 Ner. 
Diotionnaire ou Manuel-lezique du ' 
du Consul. Par le Baron FF. de Cussy. 2 8 








dm - Goeben iſt bei den Unte eichneten erfchienen und durch a 

| | . J zu ** s aue 
| 
| 


AMene Yublicationen 
genetifhe "Methode 
des schulmäßigen Unterrichts 
in fremden 


Sprachen und Riteraturen 
Darſtellung und Beurtheilung 


Alexander Duncker, . 
koͤnigl. Hofbuchhaͤndler in Berlin. 


Hahn Dabn, Bde Gräfin, Clelia | 


—, eine Eine Seiöfbingrn- | 
phie. 2 ke. 8. - 4A The. | 
| ‚Gelbe, . Serie, 6 —E 





Ausgabe. 16. Geh. 1 Thlr. 24 Sgr. Eleg. | br 
geb. mit . Sohign » 3 Py/ Zr. 1  analotifden und ber  Fontpeitgen Methoden. 
ur Bernhard von, Lieder aus en Dr. Ma er, 
Ren creiherr W. von Bergle Ieihende fü I. fhwargb.sfonberöhaufenfhem Lbucatlonrathe 
cuiturſtatiftit — —2* uropas. Dritte Bearbeitung. 
iſte — 3te eieferung, Or. B. % le bir. ni et . KA au h 5 “ ei F 
NRahden Baron .von an ngen ie erlauben uns alle Erziehungsbehörden fowie alle Lehrer 
guet alten Soldaten. iſier Thei Kr 8. angelegent aufnesfam auf birfes hoͤchſt inteveflante Werk 
| Reumont, SEifred, Dichtergräber. Ra- Ban Meyer & Heller in Zürich. 





venna, Arqua, Certaldo. 8. Geh. A Thlr. 
Die Rückkehr. Vom Verfaſſer der Briefe eines Im Verlage der. Vons’sohen Buchhandlung in Berlin 








nen. a Fi 8. Geh. 2, Thir. und Aemouard & Comp. _in Paris ist soeben erschienen 
Lehrbuch der Mer und durch alle Buchhandlungen des In - und Auslandes zu 
an des Benfpen. Iften Ban- erhalten: | 
* 3te Mbeheilung —8 8: Geſch 4* ah. Dix ans 
anmgann V⸗ e e der - 
cafen von Daltenf n. p Mit Titelkupfer a u cour du Roi Louis Philippe 
und ignetten. Lex.⸗8 e 
Ernfte Stunden. Andgchtabugh für Frauen - Sonvenirs 
von einer Frau. 8.- © Y hr. | du tems de l’Empire et de la 
Im Jahre 1845 —* unter Anderm: . Ä ‚ Restauration. 
Bartpoib, 8 Er eſchichtlichen Bern. 
Hateiten 1 > akob Th nova’8 Mes ven. | . = APPBRT, 
* 5 Dr ©. G., England und rum de ia Societd royale des prisons ‚> — 
1844. ) 3 volumee grand in-Suo. Br. 
— 33 —S geben En u . Preis 4 Tbir. 21 Sgr. 
Find Abo mpg [6 Jahres — — 
n — jedo nur i de dieſes Jahres — PN R. Berlin d durch 
- durch alle Buchhandlungen zu haben: ° _ i ale Badifandkungen zu IR ghenen und our 


2 — k . 

Bone, Die Bw, ZUR — Dorem Denkschit- |.| 2. 23. Reffing, Chirurgiſche Diagnoſtik. 

auf, Soethe. F dottei Katze. m © 3eracli, Genriette Zwei Bände. 8. 72 Bogen nebft vielen Tabellen 
m de. — Stalia. r u. 2ter Jahrg. — 

Rep, Sericie — Min onen. 5 Se = und zwei Regiftern. -Ladenpreid 4 Thlr. 

Mügge, Die Vendeerin. 3 Bde. — Niendorf, Uus der 

Gegenwart. — Laube, Branzöfifche Revolution. — Skeps⸗ 





_ "| | Im Berlage von F. ©. Brockhaus in Leipzig iſt neu er- 
Drocch a arbure Dat hm Rome, age und %.: ale Buchhandlungen Au erhalten: 
risi, Makamen. — Dinarch, Ed. Maetzner. — Hahn 

Leben Jeſu. — Hartmann, Iwein. — Medicin. air . Meißner (9. A.), Specialgerichte für 
therap. Wörterbuch. 3 Bde. — La chirurgie de unfere Fabrikgewerbe. Gr. 8. Geh. 28 Nor. 
— 35 Augenbfariften von Eine, Ort Grã⸗ Bu Anfang dieſes Jahres erſchien daſelbſt von dem Verfaſſer: 
fin Germanie, Thekl 


a von Gumpert und endlich Kletkeꝰs Die Fabrikgerichte in Frankreich. Gr. 8. Geh. 
Meuer Kinberfreund D be. * a 9 —3 ch 


— —— — — 


— — 





ii Biritgäng’Weri 


und —8 
——— Sericht 


:die erote Versammlung 


deutſcher Scheiftftellerinnen, 


Betten zu Wimar Am 5.,'6.Fund 7.“ Abbber Isa: 
a, von ben Gertetairinnen. Eine Weib. 


Br 


r 5 Mar. 


I Eine freie Satire auf bie beutfiägen. Schriftftellerinnen 
auß ber Feder einds unferer dbfanhteften "Autoren. 


worftändig ift u in’ alten Buchhandlungen zu erhalten: 


Geſchichte 
eva ugeli ideen Kirche 


seit der Reformation. 


. Gin Familienbuch zur Belebung des evangeliſchen Geiſtes. 
Von 


E. G. S. e 


Berierälfuperintentiönt In” Blan 


Zwei Bände, 
Gr. 8. Seh. 1 Thir. 24 Ngr. 
u Auch in’ 6 Heften a 9 Ngr. zu’ bejiehen.) 
Reipsis, im Rovember 1846. 


S. A. Brockhaus. 


Bei Kirchheim, Schott und Thieſmann in Mainz find 
‚ foeben erſchienen und in allen Buchhandlungen Deutfchlands, 
ſtreichs und der Schweiz zu ‚haben: 


Se ändniffe eines im Proteſtantismus aufgewachfenen 
hriſten über religiöſe Erziehung und Bildung. 8. 
Sch. 1 Thlr. 10 Sgr., oder 2 Fl. 20 Kr. 
Das vorliegende Werk gibt uns die merfmücbigften Auffchlüffe 
über die jüngfte Vergangenheit und den gegenwärtigen Bu: 
. stand des Proteſtantismus und ift in man en Besiehungen 
‚noch intereffanter als Hurter's Geburt und Wiederge 


— 
buͤtg. 





ee, €, Lund, Upfake und StoMsorn. | 


Etliche Blätter aus einem Tagebuche 'mit einer Zu- 
‚gabe über die ffandinavifhe Einheit. Kus bem WOE- 
niſchen überfegt von 2, Clarus. 8. Geh. 1 Th... 
oder I 81. 45 Ar. 
Unter den gegenwärtigen Verhältniffen, wo Aller Augen 
augewendet find, dürfte bie gegenwärtige Schrift, 
ein hohes Interefie erregen, zumal fie von einem Manne‘ 
herrührt, der mit Wecht: zu: den geiftreichften Sprtgern des 
daniſchen Volks gezaͤhlt wird. 


R ‚Dr. E. Fr., Geſchichte des echts 
im Mit itelalter ee age Kanonifches Nedt. 
Gr. 8. Geh. 3 Thlr. 5 Sgr., oder 5 Ft. 24 Fr. 


Tiefes Quollenftudium, eine Plare Darftellung ‘und ent- 
ſchiedene Gefinnung Sarakterifiten biefe je neueße Schri 
berühmten Rechtslehrers, die bereits für alle heologen und 
"Iuriften, die e8 ernft mit ihrer Wiffenfhaft meinen, ein 
unentbebriiches Handbuch geworden ift. 


—ã ER in; 


Ikontredit a’ meilläure’ prodktetfoh‘ du’ ühe 'äritkihr "que 
Nnyyateres' ‘de Liondres 'uvalent dw'priine’ sänt ice ae 
nitlarkikn.“’ 


J 


"Band, Indiana. 1 vol. 
‚Moliere, Osstres ohöizien. 2 vbls. B. 1845. 1 Tr 


des |: 






rn e von ser ——* in Bess 
TER 


—* 


VoL’1:33. „[ü+B. \Papite'Velin, Prig.der Volume IANgr 


a Pr on i inas 


Dieſer · die gi neuere Zeit um 
— ——— uteröfle, Ögreift! en 


ki,son der ——A Marie * 
8 Eh hs: —— — 


—E "bon ” Mr Ki 
















53 












keine — 5* — HALF a Yirfe Muggoh; 

die Fort ung wird ſo ſchnell/ gel if ige 

lreont,; Le Pils du | disble. VL 137. 8, *"Prir 

Der 8. "Band u Be Pr rn aurtge: 
zeichnet —— dieſein Roman: 


—E —* ürame Tortömelt 'oohkeı, "orrihtvelopht 
avec: le plus art, 4 5 zer de XX 
HUes secnes remplios 

!mands. Lia 'vie ‘de ‚äös’ — BIER iS Aut 

et ta sympathie“ * —8 je piöbitk"hövere; ; —*— hadi 


itudes '@’ördre et: d’&cähömie erkrastäht ävsc la vie su 


doue! ie jour do proletkäre  pıeräsien , toũt/ fümgu'a leurs 


Iplaiaies,’ encore Ampfeihts des adave 
ite. Le 


na se tboure 
Us du d dlee est sum 
bes 


sg 






jd6erit avae une 'verits toũ 






:ü8s mbifteurs remaniders 





tirite -de:Sainte- 
“a’aprös Asto- 
ı Thir. 4 Ngr. 


—— enthält ep: w ea⸗ 
„die ga ee N 55 


üb? 
ah —* — * 


Bänden 
Ahters, Histoire de la ri io la rörelu Kay rangaie 
'Nowvelle "Edition en -# vola, ‚Vol. iW. 
Papier velin. Prix ‘du vol. . —* 


onthoton Histoire dela. 
Höhtme. “Avcc le’miasgue de l’emp 
wärchi. In-8. ‚Papier velin, 


‚Diele fipöne und bi 
Be perl entli 
u le e dep" 

— * in vichten Banden 


Brüßer eifiptenen in gleicher Frbotaphiſcher Audpentarg: 
Dumas, in däme de a Monorean. 6 6 vols. In8. 1Rıs- 


In-8. 1846, 20 Ner. 


‚er. 
Beitiiimont (Madame ' ce de), "Le marısa 
des enfants. Revu et augments par Mn. geile Fos. 
Nouvelle «dition. “In-8, 8, ‚18 ee Ner Teeikupe | 
art. 


Diefe neue Yusgake ejtter.. jeik, faft einem Jahrhundert nt 


gelefenen Jugendſchrift wird allen Lehrern der franzöfiide: 
. Sprache wie Untesrichtöanflalten willkommen fein. 


Drud und Verlag von F. X. Brockhans in Leipzig. - 


> 





Dieſe mit großer Songft —— ehr. wohlfeile Ins 

gabe dieſes aımfaffenden Se — * 48 blos fürs: 

"ich he „Notes et pieces, justi ficativen‘’ ber neueiten Driginalset 

' abe in 10 Bänden, fondern die Hinzirgefügten ven ge: 
en zugleich den Inhalt jeder Seite an — en dierch DIE 

"Aubgat e für bie kecture wie dauernbe venn nen begum 


Liter 


t 





Diefer Literariſche Anzeiger wied den bei 
Unterhaltung‘ und „fis‘' beigelegt oder beigeheftet, und 


Neue medicinische Encyklopädie, J 


In Verlage von F. A. Brockhaus in Leipzig erscheint 
‚und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 


Enoyklopädie 
J pa 
medicinischen Wissenschaften. 


Methodisch bearbeitel von einem Verein von Ärzten 
unter Redaclion von 
Dr. A. Moser. 
Gr. 12. Geh. 








“ 


Jede Abtheilung dieser Encyklopädie ist einzeln unter be-. 
sonderm Titel zu erhalten; erschienen sind: 
L. Handbuch der topographischen 
Anatomie, mit besonderer Berücksichtigung der 
chirurgischen Anatomie zum Gebrauch für Ärzte und 
Studirende, bearbeitet von Dr. Z. Moehmann. 
1844. 3 Thir. 


Ir. Handbuch der speciellen Patho- 
logie und Therapie, bearbeitet von Dr. 
%L. Posner. Erster und zweiter Band. 1845—46. 
IJ 4 Thir. 12 Ngr. | 
(Der erste Band: „Acute Krankheiten“, kostet 2 Thlr.; 
. der zweite Band: „Chronische Krankheiten. Erster Theil“, 
2 Thle. 12 Ngr.) rn 
ini. Die medicinische Diagnostik 
und Semiotik, oder die Lehre von der Erfor- 
schung und der Bedeutung der Krankheitserscheinungen 
bei den innern Krankheiten des Menschen, bearbeitet 
von Dr. A. Moser. 1345: 2 Tblr. 





In C. GBeroid’s Berlagsbuhhendlung in Wien ift erfchienen: 


Zahrbücher 
Der Literatur. 


Hundertfunfzehnter Band. 
1846. 
Juli. August. September. 


sAuhalt des bundertfunfzcehuten Bandes. 
Art. I. Reimarques sur la langue frangaise etc. par M. 
Francis Wey. Paris. 1845. — Urt. U. Guſtav Adolf, 
_ König von Schweben, und feine Zeit. Bon U. F. Gfrörer. 
Zweite, wmgearbeitete Auflage. Stuttgart 1845. — Urt. II. 


v 








ariſcher Anzeiger. 
1846. MXXV. — 


der Brockhaus in Eeipzig erſcheinenden Zeitſchriften „Blätter für- 
betragen die Infertiondgebühren für die Beite eder deren Raum 





titerariſche 
21, Ror. 





1) Der Fruhlingsgarten von Mewlana Abburrahman 
Dſchami. Aus dem Perſiſchen übertragen von Bttocar 
Maria Brhrn. v. Schlehta-Wffenrd. Wien 1846. 

Chrestomathia persica edidit et glossario explanavit Frideri- . 
cus Spiegel. Lipsiae 1846. — Art. IV. Deutfche Geſchichte im 
Zeitalter der Reformation, von Leopold Ranke. Bierter und 


* Fünfter Band. Berlin 1843. (Schluf.) — Urt. V. Die beut- 
i 833 Ortsnamen ꝛc. Bon Dr. Joſeph Bender. 


Siegen 
— Urt. VI. gFranzoͤſiſche Staatsgeſchichte von 8. u. 
Warnkoͤnig. Mit zwei —S—— Bafel 1846. — 
Art: VO. 1) Aeschyli Orestea etc. Recensuit. F. A. Paley. . 
Cäntabrigiae 1845. 9) Des Aesohylos Oresteis, Griechisch 
und Deutsch von Johannes Franz. Leipzig 1846. 3) Aeschyli 
Eumenides recognovit et notis instruxit @. Linwood. 0x0: 
nii 1844. — Urt. VII. Anfangsgründe der chinefiſchen Sram: 
mati, von Stephan Endlicher. Bien 1845. — Urt. IX. 
Ein Bild_aus den Dftfee- Provinzen, oder Andreas von Löwis 
of Menar, von K. 2. Blum. Berlin 1846. — Art. X. Wei: 
mars Mufenhof von Wilhelm Wachsmuth. Berlin 1844. 
— Art. XI. Sefammelte Schriften des Wilhelm von Nor⸗ 
mann. Zwei Theile. Leipzig 1846. — Art. XU. AU emeine: 
Eulturgefchichte der Menfchheit, von Guſtav Klemm. Bierter 
Band. Leipzig 1846. (Schluß.) ' 


Suhalt des Auzeige⸗Blattes Mr. OXV. 


I. Epigrappifche Excurſe. Bon 3. ©. Seidl. (Fortfegung.)‘ 
— H. Andeutungen über einige vaterlaͤndiſche Nechtebücher des 
Mittelalters.” Bon 3. P. Kaltenbaed. — Tl. Däs neuent- 
deckte heidnifch-alemannifche Zodtenfeld bei Oberflacht in Schwa- 
ben. — IV. Ueber das urfprünglihe Doppelelement der Be: 
völferung zu Galtür in Tirol. Bon Joſeph Bergmann. 


BBRAHID2. 
Zaschenbuch auf das Jahr 1847. 
Nene Folge. Neunter Zabrgang. 
it dem Bilbnifſe Berthold Auerbach's. 

8. Eleg. cart. 2 The. 15 Nor. | 


Anhalt: 1. Sibylle. Rovelle von A. von Sternberg. — 
3. Interlafen. Novelle von Therefe. — 3. Imagina. Novelle 











aus Louifiana von F. Berfläder. — 5. Die Frau Profeſſorin. 
Erzählung von B. —*8 


Bon frühern Jahrgaͤngen der Urania find nur noch. einzelne . 
GEremplare von 1831, 1836 — 38 vorräthig, die im herab⸗ 
gefehten Preiſe zu 12 Ror. der Zahrgang abgelaffen wer⸗ 
den.” Der erfte bis achte Sahrgang der Reuen. Folge koſten 
1 She. 15 Rgr. bie 2 Thlr. 

FJ. A. Brockhaus. 





von ⏑⏑⏑——— 


. 


Attgemeines 


Bücher Kerken « dr. | en 


1 rue ganz ausgegeben war, bereitö geworden, 


Wilbelm Heinfius 
Reunter Band, welcher die von 1835 bie —8* 1841 
erfchienenen Bücher und die Berichts gen: Bi Er- 
ſcheinungen chth 
nl Gerausgegeben von” 
Otto August Schul. 
Erfie bie nen * Bisfeeuug, 
0 
Gr. 4. Geh. Jede Lieferung auf Druckpap. 25 Ror., 
3 auf Schreibpap. IThir. 6 Nor. 
n fieb de des „Allgemeinen ilon“ 
* —ãx se) AR jett zu ‚en Büher: Eerilen“ 
Sen cr Bi n Preife für 20 an: ai erheltegz: auch 


* 


werden einzelne Baͤnde zu ver en. 
Der achte Band. BEN A die von ren “ 
d- esfhlemenen Bier, enthält, en N —*5 — 10 Str: 


15 Mer, auf 
Eeipzig, im Deceniber 1840, 


20 Rgr. 
J.aa. Brodjant, 


" Fücer- Derfteigerung. 


Am 11. —3 — 1827 werden in Aſchaffenburg die 


| lafienen liotheken der Sercen eih. von Mer 
eu prct: Di Dllhanier — 6 
—— — dei vor zum Theil ſehr fel- 
ı nesund wertboolle aus 

era Medicin, Kun, Landw ea) 

——— Böen goes der Katalo Werke au 

iſt buch alle vare und B Budbanblungen von Th. er: 
gas in Aſcha {m urg zu beziehen. 


Refeciztel, Reihbibliothelen 
und alle Freunde ausgezeichneter ſchonwiſſenſchaftlicher Literatur 


machen wir aufmerkſam auf die 


Neue billige Taſchen⸗Ausgabe 
u d 4 „ 
zum * Rat a ni mit — — — 
in ſchoͤner Ausſtattung, unter, dem, Jitel: 
Charies Seal Sealsfield's 


— Serke. 
— * 


yeeseben heile. —* 
—— in dritter 


er Begitime un "ie uhftane 3. Eu 

Be y und — aͤten. 3 Xhle. - 
orton, oder die are —* 2 2. 

Sehendbildet' auß DE wWeRGchin. Hewiiphäre. 3 Ihe 
(Howarb’s Brautfahrt. Douppiy's Brautfahrt. Pflan- 
zerleben, "Die Farbigen. Mithen, der SquattereMe⸗ 


D i6 d Ausgabe — 
im he en Bl Ta Bude 














, —— 


Scheukel, Dan. 


Milologie, Geſchichte, 
3 , 7— auch aus 


gi. 1 Def bihe ned 


u wenig alen 

Bea Bögen —* ai 
* in’a 

FRE Zunge: Kas der — ahme, ehe I an 







vorliegt, tlich erwarten, 
Sealeelds — bald in den —— — einge 


7 Fäthigi in allen Buchhandlungen Drutfd- 








© vaul.d: & Dcher 
vo Tr a een. —— Han 
Räber, Dr. Vu elie Hemmerlin m 
Zürie. 2 Thit EB: Berl A 54 Kr. 
7” Bir erlauben und befonders alle Theologen 4. ur 
intereffante Biographie eines bedeutenden, Seitgenofien 
efozmafion angelegentiich aufmerkſam 2 machen. 

L —— Gei Allg. 
keit und: Nie « olifen. Zweite pi 
einen Anhang betirkit Standpunkt des peſ 
tiwen Chriſtenthums und fein Gegenſatz“ w 
mehrte Auflage. 22 Rgr., oder EI. 15 

Goldener Halsſchmuck. Eine Mitgabe für ar 
ee a Sungfrauen zur Admiſſion. 3 Au, 
oder. 1 





‚Zwingli, ‚ Huldeeig, Kurze Inteeseifug 


tebe 1 fi a. aba iſchen Ayhe 
erziehen joe, Zw m @ 

Aömen aus Zwingifs —* — —* rte Auflaw. 
6Ngr., oder 21. Mr. 





Magajin für die 
Bitaraiue des Tuslandı. 


| Geraußgeber: 3 Echmenn; Berger: WBeit & un | 
na Mein, - 


Jaͤhrlich 156 Blätter i in * mehr .al6 ein) Mi ee | 


aungen der —— 6 gr Phi 


eagraphi 
(pie ınd (6 - der Fr —— 
der, Nordqmeri nie, Ohm 
Stan ꝛc. mit ſteter 5 auf us inungen ft 


i8 bei allen Yoftämter e Yörteanfjätu! 
w in : BER ——— — 





Reifen in. Dünemart 





und. den, Herzts wine 
Sälcswig um ung Solfein. 


3.% [3 
am. i m m eo - 
0: 8. . 6 Chr. - . 
Rt dein ſdeben antirgehehch Yin Wande jegt | 
A —— Pr Haͤnden —X 
2eiis, im December 1 
- & 3. Prodhau 








In. Unterzeichnedens find fetben tefüienm und Dusch alle Muchdandiniigen daiehen: 


Ders, Der 


Ein: rbeiniſche Geſchichte 


v 





Sch 


Bil. Abentenern 


DT I 02 —. — . ey wre ea ” 


Bi Soiufrier Ainkel. 


Elegante Broſch. 


15 Nar., oder 48 Kr. 


In engliſcheni Einband nit Goldſchnitt 26 Ngr., oder + 9. 24 Kr. 





. > 0 Don Earl,  - 


Iuſfaut von Spanien. 
on Ein dramatiſches Gediht Be 


.e 
. 





Schiller 





Glegante Aaſchenauegabe in englifchem Einband mit Goldſchnitt und einem n Suhilich 
Preis 2 Ehre, vr 3 Fl. 12 RE 


wat fi) fowel in. Format: ale tupogr 


Stuttgare und Tübingen, im Rovember 1846. 


x Ausſtattung den bereits erfchienenen Theilen unſerer mit ſo allge⸗ 
meinem Beifall aufgenommenen Mintaturbiblisthet aufs genaueſte anfchliehen. 


I ©. Cotta'scher Verlag. 


‘ 





In meinen Berlage iſt atglien und‘ durch alle Buchhandlungen 
F zu erha 


Yaris und die Alpenmelt. 


8b exef e 
Verfofferim der „Briefe ans dem Süden’ x. 
Sch. Gr. 12. 1 Thlr. 26 Nor. 
Eriprig, im Dreember 184 
86. A. Brockhaus. 


—&ã — —* Zeuſniſt 






IV. Seenen I. Aus —— Deut. E. einien— Ju ſonterieregi⸗ 
ments Erzherzog aan Karl Rr.52. I) Se bei Gomblon 
am 31. Dttober 1804. 2) Im FEN l in Italien 
U. Aus ber — des 8: E. Grenz⸗Hi hinvensegimenti. 
3) -Überfat auf Dachau am 7. September 17W. 4) Zreffen 
bei Memmingen am 32. September 17%. 5) Xreffen bei 
Beingartn am 30. September 1796. — V. Reueſte Militei 

veränderungen. — VI. Miscellen und Notizen, Nr. I und 


Geis des Jahrgangs 1846 8 Thlr. oder 12 Fl. C⸗M. 
Draumũller & Seidel 


in Wien. 


In meinem Berlage erſcheint foeben und it in allen Buchhand⸗ 
ügen: zu⸗ 






Reuntes Heft. 1826. Beridte 

Dieſes focben erichlunues Koeft enthäistichgrnbe Aufläge: über die erſte suangelifide: 
l. Der Feldzug 1800 & Stolien. Dritter Abſchnitt. Mit 
rei Plänen. — 1. Genen, „der Geſchichte des k.k. Bu Gene: e Gen 
—— ren Seller Mr. 4 — — ügen 1793 — 98. 

Be Ener —— —— “rn ——— nei 
ei MWBeiersheim vom 20.— 3. Kovember . echt bei e 
Beieröheim. am. 25, Aue‘ ® te bei —2* — von Reh teten ⸗ 


7 Ihe 


‚ückzug von der ra Pr un ee he * * 
de December 1793. — + 

m, aus Vorgoferte am 3. Sun 17 er Däßfenige wos 
ve und im, vend, audy nad der Action zu ohſerviren. — 


Bari; 
* * bei 6 


.&ustav. rüger, 
piarre zu Schentenbätg, no deu: Senenalfigipte. 
En & Geh, ' 


— kb: Ngri 
wu. December 1688 ur 
, A. Aiochfon, 


' 





- . 


In meinem Verlage ift neu erfdienen und durch alle Buch— 


- Ber aufmerffam, das zum gründlichen Verſtändniß diefer 
herrlichen Dichtung viel beitragen wird und eine allfeitige 


. Handlungen zu erhalten: 


Bilder im Mooſe. 


Novellenbuch 
von . j 
Qulius Mofen. 
Zwei Theile. \ 
Gr. 8. Geh. F The. 18 Nor. 


Bon dem Berfafler erfchien früber bet mir: 
. Gedichte. | 
Zweite vermehrte Auflage 
Gr. 8. 1843. Geh. 1 Thlr. 18. Nor. 
Reipgig, im December 1846. ' 


EA 


! 





— — — 


Goeben iſt in meinem Vexlage erſchienen und in allen 9 
handlungen Deutfchlands, dfreiche der Schweiz u. ſ. w. “| 
R _ 





haben: 


Studium. E 


‚zu 0 
Gsethe’s Saul. 


Bon 
Eduard Meyer. 
Gr. 8. 21 Bogen. Geh. 1'% Thlr. 
Bir machen die zahlreichen ‚Freunde des Fauſt auf diefes 


berficht der auf die Fauſt⸗Sage bezüglichen Gegenſtaͤnde, ın 
Literarifcher und biftorifcher Hinficht, in gei er Weiſe 
darbietet. 
Eltonag, im December 1846. 


, | Joh. Kr. Hammerid). | 





Für die ‚gebildete deutsche Lesewelt- 


Bei &. ©. &. Weder sen. in Braunſchweig ift ſoeben 
. vollftändig erfchienen: 


Die römischen Satiriker. 


Für gebildete Lefer übertragen und mit den nöthigen 
Erläuterungen verfehen 
. von 9. Dunger. 
236 Bogen. Ler.-8. Velinp. Geh. Preis 2 Thlr. 
Wir glauben mit diefer erften Sefammtüberfegun der roͤ⸗ 
miſchen ©atiriker einem Läng gefühlten Mangel abzuhelfen, 
da eine von einem Geiſte Delebte, gefhmadvolle, das Ber: 
ſtaͤndniß durch die nöthigen Erläuterungen vermittelnde Über: 
tragung dieſer hoͤchſt anziehenden, im äfthetifcher wie Hiftorifcher 
Hinficht glei belangreichen Dichter bisher vermißt wurde. 





Brockhaus. | 


. Rachftehende Schriften des Verfaſſers find jegt von dericde 


Dichter und Kaufmann. . Ein Lebensgemälde. # 





Drud und Verlag von F. . Brockhans in Leipzig. 


örund, Ganbbudh für Auswanderer ud 
Nordamerika. 
Zweite Auflage. 
In Unterzeihnetem ift foeben erfchienen und dur alle Bat: 
handlungen zu beziehen: 


Haubbud und BWeg weifer 
ur 


Aus wanderer 


⁊ 


Jnach den Vereinigten: Staaten von Um 


amerika und Cerxas. 


| Mit einem Battfifchen Hnpeug und einer iluniuitta dot 


n 
Francis I. Grund. 
. 8. Velinp. Brofh. reis 20 Ngr., oder I Al 
Diefes Buch gibt.den Auswanderern die ausführlihke Br: 
lehrung über alle jene Dinge und Verhältniffe von Amer, 
weiche fie vor Allem zu wiſſen nöthig haben, und wird Re w 
glei gegen Übervortheilung, Fehlgriffe im Ankauf yon kunte 
teien und Berlufte aus. Unkenntniß der Geſetze, Sitten 
Gebräuche fiher ftellen, melden unfere Landbleute in kne 
Welttheile fo vielfach ausgefent find. Auf feiner legten umm: 
kaniſchen Reife. hatte der Herr Verfaffer neuerdings Gelegerhen 


"mit manden Rothftänden feiner deutſchen Landsleute in de 


Einfifungshafen, auf’ den Schiffen felbft und bei ihre %: 
kunft in Amerika bekannt zu werden; er bat daher auf IM 
diefe Gegenftände einige Winke und Rathfchläge beigrfüst, X 
ven Befolgung er nicht dringend genug ſowol den bemitiitt 
als unbemittelten Ausiwanderern anempfehlen kann. 
Stuttgart und Tübingen, im November 18% 


3. ©. Cotta'ſcher Iris 


Bei Suber & Eomp. in St. Gallen und Bern it hie 
erichienen und durch alle Buchhandlungen zu bricht | 


. 
Die Helminen. Tragoͤdie von B. Freuler 
21 Bogen. 12. Geh. Preis 1, Thlt. 





Soeben erfeint im Verlage von F. BE. Brockben 
Leipzig und iſt in allen Buchhandlungen zu erhalten 


Schrift und Volk. 


"Grundzüge der volfsthümlichen Literatur, angefhleit 


- an eine Sharakteriftit I. P. Hebel, 


Bertholb Auerbach. 
Gr. 12. Geb. 1 Thle. 18 Nor. 
| 


Berlagshandlung zu beziehen: 
Spinoza. Ein hiſtoriſcher Roman. Zwei Theile. & 
ö g 1837. 2 Thlr. 


Bände. 8. 1840. 3 Thir. 
Reipzig, im December 1816. 
Ä F. A. Brockhaus. 





eiterarifger Anzeiger. 


1846. X xxV. 


Diefer iterarifhe Anzeiger wird den bei 9. 8. Brockhaus in Meipz 
altang‘ 


ig erfiheinenden Beitfhriften „‚Miätter für literariſch⸗ 


° und „98 beigelegt oder beigehleftet,. und befragen bie SInfertionsgebähren fir e Bude obez Deren Raum 2%, Nor. 


Il vient de paraltre chez F. A. Brookbans & Leipzig: 


Manuel pratique du Consulat. 


Ouvrage Consacr& spöcialement, ‚aux Consuls de 
Prusse et des autres Etats formant le Zollverein, 
ou l’association de douanes et de commerce 
allemande. Suivi d’un tableau des Consulats, 
qu’ont les Etats de oe union ' & l’ötranger. 


‚I A DR RRNICH. 
“Ia-8. Broch. 1 Thir. 15 Ngr. 


Ouvrages publice par fe mime édiicur: 


" Bictlonnaire ou Manuel-lexique du Dipie- 
mate et du. Consul. Par le baron V. de Uussy. 
In-13. 1846. 3 Thir. 


Misteire des progrös du dreit des gens en 
Europe eten Amerique, depuis la paix de West- 
phalie jusqu’& nos jours. Avec une introduction sur les 
progrös du droit des gens ‚en Europe avant la paix de 

Westphalie. Par Henry Wheaton. Beconde &di- 
ton, revue, corrigse et augmentde par Vauteur. In. 
1846. 4 Thlr. 


Becuell manuel ot pratique de traites, com-. 


ventions et autres actes diplomatiques, sur lesquels 
sont 6tablis les-relations et les rapports existant aujour- 
. d’hui entre les divers Etats souverains du globe, depuis 
annde 1760 jusqu'à l’Epoque actuelle. Par le baron 

de MM 


et le baron . de Uus En cin 
vols. En vente: tomes 1 &4. In-8. 1846. 10 . 16 Ngr. 
Guide diplomatigue. Par le barın Oh. de Mar- 


tens. ? vols., In-8. 1833. ‚4 Thlr. 15 Ngr. 


Uauses. edlöbres du drölt des gems. Par de 
mdme. .2 vols. In-8. 1827. .4 Thlr. 15 Nor. 


Monvelles eauses eelebres da dreit des 
ar Ze möme. 23vols. In-8. 1843, 5 Thir.1 





Bulwer’6 neneſter Roman, 


Eoeben erſchien bei Mepler in Stuttgart: 


Lueretia 


oder die Kinder der. Nacht. Roman von E. £. Bulwer. 
Aus dem Engl. von Th. Delkers. In Schiller⸗Taſchen⸗ 
rmat. iſter Theil. (Auch unter dem Titel: WBulwer’s 
fämmitliche Romane. 68ſter Theil.) 5 Sgr., ober 18 Kr. 
Lurretia wird in biefer Aus th 8 eg I e anfefien. die 


mil follen. — Hand- 
—— —8 , ou 


s 


u 


Soeben find bei den Unteneineten 
Buchhandlungen zu be 


Kaiſer Karl der Sroße 
das frankioche Fungfrauenherr. 


Ein Beitrag zum unvergaänglichen Lobe ber Grauen 
in 2. Siebern 


Brauentob dem Büngern. 
Schön broſch. 2 Thlr. 6 Ngr., oder 3 Fl. 54 Kr. 


Columbus. | 
Mile diaus 


Solomon Sobler, 
‚ Berfaffer der .. Enkel Bintkeisieb’s’. 
8. Brofch. 3 Thlr. 9 Ngr., oder 4 FH. 


Meyer & Beller in Zürid. 


Wir empfehlen zum Schulgebrauch und zur Unterhaltung das 
Röpertoire 


du theäfre francals ä Berlin, 


weiches bis jetst 328 der besten Komödien, Vandevilles, 
Tragödien und Dramen von Scribe, Dumas, Hugo, Meles- 
ville, Delavigne, Ancelot, Sue,Bayard, Ponsard, Duport ete., ' 

die ischen, Komödien yon Moliöre, Beaumarchais, 
Beognard, un e) Tragödien von Coraeille, Bacine, 
Voltaire etc, enthält. Wir fahren fort, alle in "Paris und 
hier mit einstimmigem Beifall gegebenen Stücke darin auf- 
zunehmen. - Su becriptionspreis für 6 Nummern (6—8 voll-, 

ständige Theaters o gr.8.) 1 Thir., einzeln à 5—10 Ser. 

Verzeichniss des Repertoire gratis. 

Thedtre 2 50 comédies. Kl. 18. à 2) Sgr. 

Durch aBe soliden Buchhandlungen zu haben. 


en unb durch alle 





ne. |- Ä 
Ner Schlesinger’ sche Buch- und ‚Musikshandlung 
in Berlin, 





Im Berlage von Wr . Aockhaus in Bei ift er · 
ſchienen und in allen Buchhandlungen zu erhalten: 
Guell CR.), Einleitung in die Mifferen⸗ 
tial⸗ un Sntegraleehneng, Erſter Theil. 
(Vom erften Differentinlgnotien) Mit 3 lithogra- 
phirten Tafeln. Gr. 8 3. Geh. 1 Thlr. 12 Ngr. 


In demfelben Verlage eſchien von dem Berfafler: 
- Mit 6 lithographirten 
Geh, | Shlt. 5 Nr 


* 1841. 








‘ D 


Schmal gr. 4. 


Das Pfennig-SMagezin 


r. 
Belehrung und Unterhaltung. 


Uene Folge. Vierter Jahrgang. 1846. 


Preis des Jahrgangs 2 Thlr.; des 
Monathefts 3 Nor. 


Böhentli cheint eine Rummer. Inſertionsgebühren 
ür dm — einer Zeile 4 -Ngr.; en werben mit 
Y%, Thlr. für das Zaufend berechnet. 


Rovember. Nr. 201 — 204. 
Anhalt: *Das Martinsftift in Erfurt. — Die Weiber von 
Weinsberg. — Begräbniß eines birmanifchen Prieſters. — Das 
Märhen von Eli dem Schmied. — * Aus dem Volksleben 
Reapels. — * Aurikel — General York und feine Grenadiere. 
— Ein Weltwunder. — Der Auerochs. — Ein echter Becher. — 
UndanPbarkeit eines Hundes. — Die Arbeit. — *Priedensthal 





” bei Pyrmont. — Die goldene Repetiruhr. — Rordamerike. — 


* Der auftralifche Ameifenfreffer. — *Ricolad Pouffin. — Die 
GSottedurtheile. — Aus dem Kriegsieben. — Hafe und Mar- 
der. — Die verfchiedenen Maßverhältniffe der Menfchenracen. 
— *Ernft Augufl, König don Hanover. — Statiftifches über 
die Schweiz: — Ein gelehrter Schmied. — Die Vegetation in 
Sibirien. — * Der Biebenjährige Krieg. — Über den Einfluß 


- der Eifenbahnfahrten auf die Gefundheit. — * Freiburg an der 


Unſtrut. — Die Reptunstaufe. — *Die kaſanſche Kirche in 
“ Hetersburg. — * Der tranduranifche Planet. — Straßenbau in 
- Amerifa. — Miscelien. j 
Die mit * bezeichneten Auffäge enthalten Abbildungen. 





Die erſte aus 10 Zahrgängen beftebende Folge 
des See . al une im Beeite —— es: 
L—X. Sand (1833-42) zufammengenommen 10 Thir. 
L—V. Sand (1833-37) zufammengenommen 5 Thlr. 
VL-X: and (1838-42) zufammengenommen 5 Thlr. 
Einzelne Jahrgänge 1 Thlr. 10 Nor. 
Der Neuen Folge erfter bis dritter Iahrgang (1843 — 45) 
i . Eoften jeder 2 Ihlr. 
Bu herabgeſegten 
Dfennig-Mlagazinfür Kinder. 5 Bände. 2 Thlr. 15 Ngr. 
National - Klagazin. ı Band. 20 Nor. 
Sonntags- Klagazin. 3 Bände. 2 Thlr. 
Die legtern beiden Werke zufammengenommen nur B Ihle. 
Eeipzig, im December 1846, . 
3 U. VBrockhaus. 


Bulwer’s neuester Roman: 


Lucrezia oder die Rinder der Nacht. 
Auf Beranftaltung bed Berfafferd 


aus dem Englifhen überfegt. 
In 3 Bänden. 12. Geh. 3 Thlr. 
iſt heute in unferm Verlage erfchienen und dafelbft fowie in 
allen Buchhandlungen zu erhalten. . 
Merlin, den 5. December 1846. 


Dunder & Humblot. ° 


eifen find fortwährend zu beziehen: 


-| Tunden deutfcher Kaifer und 


In @. @ersib’s Berlagsbuchhandiung in Wien iſt ſoeben 
erſchienen und bafelbft ſowie in alen Buchhandlungen Deuts. 
lands zu haben: . 


Repertorium 


t der 
Photographie 
photograp 
| . Martin, 
k. k. Guſtos an der Bibliothek des Polytechniſchen Inſtituts. 

Enthaltend: 
Anleitung zur Photographie auf Papier. 
er Photographie auf Metall. 

Wien 1848. 

12. In Umſchlag broſch. Preis 20 Ngr. (16 gr.) 


Der Berfafler hat fih feit der Bekanntmachung der 2: 
guerre’fhen Methode die Bilder der Camera obscura zu firirn 
vielfach mit diefem Gegenftande befchäftigt, und bei dem m 
legter Zeit neuerdings erwachten Intercfle für die Photographie 
auf Papier dürfte feine Schrift allen Freunden diefer Km 
eine willtommene Erfcheinung fein. &ie umfaßt alle von ben 

rten in den verſchiedenen Beitfchriften angegebenen Rt 
thoben, und ra in einem eigenen Abſchnitte die Er: 
rungen des ers in beutlicer, ausführlicher Be: 
veilbung. Die Bilder, weldhe man nad diefer Methode cr: 
It, entiprechen vollkommen. den Anfoderungen, die man az 


1. Bolfänbige 
IL Kiteratur 


‚diefe fhöne Kunft zu machen berechtigt if. Man Fann auf 


diefem-Wege Portraits erzeugen und Anfichten- von Gebäuden 
aufnehmen, in welcder legten Beziehung die Methode für Re 
fende und Architekten bei weitem einfacher und iſt al 
die Daguerre’fhe. Zum Schluffe findet der Lefer Die Literstt 
der Photographie auf Metall nach den verfchiedenen Dperatic 
nen zufammengeftellt, durch welche Einrichtung dieſe Schrift 
nicht nur für den Photographen intereffant wird, fondern ach 
einen felbftändigen wiflenfchaftlichen Werth hat. - 





J iedrich Wolke’s Buchhandlung in Wien, Et 
im la 875. iſt foeben an m duch alle Bud- 


andlungen zu beziehen: 
Beiträge zur Siegelkunde des 


Mittelalters 


von 
Dr. Edyard Melly. 

Erfter Theil, nebft dazu gehörigem Anhange: Bater- 
ländifche Urkunden, Iftes Heft, enthaltend 111 tr: 
Önige, Öftreichifcher un) 
anderer Regenten. 

44 Bogen in gr. 4., auf feinſtem Velin, mit 12 Kupfer⸗ 
tafeln und 20 Holzfchnitten. Ladenpreis 3 Thlr. 22, Ar. 
| . (3 hr. 18 gr.) 

(Einige auf franz. fatin. Schreibpapier gedruckte Eremplar: 

a 10 Thlr.) 


Wir erlauben uns die Borfteher von Wltertbumd: und br 
De —— 
reunde enner mittelalter x t 

und Gefcihesforfgung auf das Erſcheinen diefed Werkes aul- 
am zu machen, deffen nächſter Band zur Dftermeffe 184: 


zu erwarten iſt. 





| 


Hebel's Schatzkästlein mit Holzschnitten. 
In Unterzeichnetem iſt foeben erſchienen und durch alle Buchhandlungen au beziehen: u . > 


Schetkäftlein 


des rheinifhben Haußdfreundes 


u von | 
oo J. P. OH ebe I. j . 
| Mit 60 Holsschnitten. | . 


8. Broſch. Preis 1 Thlr., oder 1 Fl. 36 Kr. u 
. Der Rame des unübertroffenen Bolksͤdichters und einfachen zum Herzen redenden Erzähler überhebt ans jeden Lobes dieſes 
ebenfo zweckmaͤßig bearbeiteten als Törnigen, inhaltreichen Lefebuches, das Durch feine ſchoͤne Ausftattung zu einem’ würdigen Feſt⸗ 
gefchen? fi ganz befonders eignen dürfte. u | 77 
Gtuttgart und Zübingen, im November 1846. 


I. ©. Eotia’scher Verlag. 





Weihnachtsgeschenk für die Jugend. | Kkeın Sl Anarneng um Abkmegn, Der ünterf 


en zugäng 








| In allen Buchhandlungen ift vorrätig DH Probenummern des neuen Jahrgauge 
der vollftändige erſte Band (Jahrgang 1846) der | en tue und Por: 
Illüſtrirten Keipzig, im December > 
* . rochhaus & ins. 
Beitung für die Iugend. hans & Ancnarins 


Herausgegeben Im Berlage von C. O. Beisier in Bremen ift erfchienen 
unter Mitwirkung der beliebteften Iugendfdrrififteller und in allen namhaften Buchhandlungen Deutfchlands vorräthig: 





von Magel, W. (teformirtem Prediger zu St.Nemberti 
QSulius Rell,. in Bremen), Erbauungsſtunden. Zufammenftellung - 
"I von Predigten. Gr. 8. Geh. 2 Thir. Ä 
52 Bogen mit etwa’ 250 Iäuftrationen, in ſchmal gr. 4. Die befte Empfehlung gibt wol der Ruf des Verfaffere nd? .” 


auf feinſtem Belinpapier. ber tie Snbale bes Wertes, als: Die Ben Waffen» 
" rüftung. — Das Neue Zeftament. — Die chriſtliche Gemeinde. 
In Alegantem anne gog Fr I fanber — Die Vernunft. — Die Getöfung. — Die Berföhnung. — Die 
gedunden gt. Reihtfertigung aus dem Glauben. — Die Gnade Gottes in 
— Chriſto. — Der Ruhm der chriſtlichen Gemeinde. — Der Gruß 
Der vorliegende vollſtaͤndige Sabrgeng unferer Unterbar des Paulus. — Der. Kern ber Religion Iefu. — Der Friede 
Beitung für bie Sugent ift das die mannihfachfte Unterhal- | Gottes. — Das Leiden der Jugend. — Weß Geiſtes Kinder? 
una gewährende alsent, nun man in einer Familie | @tis? oder Iefut — Das Maß ber ebensforge. — Das Bater 
machen Tann, wo verfchiebenen Alters find. . | Unfer. — Sprüche -der Bergpredigt. — Der Gottesbienft. — 
Beftellungen auf den neuen Jahrgang A847 werden ebenfalls | Das Abendmahl. Weihnadhten. — Die Paffion. — Der Weg 
bereits in’ allen Buchhandlungen und Poftämtern angenommen. | zum Siege. — Die Verläugnung des Petrub, unfere eigene Ge⸗ \ 
Der Abonnementöpreid auf einen Jahrgang von 52 Rummern ſchichte. — Das Bild der Welt. — Was wir hoffen? — Der 
ift 2 Thlr., auf ein Quartal 45 Not. - Srund der Gemeinde. — Der innere Menſch. 
Mit grundfäglicher Vermeidung alles Politifchen und Confeſ⸗ | 
fionelen wird der Herausgeber aud) in gukunft Durch bie gebotenen | Durch alle Buchhandlungen ift von F. WM. Brockhaus in 
Unterhaltungsgaben in Schilderungen auß der Tages- Bolker⸗ Leipzig zu beziehen: 
und Raturgefhichte, in Erzählungen, Neifefchilderungen, Mär- n “ 
chen, Dramen, Babeln, Gedichten, Räthfeln, Spielen u. f. w. |. Yülleborn (FB. E.), Das reine Chriſtenthum 
allgemeine Srenidjenbildung im böcften Sinne des Worte und die Weltreligion. Br. 8. Geh. 4 Nor. 
zu fördern ſuchen und in dem Blatte der Iugend aller Stände, Ä Zwei Abhandlungen: 1) Der 
Großen und Kleinen, Proteftanten und Katholiken, eine gefunde rn 0 — le 
Rahrung für Geiſt, Herz und Leben bieten. Die Mitwirkung Einheitstrieb als die organiſche Quelle ber Kräfte ber Na« 
der geachtetſten Jugendſchriftſteller Deutſchlands fowie die für‘ tur. 2) Das Pofitive der von dem Kirchenglauben gefon- 
unfere Beitung vorliegenden Illuſtrationen werden und in den |. derten chriftlichen Religion, durch die Einheitölchre an- 
at Teen dem yu liefete, und mir bitten Tun Sue Auer ſchaulicher gemacht. Nebft einer die Einheitsiehre als Wiſ⸗ 
n N f “ —5 
3333 des Blattes, namentlich der neuern Rummern, von dem ſenſchaft begründeten Einleitung. Gr. 8: Geh. 1 Thlr. 
Werthe, der Mannichfaltigkeit und der eleganten aͤußern Aus —— 





> 


> ’ s . 


In unterzeichnetem find ſoeben erſchienen und durch alle Buch⸗ 


handlungen zu Beziehen: 


Novellen 


von 


Eduard von Bülow. 


Zwei Theile. Er. 8. Velinp. Prof. Preis 3 EL. . 
oder 5 Fl. 15 Kr 
Aubalt: L. Der Verſtand des Zufalls. — Das Gewiſſen. — Ein 
Brößlingötvaum. — Die Brunnencur. — Die neueſte Melufine. — 
Ein WBiederfehen. — IL Das neue Leben. — Der Minh. — Traum 
um Iraum. — Die Offenbarung. — De Schat — Die. ſchwarze 
Rurg/ 

Der Herr Berfafler entwidelt in diefen Novellen die innere 
Sea te eines halben Lebens, welches die hoͤchſten Fragen fei- 
ner Beit und feines Dafeins in fih aufnimmt, fie poetiſch⸗indi⸗ 
viduell beantwortet und loſt. Es Heat in benfelben gewiß nicht 


iger Eonfi als Behaktung, wie bis 
einem ——,— * andere fein dem es en 
Br Ernſt mit fih —A iſt. Einzelne — find for 
eut in Be ienen, im Yubliom 
wir con in m —— — * ſo großer uud 
orden, 
te und umgearbeitet AL ee Deckung —* 
werden 
Stuttgeet und Zäbingen, im Rovember 1846. 
3. G. Cotftoꝰ ſcher Verlag. 





Bei — in Berlin iſt 
Seide ſowie in allen Buchhandlungen zu haben: 


Deich von, fifeli 
De —— — über ——— 
Saſferdrus. Geh. Preis 7%, Ari 









Comverfations: Lexikon. 





Neunte, verbeſſerte und ſehr vermehrte Sriginalauflage. 


vollſtündig in 15 Bünden, 


Diefe neue Auflage, welche den Inpalt aller frühern Xuflagen und Supplemente bes Gonverfationt- 
| Lexikon in fich aufgenommen bat,.wird ausgegeben: 


1) in 1280 Seften, von denen monatlich 2 erfcheinen, zu dem Preife von 5 Ngr. 
Erſchienen: 90 ‚Hefte. 


2) bandweife, der Band auf Drudpap. 1 Thlr. 10 Ngr., Schreibpap. 2 Thlr., Velinpap. 3 The 
Erſchienen: 11 Bände. 


In einer neuen Ausgabe - 


8) in 240 Wochenlieferungen, zu dem Preiſe von 2; Ngr. 


Erſchienen: 60 Lieferungen. 


SCH Subferibentenfammler erhalten in jeder Ausgabe aufl2 Exemplare 1 Freierempiar. 





An alle Auflagen und Nachbildungen des Converſations⸗ Lexikon ſchließt fi an: 
Systematischer 


BILDER 


eu ATLAS. 


Vollständig. 500 Blatt in Ouart, in 120 lieterungen, 
zu dem Preiſe von 6 Nee. 


Erſchienen: 
_ ceirus, im December 1846. 


68 Lieferungen. 
F. A. Brockhaus. 


Druck und Verlag von F. . Wiodhans in deipris. 


ſoeben erſchienen und de 











Piterarifger Anzeiger. 


1846. M XXVL 


Diefer Literariſche Anzeiger wirb den bei F. SE. Srockhaus in Beipgig erſcheinenden Beitfchriften ..Mtätter für Fiterarifihe 
Untenpaltuug und „SB“ beigelegt oder beigeheftet, und betragen bie Infertionsgebühren für die Seile ober deren Raum 2% Ror. 


Deutſche Allgemeine Zeitung. 





Auf dieſt auch im Jahr 1847 unter der Redaction des Profeſſors F. Bülan in der bisherigen Weiſe erſchei⸗ 
ende Zeitung werben bei allen Poſtaäͤmtern und Zeltungsexpeditionen des In⸗ und Auslapndes Beſtellungen ange⸗ 


nommen. 


Maßgabe ber Entfernung von Leipzig erhöht. 


Der Preis besagt in Sach ſen vierteljährlich 2 Bhle.; in ben übrigen Staaten wird derfelbe nach 
Die Infertiondgebühren werden für den Raum siner Zelle 
mit 3 Mor. berechnet. | | 


F. 3. BSrockhaus. 





Gerben find hei den Unterzeichneten aun complet 
x... mb Dundh alle Buöhanblungen zu beziehen: 


vii Philostrati 


quae supersunt | 
Pkilesirati junzoris Imagines Callistrati descrip- 
tiones 
edidit 
C. L. Kayser. 
4. maj, Brosch. 8 Thlr. 9.Ngr., oder 15 Fl. 
Diefed Werk reiht fi dem- Formate nach an unfere beliebte 


Quartauſgabe von Plate, Ed. Orelli, Baiter et Winckelmann. : 


v 


C. Lueilii 


Salnrarum Reliquae. 


Edidit, auxit; emendavit 
- Er. Bor. Gerlach. 
8. 2 Thir., oder 3 Fl. 36 Kr. 


Meyer & Zeller n Züri. 





In Upterzoichnetem iſt ſoeben eufchienen und durch alle Buch⸗ 
handlungen zu beziehen: 


Die 
Seherin von Brevorft, 


Eröffnungen über das innere Leben des Menfchen und 
über das Hexeinragen einer Geifterwelt in die unfere. 
Mitgetheilt. von 


Fftinns Merner. 
Vierte vermehrte und verbefferte Auflage. 
Mit 8 Steintafeln. 
Preis 2 Thlr. 15 Ngr., oder 4 Fl. 

„Wenn diefem merfwürdigen Buche”, ſchreibt ein tichtiger 
Mann, „eine keiner anzen Zendenz mehr oder weniger ent- 
gegenflehente frühere ng und Geiftesbildung nicht voll⸗ 
fommenen Eingang in 








Semüther verfchaffen Eonnte, fo bat 


eB dod$ Sbekau ein tiefes Eingehen in ſich ſelbſt 


'befßrdert, eine 
Menge Fragen im Innern hervo unb ben 


Blick auf 


Megionen des menfchlichen Geiſtes und Gemüthes hingezogen, 


bie früher entweder gänzlich unbeachtet blieben, oder doch kaum 


eines leichtfertigen, oder wol gar verächtlichen Seitenblides ge: 


‚würdigt wurden.“ 


Diefe neuefte Auflage ift durch geiftreiche und intereflante 


Bergleihungen und Erdrterungen eines unferer tiefften Natur: - 


forfher vermehrt worden. Der zweiten Abtbeilung der „Er⸗ 
Öffnungen über das Hereinragen einer Geifterwelt in die unfere‘‘ 
find noch Bemerkungen beigegeben, die von den fpätern Jor⸗ 
Ihungen des Seraußgeber& in biefem Felde fprechen und haupt: 
fächli den Wunſch ausdrüden: es möchten dieſe Phänomene, 


wie der Verfaſſer fpäter verfuchte, mehr auf naturforfcherifchen 
Jals veligiöfen. Boden gezogen und auf folchem verfolgt und wei⸗ 
1 tes exforfcht merden. : 


Stattgart und Küblngen, im Rovember WM:  - 
3. ©. Eotta’iher Verlag. 


Im Verlage von A. DB. Geisler in Bremen ift erſchienen 


| und in allen namhaften Buchhandlungen Deutfchlands vorräthig: 


| Dr ®. Bob. 
| Geschicht 
verbefferte Auflage. Gr. 8. 18 Bogen, 12. Rgr. 


Walh. Schacter, Grundriss der 
e der deutschen Kiteratur. Bierte 





(10 g@r.) 
Das einjtimmige Urtheil der Kritik und bie weite Ver: 
breitung dieſes Grundriſſes hat über den Werth deffelben (ängß 
9 


entſchieden. Er erſcheint in dieſer pierten Auflage ſorgkaͤlt 
"ro (egifihen Tabellen vermehrt. Den: 


verbeflert und mit chrono 
noch Äft der frühere niedrige Preis beibehalten worden. 





durch alle Buchhandlungen zu erhalten‘ 


eu erfchien foeben im Berlage von . A. Wrodbaus in 
Leipzig und ift ⸗ 8 


Allgemeine 
Kirchengefchichte. J 


It 
€. W. Niedner. | 
Gr. 8. 3 Thlr. 24 Rgr. ı_ 


> 





⸗ 


Zu 5 Kr., oder 87% Sgr. das Bändchen 


erfcheint bei Meier in Stuttgart eine neue Eabinets: 
oo auögabe von 
2 ⸗ 
Bulmwer's ſämmtlichen Romanen 
Aus dem Engliſchen von 
Br. Notter und Guft. Pfizer. 

Dieſelbe wird 96 Bändchen enthalten, die zu dem hoͤchſt bil: 
ligen Preife von 5 Kr.’ oder 1% Sar. das Bändchen in 16 
Lieferungen ausgegeben werben. Zitelbilder find diefer Ausgabe 
nicht beigefügt: Jede Lieferung enthält einen vollftändigen 
Roman, die legte die. kleinern Novellen. Ale 14 Zage er⸗ 
ſcheint eine Lieferung. Die erſte Lieferung, Eugen Aram 
in 6 Bändchen, ift ausgegeben und vorräthig in jeder Bud): 
handlung. , » 


Mit 15 teefflichen Stablflichen, 
die als Titelbildet zu jedem der 14 größern Romane eine 
Scene deffelben und Bulwer's Bildniß darftellen, koſtet die 
_ Kabinetsausgabe von . 
Bulwer's fämmtlichen Romanen, überfegt von Not- 
ter und Pfizer. 96 Bändchen mit 15 Stahlſtichen. 
6 zb. 12 gr‘, oder 9 Fl. 36. Kr. 





Diefe Ausgabe "mit Stahlftihen liegt bereits complet vor, 


und ift fogleih »ollftändig zu haben in allen Buchhandlungen 
Deutichlands und bed Auslands. 





- Leipziger kKepertorium 


der deutschen und ausländischen Literatur.- 


Herausgegeben von E, @. @ersdorf. | 
1846. Gr. 8. 12 Thir. 


Wöchentlich erscheint eine Nummer von 2—3 Bogen. 
Insertie bühren in dem dieser Zeitschrift bei- 
ebenen „Bibliographischen Anzeiger“ für den Raum einer 
Gele 2 Ngr.; Beilagen werden mit I Thir. 15 Neger. 
berechnet. 








November. Heft. 45 — 48. 
Inhalt: "Theologie. Baumgarten-Crusius, Commentar über 
die vier Evangelien und über den Brief an die Galater. — 
Cureton, The autient Syriac Version of the Epistles of St. 
Ignatius. — Cureton, Vindiciae Ignatianae. — Redslod, Der 
Schöpfungsapolog 1. B. 2, 4—3, 24 ausführlich erläutert. 
— Ritschl, Das Evangelium Marcions und das kanonische 
Evangelium des Lucas. — Schenkel, Das Wesen des Prote- 
stantismus aus den Quellen deg Reformationszeitalters dar- 
gestellt. 1. Bd. — Schmid, Geschichte der synkretistischen 
Streitigkeiten in der Zeit des Georg Calixt. — Leibnitiana. 
Erster Artikel. — Miedioin. Henle, Handbuch der ratio- 
nellen Pathologie. |. Bd. — Stark, Allgemeine Pathologie. 
Wissenschaften 


2. Bd. — —X Doppler, 
Beiträge zur Fixsternkunde. — Jolly, Anleitung zur Differen- 
. tal- und Integral-Rechnung. — Naturwissenschaften. 


Boissier, Diagnoses plantarum orientalium novarum. — Bruch 
“et Schimper, Bryologia Europaea. Fasc. 293—31. — De 
Candolle, Prodromus systematis regni vegetabilis. Pars 10. 
— Dosy et Molkenboer, Musci frondosi. Fasc. 2. — Hooker, 
Icones plautarum. Vol, 8. — De Lessert, Icones selectae 
plantarum. Vol. 5. — Presi, Botanische Bemerkungen. — 
Presi, Supplementum tentaminis pteridographiae. — Sul- 


oe 


®» 
N 


Iivant, Musci Alleghanienses. — Geschichte. Amidt, 
Geschichte von Frankreich. "3. Bd. — Länder- nd Vök 
korkunde. Buddeus, Zur Kenntniss von St.- Petersburg 
im kranken Leben. — Les Khouan. 2. Kdition. — 
phie. Lisch, Liscow's Leben. — Reber, Felix Hemmerlis 
von Zürich. -- Schöne Künste, nge, Werke der bö- 
hern Baukunst. I. Heft. . 
Leipzig, im December 1846. ° 


F. 4. Brockhaus. 





Im Verlage der Stiller' ſchen Hofbuchhandlung in Roſtræ iſ 


ſoeben erſchienen: 

Die Lehre vom Einfluß des Proceſſes auf des 

materielle Rechtsverhältniß. LE und dogme 

tifeh dargeſtellt von Dr. Herin. Buchka. 2 Bänk. 
Broſch. eis 2% Thlr. 

Srog des großen Interefles, deflen fich der enftand der 
vorliegenden Schrift feit der —R es een G- 
jus zu erfreuen gehabt, zeigte fir) in Bezug auf Denfelben a 
der juriftifchen Literatur bis jegt infofern eine ſehr fühlbar⸗ 
züde, als die bisherigen Bearbeiter ihre Unterfuchungen nidt 
über das ältere roͤmiſche Recht hinaus erſtreckt unnd fomit de 
für das heutige gemeine Recht entfcheidend wichtige Frage na6 
ben Beränderungen, welche die Lehre feit Der Zeit der claffiſche 
römifchen Juriften erlitten, ganz" vernadpläffigt hatten. Inden 
nun der Berf. diefe Luͤcke auszufüllen beftrebt gewefen if, hat 
er die Lehre in’ allen Stadien ihrer Entwidelung von dem 
claſſiſchen römifchen Rechte an bis zur. heutigen gemeinzedktl 
hen Praris hin verfolgt. Bei diefer auf die Eruirung kei 

en gemeinen Nechtd gerichteten Tendenz des Werkd 

at daſſelbe nicht allein eine theoretifche Bedeutung , fondern 

macht es gleichfalls darauf Anſpruch, ber Braris-als willen 
mene Stuͤtze zu-dienen. 











| - Soeben erfchien: 
Achim v. Arnim’s Nachlauß. 
Ifter Band: Der echte und falfche Waldemar. 
Preis I Zhle. 20 Nor. 


2ter Band: Paͤpſtin Johanna. 
Preis 2 Thlr. 15 Rgr. 


Der Name des tiefpoetifchen Achim v. Arnim wird fr 
veichend fein, um die Aufmerkſamkeit des Publicums auf dur 
„Machilaf‘ zu lenken. 


Expedition des v. Arnim'ſchen Beriagd 
in Berlin. 





Soeben erfchien bei uns in Semmiffion und ift durch alle Bud» 


bandlungen zu beziehen: 


Yahreöbericht der Deutfhen morgenländifchen Be 
ſellſchaft für das Jahr 1845, Gr.8. Geh. ON. 


Zeitfehrift der Dentfchen morgenländifhden Ge 
ſellſchaft. Erſter Jahrgang. Erftes Heft. Preis det 
Jahrgangs von 4 Heften 2 Thlr. 20 Near. 

Auch find die Statuten derfelben fortwähren vor ur 
gratis zu erhalten. 
Reipsig, im December 1846. 


Brohhaus & Avcharins. 


- 








In Unterzeichnetem iſt eſchienen: 


Nilitair⸗Ka 


von 


Deutschland 





1 
. . 
% . . 
. ı " “ 
. R pr 


0 in 25 Blättern, | | 
auf dem topographiichen Burcau des Eönigl. bairifchen Generalftabes entworfen 


von 
Anton 
Blatt Re. 13. 
Amberg. Afchaffenburg. Bamberg Baireuth. Koburg. 


Hof. 


Die darauf vorkommenden Hauptorte find: 
Darmftadt, Frankfurt, Heidelberg. 


Alein. - Ä 


arburg. Nürnberg, Würzburg. 


_ Preis 1 Thir. 5 Ngr., oder 2 Fl. | 
Mit diefem Blatte ift die vortreffliche Karte nunmehr vollſtaͤndig erfchienen. 


Stuttgart und Fübingen, im November 1846. 


[2 


I. ©. Cotta'scher Verlag. 





Im Berlage von $. SL, Brockhaus in Leipzig iſt neu 
erſchienen und — alle Buchhandlungen —— : 


Baltiſche Briefe. 
Zwei Cheile. 
Gr. 12. Geh. 2 Thlr. 20 Ngr. 


Reifebemerkungen und geiftteihe Schilderungen einer Dame, 
nach engliſchen Figuen bearbeitet, die allen Denen, welche 
fih für ruſſiſches en und befonders für die Zuſtände ber 
Dftfeeprobinzen intereffiren , „eine willfommene Gabe fein 
werden. 











In unferm Berlage ift volftändig erſchienen und an alle Buch⸗ 
bandlungen von uns verſchickt worden: 


Borlefungen über die Geſchichte 
n der W 
deutſchen National Literatur. 


Von 
Dr. A. FJ. T. Bilmar. 

Zweite mit Anmerkungen und einem Regiſter ver⸗ 
mehrte Auflage. 
45, Bogen. Gr. 8. Velinpapier. 
. oder 4 1. 30 Kr. . 
Wir können nah dem Urtheile unparteiifcher, fachkundiger 
Männer in diefem Werke ein mit tief eindringendem Geifte, mit 
ründlicher, wmfaflender Kritit ausgearbeitete, alte und neue 
* be reifende deutſche Literaturgeſchichte darbieten. Sie iſt 
ür Alt und Jung ge net, ein Hand, Lehr⸗ und Leſe⸗ 
ud, ein Derz un p bilbendes Werk für bie Jugend, 
ür bie Söhne und Töchter folder Familien, welde eine 
dle Belehrung und genußreiche Unterhaltung wünſchen, 
bon auch deswegen, weil, was in Geſchichtswerken fo felten 
‚ der Stil deflelben blühend, Präftig, rein, die Form dem 

egenftande überall angemeffen if. Wir haben bier 


2 Thlr. 15 Sgr., 


= 


efte Über: | 
gung, mit Diefem Werke eined auf dem Bebiete der deutfchen 


Literatur auch fonft befannten Gelehrten bie audgezeichnetfte, 
geiftreichfte, gemuͤthvollſte und Punftgemäßefte Darftelung unfe: 
ver RationalsLiteratur darzureichen. , 

Marburg, im December 1846. 
Elwert’fche Huiverfitäts Buchhandlung. 





_ Magajzin für die 
Riteratur Des Auslaudes. 
Herausgeber: J. Bebmann. Verleger: Weit & Eomp: 

in Berlin. 
Zaͤhrlich 156 Blaͤtter in Fol, mehr als 600 Artikel über Erſchei⸗ 
nungen der biftorifchen, politifchen, geographifchen, Birchlichen, 
focialen und ſchönwiſſenſchaftlichen Literatur der Franzoſen, Eng: 
länder, Nordamerikaner, Italiener, &panier, Gfandinavier, 


"Slawen ıc.'mit fteter Rüdficht auf diefelben Erfcheinungen in 


oo Deutihland enthaltend. 
Preis bei allen Poftämtern (in Preußen ohne Portoauffchlag ) 
und Buchhandlungen 3 Thlr. jährlich, 22%, Sur. vierteljährlich. 
N zZ N N ‘ \ ' ' a 


Syrifche und dramatifche 


Dihtungen 


s von 


” Alwin Reinbold. 
Gr. 12. Geh. 1 Thir. 


Das traurige Schickſal des Dichters, der ſein Leben ver⸗ 
lor bei dem Verſuche, einem verungluͤckten Arbeiter das ſeinige 
zu retten (vergl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 13. Rov.), 
veranlaßt mie, nt ichtungen aufs neue der Theilnahme des 
Publicums zu empfehlen. Ich bemerkte dabei, Er ber Ertrag 

e8 Verkaufs der in bebrängten Umftänden binterlaffenen 
Witwe Neinbold’8 zu Theil werden wird. 
Reipsig, im December 1846. 





5. A. Brockhaus. 


Zeitſcrift 
hiſtoriſche Rheologie. 


In Verbindung mit ber von C. F. IIgen gegrün- 
deten hiſtoriſch⸗ cheologiſchen Geſellſchaft zu Leipzig heraus 
gegeben von 


Dr. €. W. Niedner. 


Jahrgang ahegang 1846. 
Gr. 8. Vrei des Jahrgangs in vier Heften 4 Thlr. 


8 


Inhalt des zweiten und dritten Heftes. 


Die theolo saife Doctein Wycliffe's. - Nach den Quellen darge | 


fell und il Behr von @ A. — er Ehrung 
Mm in Schw n a en 
kag su Mefenis 1027. Won I €, Möyfelist. -— Der fee 


von S. .e. wi Sn Tea fer A 

ng der. ur prünglichen n 

Monardie Bon G. &. Müller. — 
eg 


Bon ZB. Weñelv. — 
Boftra. _ "Bon. $. D. $. Fol. — Die Lehre des Eufebius 
* * * über die Gottheit des Sohnes. Aus der Demon- 
angelica durgeſtellt von EB. R. W. Klo *7 Das 
Dogma vom eili we bei nn Haͤretikern des lalters. 
Dargeſtellt von &.u Hahn. — Luthers Hausrechnung, 


— win pre dem — Stauttarhh Br 
— Bwei e 


3, a: Grläuferungen von 
. Dreigehn ungedructe Briefe Melanchthon's; aus dem Archiv 
dos icher Seminars zu Strasburg a enge. von 
awmibt. — Goelamann 6 Leben. Rad) ihm felbfk ee 
‚ben von Ch. NR. W. Klofe. — ——— —— 
Lehre, ihre Schidfale und Bolgen im Stift 
- angrenzenden Drten der buchoniſchen tern Eon im m 
: Beichigte der Reformation von @, ff. — Miscelen. 
etheilt von E. Sant 8. €. 
Ä Behhek. 


Reippie, im December 3846. 
MH. Brockhaus. 


In c. Gerold’s Verlagsbuchhandlung ia Wien ist sachen 
erschieuen. und in allen Buchhandlungen Deutschlauda zu 
eni 


Beiträge zur Lehre - 
- von den . 
Erzlagerstätten 


. mit besonderer 
Berücksichtigung der vorzüglichsten Berg- 
reviere der k. k. östreichischen Monarchie. 


Br. W ‚ihelm Fuchs, 
k. k. Bergratho und königl, Oberhüttenverwalter des ulederungari’ 
sehen Bergäiestriotes. 
Mit drei Kupfertafeln. 
Wien 1846, | 
In Umsehlag brosch, Preis I Thle. 


er die allmälige 


Staatsve g in eine 





Gz. 8. 


Der Hauptzweck dieser Schrift ist eine kritische Be- 
I euebtung der verschiedenen Ansichten über die Entstehung 


ntismus im äcftentpum Anpalt, Eine biktorifi e. 
—* ⸗ 


r den neu⸗hebraͤiſchen | 
non na5. und. bie wit ihm vorwandten Vorftellungen. 
bie Ehriſtologie des Berylus von. 





„“. hr . 


und Bildung der Eirslagerstätten, sie behandelt somit einen 
Gegenstand, der nicht blos für den Naturforscher, öondern 
bu Kane für den Bergmann vou höchstem Interesse ist. 
as Neue wag| daria über diese Erage enthalten, gründet 
ch lediglich auf eigene, und wir können sagen umfas- 
ende Beobachtungen des: Verfassers, dessen Sorgfalt in 
dieser Beziehung durch sein früheres Werk über die Vene- 
tianer Alpen (Bolothurn 1843, Fol.) jedenfalls vollkommen 
end, Brfabrungen de desselbe 
ie en esse en, aus den wichtigsten 
sevieren der Östreichischen Monarchie (geschöpft, Toranlaseı 


- die Besprechung, einer Reihe .von Notizen über die geognos- 


tischen ‘Verhältnisse dieses Staates, die seast nur ih ein- 
zeinen Journalen zerstreut, oder zum Theil gar nicht be- 
kannt, hier streng geordnet. sich gesammelt finden. 





Soeben verlieh Die Preſſe Pa Wurde an alle Buhbandienge 


M. von Lhibiage's 
Geschichte der berühmteften 


Ritterhurgen und Schlüffer 


Frankreichs, Englands, Deutſchlands, der ‚Schweiz ıc 
Mebſt deren undden ern 


Hefdenthaten ihrer Beſitzer. Deutſch von 2, 
Zwei Bände & Beh. 1Y, Zhle. 


Merfeburg. 
| | Sonis Garde. 





In meinem Verlage iſt neu erſchienen und durch alle Buchhand 
lungen zu beziehen 


Weltgefhihte 





Umriffen und Ausführungen 


S. u. Rorben. 


Erster Bond 
&. 8. (39 Bogen) Geh. 


Eine Weltgeſchichte in erzählender Born, don einem — 
ber zwiſchen compendiariſchar Büry und erſchoͤnfader Huck 
Yihteit ie Mitte hält, wie fie größern Publicum deck 

die mehrmalige —æ ber Beder Then Beltgeſchichte be: 
reits befannte Berfaſſet dieſes Werkes durch Aaflelbe zu geben 
beabfichtigt, ift nicht allein für den Gelehrten von Jach, jentım 
überhaupt für alle Diejenigen Beditrfniß geworden, welche nit 
in den Vorhallen der Geſchichte ftehen bleiben, fondern die Er- 
gebniffe der heutigen Wiſſenſchaft kennen lernen wollen Bi 
die Begebenheiten, bie „Buftände, alle Erfheinungen in ber Ge- 
ſchichte eines Volkes einander Dehingen; ipie fie mit Dem Kreude 


| feiner Unfhauungen und Gedanken zufanmenhängen; wie i-: 
eine fortgebende, auf⸗ und abfteigende Ontwidelungsreibe aut 


machen; welche Bedeutung bie Eigenthümlichkeit des Bolfıs un® 
feiner Eultur in ihren Soegichungen u ———— — 
Bbiber, zur Weltcuitur 5 

tele iſt, wird durch den —S von der en fee 
vorgeführt ,,: fobaß der Zweck des Werkes auch bei denimigez 


Leſern nicht verfehlte werben wird, die Feine gelehrten Borken 


niffe befigen. 


Eeipzig, im December 1846. 
S 0. Brochau 


Drud und Verlag von FJ. X. Brockhauns in Leipzig. 








2 An: Mn ni